14.029 Botschaft über die Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnungen (EU) Nr. 603/2013 und (EU) Nr. 604/2013 (Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands) vom 7. März 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit der vorliegenden Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, die Entwürfe zu zwei Bundesbeschlüssen, einem über die Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, sowie einen über die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 über die Errichtung von «Eurodac» sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung der IT-Agentur (beides Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands). Die Bundesbeschlüsse enthalten auch die für die Umsetzung der Notenaustausche erforderlichen Änderungen des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und des Asylgesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

7. März 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-1963

2675

Übersicht Die vorliegende Botschaft bezieht sich auf die Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnungen (EU) Nr. 604/2013 (nachfolgend: Dublin IIIVerordnung) und der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 (nachfolgend EurodacVerordnung) als Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands. Sie geht ferner auf die erforderlichen Anpassungen des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und des Asylgesetzes ein.

Ausgangslage Am 26. Juni 2013 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat der EU die Dublin III-Verordnung und die Eurodac-Verordnung.

Bei diesen Verordnungen handelt es sich um Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands, zu deren Übernahme sich die Schweiz im Rahmen des Dublin-Assoziierungsabkommens (DAA) grundsätzlich verpflichtet hat (Art. 1 Abs. 3 und Art. 4 DAA).

Die Verordnungen wurden der Schweiz am 3. Juli 2013 notifiziert. Der Bundesrat hat am 14. August 2013 deren Übernahme unter Vorbehalt der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen (Art. 7 Abs. 2 Bst. b DAA) gutgeheissen.

Für die Durchführung des innerstaatlichen Verfahrens zur Genehmigung und Umsetzung des entsprechenden Notenaustausches verfügt die Schweiz über eine Frist von höchstens zwei Jahren ab der Notifikation (ein allfälliges Referendum miteingerechnet). Diese Frist endet am 3. Juli 2015.

Am 18. Dezember 2013 entschied der Bundesrat, die Bestimmungen der Dublin IIIVerordnung, die direkt anwendbar sind und keiner Umsetzung auf Gesetzesstufe bedürfen, seit dem 1. Januar 2014 vorläufig anzuwenden.

Die beantragte Neuregelung A. Dublin III-Verordnung Die Dublin III-Verordnung, welche die bisherige Rechtsgrundlage (Verordnung [EG] Nr. 343/2003) ersetzt, verfolgt vier Ziele: ­

Zunächst soll das Dublin-System effizienter gestaltet werden, indem etwa die Bestimmungen für die Übertragung der Zuständigkeit präzisiert, die Fristen für die Einreichung von Wiederaufnahmeersuchen eingeführt und die Beantwortungsfristen von Informationsersuchen gekürzt werden; ferner werden zusätzliche Regelungen bezüglich die praktische Abwicklung von Überstellungen aufgenommen.

­

Darüber hinaus werden die Rechtsgarantien der betroffenen Personen gestärkt. Zum einen betrifft dies die Verfahrensrechte (Informationsrechte, Rechtsmittelgarantie, Recht auf Zugang zur Rechtsberatung und sprachlichen Unterstützung, aufschiebende Wirkung von Beschwerden gegen

2676

Zuständigkeitsentscheide), zum anderen die Regelung der Voraussetzungen Anordnung der Haft im Dublin-Verfahren und die Haftbedingungen.

­

Überdies wird dem Kindswohl bei der Zuständigkeitsprüfung neu vermehrt Rechnung getragen, und das Recht auf Zusammenführung mit Familienangehörigen in anderen Dublin-Staaten wurde ausgeweitet.

­

Schliesslich wird ein Mechanismus zur Frühwarnung und Krisenbewältigung eingeführt, um zu vermeiden, dass Dublin-Staaten, die einem besonderen Migrationsdruck ausgesetzt sind, die Funktionalität des Dublin-Systems gefährden.

Diese Neuerungen bedingen gewisse Anpassungen des Ausländergesetzes und des Asylgesetzes.

Die im Vernehmlassungsverfahren geäusserte Kritik der Kantone und der Vollzugsbehörden betraf hauptsächlich die neue Regelung der Zwangsmassnahmen im Dublin-Verfahren. Der Bundesrat hat den Erlassentwurf insbesondere unter Berücksichtigung dieser Kritik angepasst. Zudem hat er besondere Regelungen für Familien und Minderjährige in den Gesetzesentwurf aufgenommen.

B. Eurodac-Verordnung Die neue Eurodac-Verordnung, die eine Totalrevision der geltenden Verordnung darstellt, enthält im Wesentlichen folgende Neuerungen: ­

Sie bringt in erster Linie einige Neuerungen in Bezug auf die aktuelle Funktionsweise des Systems mit sich. Beispielsweise sollen zusätzliche Daten an das Zentralsystem übermittelt werden. Dadurch sind mehr Informationen zum Verfahren verfügbar ­ namentlich das Ausreisedatum, wenn eine Person den Dublin-Raum verlassen hat, oder das Datum, an dem ein Staat sich freiwillig bereit erklärt, die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylgesuchs zu übernehmen. Ausserdem sollen neu die Daten von Personen, die in einem Dublin-Staat internationalen Schutz erhalten haben, in der EurodacDatenbank sichtbar sein, um eine mögliche Rückkehr in diesen Staat zu ermöglichen. Diese Rückkehr hat aber nicht aufgrund der Dublin III-Verordnung, sondern aufgrund der bilateralen Rückübernahmeabkommen zu erfolgen.

­

Zudem ist die Einführung von Fingerabdruckspezialistinnen oder -spezialisten vorgesehen, die bei einem Treffer in der Eurodac-Datenbank die Resultate überprüfen müssen. Die Schweiz kann jedoch selber bestimmen, wie sie die Funktion dieser Fachleute in organisatorischer Hinsicht regelt.

­

Ausserdem werden die Datenschutzbestimmungen in Bezug auf das Eurodac-System verschärft. Jegliche Übermittlung dieser Daten ausserhalb des Dublin-Raums oder an private Organisationen ist ausgeschlossen.

Diese Neuerungen bedingen gewisse Anpassungen des Ausländergesetzes und des Asylgesetzes.

Der in der Verordnung vorgesehene Zugriff auf die Eurodac-Daten zu polizeilichen Zwecken stellt nicht an sich eine Weiterentwicklung des Dublin-Besitzstands dar und

2677

findet somit keine Anwendung auf die Schweiz. Falls die Schweiz einen solchen Zugriff wünscht, müsste einerseits ein zusätzliches Abkommen, das die Modalitäten dieses Zugriffs bestimmt, und andererseits ein weiteres Abkommen, das eine Beteiligung der Schweiz an der Prümer Zusammenarbeit der EU-Staaten im Polizeibereich vorsieht, abgeschlossen werden. Denn die Berechtigung zu einem Zugriff auf die Eurodac-Daten soll nur dann erteilt werden können, wenn die Abfragen in den Informatiksystemen der Staaten, die sich an der Prümer Zusammenarbeit beteiligen, erfolglos waren.

Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer hat sich zustimmend zur Übernahme der neuen Eurodac-Verordnung geäussert. Der Vernehmlassungsentwurf hat daher keine Änderungen erfahren.

2678

Inhaltsverzeichnis Übersicht

2676

1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Inhalt der Vorlage

2681 2681 2683

2

Verfahren zur Übernahme der Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands

2683

3

4

5

Bundesbeschluss zur Dublin III-Verordnung 3.1 Inhalt der Dublin-III Verordnung 3.1.1 Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Systems 3.1.2 Stärkung der Rechtsgarantien für Personen, die dem Dublin-Verfahren unterliegen 3.1.3 Einheit der Familie und Bedürfnisse unbegleiteter Minderjähriger sowie anderer schutzbedürftiger Personen 3.1.4 Einführung eines Frühwarnmechanismus 3.1.5 Ausweitung des Anwendungsbereichs 3.2 Wichtigste Änderungen im Asylgesetz und im Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer aufgrund der Dublin III-Verordnung 3.3 Verhältnis zur geplanten Neustrukturierung des Asylbereichs 3.4 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zur Dublin III-Verordnung und Haltung des Bundesrates 3.5 Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 3.5.1 Bestimmungen des AuG 3.5.2 Bestimmungen des AsylG

2685 2685 2685

Bundesbeschluss zur Eurodac-Verordnung 4.1 Inhalt der Eurodac-Verordnung 4.1.1 Übermittlung zusätzlicher Daten an das Zentralsystem 4.1.2 Datenmarkierung 4.1.3 Zugriff auf Daten zu Strafverfolgungszwecken 4.1.4 Fingerabdruckspezialist 4.1.5 Übermittlung der Daten 4.2 Wichtigste Gesetzesänderungen aufgrund der Eurodac-Verordnung 4.3 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zur Eurodac-Verordnung und Haltung des Bundesrats 4.4 Beantragte Regelung 4.5 Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 4.5.1 Bestimmungen des AuG 4.5.2 Bestimmungen des AsylG

2710 2710 2711 2712 2713 2714 2714

Auswirkungen 5.1 Auswirkungen auf den Bund 5.2 Auswirkungen auf die Kantone

2722 2722 2722

2687 2690 2690 2691

2691 2692 2692 2699 2699 2708

2714 2715 2716 2717 2717 2720

2679

6

Verhältnis zur Legislaturplanung

7

Rechtliche Aspekte der Übernahme und Umsetzung der Dublin III-Verordnung und der Eurodac-Verordnung 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.1.1 Bundesbeschlüsse 7.1.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen 7.2 Partielle vorläufige Anwendbarkeit von Bestimmungen der Dublin III-Verordnung

2722 2723 2723 2723 2724 2724

Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahmeder Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands) (Entwurf)

2727

Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 über die Errichtung von «Eurodac» sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung der IT-Agentur (Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands) (Entwurf)

2735

Notenaustausch vom 14. August 2013 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands)

2741

Notenaustausch vom 14. August 2013 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 über die Errichtung von «Eurodac» sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung der IT-Agentur (Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands)

2743

2680

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Am 26. Juni 2013 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat der EU die Verordnungen (EU) Nr. 604/20131 (nachfolgend «Dublin III-Verordnung») und (EU) Nr. 603/20132 (nachfolgend «Eurodac-Verordnung»). Die Verordnungen wurden der Schweiz am 3. Juli 2013 als Weiterentwicklungen des Dublin/EurodacBesitzstands notifiziert. Da sich die Schweiz im Rahmen des Dublin-Assoziierungsabkommens (DAA)3 grundsätzlich verpflichtet hat, alle Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands4 zu übernehmen und soweit erforderlich in das Schweizer Recht umzusetzen (Art. 1 Abs. 3 und Art. 4 DAA), hat der Bundesrat die Übernahme der beiden EU-Verordnungen am 14. August 2013 unter Vorbehalt der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen (Art. 7 Abs. 2 Bst. b DAA) gutgeheissen.

Die beiden Verordnungen basieren auf Vorschlägen der Europäischen Kommission5 vom 3. Dezember 2008. Die Beratungen über die Verordnungstexte wurden von den Mitgliedstaaten der EU zwischen 2008 und 2013 in der zuständigen Arbeitsgruppe des Rats der EU, im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (COREPER) und auf Ministerebene geführt. Die Vertreterinnen und Vertreter des 1

2

3

4 5

Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. L 180 vom 29.06.2013, S. 31.

Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Einreichung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Neufassung), ABl. L 180 vom 29.06.2013, S. 1.

Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags, SR 0.142.392.68.

Vgl. Art. 1 DAA.

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), KOM (2008) 820 endgültig; und Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung von «EURODAC» für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EG) Nr. [.../...] zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, KOM (2008) 825 endgültig.

2681

Bundes und der Kantone konnten im Rahmen des Gemeinsamen Ausschusses Dublin/Eurodac ihren Standpunkt zu den Verordnungsentwürfen gemäss dem Mitspracherecht der assoziierten Staaten einbringen.

Die Dublin III-Verordnung setzt die Verordnung (EG) Nr. 343/20036 (Dublin II-Verordnung) ausser Kraft, die von der Schweiz mit der Unterzeichnung des Dublin-Assoziierungsabkommens übernommen wurde. Ihr Zweck ist die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylgesuchs zuständigen Staates, die Verhütung von missbräuchlichen Mehrfachgesuchen (sog. «asylum shopping») sowie um zu verhindern, dass sich kein Staat für Asylsuchende als zuständig erklärt (sog. «refugees in orbit»). Mit der neuen Eurodac-Verordnung, welche die bestehende Rechtsgrundlage (Verordnung (EG) Nr. 2725/20007) ablöst, wird das Eurodac-System verbessert, das auch in der Schweiz zur Durchführung der Dublin-Verordnung im Einsatz ist. Die Eurodac-Datenbank enthält insbesondere die Fingerabdrücke der Asylsuchenden in den Dublin-Staaten und erleichtert damit die Feststellung des zuständigen Dublin-Staates.

Die beiden Verordnungen sind am 19. Juli 2013 in der EU in Kraft getreten (20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im ABl.). Den effektiven Anwendungszeitpunkt regeln sie jedoch in ihren Schlussbestimmungen. Während die neue EurodacVerordnung erst zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten im Dublin-Raum, d. h. ab dem 20. Juli 2015, angewendet werden (Art. 46 Eurodac-Verordnung) wird, findet die Dublin III-Verordnung bereits seit dem 1. Januar 2014 Anwendung (Art. 49 Dublin III-Verordnung).

Obwohl die Schweiz für die Übernahme und Umsetzung der beiden Verordnungen gestützt auf das DAA über eine Frist von zwei Jahren verfügt (Ziff. 2), hat der Bundesrat am 18. Dezember 2013 im Einklang mit Artikel 4 Absatz 3 DAA ­ nach dieser Bestimmung wendet die Schweiz Weiterentwicklungen des Dublin/EurodacBesitzstands, die für die EU-Mitgliedstaaten bereits vor Ablauf der Zwei-JahresFrist anwendbar werden, «wenn möglich» vorläufig an ­ beschlossen, die direkt anwendbaren Bestimmungen der Dublin III-Verordnung bereits ab dem 1. Januar 2014 vorläufig anzuwenden.8 Damit wurde verhindert, dass die Schweiz die neuen Regeln rund anderthalb Jahre später anwendet als die anderen Dublin-Staaten. Dies würde zu praktischen Problemen führen und könnte die Beziehungen der Schweiz zu
den übrigen Dublin-Staaten beeinträchtigen. Die staatspolitischen Kommissionen des National- und Ständerates wurden zur vorläufigen Anwendung konsultiert und gaben ihr Einverständnis dazu (siehe auch Ziff. 7.2). Eine vorläufige Anwendung der Eurodac-Verordnung ist nicht erforderlich, da sie erst ab dem 20. Juli 2015 angewendet wird.

6

7

8

Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1 (vgl. Art. 1 DAA).

Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von «Eurodac» für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens des Rates, ABl. L 316 vom 15.12.2000, S. 1 (vgl. Art. 1 DAA).

AS 2013 5505

2682

1.2

Inhalt der Vorlage

Die vorliegende Botschaft bezieht sich auf die Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Dublin III-Verordnung bzw. der Eurodac-Verordnung als Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands. Dazu unterbreitet der Bundesrat dem Parlament je einen Bundesbeschluss zur Übernahme der Dublin III-Verordnung und zur Übernahme der Eurodac-Verordnung. Diese Bundesbeschlüsse enthalten auch die für deren Umsetzung erforderlichen Gesetzesanpassungen.

Der überwiegende Teil der Dublin III-Verordnung erfordert keine gesetzlichen Anpassungen, da das geltende Recht diesen Vorgaben bereits entspricht oder weil die Bestimmungen direkt anwendbar und im Einklang mit dem geltenden Recht sind. Die wichtigste Änderung betrifft die im Ausländergesetz (AuG) geregelte Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft in Dublin-Fällen. Hier sind Anpassungen bei der Anordnung, der Dauer und der Überprüfung erforderlich (siehe Ziff. 3.5.1). Im Asylgesetz (AsylG) muss insbesondere die Wiederaufnahme des Verfahrens nach erfolgter Abschreibung des Asylgesuchs geregelt werden. Zudem muss die Regelung über die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde angepasst werden (siehe Ziff. 3.5.2). Sowohl im AuG als auch im AsylG werden die Verweise auf die neue Dublin III-Verordnung nachgeführt.

Die Eurodac-Verordnung zieht ebenfalls nur wenige gesetzliche Anpassungen nach sich. Es werden insbesondere die Bestimmungen über die Datenbearbeitung im AuG wie im AsylG präzisiert (siehe Ziff. 4.2 und 4.5.1 und 4.5.2). Zudem wird neu eine Fingerabdruckspezialistin oder ein Fingerabdruckspezialist für die Prüfung der Resultate der Eurodac-Abfragen eingesetzt.

2

Verfahren zur Übernahme der Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands

Artikel 4 DAA sieht ein spezielles Verfahren für die Übernahme und Umsetzung der Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands vor. Zunächst notifiziert die EU der Schweiz «unverzüglich» die Annahme von Rechtsakten oder Massnahmen, die eine Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands darstellen. Danach verfügt der Bundesrat über eine Frist von 30 Tagen, um dem zuständigen Organ der EU (Rat der EU oder Kommission) zu notifizieren, ob die Schweiz beabsichtigt, die Weiterentwicklung zu übernehmen. Diese Frist läuft ab der Annahme des Rechtsakts durch die EU.

Diese Notifizierungen bilden einen Notenaustausch, der aus Sicht der Schweiz einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt. Im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben muss dieser Vertrag entweder vom Bundesrat oder vom Parlament und, im Fall eines Referendums, vom Volk genehmigt werden. Ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Notenaustauschs zuständig, muss die Schweiz der EU in ihrer Antwortnote mitteilen, dass die betreffende Weiterentwicklung für sie erst nach Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Voraussetzungen rechtsverbindlich wird (Art. 4 Abs. 3 DAA). In diesem Fall verfügt die Schweiz für die Übernahme und Umsetzung der Weiterentwicklung über eine Frist von höchstens zwei Jahren ab der Notifizierung durch die EU. Innerhalb dieser Frist muss auch eine allfällige Referendumsabstimmung stattfinden. Sind alle verfassungsrechtlichen Voraussetzungen 2683

erfüllt, unterrichtet die Schweiz den Rat und die Kommission unverzüglich in schriftlicher Form. Wird kein Referendum ergriffen, erfolgt diese Mitteilung unverzüglich nach Ablauf der Referendumsfrist.

Die Notenaustausche betreffend die Übernahme von Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands treten zum Zeitpunkt der Übermittlung dieser Mitteilung in Kraft, die der Ratifizierung des Notenaustauschs gleichkommt.

Werden die Weiterentwicklungen durch die Schweiz nicht innerhalb der Frist von zwei Jahren übernommen, gelangt das spezielle Verfahren zur Anwendung, das im DAA (Art. 4 Abs. 6 und 7) vorgesehen ist: Das Abkommen wird ausgesetzt und der Gemeinsame Ausschuss prüft innerhalb von 90 Tagen eine einvernehmliche Lösung.

Kann keine Lösung erzielt werden, gilt das Abkommen nach Ablauf dieser Frist als beendet.9 Vorliegend wurden die beiden Verordnungen der Schweiz am 3. Juli 2013 notifiziert. Folglich läuft die zweijährige Frist für die Übernahme und Umsetzung am 3. Juli 2015 ab. Um praktische Probleme bei der Zusammenarbeit mit den andern Dublin-Staaten zu vermeiden, hat der Bundesrat am 18. Dezember 2013 beschlossen, die Dublin-Verordnung ab dem 1. Januar 2014 teilweise vorläufig anzuwenden (siehe Ziff. 7.2).

Wenn das Verfahren zur Übernahme und Umsetzung fristgerecht abgeschlossen wurde, die Schweiz jedoch den betreffenden EU-Rechtsakt fehlerhaft im nationalen Recht umgesetzt hat (nicht Dublin-konforme Umsetzung), kann das Streitbeilegungsverfahren nach Artikel 7 DAA zur Anwendung kommen. Es kann auch zur Anwendung kommen, wenn wesentliche Abweichungen in der Rechtsanwendung (Auslegung) festgestellt werden. Das Verfahren beginnt, wenn die fehlerhafte Umsetzung (oder wesentliche Abweichung in der Rechtsanwendung) als Streitpunkt auf die Tagesordnung des Gemeinsamen Ausschusses gesetzt wird. Bevor wegen einer wesentlichen Abweichung der Rechtsprechung oder Praxis der Vertragsparteien zum Dublin-Besitzstand das eigentliche Streitbeilegungsverfahren beginnt, haben die Parteien zunächst im Gemeinsamen Ausschusses zwei Monate Zeit, um die einheitliche Auslegung und Anwendung des Besitzstands sicherzustellen. Erst wenn dies nicht gelingt, kommt das Streitbeilegungsverfahren nach Artikel 7 DAA zur Anwendung.

Ab diesem Zeitpunkt verfügen die Parteien über eine Frist von 90 Tagen zur Beilegung
des Streits, was einen einstimmigen Beschluss voraussetzt. Wird innert dieser Frist keine Einigung erzielt, so wird die Frist nochmals um 90 Tage verlängert. Kann der Streit auch dann noch nicht definitiv beigelegt werden, so gilt das DAA mit Ablauf des letzten Tages der Frist automatisch und definitiv als beendet. Eine weitere Verlängerung der Konsultationsfrist ist nicht möglich.

9

Vgl. Botschaft zur Genehmigung der bilateralen Abkommen II, BBl 2004 6133 ff.

2684

3

Bundesbeschluss zur Dublin III-Verordnung

3.1

Inhalt der Dublin-III Verordnung

Die Dublin-Zusammenarbeit basiert auf dem Grundsatz, dass jedes Asylgesuch, das im Dublin-Raum gestellt wird, auch effektiv geprüft wird und nur ein Staat für die Behandlung eines bestimmten Asylgesuchs zuständig ist. Die Kriterien der Dublin III-Verordnung legen fest, welcher Staat für die Behandlung eines Asylgesuchs zuständig ist. Damit wird eine mehrfache Prüfung des gleichen Sachverhalts vermieden. Diese Zuständigkeitsregeln verhindern zudem, dass sich für die asylsuchenden Personen kein Staat als zuständig erachtet (Vermeidung von sogenannten «refugees in orbit»).

