12.427/12.432 Parlamentarische Initiativen Legislaturplanungsbericht / Regierungs- statt Legislaturprogramm Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 12. August 2014

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen Entwürfe zu Änderungen des Parlamentsgesetzes und des Geschäftsreglements des Nationalrats. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, den beiliegenden Entwürfen zuzustimmen.

12. August 2014

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Cesla Amarelle

2014-2160

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Übersicht Das Parlament hat bisher dreimal über die Legislaturplanung in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses beraten und beschlossen. Es konnte dabei Änderungen am Entwurf des Bundesrates vornehmen. Während der Beratungen der Eidg. Räte über den «Bundesbeschluss über die Legislaturplanung 2011­2015» sind im Mai 2012 im Nationalrat zwei parlamentarische Initiativen eingereicht worden, welche verlangen, das das Parlament die Legislaturplanung des Bundesrates nur noch debattieren und zur Kenntnis nehmen, aber keine Änderungen mehr beschliessen kann.

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates hat den beiden Initiativen Folge gegeben und mit Zustimmung ihrer ständerätlichen Schwesterkommission eine Änderung des Verfahrens der Legislaturplanung ausgearbeitet. Die SPK sieht allerdings den gesetzgeberischen Handlungsbedarf anders als die Initiativen nicht bei der Form der Beschlussfassung des Parlamentes. Die SPK geht aber mit den Initiativen einig, dass der grosse Aufwand für die Beratung der Legislaturplanung vermindert werden soll.

Dabei will die SPK an der Beschlussfassung über die Legislaturplanung in Form eines einfachen Bundesbeschlusses festhalten. Die Bundesverfassung verlangt die Mitwirkung des Parlamentes an den wichtigen Planungen, weil bei diesen Planungen wichtige, präjudizierende Vorentscheide für die Gesetzgebung ­ klassische Aufgabe des Parlamentes ­ gefällt werden. Eine Parlamentsmehrheit muss solche Vorentscheide, die zwar nicht rechtlich verbindlich sind, aber erhebliche Folgen haben, wirkungsvoll beeinflussen können. Das Verfahren der Beratung eines Erlassentwurfs erlaubt einen geordneteren und transparenteren Entscheidungsprozess als das frühere unbefriedigende Verfahren der Behandlung von zahlreichen «Richtlinienmotionen».

Durch verschiedene effizienzsteigernde Massnahmen, die im Jahre 2007 beschlossen worden sind, konnte die Beratungszeit im Plenum des Nationalrates bei der Behandlung der Legislaturplanungen in den Jahren 2008 und 2012 gegenüber 2004 bereits fast um die Hälfte reduziert worden. Unverändert geblieben ist aber der Aufwand für die Vorberatung in der Legislaturplanungskommission. Auf die Einsetzung dieser Spezialkommission soll künftig verzichtet und die Vorberatung der Legislaturplanung den bestehenden ständigen Kommissionen übertragen werden. Die
SPK erwartet, dass diese ständigen Kommissionen eher weniger, dafür konkretere und gezieltere Anträge stellen werden als die Spezialkommission, welche die Legislaturplanung jeweils von A­Z beraten hat und dabei die Tendenz gezeigt hat, sich am häufig sehr allgemein und vage gehaltenen Text des Bundesrates zu orientieren. Indem die übliche Kommissionsberichterstattung im Rat dahinfällt, kann erwartet werden, dass auch die Beratungszeit des Rates weiter verkürzt werden kann.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Neugestaltung des Verfahrens der Legislaturplanung mit dem Parlamentsgesetz vom 13. Dezember 2002

Gemäss dem Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002 unterbreitet der Bundesrat zu Beginn der Legislaturperiode der Bundesversammlung «eine Botschaft über die Legislaturplanung und den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Legislaturplanung» (Art. 146 Abs. 1 ParlG). Die parlamentarische Beratung dieses Erlassentwurfs erlaubt eine Abänderung und Ergänzung der vom Bundesrat vorgeschlagenen Ziele und der Liste der zu ihrer Erreichung geplanten Erlasse der Bundesversammlung.

Gemäss dem früheren Recht unterbreitete der Bundesrat der Bundesversammlung «einen Bericht über die Richtlinien der Regierungspolitik zur Kenntnisnahme» (Art. 45bis GVG). Die Bundesversammlung konnte dem Bundesrat mit Motionen zu diesem Bericht Aufträge erteilen, welche seine Planung abänderten oder ergänzten.

Dieses frühere Recht wurde bei der Ausarbeitung des ParlG als unbefriedigend erachtet, weil es zu einem aufwendigen, unübersichtlichen und ineffektiven Verfahren führte.

1.2

Änderung des Parlamentsgesetzes vom 22. Juni 2007

Bei den Beratungen der Legislaturplanung im Jahre 2004 sind verschiedene Mängel zutage getreten, welche dazu führten, dass das neue Verfahren gründlich überprüft wurde (Pa.Iv. 04.438/04.449 Legislaturplanung. Bericht der SPK-NR vom 3. November 2005, BBl 2006 1837 ff.). Im Ergebnis wurde auf Antrag der SPK-NR mit Änderung des ParlG und des GRN vom 22. Juni 2007 (AS 2007 3773 ff., 5231 f.) beschlossen: ­

an der Form der Beschlussfassung in der Form des einfachen Bundesbeschlusses festzuhalten;

­

das Verfahren in der Weise abzuändern, dass eine gesamthafte Ablehnung des Bundesbeschlusses nicht mehr möglich ist;

­

zusätzlich zu allgemeinen Zielen auch das konkrete Gesetzgebungsprogramm zum Beratungsgegenstand zu machen;

­

den Entscheidungsprozess im Nationalrat im Sinne einer Konzentration auf das Wesentliche besser zu strukturieren.

1.3

Parlamentarische Initiativen 12.427 und 12.432

Während der Behandlung der Legislaturplanung 2011­2015 in der Sondersession im Mai 2012 wurden im Nationalrat folgende zwei parlamentarische Initiativen eingereicht: 6463

12.427 Pa.Iv. Fraktion V. Legislaturplanungsbericht Artikel 146 ParlG soll so angepasst werden, dass der Legislaturplanungsbericht künftig ein Bericht des Bundesrates zu seinen Legislaturzielen ist und vom Parlament nur noch zur Kenntnis genommen wird. Zudem sollte der Aufbau so angepasst werden, dass Prioritäten und Schwerpunkte klar ersichtlich sind.

