13.101 Botschaft zu einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Kindesunterhalt) vom 29. November 2013

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Kindesunterhalt).

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2011

M 11.3316

Gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall und Neufassung der Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern (N 8.4.11, Kommission für Rechtsfragen N; N 29.9.11; S 5.12.11)

Wir versichern Sie, geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. November 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-1920

529

Übersicht Diese Botschaft und der dazugehörige Entwurf bilden den zweiten Teil des Revisionsprojekts, mit dem die elterliche Verantwortung neu geregelt werden soll und bei dem das Kindeswohl ins Zentrum aller Überlegungen gestellt wird. Wie die elterliche Sorge soll auch das Unterhaltsrecht so ausgestaltet werden, dass dem Kind keinerlei Nachteile aus dem Zivilstand der Eltern erwachsen.

Ausgangslage Am 21. Juni 2013 hat das Parlament den Entwurf einer Änderung des Zivilgesetzbuchs angenommen, mit der die gemeinsame elterliche Sorge unabhängig vom Zivilstand der Eltern zur Regel wird. Für eine harmonische Entwicklung ist das Kind aber nicht nur darauf angewiesen, dass es auf eine gute Beziehung zu beiden Elternteilen zählen kann. Es braucht zusätzlich auch stabile und verlässliche Betreuungsverhältnisse sowie finanzielle Sicherheit. Diese Notwendigkeit wird von den eidgenössischen Räten ausdrücklich anerkannt: Sie haben der am 8. April 2011 eingereichten Motion 11.3316 «Gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall und Neufassung der Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern» der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats Folge gegeben. Mit der Motion wurde der Bundesrat namentlich beauftragt, dem Parlament in einem ersten Schritt «umgehend» eine Vorlage zur Änderung des Zivilgesetzbuchs im Bereich der elterlichen Sorge vorzulegen, damit die gemeinsame elterliche Sorge rasch als Regelfall verankert wird. In einer zweiten Phase sollte eine Neuregelung des Unterhalts- und Betreuungsrechts ausgearbeitet werden.

Inhalt der Vorlage Unabhängig vom Schicksal der Beziehung der Eltern sind beide Elternteile für den Unterhalt der Kinder gemeinsam verantwortlich. Bevor die Eltern die wirtschaftlichen Folgen ihres Auseinandergehens unter sich regeln, müssen sie sich daher um die Unterhaltspflicht gegenüber ihren Kindern kümmern.

Zur Stärkung des Unterhaltsanspruchs des Kindes schlägt der Bundesrat vor, im Gesetz den Grundsatz zu verankern, dass die Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind Vorrang vor den übrigen familienrechtlichen Unterhaltspflichten hat. Darüber hinaus soll jedes Kind Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag haben, der sich nicht auf die Deckung seines Barbedarfs beschränkt, sondern auch gewährleistet, dass es von der bestmöglichen Betreuung profitieren kann, sei es durch Dritte
(z. B. eine Tagesmutter oder eine Krippe) oder durch die Eltern selbst.

So werden die Kosten für die Kinderbetreuung durch den betreuenden Elternteil bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags für das Kind berücksichtigt. Die Stellung des Kindes wird auch in familienrechtlichen Verfahren gestärkt. Es reicht jedoch nicht aus, dem Kind einen Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag zu geben. Ebenso wichtig ist es, dass das Kind die Mittel zur Gewährleistung seines Unterhalts rechtzeitig und regelmässig erhält. Zur Verbesserung und gesamtschweizerischen Vereinheitli-

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chung der Inkassohilfe für Unterhaltsbeiträge wird deshalb vorgeschlagen, dem Bundesrat im Gesetz die Kompetenz zum Erlass einer entsprechenden Verordnung zu übertragen.

Die Vorlage befasst sich auch mit der prekären finanziellen Lage von Kindern aus Einelternhaushalten mit beschränkten Mitteln. Die Lage dieser Kinder könnte verbessert werden, indem die zivilrechtlichen Unterhaltsbeiträge und die finanzielle Unterstützung durch das Gemeinwesen in Form von Alimentenbevorschussung oder von Sozialhilfe wirksam koordiniert würden. Der Bundesgesetzgeber hat jedoch nicht die Kompetenz, diese Koordination sicherzustellen, denn das Sozialhilferecht fällt in die Zuständigkeit der Kantone. Der Bundesrat schlägt hingegen punktuelle Massnahmen zur Verbesserung der Stellung des Kindes in Mankofällen vor.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

534 534

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Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Gesellschaftliche und rechtliche Wahrnehmung des Kindes 1.1.2 Familienpolitik 1.1.3 Familie und Sozialhilfe 1.1.4 Abschliessende Bemerkung 1.2 Geltendes Recht 1.2.1 Unterhaltspflicht der Eltern 1.2.2 Gegenstand und Umfang der Unterhaltspflicht 1.2.3 Bemessung des Unterhaltsbeitrags für das Kind 1.3 Kritik am geltenden Recht 1.3.1 Ungleichbehandlung von Kindern verheirateter und unverheirateter Eltern 1.3.2 Zu tiefe Unterhaltsbeiträge 1.3.3 Ungleichbehandlung der Eltern bei der Berechnung der familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge 1.4 Entstehung des Entwurfs 1.4.1 Kritik am Grundsatz der Unantastbarkeit des Existenzminimums der unterhaltspflichtigen Person 1.4.2 Bericht «Harmonisierung Alimentenbevorschussung und Alimenteninkasso» 1.4.3 Politische Vorstösse 1.4.4 Runder Tisch vom 30. April 2012 1.4.5 Vorentwurf vom 4. Juli 2012 1.4.6 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 1.4.7 Gespräche mit Fachpersonen 1.5 Grundzüge der Vorlage 1.5.1 Stärkung des Unterhaltsanspruchs des Kindes 1.5.2 Anspruch des Kindes auf Betreuungsunterhalt 1.5.3 Vereinheitlichung der Praxis bei der Inkassohilfe 1.5.4 Kindesunterhalt und Mankofälle 1.6 Nicht berücksichtigte Revisionsanliegen 1.6.1 Aufhebung des Grundsatzes der Unantastbarkeit des Existenzminimums 1.6.2 Alternierende Obhut 1.6.3 Unterhalt des volljährigen Kindes in Ausbildung 1.7 Rechtsvergleich und Verhältnis zum internationalen Recht 1.7.1 Rechtsvergleich 1.7.2 Vereinte Nationen (UNO) 1.7.3 Internationales Privatrecht 1.8 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

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2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 Unterhaltspflicht der Eltern 2.1.1 Gegenstand und Umfang (Art. 276 Abs. 1 und 2 E-ZGB) 2.1.2 Vorrang der Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind (Art. 276a E-ZGB) 2.1.3 Bemessung des Unterhaltsbeitrages (Art. 285 und 285a E-ZGB) 2.1.4 Hinderung der Verjährung für Forderungen des Kindes gegen die Eltern bis zur Volljährigkeit (Art. 134 Abs. 1 Ziff. 1 E-OR) 2.2 Entscheide und Verträge betreffend den Kindesunterhaltsbeitrag (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 und 287a E-ZGB, Art. 301a E-ZPO) 2.3 Leistung des Unterhaltsbeitrags (Art. 289 Abs. 1 E-ZGB) 2.4 Vollstreckung des Unterhaltsanspruchs (Art. 131, 131a, 132, 176a, 177 und 290 E-ZGB) 2.5 Stärkung der Rechte des Kindes in familienrechtlichen Verfahren (Art. 166 Abs. 1 Bst. d, 218 Abs. 2 und 299­301 E-ZPO) 2.6 Kindesunterhalt und Mankofälle (Art. 286a und 329 Abs. 1bis E-ZGB; Art. 7 Abs. 1 und 2 und 32 Abs. 3bis E-ZUG) 2.7 Übergangsrecht 2.7.1 Übergangsregelung des Unterhaltsanspruchs des Kindes (Art. 13c und 13cbis Schlusstitel E-ZGB) 2.7.2 Übergangsregelung für das Zivilprozessrecht (Art. 407b E-ZPO)

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3

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft

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4

Verhältnis zur Legislaturplanung

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5

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.2 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

592 592 592

Literaturverzeichnis

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Anhang

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Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Kindesunterhalt) (Entwurf)

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

Die Vorlage zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB)1 über den Kindesunterhalt bildet den zweiten Teil des Revisionsprojekts, mit dem die elterliche Verantwortung nach einer Trennung, einer Scheidung oder allgemein einer Auflösung der Lebensgemeinschaft geregelt werden soll. Wie die elterliche Sorge soll auch das Unterhaltsrecht so ausgestaltet werden, dass dem Kind keinerlei Nachteile aus dem Zivilstand der Eltern erwachsen. Das Kindeswohl wird ins Zentrum aller Überlegungen gestellt; die Interessen der Eltern, auch diejenigen auf Gleichbehandlung, treten in den Hintergrund.

In der Regel bezeichnet das Wort «Kind» im Zivilgesetzbuch das minderjährige Kind. Im Bereich des Kindesunterhalts ist das nicht immer der Fall, denn die elterliche Unterhaltspflicht kann auch über den Eintritt der Volljährigkeit des Kindes hinaus bestehen. Deshalb ist bereits zu Beginn festzuhalten, dass diese Vorlage ausschliesslich den Unterhalt des minderjährigen Kindes betrifft (siehe auch Ziff. 1.6.4).

1.1

Ausgangslage

Die gesellschaftliche und rechtliche Wahrnehmung des Kindes hat sich in den letzten Jahren entwickelt. Das Kind ist nunmehr als Rechtssubjekt anerkannt (Ziff. 1.1.1). Es hat namentlich ein Recht auf «gebührenden Unterhalt». Die Eltern müssen für die Bedürfnisse des Kindes aufkommen. Bei der Erfüllung ihrer Pflicht können sie jedoch auf die Unterstützung des Staates zählen, der über die Familienpolitik Massnahmen zur Förderung der Familie ergreift und Einrichtungen dafür schafft (Ziff. 1.1.2). Können die Eltern die Kosten für den Kindesunterhalt nicht tragen, so bestimmt das öffentliche Recht der Kantone, ob der Kanton oder die Gemeinde dafür aufkommen müssen. Für Kinder aus Familien mit bescheidenem Einkommen ist es nicht unwahrscheinlich, dass dies eintrifft, denn die Trennung der Eltern birgt ein erhebliches Armutsrisiko (Ziff. 1.1.3).

1.1.1

Gesellschaftliche und rechtliche Wahrnehmung des Kindes

In den letzten dreissig Jahren hat sich die Wahrnehmung des Kindes in der Gesellschaft deutlich verändert. Aus dem Kind, das als Gegenstand und abhängig, sozusagen als Besitz der Eltern, betrachtet wurde, ist eine unabhängige Person mit eigenen Rechten geworden. Das Übereinkommen vom 20. November 19892 über die Rechte des Kindes (UNO-KRK), das in der Schweiz am 26. März 1997 in Kraft getreten ist, stellt einen wichtigen Schritt in diesem Prozess dar: Es bietet Gewähr für die Menschenrechte der Kinder und Jugendlichen bis zum Alter von achtzehn Jahren. Das 1 2

534

SR 210 SR 0.107

Übereinkommen beruht auf dem Grundsatz, wonach das «Wohl» des Kindes bei allen Massnahmen, die Kinder betreffen, und zwar unabhängig davon, ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, vorrangig zu berücksichtigen ist (Art. 3 Abs. 1 UNO-KRK). Es geht nicht nur darum, das Kind als schwächstes Mitglied der Gesellschaft zu schützen, sondern auch um die Anerkennung des Kindes als unabhängige Person mit eigenen Wünschen, einem eigenen Willen und eigenen Rechten. In der Schweiz erhielt das Kindeswohl am 1. Januar 2000 mit Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung3 (BV), gemäss deren Artikel 11 Absatz 1 Kinder und Jugendliche «Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung» haben, Verfassungsrang.4 Die jüngsten zivil- und zivilprozessrechtlichen Gesetzesänderungen widerspiegeln diese Entwicklung. So sieht die neue, am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Zivilprozessordnung5 (ZPO) nicht nur Spezialnormen zu Kinderbelangen in familienrechtlichen Angelegenheiten vor, sondern auch das Recht des Kindes auf Anhörung und Vertretung (Art. 295­303 ZPO, vgl. Art. 12 UNO-KRK). Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, das am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, weist die gleiche Stossrichtung auf (Art. 314 ff. ZGB). Auch in der Änderung des Zivilgesetzbuchs zur elterlichen Sorge, die von der Bundesversammlung am 21. Juni 2013 angenommen worden ist, wird den Anforderungen des Übereinkommens Rechnung getragen.6 Ziel der Revision ist es nicht nur, bei einer Trennung oder Scheidung die rechtsgleiche Behandlung beider Elternteile zu gewährleisten, sondern es soll vor allem das Recht jedes Kindes sichergestellt werden, auch nach der Trennung der Eltern weiterhin eine gute Beziehung mit beiden Elternteilen pflegen zu können (Art. 9 Abs. 3 UNO-KRK). Das ist umso wichtiger, als das Fundament der heutigen Familie nicht mehr das Paar ist ­ dessen längerfristiger Zusammenhalt nicht gewährleistet werden kann ­, sondern vielmehr die Beziehung der Eltern zum Kind. Der Gesetzgeber hat demnach entschieden, die gemeinsame elterliche Sorge zum Regelfall zu erklären, und zwar unabhängig vom Zivilstand der Eltern (Art. 296 Abs. 2 nZGB). Nur wenn es zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist,
soll die elterliche Sorge einem Elternteil allein übertragen werden können (Art. 298 Abs. 1 nZGB).

Das Kind hat aber nicht nur Anspruch auf eine enge Beziehung zu beiden Elternteilen. Es hat auch das Recht auf stabile und verlässliche Betreuungsverhältnisse und auf finanzielle Sicherheit. Der gebührende Unterhalt des Kindes gehört zu seinen Grundrechten. Nach Artikel 27 Absatz 1 UNO-KRK anerkennen die Vertragsstaaten «das Recht jedes Kindes auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung angemessenen Lebensstandard». Das Übereinkommen legt ein Ziel fest, schreibt den Staaten aber nicht vor, wie sie es erreichen sollen; in der Schweiz erfolgt dies durch die Koordination des Familienrechts als Privatrecht mit dem Sozialhilferecht als öffentlichem Recht und der Familienpolitik.

3 4 5 6

SR 101 BGE 129 III 250 E. 3.4.2.

SR 272 BBl 2013 4763

535

1.1.2

Familienpolitik

Die Familienpolitik wird unter anderem auch durch den Föderalismus und die Subsidiarität mitbestimmt. Die Bundesverfassung sieht vor, dass der Bund nur jene Aufgaben erfüllt, welche die Möglichkeiten der Kantone und Gemeinden übersteigen und einer einheitlichen Regelung bedürfen. Der Bund greift also lediglich ergänzend und unterstützend ein.7 Für die schweizerische Familienpolitik ergeben sich drei zentrale Herausforderungen: der Ausgleich der finanziellen Belastung der Familien, die Stärkung des Familienlebens sowie die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit. Der Bund verfügt bereits heute über ein breit gefächertes Instrumentarium, um die kinderbedingten Mehrkosten teilweise auszugleichen. Zu nennen sind etwa die Steuerabzüge, die Familienzulagen, die Mutterschaftsversicherung oder auch die spezifischen Massnahmen für die Familien in den Sozialversicherungen wie beispielsweise Verbilligungen der Krankenkassenprämien oder Kinderrenten. Auch im Bereich der Stärkung des Familienlebens hat der Bund die Möglichkeit, die Kantone und Gemeinden in ihren Bemühungen zu unterstützen, beispielsweise durch Schwangerschaftsberatungsstellen, Kindes- und Jugendschutz, Jugendförderung usw. Hingegen hat die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit als weiteres Element einer zeitgemässen Familienpolitik bisher keinen Niederschlag in der Verfassung gefunden.8 Der Bundesrat hat sich für die Einführung einer neuen Verfassungsbestimmung zur Familienpolitik (Art. 115a BV) ausgesprochen, mit der Bund und Kantone verpflichtet werden sollten, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit sowie von Familie und Ausbildung zu fördern.9 Obwohl die Einführung einer entsprechenden Bestimmung vom Bundesrat und vom Parlament sowie einer Mehrheit der politischen Parteien unterstützt wurde, ist sie in der Volksabstimmung vom 3. März 2013 abgelehnt worden.10 Trotz den Anstrengungen im Bereich der Familienpolitik bleiben Familien dem Armutsrisiko weiterhin besonders ausgesetzt.

7

8 9

10

536

Parlamentarische Initiative 07.419. Verfassungsbasis für eine umfassende Familienpolitik. Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) vom 10. November 2011, BBl 2012 675, hier 683 (im Folgenden: parlamentarische Initiative 07.419. Bericht der SGK-N vom 10. November 2011).

Parlamentarische Initiative 07.419. Bericht der SGK-N vom 10. November 2011, BBl 2012 675, hier 676.

Parlamentarische Initiative 07.419. Verfassungsbasis für eine umfassende Familienpolitik. Bericht vom 10. November 2011 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates. Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Februar 2012, BBl 2012 1827 (im Folgenden: parlamentarische Initiative 07.419. Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Februar 2012). Zu den Schwierigkeiten bei der Vereinbarung von Erwerbstätigkeit und Familie in der Schweiz siehe ebenfalls den erläuternden Bericht zum Vorentwurf vom 4. Juli 2012, S. 19­20, unter www.bj.admin.ch/bj/fr/home > Themen > Gesellschaf t> Gesetzgebung > Unterhalt des Kindes.

Der Artikel wurde mit einem Mehr von 54,3 Prozent der Bevölkerung angenommen, ist aber von 13 der 23 Kantone abgelehnt worden. Für weitere Informationen über die Abstimmung vom 3. März 2013, siehe www.bsv.admin.ch > Dokumentation > Gesetzgebung > Abstimmungen > Verfassungsartikel über die Familienpolitik.

1.1.3

Familie und Sozialhilfe

Familien sind vergleichsweise häufig von Armut betroffen. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass der finanzielle Bedarf mit der Anzahl Kinder steigt und gleichzeitig die für Erwerbsarbeit zur Verfügung stehende Zeit sinkt. Zum andern hat die Zahl der Scheidungen deutlich zugenommen, was eine steigende Anzahl von Einelternhaushalten zur Folge hat.11 Gemäss dem Statistischen Sozialbericht Schweiz 201112 sind Alleinerziehende überproportional vom Risiko der Sozialhilfeabhängigkeit betroffen: 16,9 Prozent der Einelternhaushalte sind im Jahr 2009 mit Sozialhilfeleistungen unterstützt worden.

Dem gegenüber steht die Unterstützungsquote von 3,8 Prozent aller Haushalte, die Sozialhilfe beziehen. Während die Sozialhilfeabhängigkeit der Bevölkerung in den Jahren 2005­2009 gesamthaft abgenommen hat, stagniert die Abhängigkeit von der Sozialhilfe bei den Einelternhaushalten seit mehreren Jahren fast unverändert auf diesem hohen Niveau. Darin spiegelt sich die immer stärkere Verbreitung von Einelternhaushalten in der Gesellschaft. Ersichtlich ist dies an der Sozialhilfeabhängigkeit von Geschiedenen: Während die Sozialhilfequote im Jahr 2009 insgesamt bei 3,0 Prozent lag, betrug sie für Geschiedene 6,8 Prozent und für Verheiratete nur 1,8 Prozent.13 Das Problem der Einelternhaushalte, die Sozialhilfe beziehen, betrifft vor allem die Frauen, denn insgesamt 95,4 Prozent der antragstellenden Personen in Einelternhaushalten sind Frauen.14 Sie befinden sich zufolge zweier Aspekte in einer besonders heiklen Situation: Die Auflösung der Partnerschaft lässt einerseits die Bedürfnisse ansteigen, da in der Regel zwei Haushalte finanziert werden müssen.

Andererseits werden zusätzliche Mittel in der Regel durch eine Erhöhung der Erwerbstätigkeit beschafft. Für Alleinerziehende ist dies schwierig, da die Zeitressourcen wegen der notwendigen Kinderbetreuung eingeschränkt sind. In der Folge muss die Sozialhilfe die finanzielle Lücke zum Existenzminimum schliessen.15 In der Schweiz sind für die Unterstützung bedürftiger Personen die Kantone zuständig.

Diese delegieren die Organisation der Sozialhilfe oft an die Gemeinden.

1.1.4

Abschliessende Bemerkung

Die Frage des gebührenden Unterhalts des Kindes fällt in die Schnittstelle zwischen Familienrecht als Privatrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundes (Art. 122 BV) und dem Sozialhilferecht als öffentlichem Recht im Zuständigkeitsbereich der Kantone (Art. 115 BV). Ziel dieses Gesetzesentwurfs ist es, im Rahmen der Kompetenzregelung nach geltendem Verfassungsrecht die Stellung des Kindes im Privatrecht zu stärken, ohne dabei die Regeln und die laufenden Entwicklungen des öffentlichen Rechts aus den Augen zu lassen.

11 12

13 14 15

Parlamentarische Initiative 07.419. Bericht der SGK-N vom 10. November 2011, BBl 2012 675, hier 682.

Statistischer Sozialbericht Schweiz 2011. Bericht des Bundesrates vom 18.05.2011 in Erfüllung des Postulats «Legislatur. Sozialbericht» (2002 P 01.3788), Hrsg. Bundesamt für Statistik (BFS).

Statistischer Sozialbericht Schweiz 2011, Ziff. 5.2.4, S. 82.

Statistischer Sozialbericht Schweiz 2011, Ziff. 5.2.4, S. 83.

Statistischer Sozialbericht Schweiz 2011, Ziff. 5.2.4, S. 82.

537

1.2

Geltendes Recht

1.2.1

Unterhaltspflicht der Eltern

Die Unterhaltspflicht der Eltern entsteht aus dem Kindesverhältnis im rechtlichen Sinn. Die Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Kind untersteht keiner Bedingung: Sie hängt weder vom Zivilstand der Eltern ­ verheiratet, geschieden oder ledig ­ noch von der Ausübung der elterlichen Sorge, der Obhut oder der Wahrnehmung des Besuchsrechts ab.16 Die Unterhaltspflicht gegenüber einem volljährigen Kind, das die Ausbildung noch nicht abgeschlossen hat, hängt hingegen von den wirtschaftlichen und persönlichen «Umständen» ab (Art. 277 Abs. 2 ZGB; siehe ebenfalls Ziff. 1.6.4).17 Für den Unterhalt der Kinder haben in erster Linie die Eltern aufzukommen. Die Eltern sind von der Unterhaltspflicht in dem Mass befreit, als dem Kind zugemutet werden kann, den Unterhalt aus seinem Arbeitserwerb oder andern Mitteln zu bestreiten (Art. 276 Abs. 3 ZGB). Sind die Eltern und das Kind dazu nicht in der Lage, muss das Gemeinwesen für den Unterhalt des Kindes aufkommen; die Gesetzgebung und der Vollzug in diesem Bereich fallen in die Zuständigkeit der Kantone (Art. 115 BV).

1.2.2

Gegenstand und Umfang der Unterhaltspflicht

Nach Artikel 276 Absätze 1 und 2 ZGB umfasst die Unterhaltspflicht nicht nur die Kosten für den unmittelbaren Lebensunterhalt, sondern auch die Erziehung, die Ausbildung und die Kindesschutzmassnahmen. Der Unterhalt wird in der Regel durch Pflege und Erziehung des Kindes im gemeinsamen Haushalt und durch die Übernahme der betreffenden Kosten geleistet. Wenn das Kind nicht bei den Eltern wohnt, haben sie ihrer Unterhaltspflicht durch Geldzahlung nachzukommen (Art. 276 Abs. 2 ZGB). Zum Unterhalt gehören somit auch die Kosten für die Unterbringung des Kindes (Art. 310 ZGB) oder ein angemessenes Pflegegeld der Pflegeeltern (Art. 294 Abs. 1 ZGB).

Während der Ehe tragen die Eltern die Kosten des Unterhalts nach den Bestimmungen des Eherechts (Art. 278 Abs. 1 ZGB). Nach Artikel 163 ZGB sorgen die Ehegatten gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie (Abs. 1). Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes oder Betreuen der Kinder (Abs. 2). Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände (Abs. 3). Unverheiratete Eltern tragen im Allgemeinen auf Grundlage einer internen Vereinbarung gemäss denselben Grundsätzen zum Unterhalt der Familie bei.

Erst bei der Auflösung des gemeinsamen Haushalts oder wenn nie ein gemeinsamer Haushalt bestanden hat, stellt sich die Frage nach der konkreten Bemessung des Unterhalts des Kindes und nach dessen Aufteilung auf die beiden Elternteile.

16 17

538

Urteil 5A_618/2011 vom 12. Dezember 2011 E. 3.2.

Meier/Stettler, N 1077 ff., S. 621 ff.

1.2.3

Bemessung des Unterhaltsbeitrags für das Kind

Im Allgemeinen Wenn die Eltern nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben, übernimmt grundsätzlich die obhutsberechtigte Person die Pflege und Erziehung des Kindes, d. h. der Elternteil, bei dem das Kind hauptsächlich wohnt, während der andere Elternteil eine Geldzahlung erbringt (Art. 276 Abs. 2 ZGB).

Nach Artikel 285 Absatz 1 ZGB soll dieser Unterhaltsbeitrag den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen und ausserdem Vermögen und Einkünfte des Kindes berücksichtigen. Seit dem Inkrafttreten des revidierten Scheidungsrechts am 1. Januar 2000 wird auch der Beitrag des nicht obhutsberechtigten Elternteils an die Betreuung des Kindes berücksichtigt.

Diese Kriterien beeinflussen sich gegenseitig. Die Bedürfnisse des Kindes müssen somit in Verbindung mit den anderen Kriterien ermittelt werden, und der Unterhaltsbeitrag muss immer in einem angemessenen Verhältnis zum Lebensstandard und zur Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Person stehen.

In Artikel 285 ZGB werden die allgemeinen Grundsätze für die Bemessung des Unterhaltsbeitrags statuiert. Es wird aber keine spezifische Berechnungsmethode festgelegt. So haben die kantonalen Gerichte die Möglichkeit, die besonderen Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls zu berücksichtigen. In der gerichtlichen Praxis wurden verschiedene Methoden zur Bemessung des Kindesunterhaltsbeitrags entwickelt: Während der Beitrag bei den «abstrakten» Methoden anhand der Einkommensanteile eines Elternteils oder beider Eltern bestimmt wird, stellen die «konkreten» Methoden im Allgemeinen auf die statistischen Daten zu den Kinderkosten in der Schweiz ab und passen diese an die finanzielle Lage der Eltern an.18 Da die Bedürfnisse der Kinder je nach Alter variieren, ist bei jeder Methode eine zeitliche Abstufung des Beitrags vorgesehen. Auf jeden Fall bleibt die Möglichkeit vorbehalten, dem Gericht eine neue Festsetzung des Unterhaltsbeitrags zu beantragen (Art. 286 Abs. 1 und 2 ZGB).

Das Bundesgericht belässt den kantonalen gerichtlichen Behörden bei der Bemessung des Kindesunterhaltsbeitrags einen weiten Ermessensspielraum. Es greift nur dann ein, wenn das kantonale Gericht Elemente berücksichtigt hat, die gemäss Gesetz keinen Einfluss haben dürfen, wenn es wesentliche Faktoren nicht beachtet hat oder wenn der
festgesetzte Betrag nach allgemeiner Lebenserfahrung angesichts der Umstände offensichtlich unbillig erscheint19.