Auch wenn die Grundprinzipien des Dublin-Systems durch die Neufassung der Dublin II-Verordnung unangetastet bleiben, so führt die Dublin-III Verordnung doch zu verschiedenen Anpassungen in Bezug auf die Funktionsweise des DublinSystems. Die wichtigsten Punkte werden nachfolgend erläutert.

3.1.1

Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Systems

Mit folgenden Änderungen soll das Dublin-System effizienter gestaltet und damit die Leistungsfähigkeit des Systems insgesamt erhöht werden: Effizienzsteigerung durch Einführung neuer Fristen Eine Verpflichtung zur Aufnahme (sog. «take charge») besteht, wenn aufgrund der Dublin-Kriterien nicht der aktuelle Aufenthaltsstaat des Gesuchstellers, in welchem dieser ein Asylgesuch eingereicht hat, sondern ein anderer Dublin-Staat, in welchem der Gesuchsteller kein Asylgesuch eingereicht hat, für die Behandlung des Gesuchs verantwortlich ist.

Die Fristen zum Stellen eines Aufnahmeersuchens (Art. 21 Abs. 1 Dublin III-Verordnung) haben sich im Vergleich zur Dublin II-Verordnung geändert: Liegt ein Eurodac-Treffer vor, muss das Aufnahmeersuchen neu innerhalb von zwei Monaten nach dem Resultat des Eurodac-Abgleichs gestellt werden (bisher drei Monate).

Liegt kein Eurodac-Treffer vor, gilt weiterhin die bisherige Frist von drei Monaten ab Einreichung des Asylgesuchs. Darüber hinaus ergeben sich hier keine Änderungen (Art. 21 Dublin III-Verordnung entspricht materiell Art. 17 Dublin II-Verordnung).

Wiederaufnahme (sog. «take back») bedeutet, dass ein Dublin-Staat, in dem ein Asylgesuch eingereicht wurde, verpflichtet ist, die betroffene Person zwecks Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens zurückzunehmen, wenn sich diese nach Eröffnung des Asylverfahrens in einen anderen Dublin-Staat begeben hat. Dies gilt unabhängig davon, ob das Asylgesuch zurückgezogen, rechtskräftig abgewiesen wurde, oder immer noch hängig ist. Bei den Wiederaufnahmeersuchen werden neu Fristen eingeführt (Art. 23 Dublin III-Verordnung); bislang waren sie an keine Frist gebunden. Stützt sich das Wiederaufnahmeersuchen auf einen Eurodac-Treffer, müssen sie innerhalb von zwei Monaten nach dem Erhalt des Resultats der EurodacDatenbank gestellt werden. Liegt kein Eurodac-Treffer vor, beträgt die Frist drei Monate ab Einreichung des Asylgesuchs.

2685

Hält sich eine ausländische Person in einem Dublin-Staat auf, ohne dort ein Asylgesuch zu stellen, kann ebenfalls ein Wiederaufnahmegesuch gestellt werden, wenn sie in einem anderen Dublin-Staat bereits ein Asylgesuch eingereicht bzw. ein Asylverfahren durchlaufen hat (Art. 24 Dublin III-Verordnung). Dabei gelten die gleichen Fristen wie für andere Wiederaufnahmeersuchen (Art. 24 Abs. 2 Dublin III-Verordnung). Zudem besteht gestützt auf Artikel 24 Absatz 4 Dublin III-Verordnung die Möglichkeit, die Wegweisung in den Heimat- oder Herkunftsstaat im Einklang mit den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie10 selbst zu vollziehen. Erfolgt indessen ein Dublin-Ersuchen an den zuständigen Dublin-Staat, so sind die Grundsätze der Rückführungsrichtlinie jedoch nicht zu beachten.

Diese neuen Fristen werden in der Praxis bereits heute von der Schweiz eingehalten.

Ermessensklauseln Bereits Artikel 3 Absatz 2 der Dublin II-Verordnung (sog. Souveränitätsklausel) sah vor, dass jeder Dublin-Staat ein Asylgesuch materiell prüfen konnte, auch wenn gemäss den in der Verordnung aufgeführten Kriterien ein anderer Dublin-Staat zur Prüfung zuständig wäre (sog. Selbsteintritt). Dadurch wurde dieser Dublin-Staat für das Asylverfahren zuständig und musste die Prüfung des Asylgesuchs vornehmen und die betreffende Person gegebenenfalls auch in den jeweiligen Drittstaat rückführen. Zudem konnte jeder Dublin-Staat auf Ersuchen eines anderen Dublin-Staates die Behandlung eines Asylgesuchs, für das er nicht zuständig ist, aus humanitären Gründen übernehmen, sofern die asylsuchende Person dem zustimmt (sog. Humanitäre Klausel, Art. 15 Dublin II-Verordnung).

Diese beiden Klauseln werden ohne wesentliche inhaltliche Änderungen in den Artikeln 16 und 17 Dublin III-Verordnung zusammengefasst und näher ausgeführt.

Die Schweiz kann ihre bisherige Praxis in diesem Bereich beibehalten, da die neue Verordnung diesbezüglich zu keiner inhaltlichen Änderung führt.

Präzisierungen bei der Übertragung der Zuständigkeit Die Bestimmungen für die Übertragung der Zuständigkeit für Asylsuchende (Art. 19 Dublin III-Verordnung) zwischen den Dublin-Staaten wurden präziser gefasst. Die Erlöschensgründe für die Zuständigkeit, die Beweislast und die Folgen einer Übertragung werden ausführlicher geregelt. Diese Klarstellungen sollen eine einheitlichere
Anwendung der Dublin III-Verordnung gewährleisten und die Bestimmung des zuständigen Dublin-Staats erleichtern. Mit diesen Präzisierungen sind keine inhaltlichen Änderungen verbunden.

Einführung zusätzlicher Bestimmungen für Überstellungen Es wurden zusätzliche Bestimmungen in die Dublin III-Verordnung aufgenommen, welche die Zusammenarbeit zwischen den Dublin-Staaten bei der praktischen Abwicklung von Überstellungen erleichtern sollen. So werden neu die irrtümliche Überstellung (Art. 29 Abs. 3 Dublin III-Verordnung) und die Kosten für Überstellungen (Art. 30 Dublin III-Verordnung) geregelt. Der überstellende Dublin-Staat hat die Kosten für die Überstellung zu tragen. Dasselbe gilt bei einer irrtümlichen Über-

10

Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348 vom 24.2.2008, S. 98.

2686

stellung für die Kosten des Rücktransportes in das Hoheitsgebiet des überstellenden Staats. Diese Regeln gelten aber in der Praxis bereits heute.

Zudem wurde eine Pflicht zum Austausch relevanter Informationen vor einer Überstellung eingeführt (Art. 31 Dublin III-Verordnung). So sollen mittels des elektronischen Datenübermittlungskanals «DubliNet» nur personenbezogene Daten der zu überstellenden Gesuchstellerin oder des zu überstellenden Gesuchstellers übermittelt werden, die es den Asylbehörden im zuständigen Dublin-Staat ermöglichen, die asylsuchende Person entsprechend zu empfangen und die allenfalls notwendige medizinische Versorgung leisten zu können. Vor einer Überstellung sollen neu Gesundheitsdaten mittels einer gemeinsamen Gesundheitsbescheinigung ausgetauscht werden (Art. 32 Dublin III-Verordnung). Der Austausch dieser Daten erfolgt nur mit ausdrücklicher Einwilligung der asylsuchenden Person oder ihres Vertreters.

Die Schweiz hat ihre Praxis in diesen Punkten den neuen Vorgaben auf den 1. Januar 2014 angepasst; Gesetzesanpassungen sind diesbezüglich jedoch nicht erforderlich.

Ausweitung des bestehenden Schlichtungsverfahrens Das Schlichtungsverfahren galt bislang nur bei Differenzen über die Anwendung der «humanitären Klausel». Durch die Dublin III-Verordnung wird es auf alle Streitfälle, welche die Anwendung der Dublin III-Verordnung betreffen, ausgeweitet (Art. 37 Abs. 1 Dublin III-Verordnung).

Das Schlichtungsverfahren wird ausgelöst, wenn ein Dublin-Staat dies im Fall einer Meinungsverschiedenheit verlangt. Mit ihrer Annahme dieses Verfahrens verpflichten sich die betroffenen Dublin-Staaten, der von einem Ausschuss vorgeschlagenen Lösung Rechnung zu tragen. Der Ausschuss hat innerhalb eines Monats zu entscheiden. Die vorgeschlagene Lösung ist definitiv und kann nicht revidiert werden.

3.1.2

Stärkung der Rechtsgarantien für Personen, die dem Dublin-Verfahren unterliegen

Um den besonderen Bedürfnissen der asylsuchenden Personen besser zu entsprechen und ein höheres Schutzniveau zu gewährleisten, werden die Rechtsgarantien durch folgende Änderungen gestärkt: Obligatorisches Gespräch Neu wird vorgeschrieben, dass mit den asylsuchenden Personen zu Beginn des Verfahrens ein Gespräch geführt wird (Art. 5 Dublin III-Verordnung). Es soll den Behörden ermöglichen, alle notwendigen Informationen zur Bestimmung des zuständigen Dublin-Staates zu erhalten sowie die betroffene Person über die Anwendung der Dublin III-Verordnung aufzuklären. Auf das Gespräch kann verzichtet werden, wenn die asylsuchende Person untergetaucht ist (Abs. 2 Bst. a) oder er bereits sachdienliche Angaben gemacht hat (Abs. 2 Bst. b).

Für die Schweiz ergeben sich aufgrund dieser Bestimmung keine neuen Verpflichtungen, da solche Gespräche bereits nach geltendem Recht in der Vorbereitungsphase durchführt werden (Befragung zur Person; Art. 26 Abs. 2 AsylG).

2687

Informationsrechte der Asylsuchenden Inhalt und Form der Informationen, die die zuständigen Behörden den betroffenen Personen bereitstellen müssen, werden ausführlich geregelt (Art. 4 Dublin III-Verordnung). Neu sollen sie nicht nur wie bereits heute über die Anwendung der Dublin III-Verordnung, die Rangfolge der Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Dublin-Staats, die Möglichkeit eines persönlichen Gesprächs und die Beschwerdemöglichkeit orientiert werden, sondern auch über die Konsequenzen einer selbständigen Aus- und Weiterreise.

Diese Informationen finden sich in einer Broschüre («common leaflet»), welche von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellt wird. Alle Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller erhalten somit in allen Dublin-Staaten die gleichen Informationen.

Für unbegleitete minderjährige Gesuchsteller steht zudem eine Broschüre zur Verfügung, welche die besondere Situation von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt.

Die Schweiz muss die Information der Asylsuchenden in der Praxis entsprechend anpassen bzw. ergänzen. Gesetzesänderungen sind jedoch nicht erforderlich.

Präzisierung der Bestimmungen zur Wiederaufnahme des nationalen Asyl- und Wegweisungsverfahrens Um sicherzustellen, dass der Grundsatz des effektiven Zugangs zum Asylverfahren gewahrt wird, präzisiert die Dublin III-Verordnung, dass der zuständige DublinStaat die einmal begonnene Prüfung des Asylgesuchs abschliessen muss.