12.432 Pa.Iv. Fraktion CE. Regierungs- statt Legislaturprogramm Künftig soll das vom Bundesrat erarbeitete Legislaturprogramm Gegenstand einer allgemeinen politischen Debatte in den eidgenössischen Räten bilden und vom Parlament nicht mehr eigens verabschiedet werden; dieses soll davon also nur noch Kenntnis nehmen. Dabei geht es schlicht und einfach darum, dem Grundsatz der Gewaltentrennung nachzuleben.

Zudem hat wenige Tage später die Legislaturplanungskommission des Ständerates folgende weitere parlamentarische Initiative eingereicht: 12.433 Pa.Iv. Kommission 12.008-SR. Legislaturplanung Das Parlamentsgesetz wird wie folgt geändert: 1.

An der Legislaturplanung können keine Änderungen mehr vorgenommen werden.

2.

Sie bildet Gegenstand einer Debatte, und die Bundesversammlung nimmt davon Kenntnis.

1.4

Beratungen und Arbeiten der SPK

Die SPK des Nationalrates hat an ihrer Sitzung vom 21. Februar 2013 den beiden parlamentarischen Initiativen 12.427 und 12.432 Folge gegeben. Gleichzeitig hat sie der weiteren parlamentarischen Initiative mit derselben Forderung zugestimmt, welcher die SPK-SR bereits am 25. Oktober 2012 Folge gegeben hatte (12.433). Die SPK des Ständerates hat ihrerseits am 22. April 2013 den beiden im Nationalrat eingereichten Initiativen zugestimmt und ihr Einverständnis erklärt, dass die SPK des Nationalrates die Federführung bei der Ausarbeitung einer Vorlage übernimmt.

In der Folge hat das Kommissionssekretariat der SPK des Nationalrates ein Arbeitspapier mit vier Varianten zum Grundsatzentscheid unterbreitet. Die Varianten A und B sahen eine Rückkehr zum vor 2003 geltenden Recht (Kenntnisnahme vom Bericht des Bundesrates) vor. Variante C entsprach dem jetzt vorgeschlagenen Modell; Variante D war die Beibehaltung des Status quo (Abschreibung der pa.Iv.). In der Diskussion an der Sitzung vom 28. März 2014 sprach sich kein Mitglied für die Varianten A und B aus (zu den Gründen siehe unten Ziff. 2.1). Das Kommissionssekretariat wurde beauftragt, Variante C im Detail auszuarbeiten. Die Kommission behielt sich aber vorerst auch ausdrücklich vor, auf Variante D zurückzukommen, falls eine nähere Prüfung der Variante C grössere Nachteile zutage bringen würde.

Die Kommission ist an ihrer Sitzung vom 12. August 2014 mit 12 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen auf den Vorentwurf eingetreten, hat ihn in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen und damit dem Rat als Entwurf mit dem Antrag auf Zustimmung unterbreitet.

6464

Die Kommissionsminderheit (Gross Andreas, Amarelle, Masshardt, Schenker Silvia, Tschümperlin) beantragt, auf den Entwurf nicht einzutreten, die parlamentarischen Initiativen 12.427 und 12.432 abzuschreiben und damit am geltenden Recht festzuhalten (zu den Argumenten siehe Ziff. 2.3).

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Festhalten an der Form des einfachen Bundesbeschlusses

2.1.1

Änderung der ursprünglichen Stossrichtung der parlamentarischen Initiativen

Entgegen dem Wortlaut der parlamentarischen Initiativen, welche Anlass zur Ausarbeitung dieser Vorlage gegeben haben, will die SPK an der Form des einfachen Bundesbeschlusses für die Beschlussfassung über die Legislaturplanung festhalten und nicht zu einer blossen Kenntnisnahme übergehen. Indem eine Kommission einer parlamentarischen Initiative Folge gibt, anerkennt sie den gesetzgeberischen Handlungsbedarf; sie ist aber nicht an den genauen Wortlaut der Initiative gebunden. Die Kommission erfüllt das Anliegen der Initiative, indem sie dem Rat einen Erlassentwurf unterbreitet. Dadurch erhält die Urheberin oder der Urheber der Initiative wie jedes Ratsmitglied die Gelegenheit, gegebenenfalls Änderungsanträge einzureichen, falls sie oder er mit der von der Kommission vorgenommenen Änderung der ursprünglichen Stossrichtung der Initiative nicht einverstanden sein sollte.

Bereits in der Diskussion über die Vorprüfung der Initiativen hat sich gezeigt, dass das primäre Motiv für die grundsätzliche Bejahung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs nicht die Frage der Form der Beschlussfassung und die damit verbundene Frage der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Parlament und Regierung war. Die SPK hat den Initiativen Folge gegeben, weil sie ein effizienteres und effektiveres Verfahren für die Behandlung der Legislaturplanung wünschte. Dieses Ziel kann auch auf anderem Wege als durch die Abschaffung des einfachen Bundesbeschlusses erreicht werden (vgl. Ziff. 2.2).

2.1.2

Die Bundesverfassung verpflichtet das Parlament zur Mitwirkung an der Planung

Die SPK hält fest, dass die Bundesverfassung vom 18. April 1999 die Planungskompetenz Regierung und Parlament gemeinsam zuweist: Art. 180 Abs. 1 BV Der Bundesrat bestimmt die Ziele und die Mittel seiner Regierungspolitik. Er plant und koordiniert die staatlichen Tätigkeiten.

Art. 173 Abs. 1 Bst. g BV Die Bundesversammlung hat zudem folgende Aufgaben und Befugnisse: g.

Sie wirkt bei den wichtigen Planungen der Staatstätigkeit mit.

