10.467 Parlamentarische Initiative Schuldenprävention. Keine Werbung für Kleinkredite Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 28. Januar 2014

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über den Konsumkredit (KKG). Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

28. Januar 2014

Im Namen der Kommission Der Präsident: Ruedi Noser

2014-0491

3259

Übersicht Der vorliegende Gesetzesentwurf (E-KKG) geht auf eine parlamentarische Initiative von Nationalrätin Josiane Aubert vom 18. Juni 2010 (10.467) zurück, welche ein Werbeverbot für Kleinkredite im Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (KKG; SR 221.214.1) fordert. Damit soll der drohenden Überschuldung, insbesondere von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Einhalt geboten werden.

Eine Mehrheit der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-NR) teilt dieses Anliegen im Grundsatz und beantragt deshalb den vorliegenden Gesetzesentwurf zur Annahme. Eine Minderheit erachtet die Vorlage als nicht zielführend und beantragt deshalb, nicht darauf einzutreten. Im Anschluss an die Arbeiten der Subkommission, welche zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative eingesetzt wurde, entschied die WAK-NR, anstelle eines vollumfänglichen Werbeverbots für Konsumkredite lediglich deren aggressive Formen im KKG zu untersagen (Art. 36a E-KKG). In Absprache mit Vertretern der betroffenen Wirtschaftszweige beschloss sie zudem, die Definition der aggressiven Werbung der Branche zur Selbstregulierung zu überlassen. Sie begrüsst deshalb einen entsprechenden Konventionsentwurf der Kreditbranche. Der vorliegende Gesetzesentwurf sieht vor, dass ein Verstoss gegen das Verbot der aggressiven Werbung mit einer Busse bis zu 100 000 Franken bestraft wird (Art. 36b E-KKG). Dadurch soll sichergestellt werden, dass auch Kreditunternehmen sanktioniert werden können, die der Konvention nicht unterstellt sind. Für den Fall dass keine Selbstregulierungskonvention zustande kommt, wird dem Bundesrat subsidiär die Möglichkeit gegeben, eine Regelung vorzunehmen und den Begriff der aggressiven Werbung zu konkretisieren (Art. 36a E-KKG). Eine Minderheit fordert überdies eine inhaltliche Prüfung der Konvention durch den Bundesrat.

Gleichzeitig hat die Kommission auf Empfehlung ihrer Subkommission weitere Änderungen im KKG gutgeheissen. So enthält der Entwurf einerseits strengere Auflagen bei der Kreditfähigkeitsprüfung (Art. 31 E-KKG). Andererseits müssen in Zukunft Konsumentinnen und Konsumenten, welche bei der Kreditfähigkeitsprüfung absichtlich falsche Angaben machen, bei der Informationsstelle für Konsumkredite gemeldet werden (Art. 25 E-KKG). Eine Minderheit der Kommission beantragt schliesslich, den Anwendungsbereich des KKG auf sogenannte «Expresskredite» auszuweiten (Art. 7 E-KKG).

3260

Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Parlamentarische Initiative

Am 18. Juni 2010 reichte Nationalrätin Josiane Aubert die parlamentarische Initiative (pa.Iv.) 10.467 «Schuldenprävention. Keine Werbung für Kleinkredite» ein. Sie forderte mit der Initiative ein Werbeverbot für Kleinkredite. In der Begründung wurde geltend gemacht, dass Kleinkredite eine wichtige Rolle bei der Verschuldung spielen und dass die Verschuldung in einen Teufelskreis von Armut und sozialer Ausgrenzung führen könne, der sich nur mit grossen Schwierigkeiten durchbrechen lasse. Oft beginne die Verschuldung bereits in jungen Jahren. Zudem habe auch die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ) ein Werbeverbot gefordert1.

Die vorberatende Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-NR) empfahl am 18. April 2011 dem Nationalrat mit 13 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung, der pa.Iv. keine Folge zu geben. Sie argumentierte dabei in erster Linie damit, dass ein Werbeverbot einen unverhältnismässig grossen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit darstelle. Entgegen diesem Antrag gab der Nationalrat der Initiative am 27. September 2011 mit 93 zu 73 Stimmen Folge. Wie ihre Schwesterkommission beantragte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates ihrem Rat daraufhin am 31. Oktober 2011 mit 5 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen, der pa.Iv. keine Folge zu geben. Am 19. Dezember 2011 gab der Ständerat der pa.Iv.

jedoch mit 19 zu 17 Stimmen Folge, womit die WAK-NR gemäss Artikel 111 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20022 (ParlG) beauftragt wurde, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten.

1.2

Vorarbeiten der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates

Die WAK-NR setzte am 30. Januar 2012 eine fünfköpfige Subkommission ein und beauftragte diese, für die pa.Iv. 10.467 Vorentwurf und Bericht auszuarbeiten. Unter dem Vorsitz von Nationalrätin Ada Marra (SP, VD) tagte die Subkommission insgesamt siebenmal. Sie führte dabei Anhörungen mit Vertretern folgender interessierter Organisationen durch: Schweizerischer Städteverband, Berner Schuldenberatung, Caritas Schuldenberatung, Verband Schweizerischer Kreditbanken und Finanzierungsinstitute (VSKF), Schweizerischer Leasingverband (SLV), Interessengemeinschaft der Zahlkartenindustrie (KARTAC) und Schweizer Werbung (SW). Vom Bundesamt für Statistik (BFS) liess sich die Subkommission über das Ausmass und die Struktur der Privatverschuldung in der Schweiz informieren. Die Subkommission verfolgte zudem sehr eng den Prozess der Ausarbeitung einer Selbstregulierungskonvention der Branche der Kreditbanken und Finanzierungsinstitute.

1 2

Bericht der EKKJ: «Jung und arm: das Tabu brechen», August 2007, S. 60 f.

SR 171.10

3261

Die Subkommission wurde bei ihrer Arbeit gemäss Artikel 112 Absatz 1 ParlG durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) unterstützt.

Am 14. Mai 2013 nahm die WAK-NR den Schlussbericht ihrer Subkommission zur Kenntnis. Sie begrüsste dabei ausdrücklich, dass die Branche ihrerseits die Notwendigkeit einer Regulierung der Werbung für Konsumkredite anerkennt und selber auch tätig werden will. Die Mehrheit der Kommission sprach sich denn auch für eine gesetzliche Regelung basierend auf der Selbstregulierung der Branche aus. Der Gesetzesvorentwurf wurde schliesslich mit 24 zu 1 Stimme verabschiedet und in die Vernehmlassung geschickt.