Dies gilt auch, wenn eine betroffene Person während der Prüfung des Asylgesuchs ein zusätzliches Gesuch in einem anderen Dublin-Staat stellt oder sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Dublin-Staates aufhält (Art. 18 Abs. 2 Dublin III-Verordnung). Der zuständige Dublin-Staat muss sicherstellen, dass die gesuchstellende Person den Abschluss der Prüfung ihres Asylgesuchs beantragen kann. Hat die gesuchstellende Person im zuständigen Dublin-Staat lediglich einen erstinstanzlichen Entscheid erhalten, muss dieser Staat auch die Rechtsweggarantie gewährleisten.

Diese neuen Vorgaben erfordern eine Änderung des Asylgesetzes (siehe Ziff. 3.5.2).

Präzisierung der Rechtsweggarantie Der Überstellungsentscheid muss eine Rechtsmittelbelehrung mit dem Hinweis auf die Möglichkeit enthalten, die aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zu verlangen (Art. 26 Abs. 2 Dublin III-Verordnung). Zudem
haben die Staaten sicherzustellen, dass die Betroffenen über die Voraussetzungen für eine unentgeltliche Rechtsberatung informiert werden. Verfügt die gesuchstellende Person nicht über eine Rechtsvertretung oder einen anderen unterstützenden Berater, so hat die Information über den Wegweisungsentscheid (mögliche Rechtsmittel, Fristen etc.) in einer für sie verständlichen Sprache zu erfolgen (Abs. 3).

Es besteht ein Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen einen Überstellungsbeschluss (Art. 27 Abs. 1 Dublin III-Verordnung).

Eine neue Bestimmung legt fest, dass die Dublin-Staaten zum Zweck der Revision oder Beschwerde gegen einen Überstellungsentscheid in ihrem innerstaatlichen Recht eine der drei in der Dublin III-Verordnung vorgesehenen Varianten bezüglich der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde festlegen müssen (Abs. 3). Den Dublin-Staaten stehen die folgenden drei Möglichkeiten zur Verfügung: 2688

­

Die Beschwerde oder die Revision verleiht an sich das Recht, bis zum Abschluss des Verfahrens im betreffenden Staat zu bleiben.

­

Die Überstellung wird automatisch ausgesetzt, und die Aussetzung endet nach einer angemessenen Frist, während der die Behörde über die aufschiebende Wirkung zu entscheiden hat.

­

Die betroffene Person hat die Möglichkeit, bei der Gerichtsbehörde innerhalb einer angemessenen Frist zu beantragen, dass der Vollzug des Überstellungsentscheids ausgesetzt wird. Die Überstellung wird ausgesetzt, bis die Behörde über den Antrag auf Aussetzung entschieden hat. Dieser Entscheid hat in angemessener Frist zu erfolgen. Wird entschieden, den Vollzug des Überstellungsentscheids nicht auszusetzen, ist dies zu begründen. Dies entspricht der Lösung, die in der Schweiz zur Anwendung gelangt (vgl. Kommentar zu Art. 107a AsylG, Ziff. 3.5.2).

Die Dublin-Staaten können ausserdem festlegen, dass die zuständigen Behörden von Amts wegen beschliessen können, den Vollzug des Überstellungsentscheids bis zum Abschluss der Beschwerde oder der Revision auszusetzen (Abs. 4).

Zudem wurde das Recht auf rechtliche Beratung sowie bei Bedarf auf sprachliche Hilfe konkretisiert (Abs. 5). Die rechtliche Beratung ist auf Antrag der betroffenen Person unentgeltlich zu gewähren, falls die Person mittellos ist und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege ist ein Rechtsmittel vorzusehen (Abs. 6).

Für die Schweiz ergibt sich aus dieser neuen Bestimmung folgender Handlungsbedarf: Bezüglich des Entscheids über die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den Überstellungsentscheid ist eine Änderung von Artikel 107a AsylG erforderlich (siehe Ziff. 3.5.2). Neu müssen zudem das Dispositiv und die Rechtsmittelbelehrung der Wegweisungsentscheide in eine für die betroffene Person verständliche Sprache übersetzt werden, wenn keine Rechtsvertretung besteht.

In den übrigen Punkten entsprechen das geltende Recht und die bisherige Praxis den Anforderungen der Dublin III-Verordnung in diesem Bereich.

Einführung von besonderen Haftbestimmungen bei Dublin-Verfahren In die Dublin III-Verordnung wurde neu eine Bestimmung aufgenommen, welche die Administrativhaft im Rahmen des Dublin-Verfahrens regelt. Der darin enthaltene Grundsatz legt fest, dass keine Person nur deshalb inhaftiert werden darf, weil sie sich in einem Dublin-Verfahren befindet (Art. 28 Abs. 1 Dublin III-Verordnung).

Die Haft darf nur angeordnet werden, wenn eine erhebliche Gefahr besteht, dass die betroffene Person untertaucht, und nur wenn sie verhältnismässig ist und weniger einschneidende Massnahmen zur Sicherstellung des Vollzugs nicht genügen (Abs. 2). Kann die Überstellung nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen durchgeführt werden, muss die betroffene Person zudem aus der Haft entlassen werden (Abs. 3).

Die Umsetzung dieser Bestimmung in der Schweiz erfordert eine Anpassung des AuG insbesondere bezüglich der maximalen Dauer der angeordneten Haft und der möglichen Haftgründe (siehe Ziff. 3.5.1).

2689

3.1.3

Einheit der Familie und Bedürfnisse unbegleiteter Minderjähriger sowie anderer schutzbedürftiger Personen

Das Recht auf Zusammenführung mit Familienangehörigen wurde auf diejenigen Personen ausgeweitet, die subsidiären Schutz geniessen oder beantragt haben und sich in einem anderen Dublin-Staat befinden (Art. 9 und 10 Dublin III-Verordnung).

Neu wird einerseits die Zusammenführung von «abhängigen» Familienangehörigen (Art. 16 Dublin III-Verordnung) geregelt; ein abhängiger Familienangehöriger ist ein Angehöriger, der auf die Unterstützung der asylsuchenden Person angewiesen ist, oder die asylsuchende Person, die auf die Unterstützung eines Familienangehörigen angewiesen ist. Andererseits wird neu die Zusammenführung von unbegleiteten Minderjährigen mit Angehörigen geregelt, die für sie sorgen können. Diese beiden Aspekte wurden in die verbindlichen Zuständigkeitskriterien aufgenommen. Das «Kindswohl» wurde als ein vorrangiges Kriterium für die Zuständigkeitsprüfung bestimmt (Art. 6 Abs. 1 und 8 Dublin III-Verordnung); der Grundsatz der Einheit der Familie wird dadurch gestärkt.

Zudem wurde die Definition des Begriffs «Familienangehörige» ausgeweitet (neben Vater und Mutter neu auch andere Erwachsene, die für den Minderjährigen verantwortlich sind, Art. 2 Bst. g Dublin III-Verordnung). Neu werden zudem die Begriffe «Verwandter» (Art. 2 Bst. h Dublin III-Verordnung) und «Minderjähriger» (Art. 2 Bst. i Dublin III-Verordnung) definiert.

Damit werden die Interessen unbegleiteter Minderjähriger und anderer schutzbedürftiger Personen während des Dublin-Verfahrens besser geschützt. Die für sie geltende Regelung wurden klarer gefasst und zusätzliche Schutzvorschriften eingeführt.

Zudem wird das Recht auf eine Vertretung oder eine Unterstützung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden festgeschrieben (Art. 6 Abs. 2).

Sind keine Familienmitglieder oder sonstige Verwandte vorhanden, ist derjenige Dublin-Staat für die Prüfung des Gesuches eines unbegleiteten Minderjährigen zuständig, in dem er sein Gesuch gestellt hat, sofern dies seinem Wohl dient (Art. 8 Abs. 4 Dublin III-Verordnung). Seit dem Urteil vom 6. Juni 2013 des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-648/11 (MA u. a.), der diese Frage thematisiert hat, sind Dublin-Verfahren mit unbegleiteten Minderjährigen stark eingeschränkt.

Die Praxis des BFM wurde entsprechend schon am 12. Juli 2013 angepasst. Eine Umsetzung auf Gesetzesstufe ist hier nicht notwendig.

3.1.4

Einführung eines Frühwarnmechanismus

Um zu vermeiden, dass Dublin-Staaten, die einem besonderen Migrationsdruck ausgesetzt sind, die Funktionsfähigkeit des Dublin-Systems gefährden, wird neu ein Mechanismus zur Frühwarnung, Vorsorge und Krisenbewältigung eingeführt (Art. 33 Dublin III-Verordnung). Dadurch sollen problematische Situationen (z. B.

wie momentan in Griechenland) frühzeitig erkannt und wenn möglich verhindert werden. Dieser Frühwarnmechanismus ist zweistufig aufgebaut: Es wird zwischen dem präventiven Aktionsplan und dem Aktionsplan zur Krisenbewältigung unterschieden.

2690

Gelangt die europäische Kommission, insbesondere auf Grundlage der vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) gesammelten Daten, zum Resultat, dass die Anwendung der Dublin III-Verordnung durch einen Dublin-Staat beeinträchtigt sein könnte (z. B. aufgrund eines besonderen Migrationsdrucks), spricht sie Empfehlungen aus. Sie fordert den betroffenen Dublin-Staat zur Ausarbeitung eines präventiven Aktionsplans auf (Abs. 1). Stellt sie auf Grundlage der Analyse des EASO fest, dass die festgestellten Mängel im Rahmen dieses Aktionsplans nicht behoben wurden oder sich eine Krise abzeichnet, kann die Kommission den betroffenen Dublin-Staat auffordern, innerhalb von drei Monaten einen Krisenbewältigungsaktionsplan auszuarbeiten (Abs. 3).

Die Einführung eines solchen Frühwarnmechanismus liegt auch im Interesse der Schweiz.

3.1.5

Ausweitung des Anwendungsbereichs

Der Anwendungsbereich der Dublin-Regeln wird durch die Dublin III-Verordnung auf diejenigen Personen ausgeweitet, die internationalen Schutz beantragt haben.

Damit wird auch die Kohärenz mit der für die Schweiz allerdings nicht verbindlichen Richtlinie 2011/95/EU11 (sog. «Qualifikationsrichtlinie») gewährleistet. Dieser Schutz umfasst anerkannte Flüchtlinge und Personen, denen subsidiärer Schutz gewährt wurde. Die Terminologie wurde in der Dublin III-Verordnung durchgehend an diese Ausweitung des Anwendungsbereichs angepasst.

Für die Schweiz ergibt sich kein Handlungsbedarf. Personen, die in der Schweiz sinngemäss um internationalen Schutz gemäss der Qualifikationsrichtlinie der EU ersuchen, gelten gestützt auf das Asylgesetz als Asylsuchende, sodass einer Anwendung der Vorgabe der Dublin III-Verordnung nichts im Wege steht.

Durch diese Ausweitung des Anwendungsbereichs der Dublin III-Verordnung unterstehen Personen, denen ein Dublin-Staat subsidiären Schutz gewährt hat, tatsächlich nicht mehr dem Wiederaufnahmeverfahren, wie dies heute der Fall ist bei Personen, die den Flüchtlingsstatus erhalten haben.

3.2

Wichtigste Änderungen im Asylgesetz und im Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer aufgrund der Dublin III-Verordnung

Der überwiegende Teil der Bestimmungen der Dublin III-Verordnung erfordert keine gesetzlichen Anpassungen, da diese direkt anwendbar und im Einklang mit dem geltenden Recht sind.