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Im Übrigen ergibt sich die Zuständigkeit des Parlamentes für eine Mitwirkung an der Legislaturplanung auch schon daraus, dass die Legislaturplanung zur Hauptsache die Planung der Gesetzgebung umfasst. Wer für die Gesetzgebung zuständig ist, muss auch auf deren Planung Einfluss nahmen können. Die Gesetzgebung durch das Parlament steht am Ende eines längeren Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesses. Dieser Prozess wird gesteuert durch Weichenstellungen und Vorentscheidungen, welche von erheblicher Bedeutung sind, weil sie das spätere Endresultat massgeblich vorbestimmen. Als gesetzgebendes Organ hat das Parlament ein legitimes Interesse daran, auf die vorparlamentarische Phase des Gesetzgebungsverfahrens wirksam Einfluss zu nehmen.

Die Form der parlamentarischen «Mitwirkung» bei wichtigen Planungen wird in der Bundesverfassung nicht näher festgelegt. Es stellt sich die Frage, wie die Mindestanforderung definiert werden muss, damit die parlamentarische Behandlung der Legislaturplanung noch als «Mitwirkung» betrachtet werden kann. Die Beschränkung auf eine blosse Kenntnisnahme einer Regierungsplanung durch das Parlament dürfte den Anforderungen der BV nicht genügen. Es würde aber wohl genügen, wenn das Parlament Gelegenheit erhält, anlässlich der Behandlung der Regierungsplanung mit Motionen in politisch verbindlicher Weise auf die Planung punktuell Einfluss zu nehmen.

2.1.3

Der einfache Bundesbeschluss ist die geeignete Form der parlamentarischen Mitwirkung an der Legislaturplanung

Art. 28 Abs. 2 und 4 ParlG definieren die Rechtswirkung des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung: Grundsatz- und Planungsbeschlüsse sind Vorentscheidungen, die festlegen, dass bestimmte Ziele anzustreben, Grundsätze und Kriterien zu beachten oder Massnahmen zu planen sind.

2

Weicht der Bundesrat von [...] Grundsatz- und Planungsbeschlüssen ab, so hat er dies zu begründen.

4

Die SPK-NR hat in einem früheren Bericht (vom 22. Januar 2009 zur pa.Iv. 08.435) die Funktion der parlamentarischen Mitwirkung an der Planung wie folgt näher definiert: «Planungsbeschlüsse können zwar nicht dieselbe Verbindlichkeit haben wie die Gesetzgebung, weil sich die Verhältnisse bis zur Realisierung einer Planung verändern können. Planungsbeschlüsse sind nichtsdestotrotz nötige und wichtige Prioritätensetzungen und Weichenstellungen, welche das spätere Resultat der Gesetzgebung wesentlich vorbestimmen können. Überlässt das Parlament diese Planungsbeschlüsse ganz der Regierung, so würde es teilweise vor faits accomplis gestellt und könnte seine Aufgabe als Gesetzgeber nur eingeschränkt wahrnehmen.

In der Konkordanzdemokratie schweizerischer Prägung kann sich die Regierung nicht auf eine konstante Parlamentsmehrheit stützen und das Programm einer Regierungskoalition umsetzen. Gerade weil die von Thema zu Thema wechselnden Mehrheiten im Parlament nicht immer der Mehrheit in der 6466

Regierung entsprechen, müssen diese wechselnden Parlamentsmehrheiten der Regierung Vorgaben machen können, welche Gesetzesentwürfe vorzubereiten sind bzw. auf welche anderen Gesetzesentwürfe zu verzichten ist.

Die Detailberatung des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung ist am besten geeignet, um diese Funktion der parlamentarischen Mitwirkung an der Planung zu erfüllen. Dieses Verfahren erlaubt einen geordneten und transparenten Entscheidungsprozess; demgegenüber hat sich die Behandlung der sogenannten im früher angewendeten Verfahren als schwerfällig und unübersichtlich erwiesen.» Im Zeitraum von 1980 bis 2000 hat die Bundesversammlung von der Legislaturplanung (bis 1984: «Richtlinien der Regierungspolitik») des Bundesrates nur Kenntnis genommen, konnte aber mit dem Instrument der «Richtlinienmotion» dem Bundesrat den Auftrag erteilen, seine Planung abzuändern oder zu ergänzen. Die Rechtswirkung einer angenommenen Richtlinienmotion (wie jeder anderen Motion) unterscheidet sich nicht von der Rechtswirkung einer einzelnen Bestimmung eines Grundsatz- und Planungsbeschlusses in der Form des einfachen Bundesbeschlusses (vgl. oben Art. 28 Abs. 2 und 4 ParlG).

Der Unterschied zwischen der Behandlung eines einfachen Bundesbeschlusses und der Behandlung von Richtlinienmotionen liegt nicht in der Rechtswirkung der Beschlussfassung, sondern im Verfahren. Die SPK-NR hat bereits in ihrem Bericht vom 3. November 2005 (pa.Iv. 04.438/04.449) die Rückkehr zum alten System der Behandlung der Legislaturplanung mit Richtlinienmotionen geprüft und hat dabei folgende zwei Nachteile dieses Verfahrens festgestellt: ­

«Die Auswahl der Richtlinienmotionen erfolgt weniger aufgrund einer gezielten Prioritätensetzung und einer gesamthaften Prüfung der Planung als aufgrund recht zufälliger Präferenzen der einzelnen Kommissionsmitglieder.»

­

«Das Verfahren der Behandlung der Richtlinienmotionen ist schwerfällig und unübersichtlich: dies gilt sowohl für das verwaltungsinterne Verfahren (zur Erarbeitung der Stellungnahmen des Bundesrates zu den Motionen) als auch für das parlamentarische Verfahren in und zwischen den Räten (bei der letzten Legislaturplanung nach altem Recht wurden 41 Richtlinienmotionen eingereicht).»

Eine Rückkehr zum früheren Recht würde das Verhältnis von Aufwand und Ertrag der parlamentarischen Beratung der Legislaturplanung kaum verbessern. Bei der letzten Anwendung des früheren Verfahrens im Jahre 2000 führte die Legislaturplanungskommission des Nationalrates vier eintägige Sitzungen durch und die Debatte im Nationalrat dauerte etwa sieben Stunden. 2012 benötigte die Legislaturplanungskommission fünf Sitzungstage und die erste Beratung im Nationalrat dauerte 9,75 Stunden.