1.3

Vernehmlassung und Verabschiedung des Erlassentwurfs durch die Kommission

Das Vernehmlassungsverfahren zum Bericht und Vorentwurf der WAK-N wurde am 7. Juni eröffnet und dauerte bis zum 30. September 2013. Stellung genommen haben 24 Kantone, sechs politische Parteien und 30 Dachverbände und Organisationen.

13 Kantone, die CVP, die Grünen und die EVP sowie 19 Verbände und Organisationen und somit die Mehrzahl der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüssten gesamthaft beurteilt die Vorlage. Acht Kantone, die SP sowie sechs Organisationen sind der Ansicht, die Vorlage gehe zu wenig weit oder forderten im Kampf gegen die Überschuldung noch weitergehende Instrumente. Die FDP und die SVP sowie zwei Organisationen lehnten die Vorlage ab.3 Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Vernehmlassung beschloss die WAK-N am 28. Januar 2014 mit 13 zu 10 Stimmen die Vorlage zu verabschieden.

Eine Minderheit (Kaufmann, Amstutz, Baader Caspar, Flückiger Sylvia, Germanier, Müller Philipp, Noser, Rime, Walter, Wandfluh) beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten und die Initiative abzuschreiben. Sie bezweifelt, dass damit die Privatverschuldung effektiv bekämpft werden kann. Deren Ursache liege nicht in erster Linie bei der Aufnahme von Konsumkrediten, sondern in mangelnder Finanzkompetenz. Diese wiederum können aber nur durch gezielte Bildung und Sensibilisierung erreicht werden.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Ausgangslage

2.1.1

Werbung im geltenden Recht

Nach Artikel 36 des Bundesgesetzes vom 23. März 20014 über den Konsumkredit (KKG) richtet sich die Werbung für Konsumkredite nach dem Bundesgesetz vom 19. Dezember 19865 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). So bestehen im UWG neben den allgemeinen Vorschriften auch Bestimmungen, die ausdrücklich 3

4 5

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens vom Januar 2014, abrufbar unter: www.admin.ch>Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren>abgeschlossene Verfahren>2013.

SR 221.214.1 SR 241

3262

für Konsumkredite Geltung haben (Art. 3 Abs. 1 Bst. k­n UWG und Art. 4 Bst. d UWG). Diese sehen Informationspflichten vor, die die Transparenz der Angebote im Bereich der Konsumkredite erhöhen und dadurch die Aufmerksamkeit der Abnehmer fördern sollen. Der potentielle Kunde oder die potentielle Kundin soll darüber aufgeklärt werden, welche Kosten bei der Aufnahme eines Kredits oder bei einer Konsumkreditfinanzierung von Waren oder Dienstleistungen auf ihn oder sie zukommen. Sobald eine Werbung dem Kunden oder der Kundin die Vorteile des Konsumkredits anpreist, muss sie gleichzeitig über die damit verbundenen Kosten und Gefahren informieren.6 Die Werbung für Konsumkredite muss zudem stets darauf hinweisen, dass die Kreditvergabe verboten ist, falls sie zur Überschuldung der Konsumentin oder des Konsumenten führt (Art. 3 Abs. 1 Bst. n UWG). Werden Konsumkredite über Internet oder per Telefon angeboten, so ist zusätzlich Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe s UWG (Regeln zum Angebot von Leistungen im elektronischen Geschäftsverkehr) und Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe u UWG (Vermerk im Telefonbuch betreffend Werbung) zu beachten.

Anwendbar sind weiter die allgemeinen Bestimmungen des UWG, insbesondere das allgemeine Täuschungsverbot (Art. 3 Abs. 1 Bst. b UWG). In einem speziellen Tatbestand werden zwar die besonders aggressiven Verkaufsmethoden, die den Kunden in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen, als unlauter erklärt (Art. 3 Abs. 1 Bst. h UWG), eine besondere Regelung der besonders aggressiven Werbemethoden jedoch besteht nicht. Sie können nur über die lauterkeitsrechtliche Generalklausel von Artikel 2 UWG erfasst werden, womit sie aber nicht strafrechtlich sanktioniert werden können (Art. 23 UWG).

Zusätzlich findet für an Konsumenten gerichtete Werbung für Waren und Dienstleistungen die Verordnung vom 11. Dezember 19787 über die Bekanntgabe der Preise (Preisbekanntgabeverordnung; PBV) Anwendung. Wenn eine solche KonsumkreditWerbung einen Preis respektive einen Zinssatz enthält, fällt sie unter den Geltungsbereich der PBV und muss aufgrund der Spezifizierungspflicht von Artikel 14 PBV den Kredit, der zum beworbenen Zins bezogen werden kann, exakt umschreiben.

2.1.2

Kreditfähigkeitsprüfung im geltenden Recht

Gemäss dem geltenden Recht hat die Kreditgeberin vor der Vergabe eines Konsumkredits die Kreditfähigkeit eines Konsumenten oder einer Konsumentin zu prüfen.

Die Kreditfähigkeitsprüfung ist je nach Art des Konsumkredites unterschiedlich ausgestaltet, basiert aber immer darauf, die finanziellen oder wirtschaftlichen Verhältnisse der Konsumentin oder des Konsumenten zu prüfen (Art. 28­30 KKG).

Bezweckt wird die Vermeidung einer Überschuldung zufolge eines Konsumkreditvertrags (Art. 22 KKG). Gleichzeitig sind die Kreditgeberinnen verpflichtet, eine Informationsstelle für Konsumkredite (IKO) zu gründen (Art. 23 KKG). Dieser müssen heute die gewährten Konsumkredite gemeldet werden, wobei die Meldepflicht je nach Art des Konsumkredites speziell geregelt ist (Art. 25­27 KKG). Bei einer erneuten Kreditvergabe und Kreditfähigkeitsprüfung sind die bei der IKO gemeldeten Verpflichtungen zu berücksichtigen (Art. 28 Abs. 3 Bst. c; Art. 30 Abs. 1; Art. 31 Abs. 2 KKG).

6 7

BGE 120 IV 287, S. 294 f.

SR 942.211

3263

Die Kreditgeberin darf sich bei der Kreditfähigkeitsprüfung grundsätzlich auf die Angaben der Konsumentin oder des Konsumenten verlassen (Art. 31 Abs. 1 KKG).

Vorbehalten bleiben jedoch die Angaben, die offensichtlich unrichtig sind oder denjenigen der IKO widersprechen (Art. 31 Abs. 2 KKG). Gleiches gilt, wenn die Kreditgeberin an der Richtigkeit der Angaben der Konsumentin oder des Konsumenten zweifelt. Sie muss in diesen Fällen die Richtigkeit der Angaben der Konsumentin oder des Konsumenten anhand einschlägiger amtlicher oder privater Dokumente wie dem Auszug aus dem Betreibungsregister oder dem Lohnausweis überprüfen (Art. 31 Abs. 3 KKG).