Im Besonderen, wenn die finanziellen Mittel der unterhaltspflichtigen Person beschränkt sind Obwohl grundsätzlich keines der Kriterien von Artikel 285 Absatz 1 ZGB vor den anderen Vorrang hat, wird gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils eine grössere Bedeutung zugeschrieben, wenn dessen Mittel beschränkt sind. Gemäss dieser Rechtsprechung bildet die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Person bei der Festsetzung der Unterhaltspflicht insofern eine Schranke, als ihr betreibungsrechtli18

19

Für genaue Ausführungen zu den Berechnungsmethoden, siehe Brenner; Hausheer/Spycher, N 02.01­02.13a, S. 43­49, N 02.20 f., S. 51 f., N 06.135­06.149, S. 430­445; Meier/Stettler, N 972­980, S. 563­570; Rumo-Jungo/Stutz, S. 272 f.

Vgl. z.B. Urteil 5A_400/2011 vom 15. August 2011 E. 5.2.

539

ches Existenzminimum in jedem Fall zu schützen ist (Grundsatz der Unantastbarkeit des Existenzminimums).20 Die Leistungsfähigkeit jedes Elternteils wird anhand seines Einkommens bestimmt.

Dabei geht das Gericht grundsätzlich vom tatsächlich erzielten Einkommen aus.

Gemäss Rechtsprechung kann es allerdings davon abweichen und stattdessen ein hypothetisches Einkommen anrechnen, sofern der betreffende Elternteil mehr als sein tatsächliches Einkommen verdienen könnte und ihm weitere Anstrengungen auch zumutbar sind. Damit soll die betroffene Person dazu angehalten werden, das Einkommen zu erzielen, das sie effektiv erzielen könnte, um ihre familiären Pflichten zu erfüllen. Im Verhältnis zum Unterhaltsbeitrag an das minderjährige Kind werden besonders hohe Anforderungen an die Ausnützung der Erwerbskraft des unterhaltspflichtigen Elternteils gestellt, insbesondere wenn dieser in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebt.21

1.3

Kritik am geltenden Recht

1.3.1

Ungleichbehandlung von Kindern verheirateter und unverheirateter Eltern

Die Kosten für Kinder in der Schweiz waren im Jahr 2009 Thema einer im Auftrag des Bundesamts für Statistik (BFS) erstellten Studie «Kinderkosten in der Schweiz».

Die Studie unterscheidet zwischen den direkten Kosten, den indirekten Kosten sowie weiteren Kinderkosten und Entlastungseffekten. Die direkten Kinderkosten ergeben sich aus den Konsumkosten eines Haushalts für die darin lebenden Kinder, beispielsweise für deren Ernährung, Unterkunft und Bekleidung. Ihre Höhe hängt vom Alter des Kindes und von der Leistungsfähigkeit der Eltern ab. Zu diesen Ausgaben kommen die Aufwendungen im Interesse des Kindes wie unter anderem die Krankenkassenprämien sowie die Auslagen für die Schule und nicht zuletzt für Freizeitbeschäftigungen hinzu. Unter die Kategorie der weiteren Kinderkosten und Entlastungseffekte werden unter anderem die im Zusammenhang mit einer Fremdbetreuung (z. B. für eine Tagesmutter oder Krippe) anfallenden Kosten gezählt.22 Weiter fallen bei einem Kind aber auch indirekte Kosten an. Diese reflektieren den Zeitaufwand der Eltern für ihre Kinder. Der in Pflege und Erziehung der Kinder investierte Zeitaufwand führt zu einem verminderten Beschäftigungsgrad bei dem Elternteil, der sich im Alltag um die Kinder kümmert. Die Betreuungskosten erscheinen deshalb entweder in der Form eines Mindereinkommens aus Arbeitserwerb oder der Erhöhung der unentgeltlich geleisteten Haus- und Familienarbeit im Zusammenhang mit dem im Haushalt lebenden Kind.23 Die genannten Methoden, welche heute bei der Berechnung des Unterhaltsbeitrags regelmässig angewendet werden (siehe Ziff. 1.2.3), zählen allerdings die indirekten Kosten, also die Kosten für die Betreuung des Kindes durch einen Elternteil, nicht zu den Bedürfnissen des Kindes, oder sie berücksichtigen diese nur zu einem gering-

20 21 22 23

540

BGE 137 III 59 E. 4.2.1.

BGE 137 III 118 E. 2.3 und dort zitierte Rechtsprechung.

Gerfin/Stutz/Oesch/Strub, S. 1 und 3.

Gerfin/Stutz/Oesch/Strub, S. 2 f.; Leuba/Bastons Bulletti, S. 85.

fügigen Teil.24 Dagegen kann jedoch der Umfang und die Dauer der Betreuung der Kinder unter geltendem Recht ein Kriterium bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags sein, der dem Ehegatten nach einer Scheidung geschuldet ist (Art. 125 Abs. 2 Ziff. 6 ZGB). Die Kinderbetreuung hat eine unmittelbare Auswirkung darauf, wie weit der betroffene Elternteil für seinen eigenen Unterhalt aufkommen kann, da die Möglichkeit der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit beziehungsweise der Erhöhung des Beschäftigungsgrads direkt davon abhängt.25 Im Unterschied dazu sieht das geltende Recht für einen unverheirateten Elternteil im Fall einer Trennung keinen entsprechenden Unterhaltsbeitrag vor. Unverheiratete Mütter haben lediglich während mindestens vier Wochen vor und mindestens acht Wochen nach der Geburt einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz der Kosten des Unterhalts (Art. 295 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB).26 Es liegt im Interesse jedes Kindes, dass es von der bestmöglichen Betreuung profitieren kann. Die heutige Regelung führt zu einer Ungleichbehandlung von Kindern verheirateter respektive geschiedener Eltern und Kindern unverheirateter Eltern.

Wird im Einzelfall die persönliche Betreuung durch einen Elternteil während einer gewissen Zeit als bestmögliche Betreuung erachtet, kann diese nur bei geschiedenen Eltern gewährleistet werden, weil die Betreuung hier über den nachehelichen Unterhalt entschädigt wird. Ein unverheirateter Elternteil muss dagegen selber für seinen Unterhalt aufkommen, selbst wenn das Kind mit ihm im gleichen Haushalt lebt.

Dies kann für das Kind unverheirateter Eltern, die in einer Lebensgemeinschaft gelebt haben, einen unvermittelten Wechsel in der Betreuungssituation bedeuten. In der für das Kind ohnehin schwierigen und verwirrenden Zeit, in der der bestehende familiäre Haushalt aufgelöst wird, ist es für das Kind wichtig, ihm in Bezug auf die Betreuung im Alltag zumindest während einer bestimmten Zeit eine gewisse Kontinuität zu garantieren. Angesichts der Tatsache, dass sich die Anzahl der Kinder unverheirateter Eltern in den letzten zehn Jahren praktisch verdoppelt hat, sind die sozialen Auswirkungen dieser Unterscheidung beachtlich. Fast ein Fünftel der heute in der Schweiz geborenen Kinder sind Kinder nicht miteinander verheirateter Eltern.27 Bei einer Aufhebung des gemeinsamen Haushalts soll damit jedes Kind weiterhin so lange von der Pflege und Erziehung durch einen Elternteil profitieren können, als es zu seinem Wohl erforderlich ist.28

1.3.2

Zu tiefe Unterhaltsbeiträge

Grundsatz der Unantastbarkeit des Existenzminimums des unterhaltspflichtigen Elternteils Wie oben erläutert wurde, bildet die Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Person nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung insoweit eine Schranke für die Unterhaltspflicht, als der Unterhaltsschuldnerin oder dem Unterhaltsschuldner 24

25 26 27 28

Meier/Stettler, N. 977 und Fn. 2101, S. 567 zu den Zürcher Tabellen; siehe ebenfalls die Praxis des Kantonsgerichts Freiburg bei einer «Doppelbelastung», FamPra 2011, S. 241 ff., insbesondere S. 244, Leuba/Bastons Bulletti, Fn. 9, S. 87.

Schwenzer, N. 59 zu Art. 125 ZGB; Pichonnaz, N 53 zu Art. 125 ZGB; Rumo-Jungo, Alleinerziehende, S. 175 f.

BGE 138 III 689 E. 3.3.2.

Botschaft zu einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Elterliche Sorge) vom 16. November 2011, BBl 2011 9077, hier 9084.

Rumo-Jungo, Alleinerziehende, S. 183­184.

541

zumindest das betreibungsrechtliche Existenzminimum zu belassen ist (siehe Ziff. 1.2.3). Das kann die Gerichte veranlassen, überhaupt keinen Unterhaltsbeitrag zuzusprechen, da sonst in das Existenzminimum der unterhaltspflichtigen Person eingegriffen würde, oder einen Beitrag festzusetzen, der deutlich unter den tatsächlichen Bedürfnissen des Kindes liegt.

In einem Urteil vom 23. Oktober 200829 hat das Bundesgericht diese Praxis kritisiert. Aus praktischen Gründen, die weiter unten dargelegt werden, hat es jedoch darauf verzichtet, seine Rechtsprechung entsprechend anzupassen.

Fehlende Rangordnung zwischen den verschiedenen Unterhaltspflichten Durch die fehlende Rangordnung zwischen der Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind und derjenigen gegenüber dem Ehegatten wird ein Kind aus einer Familie mit bescheidenen Mitteln zusätzlich benachteiligt. Das Gesetz äussert sich nicht zu einem eventuellen Vorrang der Unterhaltspflicht gegenüber dem Ehegatten vor der Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern oder umgekehrt, und auch das Bundesgericht hat sich dazu noch nicht eindeutig geäussert.30 Es kann also vorkommen, dass der Unterhaltsbeitrag für das Kind reduziert wird, wenn der Anspruch mit einem Unterhaltsanspruch des geschiedenen Elternteils in Konkurrenz steht.

Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines wirksamen Systems der Alimentenbevorschussung In allen Kantonen besteht ein System für die Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen für Kinder, wenn die Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen. Dabei handelt es sich um eine sozialpolitisch wichtige Massnahme, denn der Unterhaltsbeitrag ist im Allgemeinen die einzige finanzielle Leistung, auf die das Kind einen Anspruch hat. Werden zu tiefe Unterhaltsbeiträge gesprochen, so wird dadurch die Umsetzung eines wirksamen Systems zur Alimentenbevorschussung unterlaufen, da die Bevorschussung einen sogenannten Unterhaltstitel voraussetzt, d. h. einen Gerichtsentscheid, eine gerichtlich genehmigte Trennungs- oder Scheidungskonvention, einen gerichtlichen Vergleich oder einen von der Kindesschutzbehörde genehmigten Unterhaltsvertrag (Art. 287 ZGB). Die Bevorschussung wird zugleich auch durch die im Unterhaltstitel festgesetzten Beträge beschränkt. Fällt der im Unterhaltstitel festgesetzte Unterhaltsbeitrag tiefer aus als die in den kantonalen
Verordnungen über die Alimentenbevorschussung vorgesehenen Beträge, können die Bedürfnisse des Kindes mit den Vorschüssen nicht gedeckt werden und das Kind muss zusätzlich Sozialhilfe beantragen.

1.3.3

Ungleichbehandlung der Eltern bei der Berechnung der familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge

Der Grundsatz der Unantastbarkeit des Existenzminimums der Unterhaltsschuldnerin oder des Unterhaltsschuldners gilt für alle Unterhaltskategorien des Familienrechts: für den Unterhalt der Ehegatten bei Aufhebung des gemeinsamen Haushalts (Art. 176 ZGB), bei vorsorglichen Massnahmen nach Einreichung des gemeinsamen Scheidungsbegehrens oder der Scheidungsklage (Art. 276 ZPO mit Verweis auf 29 30

542

BGE 135 III 66 BGE 132 III 209 E. 2.3.

Art. 176 ZGB) oder für den nachehelichen Unterhalt (Art. 125 ZGB) sowie für den Unterhalt des Kindes (Art. 276 und 285 ZGB).

Reicht das gemeinsame Einkommen nach einer Trennung oder Scheidung nicht mehr zur Deckung der Bedürfnisse der Eltern und der Kinder aus, so trägt der unterhaltsberechtigte Elternteil den Fehlbetrag (Manko), der aus der Differenz zwischen den verfügbaren Mitteln und dem Gesamtbetrag der Unterhaltsbedürfnisse resultiert.

Mangels ausreichender finanzieller Mittel müssen dieser Elternteil und das Kind in der Regel Sozialhilfe beantragen. So entstehen beim unterhaltsberechtigten Elternteil Rückzahlungsverpflichtungen, denen er ­ sofern dies im kantonalen Sozialhilferecht vorgesehen ist ­ nachkommen muss, sobald es seine finanzielle Lage erlaubt.

Gestützt auf die Unterstützungspflicht nach Artikel 328 ZGB ist es ausserdem möglich, dass seine nahen Verwandten dazu verpflichtet werden, sich an der Rückerstattung der empfangenen Leistungen zu beteiligen. Hingegen kann der unterhaltspflichtige Elternteil weiterhin über sein Existenzminimum verfügen. Er und seine Verwandten laufen auch nicht Gefahr, sich an der Rückerstattung der Sozialhilfeleistungen beteiligen zu müssen, die sein Kind und der andere Elternteil aufgrund der Mangellage infolge der Trennung oder Scheidung erhalten haben.

Zurzeit bietet Artikel 129 Absatz 3 ZGB in Verbindung mit Artikel 282 Absatz 1 Buchstabe c ZPO die einzige Möglichkeit, zum Zeitpunkt der Scheidung einem allfälligen Manko Rechnung zu tragen: «Die berechtigte Person kann innerhalb von fünf Jahren seit der Scheidung die Festsetzung einer Rente oder deren Erhöhung verlangen, wenn im Urteil festgehalten worden ist, dass keine zur Deckung des gebührenden Unterhalts ausreichende Rente festgesetzt werden konnte, die wirtschaftlichen Verhältnisse der verpflichteten Person sich aber entsprechend verbessert haben.» Diese Bestimmung, die am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist, hätte dazu beitragen sollen, die schwierige oder heikle Situation des unterhaltsberechtigten Elternteils bei einem Manko zu lindern. In der Praxis scheint die Bestimmung jedoch kaum Wirkung zu zeigen.

Ein grosser Teil der Lehre tritt für die Mankoteilung ein (siehe Ziff. 1.4.1) und kritisiert die Rechtsprechung, wonach das Existenzminimum der Unterhaltsschuldnerin oder des Unterhaltsschuldners
bei der Bemessung der familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge geschützt wird. Da sich die Eltern während der Ehe frei «über den Beitrag» verständigen, «den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder» (Art. 163 Abs. 2 ZGB), sei es nicht hinnehmbar, dass im Fall einer Trennung oder Scheidung nur ein Elternteil die aus dieser Wahl folgenden wirtschaftlichen Nachteile zu tragen hat. Von einigen Lehrmeinungen wird die Praxis, wonach das betreibungsrechtliche Existenzminimum eine Schranke für die Unterhaltspflicht des unterhaltspflichtigen Elternteils bildet, als ungewöhnlich bezeichnet31: Im übrigen schweizerischen Privatrecht hängt der Umfang der eingegangenen Verpflichtung nicht vom Existenzminimum der Schuldnerin oder des Schuldners ab und das Existenzminimum muss vielmehr erst anlässlich der Zwangsvollstreckung berücksichtigt werden.

31

Rumo-Jungo, Alleinerziehende, S. 178­179; Schöbi, N 7, S. 32.

543

1.4

Entstehung des Entwurfs

1.4.1

Kritik am Grundsatz der Unantastbarkeit des Existenzminimums der unterhaltspflichtigen Person

Ein wesentlicher Anlass für die Entstehung der vorliegenden Revision bildet die Frage der Einführung der Mankoteilung.

Bis zum Jahr 1995 wurde das Problem des Mankos auf unterschiedliche Weise gelöst: In einigen Kantonen wurde es gleichmässig oder in einem bestimmten Verhältnis auf die unterhaltsberechtigte und die unterhaltspflichtige Person aufgeteilt (Mankoteilung). In anderen Kantonen wurde dem unterhaltspflichtigen Elternteil das Existenzminimum vollumfänglich belassen und somit die Unterhaltspflicht auf die Differenz zwischen dessen Einkommen und dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum beschränkt (einseitige Mankoüberbindung).32 Im Jahr 1995 hat das Bundesgericht die Praxis dahingehend vereinheitlicht, dass dem unterhaltspflichtigen Ehegatten auf jeden Fall das betreibungsrechtliche Existenzminimum zu belassen ist, und zwar in Bezug auf alle familienrechtlichen Unterhaltskategorien.33 Seither ist die Unterhaltsgläubigerin oder der Unterhaltsgläubiger verpflichtet, das Manko zu tragen. Wie dargelegt, wird diese Rechtsprechung von einem grossen Teil der Lehre kritisiert, welcher dagegen zur Mankoteilung rät.34 Revision des Scheidungsrechts, in Kraft getreten am 1. Januar 2000 Die Mankoteilung war auch im Verlauf des Vernehmlassungsverfahrens und der parlamentarischen Beratung zur Revision des Scheidungsrechts Gegenstand heftiger Diskussionen. So hatte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates folgende Bestimmung vorgeschlagen (Art. 125 Abs. 2bis ZGB): «Fehlen die Mittel, um einen Beitrag festzulegen, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist, so ist der Fehlbetrag in angemessener Weise auf beide Ehegatten aufzuteilen.» Die Bestimmung wurde vom Ständerat und vom Bundesrat bekämpft und schliesslich vom Nationalrat am 15. Juni 1998 abgelehnt.

Die Frage der Mankoteilung nach einer Trennung oder Scheidung wurde aber weiterhin kontrovers diskutiert, und das Bundesgericht stellte im Dezember 2006 fest, dass seine Rechtsprechung zu überdenken sei.35 Zudem widmete die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (EKF) die erste Nummer ihrer Zeitschrift «Frauenfragen» des Jahres 2007 dem Thema Scheidung, und zwar unter dem Titel «Nach der Scheidung aufs Sozialamt?». Im Artikel «Für eine geschlechtergerechte Aufteilung 32 33 34

35

544

Rüegg, S. 22 ff.

BGE 121 I 97 E. 2 und 3; siehe ebenfalls Freivogel, Frauenfragen, S. 26­27.

Im Folgenden eine nicht abschliessende Aufzählung von Lehrmeinungen: Für die Mankoteilung: Bigler-Eggenberger, Ehetrennung, S. 6 ff.; Dies., Überschuss und Manko, S. 198­203; Bräm/Hasenböhler, N 113 zu Art. 163 ZGB, N 29 ff. zu Art. 176 ZGB, S. 1506 f.; Freivogel, FamPra 2007, S. 501 ff.; Lörtscher-Steiger/Trinkler, S. 835; Perrin, Minimum vital, S. 423 ff.; Ders., Contributions alimentaires, S. 529 ff.; Pichonnaz/Rumo-Jungo, S. 81 ff.; Rüegg, S. 22 ff.; Rumo-Jungo, Vorentwurf Vorsorgeausgleich, S. 23; Schwander, N 4 zu Art. 176 ZGB; Sutter/Freiburghaus, N 64 zu Art. 125 ZGB; Werro, S. 42.

Gegen die Mankoteilung: Hausheer, Scheidungsrecht, N 3.11; Hausheer/Geiser, S. 93 ff.; Hausheer/Reusser/Geiser, N 27 zu Art. 176 ZGB; Hausheer/Spycher, N 05.136­05.138, S. 303­305; Reusser, S. 143 ff., insbesondere S. 147 f.; Geiser, S. 63.

BGE 133 III 57

der wirtschaftlichen Folgen von Trennung und Scheidung» legte die Kommission eine Reihe von Empfehlungen an Anwaltschaft, Rechtsprechung, Sozialhilfebehörden und Politik vor.36 Im Jahr 2008 organisierte die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) eine nationale Tagung zum Thema «Armut nach Scheidung.

Wenn das Einkommen nicht für zwei Haushalte reicht.»37 BGE 135 III 66 Im bereits erwähnten Urteil vom 23. Oktober 2008 betreffend Unterhaltsbeiträge, die im Rahmen von Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft festzulegen waren, unterzog das Bundesgericht die 1995 eingeführte Praxis schliesslich einer äusserst kritischen Prüfung, ohne jedoch seine Rechtsprechung zu ändern.38 Das Bundesgericht hielt fest, dass das System der Mankoteilung zwar einem richtigen Verständnis der familienrechtlichen Bestimmungen zum Unterhaltsrecht entsprechen würde, ein Systemwechsel in der praktischen Handhabung aber auf zwei Ebenen zu Schwierigkeiten führen würde: zum einen beim Zusammenspiel mit den Sozialhilfebehörden für die allseitige Deckung des verteilten Mankos, zum anderen im Stadium der Zwangsvollstreckung für den Fall des teilweisen oder vollständigen Ausbleibens der Unterhaltsbeiträge. Das geltende System der einseitigen Mankoüberbindung wurde damit bestätigt. Das Bundesgericht hat aber gleichzeitig den Gesetzgeber aufgefordert, gegebenenfalls unter Anpassung der Gesetze in den betroffenen Rechtsgebieten, eine adäquate und kohärente Lösung zu schaffen.39

1.4.2

Bericht «Harmonisierung Alimentenbevorschussung und Alimenteninkasso»

Im Juni 2006 nahm der Nationalrat das Postulat 06.3003 seiner Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N) vom 13. Januar 2006 an und beauftragte den Bundesrat, die Gesetzgebung zur Alimentenbevorschussung und zum Alimenteninkasso zu harmonisieren.

In Erfüllung dieses Postulats verabschiedete der Bundesrat am 4. Mai 2011 den Bericht «Harmonisierung Alimentenbevorschussung und Alimenteninkasso» (im Folgenden: Bericht «Harmonisierung»), in dem die Entwicklung, Ausgestaltung und die Ziele der Alimentenbevorschussung und der Inkassohilfe dargestellt werden.40 Der Bericht kommt zum Schluss, dass das Ziel des Bundesgesetzgebers, die Unterhaltsansprüche von Kindern und Ehegatten mittels Alimentenhilfe zu sichern, in den Kantonen nur teilweise erreicht wird.

Bedarf nach einer einheitlichen Praxis bei der Alimentenbevorschussung Die Bestimmungen zur Alimentenbevorschussung und deren Vollzug fallen in die Zuständigkeit der Kantone, denn es handelt sich um eine Ausschüttung öffentlicher Gelder zur Unterstützung Bedürftiger (Art. 115 BV). Gemäss dem erwähnten 36 37 38 39 40

Siehe Frauenfragen 1.2007.

Das Programm dieser Tagung kann auf folgender Webseite der SKOS abgerufen werden: www.skos.ch/de > Veranstaltungen > Archiv Veranstaltungen > 2008.

BGE 135 III 66 BGE 135 III 66 E. 10.

Bericht «Harmonisierung». Der Bericht kann heruntergeladen werden unter: www.bsv.admin.ch > Aktuell > Medieninformationen > 04.05.2011.

545

Bericht unterscheiden sich die Rechtsgrundlagen ­ in denen beispielsweise die Voraussetzungen für die Bevorschussung, die Dauer und der maximale Betrag festgelegt werden ­ in den einzelnen Kantonen sehr stark. Es ist dementsprechend erforderlich, sie zu harmonisieren, sei dies über die Schaffung einer Verfassungsbestimmung, die dem Bund die Kompetenz zum Erlass eines entsprechenden Bundesgesetzes überträgt, oder über die Vereinbarung eines interkantonalen Konkordats.

Zurzeit ist nicht vorhersehbar, wann die Harmonisierung erfolgen wird. In seiner Stellungnahme zum Bericht der SGK-N vom 10. November 2011 betreffend eine Verfassungsbasis für eine umfassende Familienpolitik (Art. 115a) hat sich der Bundesrat für die Aufnahme eines Absatzes 4 als Kann-Bestimmung ausgesprochen: «Reichen die Bestrebungen der Kantone im Bereich der Harmonisierung der Alimentenbevorschussung durch die Kantone nicht aus, so kann der Bund Grundsätze festlegen; er berücksichtigt dabei die Harmonisierungsbestrebungen der Kantone.»41 Das Parlament hat diesen Vorschlag indes abgelehnt. Sogar ohne den Absatz 4 ist die neue Verfassungsbestimmung über die Familienpolitik an der Volksabstimmung vom 3. März 2013 abgelehnt worden (siehe Ziff. 1.1.2). Obwohl die Standesinitiative des Kantons Zürich, mit der der Bund eingeladen wird, eine gesetzliche Grundlage zur Harmonisierung der Alimentenbevorschussung zu schaffen, noch behandelt wird,42 erscheint eine Harmonisierung innert absehbarer Frist nicht möglich.

Bedarf nach einer einheitlichen Praxis bei der Inkassohilfe Gemäss dem Bericht «Harmonisierung» bestehen auch grosse Unterschiede bezüglich Qualität der Hilfeleistungen der kantonalen Inkassobehörden. Da die Bestimmungen zur Inkassohilfe im Zivilgesetzbuch (Art. 131 Abs. 1 und 290 ZGB) sehr allgemein gehalten sind, fällt der Vollzug in den einzelnen Kantonen äusserst unterschiedlich aus. Dadurch fehlen in zahlreichen Kantonen die Voraussetzungen für eine ausreichende Sicherung der Unterhaltsansprüche.

Zur Verbesserung und Vereinheitlichung der Inkassohilfe hat sich der Bundesrat im Bericht «Harmonisierung» verpflichtet, die Leistungen der Inkassohilfe genauer zu definieren und dem Parlament die im Zivilrecht erforderlichen Änderungen und Präzisierungen zu unterbreiten.

1.4.3

Politische Vorstösse

Der Schutz des Existenzminimums der Unterhaltsschuldnerin oder des Unterhaltsschuldners durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung gab Anlass zu mehreren parlamentarischen Vorstössen. Im Folgenden werden lediglich die aktuellsten erwähnt.

Nach einer parlamentarischen Initiative (07.473 «Gleichbehandlung in Mankofällen»), der vom Nationalrat keine Folge gegeben wurde, reichte Nationalrätin Anita Thanei am 9. Juni 2009 die Motion 09.3519 «Ehescheidung und -trennung. Gleichbehandlung in Mankofällen» ein. Da die Motion in den zwei Jahren nach der Einreichung nicht behandelt worden war, wurde sie am 17. Juni 2011 abgeschrieben.

41 42

546

Parlamentarische Initiative 07.419. Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Februar 2012, in: BBl 2012 1827, hier 1832­1834.

Standesinitiative 09.301. Harmonisierung der Alimentenbevorschussung und des Alimenteninkassos.

Am 24. September 2009 reichte Nationalrätin Anita Thanei ausserdem die Motion 09.3847 «Mindestunterhaltsbeitrag für Kinder» ein. Darin wurde der Bundesrat aufgefordert, eine Vorlage auszuarbeiten, wonach für Kinder, die bei einem Elternteil aufwachsen, Mindestunterhaltsbeiträge festgesetzt werden. Da auch diese Motion in den zwei Jahren nach der Einreichung nicht behandelt worden war, wurde sie am 29. September 2011 abgeschrieben.

Nachdem der Bundesrat im Januar 2011 beschlossen hatte, die Vorlage über die gemeinsame elterliche Sorge zur Änderung des Zivilgesetzbuchs um zusätzliche Bestimmungen zu unterhaltsrechtlichen Fragen zu erweitern, reichte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) am 8. April 2011 die Motion 11.3316 «Gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall und Neufassung der Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern» ein. Darin wurde der Bundesrat beauftragt, dem Parlament «umgehend» eine Vorlage zu einer Änderung des Zivilgesetzbuchs im Bereich der elterlichen Sorge vorzulegen, damit die gemeinsame elterliche Sorge rasch als Regelfall verankert wird. In einer zweiten Phase sei unter Berücksichtigung der Verhältnisse bei der Betreuung der Kinder durch die Eltern «eine Neuregelung des Unterhalts- und Betreuungsrechts» zu erarbeiten. Dabei seien die heute bestehenden Disparitäten zwischen den Kindern unverheirateter bzw. getrennter oder geschiedener Eltern zu beseitigen. Die Motion wurde von beiden Räten angenommen und im Dezember 2011 an den Bundesrat überwiesen.