Im AuG betrifft die wichtigste Änderung die Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft in Dublin-Fällen. Hier sind Anpassungen bei der Anordnung, der Dauer und der Überprüfung erforderlich (siehe Ziff. 3.5.1). Zudem muss bei Minderjährigen neu im 11

Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9.

2691

ganzen Dublin-Verfahren und insbesondere im Rahmen der Dublin-Wegweisung eine Vertrauensperson bestimmt werden, die deren Interessen während des Wegweisungsverfahrens wahrnimmt (siehe Ziff. 3.5.1 und 3.5.2).

Im AsylG muss insbesondere die Wiederaufnahme des Verfahrens nach erfolgter Abschreibung des Asylgesuchs geregelt werden, und die Regelung über die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ist anzupassen (siehe Ziff. 3.5.2).

Sowohl im AuG als auch im AsylG erhält der Bundesrat die Kompetenz, die Aufgaben der notwendigen Vertrauenspersonen für unbegleitete Minderjährige bei Asylund Wegweisungsverfahren festzulegen (Ziff. 3.5.1 und 3.5.2). Darüber hinaus werden wo nötig die Verweise auf die neue Dublin III-Verordnung nachgeführt.

3.3

Verhältnis zur geplanten Neustrukturierung des Asylbereichs

Am 14. Juni 2013 hat der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zur Neustrukturierung des Asylbereiches (Vorlage 2) eröffnet; es dauerte bis zum 7. Oktober 2013.

Die geplante Neustrukturierung sieht vor, dass rund 60 Prozent aller Asylgesuche in einem raschen Verfahren in Zentren des Bundes rechtskräftig entschieden werden.

Als flankierende Massnahmen zu den raschen Asylverfahren soll ein Anspruch auf eine kostenlose Rechtsvertretung und eine Beratung über das Asylverfahren vorgesehen werden.

Durch die vorliegenden Weiterentwicklungen wird die geplante Neustrukturierung nicht in Frage gestellt. Die Ziele der Dublin III-Verordnung entsprechen grundsätzlich den Zielen dieser Neustrukturierung, welche ebenfalls rasche und faire Verfahren sowie einen verbesserten Rechtsschutz für die Betroffenen vorsieht. Allerdings schränkt die Dublin III-Verordnung die bestehende Möglichkeit zur Vorbereitungsund Ausschaffungshaft im Dublin-Verfahren ein. Eine Vorbereitungs- oder Ausschaffungshaft darf nur bei einer erheblichen Untertauchensgefahr im Einzelfall angeordnet werden und nur, wenn die Anordnung von Haft verhältnismässig ist und weniger einschneidende Massnahmen zur Sicherstellung des Vollzugs nicht genügen; zudem wurde die maximale Dauer der Haft verkürzt. Den hierzu im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Bedenken wurde bei der Ausarbeitung der vorliegenden Botschaft Rechnung getragen (Ziff. 3.4).

Die Botschaft zur Neustrukturierung des Asylbereichs (Änderung AsylG) soll im Sommer 2014 vom Bundesrat verabschiedet werden. Das EJPD wird sicherstellen, dass sie auf die vorliegende Vorlage abgestimmt wird.

3.4

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zur Dublin III-Verordnung und Haltung des Bundesrates

Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens Die neu eingeführten Haftbestimmungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens werden von der Hälfte der Kantone (so AI, AR, BE, BS, GE, GL, NE, NW, SH, UR, VD, VS, und ZG), der Sozialdemokratische Partei (SP) sowie von einer Mehrheit der interessierten Kreise (Centre Patronal [CP], Fédération des Entreprises Romandes 2692

[FER], Schweizerischer Gewerbeverband [USAM], Schweizerischer Gemeindeverband [SGV], Schweizerischer Städteverband [SSV] und Schweizerischer Gewerkschaftsbund [SGB] sowie dem UNHCR, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe [SFH] und dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz [HEKS]) begrüsst.

Die Kantone AG, BL, FR, GR, JU, LU, OW, SG, SO, SZ, TI, TG, ZH, die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die FDP.Die Liberalen (FDP), die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) sowie die Vereinigung der kantonalen Migrationsbehörden (VKM) sprechen sich, wenn auch unterschiedlich stark, gegen die neuen Haftbestimmungen aus.

BL und SVP schlagen generell vor, die Dublin III-Verordnung nicht zu übernehmen.

Folgende Kritikpunkte wurden durch die Vernehmlassungsteilnehmer vorgebracht: Gemäss OW, SZ, LU, BL, TG und FR (sinngemäss SO) sei die vorgeschlagene Vorbereitungshaft zu komplex und in der Praxis nicht tauglich. Sie wirke sich kontraproduktiv auf die beabsichtigte Leistungssteigerung im Asylbereich aus. Gemäss VKM fehle eine klare Regelung für die verschiedenen Arten der Administrativhaft in den Phasen des Dublin-Verfahrens. VKM und GR bedauern, dass im Bereich der ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen erneut bewährte Instrumente aufgegeben oder komplizierter ausgestaltet würden. Es solle eine weniger komplizierte Haftbestimmung vorgesehen werden, welche die Besonderheiten des Dublin-Verfahrens besser berücksichtige und die effektive Überstellung der betroffenen Person an den zuständigen Dublin-Staat sicherstelle. Die Höchstdauer der Vorbereitungshaft (sechs Wochen) sei zu kurz, inbesondere bei medizinischen Abklärungen über die Transportfähigkeit im Rahmen des Wegweisungsvollzuges (ZH).

FR, JU, SG und TG weisen insbesondere darauf hin, dass die neu geschaffene Voraussetzung der erheblichen Untertauchensgefahr für die Anordnung der Vorbereitungshaft in der Praxis schwierig zu definieren sei. AG, ZH, JU und TI befürchten, dass durch diese neue Voraussetzung deutlich weniger Haftanordnungen möglich sein werden.

Die SP, das HEKS, die SFH und der SGB stellen die Frage, ob überhaupt eine Inhaftierung angeordnet werden dürfe, bevor die Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staates feststehe. Sie weisen darauf hin, dass die neue Vorbereitungshaft nur mit äusserster
Zurückhaltung angewendet werden dürfe (erhebliche Fluchtgefahr, kein milderes Mittel und verhältnismässig; sinngemäss UNHCR). Dies sei ausdrücklich im Gesetzestext zu erwähnen.

Die KKJPD, BL, JU, SG, ZH und die SVP erachten die ersatzlose Streichung der bisherigen dreissigtägigen Ausschaffungshaft für Dublin-Fälle als problematisch.

Diese spezielle Ausschaffungshaft ohne weitere Voraussetzungen sei bisher das wichtigste Vollzugsinstrument gewesen, um die fristgerechte Überstellung an den zuständigen Dublin-Staat sicherzustellen.

Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmer weisen darauf hin, dass die Kriterien für die Anordnung der Ausschaffungshaft zu eng gefasst seien und den Vollzug erschweren würden. Sie regen an, diese Kriterien zu ergänzen (bspw. BL, GR, LU, SO, SVP und VKM). Nach Ansicht mehrerer Vernehmlassungsteilnehmer trage die neue maximale Haftdauer von sechs Wochen bei der Ausschaffungshaft den tatsächlichen Gegebenheiten in der Praxis nicht Rechnung und sei zu kurz (so z. B. GR, SZ, TI, ZH und KKJPD). Insbesondere werde befürchtet, dass Personen, die sich der Rückführung widersetzen, leicht eine Haftentlassung erwirken könnten, da sich 2693

innerhalb der vorgesehenen Frist von sechs Wochen nicht mehrere Rückführungsversuche realisieren lassen würden (so z. B. SO, VKM, KKJPD und SVP). Insbesondere BL, SO und die SVP fordern daher, dass die Ausschaffungshaft bei Personen, welche sich der Rückführung widersetzen, auf sechs Monate verlängert wird.

BL, LU und die KKJPD weisen zudem darauf hin, dass der Übergang von der Vorbereitungs- zur Ausschaffungshaft schlecht konzipiert sei. Hier würden Lücken bestehen.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat teilt die Auffassung, wonach Zwangsmassnahmen ein wichtiges Instrument für den Wegweisungsvollzug sind. Er nimmt die entsprechenden Bedenken der Vernehmlassungsteilnehmer ernst. Aufgrund der geäusserten Kritik wurde die Vorlage deshalb angepasst. Die vorgeschlagenen Regelungen füllen zum Teil Lücken oder präzisieren Formulierungen der Dublin III-Verordnung (siehe Kommentar zu Art. 76a AuG).

Die Haft für Dublin-Fälle wurde in einer Bestimmung zusammengefasst (siehe Art. 76a E-AuG, Ziff. 3.5.1). Die Maximaldauer bei der Vorbereitungshaft wurde von sechs auf sieben Wochen verlängert (Art. 76a Abs. 3 Bst. a E-AuG). Damit haben die zuständigen Behörden nach Erhalt der Antwort des zuständigen DublinStaates genügend Zeit, die Unterlagen zu prüfen und die notwendigen Verfahrensschritte vorzunehmen. Der Kritik zum fehlenden Übergang von der Vorbereitungszur Ausschaffungshaft wurde so Rechnung getragen.

Lehnt ein Dublin-Staat die Aufnahme ab und ist die Schweiz damit nicht einverstanden, kommt ein spezielles Differenzbereinigungsverfahren zur Anwendung (sog.

Remonstrationsverfahren). Es dauert fünf Wochen. Während dieser Zeit soll neu die Anordnung der Dublin-Haft möglich sein.

Die Dauer der Ausschaffungshaft wird in der Dublin III-Verordnung auf höchstens sechs Wochen festgelegt. Für die Verlängerung dieser Haftdauer besteht kein Handlungsspielraum. Neu soll sie jedoch unabhängig vom Zeitpunkt des Erlasses eines Nichteintretensentscheides angeordnet werden können. In der Praxis wird es somit möglich sein, eine Person in Dublin-Haft zu nehmen, wenn sie vorher während längerer Zeit untergetaucht war oder wenn der Vollzug der Überstellung verzögert wird. Damit wird ebenfalls ein wichtiger Kritikpunkt insbesondere der Vollzugsbehörden in der Vernehmlassung berücksichtigt. Im Durschnitt dauerte eine
Ausschaffungshaft in Dublin-Fällen 20 Tage (Statistik von 2011 bis 2013). Die kürzere Haftdauer wird deshalb wenig Einfluss auf die heutige Praxis haben.

Ausserdem wird neu die Einführung einer Haft wegen unkooperativen Verhaltens in Dublin-Fällen vorgesehen (zusätzliche sechs Wochen). Damit soll verhindert werden, dass nach Ablauf der Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft kein Zwangsmittel mehr besteht für die Durchsetzung einer Wegweisung (Art. 76a, Abs. 4 E-AuG).

Diese Haft ist in der Dublin III-Verordnung nicht vorgesehen; sie ist aber notwendig, um einen effizienten Vollzug des Dublin-Wegweisungsentscheids zu gewährleisten. Es handelt sich insofern nicht um Umsetzungsgesetzgebung, sondern um eine ergänzende Vorschrift, um zu verhindern, dass eine Person durch ihr obstruktives Verhalten eine Dublin-Überstellung verhindern kann. Diese Haft dient somit dem Funktionieren des Dublin-Systems.