2.1.3

Statistische Angaben

Gemäss dem BFS lebten im Jahr 2008 19,0 % der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren in einem Haushalt (ungeachtet der Haushaltssituation), der mindestens einen Konsumkredit aufgenommen hat, gegenüber 18,2 % bei den 30- bis 49-Jährigen. Das Verschuldensprofil der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren unterscheidet sich damit nicht wesentlich von demjenigen der 30- bis 49-Jährigen. 8,8 % der jungen Erwachsenen lebten in einem Haushalt mit einem kritischen Volumen an Kontoüberzügen oder Zahlungsrückständen im Vergleich zu 8,9 % in der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen. 1,7 % der Bevölkerung lebte in einem Haushalt mit einem Kredit zur Begleichung einer bestehenden Schuld. Diese Personen leben in Haushalten, die ein erhöhtes Risiko für eine Schuldenspirale aufweisen. Der Prozentsatz der jungen Erwachsenen, die in einem Haushalt mit erheblichem Verschuldungsrisiko lebten (4,3 %), ist gleich hoch wie bei den 30- bis 49-Jährigen. Bei den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren hat die Tatsache, ob sie mit den Eltern leben oder nicht, keinen statistisch signifikanten Einfluss.

Sowohl der Anteil der Personen, die ein kritisches Volumen an Kontoüberzügen oder Zahlungsrückständen aufweisen, als auch der Anteil der Personen mit einem erheblichen Verschuldungsrisiko sinken ab 50 Jahren signifikant und sind bei Personen im Rentenalter besonders tief.

Bei der Verschuldungssituation der jungen Erwachsenen, die nicht mit ihren Eltern zusammenleben hat insbesondere das Bildungsniveau und die Nationalität grossen Einfluss. Junge Erwachsene mit einer höheren Ausbildung (Tertiärstufe), die nicht mit ihren Eltern leben, haben signifikant weniger häufig Kredite oder Darlehen aufgenommen als jene mit einem tieferen Bildungsabschluss. Der Anteil der jungen Erwachsenen, die in einem Haushalt mit mindestens einem Kredit leben, sinkt von 36,3 % bei denjenigen mit lediglich einem obligatorischen Schulabschluss auf 28,2 % bei denjenigen mit einem Abschluss auf Sekundarstufe II, und auf 15.5 % bei Personen mit einem Abschluss auf Tertiärstufe. Nicht mit den Eltern lebende junge Erwachsene ausländischer Nationalität nehmen signifikant häufiger einen Kredit oder ein Darlehen auf als jene schweizerischer Nationalität. 35,9 % der ausländischen jungen Erwachsenen, die nicht mit den Eltern zusammenwohnen,
leben in einem Haushalt mit mindestens einem Kredit. Bei den Schweizerinnen und Schweizern sind dies 21,7 %. Angaben zu einer Schuldendynamik im Zeitverlauf wurden bisher statistisch nicht abgebildet.8 8

Die Analyse des Bundesamts für Statistik (BFS) im Auftrag der Subkommission «Jugendverschuldung» der WAK-NR basiert auf der Erhebung «Statistics on income and living conditions» (SILC 2008).

3264

2.2

Verbot aggressiver Werbung

2.2.1

Beschränkung der Werbung ausreichend

Die Werbung fällt in den Schutzbereich des Grundrechts der Wirtschaftsfreiheit.9 Das von der pa.Iv. geforderte Werbeverbot greift damit in den Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit der Kreditgeberinnen und -vermittlerinnen ein, die entsprechende Werbung produzieren, und ist nur unter den Voraussetzungen zulässig, die für Grundrechtseingriffe allgemein (vgl. Art. 36 BV10) und für Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit im Besonderen gelten. Solche Massnahmen dürfen sich nicht gegen den Wettbewerb richten (Art. 94 Abs. 4 BV). Sie müssen auf einer gesetzlichen Grundlage basieren und im öffentlichen Interesse liegen. Das Gebot der Verhältnismässigkeit verlangt zudem nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, «dass eine behördliche Massnahme für das Erreichen des im öffentlichen (oder privaten) Interesse liegenden Zieles geeignet und erforderlich ist und sich für die Betroffenen in Anbetracht der Schwere der Grundrechtseinschränkung zumutbar und verhältnismässig erweist. Erforderlich ist eine vernünftige Zweck-MittelRelation. Eine Massnahme ist unverhältnismässig, wenn das Ziel mit einem weniger schweren Grundrechtseingriff erreicht werden kann (...)».11 Das Verwaltungsgericht des Kantons Waadt hat sich zur Frage eines Werbeverbots für Konsumkredite bereits geäussert und kam zum Schluss, dass zwar ein Zusammenhang zwischen Werbung für Konsumkredite und einer Überschuldung bestehe, das eigentliche Ziel, der Schutz vor Überschuldung, jedoch bereits mit milderen Mitteln erreicht werden könne als mit einem strikten Verbot.12 Vor diesem Hintergrund schlägt die WAK-NR kein generelles Werbeverbot, sondern eine Werbeeinschränkung vor. Verboten werden soll die besonders aggressive Werbung, die geeignet ist, die Konsumentinnen und Konsumenten in ihrer Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen. Gedacht wird dabei beispielsweise an Werbeslogans wie «Sofortkredit» oder «Ferienkredit» sowie an aufdringliche Strassenwerbung. Aufgrund der statistischen Daten zeigt sich, dass der Abschluss von Konsumkreditverträgen in der Altersgruppe bis 49 Jahre gleich verbreitet ist wie unter den jungen Erwachsenen, weshalb die Werbeeinschränkung für alle Altersgruppen gelten soll.

2.2.2

Selbstregulierung der Branche

Auf Seiten der Kreditgeberinnen haben sich die Mitglieder des Verbands Schweizerischer Kreditbanken und Finanzierungsinstitute (VSKF) sowie des Schweizerischen Leasingverbandes (SLV) bereit erklärt, eine privatrechtliche Konvention betreffend eine Werbeeinschränkung abzuschliessen. Ein entsprechender Entwurf wurde von der Branche vorgelegt und auf Wunsch der Subkommission der WAK-NR auch überarbeitet. Gemäss dem Konventionsentwurf nehmen alle tätigen Mitglieder des 9 10 11 12

Art. 27 BV; J.P. Müller/Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz, 4. Auflage, 2008, 1060 m.w.H.

Bundesverfassung, SR 101.