1.4.4

Runder Tisch vom 30. April 2012

Rund vierzig Vertreterinnen und Vertreter von Mütter-, Väter- und weiteren interessierten Organisationen haben am 30. April 2012 an einem Runden Tisch zur Revision der Bestimmungen über den Kindesunterhalt teilgenommen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anerkannten, dass alle Kinder unabhängig vom Zivilstand ihrer Eltern das Recht auf gleiche Unterhaltsbeiträge haben. Auch die Notwendigkeit, den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten vom Unterhalt des Kindes zu unterscheiden, sowie die Notwendigkeit einer Neuregelung der Mankofälle waren unbestritten.

1.4.5

Vorentwurf vom 4. Juli 2012

Am 4. Juli 2012 hat der Bundesrat den Vorentwurf zur Revision des Zivilgesetzbuchs (VE-ZGB) und den erläuternden Bericht des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements in die Vernehmlassung geschickt.43 Das Hauptziel des Vorentwurfs bestand in der Stärkung des Unterhaltsanspruchs des minderjährigen Kindes, dem unabhängig vom Zivilstand seiner Eltern (verheiratet, geschieden oder ledig) die gleichen Rechte zukommen sollten. Dies sollte mit folgenden drei Eckpunkten erreicht werden: Der Unterhaltsbeitrag sollte sich nicht auf den Barbedarf des Kindes beschränken, sondern auch die Kosten für die Betreuung durch Dritte oder durch die Eltern umfassen; die Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Kind sollte Vorrang vor den anderen familienrechtlichen Unterhalts43

Die Dokumente sind abrufbar unter: www.bj.admin.ch > Themen > Gesellschaft > Gesetzgebung > Unterhalt des Kindes.

547

beiträgen erhalten; und die Inkassohilfe sollte landesweit harmonisiert werden, um die regelmässige Ausrichtung der Unterhaltsbeiträge an das Kind zu sichern.

Der Vorentwurf sah auch vor, die Stellung des Kindes in Mankofällen zu stärken.

Angesichts der Feststellung im Vorentwurf, dass es nicht möglich ist, die familienrechtlichen Bestimmungen des Zivilrechts und die Bestimmungen des öffentlichen Rechts zur finanziellen Unterstützung durch das Gemeinwesen ­ in Form einer Alimentenbevorschussung oder von Sozialhilfeleistungen ­ wirksam zu koordinieren, wurde darauf verzichtet, den Grundsatz der Unantastbarkeit des Existenzminimums der unterhaltspflichtigen Person bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags aufzugeben und die Mankoteilung einzuführen. Es wurde jedoch vorgeschlagen, dem Kind bei einer ausserordentlichen Verbesserung der Vermögensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Elternteils einen zusätzlichen Anspruch zu gewähren.

Im Zusammenhang mit den Mankofällen wurden im Vorentwurf trotz Verzicht auf die Einführung der Mankoteilung des Weiteren punktuelle Massnahmen zum Ausgleich zwischen den Eltern vorgeschlagen, mit denen die Situation des betreuenden Elternteils verbessert werden sollte. Einerseits wurde vorgeschlagen, dass die Verwandten des betreuenden Elternteils nicht mehr zur Unterstützung verpflichtet sind.

Andererseits sah der Vorentwurf eine Pflicht zur Eröffnung eines separaten Sozialhilfedossiers für das Kind vor. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass der betreuende Elternteil später verpflichtet werden konnte, die spezifisch für die Bedürfnisse des Kindes bestimmten Sozialhilfeleistungen zurückzubezahlen, da eine Rückerstattung der Leistungen durch das Kind auf alle Fälle ausgeschlossen ist.

1.4.6

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf wurde vom Bundesrat am 4. Juli 2012 eröffnet und dauerte bis am 7. November 2012. Es haben sich alle Kantone, sechs politische Parteien und 33 Organisationen geäussert. 21 Stellungnahmen gingen von Organisationen und Personen ein, die nicht offiziell zur Vernehmlassung eingeladen worden waren.44 Im Folgenden werden die Ergebnisse der Vernehmlassung kurz zusammengefasst. Weitere Ausführungen folgen bei den einzelnen Themenbereichen.

Zivilgesetzbuch Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer (25 Kantone, sechs Parteien, 49 Organisationen) begrüsste grundsätzlich den Entscheid, den Kindesunterhalt unter Stärkung des Anspruchs des Kindes und unter Gleichbehandlung der Kinder verheirateter und unverheirateter Eltern zu revidieren. Nur drei Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Ansicht, dass kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Trotz Anerkennung eines Handlungsbedarfs wurde die Vorlage von einem Kanton und von sieben Organisationen inhaltlich abgelehnt, dies unter anderem mit der Begründung, es werde in Bezug auf die Aufteilung der Familienaufgaben ein überholtes Familienmodell zementiert.

44

548

Bericht über das Vernehmlassungsverfahren, abrufbar unter: www.bj.admin.ch/bj>Themen>Gesellschaft>Rechtsetzungsprojekte>Unterhalt des Kindes.

Mehrheitlich begrüsst wurde der Vorschlag, auch die Folgen der persönlichen Kinderbetreuung eines Elternteils im Kindesunterhalt zu berücksichtigen, wobei jedoch vielfach die Festlegung von Kriterien für die Bemessung dieses sogenannten Betreuungsunterhalts verlangt wurde. Mehrheitlich gut aufgenommen wurden der vorgeschlagene Vorrang des Unterhalts des minderjährigen Kindes gegenüber anderen Unterhaltspflichten und die geplante Vereinheitlichung der Praxis bezüglich der Inkassohilfe. Kontrovers beurteilt wurden der Verzicht auf die Einführung der Mankoteilung sowie die vorgeschlagenen Änderungen zur Milderung der Folgen in den Mankofällen.

Zivilprozessordnung Eine Mehrzahl der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer äusserte sich positiv zu den Änderungen in der ZPO, die eine Aufnahme des gebührenden Unterhalts des Kindes und des allfälligen Fehlbetrags (Manko) im Urteilsdispositiv vorsehen.

Zuständigkeitsgesetz Die Revision des Bundesgesetzes vom 24. Juni 197745 über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (ZUG) wurde kontrovers beurteilt und von mehreren Kantonen abgelehnt, da die Regelungskompetenz fehle und der durch die vorgeschlagene Revision entstehende administrative und finanzielle Mehraufwand sehr gross sei.

1.4.7

Gespräche mit Fachpersonen

Im Rahmen der Ausarbeitung der Botschaft hat das Bundesamt für Justiz (BJ) im Anschluss an die Auswertung der Vernehmlassung mit verschiedenen Fachpersonen aus Lehre und Praxis Gespräche geführt. Es fanden mehrere Gesprächsrunden mit jeweils folgenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt:

45

­

Dorothee Guggisberg als Geschäftsführerin und Marco Kuhn als Mitglied der Geschäftsleitung der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) sowie Veronika Neruda als Fachbereichsleiterin Familie und Gesellschaft der kantonalen Sozialdirektorenkonferenz (SODK), weiter Charlotte Christener-Trechsel, Fürsprecherin/Amtsjuristin, Kantonales Jugendamt Bern;

­

Dr. Annette Spycher, Fürsprecherin/Rechtsanwältin LL.M, Bern, und Dr. Matthias Stein, Gerichtspräsident, Zivilgericht Basel-Stadt;

­

Elisabeth Keller als Geschäftsführerin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EKF) und Elisabeth Freivogel, lic.iur. LL.M, Advokatin und Mediatorin SAV, Basel;

­

Heidi Stutz, lic. phil. hist., Bereichsleiterin Familienpolitik/Arbeitsmarkt, Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS, Bern;

­

Florence Krauskopf, Oberrichterin Genf, und Daniel Bähler, Oberrichter Bern;

SR 851.1

549

­

Prof. Dr. iur. Thomas Geiser und Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, LL.M., Advokat.

1.5

Grundzüge der Vorlage

1.5.1

Stärkung des Unterhaltsanspruchs des Kindes

Der vorliegende Entwurf schlägt keine umfassende Revision des Unterhaltsrechts, sondern punktuelle Änderungen zur Stärkung der Stellung des Kindes vor.

Vorrang der Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind Unabhängig vom Schicksal der Beziehung der Eltern sind weiterhin beide Elternteile für den Unterhalt des Kindes gemeinsam verantwortlich. Bevor die Eltern die wirtschaftlichen Folgen ihres Auseinandergehens unter sich regeln, müssen sie sich vor allem anderen um die Unterhaltspflicht gegenüber ihrem minderjährigen Kind kümmern. Das Kind sollte mithin finanziell nicht unter dem zusätzlichen Aufwand zu leiden haben, den das Getrenntleben des Paars mit sich bringt. Die Eltern haben die finanziellen Folgen ihrer Situation in erster Linie selbst zu tragen. Aus diesem Grund schlägt der Bundesrat vor, im Gesetz den Grundsatz zu verankern, dass der Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind Vorrang vor den übrigen familienrechtlichen Unterhaltspflichten zukommt (Art. 276a E-ZGB).

Unterhaltsbeitrag zur Gewährleistung der Betreuung des Kindes Der Bundesrat schlägt vor sicherzustellen, dass jedes Kind von den bestmöglichen Betreuungsverhältnissen profitieren kann. Dabei sollen bei der Bemessung des ihm zustehenden Unterhaltsbeitrags die Kosten für die Betreuung durch einen Elternteil berücksichtigt werden (siehe Ziff. 1.5.2 und 2.1.3).

Stärkung der Stellung des Kindes im Gerichtsverfahren Die Stellung des Kindes wird auch im Rahmen familienrechtlicher Gerichtsverfahren gestärkt, sei dies in eherechtlichen Verfahren oder bei Unterhaltsklagen gestützt auf Artikel 279 ZGB. Wie dies bereits bei der Frage der Obhut und des persönlichen Verkehrs der Fall ist ­ zwei Themen, die eng mit dem Unterhalt zusammenhängen ­, soll das Gericht die Eltern zu einem gegebenenfalls unentgeltlichen (Art. 218 E-ZPO) Mediationsversuch auffordern und eine Vertretung des Kindes anordnen können (Art. 299­301 E-ZPO).

Hinderung der Verjährung für Forderungen des Kindes gegen die Eltern bis zur Volljährigkeit Die Stellung des Kindes soll auch in Bezug auf die Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche verbessert werden. Generell unterliegen Forderungen, und damit auch die Unterhaltsforderungen des Kindes, ab dem Zeitpunkt ihrer Fälligkeit der Verjährung. Sie sind damit nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht
mehr durchsetzbar, wenn nicht vorher die Verjährung unterbrochen wurde. Aus Rücksicht auf die persönliche Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern, welche die Geltendmachung der Forderung als besonders heikel erscheinen lassen, sieht das geltende Recht bereits die Hinderung und den Stillstand der Verjährung für Forderungen

550

des Kindes gegenüber seinen Eltern während der Dauer der elterlichen Sorge vor.46 Die bisherige Anknüpfung an die elterliche Sorge hat zur Folge, dass dieser Hinderungsgrund nicht anwendbar ist, wenn dem unterhaltspflichtigen Elternteil kein Sorgerecht zusteht ­ zum Beispiel nach einer Scheidung, wenn die Eltern nicht verheiratet sind47 oder wenn den Eltern die elterliche Sorge entzogen wurde. Mit dem Inkrafttreten der Revision vom 21. Juni 201348 über die gemeinsame elterliche Sorge wird diese zum Regelfall werden. Dadurch wird der Hinderungsgrund nach Artikel 134 Absatz 1 Ziffer 1 des Obligationenrechts49 (OR)einen erheblich erweiterten Anwendungsbereich erhalten. Ob ein unterhaltspflichtiger Elternteil sorgeberechtigt ist oder nicht, erscheint allerdings aus Sicht des unterhaltsberechtigten Kindes zufällig und führt zu einer sachfremden Ungleichbehandlung. Um diese zu beseitigen, schlägt der Entwurf vor, dass die Verjährung für alle Forderungen der Kinder gegenüber den Eltern erst mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu laufen beginnt (siehe Ziff. 2.7). Eine ähnliche Regelung besteht beispielsweise auch in Deutschland.50 Damit wird der besonderen Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern unabhängig von der Frage der elterlichen Sorge speziell Rechnung getragen und seine finanzielle Position weiter gestärkt.

1.5.2

Anspruch des Kindes auf Betreuungsunterhalt

Im Zusammenhang mit der Betreuung eines Kindes entstehen Kosten. Wird das Kind von Dritten betreut, beispielsweise von einer Tagesmutter oder in einer Krippe, so werden die anfallenden Kosten zu den direkten Kinderkosten gezählt. Der Entwurf will neu auch die mit der Betreuung durch einen Elternteil entstehenden Kosten im Kindesunterhalt berücksichtigen (indirekte Kosten). Vorliegend wird in diesem Zusammenhang von Betreuungsunterhalt gesprochen.

Betreuungsunterhalt im Entwurf Die Betreuung des Kindes wird im Entwurf ausdrücklich als Teil des Kindesunterhalts erwähnt (vgl. Art. 276 Abs. 2 und Art. 285 Abs. 2 E-ZGB). Genau so, wie bei jedem Kind direkte Kosten anfallen, die bei der Bemessung seines Unterhaltsanspruchs regelmässig berücksichtigt werden müssen, benötigt jedes Kind Betreuung.

Die Sicherstellung der Betreuung des Kindes fällt in die gemeinsame Verantwortung der Eltern für das Kindeswohl und stellt, wie die Bereitstellung der finanziellen Mittel, einen Beitrag an den Unterhalt des Kindes dar. Sie umfasst dabei aber nicht nur die eigentliche Leistung der Betreuung in natura, sondern auch die durch die Betreuung entstehenden finanziellen Auswirkungen. Auch diese sind als Kinderkos46

47 48 49 50

BGE 134 III 294 E. 2.1; vgl. auch Becker, N 4 zu Art. 134 und Berti, N 1 zu Art. 134.

Dies gilt allerdings nicht nur für Unterhaltsforderungen, sondern auch für sämtliche übrigen Forderungen des Kindes aus der Verwaltung des Kindesvermögens (Art. 318 ZGB), aus Vertrag, aus unerlaubter Handlung oder aus ungerechtfertigter Bereicherung.

Vgl. Entscheid des Kantonsgerichts Wallis vom 17. September 2010, Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung (ZWR) 2011, S. 335.

BBl 2013 4763 SR 220 § 207 Absatz 1 Ziffer 2 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB); vgl. auch Gutachten des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung (SIR) vom 28. Februar 2011 betreffend das Verjährungsrecht in Deutschland, Frankreich, England und Dänemark, S. 75. Das Gutachten ist abrufbar unter www.bj.admin.ch > Themen > Wirtschaft > Gesetzgebung > Verjährungsfristen im Privatrecht.

551

ten von den Eltern gemeinsam zu tragen. Gleichzeitig soll mit dieser Revision jedem Kind die Gewährleistung der bestmöglichen Betreuungsverhältnisse ermöglicht werden. Die Möglichkeit der Eltern, eine persönliche Betreuung weiterzuführen, soll dabei nicht gegenüber der Drittbetreuung bevorzugt werden. Sie soll einzig im Interesse des Kindes im Einzelfall statusunabhängig möglich sein.51 Behoben wird damit insbesondere die rechtliche Ungleichbehandlung von Kindern unverheirateter Eltern gegenüber Kindern verheirateter Eltern (siehe Ziff. 1.3.1).

Anders als das deutsche Recht, das dem Elternteil, der die Betreuung des Kindes übernimmt, einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt einräumt, wird der Betreuungsunterhalt gemäss dem vorliegenden Entwurf als Anspruch des Kindes ausgestaltet. Die Berücksichtigung des Betreuungsunterhalts im Rahmen des Kindesunterhalts stellt sicher, dass dem Kind der benötigte Beitrag weiterhin zusteht, auch wenn sich die persönliche Situation des betreuenden Elternteils verändert. Bei der Berücksichtigung einzig im nachehelichen Unterhalt besteht das Risiko, dass der Betreuungsunterhalt bei Wiederverheiratung der berechtigten Person entfällt (Art. 130 Abs. 2 ZGB). Der nacheheliche Unterhalt kann zudem zufolge eines qualifizierten Konkubinats des betreuenden Elternteils herabgesetzt, aufgehoben oder sistiert werden (Art. 129 ZGB). Der Umstand, dass ein Elternteil wiederum eine feste Beziehung eingeht, bedeutet aber nicht, dass die Kinderbetreuung automatisch überflüssig geworden wäre. Es ist vielmehr auf die konkreten Umstände im Einzelfall abzustellen, um beurteilen zu können, ob die veränderten Verhältnisse eine Herabsetzung des Betreuungsunterhalts rechtfertigen. Denkbar ist dies unter anderem bei der Geburt eines weiteren Kindes. Verändern sich die Verhältnisse, besteht die Möglichkeit, eine Neufestsetzung des Kindesunterhaltsbeitrages zu beantragen (Art. 286 Abs. 2 ZGB).

Bemessung des Betreuungsunterhalts In der Vernehmlassung wurde vielfach gefordert, die Vorlage müsse Kriterien zur Bemessung des Betreuungsunterhalts enthalten. Die Bemessung dieser Betreuungskosten ist allerdings nicht unproblematisch. Es werden verschiedene Methoden diskutiert, wie die Betreuung durch einen Elternteil zu bewerten ist, wobei hier nur die am häufigsten genannten zwei aufgeführt werden.52
Im Rahmen des sogenannten Opportunitätskostenansatzes kann der Zeitaufwand, den die Eltern für die Kinderbetreuung einsetzen, als Mindererwerbseinkommen bewertet werden.53 Wird das individuelle Mindererwerbseinkommen beigezogen, so ergeben sich je nach beruflicher Qualifikation des betreuenden Elternteils sehr unterschiedliche Beträge. Eine derartige Subjektivierung führt dazu, dass die Betreuung durch eine Ärztin oder einen Arzt einen viel höheren Wert hätte als diejenige durch eine Raumpflegerin oder einen Raumpfleger. Zudem resultieren im Einzelfall sehr hohe Beträge, die von vielen Unterhaltspflichtigen gar nicht übernommen werden können und damit unrealistisch und wenig praktikabel sind.

Für eine Bewertung könnte aber auch auf diejenigen Kosten abgestellt werden, die bei einer Entschädigung der unbezahlten Arbeit anhand von Marktpreisen anfallen würden, wobei vom Marktkosten- oder Ersatzkostenansatz gesprochen wird.54 Zum 51 52 53 54

552

So auch Rumo-Jungo/Hotz, S. 8.

Für eine ausführlichere Darstellung s. Widmer, unbezahlte Arbeit, S. 53 ff.

Gerfin/Stutz/Oesch/Strub, Fn. 6, S. 2 und S. 2 f.; Widmer, unbezahlte Arbeit, S. 76 ff.

Gerfin/Stutz/Oesch/Strub, S. 2 f.; Widmer, unbezahlte Arbeit, S. 53 ff.

einen ist es hier notwendig, überhaupt die eigentlich relevante Betreuungszeit zu ermitteln. Zum anderen muss diese Zeit auch bewertet werden. Für die Ermittlung der Betreuungszeit orientieren sich sowohl die Studie «Kinderkosten in der Schweiz» (siehe Ziff. 1.3.1) als auch andere in der Literatur vorgeschlagene Ansätze zur Bemessung des Betreuungsunterhalts55 an statistischen Werten des Bundesamtes für Statistik (BFS), welche auf der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) beruhen. Aus der SAKE ermittelt das BFS die zeitlich geleistete unbezahlte Hausund Familienarbeit.56 Die Angaben aus der SAKE werden zwar beispielsweise auch zur Berechnung des Haushaltsschadens im Haftpflichtrecht beigezogen. Im Zusammenhang mit der Betreuung von Kindern stellen sich jedoch verschiedene Schwierigkeiten: Schon die Ermittlung von klaren Zeiteinheiten aus dieser Erhebung ist schwierig, werden doch gewisse dort erfasste Arbeiten sowohl für das Kind als auch für den betreuenden Elternteil selber erbracht. Die Anteile für das Kind werden nicht ausgeschieden.57 Aufgrund dieser Vermischung wird beim jeweils ausgewiesenen reinen Kinderbetreuungsaufwand nicht die ganze Betreuungszeit erfasst. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass zurzeit gar nicht für alle Familienmodelle ausreichend statistische Daten vorliegen.58 Der Vorschlag für Bemessungskriterien muss aber auf eine Vielzahl möglicher Sachverhalte Anwendung finden können, da die Aufteilung der Betreuungsarbeit zwischen den Eltern ganz unterschiedlich erfolgen kann. Dazu kommt, dass eine einmal ermittelte Betreuungszeit bewertet werden muss und sich die Frage nach dem geeigneten Referenzwert stellt. Schwierig ist, dass den hauswirtschaftlichen Leistungen kein eigentlicher Marktpreis zugeordnet werden kann. Gewisse Vorgänge entziehen sich der objektiven Bewertung und stellen vielmehr einen immateriellen Wert dar.59 Die Wahl eines Referenzwertes (beispielsweise der Lohn einer Kinderbetreuerin oder eines Kinderbetreuers) hat grosse Auswirkungen und der Entscheid ist letztlich sachlich nur schwer begründbar. Die gleiche Problematik zeigt sich daher auch bei den für die Bemessung des Kindesunterhalts verschiedentlich beigezogenen sogenannten Zürcher Tabellen.60 Diese Tabellen enthalten eine Position, die Pflege und Erziehung als Geldwert erfasst. Die Bewertung
der angenommenen Betreuungszeit erfolgt dort anhand eines Stundenansatzes von vier Franken, welcher jeweils dem Landesindex der Konsumentenpreise angepasst wird. Dieser (tiefe) Ansatz wird nicht weiter begründet.

Entsprechend wird kritisiert, diese Bewertung sei überaus zufällig.61 Zusammengefasst ist festzustellen, dass ein konzeptionell überzeugender Ansatz zur Bewertung der Betreuung bis heute nicht besteht62 und diese damit zurzeit nicht möglich ist. Je nach Wahl der Methode und allenfalls des Referenzwertes werden Ergebnisse erzielt, die sich innerhalb einer sehr grossen Bandbreite bewegen. Den 55 56 57

58 59 60 61 62

Rumo-Jungo/ Hotz, S. 19 f.; Widmer/Geiser, S. 6 ff.; Widmer, unbezahlte Arbeit, S. 185 ff. und 269.

www.sake.bfs.admin.ch.

Dies ist bspw. für die ermittelten Positionen «Mahlzeiten zubereiten», «Einkaufen» oder «Waschen» der Fall; www.bfs.admin.ch > Themen > 20-wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung > Unbezahlte Arbeit > Detaillierte Daten; vgl. auch Widmer, unbezahlte Arbeit, S. 186 f.

Dies ist bspw. bei Haushalten alleinerziehender Männer mit zwei Kindern der Fall, vgl.

Gerfin/Stutz/Oesch/Strub, S. 48.

Widmer, unbezahlte Arbeit, S. 56.

Empfehlungen des Amts für Jugend und Berufsberatung des Kantons Zürich zur Bemessung von Unterhaltsbeiträgen für Kinder, www.lotse.zh.ch/unterhaltsbedarf.

Rumo-Jungo/Stutz, S. 273.

Widmer, unbezahlte Arbeit, S. 95 und 267.

553

Betreuungsunterhalt auf diese Weise zu bewerten, ist daher nicht geeignet. Der Bundesrat hat sich aus diesen Gründen entschieden, andere Anhaltspunkte zur Bemessung des Betreuungsunterhalts vorzuschlagen, die sich in das bisherige System integrieren lassen und für die rechtsanwendenden Behörden eine praktikable Umsetzung ermöglichen. Das geltende Unterhaltssystem belässt den Gerichten den notwendigen Ermessensspielraum, um eine im Einzelfall angemessene Lösung treffen zu können; dieser Ermessensspielraum soll weiterhin erhalten bleiben. Der Gesetzestext bleibt daher offen formuliert und es wird auf die Aufzählung von Kriterien verzichtet.

Für die Bemessung des Betreuungsunterhalts in der Praxis ist nach Ansicht des Bundesrates nach heutigem Stand der Dinge folgender Ansatz empfehlenswert: Da dem Kind ein gesetzlicher Anspruch auf Betreuung zusteht, haben die Eltern sicherzustellen, dass diese Betreuung auch tatsächlich gewährleistet werden kann. Wird sie überwiegend von einem Elternteil wahrgenommen, so ist in der Regel die Erwerbsmöglichkeit bei diesem Elternteil als Folge der Betreuung eingeschränkt. Die Betreuung führt dann in den meisten Fällen dazu, dass der betreuende Elternteil nicht mehr selber für seinen eigenen Unterhalt aufkommen kann. Die Gewährleistung der Betreuung des Kindes muss damit darin bestehen, soweit möglich die Präsenz des betreuenden Elternteils auch wirtschaftlich sicherzustellen. Der Elternteil ist darauf angewiesen, dass er trotz Betreuung seinen eigenen Lebensunterhalt decken kann. Der Betreuungsunterhalt umfasst damit grundsätzlich die Lebenshaltungskosten der betreuenden Person, soweit diese aufgrund der Betreuung nicht selber dafür aufkommen kann. Diese Kosten sind einzig im Interesse des Kindes und nicht des betreuenden Elternteils von beiden Eltern gemeinsam zu tragen.63 Die Betreuung des Kindes führt dementsprechend nur dann zu einem Betreuungsunterhalt, wenn sie während einer Zeit erfolgt, während der dem betreuenden Elternteil ansonsten die Ausübung einer Erwerbstätigkeit möglich wäre. Die Beteiligung eines Elternteils an der Betreuung des Kindes während der normalerweise erwerbsfreien Zeit, beispielsweise während des Wochenendes, lässt dementsprechend grundsätzlich keinen Anspruch auf Betreuungsunterhalt entstehen. Gleich wie nach geltendem Recht soll aber
bei einer alleinigen Obhut die Beteiligung des anderen Elternteils nicht unberücksichtigt bleiben, wenn sie über die Ausübung eines gewöhnlichen Besuchsrechts (zum Beispiel zwei Wochenenden im Monat und zwei Ferienwochen) hinausgeht. Wird ein grosszügigeres Besuchsrecht vereinbart, welches beispielsweise zusätzlich zwei Abende und Nächte pro Woche sowie die Hälfte der Ferien umfasst, so wird dies nicht im Rahmen eines Betreuungsunterhalts, sondern im Rahmen einer Anpassung der Berechnung des Kindesunterhaltsbeitrags in Bezug auf die variablen direkten Kosten (zum Beispiel Nahrung, Auslagen für Hobby) berücksichtigt. Auswirkungen auf die fixen direkten Kosten (zum Beispiel die Miete) ergeben sich grundsätzlich ebenfalls nicht.64 Der Betreuungsunterhalt soll einzig die aus dem Blickwinkel des Kindeswohls beste Betreuung ermöglichen. Er soll die Auswirkungen der Betreuung auf beide Eltern verteilen, aber nicht den betreuenden Elternteil entlöhnen. Mit der Einführung des Betreuungsunterhalts soll der betreuende Elternteil keineswegs dazu angehalten werden, keine Erwerbstätigkeit auszuüben oder eine solche nicht aufzunehmen.