2694

Ist eine Überstellung zwar geplant, scheitert diese jedoch nur am persönlichen Verhalten der zu überstellenden Person, greift der Schutzgedanke von Artikel 28 Absatz 3 Dublin III-Verordnung nicht mehr. Zudem entspricht diese Haft auch den für die Dublin-Haft geltenden Prinzipien der Richtlinie 2013/33/EU12 (Art. 9 Abs. 1), indem Verzögerungen in den Verwaltungsverfahren, die nicht der

Antragstellerin oder dem Antragsteller zuzurechnen sind, keine Fortdauer der Haft rechtfertigen.

Da die Dublin III-Verordnung das Vorliegen einer erheblichen Untertauchensgefahr für die Anordnung der Dublin-Haft voraussetzt, muss dieses Kriterium beibehalten werden. Es besteht hier kein Handlungsspielraum. Die bereits im geltenden Recht enthaltenen Kriterien für die Beurteilung der Untertauchensgefahr wurden jedoch beibehalten (Art. 76a Abs. 2 Bst. a­i E-AuG).

Weiter wird die Dublin-Haft neu an die Höchstdauer aller Haftarten angerechnet (Art. 76a Abs. 5 E-AuG i. V. m. Art. 79 AuG). Bei den Voraussetzungen für die Haftanordnung wird neu ausdrücklich erwähnt, dass sie verhältnismässig sein muss und dass keine mildere Massnahme zum gleichen Ziel führen würde (Art. 76a Abs. 1 E-AuG). Diese Anliegen wurden insbesondere von der SP, dem UNHCR und den Hilfswerken eingebracht.

Überstellungen auf dem Landweg SO, BL und die SVP schlagen vor, Voraussetzungen für Überweisung auf dem Landweg zu schaffen (insbesondere für freiwillig und selbstständig ausreisende Personen).

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat teilt die Auffassung, wonach Überstellungen auf dem Landweg sinnvoll sein können. Eine entsprechende Dublin-Vereinbarung besteht mit Österreich, Deutschland und dem Fürstentum Liechtenstein. Es ist geplant, auch mit Frankreich eine solche Vereinbarung abzuschliessen. Ohne Einverständnis des entsprechenden Nachbarstaates ist eine solche Lösung jedoch nicht möglich.

Subsidiärer Schutz Die Dublin III-Verordnung sieht vor, dass die Verwandtschaft mit Personen mit subsidiärem Schutz wie die Verwandtschaft mit anerkannten Flüchtlingen neu ein Zuständigkeitskriterium sein kann. Dies wirkt sich insbesondere auf die Zusammenführung von Familienangehörigen aus. Die Regelung des subsidiären Schutzes erfolgt in der Qualifikationsrichtlinie der EU, die für die Schweiz nicht verbindlich ist. Dies gilt auch für die entsprechenden Verweise in der Dublin III-Verordnung.

Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer möchten eine Klärung, inwiefern die vorläufige Aufnahme in der Schweiz gleichwertig mit dem subsidiären Schutz ist.

SFH, HEKS und SP schlagen vor, die vorläufige Aufnahme in der Schweiz dem subsidiären Schutz in der EU grundsätzlich gleichzustellen.

12

Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung), in der Fassung gemäss ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 96.

2695

Haltung des Bundesrates Die Richtlinie 2011/95/EU13 (sog. «Qualifikationsrichtlinie») definiert den subsidiären Schutz. Diese Richtlinie ist nicht Bestandteil der DAA und für die Schweiz deshalb nicht verbindlich. Der subsidiäre Schutz im Sinne dieser Verordnung entspricht nicht exakt in allen Punkten der vorläufigen Aufnahme in der Schweiz. Im Rahmen des Familiennachzugs im Sinne von Artikel 9 der Dublin III-Verordnung wird jedes Gesuch individuell geprüft, und ein Entscheid wird je nach Grund der vorläufigen Aufnahme in der Schweiz getroffen.

Ausserdem wird zurzeit das Institut der vorläufigen Aufnahme überprüft, entsprechende parlamentarische Vorstösse wurden angenommen oder sind noch hängig.

Dabei wird auch abgeklärt, ob und in welchem Rahmen eine Annäherung an den subsidiären Schutz der EU möglich und sinnvoll ist. Zudem besteht auch die Möglichkeit, eine Person im Einzelfall im Rahmen des Familiennachzugs zu übernehmen, wenn ein Härtefall vorliegt.

Persönliches Gespräch (Art. 5 Dublin III-VO) SFH, HEKS und SP gehen davon aus, dass in Dublin-Fällen neu die Durchführung von formellen Anhörungen durch das BFM erforderlich ist (Art. 5 Dublin III-Verordnung).

Haltung des Bundesrates Das Gespräch hat lediglich den Zweck, den mutmasslich zuständigen Dublin-Staat festzulegen. Die Ansicht, dass hier keine formellen Anhörungen nötig sind, teilt auch die Europäische Kommission. Eine Befragung zur Person im Rahmen des geltenden Rechts ist somit ausreichend (Art. 26 Abs. 2 AsylG).

Rechtsvertretung von Minderjährigen Die Dublin III-Verordnung sieht eine stärkere Rechtsvertretung von Minderjährigen vor. Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) ist der Meinung, dass Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 2 Punkt k der Dublin III-Verordnung so zu lesen sind, dass für unbegleitete Minderjährige in allen Verfahren nach der Dublin-Verordnung und insbesondere in Bezug auf die Administrativhaft nach Artikel 28 der Dublin III-Verordnung eine amtliche Rechtsvertretung verlangt wird. Diese amtliche Rechtsvertretung solle namentlich in das AuG aufgenommen werden im Rahmen der Haftmassnahmen in Dublin-Fällen. Ausserdem erfülle die Vertrauensperson nach Artikel 17 Absatz 3 AsylG gemäss dem BVGer die von Artikel 6 Absatz 2 der Dublin III-Verordnung geforderten Voraussetzungen nicht vollumfänglich.

Der SGB ist der Meinung,
dass die Begleitung und Vertretung von unbegleiteten Minderjährigen überdacht werden sollte, damit den Interessen dieser Minderjährigen umfassend Rechnung getragen wird. Die Richtlinien des Bundes gehen hier nicht sehr weit, und die Praxis in den Kantonen ist unterschiedlich. SFH und SP verlangen eine klarere Regelung auf Bundesebene.

13

Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9.

2696

BGVer, SFH und SP möchten ebenfalls, dass die Rechtsgarantien im Zusammenhang mit der Inhaftierung von Minderjährigen und unbegleiteten Minderjährigen gemäss Artikel 28 Absatz 4 der Dublin III-Verordnung anerkannt werden (Verweis auf die Richtlinie 2013/33/EU14).

Das BVGer schlägt ausserdem vor, die Zeitabstände für die Überprüfung der Administrativhaft im Dublin-Verfahren zu verkürzen bzw. bei Minderjährigen ganz darauf zu verzichten. Die ursprünglich vorgesehenen Fristen erfüllten die Kriterien von Artikel 9 Absatz 5 der Richtlinie 2013/33/EU, auf welchen Artikel 28 Absatz 4 der Dublin-Verordnung verweist, nicht. SVP, VKM, GR und LU bemerken zudem, dass die für eine Überprüfung der Haft vorgesehenen Zeitabstände keinen Sinn machen, da die Haftdauer zu kurz sei.

Haltung des Bundesrats Die Bemerkungen der Vernehmlassungsteilnehmenden wurden weitgehend berücksichtigt. Eine amtliche Rechtsvertretung für unbegleitete Minderjährige wurde jedoch als nicht notwendig erachtet, da eine Vertrauensperson diese im Dublin-Verfahren begleitet und falls nötig die Sachkenntnis eines Rechtsvertreters in Anspruch nimmt. Somit ist die Bedingung von Artikel 6 Absatz 2 der Dublin III-Verordnung, wonach ein Vertreter vorhanden sein muss, der einen unbegleiteten Minderjährigen in allen in den Verordnungen vorgesehenen Verfahren vertritt oder unterstützt, erfüllt. Dennoch wurden mehrere Bestimmungen in Bezug auf die Vertrauensperson angepasst und präzisiert: Artikel 17 Absatz 3 AsylG wurde präzisiert. Damit wird sichergestellt, dass bereits zu Beginn des Dublin-Verfahrens eine Vertrauensperson ernannt wird. Es ist insbesondere zu betonen, dass neu auch im Fall einer Dublin-Wegweisung nach Artikel 64a AuG eine Vertrauensperson bestellt wird. Zudem ist vorgesehen, dass die Vertrauensperson vorgängig informiert wird, wenn im Rahmen des Dublin-Verfahrens eine unbegleitete minderjährige Person inhaftiert wird (Art. 80a Abs. 6 AuG).

Ausserdem wird vorgeschlagen, dem Bundesrat die Kompetenz zu erteilen, die Rolle und die Qualifikationen der für unbegleitete Minderjährige vorgesehenen Vertrauenspersonen zu bestimmen (Art. 64 Abs. 5 AuG und Art. 17 Abs. 5 AsylG).

Ferner wird Artikel 81 AuG präzisiert, der sich mit den Haftbedingungen befasst.

Damit wird gewährleistet, dass die Haftbedingungen für Minderjährige und Familien
gemäss Dublin III-Verordnung eingehalten werden. Ausserdem wurden die Fristen für die Einreichung eines Haftentlassungsgesuchs aufgehoben. Ein Haftentlassungsgesuch im Rahmen des Dublin-Verfahrens kann nun von jeder inhaftierten Person jederzeit gestellt werden.

Aufschiebende Wirkung von Beschwerden im Dublin-Verfahren BVGer, SP, SFH, SGB und HEKS verlangen, dass Artikel 27 Absatz 3 Punkt b der Dublin III-Verordnung betreffend den Entzug der aufschiebenden Wirkung bei Nichteintretensentscheiden in Dublin-Fällen angewendet wird. Damit ist es möglich, einer Beschwerde automatisch aufschiebende Wirkung zu verleihen und die DublinÜberstellung auszusetzen, soweit und solange das BVGer nicht ausdrücklich über 14

Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung), in der Fassung gemäss ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 96.

2697

die Gewährung der aufschiebenden Wirkung entschieden hat. Ihrer Ansicht nach müsste in Fällen, in denen das BVGer nicht innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Einreichung der Beschwerde entscheidet, diese Aussetzung automatisch erfolgen.

Für die SVP ist es nicht hinnehmbar, dass eine Bestimmung im Asylgesetz, die am 14. Dezember 2012 geändert wurde (Erlass 1), wegen eines völkerrechtlichen Vertrags erneut angepasst werden muss. Dies stehe im Widerspruch zur schweizerischen Demokratie.

Haltung des Bundesrats Es wurde beschlossen, Artikel 27 Absatz 3 Punkt c der Dublin III-Verordnung anzuwenden. Dieser sieht vor, dass die betroffenen Staaten einer asylsuchenden Person erlauben können, bei einer Beschwerde beim BVGer ein Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu stellen. Dies entspricht der früheren Regelung, die sich während vielen Jahren bewährt hat. Eine Änderung dieser Regelung ist deshalb nicht vorgesehen.