BGE 132 I 62 E. 7.2 Vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Waadt vom 24.3.2010 i.S. Société Générale d'Affichage c. Municipalité de Lausanne, E. 7 (insb. Verneinung der Erforderlichkeit des Werbeverbots der Stadt Lausanne).

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VSKF und des SLV an der Selbstregulierung teil, womit der Markt der Kreditgeberinnen weitgehend abgedeckt wird. Der VSKF hat mitgeteilt, dass aus seinem Tätigkeitsbereich alle grossen Marktteilnehmer der Konvention zustimmen würden und er darum bemüht sei, auch Nichtmitglieder einzubinden.13 Der Konventionsentwurf sieht zudem vor, dass die Zusammenarbeit mit Kreditvermittlerinnen, die die entsprechenden Regeln nicht einhalten, abgebrochen werden soll, womit auch die Kreditvermittlerinnen indirekt in die Selbstregulierung eingebunden werden können.

Der vorliegende Entwurf einer Selbstregulierungskonvention zählt verschiedene Formen der Werbung auf, die künftig nicht mehr zulässig sein sollen. Dabei soll Werbung für Konsumkredite (ohne Leasing) junge Erwachsene unter 25 Jahren nicht besonders ansprechen und die Werbung in Freizeiteinrichtungen für junge Erwachsene und in Spielsalons wird untersagt. Weiter soll keine Werbung für «Expresskredite», «Sofortkredite» oder ähnliches mit Argumenten gemacht werden, die auf eine voraussetzungslose Erhältlichkeit von Konsumkrediten ohne Kreditfähigkeitsprüfung hindeuten. Werbung mit offensichtlich ökonomisch nicht sinnvollen Argumenten oder für die kurzfristige kostspielige Finanzierung von Freizeitaktivitäten oder Feste wird für alle Konsumkreditarten als unzulässig erklärt. Untersagt werden zusätzlich generell besonders aggressive Werbemethoden wie beispielsweise die Verteilung von Kreditantragstalons auf öffentlichen Strassen und Plätzen abseits von Fahrzeugausstellungen und dergleichen oder die Aushändigung von Werbecoupons, die an Banknoten erinnern. Bei einem Verstoss soll eine schriftliche Beschwerde bei der Schweizerischen Lauterkeitskommission gemacht werden können, welche eine Konventionalstrafe bis maximal 100 000 Franken festlegen kann. Die Konvention soll unbefristet gültig sein. Eine Kündigungsmöglichkeit wird bei einer Änderung der auf das Konsumkreditgeschäft anwendbaren gesetzlichen Regelungen oder bei einer Aufgabe der Geschäftstätigkeit vorgesehen.

2.2.3

Gesetzlicher Rahmen der Selbstregulierung

Die Mehrheit der WAK-NR begrüsst die Selbstregulierungsbestrebungen der Branche. Insbesondere heisst sie auch gut, dass die Werbung, die sich speziell an junge Erwachsene unter 25 Jahren richtet, stärker beschränkt werden soll. Sie ist jedoch der Ansicht, dass die Selbstregulierung eine gewisse Verbindlichkeit erhalten soll und auch Kreditgeberinnen, die eine allfällige Selbstregulierungskonvention nicht unterzeichnen sowie Kreditvermittlerinnen an die Werbeeinschränkung gebunden sein sollen. Daher wird im KKG eine Bestimmung vorgeschlagen, die vorsieht, dass für Konsumkredite nicht in aggressiver Weise14 geworben werden darf. Demnach gilt das gesetzliche Verbot für alle Kreditgeberinnen und Kreditvermittlerinnen, die dem KKG unterstehen (Art. 2 und 4 KKG; Art. 36a Abs. 1 E-KKG). Gleichzeitig sollen aber die Kreditgeberinnen gesetzlich die Möglichkeit haben, das Verbot mittels Selbstregulierung zu konkretisieren (Art. 36a Abs. 2 E-KKG). Die Kreditvermittlerinnen werden nicht zum Abschluss einer privatrechtlichen Konvention angehalten. Erst wenn keine Selbstregulierungskonvention zustande kommt, wird dem Bundesrat subsidiär die Möglichkeit gegeben, eine Regelung vorzunehmen und 13 14

Schreiben des VSKF an die Subkommission vom 27. August 2012.

Der verwandte Begriff der «aufdringlichen Werbung» wird in Artikel 33 des Spielbankengesetzes vom 18. Dezember 1998 (SBG; SR 935.52) verwendet. Weiter spricht auch das UWG von «aggressiven Verkaufsmethoden» (Art. 3 Abs. 1 Bst. h UWG).

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den Begriff der aggressiven Werbung zu konkretisieren (Art. 36a Abs. 3 E-KKG).

Eine Minderheit fordert überdies auch eine inhaltliche Prüfung der Konvention durch den Bundesrat. Sie stützt sich dabei nicht zuletzt auf Vernehmlassungsantworten, welche hier eine stärkere Kontrolle verlangten.

Ausserhalb der Selbstregulierung kann eine Kontrolle über die Einhaltung des Verbots aggressiver Werbung bei denjenigen Kreditgeberinnen und -vermittlerinnen, die einer Bewilligungspflicht unterstehen (Art. 39 und 40 KKG), im Rahmen dieser Bewilligung erfolgen. Die Erteilung der Bewilligung setzt unter anderem voraus, dass die Kreditgeberin oder -vermittlerin «zuverlässig» ist (Art. 40 Abs. 1 Bst. a KKG) beziehungsweise «Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit» (Art. 4 Abs. 1 VKKG15) bietet. Diese Voraussetzung erfüllt nur, wer die gesetzlichen Pflichten und damit auch das Verbot, in aggressiver Weise zu werben (Art. 36a E-KKG), einhält. Zur Auslegung des Verbots können die Bewilligungsbehörden die Selbstregulierungskonvention oder die vom Bundesrat aufgestellten Regeln beiziehen.

Wenn die Kreditgeberin oder Kreditvermittlerin dem Bankengesetz vom 8. November 193416 (BankG) untersteht, besteht für sie eine Bewilligungspflicht gemäss Artikel 3 BankG und sie untersteht der Aufsicht der FINMA (Art. 1 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 200717 über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, FINMAG). Zwar ist das KKG keines der in Artikel 1 Absatz 1 FINMAG aufgezählten Gesetze und die Tätigkeit der Banken im Bereich des KKG fällt daher nicht unter die Aufsicht der FINMA. Die FINMA würde jedoch einschreiten, wenn Verletzungen des KKG die Gewähr für eine einwandfreie Tätigkeit im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c des BankG in Frage stellen würden.