Bei einer Rückkehr zu dem im Zeitraum von 1980 bis 2000 geltenden Recht müsste zudem wichtigen Änderungen des Verfahrens der Behandlung von Motionen Rechnung getragen werden, welche mit dem ParlG von 2002 beschlossen worden sind: ­

Das ParlG lässt keine Motionen von Kommissionsminderheiten mehr zu (Art. 119 Abs. 1 ParlG). Kommissionsminderheiten könnten also ihre Anliegen nicht mehr wie vor 2003 bei der Behandlung der Legislaturplanung einbringen. Eine derartige Regelung erscheint sehr problematisch. Für diesen 6467

Spezialfall müssten also Minderheitsmotionen mit einer Ausnahmeregelung im ParlG doch zugelassen werden.

­

2.2

Motionen können seit 2003 im Zweitrat abgeändert werden. Bereits in der Zeit vor 2003 war es unbefriedigend, dass Richtlinienmotionen erst in der Session nach der Behandlung der Legislaturplanung vom Zweitrat behandelt und damit definitiv angenommen werden konnten. Das Verfahren der Abänderung der Motion führt dazu, dass vom Zweitrat abgeänderte Motionen sogar erst in der zweiten Session nach der Behandlung der Legislaturplanung vom Erstrat definitiv angenommen werden können. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits ein Viertel der Legislaturperiode abgelaufen. Eine Ausnahmeregelung im ParlG, welche zu einer schnelleren Behandlung führt, wäre zwar denkbar, würde aber den bereits jetzt sehr hohen Reglementierungsgrad des Parlamentsrechts weiter erhöhen.

Verzicht auf die Legislaturplanungskommission und Vorberatung durch alle ständigen Kommissionen

Bereits mit der Änderung des GRN vom 22. Juni 2007 wurden Änderungen des Verfahrens der Behandlung der Legislaturplanung durch den Nationalrat eingeführt: ­

Im Ratsplenum wird eine «organisierte Debatte» für die gesamte Beratung der Legislaturplanung durchgeführt; die Redezeiten werden vor Beginn der Kommissionsberatungen festgelegt.

­

Anträge ­ auch solche von Nichtkommissionsmitgliedern ­ müssen vor Beginn der Kommissionsberatungen eingereicht werden.

­

Es führt kein Weg neben der Kommission vorbei ins Ratsplenum: Der Rat beschliesst nur über die Mehrheits- und Minderheitsanträge aus der Kommission. Weil die Kommissionsfraktionen zum voraus wissen, wieviel Redezeit den einzelnen Fraktionen im Rat zur Verfügung stehen wird, können sie bei der Einreichung von Minderheitsanträgen gezielt Prioritäten setzen: Es macht wenig Sinn, jeden in der Kommission abgelehnten Antrag als Minderheitsantrag einzureichen, wenn von vorneherein klar ist, dass viele Anträge im Plenum gar nicht begründet werden können.

­

Für die Differenzbereinigung bei der Legislaturplanung wurde ein spezielles Verfahren entwickelt (Art. 94a ParlG), das einerseits die Differenzbereinigung erheblich abkürzt und andererseits garantiert, dass die Legislaturplanung auch bei punktueller Nichteinigung der Räte zustande kommt.

Diese Massnahmen haben ihre Wirkung nicht verfehlt: Die Beratungszeit des Nationalrates konnte von 16 Stunden im Jahre 2004 auf 9 Stunden im Jahre 2008 gesenkt werden.

Die Wirkung dieser Massnahmen beschränkt sich aber weitgehend auf das Plenum des Nationalrates; an der üblichen Vorberatung durch eine Kommission hat sich damit wenig geändert.

Die SPK möchte diese Form der Vorberatung ändern, um das Verfahren einerseits effizienter und weniger aufwändig, andererseits auch effektiver und zielgerichteter zu gestalten: Die Legislaturplanung soll nicht mehr durch eine eigens zu diesem

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Zweck gebildete Spezialkommission, sondern durch die bestehenden ständigen Kommissionen vorberaten werden.

Die Behandlung der Legislaturplanung durch eine Spezialkommission führt zu einem Aufwand der Kommissionsarbeit, die zum Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis steht. Dieser Aufwand führt zu vielen Kommissionsanträgen im Rat, deren Wirksamkeit zweifelhaft ist, auch wenn sie angenommen werden. Die nur zu diesem Zweck eingesetzte Spezialkommission berät naturgemäss den Entwurf des Bundesbeschlusses von A-Z und zeigt dabei die Tendenz, der häufig sehr vage gehaltenen Terminologie des Entwurfes zu folgen und sich dabei im Allgemeinen zu verlieren1, statt gezielt konkrete Schwerpunkte zu setzen. Zudem wirkt sich ungünstig aus, dass ein überdurchschnittlicher Anteil der Mitglieder der Spezialkommission neu im Rat ist.

Die ständigen Kommissionen haben demgegenüber aufgrund ihrer konkreten Erfahrungen mit der Gesetzgebungsarbeit in ihren Sachgebieten bessere Voraussetzungen.

Es darf erwartet werden, dass sie in relativ kurzer Beratungszeit (zwei bis drei Stunden pro Kommission2) die tatsächlich relevanten Aspekte der Planung der Gesetzgebung erkennen, auf «Wolkenschiebereien» eher verzichten und gegebenenfalls mit Anträgen gezielt konkrete Akzente anders setzen, als dies der Bundesrat vorschlägt. Die längerfristige Planung kann mit den kurzfristigen Tagesgeschäften besser in Verbindung gesetzt werden.

Zum Ablauf der Debatte im Ratsplenum siehe unten die Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen, Artikel 33c GRN.

Die meisten ständigen Kommissionen führen bereits bisher zu Beginn einer neuen Legislaturperiode eine Aussprache mit Vertretungen des Bundesrates über die Schwerpunkte der kommenden Legislaturperiode in ihrem Zuständigkeitsbereich durch: Die Behandlung der Legislaturplanung liesse sich gut mit dieser Aussprache verbinden.

Es könnte eingewendet werden, dass bei diesem Vorgehen die nötige Gesamtschau der Legislaturplanung verloren geht. Diese Gesamtschau kann nach wie vor im Rahmen einer einleitenden Aussprache im Ratsplenum hergestellt werden. In diesem Rahmen kann sich der Bundesrat und können sich die Fraktionen äussern.

