zu 12.427/12.432 Parlamentarische Initiativen Legislaturplanungsbericht / Regierungs- statt Legislaturprogramm Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 12. August 2014 Stellungnahme des Bundesrates vom 27. August 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 12. August 2014 betreffend die parlamentarischen Initiativen 12.427 «Legislaturplanungsbericht» und 12.432 «Regierungs- statt Legislaturprogramm» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. August 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-2163

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Mit Schreiben vom 12. August 2014 stellte die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) dem Bundesrat eine Änderung des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG; SR 171.10) und des Geschäftsreglements des Nationalrates vom 3. Oktober 2003 (GRN; SR 171.13) zu, mit der die Behandlung der Legislaturplanung im Parlament angepasst werden soll. Sie beantragt ihrem Rat die Annahme dieser beiden Erlassentwürfe.

Während der Beratungen der eidgenössischen Räte über den Entwurf des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung 2011­2015 (BBl 2012 627) sind im Mai 2012 im Nationalrat zwei parlamentarische Initiativen (12.427; 12.432) eingereicht worden, die verlangen, dass das Parlament die Legislaturplanung des Bundesrates nur noch debattieren und zur Kenntnis nehmen soll, dass es aber keine Änderungen mehr beschliessen kann.

Die SPK-N hat an ihrer Sitzung vom 21. Februar 2013 den beiden Initiativen Folge gegeben. Die ständerätliche Schwesterkommission hat ihrerseits am 22. April 2013 den beiden im Nationalrat eingereichten Initiativen zugestimmt und ihr Einverständnis erklärt, dass die SPK-N eine Änderung des Verfahrens der Legislaturplanung ausarbeitet. Die SPK-N sieht allerdings den gesetzgeberischen Handlungsbedarf anders als die Initiativen nicht bei der Form der Beschlussfassung des Parlaments, sondern bei einem effizienteren und effektiveren Verfahren für die Behandlung der Legislaturplanung.

Dabei will die SPK-N an der Beschlussfassung über die Legislaturplanung in Form eines einfachen Bundesbeschlusses festhalten. Die Bundesverfassung (BV, SR 101) verlangt die Mitwirkung des Parlaments an den wichtigen Planungen, weil bei diesen Planungen wichtige, präjudizierende Vorentscheide für die Gesetzgebung ­ klassische Aufgabe des Parlamentes ­ gefällt werden. Eine Parlamentsmehrheit muss solche Vorentscheide, die zwar nicht rechtlich verbindlich sind, aber erhebliche Folgen haben, wirkungsvoll beeinflussen können.

Durch verschiedene effizienzsteigernde Massnahmen, die im Jahre 2007 beschlossen worden sind, konnte die Beratungszeit im Plenum des Nationalrates bei der Behandlung der Legislaturplanungen in den Jahren 2008 und 2012 gegenüber 2004 bereits fast um die Hälfte reduziert worden. Unverändert geblieben ist aber der Aufwand für die Vorberatung in der Legislaturplanungskommission. Auf
die Einsetzung dieser Spezialkommission soll künftig verzichtet und die Vorberatung der Legislaturplanung den bestehenden ständigen Kommissionen übertragen werden. Die SPK-N erwartet, dass diese ständigen Kommissionen eher weniger, dafür konkretere und gezieltere Anträge stellen werden als die Spezialkommission, welche die Legislaturplanung jeweils von A bis Z beraten und dabei die Tendenz gezeigt hat, sich im eher allgemein gehaltenen Text des Bundesrates, der die grossen über die Legislaturperiode hinausweisenden Linien aufzeigen soll, zu verlieren. Indem die übliche Kommissionsberichterstattung im Rat dahinfällt, wird erwartet, dass auch die Beratungszeit des Rates weiter verkürzt werden kann.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat ist gemäss BV die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes (Art. 174 BV). Er hat die Aufgabe, die Ziele und Mittel seiner Regierungspolitik zu bestimmen, die staatlichen Tätigkeiten zu planen und zu koordinieren (Art. 180 Abs. 1 BV) sowie die Bundesverwaltung zu leiten, indem er für ihre zweckmässige Organisation und die zielgerichtete Erfüllung der Aufgaben sorgt (Art. 178 Abs. 1 BV).