Für Kreditgeberinnen und Kreditvermittlerinnen, welche Konsumkredite zur Finanzierung des Erwerbs ihrer Waren oder der Beanspruchung ihrer Dienstleistungen gewähren oder vermitteln, entfällt allerdings die Bewilligungspflicht (Art. 39 Abs. 3 Bst. a und b KKG). Haben solche Kreditgeberinnen auch die Selbstregulierungskonvention nicht unterzeichnet, respektive handelt es sich dabei um Kreditvermittlerinnen, die mit Kreditgeberinnen ausserhalb der Selbstregulierungskonvention zusammen arbeiten, gilt zwar das Verbot der aggressiven Werbung kraft Gesetzes ebenfalls (Art. 36a
E-KKG). Gegenüber solchen Kreditgeberinnen und -vermittlerinnen lässt sich ein Verstoss jedoch weder durch eine in der Konvention vorgesehene Sanktion noch im Rahmen einer Aufsicht sanktionieren. Die WAK-NR ist aber der Ansicht, dass eine Sanktionierung der Verletzung des Verbots aggressiver Werbung für alle Kreditgeberinnen und -vermittlerinnen, die dem KKG unterstehen (Art. 2 und 4 KKG), vorgesehen werden soll. Sie beschloss deshalb, eine Strafbestimmung im Gesetz vorzusehen, mit welcher die Verletzung des Werbeverbots mit Busse bis zu 100 000 Franken sanktioniert werden kann (Art. 36b E-KKG). Die Kommission ist der Meinung, dass die Strafdrohung so hoch angesetzt werden muss, damit die Nachteile aus der Bestrafung stärker ins Gewicht fallen als die Vorteile aus einer Verletzung des Werbeverbots. Da es im KKG-Bereich grundsätzlich um viel Geld geht, erachtete die WAK-NR eine Maximalbusse von 100 000 Franken für angemessen. Für die Strafverfolgung sollen die Kantone zuständig sein. Dies ergibt

15 16 17

Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz, SR 221.214.11.

SR 952.0 SR 956.1

3267

sich aus Artikel 22 der Strafprozessordnung18. Es steht den Branchenverbänden frei, parallel auch Konventionalstrafen vorzusehen.

2.3

Weitere Änderungen im KKG

2.3.1

Kreditfähigkeitsprüfung

Die WAK-NR schlägt zwei Änderungen im Rahmen der Kreditfähigkeitsprüfung vor. Es handelt sich dabei zum einen um die Möglichkeit der Einforderung von Unterlagen bei der Kreditfähigkeitsprüfung, wobei es sich um den Auszug aus dem Betreibungsregister sowie um einen Lohnnachweis oder, wenn keine unselbständige Tätigkeit vorliegt, um sonstige Dokumente, die über das Einkommen der Konsumentin oder des Konsumenten Auskunft geben, handelt (Art. 31 E-KKG). Nach geltendem Recht muss die Kreditgeberin einzig bei Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben der Konsumentin oder des Konsumenten deren Richtigkeit anhand einschlägiger amtlicher oder privater Dokumente überprüfen. Die Bestimmung erwähnt beispielsweise den Auszug aus dem Betreibungsregister oder den Lohnausweis (Art. 31 Abs. 3 KKG). Im Vorschlag der WAK-NR werden die Dokumente bereits in Absatz 1 von Artikel 31 erwähnt. Dies hat zur Folge, dass die Kreditgeberin bei Zweifeln die Richtigkeit der Angaben der Konsumentin oder des Konsumenten anhand zusätzlicher Dokumente überprüfen muss (Art. 31 Abs. 3 E-KKG).

Zum anderen sollen Konsumentinnen und Konsumenten, die bei der Kreditfähigkeitsprüfung absichtlich falsche Angaben machen, bei der Informationsstelle für Konsumkredite (IKO; Art. 23 KKG) gemeldet werden (Art. 25 Abs. 2 Bst. b E-KKG). Liegt eine solche Meldung vor, darf sich die Kreditgeberin ebenfalls nicht mehr auf die Angaben der Konsumentin oder des Konsumenten verlassen (Art. 31 Abs. 2 und 3 E-KKG).

2.3.2

Expresskredite

Aggressiv geworben wird in der Praxis insbesondere für die sogenannten «Expresskredite». Es handelt sich um Kredite, die sehr schnell ausbezahlt werden. Gerade mit diesen Argumenten der sofortigen und unkomplizierten Erhältlichkeit des Kredits wird Werbung gemacht. So kann ein Vorsprung auf andere Kreditinstitute gewonnen werden. Diese Kredite sind so ausgestaltet, dass sie für maximal ein Jahr und mit nicht mehr als vier Rückzahlungsraten vergeben werden. Somit fallen sie nicht unter den Geltungsbereich des KKG, da eine entsprechende Ausnahme vorgesehen ist (Art. 7 Abs. 1 Bst. f KKG). Demzufolge sind auch die Schutzbestimmungen des KKG (insbesondere die Kreditfähigkeitsprüfung, Art. 22 ff. KKG und die Widerrufsfrist, Art. 16 KKG) nicht anwendbar. Sie unterstehen auch nicht einem allfälligen Verbot aggressiver Werbung.

Der VSKF hat auf entsprechende Anfrage der Subkommission der WAK-NR hin mitgeteilt, dass diese Geschäftsform unter ihren Mitgliedern kaum verbreitet sei und eine Aufhebung der Ausnahme diese entsprechend wenig tangieren würde. Diese Art von Krediten würden aber von Detail- und Retailhändlern angewandt, welche 18

SR 312.0

3268

Produkte vor allem im Bereich von Unterhaltungselektronik und Wohnungseinrichtung vertreiben würden.19 Die Mehrheit der WAK-NR sieht hier jedoch keinen Handlungsbedarf. Eine Minderheit der WAK-NR (Minderheit 1: Meier-Schatz, Birrer-Heimo, de Buman, Jans, Maire Jacques-André, Pardini, Ritter, Schelbert) schlägt vor, diese Regelung anzupassen und den Anwendungsbereich des KKG zu erweitern. Eine zweite Minderheit schlägt vor, die Ausnahme in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe f KKG vollumfänglich zu streichen und den Anwendungsbereich des KKG auf die «Expresskredite» auszudehnen (Minderheit 2: Birrer-Heimo, Jans, Leutenegger Oberholzer, Maire JacquesAndré, Marra, Pardini, Schelbert).

2.3.3

Weitere Anpassungen

Mit den geplanten Änderungen im KKG werden weitere Anpassungen vorgenommen, die die vorgeschlagenen Änderungen aufnehmen, der Klarheit dienlich sind oder bloss redaktionelle Änderungen umfassen (Art. 8 und 32 E-KKG).

3

Konsumkreditgesetz.