Im Übrigen ist diese Gesamtschau im schweizerischen politischen System von beschränkter Bedeutung. Anders als in den parlamentarischen Demokratien unserer Nachbarländer
muss sich in der Schweiz nicht eine Parlamentsmehrheit auf ein gemeinsames Programm für die ganze Legislaturperiode einigen. In der Konkordanzdemokratie schweizerischer Prägung ergeben sich demgegenüber von Thema zu Thema wechselnde Mehrheiten, z.B. «Mitte-Rechts»-Mehrheiten und «Mitte-Links»Mehrheiten. Eine Gesamtbeurteilung des Legislaturprogramms durch eine Kommissions- bzw. Ratsmehrheit macht in diesem System wenig Sinn. Mit dieser Begründung wurden mit Änderung des ParlG vom 22. Juni 2007 die Gesamtabstimmung und die ebenfalls gesamthaften Abstimmungen über das Eintreten und über den 1

2

Beispiel: Der Bundesrat hatte in seinem Entwurf vom 25. Januar 2012 des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung 2011­2015 als Ziel 19 vorgeschlagen: «Die Sozialwerke sind finanziell konsolidiert». Auf Antrag der nationalrätlichen Legislaturplanungskommission wurde beigefügt: «... und nachhaltig gesichert».

Falls die elf Kommissionen durchschnittlich je zwei Stunden der Legislaturplanung widmen, ergibt sich eine gesamte Beratungszeit von 22 Stunden. Zum Vergleich: Die Legislaturplanungskommission tagte im Jahre 2012 während ca. 35 Stunden.

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Einigungsantrag der Einigungskonferenz abgeschafft. Hingegen können die einzelnen thematisch-sektoriellen Mehrheitsbildungen sehr wohl eine praktische Bedeutung haben. Die Funktion der parlamentarischen Beschlussfassung über die Legislaturplanung besteht darin, dass die je nach Thema wechselnde Parlamentsmehrheit dem Bundesrat verbindliche Vorgaben machen kann, welche gesetzgeberischen Ziele anzustreben sind und welche Gesetzesentwürfe vorbereitet werden müssen. Die Vorberatung der einzelnen Sachbereiche der Legislaturplanung durch die verschiedenen ständigen Kommissionen wird dieser Funktion besser gerecht als die Vorberatung durch eine Spezialkommission.

2.3

Mögliche Einwände gegen die vorgeschlagene Lösung

Angesichts der während der Diskussion am 28.März 2014 geäusserten Zweifel hat das Kommissionssekretariat der Kommission auch mögliche Einwände gegen die vorgeschlagene Lösung unterbreitet. Die Kommission hat diese Einwände an ihrer Sitzung vom 12. August 2014 eingehend diskutiert, aber mehrheitlich für nicht stichhaltig befunden: ­

Die Vorberatung durch elf ständige Kommissionen führe nicht zu einem Minder-, sondern zu einem Mehraufwand: Die Kommission hält daran fest, dass sie davon ausgeht, dass die einzelnen Kommissionen im Durchschnitt nicht mehr als drei Stunden für dieses Geschäft aufwenden werden und dass damit kein Mehraufwand gegenüber einer Spezialkommission entsteht, welche z.B. im Jahre 2012 während 35 Stunden getagt hat. Wichtiger als diese rein quantitative Überlegung ist die grössere Qualität der Beratung, welche dank der Fachkenntnisse der ständigen Kommissionen zu erwarten ist.

­

Die Lösung führe zu einer ungewöhnlichen und unübersichtlichen Ratsdebatte: Das Fehlen einer Kommissionsberichterstattung ist tatsächlich ungewöhnlich, aber bei dieser Lösung die notwendige Folge der aussergewöhnlichen Ausgangslage: Die breite Thematik der Legislaturplanung verlangt den Einbezug aller Kommissionen, was eine einheitliche Kommissionsberichterstattung verunmöglicht. Zudem kann dank dieser Lösung die Ratsdebatte verkürzt werden.

­

Die Lösung bringe Mehraufwand für die Bundesverwaltung: Dies trifft zu; der intensivere Einbezug der Departemente und Bundesämter führt aber genauso wie der Einbezug der ständigen Kommissionen zu einer qualitativen Aufwertung der Legislaturplanung.

Die Minderheit der Kommission teilt hingegen die erwähnten Einwände und befürchtet zudem, dass der Einbezug der Finanzkommission in die Vorberatung der Legislaturplanung zu einer zu starken Gewichtung der Finanzplanung gegenüber der Sachplanung führt.

6470

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Parlamentsgesetz (ParlG)

Art. 75 Abs. 4 Gemäss Artikel 75 Absatz 1 kann ein Erlassentwurf an die vorberatende Kommission zurückgewiesen werden. Die Anwendung dieser Bestimmung würde im Fall der Legislaturplanung, wenn sie wie vorgeschlagen künftig von elf Kommissionen vorberaten wird, zu kaum lösbaren praktischen Problemen führen.

Auch unabhängig von diesem praktischen Problem macht eine Rückweisung einer derartigen Planung wenig Sinn: Bis der mit der Rückweisung verbundene Auftrag erfüllt ist, wird ein grosser Anteil der Zeitperiode, für welche die Planung erstellt wird, bereits abgelaufen sein.

Das gilt in noch stärkerem Ausmass auch für den jährlichen Finanzplan, der gemäss Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2014 bei der Beratung der Änderung des Finanzhaushaltgesetzes (13.092 Neues Führungsmodell für die Bundesverwaltung [NFB]) künftig ebenfalls in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses beraten werden wird.

Art. 94a

Differenzregelung bei der Legislaturplanung

Die vom ParlG vorgesehene Zusammensetzung der Einigungskonferenz geht davon aus, dass eine Vorlage in beiden Räten von je einer Kommission vorberaten wird.