Neuer Artikel 35a zur Wiederaufnahme des Asylverfahrens SVP, GR und VKM sind der Meinung, dass der Vernehmlassungsentwurf hier im Widerspruch stehe zu der Regelung, die bei der letzten Asylgesetzrevision angenommen wurde. Die vorgeschlagene Bestimmung erlaube es nicht mehr, einer Person während drei Jahren die Einreichung eines neuen Asylgesuchs zu verbieten, wenn sie untergetaucht ist und ihre Mitwirkungspflicht verletzt hat, indem sie sich den Behörden nicht zur Verfügung gehalten hat (Art. 8 Abs. 3bis AsylG, Erlass 1).

SH schlägt ausserdem vor, die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Dublin-Fälle zu beschränken.

Haltung des Bundesrats Aufgrund der geäusserten Kritik wird vorgeschlagen, sich lediglich auf Dublin-Fälle zu beschränken. Somit ist gewährleistet, dass im Fall von Personen, deren Asylgesuch aufgrund der Dublin III-Verordnung von der Schweiz zu behandeln ist, das Dossier wiedereröffnet wird, wenn dieses zuvor abgeschrieben wurde, weil die betroffene Person ihr Gesuch zurückgezogen hatte oder untergetaucht war. Damit gilt weiterhin die allgemeine Regelung, die bei der letzten Asylgesetzrevision angenommen wurde, soweit es sich nicht um einen Dublin-Fall handelt.

Mündliche Prüfung der Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft Der SGB verlangt, dass die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft in einem mündlichen Verfahren geprüft wird. UNHCR, SFH und SP möchten,
dass die Haft von Amtes wegen und aufgrund einer mündlichen Verhandlung geprüft wird.

Haltung des Bundesrats Dieses Anliegen wurde nicht berücksichtigt. Ein schriftliches Verfahren für die Prüfung der Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft wird bevorzugt; dieses Verfahren entspricht dem aktuellen Verfahren für Inhaftierungen in Dublin-Fällen, die vom Kanton oder dem BFM angeordnet werden. Mit einem schriftlichen Verfahren und einem Gesuch, das jederzeit eingereicht werden kann, haben die inhaftierten Personen alle erforderlichen Rechtsgarantien.

2698

Ausserdem kann auch ein Gesuch um Haftentlassung jederzeit gestellt werden. In einem solchen Fall hat der Richter innerhalb von acht Tagen nach der mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

3.5

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.5.1

Bestimmungen des AuG

Art. 64 Abs. 5 Dieser neue Absatz präzisiert, dass die Rolle, die Zuständigkeiten und die Aufgaben der Vertrauensperson nach Absatz 4 vom Bundesrat festgelegt werden sollen. Somit ist eine klare und einheitliche Regelung für alle Kantone, die eine Vertrauensperson ernennen müssen, gewährleistet. Eine identische Bestimmung ist im Asylgesetz vorgesehen. Dieser Absatz wurde aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse eingeführt (siehe Ziff. 3.4).

Art. 64a Abs. 1 Redaktionelle Anpassung: Es wird auf die neue Dublin III-Verordnung verwiesen.

Ein zusätzlicher Verweis auf das DAA ist nicht notwendig.

Abs. 3bis Artikel 64a regelt die Wegweisung aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkommen.

Ausländische Personen, die kein Asylgesuch eingereicht haben und sich illegal in der Schweiz aufhalten, können in den Dublin-Staat, der für die Behandlung eines bereits früher eingereichten Asylgesuchs sowie die Durchführung des Wegweisungsverfahrens zuständig ist, weggewiesen werden. Gemäss der neuen DublinVerordnung ist in solchen Fällen auch eine Vertrauensperson für unbegleitete Minderjährige zu ernennen, analog den bestehenden Bestimmungen für eine ordentliche Wegweisung nach Artikel 64 Absatz 4. Dieser neue Absatz wurde aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse eingeführt (siehe Ziff. 3.4).

Art. 75 Abs. 1bis (aufgehoben) Redaktionelle Anpassung: Die Vorbereitungshaft bei Dublin-Fällen wird neu in Artikel 76a AuG geregelt.

Art. 76 Abs. 1 Bst. b Ziff. 1 Redaktionelle Anpassung: Da Artikel 75 Absatz 1bis aufgehoben wird, kann der Verweis auf diese Bestimmung gestrichen werden.

2699

Ziff. 5 Verfügt das BFM eine Ausschaffungshaft in einem Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) oder in einem besonderen Zentrum nach Artikel 26 Absatz 1bis des Asylgesetzes, richtet sich die Haftanordnung in Dublin-Fällen neu nach Artikel 76a E-AuG.

Ziff. 6 Ziffer 6 sah bis anhin einen objektivierten Haftgrund für eine kurzfristige DublinHaft vor. Die kantonalen Behörden konnten zur Sicherstellung des Vollzugs einer Wegweisung in den zuständigen Dublin-Staat eine Ausschaffungshaft bis zu 30 Tagen anordnen (Art. 76 Abs. 2 AuG).

Da die Ausschaffungshaft bei Dublin-Fällen neu in Artikel 76a AuG umfassend geregelt wird, kann diese Ziffer gestrichen werden. Der in dieser Ziffer vorgesehene allgemeine Haftgrund für Dublin-Fälle ist nicht mehr möglich, da gemäss der Dublin III-Verordnung für die Haftanordnung neu immer eine erhebliche Untertauchensgefahr vorausgesetzt wird (Art. 76a Abs. 2 E-AuG).

Abs. 2 und 3 Redaktionelle Anpassung: Da Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 6 aufgehoben wird, ist der Verweis auf diese Bestimmung in Absatz 2 zu streichen. Zudem wird die Regelung, wonach die Hafttage an die Höchstdauer nach Artikel 79 AuG anzurechnen sind, aus redaktionellen Gründen neu in Absatz 3 aufgeführt.

Art. 76a

Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens

Ausgangslage Das Dublin-Verfahren regelt, welcher Dublin-Staat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Stellt ein Dublin-Staat fest, dass ein Asylantrag in einem anderen Dublin-Staat zu bearbeiten ist, stellt er ein Übernahmeersuchen an diesen Staat.

Dieses Gesuch muss Hinweise enthalten, anhand derer der ersuchte Dublin-Staat feststellen kann, ob er tatsächlich zuständig ist. Je nach Fallkonstellation betragen die Fristen für die Stellung des Übernahmeersuchens zwei Monate (bei EurodacTreffer) oder drei Monate (ohne Eurodac-Treffer und bei Vorliegen anderer Beweismittel; Art. 21 Abs. 1, 23 Abs. 2 und 24 Abs. 2 Dublin III-Verordnung).

Die Antwort auf das Übernahmeersuchen hat je nach Fallkonstellation innerhalb von zwei Wochen, einem Monat, zwei Monaten sowie bei Dringlichkeit innerhalb einer Woche bis zu einem Monat zu erfolgen (Art. 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 und 6, 25 Abs. 1 Dublin III-Verordnung).

Stimmt der ersuchte Dublin-Staat der Aufnahme bzw. Wiederaufnahme der betroffenen Person zu, wird auf das Asylgesuch nicht eingetreten (Nichteintretensentscheid, NEE) und die Wegweisung verfügt. Ein dagegen eingelegtes Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, sie kann aber beantragt werden (Art. 107a AsylG).

Im Anschluss vereinbaren die Dublin-Staaten die Modalitäten der Überstellung.

Wird diese nicht binnen sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit für das Verfahren an den Mitgliedstaat über, der um Aufnahme bzw. Wiederaufnahme ersucht hat (Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-Verordnung). Taucht die betroffene

2700

Person unter, verlängert sich die Frist auf ein Jahr. Befindet sie sich in Haft, beträgt die Verlängerung 18 Monate (Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung).

Ist der ersuchte Dublin-Staat nach Prüfung der Unterlagen der Auffassung, dass er nicht zuständig ist, hat er dies in seiner ablehnenden Antwort zu begründen. Der ersuchende Dublin-Staat kann eine erneute Prüfung des Übernahmeersuchens verlangen, wenn er mit der ablehnenden Antwort nicht einverstanden ist oder z. B. neue Beweismittel oder Indizien vorliegen. Ein solches Remonstrationsverfahren gemäss Verordnung (EG) Nr. 1560/200315 muss innerhalb von drei Wochen nach der ablehnenden Antwort eingeleitet werden. Der ersuchte Dublin-Staat hat daraufhin zwei Wochen Zeit, um auf das erneute Ersuchen um Wiederaufnahme oder Aufnahme zu reagieren. Ein Remonstrationsverfahren kann beliebig oft gestellt werden. Mit der neuen Verordnung (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 201416 wird die geltende Verordnung Nr. 1560/2003 angepasst. Diese Revision bewirkt jedoch keine Änderung des vorgesehenen Verfahrens.

Befindet sich eine Person in Vorbereitungshaft, verkürzen sich mit den neuen Bestimmungen der Dublin III-Verordnung die Behandlungsfristen: Das Übernahmeersuchen muss in allen Fällen innerhalb eines Monats gestellt werden, und die Antwortfrist beträgt immer zwei Wochen. Die Möglichkeit einer Vorbereitungshaft ist entsprechend auf diese insgesamt 6 Wochen beschränkt (Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 Dublin III-Verordnung).

Befindet sich eine Person im Rahmen des Dublin-Verfahrens in Administrativhaft, so muss diese in den zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden, sobald die Überstellung praktisch durchführbar ist. Die Überstellung muss spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Übernahmegesuchs erfolgen. Die Ausschaffungshaft darf ebenfalls nur höchstens sechs Wochen dauern (Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 Dublin III-Verordnung).

Wird ein Rechtmittel gegen den Dublin-Entscheid ergriffen, so muss die Überstellung spätestens innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt erfolgen, ab dem das Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung mehr hat (Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 i. V. m. Art. 27 Abs. 3 Dublin III-Verordnung). Die Ausschaffungshaft muss ebenfalls entsprechend begrenzt werden.

Gemäss der Dublin III-Verordnung darf die Administrativhaft nur im
Einzelfall bei erheblicher Gefahr des Untertauchens zur Sicherstellung des Vollzugs der Wegweisung angeordnet werden (sogenanntes «Überstellungsverfahren»); zudem muss die Haft verhältnismässig sein, und weniger einschneidende Massnahmen dürfen sich nicht wirksam anwenden lassen (Art. 28 Abs. 2 Dublin III-Verordnung). Die Haft ist schliesslich so kurz wie möglich zu halten (Beschleunigungsgebot; Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 1 Dublin III-Verordnung).

15

16

Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 222 vom 5.9.2003, S. 3.

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 39 vom 8.2.2014, S. 1.

2701

Die Dublin-Staaten haben die Untertauchensgefahr in ihrem nationalen Recht zu definieren. Sie muss auf objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen. Es müssen Gründe vorliegen, die zu der Annahme Anlass geben, dass sich die betroffene Person dem Überstellungsverfahren möglicherweise durch Flucht bzw. Untertauchen entziehen könnte (Art. 2 Bst. n Dublin III-Verordnung).

Änderungen nach dem Vernehmlassungsverfahren Aufgrund der teilweise offenen Formulierungen und der bestehenden Regelungslücken in der Dublin III-Verordnung (v. a. Art. 28) wurde den kritischen Stellungnahmen, welche im Rahmen des Vernehmlassungsverfahren eingegangen sind, so weit wie möglich Rechnung getragen. Der Vernehmlassungsentwurf wurde im Hinblick auf die Administrativhaft entsprechend geändert und ergänzt (vgl. dazu auch Ziff. 3.4).