Der Bundesrat legt die Schwergewichte, Ziele und Mittel der Planungen fest (Art. 6 Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997, RVOG; SR 172.010, und Art. 17 Abs. 1 der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. Nov. 1998, RVOV; SR 172.010.1). Seine Planungen bestehen u. a. aus den Gesamtplanungen, die alle Politikbereiche des Bundes umfassen. Dazu gehören auch die Richtlinien der Regierungspolitik (Legislaturplanung) (Art. 17 Abs. 2 Bst. a RVOV). Diese geben einen umfassenden politischen Orientierungsrahmen für die Regierungstätigkeit in einer Legislaturperiode. Sie legen die Ziele und Wirkungen sowie die prioritären Massnahmen fest und bezeichnen die Bereiche, in denen das staatliche Leistungsangebot überprüft werden muss oder abgebaut werden kann. Sie ziehen weiter Bilanz über die vergangene Legislaturperiode (Art. 18 RVOV).

Der Bundesrat unterbreitet der Bundesversammlung zu Beginn der Legislaturperiode eine Botschaft und den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Legislaturplanung (Art. 146 Abs. 1 ParlG).

Grundsätzlich begrüsst der Bundesrat Bestrebungen, welche die Optimierung der Behandlung von Parlamentsgeschäften zum Ziel haben. Aus der Sicht des Bundesrates ist es in erster Linie Sache des Parlaments, wie es die Behandlung der Legislaturplanung im Parlament regeln will, da das Parlament die Aufgabe und die Befugnis hat, bei wichtigen Planungen der Staatstätigkeit mitzuwirken (Art. 173 Abs. 1 Bst. g BV).

Der Bundesrat möchte allerdings zu bedenken geben, dass die zwei parlamentarischen Initiativen 12.427 (Fraktion V) und 12.432 (Fraktion CE) zurückkehren wollten zur blossen Kenntnisnahme der Legislaturplanung durch das Parlament. In der parlamentarischen Initiative 12.427 wird begründet, dass das Parlament für die Behandlung und Anpassung der Legislaturplanung derzeit viel Zeit benötige; dabei könne es mit anderen
parlamentarischen Mitteln bestimmen, welche legislativen Vorgaben vorangetrieben respektive nicht vorangetrieben werden sollen. Die parlamentarische Initiative 12.432 betont ihrerseits, dass dem Grundsatz der Gewaltentrennung nachgelebt werden solle. Deshalb solle die Legislaturplanung, ähnlich wie in den Kantonen, allein zur Kenntnis genommen werden. Unmut über das Verfahren und den daraus resultierenden Aufwand wurde ebenfalls in den Ratsdebatten über die Legislaturplanung ausgedrückt. So wurde kritisiert, dass es falsch sei, wenn das Parlament zu einem Programm, welches von der Regierung stammt, Beschlüsse fasst, die dann doch keinen bindenden Charakter hätten, zumal die in der Legislaturplanung aufgeführten Geschäfte in der Regel in Form einer Botschaft und eines Gesetzesentwurfs dem Parlament unterbreitet werden. Es sei auch falsch, das Regierungsprogramm in ein Parlamentsprogramm zu verwandeln. Die Gewaltenteilung sei zu respektieren. Die Beratungen seien aufwendig. Zukünftig sei eine effizientere Legislaturplanung nötig.

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Das neue Verfahren wird jedoch voraussichtlich zu einer Mehrbelastung der Bundesverwaltung führen. Die bisherige Beratung durch eine Spezialkommission ermöglichte eine zweckmässige Koordination der Vertretung von Bundesrat und Bundesverwaltung durch die Bundeskanzlei. Eine Koordination dieser Vertretung in elf Kommissionen, die in kurzen Abständen und teilweise sogar gleichzeitig tagen, wird eine grosse Herausforderung darstellen. Zudem wird aus der Sicht des Bundesrates die Sicherstellung der Kohärenz des Regierungsprogramms eher erschwert.

Der Bundesrat ist der Meinung, dass das vorgeschlagene neue Vorgehen mit der Vorberatung durch die bestehenden ständigen Kommissionen im Widerspruch steht zu anderen Forderungen des Parlaments an den Bundesrat, die Legislaturplanung stärker als bisher als departementsübergreifende Gesamtplanung auszugestalten und von der sektoriellen Herangehensweise wegzukommen (vgl. z. B. Mo. 12.3185 Interdepartementale Herangehensweise für die nächste Legislaturplanung). Aus diesem Grund ist der Bundesrat der Auffassung, dass die bisherige Beratung durch eine Spezialkommission beibehalten werden soll.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt aus den erwähnten Gründen, auf die vorliegende Vorlage nicht einzutreten, und unterstützt somit den Antrag der Kommissionsminderheit.

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