Wenn die Legislaturplanung nicht von einer Kommission vorberaten wird, so muss das Ratsbüro die Delegation des Rates in die Einigungskonferenz wählen. Artikel 91 ParlG über die Einsetzung der Einigungskonferenz ist anwendbar, soweit Artikel 94a keine abweichende Regelung enthält. Anwendbar ist damit insb. auch die Bestimmung, dass sich die Zusammensetzung der Delegation nach Artikel 43 Absatz 3, d.h. nach der Stärke der Fraktionen im jeweiligen Rat richtet.

Präsidentin oder Präsident der Einigungskonferenz ist gemäss Artikel 91 Absatz 3 die Präsidentin oder der Präsident der Kommission des Erstrates; sie oder er gibt bei Stimmengleichheit den Stichentscheid (Art. 92 Abs. 2). Wenn es nicht eine Kommission des Erstrates gibt, so muss auch diese Wahl durch das Ratsbüro vorgenommen werden. Da die Einigungskonferenz in der Regel nur eine Sitzung abhält, kann auf die Wahl einer Vizepräsidentin oder eines Vizepräsidenten verzichtet werden.

Sollte die Präsidentin oder Präsident ausnahmsweise ausfallen, so ist die Stellvertretung dennoch geregelt: Nach Artikel 16 Absatz 2 GRN i.V.m. Artikel 7 Absatz 3 Buchstabe b GRN müsste die Stellvertretung von den übrigen Mitgliedern der Delegation in der Reihenfolge des Lebensalters wahrgenommen werden (das prioritäre Kriterium der Amtsdauer fällt nicht in Betracht, weil alle Mitglieder dieser Einigungskonferenz dieselbe Amtsdauer aufweisen).

Art. 147 Abs. 2 Die Formulierung geht im geltenden Recht von einer vorberatenden Kommission aus und muss derart angepasst werden, dass sie auch im Falle mehrerer vorberatender Kommissionen zutrifft.

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3.2 Art. 13

Geschäftsreglement des Nationalrates (GRN) Legislaturplanungskommission

Siehe dazu unten Artikel 33abis.

Art. 33a

Stellungnahme der Fraktionen

Bei der Behandlung der beiden letzten Legislaturplanungen in den Jahren 2008 und 2012 hat keine Fraktion eine Stellungnahme zuhanden der vorberatenden Kommission abgegeben. Das muss nicht bedeuten, dass die Fraktionen die Legislaturplanung nicht vorberaten. Wenn eine Fraktion ein Geschäft vorberät, so diskutiert sie die Position ihrer eigenen Delegation in den Kommissionen; es besteht offensichtlich kein Bedürfnis nach einer Stellungnahme zhd. der ganzen Kommission.

Die Aufhebung dieser Bestimmung hat den Vorteil, dass damit die vorberatenden Kommissionen die Stellungnahmen der Fraktionen nicht abwarten müssen und bereits im Februar mit ihren Beratungen beginnen können, falls der Nationalrat Erstrat ist (zum Zeitplan der Kommissionen und zur Bestimmung des Erstrates siehe unten Art. 33abis, Ziff. 3).

Art. 33abis

Vorberatung durch die ständigen Kommissionen

Diese neue Bestimmung ist das «Herzstück» dieser Vorlage. Die Vorteile der Vorberatung der Legislaturplanung durch die ständigen Kommissionen gegenüber der bisherigen Behandlung durch eine Spezialkommission sind oben in Ziff. 2.2 dargestellt.

Es stellen sich noch einige Fragen betreffend die praktische Umsetzung: 1. «Zuständigkeitsbereiche» der einzelnen Kommissionen Gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b GRN bestimmt das Büro die dauerhaften Sachbereiche der ständigen Kommissionen. Im Falle der Legislaturplanung soll es den Kommissionen anheimgestellt werden, selbst zu entscheiden, welche Bestimmungen der Legislaturplanung in ihre Sachbereiche fallen. In der Praxis werden die Kommissionspräsidentinnen und -präsidenten mit Unterstützung ihrer Sekretariate den Kommissionen einen Vorschlag unterbreiten müssen, welche Teile der Legislaturplanung Gegenstand der Vorberatung in der jeweiligen Kommission sein sollen.

Erfahrungsgemäss besteht bei der Zuweisung der einzelnen Beratungsgegenstände (Erlassentwürfe des Bundesrates usw.) auf die Kommissionen in einigen Fällen ein Ermessensspielraum, der vom Ratsbüro wahrgenommen werden muss, wenn es nur eine federführende Kommission gibt. Im Ausnahmefall der Legislaturplanung gibt es keine federführende Kommission. Eine Aufteilung des Erlassentwurfs auf die einzelnen Kommissionen durch das Büro wäre ein aufwändiges Verfahren, das zudem seinen Zweck verfehlen würde: Die einzelnen Kommissionen könnten aufgrund ihres generellen Antragsrechts (Art. 45 Abs. 1 Bst. a ParlG) dennoch auch zu ihnen nicht zugewiesenen Bestimmungen des Erlassentwurfs Antrag stellen.

Der Begriff «Zuständigkeitsbereiche» erfasst nicht nur die Sachbereiche der primär mit der Gesetzgebung betrauten Kommissionen, sondern auch die funktionalen Zuständigkeiten der Finanz- und der Geschäftsprüfungskommission. Diese Kommissionen können zur ganzen Legislaturplanung Anträge stellen, sofern sich solche 6472

Anträge aus finanzpolitischer Sicht oder aus der Perspektive der Oberaufsicht über die Geschäftsführung des Bundesrates ergeben.

Dort, wo sich die Zuständigkeitsbereiche von Kommissionen überlappen, sind also Anträge von mehr als einer Kommission zu derselben Bestimmung denkbar. Das ist nichts Neues und auch im normalen Verfahren möglich (mit dem Unterschied, dass im normalen Verfahren die federführende Kommission gegenüber weiteren Antrag stellenden Kommissionen über weitergehende Rederechte verfügt). Es wird auch in diesem neuen Verfahren eine Ausnahme bleiben, die keine nennenswerten Nachteile mit sich bringt.