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art. 7 Abs. 1 Bst. f Eine Minderheit der WAK-NR (Minderheit 1: Meier-Schatz, Birrer-Heimo, de Buman, Jans, Maire Jacques-André, Pardini, Ritter, Schelbert) schlägt vor, die Laufzeit der nicht vom KKG erfassten Kredite auf höchstens drei Monate herabzusetzen und den Geltungsbereich zu erweitern. Die bisherige Ausnahme vom Geltungsbereich des KKG (Art. 7 Abs. 1 Bst. f) ermöglicht die sogenannten «Expresskredite». Durch die Herabsetzung der Laufzeit wird den «Expresskrediten» die Attraktivität genommen, weil der Konsument oder die Konsumentin den Kredit, den er oder sie schnell erhalten kann, auch schnell zurückzahlen muss, was die Nachfrage vermindert. Wird der Anwendungsbereich des KKG ausgedehnt, finden auf sie auch die neu vorgesehenen Regeln über das Verbot, in aggressiver Weise zu werben, Anwendung. Diese Regelung nähert sich im Übrigen der neuen Regelung der Europäischen Union in diesem Bereich an (Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge [Verbraucherkredit-RL]20). Die Verbraucherkredit-RL ist allerdings noch restriktiver. Ausgenommen von ihrem Geltungsbereich sind nur Kreditverträge, nach denen der Kredit binnen drei Monaten zurückzuzahlen ist und nur geringe Kosten anfallen sowie die Kreditverträge in Form von Überziehungsmöglichkeiten, bei denen der Kredit binnen eines Monats zurückzuzahlen ist (Art. 2 Abs. 2 Bst. e und f Verbraucherkredit-RL).

19 20

Schreiben des VSKF an die Subkommission «Jugendverschuldung» der WAK-NR vom 18. Oktober 2012.

Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG; ABl. Nr. L 133 vom 22. Mai 2008, S. 66 ff., (Verbraucherkredit-RL).

3269

Eine zweite Minderheit (Minderheit 2: Birrer-Heimo, Jans, Leutenegger Oberholzer, Maire Jacques-André, Marra, Pardini, Schelbert) schlägt vor, die Ausnahme vollumfänglich zu streichen.

Art. 8

Einschränkungen

Artikel 8 KKG schränkt den Anwendungsbereich des KKG für Leasingverträge und für Konti für Kredit- und Kundenkarten mit Kreditoption sowie Überziehungskredite auf laufendem Konto ein, indem die auf diese Konsumkreditverträge anwendbaren Artikel ausdrücklich aufgelistet werden. Die mit dem E-KKG zu schaffenden Artikel zur Beschränkung der Werbung sowie die Strafbestimmung (Art. 36 und Art. 36b E-KKG) sollen gemäss Ansicht der WAK-NR auf alle Arten der Konsumkreditverträge Anwendung finden. Sie sind daher in die Liste von Artikel 8 KKG aufzunehmen.

Um Klarheit zu schaffen, werden zusätzlich geltende Bestimmungen, die in die Aufzählung von Artikel 8 gehören würden, ebenfalls aufgenommen. Insbesondere die bereits bis anhin geltenden Artikel 36 (Werbung) und Artikel 39 und 40 KKG (Bewilligungspflicht und Bewilligungsvoraussetzungen) fehlen in der Aufzählung.

Die Lehre geht mit Blick auf die Artikel 39 und 40 KKG von einem redaktionellen Versehen aus. Dies gilt nach überwiegender Lehrmeinung auch für Artikel 36 KKG.

Es wird damit für eine Anwendung auch dieser Bestimmungen auf Leasingverträge und Kredit- und Kundenkarten mit Kreditoption sowie Überziehungskredite plädiert21. Im Ergebnis sind somit die Bestimmungen über die Werbung (Art. 36 KKG; Art. 36a und 36b E-KKG) und die Bestimmungen zu Bewilligungspflicht und -voraussetzungen (Art. 39 und 40 KKG) in Artikel 8 KKG aufzunehmen. Im Sinne einer weiteren Anpassung werden ebenfalls die bisherigen allgemeinen Bestimmungen zur Kreditfähigkeitsprüfung (Art. 22­24 KKG) wie die neue Meldepflicht (Art. 25 Abs. 2 Bst. b E-KKG) in die Aufzählung von Artikel 8 E-KKG aufgenommen.

Art. 25 Abs. 2 Bst. b Künftig müssen Kreditgeberinnen diejenigen Konsumentinnen und Konsumenten, die bei der Kreditfähigkeitsprüfung absichtlich falsche Angaben machen, bei der IKO melden. Der Begriff der Absicht wird hier im gleichen Sinne verwendet wie bei der Entstehung der Obligation durch unerlaubte Handlung (Art. 41 Abs. 1 des Obligationenrechts; OR22) oder bei absichtlicher Täuschung (Art. 28 OR).

Zu beachten ist, dass diese Meldepflicht im Einklang mit dem Datenschutzgesetz vom 19. Juni 199223 (DSG) stehen muss. Es muss eine entsprechende gesetzliche 21

22 23

Stauder JKR 2002, Bern 2003, S. 94; Giger, Berner Kommentar, Bern 2007, S. 351 ff.

(implizit) und S. 654; Favre-Bulle, CR CO I, Basel 2004, N 6 und 14 zu Art. 8 KKG; Küng, Das neue Konsumkreditgesetz, Hess/Simmen (Hrsg.), Zürich 2002, S. 108.; Lupi Thomann, Die Anwendung des Konsumkreditgesetzes auf Miet-, Miet-Kauf- und Leasingverträge, Zürich 2003, S. 143 f.; a.M. Hess, Das neue Konsumkreditgesetz, Hess/Simmen (Hrsg.), Zürich 2002, S. 83 f.: Art. 36 KKG (Werbung) sei nicht anwendbar, jedoch seien Art. 39 und 40 KKG (Bewilligungspflicht und Voraussetzungen) auch beim Leasing anwendbar; David, Das neue Konsumkreditgesetz, Hess/Simmen (Hrsg.), Zürich 2002, S. 173 f.: allerdings bezieht sich dieser nur auf die Nichtanwendbarkeit von Art. 36 KKG (Werbung).

SR 220 SR 235.1

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Grundlage vorhanden sein. Die Bearbeitung der Daten hat nach Treu und Glauben zu erfolgen und muss verhältnismässig sein (Art. 4 DSG). Die WAK-NR erachtet diese Voraussetzungen als erfüllt. Das zuständige Büro des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten hat geltend gemacht, eine solche Meldepflicht sei unverhältnismässig. Eine sorgfältigere Kreditfähigkeitsprüfung könne bereits dadurch erreicht werden, wenn eine blosse Ablehnung eines Kreditgesuchs ohne Angabe des Grundes gemeldet würde. So würden Konsumentinnen und Konsumenten nicht stigmatisiert24.