Liegt aber unabhängig vom zivilrechtlichen Status der Eltern eine «klassische» 63 64

554

Beuermann, S. 105.

Hausheer/Spycher, N 06.160.

Rollenverteilung vor und hat ein Elternteil vor der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts ausschliesslich die Kinderbetreuung übernommen, während der andere einer vollen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, so ist es möglich, dass ein Gericht die Weiterführung der persönlichen Betreuung durch einen Elternteil für eine gewisse Zeit als beste Lösung für das Kind erachtet. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Kind noch sehr klein ist und sich der andere Elternteil vor der Trennung nie alleine um das Kind gekümmert hat. Hat dagegen der betreuende Elternteil bereits eine Erwerbstätigkeit in einem Teilzeitpensum ausgeübt, so wird ein vollumfänglicher Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit ab Trennung bereits heute von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht geschützt.65 Haben die Eltern nie zusammengelebt, wird sich die Frage der Kontinuität einer persönlichen Betreuung nicht im selben Ausmass stellen. Die Entscheidung über die Betreuungsverhältnisse nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts hängt damit massgeblich mit der vor der Festsetzung eines Unterhaltsbeitrages gelebten Familienorganisation zusammen (siehe auch Ziff. 2.1.3).

Je nach Familienkonstellation und Anzahl der Kinder können sich in gewissen Fällen zwar ebenfalls hohe Beträge für den Betreuungsunterhalt, und damit den Kindesunterhalt insgesamt, ergeben. Im Rahmen der Bemessung des Unterhaltsbeitrags und insbesondere der Frage des Betreuungsunterhalts haben sich die Gerichte aber in erster Linie nach dem Wohl des Kindes zu richten. Letztlich bleibt es immer im Ermessen des Gerichts, eine im Einzelfall angemessene und ausgewogene Lösung zu treffen.

Verhältnis zwischen dem nachehelichen Unterhalt und dem Unterhalt des Kindes Wird der Betreuungsunterhalt als Anspruch des Kindes ausgestaltet, stellt sich die Frage des Verhältnisses zwischen dem Kindesunterhalt und dem nachehelichen Unterhalt. Der nacheheliche Unterhalt erlaubt es beim Entscheid, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange ein Unterhaltsbeitrag zu leisten ist, insbesondere den Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder zu berücksichtigen (Art. 125 Abs. 2 Ziff. 6 ZGB). In dieser Bestimmung ist der Betreuungsunterhalt, wie er nun ausdrücklich als Anspruch des Kindes ausgestaltet wird, mit enthalten. Der Vorentwurf schlug
daher die Aufhebung dieser Bestimmung vor. In der Vernehmlassung wurde diesem Vorhaben breite Kritik entgegengebracht. Es wurde insbesondere geltend gemacht, der Betreuungsunterhalt umfasse nicht alle wirtschaftlichen Folgen, die jedoch vom nachehelichen Unterhalt im Falle der Kinderbetreuung abgedeckt würden.

Der Bundesrat beabsichtigt die Stärkung des Unterhalts des Kindes, ohne aber die Regelungen betreffend die Scheidungsfolgen ändern zu wollen. Insbesondere soll die Einführung des Betreuungsunterhalts keine Auswirkungen auf den Vorsorgeausgleich haben. Vorgeschlagen wird einzig die Verschiebung eines Bestandteils des nachehelichen Unterhalts in den Kindesunterhalt. Das System des nachehelichen Unterhalts soll dadurch aber keine grundsätzliche Änderung erfahren. Der Betreuungsunterhalt als Teil des Kindesunterhalts soll, soweit angezeigt und notwendig, die Lebenshaltungskosten des jeweils betreuenden Elternteils unter Berücksichtigung von dessen eigener Leistungsfähigkeit abdecken. Diese Lebenshaltungskosten,

65

BGE 137 III 102

555

die bereits im Rahmen des Betreuungsunterhalts einbezogen werden, sind im nachehelichen Unterhalt daher nicht mehr zu berücksichtigen.

Die Betreuung eines Kindes und die Einschränkung oder Aufgabe einer Erwerbstätigkeit durch den betreuenden Elternteil während der Kindererziehungsphase hat jedoch nicht nur unmittelbar zur Folge, dass die Lebenshaltungskosten nicht mehr vollumfänglich selber bestritten werden können. Mittelbar ist bei einem späteren Wiedereintritt ins Berufsleben mit erschwerten Bedingungen zu rechnen. Es besteht möglicherweise eine Verminderung der Karrierechancen.66 «Die Zeit, die Kinder kosten, aber auch mangelhafte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, schlagen sich für die Betreuungspersonen [...] [in] verlorenen Karrierechancen, nicht angespartem Pensionskassenguthaben und fehlender Sozialversicherungsdeckung bei Krankheit und Unfall nieder [...]. Wer aus familiären Gründen zurücksteckt, verpasst häufig Karriereschritte, die lebenslang zu einem höheren Einkommen und einem gesicherten Alter führen würden. Wer weniger berufliche Erfahrung aufweist, hat mehr Mühe, eine gute Stelle mit Aufstiegsmöglichkeiten zu finden. Wer die Kinder weiter bei sich hat, kann schwer parallel zum Erwerb in eine Weiterbildung einsteigen, um solche Mankos wettzumachen».67 Diese weiteren Folgen der Betreuung haben nicht mehr unmittelbar mit der Gewährleistung der Betreuung als Anspruch des Kindes zu tun. Im Verhältnis zwischen den Eltern handelt es sich um die Folgen der von ihnen gewählten Aufgabenteilung. Hier ist jedoch der zivilrechtliche Status der Eltern entscheidend. Diese Folgen der gewählten Aufgabenteilung sollen nur gemeinsam getragen werden, wenn die Eltern verheiratet waren. Die Auswirkungen einer oft über Jahre eingespielten Aufgabenteilung auf die Erwerbsfähigkeit und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind bei einer Scheidung zu berücksichtigen.68 Wenn aufgrund eines gemeinsamen Entscheides eine Erwerbstätigkeit nicht aufgenommen, reduziert oder aufgegeben wird, um für die Kinder zu sorgen, liegt ein ehebedingter Nachteil vor. Dieser Aspekt muss weiterhin im nachehelichen Unterhalt berücksichtigt werden.69 Zudem kann auch ein allfälliger höherer Lebensstandard, der über den Betreuungsunterhalt nicht abgegolten wird, als Folge der Betreuung weiterhin Teil des nachehelichen Unterhalts bilden
(siehe Ziff. 2.1.3). Aus diesen Gründen ist es notwendig, Artikel 125 Absatz 2 Ziffer 6 ZGB beizubehalten. Die Einführung des Betreuungsunterhalts will den geschiedenen Ehegatten im Vergleich zum heutigen Recht wirtschaftlich nicht schlechter stellen. Im Ergebnis soll der Betreuungsunterhalt zusammen mit dem nachehelichen Unterhalt zu einer Leistung in gleicher Höhe führen wie der bisherige nacheheliche Unterhalt. Damit entschärfen sich auch die in der Vernehmlassung geäusserten Befürchtungen, dass durch eine finanzielle Abhängigkeit des geschiedenen Ehegatten von der tatsächlichen Betreuung des Kindes die Spannungen in der Familie verstärkt werden. Die Folgen der getroffenen Entscheidung über die Aufgabenteilung werden aber nur über den nachehelichen Unterhalt entschädigt. Bei unverheirateten Eltern ist die Situation eine andere;70 die Leistung beschränkt sich hier auf den Betreuungsunterhalt.

66 67 68

69 70

556

Gerfin/Stutz/Oesch/Strub, Zusammenfassung, S. VII; siehe ebenfalls Leuba/Bastons Bulletti, S. 85.

Stutz, S. 129 und 132.

Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Personenstand, Eheschliessung, Scheidung, Kindesrecht, Verwandtenunterstützungspflicht, Heimstätten, Vormundschaft und Ehevermittlung) vom 15. November 1995, BBl 1996 I 1, hier 31 (im Folgenden: Botschaft Scheidungsrecht).

Schwenzer/Egli, S. 29.

Hausheer, AJP 2013, S. 21.

Schliesslich ist dem Verhältnis zwischen dem Betreuungsunterhalt respektive dem Kindesunterhalt und dem nachehelichen Unterhalt bereits bei der erstmaligen Bestimmung des Unterhaltsbeitrags Beachtung zu schenken, da eine nachträgliche Erhöhung der nachehelichen Unterhaltsrente nur beschränkt möglich ist (vgl.

Art. 129 Abs. 3 ZGB). Gerade in Fällen, in denen die Mittel einzig für den Kindesunterhalt ausreichen, ist bereits im Zeitpunkt der Scheidung zu beurteilen, ob zusätzlich ein nachehelicher Unterhalt geschuldet sein wird, sobald die Betreuung der Kinder entfällt und dadurch Mittel frei werden. Unter Umständen genügt die Feststellung eines Mankos alleine nicht, da eine Erhöhung nur während fünf Jahren nach der Scheidung gefordert werden kann (Art. 129 Abs. 3 ZGB).

1.5.3

Vereinheitlichung der Praxis bei der Inkassohilfe

Es reicht nicht aus, dem Kind einen Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag zu geben.

Ebenso wichtig ist es, dass das Kind die Mittel zur Gewährleistung seines Unterhalts rechtzeitig und regelmässig erhält, denn der Unterhaltsbeitrag ist im Allgemeinen die einzige finanzielle Leistung, auf die das Kind einen Anspruch hat. Zu diesem Zweck verankerte der Gesetzgeber bei der Revision des Kindesrechts, die am 1. Januar 1978 in Kraft trat, die Inkassohilfe (Art. 290 ZGB) sowie die Anweisung an den Schuldner (Art. 291 ZGB) im Gesetz. Ferner erhielt das Gericht die Möglichkeit, die Eltern zu verpflichten, für die künftigen Unterhaltsbeiträge angemessene Sicherheiten zu leisten (Art. 292 ZGB). Mit dieser Rechtsentwicklung im Privatrecht wurde auch die Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen im öffentlichen Recht vorgesehen (Art. 293 Abs. 2 ZGB).71 Die Inkassohilfe und die Alimentenbevorschussung bilden zusammen die beiden Instrumente der sogenannten Alimentenhilfe. Für grenzüberschreitende Fälle kommt als weiteres Instrument die internationale Alimentenhilfe auf der Grundlage der einschlägigen internationalen Übereinkommen hinzu.72 Insbesondere mit der Inkassohilfe soll die unterhaltsberechtigte Person bei ihren Schritten zum Inkasso der Unterhaltsbeiträge unterstützt werden. Damit soll auch sichergestellt werden, dass die unterhaltspflichtige Person, und nicht das Gemeinwesen, ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind wahrnimmt. Daher ist die Schaffung einer einheitlichen und wirksamen Inkassohilfe wichtig.

Gemäss dem Bericht «Harmonisierung» unterscheiden sich die Leistungen der Inkassohilfe zurzeit von Kanton zu Kanton sehr stark (siehe Ziff. 1.4.2). So ist die Inkassohilfe beispielweise in einem Kanton auf die Abgabe eines Merkblatts beschränkt, während sie in anderen auch andere Leistungen einschliesst, so etwa die Kontaktaufnahme und Zahlungsvereinbarung mit dem Schuldner oder der Schuldnerin oder die Einleitung von betreibungsrechtlichen Verfahren. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, geht die auf das Amts- und Rechtshilfeübereinkommen über das internationale Inkasso von Unterhaltsbeiträgen gestützte Hilfe gegenüber ausländischen Unterhaltsgläubigerinnen und -gläubigern weiter als jene gegenüber schweizerischen Unterhaltsgläubigerinnen und -gläubigern beim Alimenteninkasso in der 71

72

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Kindesverhältnis) vom 5. Juni 1974, BBl 1974 1, hier 66­67 (im Folgenden: Botschaft Kindesverhältnis).

Für mehr Informationen zu diesem Thema, siehe www.bj.admin.ch>Internationale Alimentensachen.

557

Schweiz.73 Vor diesem Hintergrund hat sich der Bundesrat verpflichtet, Bestimmungen zur Verbesserung und Vereinheitlichung der Inkassohilfe zu erarbeiten. Im Gegensatz zur Alimentenbevorschussung, die der kantonalen Kompetenz untersteht (siehe Ziff. 1.4.2), fallen die Bestimmungen zur Inkassohilfe in die Zuständigkeit des Bundes. Denn es geht hier um die Hilfe der Inkassobehörden bei der Vollstreckung der Unterhaltspflicht, die sich auf das Zivilrecht (Familienrecht) stützt (Art. 122 BV). Im Entwurf wird deshalb vorgeschlagen, dem Bundesrat die Kompetenz zum Erlass einer entsprechenden Verordnung zu übertragen (Art. 131 Abs. 2 und 290 Abs. 2 E-ZGB). In die Ausarbeitung dieser Verordnung werden Fachpersonen der Inkassohilfe sowie Vertreterinnen und Vertreter der betroffenen kantonalen Behörden einbezogen werden.

Ebenfalls zur Stärkung des Unterhaltsanspruchs des Kindes und zur Sicherstellung, dass die unterhaltspflichtige Person ihre Pflicht erfüllt, hat der Bundesrat am 25. Oktober 2012 eine Änderung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198274 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) vorgeschlagen.

Gegenstand dieser Änderung ist namentlich die Einführung von Massnahmen zur Verbesserung der Möglichkeiten der Inkassostellen in Bezug auf die Auszahlungen von Leistungen der 2. Säule in Kapitalform an Personen, die beharrlich ihre Alimentenpflichten vernachlässigen. Bei der Barauszahlung des Vorsorgeguthabens aufgrund des endgültigen Verlassens der Schweiz ist der Unterhaltsanspruch am stärksten gefährdet. Zusammengefasst ist Folgendes vorgesehen: Vernachlässigt eine Person ihre Unterhaltspflicht und ist der Inkassostelle bekannt, in welcher Vorsorgeoder Freizügigkeitseinrichtung diese ihr Vorsorgeguthaben hat, so informiert die Inkassostelle diese Einrichtung. Wird bei der betreffenden Einrichtung eine Barauszahlung beantragt, so muss sie die Inkassostelle, die sie kontaktiert hat, umgehend darüber orientieren, damit sie die notwendigen Massnahmen zur Sicherung der Unterhaltsansprüche des Kindes einleiten kann, etwa durch Einreichung eines Gesuchs um Sicherstellung im Sinne von Artikel 292 ZGB. Das Vernehmlassungsverfahren zu dieser Änderung des BVG wurde am 11. Februar 2013 abgeschlossen.75 Bei der Ausarbeitung der Verordnung über die Leistungen der Inkassostellen wird der Bundesrat die Ergebnisse dieses Verfahrens berücksichtigen.

1.5.4

Kindesunterhalt und Mankofälle

Vorliegend wird insbesondere die Situation von Kindern aus Familien mit bescheidenen Mitteln untersucht, für welche die Trennung der Eltern ein erhebliches Armutsrisiko birgt (siehe Ziff. 1.1.3, 1.3.2 und 1.3.3). Die prekäre finanzielle Lage von Kindern alleinerziehender Eltern könnte nur dann effektiv verbessert werden, wenn die familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge und die finanzielle Unterstützung durch das Gemeinwesen in Form von Sozialhilfe oder Alimentenbevorschussung 73

74 75

558

Bericht «Harmonisierung», S. 21. In der Schweiz berät die Zentralbehörde Internationale Alimentensachen des Bundesamtes für Justiz (BJ) in- und ausländische Behörden sowie private Rechtsvertreterinnen und Rechtsvertreter über die vorhandenen Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen.

SR 831.40 Die Unterlagen zur Änderung des BVG sind unter folgender Adresse abrufbar: www.bsv.admin.ch > Dokumentation > Gesetzgebung > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Verfahren > Vernehmlassung zum Freizügigkeitsgesetz und zum Gesetz über die berufliche Vorsorge.

wirksam koordiniert werden könnte. Der Bundesgesetzgeber hat jedoch nicht die Kompetenz, diese Koordination sicherzustellen, denn das Sozialhilferecht fällt in die Zuständigkeit der Kantone (siehe Ziff. 1.4.2 und 1.6.1). Der Bundesrat schlägt hingegen punktuelle Massnahmen zur Verbesserung der Stellung des Kindes in einem Mankofall vor.

Angabe des Betrags zur Deckung des gebührenden Unterhalts des Kindes in jedem Unterhaltsentscheid oder -vertrag Im Entwurf wird vorgeschlagen, dass jeder Entscheid oder Vertrag über den Unterhaltsbeitrag an das minderjährige Kind nicht nur den Betrag angeben muss, der vom unterhaltspflichtigen Elternteil unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit geschuldet ist, sondern auch den zur Deckung des gebührenden Unterhalts des Kindes notwendigen Betrag (Art. 287a E-ZGB und Art. 301a E-ZGB). Das wird es erleichtern, bei einer «erheblichen» Verbesserung der Vermögensverhältnisse der Unterhaltsschuldnerin oder des Unterhaltsschuldners den künftig zu leistenden Unterhaltsbeitrag zu ändern (Art. 286 ZGB). Zudem wird dem Kind auch die Möglichkeit eröffnet, bei einer «ausserordentlichen» Verbesserung der Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Elternteils die nachträgliche Leistung der zur Deckung des gebührenden Unterhalts fehlenden Beträge einzufordern (Art. 286a E-ZGB).

Die neue Formulierung des Unterhaltsentscheids oder -vertrags wird es denjenigen Kantonen, die das wollen, überdies ermöglichen, unabhängig von der Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Person Alimentenvorschüsse auszurichten (siehe Ziff. 1.6.1). Dabei werden die Kantone Vorschüsse bis zum Betrag für den gebührenden Unterhalt des Kindes gemäss Unterhaltstitel oder bis zu einem gesetzlich festgelegten Höchstbetrag ausrichten können.

Abschaffung der Unterstützungspflicht für die Verwandten des betreuenden Elternteils Zur Milderung der negativen Folgen der einseitigen Mankoüberbindung für den betreuenden Elternteil und seine Verwandten in aufsteigender Linie (siehe Ziff. 1.3.3) schlägt der Entwurf vor, eine Klage auf Verwandtenunterstützung auszuschliessen, wenn die bedürftige Person in Not geraten ist, weil sie aufgrund der Übernahme der Betreuung eigener Kinder ihre Erwerbstätigkeit nur in begrenztem Umfang ausüben kann (Art. 329 Abs. 1bis E-ZGB).

Das Kind als selbstständige Unterstützungseinheit
Als weitere Massnahme zur Milderung der negativen Folgen der einseitigen Mankoüberbindung für den betreuenden Elternteil schlägt der Entwurf eine Änderung im Bereich der interkantonalen Zuständigkeit betreffend die Sozialhilfe vor. Auch wenn das innerkantonale Sozialhilferecht alleine in den Zuständigkeitsbereich der Kantone fällt, kann der Bundesgesetzgeber wenigstens im interkantonalen Verhältnis darauf hinwirken, dass dem Kind die Qualität einer selbstständigen Unterstützungseinheit zuerkannt wird, wenn die Eltern nicht zusammenleben. (siehe Ziff. 2.6).

Diese Änderung kann unterschiedliche Folgen haben: Entweder wird die zuständige Sozialhilfebehörde ein vom Elternteil, mit dem das Kind lebt, getrenntes Dossier für das Kind eröffnen; alternativ wird sie weiterhin ein gemeinsames Dossier führen, das Kind aber rechnerisch separat, vom Elternteil getrennt behandeln. Wichtig ist, dass es zu einer klaren Abgrenzung zwischen dem Sozialhilfebudget des Kindes und demjenigen des betreuenden Elternteils ­ und damit auch zwischen den Leistungen, 559

die dem Kind persönlich ausgerichtet werden und den Leistungen an den Elternteil ­ kommt. Dies soll dem betreuenden Elternteil die Pflicht zur Rückzahlung der Sozialhilfeleistungen ersparen, die er für das Kind bezogen hat. Seine Verpflichtung zur Rückzahlung soll auf die Leistungen beschränkt werden, die er für sich selbst bezogen hat.

1.6

Nicht berücksichtigte Revisionsanliegen

1.6.1

Aufhebung des Grundsatzes der Unantastbarkeit des Existenzminimums

Mehrere Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer bedauerten den vom Bundesrat im Vorentwurf getroffenen Entscheid, auf die Aufhebung des Grundsatzes der Unantastbarkeit des Existenzminimums der Schuldnerin oder des Schuldners76 und somit auf die Einführung der Mankoteilung zwischen den Eltern und die Einführung eines Mindestunterhaltsbeitrags für das Kind zu verzichten. In ihren Augen könnte der Sozialhilfeabhängigkeit des Kindes und des obhutsberechtigten Elternteils nur mit diesen Massnahmen ein Ende gesetzt werden.

Mankoteilung Gemäss diesen Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern schafft die Unantastbarkeit des Existenzminimums eine Ungleichheit, die dem Grundsatz entgegensteht, dass selbst nach einer Trennung oder Scheidung weiterhin beide Elternteile gemeinsam für den Unterhalt der Kinder zu sorgen haben. Daher sei es erforderlich, im Zivilgesetzbuch den Grundsatz der Mankoteilung zu verankern, was im Übrigen auch vom Bundesgericht gewünscht werde.

In seinem Urteil vom 23. Oktober 2008 (siehe Ziff. 1.4.1) hat das Bundesgericht tatsächlich anerkannt, dass das System der Mankoteilung einem richtigen Verständnis der familienrechtlichen Bestimmungen zum Unterhaltsrecht entspräche. Es hat aber auf einen Systemwechsel verzichtet, weil dies in der praktischen Handhabung, insbesondere in Bezug auf die Koordination mit den Vorschriften im Bereich der Sozialhilfe, zu Schwierigkeiten führen würde. Das Bundesgericht hat aber gleichzeitig den Gesetzgeber aufgefordert, gegebenenfalls unter Anpassung der betroffenen Gesetze bzw. Rechtsgebiete eine adäquate und kohärente Lösung zu schaffen.77 Die Ausarbeitung einer «adäquaten und kohärenten Lösung» erweist sich indes als besonders komplex. Die betroffenen Rechtsgebiete fallen nicht nur in die Zuständigkeit des Bundes (Zivilrecht; Art. 122 BV), sondern auch in jene der Kantone (Sozialhilferecht; Art. 115 BV). In seinem Urteil wandte sich das Bundesgericht im Übrigen an den «Gesetzgeber» im Allgemeinen und nicht spezifisch an den Bundesgesetzgeber.

Im erläuternden Bericht zum Vorentwurf hat der Bundesrat die Einführung der Mankoteilung und deren Auswirkungen eingehend überprüft.78 Zusammengefasst würde es sich wie folgt verhalten: Wenn die unterhaltspflichtige Person zwar ihren 76

77 78

560

Zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung betreffend die Unantastbarkeit des Existenzminimums siehe Ziff. 1.2.3. Zur Kritik an dieser Rechtsprechung, siehe Ziff. 1.3.2, 1.3.3 und 1.4.1.

BGE 135 III 66 E. 10.

Erläuternder Bericht zum Vorentwurf vom 4. Juli 2012, S. 23­25.

eigenen Unterhalt knapp bestreiten könnte, sich aber aufgrund der aus der Mankoteilung resultierenden Unterhaltspflicht an die Sozialhilfebehörde wenden müsste, so würde diese ihr Gesuch ablehnen, da die Unterhaltspflicht gegenüber dem Ex-Ehegatten und dem Kind bei der Berechnung des Sozialhilfebudgets nicht berücksichtigt wird.79 Demnach würde die unterhaltspflichtige Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügen, um die unter Anwendung des Prinzips der Mankoteilung festgesetzten Unterhaltsbeiträge zu bezahlen. Im Ergebnis würden der unterhaltsberechtigte Elternteil und das Kind auf die gleiche Weise Sozialhilfe beanspruchen müssen, wie wenn die Mankoteilung nicht stattgefunden hätte. Der unterhaltspflichtige Elternteil würde sich seinerseits in einer permanenten Überschuldungssituation wiederfinden.

Der unterhaltsberechtigte Elternteil und das Kind ­ wie auch das Gemeinwesen, das die Alimente bevorschusst hat (Art. 289 Abs. 2 ZGB) ­ würden dann über einen vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid80 verfügen, mit dem sie den unterhaltspflichtigen Elternteil regelmässig betreiben könnten. Diese wiederholten Betreibungen würden im Betreibungsregister eingetragen, das auch Dritten zugänglich ist, was in zahlreichen anderen Situationen unabdingbar zu Nachteilen für die unterhaltspflichtige Person führen würde, namentlich wenn es sich beim Dritten um einen potenziellen Arbeitgeber oder Vermieter handelt. Diese Situation würde schliesslich auch der Beziehung zwischen dem Elternteil und dem Kind schaden, da es sich der unterhaltspflichtige Elternteil nicht einmal mehr leisten könnte, dem Kind kleine Geschenke zu machen, sehr bescheidene Ferien vorzuschlagen oder es bei seinen Besuchen in einer angemessenen Wohnung zu empfangen.

Aus all dem geht hervor, dass die Einführung der Mankoteilung nur dann den gewünschten Effekt erzielt, d. h. die Verbesserung der Situation des unterhaltsberechtigten Elternteils, wenn die Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind im Sozialhilfebudget berücksichtigt wird,81 wie dies bereits im Rahmen von Betreibungen der Fall ist, gemäss welchem die zivilrechtlichen Unterhaltspflichten zum Existenzminimum der unterhaltspflichtigen Person geschlagen werden.82 Doch im Gegensatz zum Betreibungsrecht, das in die Zuständigkeit des Bundes fällt (Art. 122 Abs. 1 BV), fällt das
Sozialhilferecht in die Zuständigkeit der Kantone (Art. 115 BV). Diese Kompetenzverteilung wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern. Der Bundesrat erarbeitet gegenwärtig einen Bericht, in dem er eine Rahmengesetzgebung für die Sozialhilfe prüfen und klären wird, ob und wieweit aufgrund der geltenden Verfassung eine Rahmengesetzgebung möglich ist und ob gegebenenfalls eine Verfassungsänderung in Betracht gezogen werden soll.

Unter diesen Umständen bleibt der Bundesrat bei seinem Entscheid, den Grundsatz der Unantastbarkeit des Existenzminimums nicht aufzuheben und die Mankoteilung nicht einzuführen. Der Bundesrat lädt die zuständigen kantonalen und kommunalen Behörden jedoch ein, ihre Praxis zu überprüfen und die Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind, das nicht im selben Haushalt lebt, in das Sozialhilfebudget der unterstützten Person aufzunehmen.

79

80 81 82

Siehe ebenfalls die SKOS-Richtlinie F.3.1: «Wenn unterstützte Personen Alimentenverpflichtungen haben, werden diese nicht ins Unterstützungsbudget aufgenommen, da sie nicht der eigenen Existenzsicherung bzw. derjenigen des eigenen Haushaltes dienen.» Art. 80 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG, SR 281.1).

Siehe ebenfalls Rumo-Jungo/Hotz, S. 31, Stutz/Knupfer, S. 98.

Siehe die Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) nach Art. 93 SchKG vom 1. Juli 2009 der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz, Ziff. II.5 (publiziert in BlSchK 2009, S. 193 ff.).

561

Mindestunterhaltsbeitrag an das Kind In der Vernehmlassung haben sich mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Aufhebung des Grundsatzes der Unantastbarkeit des Existenzminimums ausgesprochen, zumindest in Verbindung mit dem Kindesunterhalt. Damit soll sichergestellt werden, dass das Kind einen Mindestbeitrag in Höhe der maximalen einfachen AHV- bzw. IV-Waisenrente erhält. Auf Grundlage des Gerichtsentscheids oder des Unterhaltsvertrags, in dem der Unterhaltsanspruch festgehalten wäre, könnte das Kind gemäss diesen Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern die Alimentenbevorschussung beantragen, da alle Kantone Vorschüsse für die Unterhaltsbeiträge an die Kinder gewähren würden, sofern diese in einem Entscheid oder einem Vertrag festgelegt worden seien (siehe Ziff. 1.3.2).