2. Vorberatungspflicht bzw. Vorberatungsrecht Der vorgeschlagene neue Artikel 33abis sieht vor, dass die Kommissionen Anträge stellen können. Das heisst mit anderen Worten, dass sie nicht Anträge stellen müssen. Es ist denkbar, dass sich von bestimmten, z.B. sehr allgemein gehaltenen Absichtserklärungen des Bundesrates keine Kommission angesprochen fühlt und diese daher nicht vorberaten werden. Das GRN geht heute grundsätzlich von einer Vorberatungspflicht aus (vgl. Art. 21). Eine derartige Vorberatungspflicht setzt aber voraus, dass ein Erlassentwurf oder ein Teil desselben je einer bestimmten Kommission zugewiesen wird, was im Ausnahmefall der Legislaturplanung, wie oben dargelegt, wenig zweckmässig wäre.

In enger Verbindung mit der Vorberatungspflicht steht im geltenden Recht die Verfahrensherrschaft der federführenden Kommission: Hat diese die Vorberatung nicht abgeschlossen, so kann der Rat den Erlassentwurf nicht behandeln. Bei elf vorberatenden Kommissionen kann es keine derartige Verfahrensherrschaft geben.

Es könnte unklar sein, ob die Legislaturplanung für den Rat behandlungsreif ist oder nicht. Gemäss der neuen Regelung haben die Kommissionen Gelegenheit, bis spätestens eine Woche vor der Behandlung im Rat ihre Anträge zu stellen; dann ist das Geschäft behandlungsreif für den Rat, unabhängig davon, ob alle Bestimmungen vorberaten sind oder nicht.

3. Zeitplan der Vorberatung durch die Kommissionen, Bestimmung des Erstrates Es sind folgende Rahmenbedingungen zu beachten: ­

Der Bundesrat hat in der Praxis seine Botschaft zur Legislaturplanung jeweils gegen Ende Januar dem Parlament unterbreitet (2008: 23. Januar; 2012: 25. Januar).

­

Die Beratung der Legislaturplanung sollte sinnvollerweise in der Sommersession des ersten Jahres der Legislaturperiode abgeschlossen werden können

­

«Die beiden Räte beraten die Legislaturplanung in zwei aufeinander folgenden Sessionen» (Art. 147 Abs. 1 ParlG): In der Praxis hält der Erstrat in der Mitte des zweiten Quartals eine Sondersession ab; der Zweitrat und die Differenzbereinigung folgen in der Sommersession.

Ist der Nationalrat Erstrat, so können die Kommissionen die Legislaturplanung an ihren zweiten Sitzungen im ersten Quartal und an ihren ersten Sitzungen im zweiten Quartal behandeln. Ist der Nationalrat Zweitrat, so müssen in der zweiten Hälfte des zweiten Quartals, zwischen Sondersession und Sommersession, für jede Kommis-

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sion Sitzungsdaten zur Verfügung stehen. Es ist möglich, den Sitzungskalender so festzulegen, dass diesen Anforderungen Rechnung getragen werden kann.3 Weil sich der Nationalrat erfahrungsgemäss intensiver mit der Legislaturplanung beschäftigt als der Ständerat, könnte auf den bisher praktizierten Wechsel des Erstrates verzichtet und immer der Nationalrat als Erstrat bestimmt werden. Das könnte auch im Interesse des Ständerates sein, indem er dadurch nicht mehr gezwungen wäre, nur wegen der Legislaturplanung eine Sondersession abzuhalten (während der Nationalrat auch ohne Legislaturplanung aufgrund von Art. 33d Abs. 1 Bst. b GRN in der Regel einmal jährlich eine Sondersession abhalten muss). Eine derartige Änderung der bisherigen Praxis kann aber angesichts der grundsätzlichen Gleichberechtigung beider Räte nicht im Gesetz festgeschrieben werden; sie müsste auf einem Einvernehmen der beiden Ratsbüros beruhen.

4. Vertretung des Bundesrates in den Kommissionen Wenn die Legislaturplanung durch elf Kommissionen statt durch eine Kommission vorberaten wird, so stellt dies zweifelsohne eine schwierige organisatorische Herausforderung für die Vertretung des Bundesrates in den Kommissionen dar. Die Bundeskanzlei als Stabsstelle der Regierung wird die Aufgabe haben, für die nötige Koordination der Vertretung des Bundesrates in den verschiedenen Kommissionen zu sorgen: Die Erfüllung dieser Aufgabe wird einen beträchtlichen Mehraufwand zur Folge haben.

Als Vorteil der neuen Form der Vorberatung kann demgegenüber betrachtet werden, dass die Departemente und ihre Ämter stärker als bisher in die Vorberatung der Legislaturplanung einbezogen werden. Wenn z.B. die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) an einem Sitzungstag zuerst eine Vorlage aus dem Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und anschliessend den das UVEK betreffenden Teil der Legislaturplanung berät, so liegt es nahe, dass die Vorsteherin des UVEK auch für das zweite Traktandum in der Sitzung bleibt. Die Vorsteherinnen und Vorsteher der Departemente, die bisher nur vereinzelt an Sitzungen der Legislaturplanungskommission teilgenommen haben4, werden auf diese Weise stärker einbezogen, was den Stellenwert der Legislaturplanung verbessern wird.

Art. 33b

Anträge

Das in Artikel 33b vorgesehene komplizierte Verfahren kann erheblich vereinfacht werden.

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Die Kommissionen halten jeweils zweitägige Sitzungen in der ersten oder zweiten Wochenhälfte ab. Im zweiten Quartal stehen 10 Wochen, also 20 Wochenhälften zur Verfügung. Davon stehen nicht für Kommissionssitzungen zur Verfügung: Woche der Sondersession (2 Wochenhälften), Osterwoche (2), die Wochenhälften mit Karfreitag, Auffahrt und Pfingstmontag (je 1), die zweite Wochenhälfte vor der Sondersessionswoche. Es bleiben 12 Wochenhälften. Es braucht jeweils 6 Wochenhälften (vor oder nach der Sondersession), damit alle Kommissionen tagen können.

An den Beratungen der nationalrätlichen Legislaturplanungskommission in den Jahren 2008 und 2012 haben in der Regel der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin und die Bundeskanzlerin teilgenommen. 2008 hat der Vorsteher des EFD einmal an einer Sitzung der nationalrätlichen Legislaturplanungskommission teilgenommen. 2012 kam der Vorsteher des VBS einmal zum Zug, allerdings nicht als Departementsvorsteher, sondern als Vizepräsident des Bundesrates, um die Bundespräsidentin teilweise zu vertreten.