Die IKO muss sich vor der Eintragung von der Richtigkeit der Angaben überzeugen, d.h. die Kreditgeberin muss beweisen können, dass der Konsument oder die Konsumentin absichtlich falsche Angaben gemacht hat (Art. 5 DSG). Das DSG sieht zudem vor, dass die Beschaffung von Personendaten und insbesondere der Zweck ihrer Bearbeitung für die betroffene Person erkennbar sein muss (Art. 4 Abs. 4 DSG) und es kommt ihr ein Auskunftsrecht über die bearbeiteten Daten zu (Art. 8 DSG).

Für die Beschaffung von Personendaten durch Bundesorgane wie die IKO (Art. 23 Abs. 3 KKG) gelten zusätzlich die Informationspflichten von Artikel 18a DSG. Die betroffene Person muss also darauf hingewiesen werden, dass Daten bei der IKO registriert werden. Auch muss sie auf das erwähnte Auskunftsrecht hingewiesen werden (Art. 8 DSG).

Art. 31

Bedeutung der Angaben der Konsumentin oder des Konsumenten

Die Kreditgeberin soll nach Ansicht der Mehrheit der WAK-NR neu im Rahmen der Kreditfähigkeitsprüfung ausdrücklich die Möglichkeit erhalten, den Auszug aus dem Betreibungsregister und einen Lohnnachweis oder, wenn keine unselbstständige Tätigkeit vorliegt, sonstige Dokumente, die über das Einkommen Auskunft geben, einzufordern (Art. 31 Abs. 1 E-KKG). Sie soll sich aber weiterhin auf die Angaben der Konsumentin oder des Konsumenten zu den finanziellen oder wirtschaftlichen Verhältnissen verlassen dürfen. Sie darf sich dann nicht mehr auf diese Angaben verlassen, wenn diese offensichtlich unrichtig sind, denjenigen der IKO widersprechen, eine Konsumentin oder ein Konsument gemeldet ist (Art. 25 Abs. 2 Bst. b E-KKG und Art. 31 Abs. 2 E-KKG) oder die Kreditgeberin generell an deren Richtigkeit zweifelt. Entgegen der ursprünglich in Absatz 3 vorgesehenen Einforderung des Lohnausweises wird neu ein Lohnnachweis gefordert. Alle Dokumente, die Einkommen bescheinigen, sollen als Beleg ausreichend sein.

Eine Minderheit (Marra, Birrer-Heimo, Jans, Leutenegger Oberholzer, Maire Jacques-André, Pardini, Schelbert) spricht sich dafür aus, die Einforderung des Auszugs aus dem Betreibungsregister und eines Lohnnachweises oder, wenn keine unselbstständige Tätigkeit vorliegt, sonstiger Dokumente, die über das Einkommen Auskunft geben, in Absatz 1 im Sinne einer Stärkung und Verschärfung der Kreditfähigkeitsprüfung als Pflicht vorzusehen.

Zweifelt die Kreditgeberin an der Richtigkeit der Angaben eines Konsumenten oder einer Konsumentin, so hat die Kreditgeberin die Richtigkeit der Angaben anhand einschlägiger amtlicher oder privater Dokumente zu prüfen. Sie darf sich dabei aber nicht mit dem Auszug aus dem Betreibungsregister und einem Lohnnachweis begnügen. Diese beiden Dokumente werden in Absatz 1 als Belege erwähnt, die auch bei Fehlen jeglicher Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Konsumentin 24

E-Mail des EDÖB an das Bundesamt für Justiz vom 12. Oktober 2012.

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oder des Konsumenten eingefordert werden können (oder müssen nach der Minderheit Marra). Die Kreditgeberin hat daher zusätzliche Dokumente einzufordern (Art. 31 Abs. 3 E-KKG).

Artikel 31 Absatz 2 E-KKG wird um die mittels der neuen Meldepflicht (Art. 25 Abs. 2 Bst. b E-KKG) gemeldeten Angaben ergänzt. Damit hat die Meldepflicht zur Folge, dass die Kreditgeberin bei der Kreditfähigkeitsprüfung (Art. 28­30 KKG) in den Fällen, in denen eine Konsumentin oder ein Konsument bei einer früheren Kreditfähigkeitsprüfung absichtlich falsche Angaben gemacht hat, zur Prüfung zusätzlicher Unterlagen angehalten wird (Art. 31 Abs. 2 und 3 E-KKG).

Art. 32

Sanktion

Der Klarheit halber soll auch Artikel 31 KKG in die Aufzählung von Artikel 32 Absatz 1 und 2 E-KKG aufgenommen werden. Dieser Artikel regelt die Sanktionierung einer Kreditgeberin, die gegen die ihr in der Kreditfähigkeitsprüfung auferlegten Pflichten verstösst. Artikel 32 Absatz 1 KKG sieht die Sanktion einzig bei einer Verletzung der Bestimmungen zur Kreditfähigkeitsprüfung gemäss den Artikeln 28, 29 oder 30 KKG oder in Absatz 2 ebenfalls bei einer Verletzung der Meldepflichten gemäss den Artikeln 25, 26 oder 27 Absatz 1 vor. Eine Verletzung von Artikel 31 KKG wird durch Artikel 32 KKG nicht ausdrücklich sanktioniert. Die WAK-NR geht davon aus, dass eine Verletzung von Artikel 31 KKG als Basis aller Kreditfähigkeitsprüfungen regelmässig dazu führt, dass auch Artikel 28, 29 oder 30 KKG verletzt ist, womit die Sanktion in Artikel 32 KKG Anwendung findet.

Art. 36a

Aggressive Werbung

Es wird kein generelles Werbeverbot, sondern bloss ein Verbot, in aggressiver Weise zu werben, vorgesehen (Art. 36a Abs. 1 E-KKG). Dabei soll den Kreditgeberinnen die Möglichkeit gegeben werden, mittels Selbstregulierung ein solches Verbot umzusetzen und den Begriff zu konkretisieren. Um sicherstellen zu können, dass das Verbot für alle Kreditgeberinnen und Kreditvermittlerinnen Geltung hat, wird dieses gesetzlich verankert (vgl. Ziff. 2.2; insbesondere Ziff. 2.2.3).