Nach diesem System würde das Gericht also den unterhaltspflichtigen Elternteil zur Bezahlung eines Unterhaltsbeitrags verurteilen, den er gar nicht zahlen kann. Dies einzig mit dem Ziel, dass das Kind vom Gemeinwesen die Bevorschussung der Alimente in Höhe des Betrags gemäss dem Unterhaltsentscheid oder -vertrag oder in Höhe eines im kantonalen Recht festgelegten Höchstbetrags beantragen kann.

Obwohl das Gemeinwesen in die Rechte des Kindes eintreten könnte (Art. 289 Abs. 2 ZGB), hätte es keine Möglichkeit, die bevorschussten Beträge einzuziehen, da das Existenzminimum der Schuldnerin oder des Schuldners zum Zeitpunkt der Vollstreckung geschützt ist. Das Gemeinwesen würde also nicht nur den Betrag bevorschussen, den der unterhaltspflichtige Elternteil nicht bezahlt, obwohl er dies könnte, sondern einen Betrag, den der oder die Unterhaltspflichtige gar nicht zahlen kann. Mit anderen Worten würde sich das Gemeinwesen nicht darauf beschränken, den Betrag zu bevorschussen, dessen Bezahlung der unterhaltspflichtige Elternteil dem Kind verweigert, obwohl er leisten könnte ­ wie dies in Artikel 293 Absatz 2 ZGB vorgesehen ist ­, sondern ihm Sozialhilfe leisten. Dies steht in Widerspruch zum aktuellen System der Alimentenbevorschussung.83 Es ist daran zu erinnern, dass die Idee eines Systems der Bevorschussung in Form einer Sozialversicherung bei der Revision des Kindesrechts, die am 1. Januar 1978 in Kraft trat, bereits geprüft worden ist. Mangels Verfassungsgrundlage wurde sie aber verworfen.84 Die fehlende Bundeskompetenz
kann nun nicht umgangen werden, indem in den familienrechtlichen Bestimmungen ein Mindestbeitrag an das Kind verankert wird.85 Selbst wenn der Bundesgesetzgeber im Zivilgesetzbuch ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Person einen Mindestunterhaltsbeitrag einführen würde, könnte er die Kantone nicht zu dessen Auszahlung zwingen. Die Aufhebung des Grundsatzes der Unantastbarkeit des Existenzminimums würde dem Kind somit nichts nützen, da es auf diesem Weg nicht automatisch die Auszahlung des Mindestunterhaltsbeitrags durch den Staat in Form einer Bevorschussung erreichen könnte. Der unterhaltspflichtige Elternteil andererseits befände sich in derselben Situation der permanenten Überschuldung wie im oben genannten Fall einer 83 84 85

562

Siehe den erläuternden Bericht zum Vorentwurf vom 4. Juli 2012, S. 25 f.

Botschaft Kindesverhältnis, BBl 1974 II 1, hier 67; siehe ebenfalls Häusler/Scheidegger, S. 2.

Siehe Urteil 5A_513/2012 vom 17. Oktober 2012 E. 5: «Folglich muss es damit sein Bewenden haben, dass der Beschwerdeführer (weiterhin) als leistungsunfähig zu gelten hat und nicht zu Unterhalt verpflichtet werden kann, zumal es nicht anginge, quasi eine virtuelle Unterhaltspflicht auf dem Papier festzusetzen, nur um [...] einen Rechtstitel für die Alimentenbevorschussung zu verschaffen; diese sozialpolitisch motivierte und allein im kantonalen Recht verankerte Wohltat ist nämlich kein (Rechts-)Grund für die materielle Begründung von Unterhaltspflichten».

Mankoteilung. Es ist folglich nicht möglich, die wirtschaftlich und sozial prekäre Situation von Kindern allein durch eine Änderung des Zivilrechts zu verbessern.

Für die Einführung eines Mindestunterhaltsbeitrags für das Kind, der vom Staat ausgerichtet wird, wenn die Eltern ihn nicht übernehmen können, bedarf es somit einer Verfassungsänderung. Einige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer hielten fest, dass der Bund die Kantone ­ unabhängig von der Leistungsfähigkeit der oder des Unterhaltspflichtigen ­ zur Bevorschussung eines Mindestunterhaltsbeitrags für das Kind verpflichten könnte, und zwar gestützt auf eine Querschnittskompetenz auf Grundlage von Artikel 11 BV (Schutz der Kinder und Jugendlichen), Artikel 8 BV (Rechtsgleichheit) und Artikel 27 UNO-KRK (gebührender Unterhalt). Dies trifft nicht zu. Die beiden genannten Verfassungsbestimmungen nennen Grundrechte, von denen aber keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Sozialhilfe abgeleitet werden kann, auch wenn diese dem Kind zugutekommt. In Bezug auf Artikel 27 UNO-KRK ist daran zu erinnern, dass das Übereinkommen ein Ziel vorgibt, den Staaten aber nicht vorschreibt, wie sie es erreichen sollen. Es liegt also an den Kantonen zu entscheiden, wie sie bedürftige Kinder unterstützen wollen.

Der Bundesrat ist sich der Problematik der Kinderarmut bewusst und zeigt sich offen für die Prüfung eines Bevorschussungssystems in der Form einer Sozialversicherung. Er ist insbesondere bereit, die Einführung einer Verfassungsbestimmung zu prüfen, mit der die Leistung eines Mindestunterhaltsbeitrags an das Kind durch das Gemeinwesen sichergestellt wird, wenn die Eltern nicht für seinen Existenzbedarf aufzukommen vermögen. Heute werden diese Familien von der Sozialhilfe mit einer globalen Leistung für einen Haushalt unterstützt. Die Einführung der Verfassungsbestimmung würde nicht zu einem höheren Betrag für diesen Haushalt führen. Es ginge vielmehr darum, den Beitrag an das Kind von diesem Betrag abzuziehen und ihn dem Kind als «Vorschuss» auszuzahlen. Die Leistung, die den Eltern heute als Sozialhilfe ausbezahlt wird, würde also um den Betrag reduziert, der direkt dem Kind als Vorschuss überwiesen wird. Der Staat könnte die Rückerstattung dieses Betrags unter denselben Bedingungen verlangen wie die Rückerstattung der
Sozialhilfeleistungen. Die Umsetzung dieses Systems würde folglich für das Gemeinwesen zu keinen zusätzlichen Kosten führen. Je nachdem könnten die betroffenen Familien, insbesondere die Einelternhaushalte (siehe Ziff. 1.1.3), so hingegen möglicherweise vermeiden, Sozialhilfe beantragen zu müssen, um den Unterhalt der Kinder zu gewährleisten, und so dem oft als Last und als stigmatisierend empfundenen Verfahren entgehen.

Der Bundesrat ist sich allerdings auch bewusst, dass die Einführung einer solchen Verfassungsbestimmung erhebliche Zeit in Anspruch nehmen und voraussichtlich auch politische Widerstände hervorrufen wird. Um rasch eine bessere Koordination zwischen dem Unterhaltsrecht als Privatrecht (auf Bundesebene) und dem öffentlichem Recht im Bereich der Alimentenbevorschussung (auf Kantonsebene) zu gewährleisten, schlägt der Entwurf vor, dass in jedem Entscheid oder Vertrag betreffend den Kindesunterhaltsbeitrag nicht nur der von der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils abhängige Unterhaltsbeitrag anzugeben ist, falls ein solcher Beitrag festgesetzt werden kann, sondern auch der Betrag, der für den gebührenden Unterhalt des Kindes erforderlich wäre (Art. 287a E-ZGB und Art. 301a E-ZPO). Das Kind wird so über einen Unterhaltstitel verfügen, in dem deutlich festgehalten ist, dass es Anspruch auf einen höheren Betrag hätte als der vom unterhaltspflichtigen Elternteil zu zahlende Betrag. Die Kantone, die auch bei 563

Zahlungsunfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils Vorschüsse leisten wollen, können dies dann mit Verweis auf den Unterhaltstitel tun. Die Kantone werden entscheiden, ob sie Vorschüsse in Höhe des Betrags zur Deckung des gebührenden Unterhalts oder in Höhe eines Höchstbetrags nach ihrem Recht leisten wollen.

1.6.2

Alternierende Obhut

In der Vernehmlassung ist gefordert worden, den Grundsatz der alternierenden Obhut im Gesetz zu verankern. Eine alternierende Obhut liegt vor, wenn die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausüben und die Kinderbetreuung zu mehr oder weniger gleichen Teilen übernehmen, wobei die Betreuungszeiten in Tagen, Wochen oder Monaten bestimmt werden können. Gemäss einigen Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern wäre diese Lösung nicht nur die logische Folge der gemeinsamen elterlichen Sorge, sondern auch die einzige Lösung, die mit Artikel 8 der Konvention vom 4. November 195086 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), der das Recht auf Achtung des Familienlebens gewährleistet, vereinbar ist.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die elterliche Sorge ­ als Pflicht-Recht der Eltern, wichtige Entscheide betreffend die Person und das Vermögen des Kindes zu treffen ­ und die Obhut ­ also die Zeit, während der das Kind mit einem Elternteil zusammenlebt ­ zwei unterschiedliche Begriffe sind. Die gemeinsame elterliche Sorge zieht nicht unbedingt eine alternierende Obhut nach sich. Im Rahmen seiner Untersuchung des Jahres 2007 über die gemeinsame elterliche Sorge nach der Scheidung hat Linus Cantieni festgestellt, dass die Betreuung der Kinder in den meisten Fällen weiterhin «klassisch» organisiert wird, d. h. vor allem von einem Elternteil, meistens der Mutter, wahrgenommen wird. Dies selbst dann, wenn die Eltern sich darauf verständigt haben, die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam auszuüben.87 Das kann mehrere Gründe haben, beispielsweise folgende: Die Eltern wollen die vor der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts befolgte «klassische» Rollenteilung nicht ändern, die alternierende Obhut ist wegen der geografischen Distanz zwischen den beiden Wohnorten der Eltern nicht realisierbar, oder die Eltern können Berufstätigkeit und Kinderbetreuung nicht miteinander vereinbaren.88 Weiter kann eine alternierende Obhut zwar von den Eltern oder vom Kind gewünscht werden, ist aber nicht mit dessen Wohl vereinbar, beispielsweise weil es keine Beziehung zu einem der Elternteile hat,89 weil es krank ist oder weil die alternierende Obhut wegen der sehr konfliktreichen Beziehung zwischen den nicht

86 87 88 89

564

SR 0.101 Cantieni, S. 188 f.

Zu den Schwierigkeiten bei der Vereinbarung von Berufstätigkeit und Familienleben in der Schweiz, siehe den erläuternden Bericht zum Vorentwurf vom 4. Juli 2012, S. 19.

Zur Bedeutung der Eltern-Kind-Beziehung vor der Aufhebung des gemeinsamen Haushalt, siehe das Urteil 5A_582/2012 vom 12. Dezember 2012. In diesem Fall gewährte das Gericht dem Vater nur ein Recht auf begleitete Besuche seines achtzehn Monate alten Kindes, weil die Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn während des Zusammenlebens nicht sehr bedeutend war, habe der Vater seinen Sohn doch nie allein betreut (E. 3).

kooperationsfähigen Eltern psychisch belastend wäre.90 In Bezug auf den Zusammenhang zwischen der Obhut und Artikel 8 EMRK ist anzumerken, dass «Familienleben» nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht gleichbedeutend mit «Zusammenleben» ist. Für das Gleichgewicht des Kindes zählt vielmehr, dass es mit beiden Eltern eine Beziehung aufrechterhalten kann. Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung unter dem Hinweis, dass jeder Fall im Hinblick auf das Kindeswohl geprüft werden muss, keine konkreten Kriterien dafür festgelegt, wie die Beziehung des Kindes zu den Eltern aufrechterhalten werden kann.91 Aus den genannten Gründen erachtet es der Bundesrat nicht als angezeigt, alle getrennt lebenden Eltern zu einer alternierenden Obhut zu verpflichten. Eine derart starre Regelung wäre überdies mit der liberalen Grundhaltung des schweizerischen Familienrechts nicht vereinbar. Dieses bevorzugt kein spezifisches Rollenmodell, sondern überlässt es den Eltern, die Aufgaben nach ihrem Gutdünken unter sich aufzuteilen. Die Rechtsordnung muss wertungsfrei für jedes von den Eltern gewählte Modell eine angemessene Lösung bieten.

Dieser Entscheid darf aber nicht so ausgelegt werden, dass der Bundesrat die alternierende Obhut ausschliessen will. Die vom Parlament am 21. Juni 2013 verabschiedeten Bestimmungen über die elterliche Sorge92 basieren auf dem Grundsatz, wonach die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht, und zwar auch dann, wenn die Eltern den gemeinsamen Haushalt aufheben. Das Ende der ehelichen Beziehung bedeutet nicht auch das Ende der elterlichen Beziehung zum Kind. Bei Inkrafttreten des neuen Rechts wird die gemeinsame elterliche Sorge also zur Regel, auch ohne dass sich die Eltern darüber einig sein müssen. Die elterliche Sorge kann zwar immer noch einem Elternteil allein übertragen werden, aber nur, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist (Art. 298 Abs. 1 nZGB)93.

Diese Änderung wird sich auch auf die Praxis im Bereich der alternierenden Obhut auswirken. Die Einführung der alternierenden Obhut kann nur im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge erfolgen. Anders als in der Vergangenheit wird das Einverständnis der Eltern aber für diese nicht mehr zwingend vorausgesetzt. Da die elterliche Sorge künftig im Regelfall gemeinsam ausgeübt
werden wird, werden die Gerichte ebenfalls prüfen können, ob eine alternierende Obhut auch dann organisiert werden kann, wenn nur ein Elternteil sie beantragt. Dies insbesondere in den Fällen, in denen Vater und Mutter bereits während des Zusammenlebens beide an Pflege und Erziehung des Kindes beteiligt waren94 oder während des Getrenntlebens vor der Scheidung das Kind bereits alternierend betreut haben95. Selbstverständlich wird 90

91

92 93 94 95

Im Urteil 5A_69/2011 vom 27. Februar 2012 hält das Bundesgericht in einem Fall fest, dass zwischen den Parteien kein Dialog über das Kind möglich sei. Sie würden weder über die Schule, noch über den Gesundheitszustand ihres Sohnes noch über den Kinderpsychiater sprechen. Sie seien auch nicht in der Lage, über die Ferien zu sprechen, und könnten die Feriendaten nur in der Gerichtsverhandlung festlegen. Unter diesen Umständen sei eine alternierende Obhut ausgeschlossen, auch wenn das Kind eine solche wünsche (E. 2.2).

Mathieu, S. 40; Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Zaunegger gegen Deutschland vom 3. Dezember 2009, Beschwerde Nr. 22028/04, und Sporer gegen Österreich vom 3. Februar 2011, Beschwerde Nr. 35637/03.

BBl 2013 4763 BBl 2013 4763, hier 4765.

Widrig, S. 910.

Siehe z. B. den Sachverhalt im Urteil 5A_619/2012 vom 20. November 2013; siehe ebenfalls Widrig, S. 906.

565

die Frage der Obhut unabhängig von den Wünschen der Eltern und vom Vorliegen einer Vereinbarung zwischen ihnen jeweils im Einzelfall, immer zum Wohl des Kindes, geklärt werden müssen. Die entsprechenden von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien96 verlieren ihre Bedeutung nicht.

1.6.3

Unterhalt des volljährigen Kindes in Ausbildung

Die Unterhaltspflicht der Eltern dauert bis zur Volljährigkeit des Kindes (Art. 277 Abs. 1 ZGB). Seit dem 1. Januar 1996 liegt das Mündigkeitsalter beim vollendeten 18. Lebensjahr (Art. 14 ZGB). Über die Volljährigkeit hinaus ist der Unterhalt nur geschuldet, wenn folgende zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Das Kind hat noch keine angemessene Ausbildung abgeschlossen97 und es darf den Eltern nach den Umständen zugemutet werden, weiterhin für seinen Unterhalt aufzukommen (Art. 277 Abs. 2 ZGB). Während die Eltern ihre Mittel mit dem minderjährigen Kind umfassend teilen müssen, hängt ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem volljährigen Kind von ihren finanziellen Mitteln ab.98 Zu den Umständen, die zu einer Befreiung der Eltern von der Unterhaltspflicht gegenüber dem volljährigen Kind führen können, zählt auch die zwischenmenschliche Beziehung.99 Der Ausnahmecharakter des Unterhaltsanspruchs nach der Volljährigkeit ist nach der Herabsetzung des Mündigkeitsalters auf achtzehn Jahre jedoch relativiert worden, da sich die meisten Kinder dann noch in einer Berufslehre oder auf der Stufe der Mittelschulausbildung befinden.100 Aus diesem Grund haben einige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer verlangt, Artikel 277 ZGB zu ändern und eine vom Alter des Kindes unabhängige allgemeine Unterhaltspflicht bis zum Abschluss der (ersten) angemessenen Ausbildung einzuführen. So müsste das Scheidungsgericht bereits vor Erreichen der Volljährigkeit immer einen Unterhaltsbeitrag über die Volljährigkeit hinaus festlegen, und der unterhaltspflichtige Elternteil müsste gegebenenfalls eine Änderung beantragen, sobald das Kind volljährig ist.

Gemäss den Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern würde dies die Aufrechterhaltung einer harmonischen Beziehung zwischen dem Elternteil und dem Kind ermöglichen. Denn eine Klage vor Gericht sei für das Kind nicht nur sehr belastend, sondern könne konkret auch zu persönlichen Konflikten führen.

Dieses Anliegen wird im Entwurf nicht berücksichtigt. Ist das Kind noch klein, verfügt das Gericht nicht über verlässliche Anhaltspunkte zur Art und vor allem zur Dauer der angemessenen Ausbildung, die es absolvieren wird. Das Gericht kann also nur schwer einen vollstreckbaren Entscheid im Sinne von Artikel 80 SchKG erlassen, der zum gegebenen Zeitpunkt als Rechtsöffnungstitel
für die Aufhebung des Rechtsvorschlags dienen könnte.101 Andererseits stellt das Erreichen der Volljährigkeit einen entscheidenden Moment im Leben jeder Person dar. Ab diesem Zeitpunkt wird sie rechtlich als vollständig verantwortlich für ihre Handlungen betrachtet. Mit 96 97

Urteil 5A_183/2012 vom 1. Oktober 2012 E. 2.1.

Die Verschaffung einer angemessenen Ausbildung ist Teil der elterlichen Pflichten (Art. 302 Abs. 2 ZGB).

98 BGE 132 III 209 E. 2.3.

99 Meier/Stettler, N 1096­1099, S. 631­633.

100 BGE 129 III 377 E. 3.3.

101 Siehe Staehelin, N 47 zu Art. 80, S. 633; siehe ebenfalls Urteil 5A_661/2012 vom 17. Januar 2013 E. 4.1.

566

der Volljährigkeit des Kindes endet auch die elterliche Sorge und folglich die gesetzliche Vertretung durch die Eltern ­ der Unterhaltsbeitrag wird direkt an das Kind überwiesen (Art. 289 Abs. 1 ZGB) und es verwaltet sein Vermögen selbst (Art. 318 Abs. 1 ZGB). Das Kind muss demzufolge persönlich gegen die unterhaltspflichtige Person oder die unterhaltspflichtigen Personen Klage einreichen.102 Der Bundesgesetzgeber ist für die im Vernehmlassungsverfahren vorgebrachten Argumente jedoch nicht unempfänglich. Nach Artikel 133 Absatz 1 in fine ZGB103 ist es möglich, im Scheidungsurteil den Unterhaltsbeitrag über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus festzulegen ­ was analog dazu auch im Unterhaltsvertrag nach Artikel 287 ZGB möglich ist. Ausserdem relativiert Artikel 276a E-ZGB den Vorrang der Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind zugunsten volljähriger Kinder in Ausbildung. Das erlaubt es, den Unterhaltsanspruch eines Kindes zu berücksichtigen, das die Volljährigkeit bald erreicht und seine Ausbildungsabsichten glaubwürdig darlegen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts muss das Kind, das während des Scheidungsverfahrens volljährig wird, nicht selbst gegen seinen Vater oder seine Mutter vorgehen. Der andere Elternteil kann auch über die Volljährigkeit hinaus im Namen des Kindes klagen, wenn das Kind im Laufe des Verfahrens mündig wird, sofern das nun mündige Kind dem zustimmt.104 In Bezug auf die emotionalen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die ein volljähriges Kind haben kann, wenn es seine Rechte gegenüber einem Elternteil geltend machen muss, ist darauf hinzuweisen, dass der Unterhaltsbeitrag nach Artikel 279 Absatz 1 ZGB für die Zukunft und für ein Jahr vor Klageerhebung eingeklagt werden kann. Der Zweck der Rückwirkung besteht darin, dem Kind Zeit für die gütliche Einigung mit dem unterhaltspflichtigen Elternteil einzuräumen.105 Lässt sich die Klage vor Gericht nicht vermeiden, so hat das Kind gemäss Rechtsprechung die Möglichkeit, sich anwaltlich vertreten zu lassen und dafür unentgeltliche Rechtspflege in Anspruch zu nehmen.106 Der Bundesrat schlägt in Artikel 290 Absatz 1 E-ZGB des vorliegenden Entwurfs des Weiteren vor, dem Kind auch unentgeltliche Inkassohilfe zu gewähren.

1.7

Rechtsvergleich und Verhältnis zum internationalen Recht

1.7.1

Rechtsvergleich

Ein Vergleich mit verschiedenen Rechtsordnungen des Auslands macht deutlich dass bei der Festsetzung des Kindesunterhalts regelmässig sowohl die Bedürftigkeit der unterhaltsberechtigten Person als auch die Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Person berücksichtigt werden. Dabei unterscheiden sich allerdings die Methoden der Unterhaltsberechnung teilweise erheblich: Gewisse Systeme überlassen die konkrete Berechnung den Gerichten, andere versuchen, eine gewisse Standardisierung zu erreichen, namentlich durch die Verwendung von Tabellen. Kaum

102 103

Urteil 5A_661/2012 vom 17. Januar 2013 E. 4.2.4 mit weiteren Hinweisen.

In den neuen Bestimmungen des Zivilgesetzbuchs über die gemeinsame elterliche Sorge ist diese Möglichkeit in Art. 133 Abs. 3 nZGB beibehalten worden (BBl 2013 4763).

104 BGE 129 III 55 105 Botschaft Kindesverhältnis, BBl 1974 II 1, hier 58­59.

106 Urteil 5A_395/2012 vom 16. Juli 2012 E. 4.4.2 und 5.3.3.

567

mehr unterschieden wird heute dagegen danach, ob die Eltern miteinander verheiratet waren oder nicht.107 Deutschland Das deutsche Unterhaltsrecht berücksichtigt die Betreuung eines gemeinsamen Kindes durch einen Elternteil wie folgt: Ein geschiedener Ehegatte kann vom anderen für die Pflege oder Erziehung eines Kindes des Ehegatten für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Dieser wird ebenfalls als Betreuungsunterhalt bezeichnet. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht; zu berücksichtigen sind dabei sowohl kindesals auch elternbezogene Gründe. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1570 BGB). Die Betreuungsunterhaltsansprüche für nicht verheiratete Elternteile sind nach den gleichen Kriterien zu bemessen (§ 1615l BGB). Üben die Eltern das Sorgerecht gemeinsam aus, so findet eine Herabsetzung des Betreuungsunterhalts erst dann statt, wenn das Kind etwa die Hälfte der Zeit regelmässig mit dem anderen Elternteil verbringt.

Österreich Das österreichische Recht geht vom Grundsatz aus, dass derjenige Elternteil, der den Haushalt führt, in dem das Kind betreut wird, dadurch seine gesamte Unterhaltspflicht erbringt; der andere Elternteil hat demgegenüber den gesamten Geldunterhalt zu leisten. Nur dann, wenn der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müsste, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre, hat auch der betreuende Elternteil einen finanziellen Beitrag zu leisten. Beim gemeinsamen Sorgerecht kann der Elternteil, der weniger Betreuungsaufgaben wahrnimmt, zu Unterhalt verpflichtet werden. Ihm werden nur jene Aufwendungen unterhaltsmindernd angerechnet, die der obhutsberechtigte Elternteil sich erspart. Die Höhe der Unterhaltspflicht richtet sich nach dem Einkommen der Eltern und dem Einkommen des Kindes.

Frankreich In Frankreich wird für die Bemessung des Unterhalts auf Tabellen abgestellt. In diesen Tabellen finden sich feste Beträge für den Kindesunterhalt, die abhängig sind von der Zahl der Tage und Nächte, die das Kind mit dem nicht hauptsächlich betreuenden anderen Elternteil verbringt. Die massgeblichen Tabellen enthalten ausserdem einen minimalen Kindesunterhalt,
der abhängig ist von den Kosten für ein Kind, dem Einkommen des Schuldners, der Zahl der Kinder und dem Ausmass des Umgangs mit dem Kind. Die Tabelle unterscheidet drei Arten des Umgangs mit dem Kind nach Ausmass: reduziert, klassisch und alternierend, wobei jeweils unterschiedliche Beträge vorgesehen sind.

England In England erstellt das Kindesunterhaltsamt (die Child Support Agency oder CSA) eine Berechnung des geschuldeten Kindesunterhalts. Nach den CSA-Regeln kann derjenige Elternteil, der das Kind betreut und Kindergeld vom Staat erhält (parent with care), gegen den Elternteil, bei dem das Kind nicht wohnt (non-resident 107

568

Vgl. zum Ganzen: Scheiwe/Wersig und Willekens.

parent), einen Antrag auf Kindesunterhalt bei der CSA stellen. Der Basisunterhalt beträgt einen Prozentsatz des Nettoeinkommens des Schuldners nach Abzug von Steuern, Sozialabgaben und Rentenbeiträgen. Er beträgt 15, 20 oder 25 Prozent, und zwar abhängig davon, ob er für eins, zwei, drei oder mehr Kinder geleistet wird (basic rate). Zusätzlich sind weitere Grundsätze zu berücksichtigen, um den geschuldeten Betrag zu berechnen: Wenn das Kind oder die Kinder Umgang mit dem anderen Elternteil haben und bei diesem auch mehr als 52 Nächte im Jahr übernachten, verringert sich der Unterhalt um jeweils einen Siebtel für jeweils volle 52 Nächte im Jahr, die die Kinder dort verbringen.

Schweden In Schweden tragen beide Elternteile nach ihren finanziellen Möglichkeiten zum Kindesunterhalt bei. Die Betreuung des Kindes soll kein Element der Berechnung des Kindesunterhalts darstellen. Die beidseitige elterliche Betreuung des Kindes wird vielmehr vorausgesetzt und als Normalfall betrachtet. Die Höhe des Kindesunterhalts wird nach standardisierten Regeln festgesetzt, von denen selten abgewichen wird, obwohl die Möglichkeit dazu bestehen würde. Richterliches Ermessen und Auslegung haben eine geringe Bedeutung. Die partnerschaftliche Elternschaft hat seit einiger Zeit einen hohen Stellenwert in der Sozialpolitik, beispielsweise wird die Erwerbstätigkeit von Müttern durch umfangreiche Sozial- und Dienstleistungen für die Familie und Kinder unterstützt.