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In Absatz 1 ist lediglich der Singular «Kommission» durch «Kommissionen» zu ersetzen.

Absatz 2 bleibt notwendig aufgrund des verfassungsmässigen Antragsrechts jedes Ratsmitglieds, dessen Anwendung nicht völlig ausgeschlossen werden darf, das aber auf der gesetzlichen Grundlage von Artikel 147 Absatz 2 verfahrensmässig eingeschränkt werden kann. In der Praxis ist dieses Antragsrecht von Nichtkommissionsmitgliedern bei der Legislaturplanung noch nie genutzt worden. Die detaillierten Fristen in den Absätzen 2 und 3, deren Handhabung durch elf vorberatende Kommissionen schwierig würde, können problemlos aufgehoben werden. Will ein Nichtkommissionsmitglied sein Antragsrecht ausüben, so kann es auch ohne Festlegung und vorherige Mitteilung einer Frist in Erfahrung bringen, bis zu welchem Zeitpunkt es bei einer Kommission Antrag stellen muss, damit dieser Antrag behandelt werden kann.

Der Zweck von Absatz 4 war, die möglichen Beratungsgegenstände in der Legislaturplanungskommission nach Beginn der Beratungen zu begrenzen. Auch Kommissionsmitglieder sollten ab diesem Zeitpunkt keine neuen Themen mehr einbringen dürfen. Diese Bestimmung liess sich in der Praxis nur schwer durchsetzen; bei elf vorberatenden Kommissionen dürfte dies erst recht nicht möglich sein.

Art. 33c und Art. 47

Organisierte Debatte

An der mit der Änderung des GRN vom 22. Juni 2007 eingeführten Spezialregelung der «organisierten Debatte» für die Behandlung der Legislaturplanung soll festgehalten werden. Ausnahmsweise wird hier auch die Detailberatung im Rahmen einer organisierten Debatte durchgeführt. Die Festlegung einer Gesamtredezeit für die Fraktionen erlaubt eine Begrenzung der Dauer der Behandlung und soll diese veranlassen, bei der Einreichung von Minderheitsanträgen Prioritäten zu setzen. Voraussetzung dafür ist die Festlegung der Gesamtredezeit vor Beginn der Beratungen in den Kommissionen.

Weil Eintreten obligatorisch ist, kann nicht von einer «Eintretensdebatte» gesprochen werden; dieser unzutreffende Begriff wird ersetzt.

Artikel 33c verweist auf Artikel 47 GRN. Danach sind nicht nur die Redezeiten der Fraktionen, sondern auch die Redezeiten der Berichterstatterinnen und Berichterstatter sowie der Vertretung des Bundesrates Teil der Gesamtredezeit. Diese Regelung entspricht nicht der Praxis. Bei Gelegenheit kann dies korrigiert werden.

Bei den beiden Anwendungen von Artikel 33c (2008 und 2012) wurde den Fraktionen jeweils eine Gesamtredezeit von sechs Stunden zugewiesen. Wenn die für die Legislaturplanung aufgewendete Beratungszeit als zu lang betrachtet wird, so hätte das Büro hier zweifelsohne noch Spielraum für eine Verkürzung der Gesamtredezeit.

Im neuen Verfahren gibt es keine federführende vorberatende Kommission mehr; die Sitze der Berichterstatterinnen und Berichterstatter bleiben unbesetzt. An deren Stelle treten die Sprecherinnen und Sprecher der Antrag stellenden Kommissionen, die vom Redepult aus sprechen. Deren Redezeit beträgt pro Antrag je fünf Minuten (Art. 44 Abs. 2 GRN). Falls die Kommission einen Antrag zweisprachig begründen will, so müssen die beiden Sprecherinnen oder Sprecher die fünf Minuten aufteilen.

Eine Kommission kann aber auch einen Antrag nur in einer Sprache und dafür einen anderen Antrag in einer anderen Sprache begründen lassen.

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Das Total der Redezeiten der Sprecherinnen und Sprecher der Antrag stellenden Kommissionen sowie der Vertreterinnen und Vertreter des Bundesrates lässt sich nicht zum Voraus abschätzen. Verschiedene Gründe lassen vermuten, dass sich diese Gesamtredezeit eher verkürzen wird: ­

Es entfallen die bisherigen, zeitlich nicht begrenzten Voten der Berichterstatterinnen und Berichterstatter der Legislaturplanungskommission in der allgemeinen einleitenden Aussprache sowie am Ende der Beratung einer einzelnen Bestimmung bzw., wie 2008 und 2012 praktiziert, eines thematischen «Blockes» von Bestimmungen. Die Vertretung des Bundesrates hat ausnahmsweise «das letzte Wort».

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Die ständigen Kommissionen dürften in geringerem Ausmass als die Legislaturplanungskommission motiviert sein, Änderungsanträge zu den häufig sehr allgemein und vage gehaltenen Planungsabsichten des Bundesrates zu stellen. Ob sie insgesamt weniger Anträge stellen werden, bleibt offen: Möglicherweise stellen sie dafür mehr konkrete, zielgerichtete Anträge zum Gesetzgebungsprogramm des Bundesrates, was dem Zweck der parlamentarischen Mitwirkung an der Legislaturplanung besser entspricht (vgl. Ziff. 2.2 in fine).

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die vorgeschlagenen Änderungen des ParlG und des GRN haben keine berechenbaren personellen oder finanziellen Auswirkungen. Die SPK geht davon aus, dass sich der Aufwand für das Parlament vermindern, derjenige für Bundesrat und Bundesverwaltung vergrössern wird.

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Rechtliche Grundlage

Nach Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe g BV müssen die grundlegenden Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren der Bundesbehörden in einem Bundesgesetz erlassen werden. Die Mitwirkung der Bundesversammlung «bei den wichtigen Planungen der Staatstätigkeit» erfolgt gestützt auf Artikel 173 Absatz 1 Buchstabe g BV.

Die Änderung des GRN stützt sich auf Artikel 36 ParlG, der jeden Rat ermächtigt, «Ausführungsbestimmungen über seine Organisation und sein Verfahren» zu erlassen.

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