Eine Minderheit (Maire Jacques-André, Birrer-Heimo, de Buman, Jans, Leutenegger Oberholzer, Marra, Meier-Schatz, Pardini) geht davon aus, dass Werbung, die speziell Jugendliche und junge Erwachsene anspricht, generell als aggressiv zu gelten hat. Der Entwurf einer Selbstregulierungskonvention der Branche sieht zwar insbesondere vor, dass Werbung für Privatkredite (ohne Leasing) junge Erwachsene unter 25 Jahren nicht besonders ansprechen soll. Die Regelung soll jedoch gemäss Ansicht der Minderheit nicht der Selbstregulierung überlassen werden, sondern verbindlich als Verbot im Gesetz aufgenommen werden.

Ausgehend vom Prinzip der Selbstregulierung sollen die Kreditgeberinnen privatrechtlich definieren, welche Werbung aggressiv ist, wobei eine inhaltliche Überprüfung der Konvention nicht vorgesehen ist (Art. 36a Abs. 2 E-KKG). Eine Minderheit (Maire Jacques-André, Birrer-Heimo, de Buman, Jans, Leutenegger Oberholzer, Marra, Meier-Schatz, Pardini) schlägt vor, dass die Kreditgeberinnen in angemessener Weise definieren müssen, welche Werbung aggressiv ist. Auf diese Weise würde eine Möglichkeit geschaffen, eine formell zwar zustande gekommene privatrechtliche Konvention auch inhaltlich zu prüfen. Wäre eine solche ungenügend, könnte der Bundesrat subsidiär tätig werden.

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Für den Fall dass die Branche innert angemessener Zeit keine Selbstregulierung abschliesst, soll der Bundesrat subsidiär regeln, welche Werbung als aggressiv gilt (Art. 36a Abs. 3 E-KKG). Eine Minderheit (Maire Jacques-André, Birrer-Heimo, de Buman, Jans, Leutenegger Oberholzer, Marra, Meier-Schatz, Pardini, Ritter) fordert über die blosse Feststellung eines formellen Zustandekommens einer Konvention hinaus deren inhaltliche Prüfung durch den Bundesrat. Erachtet dieser die Konvention als ungenügend, nimmt er die Regelung vor. Absatz 3 würde damit auf Absatz 2 gemäss der Minderheit abgestimmt.

Art. 36b

Strafbestimmung

Wer gegen das Verbot der aggressiven Werbung verstösst, soll mit einer Busse bis zu 100 000 Franken bestraft werden können. Diese Strafbestimmung gilt kumulativ zu den aufsichtsrechtlichen Massnahmen, soweit solche in Zusammenhang mit der Aufsicht über die Kreditgeberinnen und -vermittlerinnen ergriffen werden können (vgl. Ziff. 2.2.3). Sie erlaubt damit auch, Kreditgeberinnen und -vermittlerinnen zu sanktionieren, die weder der Bewilligungspflicht nach KKG noch dem BankG unterstehen.

Art. 40 Abs. 1 Bst. a Die Anpassung beinhaltet keine materielle Änderung. Die heutige Formulierung in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung zum KKG (VKKG25) soll bereits auf Gesetzesstufe vorgesehen werden.

Die Gewährung und Vermittlung von Konsumkrediten untersteht einer kantonalen Bewilligungspflicht (Art. 39 und 40 KKG). Die Bewilligung wird gemäss Gesetz unter anderem erteilt, wenn die Gesuchstellerin «zuverlässig» ist (Art. 40 Abs. 1 Bst. a KKG). In Artikel 4 Absatz 1 VKKG wird dieser Begriff ausformuliert. Die Bewilligung wird unter anderem dann erteilt, wenn «Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit» geboten wird (Art. 4 Abs. 1 VKKG).

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die neu vorgesehene Meldepflicht wird in der Praxis einen gewissen administrativen Mehraufwand zur Folge haben. Da jedoch die Kreditinstitute solche Meldungen bereits heute an eine privat geführte Zentralstelle für Kreditinformationen26 vornehmen, wird dieser Aufwand vermutlich gering ausfallen. Es ist nicht davon auszugehen, dass den Kantonen aufgrund des vorgesehenen Verbots aggressiver Werbung im Rahmen des Bewilligungsverfahrens zusätzlicher Aufwand anfällt. Kommt keine Selbstregulierung durch die Branche zustande (Art. 36a Abs. 2 E-KKG), muss der Bundesrat tätig werden. Eine entsprechende Verordnung könnte durch die Bundesverwaltung vorbereitet werden, ohne dass dafür zusätzliches Personal erforderlich ist.

25 26

Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz, SR 221.214.11.

Verein zur Führung einer Zentralstelle für Kreditinformationen (ZEK).

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5

Übergangsrecht

Das Verbot der aggressiven Werbung entfaltet mit Inkrafttreten von Artikel 36a E-KKG für alle Wirkung. Mit der vorgängig durchgeführten Vernehmlassung und Ankündigung der Änderung haben die Betroffenen genügend Anpassungszeit und eine Übergangsfrist ist nicht notwendig. Idealerweise tritt die Selbstregulierungskonvention so rasch wie möglich in Kraft. Wenn innert angemessener Frist seit Inkrafttreten keine Konvention zustande gekommen ist, regelt der Bundesrat, welche Werbung aggressiv ist. Für die derzeitigen Inhaber einer Bewilligung ändert sich grundsätzlich nichts, aber die Einhaltung des Verbots aggressiver Werbung wird neu als Teil der «Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit» (Art. 40 Abs. 1 Bst. a E-KKG) und damit ihrer Pflichten angesehen. Auch für diejenigen, die neu eine Bewilligung beantragen, erfolgt keine Änderung, da die Bewilligungsvoraussetzungen unverändert bleiben. Die Einhaltung des Verbots aggressiver Werbung gehört jedoch ebenfalls zu den Pflichten der Gesuchstellerinnen. Eine Regelung von übergangsrechtlichen Fragen ist somit nicht vorzusehen.

Bezüglich der vorgesehenen Änderungen bei Vertragsschluss (Meldepflicht, Einforderung von Unterlagen) ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausschlaggebend.

Liegt dieser nach Inkrafttreten des neuen Rechts, ist neues Recht anwendbar. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen (Art. 1­4 SchlT ZGB27) und eine spezielle übergangsrechtliche Regelung erübrigt sich.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Befugnis des Bundes, auf dem Gebiet des Zivilrechts und des Konsumentenschutzes Gesetzesbestimmungen zu erlassen, beruht auf Artikel 122 Absatz 1 und Artikel 97 BV.

6.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Entwurf ermächtigt den Bundesrat zur Regelung, welche Werbung aggressiv ist, wenn innert angemessener Frist keine Selbstregulierungsvereinbarung zustande kommt (Art. 36a Abs. 3 E-KKG).

27

SR 210

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