1.7.2

Vereinte Nationen (UNO)

Das UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UNO-KRK) verpflichtet die Vertragsstaaten, die Kinder vor allen Formen der Diskriminierung aufgrund der Rechtsstellung ihrer Eltern zu schützen (Art. 2 Abs. 2), bei allen die Kinder betreffenden Entscheidungen in erster Linie das Kindeswohl zu berücksichtigen (Art. 3 Abs. 1) und das Recht jedes Kindes auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Entwicklung angemessenen Lebensstandard anzuerkennen (Art. 27 Abs. 1). Der vorliegende Entwurf erfüllt die Anforderungen des Übereinkommens.

1.7.3

Internationales Privatrecht

Angesichts der zunehmenden Mobilität der Gesellschaft stellt sich die Frage des Kindesunterhalts immer häufiger in einem internationalen Kontext. Dies trifft etwa zu, wenn die beiden beteiligten Parteien ­ das Kind und der unterhaltspflichtige Elternteil ­ nicht im gleichen Staat wohnen.

Steht seine örtliche Zuständigkeit fest ­ auf der Basis des Übereinkommens vom 30. Oktober 2007108 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ) oder zum Beispiel aufgrund von Artikel 79 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987109 108 109

SR 0.275.12, vgl. insbesondere die Art. 2 und 5 Ziff. 2.

SR 291, subsidiär anwendbar bei Fehlen eines völkerrechtlichen Vertrags (vgl. Art. 1 Abs. 2 IPRG).

569

über das Internationale Privatrecht (IPRG) ­, so muss das im Zusammenhang mit einer Unterhaltsklage angerufene schweizerische Gericht über das auf die Unterhaltspflicht zwischen Eltern und Kind anwendbare Recht entscheiden.

Artikel 83 Absatz 1 IPRG verweist ausdrücklich auf das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973110 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht.

Dieses Übereinkommen regelt grundsätzlich nur die Kollisionsnormen im Bereich der Unterhaltspflichten (Art. 2 Abs. 1). Das auf eine Unterhaltspflicht jeweils anwendbare Recht bestimmt gemäss dieser Konvention «1. ob, in welchem Ausmass und von wem der Berechtigte Unterhalt verlangen kann; 2. wer zur Einleitung des Unterhaltsverfahrens berechtigt ist und welche Fristen für die Einleitung gelten; 3. das Ausmass der Erstattungspflicht des Unterhaltsverpflichteten, wenn eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung die Erstattung der dem Berechtigten erbrachten Leistungen verlangt» (Art. 10). Nach Artikel 11 des Übereinkommens darf schliesslich von der Anwendung des durch dieses Übereinkommen bestimmten Rechtes nur abgesehen werden, «wenn sie mit der öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar ist. Jedoch sind bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrages die Bedürfnisse des Berechtigten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten zu berücksichtigen, selbst wenn das anzuwendende Recht etwas anderes bestimmt.» Der Entwurf erfüllt dieses Erfordernis.

Eine (nicht abschliessende) Übersicht über massgebende Rechtsgrundlagen zur Zuständigkeit, zum anwendbaren Recht und zur Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln bietet die Website der Zentralbehörde internationale Alimentensachen im Bundesamt für Justiz.111 Internationale Entwicklung Auf internationaler Ebene sind am 1. Januar 2013 das Haager Übereinkommen vom 23. November 2007112 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen und am 1. August 2013 das Haager Protokoll vom 23. November 2007113 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht in Kraft getreten.

Als modernes und umfassendes Vertragswerk soll dieses Haager Übereinkommen eine effizientere und effektivere Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen ermöglichen. Inhaltlich enthält das Übereinkommen insbesondere detaillierte
Bestimmungen über die Aufgaben der einzusetzenden Zentralbehörden, über den Zugang zu den Verfahren und über die Grundlagen und das Verfahren für die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln. Dabei wird verschiedenen Rechtssystemen Rechnung getragen, um einer grossen Zahl von Staaten den Beitritt zum Übereinkommen zu ermöglichen. Die im Haager Protokoll getroffenen Regelungen zum anwendbaren Recht können das vorgenannte Übereinkommen ergänzen. Ein Beitritt ist aber für jedes Instrument (Übereinkommen und Protokoll) alleine möglich.

Ergänzend ist festzuhalten, dass der Bundesrat in seiner Botschaft vom 18. Februar 2009 zum revidierten LugÜ erwogen hatte, zur Vermeidung gewisser Inkohärenzen

110 111 112 113

570

SR 0.211.213.01 www.bj.admin.ch > Internationale Alimentensachen > Rechtliche Grundlagen.

www.hcch.net > Autres langues > Deutsch > Übereinkommen > Nr. 38.

www.hcch.net > Autres langues > Deutsch > Übereinkommen > Nr. 39.

zwischen der EU-Unterhaltsverordnung114 und dem revidierten LugÜ ein Zusatzprotokoll über das Verhältnis zwischen diesen beiden Instrumenten anzustreben.115 Dieser Weg wurde aber nicht weiterverfolgt, nachdem der erste Ständige Ausschuss zum LugÜ am 3. Mai 2011 entschieden hatte, den Weg eines Protokolls in diesem Bereich aufzugeben.

1.8

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Es wird beantragt, den folgenden parlamentarischen Vorstoss als erledigt abzuschreiben: 11.3316 Motion der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates. Gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall und Neufassung der Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Im Folgenden werden die Bestimmungen nach Themen gruppiert erläutert. Eine Konkordanztabelle im Anhang weist die Artikel in numerischer Reihenfolge den Ziffern ihrer Erläuterungen zu.

2.1

Unterhaltspflicht der Eltern

2.1.1

Gegenstand und Umfang (Art. 276 Abs. 1 und 2 E-ZGB)

Art. 276 Randtitel, Abs. 1 und 2 E-ZGB Artikel 276 E-ZGB regelt die Grundsätze des Kindesunterhalts. Der Artikel übernimmt in Bezug auf Gegenstand und Umfang der Unterhaltspflicht der Eltern im Wesentlichen das geltende Recht. Hingegen werden die Reihenfolge der Absätze geändert, der Verweis auf die Obhut als Kriterium für die Aufteilung der Unterhaltsleistungen zwischen den Eltern aufgehoben, die Betreuung des Kindes als Teil des Unterhalts ausdrücklich erwähnt und der Anspruch des Kindes auf gebührenden Unterhalt genannt. Absatz 3 ist von der Revision nicht betroffen.

Absatz 1 nennt die verschiedenen Arten von Unterhaltsleistungen. Der Zweck des Unterhalts besteht darin, die gesunde körperliche, seelische und geistige Entwicklung des Kindes zu gewährleisten, damit es zu einer unabhängigen und verantwortungsvollen Person heranwachsen kann. Der Kindesunterhalt umfasst deshalb nicht nur die Güter, die es für seinen Bedarf an Nahrung, Kleidung, Wohnung, Hygiene und medizinischer Behandlung braucht, sondern je nach Alter und Gesundheitszustand auch die Anwesenheit von Personen, die es dabei unterstützen, seine Bedürfnisse zu befriedigen, und es lehren, mit der Zeit selbstständig zu werden (Pflege und 114

Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen.

115 BBl 2009 1777, hier 1797 f.

571

Erziehung).116 Diese Leistungen stellen den sogenannten Unterhalt in natura dar, der von den Erwachsenen, die mit dem Kind leben, persönlich zu erbringen ist. Die Güter für das Kind sowie die Anwesenheit eines Elternteils oder einer dritten Person sind jedoch mit Kosten verbunden (siehe Ziff. 1.3.1 und 1.5.2). Aus diesem Grund wird der Unterhalt in natura mit dem Unterhalt in Form von Geldleistung ergänzt, der für das Wohl des Kindes genauso wichtig ist. Mit ihren Geldzahlungen decken die Eltern die finanziellen Bedürfnisse des Kindes.

Im gemeinsamen Haushalt kommen die Eltern gemeinsam für den Kindesunterhalt in natura und in Form von Geldleistungen auf. Leben sie nicht (mehr) zusammen, so müssen die Unterhaltsleistungen unter den Eltern aufgeteilt werden. Nach geltendem Recht wird der Unterhalt «durch Pflege und Erziehung oder, wenn das Kind nicht unter der Obhut der Eltern steht, durch Geldzahlung geleistet» (Art. 276 Abs. 2 ZGB). Diese Regel gilt, wenn das Kind den Eltern durch behördlichen Entscheid weggenommen und bei Dritten platziert wird (Art. 310 ZGB) sowie vor allem dann, wenn sich die Eltern trennen oder scheiden. Bilden die Eltern und das Kind keinen gemeinsamen Haushalt (mehr), so wird die Art der zu erbringenden Unterhaltsleistung durch die Obhut ­ also das Zusammenleben mit dem Kind ­ bestimmt: Der obhutsberechtigte Elternteil übernimmt den Unterhalt in natura, der nicht obhutsberechtigte Elternteil erfüllt seine Pflicht durch Geldzahlung. Wie von mehreren Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern vorgebracht wurde, trägt die Verknüpfung «obhutsberechtigter Elternteil ­ Unterhalt in natura» und «nicht obhutsberechtigter Elternteil ­ Unterhalt als Geldleistung», also die Entscheidung, dass ein Elternteil entweder eine Leistung in natura oder eine Geldleistung erbringt, der Entwicklung der Gesellschaft seit der Einführung dieser Bestimmung nicht Rechnung. Im Jahr 1978 wurden bei einer Scheidung die elterliche Sorge und die Obhut regelmässig ausschliesslich einem Elternteil zugeteilt. Dieser konnte die für das Kind nötige Pflege selbst bestimmen und vom andern Elternteil einen Geldbeitrag an das Kind einfordern.117 Heute wird rund die Hälfte der Ehen geschieden; die gemeinsame elterliche Sorge wird, auch wenn die Eltern nicht (oder nicht mehr) zusammenleben, zum Regelfall,
und ganz allgemein wird die Verteilung der Rollen in der Familie in der Gesellschaft immer flexibler gehandhabt. Die gesellschaftliche Realität getrennter Familien kann heute ganz verschiedene Ausgestaltungen haben: von der «klassischen» Form mit der alleinigen Obhut, in der ein Elternteil mit dem Kind wohnt und der andere es während einiger Wochenenden und einem Teil der Ferien aufnimmt, bis zur alternierenden Obhut, bei der beide Eltern das Kind zu mehr oder weniger gleichen Teilen betreuen. Zwischen der alleinigen Obhut und der alternierenden Obhut sind noch andere Formen der geteilten Obhut denkbar, bei denen die Eltern die Betreuung des Kindes zum Beispiel in einem Rhythmus von vier Tagen bei der Mutter und drei Tagen beim Vater teilen. Bei der alternierenden oder der geteilten Obhut betreuen die Eltern das Kind gemäss einem gemeinsam vereinbarten oder von einer Behörde festgelegten Zeitplan (Betreuungsanteile).

Daraus geht hervor, dass die Fälle, in denen die Eltern ihre Unterhaltspflicht in natura und als Geldleistung erfüllen, unabhängig von der Zuteilung der Obhut immer häufiger sind. Aus diesem Grund wird im Entwurf der Verweis auf die Obhut als Kriterium für die Bestimmung der Art der Unterhaltsleistung der Eltern aufgehoben und festgehalten, dass der Unterhalt durch Pflege, Erziehung und Geldzahlung 116

Für eine detaillierte Beschreibung des Unterhaltsbegriffs und seiner Komponenten siehe Hegnauer, N 21­44 zu Art. 276.

117 Hegnauer, N 78­79 zu Art. 276.

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geleistet wird. Bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags wird im Übrigen der Anteil jedes Elternteils in natura und in Geldleistungen am Unterhalt des Kindes berücksichtigt, und zwar unabhängig von der Zuteilung der Obhut, weshalb der Verweis auf die Obhut auch in Artikel 285 E-ZGB gestrichen wird.

Absatz 2: Für den Unterhalt des Kindes sind beide Elternteile gemeinsam verantwortlich. Die Eltern sorgen, jeder Elternteil nach seinen Kräften, für den Unterhalt des Kindes. Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse des Kindes und ihre eigene Lebensstellung. Wie nach geltendem Recht sind die Eltern von der Unterhaltspflicht in dem Mass befreit, als dem Kind zugemutet werden kann, den Unterhalt aus seinem Arbeitserwerb oder andern Mitteln zu bestreiten (Art. 276 Abs. 3 ZGB).

Stellt sich die Frage nach dem Kindesunterhalt bei der Beendigung des gemeinsamen Familienlebens, so spielt die Aufteilung der Aufgaben der Eltern während des Zusammenlebens bei der Bestimmung ihrer Beiträge nach der Trennung eine wesentliche Rolle. Haben sie ihr Leben «klassisch» organisiert und hat nur ein Elternteil das Kind betreut, während der andere einer Vollzeitbeschäftigung nachging, so wird nach der Trennung oft auch die «klassische» Situation weitergeführt: Die Obhut wird einem Elternteil allein zugeteilt, der die Unterhaltspflicht hauptsächlich in natura erfüllen wird, und der andere Elternteil wird den Unterhalt als Geldleistung in Form eines Unterhaltsbeitrags leisten müssen. In immer mehr Familien aber gehen beide Eltern einer Erwerbstätigkeit nach und beteiligen sich persönlich an der Betreuung des Kindes oder übertragen sie teilweise Dritten. Haben sich die Eltern auf diese Weise organisiert, so wird sich dies auf den Entscheid über ihre Unterhaltspflicht nach Auflösung des gemeinsamen Haushalts auswirken, insbesondere bei der Bestimmung ihrer Leistungsfähigkeit und ihres Anteils am Unterhalt in natura (siehe Art. 285 E-ZGB).

Die Eltern müssen für den gebührenden Unterhalt des Kindes sorgen. Sie übernehmen also nicht nur die Kosten für den unmittelbaren Lebensunterhalt des Kindes, sondern auch die Kosten für die Betreuung, Erziehung, Ausbildung und die Kindesschutzmassnahmen. Die Aufzählung im Gesetz ist nicht abschliessend. Der gebührende Unterhalt hängt von den spezifischen Bedürfnissen jedes Kindes ab,
beispielsweise je nach seiner sportlichen, künstlerischen oder kulturellen Tätigkeit. Der Bundesrat erwähnt neu ausdrücklich auch die Kosten für die Betreuung des Kindes.

Die Eltern sind für den Unterhalt des Kindes verantwortlich und müssen dementsprechend für eine stabile und verlässliche Betreuungssituation im oder ausserhalb des Haushalts sorgen, je nachdem, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Das bedeutet, dass die Eltern sowohl die direkten als auch die indirekten Kinderkosten übernehmen müssen (siehe Ziff. 1.3.1). Der Betrag, der zur Sicherung des gebührenden Kindesunterhalts erforderlich ist, hängt auch von der Leistungsfähigkeit der Eltern ab. Sind die Eltern finanziell gut gestellt, werden die Bedürfnisse des Kindes grosszügiger beurteilt als wenn die Eltern in bescheidenen Verhältnissen leben. Wenn die Eltern über die nötigen Mittel verfügen, decken sie den gebührenden Unterhalt mit ihren Leistungen in natura und in Form von Geld. Die auf Grundlage von Artikel 285 E-ZGB bemessene Geldzahlung ­ oder die Summe beider Beiträge, falls beide Eltern eine Geldleistung erbringen müssen ­ deckt dann alle finanziellen Bedürfnisse des Kindes. Anders verhält es sich, wenn die finanziellen Mittel der Eltern beschränkt sind. Die Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Person bildet in diesem Fall insoweit eine Schranke für die Unterhaltspflicht, als der Unterhaltsschuldnerin oder dem Unterhaltsschuldner zumindest das betreibungsrechtliche Existenzminimum zu belassen ist (siehe Ziff. 1.2.3). Im Gegensatz zum 573

geltenden Recht sieht der Entwurf in solchen Fällen vor, dass im Entscheid oder Vertrag über den Kindesunterhalt nicht nur der Betrag der Geldzahlung anzugeben ist, den die Eltern unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit leisten können und müssen, sondern auch der Betrag, der zur Deckung des gebührenden Unterhalts des Kindes fehlt. Dies wird die Koordination mit dem Sozialhilferecht der Kantone erleichtern können (siehe Ziff. 2.2).

2.1.2

Vorrang der Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind (Art. 276a E-ZGB)

Art. 276a E-ZGB Artikel 276a E-ZGB verankert den Grundsatz, dass die Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind ohne Mittel Vorrang vor der Unterhaltspflicht gegenüber einem Erwachsenen ­ dem Ehegatten oder dem volljährigen Kind ­ hat. Eine erwachsene Person ist eher in der Lage, die finanziellen Probleme zu überwinden.

Grundsätzlich haben alle minderjährigen unterhaltsberechtigten Kinder Anspruch auf dieselben Leistungen.118 Bei der Bemessung der Unterhaltsbeiträge wird das Gericht somit zuerst den Betrag für den gebührenden Unterhalt des minderjährigen Kindes festlegen, bevor es bestimmt, ob und in welchem Umfang der Ehegatte ebenfalls Anspruch auf einen Beitrag hat. Die Höhe des Unterhalts für den Ehegatten hängt dann vom noch verfügbaren Betrag der beiden Ehegatten ab, das heisst vom Betrag, der nach Abzug ihres jeweiligen Bedarfs und des Kindesunterhaltsbeitrags übrig bleibt. Durch den Grundsatz des Vorrangs der Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind vor jener gegenüber dem Ehegatten wird insbesondere die Stellung des Kindes in einer Mankosituation gestärkt werden, wenn nicht nur das Kind Anspruch auf Unterhalt hat, sondern auch der geschiedene Elternteil. In diesem Fall wird der verfügbare Betrag vollumfänglich dem Kind zugewiesen. Kommt der unterhaltspflichtige Elternteil seiner Pflicht nicht nach, so kann das Kind vermehrt in den Genuss der Alimentenbevorschussung kommen (Art. 293 Abs. 2 ZGB).

In der Vernehmlassung ist verlangt worden, volljährige Kinder in Ausbildung mit minderjährigen Kindern gleichzustellen. Dieses Anliegen wird im Entwurf nicht berücksichtigt, da dadurch die Stellung des minderjährigen Kindes geschwächt werden könnte. Das volljährige Kind hat nämlich die Möglichkeit, selbst für seinen Unterhalt aufzukommen, etwa indem es während seiner Ausbildung einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht oder ein Stipendium beantragt. Das minderjährige Kind hingegen hängt vollumfänglich von seinen Eltern ab. Der Bundesrat hat jedoch beschlossen, den Vorrang der Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind zu relativieren. In begründeten Fällen soll das Gericht überprüfen können, ob ein Abweichen von diesem Grundsatz gerechtfertigt ist. Damit soll vor allem eine übermässige Benachteiligung volljähriger Kinder vermieden werden, die sich zum Zeitpunkt der Scheidung noch in Ausbildung befinden. Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn ein achtzehnjähriges Kind bei der Scheidung das Gymna118

574

BGE 137 III 59 E. 4.2.1. Muss ein Elternteil die Unterhaltspflicht in natura und in Form von Geldleistungen erfüllen, so ist eine Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen. Siehe Urteil 5A_309/2012 vom 19. Oktober 2012 E. 3.4.

sium noch nicht abgeschlossen hat und finanziell noch von seinen Eltern abhängig ist. Es würde sich plötzlich in finanziellen Schwierigkeiten befinden und könnte am Abschluss seiner Ausbildung gehindert werden.

2.1.3

Bemessung des Unterhaltsbeitrages (Art. 285 und 285a E-ZGB)

Artikel 285 E-ZGB dient der Bemessung des Unterhaltsbeitrags, den die Eltern aus eigenen Mitteln entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit erbringen sollen. Festgelegt wird, welcher Elternteil welchen Beitrag an den Unterhalt des Kindes beisteuern kann. Die für den Unterhalt des Kindes bestimmten Sozialzulagen und die Sozialversicherungsleistungen werden hingegen durch Artikel 285a E-ZGB erfasst.

Artikel 285 E-ZGB Absatz 1 entspricht im Wesentlichen dem geltenden Recht. Gestrichen wurde der Zusatz, dass der Beitrag des nicht obhutsberechtigten Elternteils an die Betreuung des Kindes zu berücksichtigen sei. Die Streichung erfolgt nicht in der Absicht, diesen Beitrag künftig unberücksichtigt zu lassen (siehe Ziff. 1.5.2). Aber die Obhut stellt neu kein Kriterium mehr für die Zuordnung der Unterhaltsleistungen unter den Eltern dar (siehe Ziff. 2.1.1). Bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrages werden alle von einem Elternteil erbrachten Unterhaltsleistungen berücksichtigt, unabhängig davon, ob er die Obhut inne hat oder nicht. Die Neuformulierung des zweiten Teils dieses Absatzes ergibt sich einzig zufolge einer besseren Übereinstimmung mit dem französischen Gesetzestext und stellt keine inhaltliche Änderung dar.

In Absatz 1 werden die Kriterien festgehalten, die für die Bemessung des von den Eltern geschuldeten Kindesunterhalts zu berücksichtigen sind. Dabei handelt es sich wie bis anhin um die Bedürfnisse des Kindes sowie um die Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern. Falls das Kind über Einkünfte oder Vermögenswerte verfügt, sind diese ebenfalls einzubeziehen (siehe auch Art. 276 Abs. 3 ZGB). Es wird keine bestimmte Berechnungsmethode für den Kindesunterhalt oder eine Rangordnung zwischen den verschiedenen Kriterien vorgeschrieben. Die Grundsätze des geltenden Rechts zur Bemessung der Unterhaltsbeiträge bleiben grundsätzlich auch mit der Einführung des Betreuungsunterhalts weiterhin anwendbar. Die Norm belässt den Gerichten den notwendigen Ermessensspielraum; sie sollen weiterhin die Möglichkeit haben, die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, um eine ausgewogene Regelung treffen zu können.

Absatz 2 hält neu ausdrücklich fest, dass auch die Betreuung bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags zu berücksichtigen ist. Jedes Kind hat Anspruch auf eine angemessene Betreuung. Dabei
soll keine Form der Betreuung vorgeschrieben oder begünstigt werden. Die Eltern können die Art der Betreuung und deren Aufteilung grundsätzlich frei bestimmen, solange sie mit dem Kindeswohl vereinbar ist. Im Rahmen der Bemessung des Betreuungsunterhalts ist im Einzelfall entscheidend, welche Art der Betreuung in welchem Ausmass erforderlich und im Interesse des Kindes ist. Dabei kann insbesondere auf die bis anhin gelebte Situation abgestellt werden. Ist ein Unterhaltsbeitrag festzulegen, kann dies nicht dazu führen, eine bis anhin gelebte Aufgabenteilung zum Nachteil des Kindeswohls unvermittelt abzuändern.

575

Ist eine Drittbetreuung angebracht, sind die dabei anfallenden Kosten als direkte Kinderkosten (siehe Ziff. 1.3.1) zu berücksichtigen, und die Bemessung stellt keine Schwierigkeit dar. Ist dagegen im Interesse des Kindeswohls die Betreuung durch die Eltern oder einen Elternteil erforderlich und führt diese Betreuung zu einer Reduktion der Erwerbstätigkeit des Elternteils, so soll der Betreuungsunterhalt die Präsenz der betreuenden Eltern oder des betreuenden Elternteils auch finanziell sicherstellen. Diese Präsenz kann grundsätzlich gewährleistet werden, indem die Lebenshaltungskosten des betreuenden Elternteils abgedeckt werden (siehe Ziff.

1.5.2). Betreut ein Elternteil das Kind persönlich, kann er keine volle Erwerbstätigkeit ausüben. So kann es je nach Umfang der verbleibenden Erwerbstätigkeit dazu kommen, dass er seine eigenen Lebenshaltungskosten nicht mehr selber bestreiten kann.

Erzielt ein Elternteil vor diesem Hintergrund zufolge einer vollumfänglichen persönlichen Kinderbetreuung gar kein Einkommen und verfügt er auch nicht über sonstige Einkünfte, so können für den Betreuungsunterhalt als Richtwert grundsätzlich seine Lebenshaltungskosten beigezogen werden. Für die Bemessung dieser Kosten ist der jeweilige Einzelfall entscheidend. Als Anhaltspunkt kann dabei vom betreibungsrechtlichen Existenzminimum ausgegangen werden. Für die zu berücksichtigenden Erweiterungen sind wiederum die konkreten Verhältnisse im zu beurteilenden Einzelfall massgebend. Für die Entscheidung, welche Lebenshaltung über den Betreuungsunterhalt abgegolten werden kann, ist Folgendes zu beachten: Bei der Bemessung des Kindesunterhalts ist die Lebensstellung der Eltern massgebend. Falls die Eltern nicht zusammenleben, ist für die von jedem Elternteil zu erbringenden Unterhaltsbeiträge zwar grundsätzlich auf dessen jeweilige Lebensstellung abzustellen.119 Der Kindesunterhaltsbeitrag ist damit abhängig von der Lebensstellung des pflichtigen Elternteils. Dieser Grundsatz kann jedoch nicht unbesehen auf die als Betreuungsunterhalt zu ermittelnden Lebenshaltungskosten des betreuenden Elternteils übertragen werden. Werden diese im Rahmen des Betreuungsunterhalts ermittelt, kann insbesondere bei guten bis sehr guten Verhältnissen nicht einfach die Lebenshaltung des pflichtigen Elternteils für die Festlegung entscheidend
sein. Ansonsten würde dem betreuenden Elternteil eine Teilhabe an der Lebenshaltung des anderen ermöglicht, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind, waren oder gar nie zusammengelebt haben. Für das Kind ist einzig entscheidend, dass der Elternteil die notwendige Betreuung und damit seine Anwesenheit finanziell ermöglichen kann.

Dieses Ziel ist auch ohne Berücksichtigung von luxuriösen Aufwendungen erreicht.

Ein höherer Lebensstandard aufgrund der Lebensstellung des unterhaltspflichtigen Elternteils kann dagegen Teil des Ehegattenunterhalts (Art. 176 ZGB) oder des nachehelichen Unterhalts (Art. 125 ZGB) sein. Für geschiedene Eltern bleibt die Möglichkeit eines Ausgleichs höherer Kosten im Rahmen des nachehelichen Unterhalts bestehen (siehe Ziff. 1.5.2). Im Bereich des Kindesunterhalts widerspiegelt sich eine allfällig höhere Lebensstellung des unterhaltspflichtigen Elternteils nicht im Betreuungsunterhalt, aber bei den direkten Kosten des Kindes, die entsprechend höher ausfallen.

Leben die Eltern ein anderes Aufgabenteilungsmodell, sind beide erwerbstätig, ohne jedoch die Betreuung auf beide Elternteile aufzuteilen, oder beteiligen sich beide Elternteile massgeblich an der Betreuung des Kindes, so ist für die Bemessung des Betreuungsunterhalts grundsätzlich der Betrag massgebend, der einem Elternteil, der 119

576

BGE 116 II 110 E. 3; Hausheer /Spycher, N 06.132.

auch während den Erwerbszeiten betreut, zur Deckung seiner Lebenshaltungskosten unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit fehlt. Selbst wenn beide Elternteile sich je hälftig bei der Kinderbetreuung engagieren, kann ein Elternteil nicht in der Lage sein, seine Lebenshaltungskosten selber zu übernehmen. Um die Betreuung des Kindes gewährleisten zu können, ist auch in diesen Fällen die Festsetzung eines Betreuungsunterhalts im Einzelfall denkbar, insbesondere falls der andere Elternteil ausreichend leistungsfähig ist. Andernfalls müsste der Elternteil, der seine Lebenshaltungskosten nicht selber bestreiten kann, sein Erwerbspensum weiter ausdehnen, möglicherweise aber nicht zum Wohle des Kindes. Stattdessen würden dabei möglicherweise Drittbetreuungskosten anfallen, die ebenfalls vom leistungsfähigeren Elternteil zu übernehmen wären. Leistet umgekehrt ein Elternteil anteilsmässig mehr Betreuungsarbeit, ist er aber ausreichend leistungsfähig, so benötigt das Kind keinen Betreuungsunterhalt, da seine Betreuung gewährleistet ist. Es muss jedoch im Einzelfall durch das zuständige Gericht festgestellt werden, ob und in welcher Höhe sich die Ausrichtung eines Betreuungsunterhalts rechtfertigt, gerade wenn die Mittel des grundsätzlich unterhaltspflichtigen Elternteils nicht ausreichen: Die Wertung der jeweiligen Beiträge der Eltern und die Verteilung der gesamten Unterhaltskosten stehen im Ermessen des Gerichts.

Bereits nach geltendem Recht hat die Aufteilung des Unterhalts des Kindes proportional zur Leistungsfähigkeit der Eltern zu erfolgen. Gerade in durchschnittlichen finanziellen Verhältnissen sind beide Eltern im Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit gleich zu belasten.120 Die Verteilung soll nach den Fähigkeiten und Möglichkeiten und nicht einfach gleichmässig nach Köpfen erfolgen.121 Die Leistungsfähigkeit bestimmt sich aufgrund der wirtschaftlichen Situation sowie der Möglichkeit, einen Beitrag in Form von Pflege und Erziehung zu leisten. Bei der Aufteilung der errechneten Unterhaltskosten auf die Eltern ist auch zu berücksichtigen, wer die Unterhaltsleistung der Pflege und Erziehung in natura erbringt.

Die Unterhaltspflicht der Eltern dauert wie bis anhin mindestens bis zur Volljährigkeit des Kindes (Art. 277 ZGB). Der Entwurf nimmt hier keine Änderung vor (siehe Ziff. 1.6.4). Allerdings
stellt sich neu die Frage nach der Dauer des Betreuungsunterhalts. Dieser dauert grundsätzlich so lange an, wie das Kind die persönliche Betreuung im konkreten Fall tatsächlich benötigt. Die Dauer der von einem Elternteil erbrachten Betreuung bestimmt sich aber insbesondere auch anhand der tatsächlichen Situation der Eltern vor der Bemessung des Unterhaltsbeitrages. Haben die Eltern nie einen gemeinsamen Haushalt geführt, liegt eine andere Situation vor als bei Auflösung eines gemeinsamen Haushalts. Haben die Eltern zusammengelebt, kann eine bereits bestehende persönliche Betreuung eines Kindes weiterhin zu seinem Wohl erforderlich sein. Davon hängt auch die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils oder beider betreuenden Elternteile ab, und diese wird grundsätzlich ausschlaggebend sein, ob und wie lange ein Betreuungsunterhalt geschuldet ist. Nach der zwanzigjährigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung soll einem betreuenden Ehegatten, der sich bis anhin ausschliesslich der Haushaltsführung und Kinderbetreuung gewidmet hat und keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, die Wiederaufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit nicht zugemutet werden können, solange das jüngste Kind nicht das 16. Altersjahr vollen120 121

Hausheer/Spycher, N 06.158; Breitschmid, N 16 zu Art. 285.

Geiser Thomas, Die Neuregelung des Familienunterhalts im Lichte der Neuregelung der elterlichen Sorge, Dokumentation zum Referat an der Luzerner Tagung zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht vom 17. Mai 2013 (unveröffentlicht), N 1.29.

577

det hat. Sobald das jüngste Kind jedoch zehn Jahre alt ist, wird erwartet, dass der betreuende Elternteil einer Teilzeitbeschäftigung von dreissig bis fünfzig Prozent nachgehen kann. Der Arbeitsteilung der Eltern während der Zeit des gemeinsamen Haushalts wird Rechnung getragen. Diese Regeln sind bereits nach geltendem Recht nicht als strikte Normen zu betrachten, sondern als Richtlinien, die von Fall zu Fall anzuwenden sind.122 Mit Blick auf das Kindeswohl muss von diesen Regeln abgewichen werden können, wobei jedoch bewusst darauf verzichtet wird, starre Grundsätze zur Bestimmung der Dauer ins Gesetz zu schreiben. Die Revision bietet aber Anlass, diese Rechtsprechung zu überdenken. Die Aufnahme oder Ausdehnung einer Erwerbstätigkeit ist jedoch auch von der möglichen Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung abhängig (siehe Ziff. 1.1.2 zur Familienpolitik). Es ist daher immer auf den Einzelfall bezogen zu entscheiden, wie lange der Betreuungsunterhalt geschuldet ist.

Absatz 3 spricht zur Verdeutlichung anstelle der bisherigen «Termine» von «Zahlungsterminen». Dies bedeutet jedoch keine inhaltliche Änderung. Das Gericht ist frei in der Festsetzung dieser Zahlungstermine. In aller Regel werden jedoch entsprechend der Lohnauszahlung monatlich zu leistende Unterhaltsbeiträge festgelegt.

Bei knappen finanziellen Verhältnissen kann dabei auch berücksichtigt werden, dass eine Lohnauszahlung unter Umständen dreizehnmal jährlich erfolgt.

Artikel 285a E-ZGB Bei der Bemessung des Unterhalts des Kindes sind auch die für das Kind bestimmten Familienzulagen, Sozialversicherungsrenten und ähnliche für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistungen zu berücksichtigen. Die Bestimmung entspricht inhaltlich mit Ausnahme von Absatz 1 der bisherigen Regelung (Art. 285 Abs. 2 und 2bis ZGB). Am 1. Januar 2009 trat das Familienzulagengesetz vom 24. März 2006123 (FamZG) in Kraft, welches das Familienzulagensystem auf Bundesebene vereinheitlicht. In Anpassung an die Terminologie des FamZG wird anstelle von Kinderzulagen neu im ZGB ebenfalls von Familienzulagen gesprochen (vgl. Art. 3 FamZG).

Absatz 1 erfasst neu die Familienzulagen gesondert und bestimmt, dass diese in jedem Fall zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag zu zahlen sind. Bisher hatte das Gericht die Möglichkeit, von einer zusätzlichen Ausrichtung
abzusehen. Diese Möglichkeit wird im Bereich der Familienzulagen aufgehoben. Das FamZG bestimmt, dass die Familienzulagen in jedem Fall zusätzlich zu den Unterhaltsbeiträgen entrichtet werden müssen, wenn die anspruchsberechtigte Person unterhaltspflichtig ist (Art. 8 FamZG). Es fehlt die Möglichkeit des Gerichts, anders zu bestimmen, womit eine Differenz zu der entsprechenden Regelung im geltenden ZGB entstanden ist. In der Vernehmlassung wurde darauf hingewiesen, dass das Verhältnis zwischen den beiden Bestimmungen zu klären sei.

Allgemein kann für die Bemessung des Unterhaltsbeitrags bei Vorliegen von Familienzulagen und Sozialversicherungsrenten oder ähnlichen für den Unterhalt des Kindes bestimmten Leistungen festgehalten werden, dass der Unterhaltsbeitrag zuzüglich die entsprechende Leistung nicht mehr abdecken darf, als die Bedürfnisse des Kindes erfordern. Ansonsten entsteht ein Widerspruch zum Grundsatz, nach 122

BGE 137 III 102 E. 4.2.2.2; Schwenzer, N 59 zu Art. 125 ZGB; Pichonnaz, N 53 zu Art. 125 ZGB; Rumo-Jungo, Alleinerziehende, S. 175 f.

123 SR 836.2

578

welchem die Bedürfnisse des Kindes die Obergrenze des geschuldeten Unterhalts bilden (gebührender Unterhalt). Bei der Berechnung des Unterhaltsbeitrags ist daher die Sozialversicherungsleistung jeweils vorweg vom Unterhaltsbedarf des Kindes abzuziehen.124 Wird der Unterhaltsbeitrag auf diese Weise berechnet und bezieht der unterhaltspflichtige Elternteil eine Familienzulage, eine Sozialversicherungsrente oder eine ähnliche für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistung, so ist diese bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags im Ergebnis immer zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag zu leisten.

In der Praxis haben sich jedoch bei der Ausrichtung der Familienzulage und bei der Vollstreckung der bisherigen Unterhaltstitel immer wieder Probleme gezeigt, sofern die Familienzulage nicht explizit zusätzlich ausgewiesen wurde. Da den Gerichten diese Möglichkeit offenstand, wurde teilweise ein Unterhaltsbeitrag gesprochen, ohne die Familienzulage zusätzlich auszuweisen, wobei im Resultat in gewissen Fällen unklar blieb, inwieweit die Familienzulage bei der Berechnung des Unterhaltsbeitrags überhaupt berücksichtigt worden war. Um künftig in allen Fällen Klarheit zu haben, ist es daher dienlich, wenn die Familienzulage in jedem Fall im Urteil gesondert ausgewiesen wird, also zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag genannt wird. Die in der Literatur erwähnten Ausnahmefälle, in denen ein anderer Entscheid des Gerichts möglich sein soll, bedingen diesen im Übrigen nicht zwingend;125 die genannten Fälle lassen sich auch mit der neuen Regelung befriedigend lösen.

Weiter schaffte das FamZG zwingende Vorgaben, wer im Hinblick auf die Familienzulage anspruchsberechtigt ist (Art. 7 FamZG). Damit wechselt die Anspruchsberechtigung je nach den vorliegenden Umständen zwischen den Eltern. Bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags kann der Richter nur den aktuellen Zustand berücksichtigen. Ist die Familienzulage aber zusätzlich ausgewiesen, kann einem späteren Wechsel der Anspruchsberechtigung bei der Ausrichtung oder in der Vollstreckung Rechnung getragen werden; beispielsweise kann ein Bezugswechsel zwischen den Eltern dann vom Rechtsöffnungsrichter berücksichtigt werden. Um künftige Unklarheiten zu vermeiden und den Widerspruch zum FamZG zu beheben, ist es daher empfehlenswert, die Familienzulagen in jedem Fall im Urteil auszuweisen
und zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag zu leisten.

Absatz 2 sieht bei den übrigen Sozialversicherungsrenten oder ähnlichen für den Unterhalt des Kindes bestimmten Beiträgen nach wie vor die Möglichkeit des Gerichts vor, anders zu entscheiden. Hier erfolgt keine materielle Änderung, ebenso wenig in Absatz 3.

2.1.4

Hinderung der Verjährung für Forderungen des Kindes gegen die Eltern bis zur Volljährigkeit (Art. 134 Abs. 1 Ziff. 1 E-OR)

Art. 134 Abs. 1 Ziff. 1 E-OR Aus Rücksicht auf die persönliche Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern, die unabhängig von der Frage des Sorgerechts bestehen und eine Geltendmachung 124

BGE 137 III 59 E 4.2.3; BGE 128 III 305 E. 4; Urteil 8C_927/2012 vom 5. Juli 2013 E 3.1; Krapf, S. 96 f.; Hausheer/Spycher, S. 468 f.

125 Hegnauer, N 101 zu Art. 285; Widmer, Kindesunterhalt und Kinderzulagen, Rz. 10.

579

der Unterhaltsforderung erschweren oder als nicht wünschenswert erscheinen lassen kann, sieht die Vorlage vor, dass die Verjährung für Forderungen des Kindes gegenüber seinen Eltern erst mit Erreichen der Volljährigkeit des Kindes zu laufen beginnt. Damit wird die Rechtsstellung des Kindes verbessert, indem die Durchsetzbarkeit seiner Forderungen gegenüber den Eltern allgemein und sorgerechtsunabhängig verlängert wird. Mit Eintritt der Volljährigkeit erscheint eine nötigenfalls zwangsweise Geltendmachung und Durchsetzung auch für das Kind zumutbar.

Kommt das Gemeinwesen für den Unterhalt auf und geht der Unterhaltsanspruch nach Artikel 289 Absatz 2 ZGB auf dieses über, so wirkt die Hinderung nur bis zum Zeitpunkt des Rechtsübergangs, nicht aber für die Zeit danach, weil der Hinderungsgrund gerade in der engen persönlichen Beziehung zwischen Kind und Eltern begründet ist. Eine solche besteht zwischen dem Gemeinwesen und dem Elternteil nicht.

2.2

Entscheide und Verträge betreffend den Kindesunterhaltsbeitrag (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 und 287a E-ZGB, Art. 301a E-ZPO)

Art. 176 Abs. 1 Einleitungssatz und Ziff. 1 E-ZGB Der Ersatz des Ausdrucks «conjoint» durch «époux» im Einleitungssatz erfolgt nur in der französischen Fassung von Artikel 176 Absatz 1. Er drängt sich aus Gründen der terminologischen Einheitlichkeit auf.

In Artikel 176 Absatz 1 Ziffer 1 ZGB wird neben «dem andern» der Zusatz «und jedem Kind» eingefügt. Dies ist deshalb erforderlich, weil das Gericht im Dispositiv seines Entscheids zwischen dem Beitrag an den Ehegatten und jenem an das Kind unterscheiden soll (siehe Art. 282 Abs. 1 Bst. b ZPO und Art. 301a E-ZPO). Kommt der unterhaltspflichtige Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht nach, lässt sich die Alimentenbevorschussung dank der klaren Angabe des Kindesunterhaltsbeitrags wirksam durchsetzen.

Art. 287a E-ZGB und Art. 301a E-ZPO Nach Artikel 301a E-ZPO sind in jedem Gerichtsentscheid, in dem Unterhaltsbeiträge für das Kind festgelegt werden, folgende Punkte ausdrücklich anzugeben: von welchem (tatsächlichen oder hypothetischen) Einkommen und Vermögen jedes Elternteils und jedes Kindes bei der Bemessung des Beitrags ausgegangen wird; welche Beträge für jedes Kind bestimmt sind; ob und in welchem Ausmass der Unterhaltsbeitrag den Veränderungen der Lebenskosten angepasst wird. In Mankofällen muss der Entscheid auch angeben, welchen Betrag der unterhaltspflichtige Elternteil (zusätzlich) bezahlen müsste, wenn er über die Mittel dazu verfügen würde, d. h. welcher Betrag zur Deckung des gebührenden Unterhalts jedes Kindes fehlt.

Dieselben Regeln gelten auch für Unterhaltsverträge, die aussergerichtlich abgeschlossen werden und von der Kindesschutzbehörde genehmigt werden müssen (Art. 287a E-ZGB).

580

Artikel 301a E-ZPO betrifft die Entscheide über den Kindesunterhalt im Rahmen eherechtlicher Verfahren wie auch von Unterhaltsklagen auf Grundlage von Artikel 279 ZGB. Auch zur Verdeutlichung dieses Anwendungsbereichs wurde der Gliederungstitel vor Artikel 297 ZPO gestrichen, der bisher nur auf die eherechtlichen Verfahren verwies. Die Artikel 297 ZPO bis 301a E-ZPO werden damit ebenfalls den allgemeinen Bestimmungen zu den Kinderbelangen in familienrechtlichen Angelegenheiten zugeordnet (siehe Ziff. 2.5). Stellt sich die Frage nach dem Kindesunterhalt in einem eherechtlichen Verfahren, so ist dafür kein eigener Entscheid erforderlich: Artikel 301a E-ZPO ist in Verbindung mit Artikel 282 ZPO anzuwenden. Die in den beiden Bestimmungen genannten Punkte müssen im Entscheid ausdrücklich angegeben werden; das Gesetz überlässt es jedoch den Gerichten, wie eine Aufnahme am besten erfolgt. Die Kinderunterhaltsbeiträge sowie die eventuelle Anpassung an die Veränderungen der Lebenshaltungskosten müssen ihrer Natur nach im Urteilsdispositiv aufgenommen werden. In Mankofällen ist im Dispositiv auch der Betrag anzugeben, der zur Deckung des gebührenden Unterhalts jedes Kindes fehlt; die anderen Punkte können auch aus den Erwägungen hervorgehen.

Für die Mankofälle bringt der Entwurf damit eine wesentliche Neuerung. Das Gericht kann sich nicht mehr darauf beschränken, auf Basis der Leistungsfähigkeit der Unterhaltsschuldnerin oder des Unterhaltsschuldners den Beitrag an das Kind festzulegen. Es muss unter Berücksichtigung der Bedürfnisse, des Alters, der Betreuungsmodalitäten und der Wohnregion des Kindes sowie der Situation der Eltern festsetzen, welcher Beitrag zur Deckung des gebührenden Unterhalts des Kindes erforderlich ist. Damit legt es gewissermassen eine Art Mindestbetrag für den Kindesunterhalt fest. Das Gesetz schreibt keine bestimmte Berechnungsmethode vor. Das Gericht kann also selbst entscheiden, ob es sich auf den Unterhalt beziehen will, der normalerweise anerkannt wird, wenn die Mittel der Eltern beschränkt sind, aber dennoch für den Kindesunterhalt genügen, oder ob es der Ansicht ist, allgemein einen pauschalen Mindestbetrag festlegen zu müssen. Diesbezüglich haben mehrere Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer den Betrag der maximalen einfachen AHV- bzw. IV-Waisenrente als Referenzwert
vorgeschlagen.

Das wesentliche Ziel der neuen Bestimmungen besteht darin, die Tätigkeit des Gerichts, bei dem ein auf Artikel 286 ZGB gestütztes Begehren auf Abänderung des Kindesunterhaltsbeitrags hängig ist, zu erleichtern. Diese Bestimmungen sind auch notwendig, wenn in Mankofällen gestützt auf Artikel 286a E-ZGB eine nachträgliche Leistung beantragt wird. In beiden Fällen muss das Gericht die wesentlichen Einzelheiten kennen, die dem ursprünglichen Entscheid zugrunde lagen.

In Mankofällen wird die Angabe des Betrags, der zur Deckung desgebührenden Kindesunterhalts fehlt, gegebenenfalls auch die Koordination mit dem öffentlichen Recht zur Unterstützung bedürftiger Personen erleichtern können. Das Kind wird so nämlich über einen Unterhaltstitel verfügen, aus dem klar ersichtlich ist, dass sein Anspruch auf Unterhalt höher ist als der Beitrag, zu dessen Leistung der unterhaltspflichtige Elternteil verpflichtet wurde. Diejenigen Kantone, die selbst bei Zahlungsunfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils bereit sind, die Alimente zu bevorschussen, erhalten damit alle Angaben, die sie zur Umsetzung eines solchen Systems benötigen (siehe Ziff. 1.6.1).

581

2.3

Leistung des Unterhaltsbeitrags (Art. 289 Abs. 1 E-ZGB)

Art. 289 Abs. 1 E-ZGB Gemäss dieser Bestimmung steht der Anspruch auf Unterhaltsbeiträge dem Kind zu und wird, solange das Kind minderjährig ist, durch Leistung an dessen gesetzlichen Vertreter ­ das heisst die Inhaberin oder den Inhaber der elterlichen Sorge ­ oder an die obhutsberechtigte Person erfüllt. Der Begriff der Obhut ­ gemeint ist hier die alleinige Obhut ­ ist im Zuge der Revision des Scheidungsrechts im Jahr 2000 aufgenommen worden, um der Möglichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge geschiedener und unverheirateter Eltern Rechnung zu tragen.126 Die Revision des Sorgerechts, mit der die gemeinsame elterliche Sorge zur Regel wird, wird auch die Einführung anderer Formen der Obhut fördern (geteilte oder alternierende Obhut anstelle der alleinigen Obhut). Dementsprechend muss das Gericht bestimmen können, an welchen Elternteil in solchen Fällen die Unterhaltsbeiträge ausbezahlt werden müssen. Aus diesem Grund wird der letzte Teil von Absatz 1 geändert.

2.4

Vollstreckung des Unterhaltsanspruchs (Art. 131, 131a, 132, 176a, 177 und 290 E-ZGB)127

Vorbemerkung zu den Art. 131, 131a, 176a und 290 E-ZGB Die Institute der Alimentenhilfe (Alimentenbevorschussung und Inkassohilfe) sind bereits nach geltendem Recht sowohl im Scheidungsrecht (Art. 131 ZGB) wie im Kindesunterhaltsrecht (Art. 290 und 293 ZGB) vorgesehen. Materielle Änderungen erfolgen mit dem Entwurf nur bei den Bestimmungen zur Inkassohilfe, nicht jedoch bei der Alimentenbevorschussung. Im Bereich des Kindesunterhalts wird daher nur der Artikel über die Inkassohilfe geändert (Art. 290 E-ZGB). Die Regelung der Alimentenbevorschussung beim Kindesunterhalt bleibt unverändert (Art. 293 Abs. 2 ZGB). Im Scheidungsrecht wurden dagegen die beiden Institute der Alimentenhilfe bisher in einem Artikel geregelt (Art. 131 ZGB). Der Klarheit halber sollen diese entsprechend der Regelung im Kindesrecht neu auf zwei Artikel aufgeteilt werden (Art. 131 und 131a E-ZGB).

Art. 131 und 290 E-ZGB Diese beiden Bestimmungen regeln die Inkassohilfe im Scheidungsrecht (Art. 131 E-ZGB) und im Kindesrecht (Art. 290 E-ZGB).

Die Leistungen der Inkassohilfe unterscheiden sich heute von Kanton zu Kanton erheblich, und gerade bei internationalen Sachverhalten besteht unter Umständen eine Ungleichbehandlung zwischen ausländischen und schweizerischen Unterhaltsgläubigerinnen und -gläubigern (siehe Ziff. 1.5.3). Vor diesem Hintergrund verpflichtet sich der Bundesrat, Bestimmungen zur Verbesserung und Vereinheitli126 127

582

Botschaft Scheidungsrecht, BBl 1996 I 1, hier 161 f.

Die Art. 132 und 177 werden nicht erläutert, da sich deren Änderung auf den Randtitel beschränkt.

chung der Inkassohilfe zu erarbeiten. Dementsprechend überträgt der Entwurf dem Bundesrat die Kompetenz zur bundesweiten Regelung der Inkassohilfe sowohl im Scheidungsrecht wie im Kindesrecht (Art. 131 Abs. 2 und 290 Abs. 2 E-ZGB). In einer solchen Verordnung wird der Bundesrat einen einheitlichen und verbindlichen Leistungskatalog für die Inkassostellen festlegen. Dabei wird er die aktuelle Praxis der Kantone sowie die in den internationalen Übereinkommen vorgesehenen Leistungen berücksichtigen.

Um sicherzustellen, dass die in diesem Katalog festgesetzten Leistungen tatsächlich erbracht werden, ist es notwendig, dass die Inkassostellen über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügen. Im Vorentwurf wurde vorgeschlagen, die Inkassohilfe den seit dem 1. Januar 2013 geschaffenen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB)128 oder einer anderen vom kantonalen Recht bezeichneten Fachstelle zu übertragen. Allerdings wurde in der Vernehmlassung verschiedentlich geltend gemacht, die KESB seien für diese Aufgabe nicht geeignet. Der Entwurf verzichtet daher darauf, die zuständige Behörde zu benennen, und überlässt es damit weiterhin den Kantonen, die entsprechende Zuständigkeit zu bestimmen (Art. 131 Abs. 1 und Art. 290 Abs. 1 E-ZGB).

Die Hilfe bei der Vollstreckung des Unterhaltsanspruchs der Kinder ist immer ­ jene gegenüber den Ehegatten hingegen nur in der Regel ­ unentgeltlich. Betreffend die Ehegatten besteht gemäss der Botschaft zur Revision des Scheidungsrechts bei guten finanziellen Verhältnissen des anspruchsberechtigten geschiedenen Ehegatten oder bei von ihm verschuldetem Aufwand kein Grund für eine Unentgeltlichkeit der Inkassohilfe durch die öffentliche Hand. Die Hilfsbedürftigkeit des Kindes ist in der Regel grösser, weil es sich beim Unterhaltsanspruch um seinen eigenen, meist einzigen, finanziellen Anspruch handelt129. Diese Einschätzungen sind weiterhin gültig. Der Entwurf verzichtet hier auf eine Änderung und überlässt die Beurteilung der Frage, ob und in welchen Fällen bei Ehegatten auf die Unentgeltlichkeit der Inkassohilfe verzichtet werden kann, weiterhin den Kantonen. Es ist nicht angezeigt, die Kriterien für ein Abweichen vom Grundsatz der Unentgeltlichkeit im Gesetz festzuhalten, ist die Praxis in den Kantonen doch sehr unterschiedlich und dementsprechend schwer zu kodifizieren.
Dagegen wird die bisherige Bestimmung über die Inkassohilfe bei der Vollstreckung des Unterhaltsanspruchs des Kindes insoweit erweitert, als der Anspruch auf unentgeltliche Hilfe nicht nur dem Elternteil, sondern auch dem Kind zukommen soll. Die unentgeltliche Inkassohilfe steht damit auch volljährigen Kindern zu (Art. 290 Abs. 1 E-ZGB).

Art. 131a E-ZGB Die Alimentenbevorschussung im Scheidungsrecht wird in einem separaten Artikel geregelt (Art. 131a E-ZGB). Eine materielle Änderung erfolgt dabei nicht. Der Vorentwurf hat ursprünglich betreffend die Alimentenbevorschussung in Artikel 131a Absatz 1 E-ZGB eine bloss redaktionelle Änderung in der Formulierung vorgeschlagen, welche eine Anpassung an die im Kindesunterhalt geltende Norm (Art. 293 ZGB) beabsichtigt hatte. In der Vernehmlassung wurde die neue Formulie128

Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 19. Dezember 2008 (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht), AS 2011 725.

129 Botschaft Scheidungsrecht, BBl 1996 I 1, hier 122.

583

rung jedoch verschiedentlich als neue Pflicht verstanden, auch die Alimente an den geschiedenen Ehegatten zu bevorschussen. Die Einführung einer solchen Pflicht ist nicht beabsichtigt. Es bleibt in jedem Fall den Kantonen vorbehalten, über die Bevorschussung zu entscheiden. Der Entwurf verzichtet daher aus Gründen der Klarheit auf diese Anpassung und übernimmt die Formulierung des geltenden Rechts.

Artikel 131a Absatz 2 E-ZGB regelt den Übergang des Unterhaltsanspruchs auf das Gemeinwesen, soweit dieses für den Unterhalt der berechtigten Person aufgekommen ist. Der Wortlaut entspricht ebenfalls dem geltenden Recht. Die Subrogation des Gemeinwesens umfasst dabei alle mit dem Unterhaltsanspruch verbundenen Rechte, namentlich auch den Anspruch auf Anweisung an die Schuldner. Als Gegenstand der Subrogation kann daher das Stammrecht des Unterhalts bezeichnet werden, womit es dem Gemeinwesen beispielsweise zusteht, überhaupt die Unterhaltsklage einzureichen130 oder bei bestehendem Unterhaltstitel die Anweisung für künftige Unterhaltsbeiträge zu beantragen131. Ein Eingriff in das Existenzminimum des Schuldners im Rahmen der Vollstreckung bleibt dagegen alleine der unterhaltsberechtigten Person vorbehalten, weil diese das Geld für ihren eigenen Unterhalt benötigt. Eine Übertragung dieses Privilegs an die bevorschussenden Stellen der öffentlichen Hand ist nicht zulässig.132 Diese Überlegungen gelten auch in Bezug auf Artikel 289 Absatz 2 ZGB.

Art. 176a E-ZGB Der neue Artikel 176a E-ZGB stellt klar, dass die Alimentenhilfe für Beiträge, die im Rahmen eines Eheschutzverfahrens (Art. 171 ff. ZGB) zugesprochen wurden, ebenfalls in Anspruch genommen werden kann. Sie verweist ausdrücklich auf die Bestimmungen über die Inkassohilfe und die Vorschüsse bei Scheidung sowie im Kindesrecht.

2.5

Stärkung der Rechte des Kindes in familienrechtlichen Verfahren (Art. 166 Abs. 1 Bst. d, 218 Abs. 2 und 299­301 E-ZPO)

In der Vernehmlassung haben mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer darauf hingewiesen, dass die Stärkung des Unterhaltsanspruchs des Kindes nicht nur mit einer Änderung des materiellen Rechts zum Kindesunterhalt, sondern auch mit Änderungen des Verfahrensrechts einhergehen müsse, mit denen die Stellung des Kindes in allen familienrechtlichen Verfahren ­ nicht nur in den eherechtlichen Verfahren ­ gestärkt und die einvernehmliche Lösung von Konflikten zwischen den Parteien gefördert werden, wenn die Kinder davon betroffen sind. Unter Berücksichtigung dieser Argumente nimmt der Bundesrat folgende Änderungen vor.

130 131 132

584

BGE 123 III 161 E. 4b.

Urteil 5A_882/2010 vom 16. März 2011 E. 3.

BGE 116 III 10 E. 4; Ochsner, N 136­139 zu Art. 93 SchKG.

Art. 166 E-ZPO Nach Artikel 139 Absatz 3 aZGB, der mit der Revision des am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Scheidungsrechts eingeführt worden ist, galt Folgendes: «Wer bei einer Ehe- oder Familienberatung oder bei einer Stelle für Familienmediation für die Ehegatten tätig gewesen ist, kann weder Zeugnis ablegen noch Auskunftsperson sein.» Einerseits sollte diese Schutzvorschrift den Parteien zugutekommen. Diese sollten sich vertrauensvoll an die Beraterinnen und die Berater wenden können, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Äusserungen nachher im Gerichtssaal zur Sprache kommen. Die Vorschrift diente anderseits dem Schutz der beratenden Personen, welche ihre Aufgaben nicht sachgerecht hätten wahrnehmen können, wenn sie damit hätten rechnen müssen, in einem allenfalls später stattfindenden Prozess aussagen zu müssen.133 Artikel 139 Absatz 3 aZGB ist bei Inkrafttreten der geltenden Zivilprozessordnung am 1. Januar 2011 aufgehoben worden. Artikel 166 Absatz 1 ZPO nennt die Drittpersonen, die die Mitwirkung verneinen können. Er nennt unter Buchstabe c jedoch nur die Beamtinnen und Beamten oder die Behördenmitglieder, die über Tatsachen aussagen müssten, die sie bei Ausübung ihres Amtes wahrgenommen haben, sowie ­ unter Buchstabe d ­ die Ombudspersonen, Mediatorinnen oder Mediatoren. Die Ehe- oder Familienberaterinnen und -berater zählen nicht zu den Personen, die ihre Mitwirkung verweigern können. Diese Lücke muss mit der vorliegenden Revision geschlossen werden. Artikel 166 Absatz 1 Buchstabe d wird entsprechend ergänzt, und die Familienberaterinnen und Familienberater werden ausdrücklich unter den Berufsgruppen mit einem beschränkten Verweigerungsrecht aufgeführt.

Art. 218 Abs. 2 Einleitungssatz E-ZPO Artikel 218 ZPO verfolgt die Stossrichtung von Artikel 297 Absatz 2 ZPO, der das Gericht in familienrechtlichen Angelegenheiten ermächtigt, die Eltern für Anordnungen über die Kinder zu einem Mediationsversuch aufzufordern.

Der geltende Artikel 218 Absatz 2 ZPO bietet die Möglichkeit der unentgeltlichen Mediation ausschliesslich in kindesrechtlichen Angelegenheiten nicht vermögensrechtlicher Art, namentlich bei Rechtsstreitigkeiten über die Regelung der elterlichen Sorge, die Zuteilung der Obhut, den persönlichen Verkehr, die Aufteilung der Betreuung oder die Schutzmassnahmen. Geht es um das
Kindeswohl, so sind alle Möglichkeiten der Kommunikation zwischen den Parteien auszuschöpfen. Die Beziehung zwischen dem Elternteil und dem Kind ist zu schützen. Dies gilt allerdings auch in Geldfragen, denn auch der Streit um die Unterhaltsbeiträge kann der Beziehung der Eltern zum Kind schaden. Zudem ist der Streit über vermögensrechtliche Fragen oft eng mit dem Streit um die Zuteilung der Obhut, die Aufteilung der Betreuung und den persönlichen Verkehr verbunden, sodass die Mediatorin oder der Mediator in der Regel nicht genau bestimmen kann, inwieweit eine Mediation nur nicht vermögensrechtliche Angelegenheiten betrifft und damit unentgeltlich ist.

Erachtet das Gericht in einem konkreten Fall die Mediation als geeignetes Instrument gegen eine Eskalation des Familienkonflikts, so muss es die Parteien unabhängig von der Frage, ob der Streitgegenstand vermögensrechtlicher Art ist oder nicht, dazu auffordern können. Die Kosten der Mediation dürfen einer einvernehmlichen 133

Botschaft Scheidungsrecht, BBl 1996 I 1, hier 140.

585

Lösung des Konflikts zwischen den Eltern nicht im Weg stehen. Der Einleitungssatz von Artikel 218 Absatz 2 wird entsprechend angepasst.

Gliederungstitel vor Art. 297 ZPO Überlegungen wie jene zur Änderung von Artikel 218 Absatz 2 ZPO haben den Bundesrat dazu bewogen, den Titel vor Artikel 297 aufzuheben und die Artikel 297 ZPO bis 301a E-ZPO zu allgemeinen Bestimmungen (wie Art. 295 und 296 ZPO) zu erklären, die in allen familienrechtlichen Verfahren in Kinderbelangen gelten, nicht nur in den eherechtlichen Verfahren wie bisher.

Nach Artikel 297 Absatz 1 ZPO hört das Gericht die Eltern persönlich an, wenn Anordnungen bezüglich eines Kindes zu treffen sind. Das betrifft die Zuteilung der elterlichen Sorge, die Zuteilung der Obhut, wichtige Fragen des persönlichen Verkehrs oder die Aufteilung der Betreuung im Rahmen eines eherechtlichen Verfahrens. Aufgrund der Aufhebung des Titels vor Artikel 297 ZPO gilt dieselbe Bestimmung nun auch bei Unterhaltsklagen nach Artikel 279 ZGB. Nach Artikel 297 Absatz 2 ZPO kann das Gericht die Eltern ausserdem zu einem Mediationsversuch auffordern oder ihn sogar anordnen, wenn ihm dies für das Wohl des Kindes erforderlich erscheint.134 Gemäss neuem Recht wird die Möglichkeit, die Eltern zu einem Mediationsversuch aufzufordern, nicht mehr auf eherechtliche Verfahren beschränkt sein. Sie kann auch bei Vaterschaftsklagen sowie Unterhaltsklagen gestützt auf Artikel 279 ZGB berücksichtigt werden.135 So wird das Gericht auch unverheiratete Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern können, wenn sie sich über den Kindesunterhalt streiten. Die Mediation kann unentgeltlich erfolgen (siehe Art. 218 Abs. 2 E-ZPO).

Artikel 298 ZPO verankert das Recht des Kindes, in allen es berührenden Angelegenheiten angehört zu werden (vgl. Art. 12 UNO-KRK).

Die Artikel 299­301 ZPO schliesslich regeln die Vertretung des Kindes. Diese wird nicht mehr auf eherechtliche Verfahren beschränkt sein, sondern auch bei Unterhaltsklagen gestützt auf Artikel 279 ZGB möglich sein.

Art. 299­301 E-ZPO Der Grundsatz der Vertretung des Kindes ist bei der Revision des Scheidungsrechts eingeführt worden, um die Interessen des Kindes im Scheidungsverfahren besser zu wahren, da die Anwendung der Offizial- und der Untersuchungsmaxime nicht immer ausreichend ist. Damals gab der Gesetzgeber der Beiständin
oder dem Beistand jedoch keine Kompetenzen im Bereich des Kindesunterhalts, weil er davon ausging, die Wahrung der Kindesinteressen stelle hier keine besonderen Probleme dar.136 Die Realität sieht aber anders aus. Der Streit über den Unterhaltsbeitrag ist oft eng mit Meinungsverschiedenheiten über die Zuteilung der Obhut, die Aufteilung der Betreuung oder den persönlichen Verkehr verbunden. Der Streitgegenstand ist also nicht nur finanzieller, sondern auch emotionaler Art. Auch wenn für das Verfahren der Offizial- und der Untersuchungsgrundsatz gilt, ist der Beizug einer Beiständin 134 135 136

586

Urteil 5A_457/2009 vom 9. Dezember 2009.

Herzig, S. 335 f.

Botschaft Scheidung, BBl 1996 II 1, hier 146­148.

oder eines Beistands nicht automatisch überflüssig. Aus diesem Grund kritisieren einige Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie ein Teil der Lehre137, dass der Beiständin oder dem Beistand keine Vertretungskompetenz in Unterhaltsbelangen zukommt, und fördern diese Vertretungsmöglichkeit des Kindes auch in diesem Bereich. Nur so ist es möglich, die Interessen des Kindes im Verfahren zwischen den Eltern umfassend zu wahren und seinen Unterhaltsanspruch zu stärken. Dies erscheint umso mehr gerechtfertigt, als die Kindesschutzbehörde nach Artikel 308 Absatz 2 ZGB der Beiständin oder dem Beistand «die Vertretung des Kindes bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches» im Rahmen einer Unterhaltsklage gestützt auf Artikel 279 ZGB übertragen kann. Es besteht kein Grund dafür, der Beiständin oder dem Beistand, die oder der die Interessen des Kindes im Rahmen eines eherechtlichen Verfahrens vertritt, diese Möglichkeit zu verweigern.

Die Person, die die Interessen des Kindes vertritt, muss weder das Gericht ersetzen noch Nachforschungen über die finanziellen Mittel der Eltern anstellen. Sie nimmt am Verfahren teil, um den Bedürfnissen des Kindes eine Stimme zu geben, sei dies in Bezug auf seine Beziehung zu den Eltern (elterliche Sorge, Obhut, persönlicher Verkehr, Aufteilung der Betreuung) oder auf seine finanziellen Bedürfnisse (beispielsweise Deckung der minimalen Kosten und Freizeitaktivitäten). Um die Interessen des Kindes am besten wahren zu können, muss sich die Beiständin oder der Beistand zu allen Fragen äussern können, die das Kind berühren. Die Artikel 299­ 301 werden entsprechend ergänzt.

2.6

Kindesunterhalt und Mankofälle (Art. 286a und 329 Abs. 1bis E-ZGB138; Art. 7 Abs. 1 und 2 und 32 Abs. 3bis E-ZUG)

Art. 286a E-ZGB Nach geltendem Recht kann das Kind bei einer erheblichen Verbesserung der Vermögensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Elternteils eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrags beantragen (Art. 286 Abs. 2 ZGB). Die Veränderung der Verhältnisse ist dann erheblich, wenn sie die Bemessungsgrundlagen des Artikels 285 E-ZGB betrifft und für die Berechnung des Unterhaltsbeitrages für die Dauer und das Ausmass von Gewicht ist.139 Allerdings kann das Kind keinen rückwirkenden Anspruch auf derartige Leistungen geltend machen, zumindest nicht für mehr als ein Jahr.140 Artikel 286a E-ZGB gibt dem Kind in Mankofällen einen zusätzlichen Anspruch bei einer ausserordentlichen Verbesserung der Verhältnisse der unterhaltspflichtigen Person.

Absatz 1 hält fest, dass für diesen Anspruch zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen: Erstens muss im Vertrag oder im Entscheid über den Unterhalt festgestellt worden sein, dass es in Anwendung des Grundsatzes der Unantastbarkeit des Existenzminimums der unterhaltspflichtigen Person nicht möglich gewesen ist, einen Unterhaltsbeitrag festzulegen, der den gebührenden Unterhalt des Kindes 137 138 139 140

Mutter-Freuler, S. 87; Schweighauser, S. 163 Art. 286 wird nicht kommentiert, da sich die Änderung auf den Randtitel beschränkt.

Wullschleger, N 5 zu Art. 286.

Wullschleger, N 15 zu Art. 286 m.w.H.

587

deckt. Der entsprechende Fehlbetrag ist im Unterhaltsvertrag (Art. 287a Bst. c E-ZGB) oder im Entscheid (Art. 301a E-ZPO) festgehalten. Zweitens müssen sich die Vermögensverhältnisse der Unterhaltsschuldnerin oder des Unterhaltsschuldners seither ausserordentlich verbessert haben, sei dies beispielsweise dank einer Erbschaft, einem Lotteriegewinn oder einer Schenkung. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann das Kind die nachträgliche Leistung derjenigen Beträge verlangen, die während der letzten fünf Jahre, in denen ein Unterhaltsbeitrag geschuldet war, zur Deckung seines gebührenden Unterhalts fehlten. Die Gerichte werden beurteilen müssen, ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind. Für das Verfahren gilt der Untersuchungs- und der Offizialgrundsatz (Art. 296 ZPO). Zu betonen ist, dass der Anspruch nach Artikel 286a E-ZGB immer erst subsidiär zu einer Erhöhung des Unterhaltsbeitrages nach Artikel 286 Absatz 2 ZGB gegeben sein kann. Nur wenn der laufende respektive zukünftige Unterhalt sichergestellt ist, kann sich die Frage der nachträglichen Leistung der vergangenen Beträge stellen. Die Schwelle für die Erfüllung der Voraussetzungen ist mit der Wortwahl ausserordentlich in Mankofällen bewusst höher gesetzt als bei der bloss erheblichen Veränderung der Verhältnisse (Art. 286 Abs. 2 ZGB).

Absatz 2 sieht eine Frist von einem Jahr seit Kenntnisnahme zur Geltendmachung des Anspruchs vor. Dabei handelt es sich um eine Verwirkungsfrist. Im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln betreffend die Verjährung von Forderungen: Anwendbar ist die Verjährungsfrist von zehn Jahren (Art. 127 OR), wobei betreffend die Hinderung der Verjährung ebenfalls auf die Ausführungen zu Artikel 134 Absatz 1 Ziffer 1 OR verwiesen werden kann (siehe Ziff. 1.5.1 und Ziff. 2.1.4).

Absatz 3: Kommt das Gemeinwesen für den Unterhalt des berechtigten Kindes auf, insbesondere durch Sozialhilfeleistungen, so kann es den Anspruch nach Artikel 286a Absatz 2 E-ZGB bis zur Höhe der von ihm erbrachten Leistungen ebenfalls gegenüber dem unterhaltspflichtigen Elternteil geltend machen, womit die bisherigen Rechte des Gemeinwesens erweitert werden. Ist der andere Elternteil mit einer über seine eigentliche Pflicht hinausgehenden Anstrengung für den fehlenden gebührenden Unterhalt des Kindes aufgekommen, so geht der Anspruch im
entsprechenden Umfang auf diesen Elternteil über.

Art. 329 Abs. 1bis E-ZGB Gemäss dem neuen Absatz 1bis ist die Geltendmachung des Anspruchs auf Unterstützung gegenüber den Verwandten (Art. 328 ZGB) ausgeschlossen, wenn die bedürftige und damit anspruchsberechtigte Person aufgrund der Übernahme der Betreuung von eigenen Kindern ihre Erwerbstätigkeit nicht oder nur in begrenztem Umfang ausüben konnte und sie dadurch in Not geraten ist. Im Unterschied zum Vorentwurf wird die Beschränkung auf Fälle der Trennung und Scheidung aufgehoben, um eine Gleichbehandlung aller Eltern zu erreichen. Ein allfälliger eigener Anspruch des Kindes auf Verwandtenunterstützung wird von dieser Bestimmung nicht tangiert.

Art. 7 Abs. 1 und 2 E-ZUG Der Unterstützungswohnsitz minderjähriger Kinder wird grundsätzlich vom Unterstützungswohnsitz der Eltern abgeleitet (Art. 7 Abs. 1 E-ZUG). Von dieser Regel erfasst werden neben den Fällen, in denen die Eltern zusammen wohnen und die

588

elterliche Sorge gemeinsam ausüben auch jene Sachverhalte, in denen nur ein Elternteil vorhanden ist (z. B. Witwen/Witwer).

Mit der Änderung von Artikel 7 Absatz 2 wird die Situation minderjähriger Kinder geregelt, deren Eltern nicht zusammen leben. Dabei ist der Zivilstand der Eltern sowie auch die Art der Ausübung der elterlichen Sorge, ob alleine oder gemeinsam, nicht entscheidend. Leben die Eltern nicht zusammen, dann hat das minderjährige Kind einen eigenständigen Unterstützungswohnsitz am Wohnsitz des Elternteils, bei dem es hauptsächlich wohnt. In diesen Fällen hat das Kind in der Regel Anspruch auf die Zahlung eines Unterhaltsbeitrags durch den Elternteil, der nicht mit ihm zusammen wohnt. In Mankosituationen ist es aber oft nicht möglich einen Unterhaltsbeitrag festzulegen, der den gebührenden Unterhalt des Kindes deckt. Mangels ausreichender finanzieller Mittel muss der betreuende Elternteil unter Umständen für sich sowie auch für das Kind Sozialhilfe beantragen. Damit er nicht zur Rückleistung der für das Kind bestimmten Leistungen verpflichtet werden kann, soll dem Kind in solchen Fällen die Qualität einer selbständigen Unterstützungseinheit zuerkannt werden.

Art. 32 Abs. 3bis E-ZUG Damit das Kind eine eigene Unterstützungseinheit begründen kann, genügt die Begründung eines eigenständigen Unterstützungswohnsitzes nicht. Es ist zusätzlich eine Anpassung von Artikel 32 ZUG erforderlich. Diese Bestimmung regelt die Abrechnung der Leistungen zwischen den Kantonen. Mit der Einführung von Absatz 3bis wird eine Ausnahme vom Prinzip der Familien- oder Unterstützungseinheit für die Fälle nach Artikel 7 Absatz 2 eingeführt. Das Ziel ist eine klare Abgrenzung zwischen dem Sozialhilfebudget des Kindes und demjenigen des Elternteils, bei dem das Kind wohnt und damit auch zwischen den Leistungen, die dem Kind persönlich ausgerichtet werden und den Leistungen an den besagten Elternteil (siehe Ziff. 1.5.4). Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der betreuende Elternteil die Sozialhilfeleistungen, die er für das Kind bezogen hat, zurückzahlen muss. Die Rückerstattung der Leistungen, die für das Kind erbracht wurden, kann in Anwendung von Artikel 289 Absatz. 2 ZGB und Artikel 286a E-ZGB gegebenenfalls vom unterhaltspflichtigen Elternteil verlangt werden.

Fest steht in jedem Fall, dass das Kind
nicht dazu verpflichtet werden kann, die an ihn ausgerichteten Leistungen zurückzuerstatten. Eine solche Verpflichtung stünde im Widerspruch zu Artikel 27 UNO-KRK. In diesem Sinne schliesst auch das Bundesgesetz vom 21. März 1973141 über Sozialhilfe und Darlehen an Schweizer Staatsangehörige im Ausland (BSDA) eine Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen, die eine Person vor ihrer Volljährigkeit bezogen hat, ausdrücklich aus (Art. 19 Abs. 2 BSDA).

141

SR 852.1

589

2.7

Übergangsrecht

2.7.1

Übergangsregelung des Unterhaltsanspruchs des Kindes (Art. 13c und 13cbis Schlusstitel E-ZGB)

Das Übergangsrecht regelt die Auswirkungen der Neuregelung des Kindesunterhalts auf bereits bestehende Fälle.

Art. 13c Nach dem Grundsatz von Artikel 12 Absatz 1 SchlT ZGB gelten die Bestimmungen zur Stärkung des Unterhaltsanspruchs des Kindes (siehe Ziff. 2.1.1­2.1.3) ab deren Inkrafttreten. Grundsätzlich kann das Kind also auf Anpassung der nach geltendem Recht im Unterhaltstitel festgelegten Unterhaltsbeiträge klagen.

Das gilt ausnahmslos, wenn der Unterhaltsbeitrag in einem Unterhaltsentscheid auf Grundlage von Artikel 279 ZGB oder in einem Unterhaltsvertrag im Sinne von Artikel 287 ZGB festgelegt worden ist. Diese Bestimmungen betreffen den Unterhalt von Kindern nicht miteinander verheirateter Eltern. Wie bereits ausgeführt (siehe Ziff. 1.3.1), ermöglicht das geltende Recht nicht in allen Fällen, dass das Kind von der bestmöglichen Betreuung profitieren kann. Das Inkrafttreten des neuen Rechts rechtfertigt aber einzig mit Blick auf diejenigen Kinder, die diese Möglichkeit nicht gehabt haben, eine Klage auf Anpassung des Unterhaltsbeitrags. Dies ist bei Kindern unverheirateter Eltern der Fall.

Anders verhält es sich mit den Kindern verheirateter Eltern, die sich getrennt oder geschieden haben. Kinder getrennter oder geschiedener Eltern haben bereits heute die Möglichkeit, von der bestmöglichen Betreuung zu profitieren, denn nach geltendem Recht hat der betreuende Elternteil einen eigenen Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag (siehe Ziff. 1.3.1). Wurde der Kindesunterhaltsbeitrag ­ im Rahmen eines Scheidungsverfahrens oder von Eheschutzmassnahmen ­ gleichzeitig mit dem Unterhalt an den Ehegatten festgelegt, so kann aus diesem Grund eine Abänderung nur bei einer erheblichen Veränderung der Verhältnisse vorgenommen werden. Um zu beurteilen, ob der Kindesunterhaltsbeitrag angepasst werden muss, sind die Interessen des Kindes und jedes Elternteils abzuwägen (Art. 286 Abs. 2 ZGB). Das Inkrafttreten der neuen Bestimmungen zum Kindesunterhalt allein rechtfertigt eine Klage auf Anpassung des Unterhaltsbeitrags nicht.

Die weiteren Bestimmungen des vorliegenden Entwurfs sind ab deren Inkrafttreten unmittelbar anwendbar (Art. 1 Abs. 3 und Art. 3 SchlT ZGB). Unabhängig von der Frage der elterlichen Sorge steht die Verjährung für Forderungen der Kinder gegen die Eltern bis zur Volljährigkeit der Kinder
still (Art. 134 Abs. 1 E-OR). Das volljährige Kind kommt des Weiteren in den Genuss der unentgeltlichen Inkassohilfe (Art. 290 Abs. 1 E-ZGB).

Art. 13cbis Artikel 13cbis regelt die Anwendbarkeit der neuen Bestimmungen auf hängige Verfahren betreffend den Kindesunterhalt, also eherechtliche Verfahren oder Unterhaltsklagen. Sein Wortlaut entspricht im Wesentlichen Artikel 7b Schlusstitel ZGB.

590

2.7.2

Übergangsregelung für das Zivilprozessrecht (Art. 407b E-ZPO)

Die neuen prozessrechtlichen Bestimmungen sind auf hängige Verfahren unmittelbar anwendbar. Dies gilt auch für diejenigen Verfahren, die nach Artikel 404 Absatz 1 ZPO noch dem alten Verfahrensrecht unterstellt sind.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Vorlage hat keine personellen, jedoch finanzielle Auswirkungen auf den Bund.

Bei der direkten Bundessteuer ist mit Mindereinnahmen zu rechnen. Die Beiträge an den Unterhalt des Kindes werden tendenziell steigen. Sie werden aus Einkommen der Eltern geleistet und nach wie vor steuerlich erfasst: Der zur Zahlung verpflichtete Elternteil kann die Unterhaltsbeiträge steuerlich in Abzug bringen. Der Elternteil, der die Zahlungen für das Kind ausgerichtet erhält, muss diese als Einkommen versteuern. In der überwiegenden Zahl der Fälle dürfte der Unterhaltsleistungen entrichtende Elternteil das höhere Einkommen aufweisen als der empfangende Elternteil. Erhöhen sich die Unterhaltsleistungen, so ist aufgrund der Steuerprogression mit Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer zu rechnen. Die Höhe dieser Mindereinnahmen lässt sich mangels Daten nicht beziffern.

Es ist im Übrigen davon auszugehen, dass die vorgeschlagenen Änderungen beim Bund keine Auswirkungen auf die Informatik haben werden. Zu den möglichen Auswirkungen auf die Belastung des Bundesgerichts siehe nachfolgend Ziffer 3.2.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Betreffend die Auswirkungen auf die direkten Kantons- und Gemeindesteuern kann auf das zum Bund Gesagte verwiesen werden.

Die Einführung des Betreuungsunterhalts hat zur Folge, dass die Kindesunterhaltsbeiträge tendenziell steigen werden. Grundsätzlich ist der Kindesunterhalt zu bevorschussen, weshalb die Revision unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe der zu bevorschussenden Leistung haben wird. Auch führt die Revision wohl vorab auf kantonaler, möglicherweise aber auch auf Bundesebene zu einer Mehrbelastung der Gerichte. Zusammen mit den übrigen vorgesehenen Änderungen wird es voraussichtlich zu einer Zunahme der gerichtlichen (Abänderungs-)Prozesse kommen. Es ist jedoch schwierig abzuschätzen, in welchem Ausmass die Belastung tatsächlich zunehmen wird.

Schliesslich wird die vorgesehene Vereinheitlichung der Inkassohilfe durch eine Verordnung des Bundesrates in einigen Kantonen einen administrativen und finanziellen Mehraufwand zur Folge haben. Ebenso werden die Erweiterung der Kompetenzen der Kindesvertretung sowie die Einführung der Möglichkeit zur unentgeltlichen Mediation möglicherweise Mehrkosten verursachen. Die Auswirkungen der vorgeschlagenen Revision des ZUG werden von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich sein und können daher nur schwer abgeschätzt werden.

591

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Auswirkungen der Vorlage auf die Volkswirtschaft können nicht abgeschätzt werden.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Einführung des Betreuungsunterhalts erlaubt es, Kinder vor einer Diskriminierung aufgrund des Zivilstandes ihrer Eltern zu schützen.

Die Vorlage bewirkt hingegen wegen des Verzichts auf die Einführung der Mankoteilung nicht die vollständige Gleichstellung von Frauen und Männern im Scheidungsfall. Die Gründe für den Verzicht sind unter Ziffer 1.6.1 dargestellt.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 25. Januar 2012142 zur Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die beantragte Revision stützt sich auf Artikel 122 Absatz 1 BV, wonach die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts Sache des Bundes ist.

5.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Gemäss der Vorlage wird der Bundesrat durch Gesetzesdelegation ermächtigt, eine Verordnung über die Inkassoleistungen auf dem gesamten Gebiet der Schweiz zu erlassen (Art. 131 Abs. 2 und 290 Abs. 2 E-ZGB).

142

592

BBl 2012 481, hier 615

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595

Anhang

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln ­ Konkordanztabelle ZGB

Erläuterungen zu den Artikeln

Art. 131

2.4

Art. 131a

2.4

Art. 176

2.2

Art. 176a

2.4

Art. 276

2.1.1

Art. 276a

2.1.2

Art. 285

2.1.3

Art. 285a

2.1.3

Art. 286a

2.6

Art. 287a

2.2

Art. 289

2.3

Art. 290

2.4

Art. 329

2.6

Art. 13c SchlT

2.7.1

Art.

13cbis

SchlT

2.7.1

OR

Erläuterungen zu den Artikeln

Art. 134

2.1.4

ZPO

Erläuterungen zu den Artikeln

Art. 166

2.5

Art. 218

2.5

Tit. vor Art. 297

2.5

Art. 299

2.5

Art. 300

2.5

Art. 301

2.5

Art. 301a

2.2

Art. 407b

2.7.2

ZUG

Erläuterungen zu den Artikeln

Art. 7

2.6

Art. 32

2.6

596