Zur Vereinfachung der Lesbarkeit soll die Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens (sowohl Vorbereitungs- als auch Ausschaffungshaft) neu in einer einzigen Bestimmung geregelt werden (Art. 76a E-AuG).

Abs. 1 Dieser Absatz regelt die Voraussetzung für die Inhaftnahme (vgl. Art. 28 Abs. 2 und Art. 2 Bst. n Dublin III-Verordnung).

Abs. 2 Dieser Absatz enthält die Kriterien für die Untertauchensgefahr (siehe Bst. a­i). Es handelt sich dabei um konkrete Indizien im Einzelfall, welche vermuten lassen, dass sich die betroffene Person der Durchführung der Wegweisung entziehen will (Nichtbefolgung behördlicher Anordnungen, z. B. Verletzung der Mitwirkungspflicht, Einreichung mehrerer Asylgesuche unter verschiedenen Identitäten, etc).

Diese Kriterien lehnen sich stark an die bereits bestehenden Haftgründe für die Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft in Artikel 75 und 76 AuG an. Die für die Haftanordnung erforderlichen konkreten Anzeichen für ein mögliches Untertauchen der betroffenen Person werden explizit aufgeführt; auf die in der Vernehmlassungsversion enthaltenen Verweise auf andere Artikel wurde aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet.

Abs. 3 In der Dublin III-Verordnung fehlt eine klare Regelung, ab welchem Zeitpunkt die Haft im Dublin-Verfahren angeordnet werden kann, zumal wenn die Untertauchensgefahr erst nach der Asylgesuchseinreichung, der Einreichung des Übernahmegesuches oder der Zustimmung des zuständigen Dublin-Staates eintritt. Die Dublin IIIVerordnung enthält auch keine Regelung
über die Dauer der Haft, wenn eine Person kein neues Asylgesuch eingereicht hat und sich illegal in einem Dublin-Staat aufhält, aber ein anderer Dublin-Staat gemäss der Dublin III-Verordnung für die Behandlung eines früheren Asylgesuches zuständig ist (vgl. Art. 28 Abs. 3 Dublin III-Verordnung).

Die Dublin III-Verordnung berücksichtigt auch nicht, dass nach Erhalt der Antwort des ersuchten Dublin-Staates der Nichteintretens- und Wegweisungsentscheid durch den anfragenden Staat noch redigiert und eröffnet werden muss (vgl. Art. 28 Abs. 3 Dublin III-Verordnung, siehe auch Erläuterungen zu Bst. a).

In den Buchstaben a bis c sollen diese Lücken geschlossen werden.

2702

Bst. a Gemäss geltendem Recht kann die Vorbereitungshaft im Dublin-Verfahren erst dann angeordnet werden, wenn ein Dublin-Staat einem Ersuchen um Übernahme einer Person zugestimmt hat oder ein solches Ersuchen durch die Schweiz bei Vorliegen eines Eurodac-Treffers gestellt worden ist und die betroffene Person gegenüber den Schweizer Behörden den bestehenden Bezug zu einem anderen Dublin-Staat verneint hat (Art. 75 Abs. 1bis AuG). Dieses Erfordernis fällt mit der Dublin III-Verordnung weg.

Da die Haftdauer und die Voraussetzungen für die Haftanordnung im AuG aufgrund der Dublin III-Verordnung angepasst werden müssen, wird die Dublin-Haft während der Vorbereitung der Überstellungsentscheidung im neuen Artikel 76a E-AuG in Absatz 3 Buchstabe a separat geregelt.

Während der Vorbereitung des Entscheides über die Zuständigkeit für das Asylgesuch (Vorbereitungshaft) darf die Haftdauer nicht mehr als sieben Wochen dauern.

Sie setzen sich wie folgt zusammen: ­

vier Wochen gemäss der Monatsfrist, die Artikel 28 Absatz 3 Dublin IIIVerordnung für die Stellung des Übernahmegesuchs vorsieht;

­

zwei Wochen die Artikel 28 Absatz 3 Dublin III-Verordnung für die Antwort des angefragten Dublin-Staats vorsieht;

­

längstens eine Woche, während der die Schweiz die erhaltene Antwort prüfen und die weiteren Verfahrensschritte auslösen muss (Redaktion und Eröffnung Nichteintretensentscheid mit Wegweisungsverfügung; Anordnung Ausschaffungshaft). Diese Frist, die in der Dublin III-Verordnung fehlt, ist notwendig, um das Verfahren überhaupt korrekt durchführen zu können.

Die Dauer der Vorbereitungshaft soll für alle Fallkonstellationen aus Gründen der Rechtsgleichheit gleich lang sein (Einreichung oder Nichteinreichung eines Asylgesuchs, Eurodac-Treffer oder andere Beweismittel).

Bst. b Für das Differenzbereinigungsverfahren (Remonstrationsverfahren) mit einem anderen Dublin-Staat bezüglich der Zuständigkeit soll die Möglichkeit einer Verlängerung der Vorbereitungshaft vorgesehen werden. In der Dublin III-Verordnung fehlt eine solche Regelung, obwohl das Remonstrationsverfahren einen wichtigen Bestandteil des Dublin-Verfahrens darstellt. Da dieses Verfahren höchstens fünf Wochen dauert, soll die maximale Haftdauer ebenfalls fünf Wochen betragen.

Bst. c Diese Bestimmung regelt die maximale Dauer der Ausschaffungshaft in DublinVerfahren nach einem Nichteintretensentscheid. Sie beträgt höchstens sechs Wochen ab Haftanordnung (Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 Dublin III-Verordnung). Dabei wird die Zeit eines allfälligen Beschwerdeverfahrens nicht an diese Frist angerechnet. Es besteht auch die Möglichkeit, die Haft zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt neu anzuordnen; dabei darf jedoch die Gesamtdauer von sechs Wochen nicht überschritten werden.

Eine wörtliche Auslegung der Dublin III-Verordnung in diesem Punkt würde in der Praxis zu stossenden Resultaten führen. Dies würde nämlich bedeuten, dass eine Inhaftierung nicht mehr möglich wäre, wenn sich die Untertauchensgefahr bei2703

spielsweise erst später als sechs Wochen nach dem Zeitpunkt ergibt, an dem der betreffende Dublin-Staat seine Zuständigkeit anerkennt. Die hier bestehende Lücke soll geschlossen werden. Die Haft soll daher auch später als sechs Wochen nach den in Artikel 28 Absatz 3 Dublin III-Verordnung vorgesehenen Verfahrensschritten angeordnet werden können (Antwort des zuständigen Dublin-Staates oder bei einer Beschwerde Zeitpunkt, ab dem die Rücküberstellung durchgeführt werden kann). So besteht die Möglichkeit einer Haftanordnung, wenn z.B. die betroffene Person eine längere Zeit untergetaucht ist.

In der Regel dauert eine Ausschaffungshaft in Dublin-Fällen nur wenige Tage. Im Jahr 2013 betrug die durchschnittliche Haftdauer für Dublin-Fälle 20 Tage (ohne kurzfristige Festhaltung). Die neue Haftdauer wird deshalb wenig Einfluss auf die heutige Praxis haben.

Abs. 4 Aufgrund des Vernehmlassungsergebnisses soll eine neue Haft wegen unkooperativen Verhaltens für das Dublin-Verfahren vorgesehen werden. Kann die Überstellung einzig auf Grund des persönlichen Verhaltens einer Person nicht vollzogen werden, kann die betreffende Person für die Dauer von sechs Wochen in Haft genommen werden, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft (Abs. 3 Bst. c) nicht möglich ist und eine mildere Massnahme nicht zum Ziel führt. Diese Haft kann auch dann angeordnet werden, wenn die Höchstdauer der Ausschaffungshaft erreicht wurde.

Die vorgeschlagene Regelung geht über die Vorgaben der Dublin III-Verordnung hinaus; sie ist aber notwendig, um einen effizienten Vollzug des Dublin-Wegweisungsentscheids zu gewährleisten. Ohne sie könnte eine betroffene Person durch renitentes Verhalten das Dublin-Verfahren vollständig unterlaufen, ohne dass der betroffene Staat Gegenmassnahmen ergreifen könnte.

Für Dublin-Fälle wird eine Obergrenze von drei Monaten für die Haft wegen unkooperativen Verhaltens im Rahmen des Dublin-Verfahrens eingeführt. Diese drei Monate entsprechen erfahrungsgemäss der maximalen Zeit, die erforderlich ist, um eine neue Überstellung zu organisieren. In den meisten Fällen wird diese früher durchgeführt werden können. Die zuständigen Behörden der Kantone und des Bundes sind gehalten, die notwendigen Schritte so rasch als möglich einzuleiten (Beschleunigungsgebot).

Abs. 5 Da jederzeit die Möglichkeit besteht, die
betroffene Person in das nationale Asylverfahren zu überführen und allenfalls erneut eine Administrativhaft anzuordnen, wird die Dublin-Haft an die Höchstdauer nach Artikel 79 angerechnet. Dies entspricht dem Resultat des Vernehmlassungsverfahrens.

Art. 78 Abs. 3 Redaktionelle Anpassung: Da die Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft sowie die Haft wegen unkooperativen Verhaltens im Rahmen des Dublin-Verfahrens neu im Artikel 76a AuG geregelt werden, müssen die Verweise entsprechend angepasst werden. Die Durchsetzungshaft nach Artikel 78 dürfte bei Dublin-Fällen keine Anwendung finden, da die Papierbeschaffung kein Problem darstellt und eine zwangsweise Rückführung immer möglich ist.

2704

Art. 80 Abs. 2bis Da die Ausschaffungshaft im Rahmen des Dublin-Verfahrens neu in Artikel 76a geregelt und Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 6 aufgehoben wird, muss der entsprechende Verweis gestrichen werden. Zudem wird die Haftanordnung und -überprüfung im Rahmen des Dublin-Verfahrens aus Transparenzgründen in einer neuen Bestimmung (Art. 80a) geregelt.

Art. 80a

Haftanordnung und Haftüberprüfung im Dublin-Verfahren

Artikel 80a entspricht weitgehend der geltenden Regelung für das Verfahren in Dublin-Fällen gemäss Artikel 80 AuG. Er bezieht sich ausschliesslich auf den neuen Artikel 76a zur Haftanordnung in Dublin-Fällen.

Abs. 1 Absatz 1 bestimmt die Zuständigkeit für die Haftanordnung. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden, bei denen die Zuständigkeit entweder beim Bundesamt für Migration (BFM) oder bei den kantonalen Behörden liegt: Bst. a Entscheide im Dublin-Verfahren sollen nach Möglichkeit während des Aufenthaltes in den EVZ oder in besonderen Zentren getroffen, eröffnet und durch die Behörden des Standortkantons vollzogen werden. Es ist daher sinnvoll, dass nicht der Standortkanton, sondern das BFM für die Anordnung der Vorbereitungshaft im Rahmen des Dublin-Verfahrens zuständig ist, wenn sich die betroffene Person in einem EVZ oder in einem besonderen Zentrum nach Artikel 26 Absatz 1bis AsylG aufhält.

Wird der Entscheid für eine Dublin-Überstellung in einem EVZ oder einem besonderen Zentrum eröffnet, wird die Ausschaffungshaft ebenfalls vom BFM angeordnet.

Bst. b Wurde die betroffene Person im Rahmen des Dublin-Verfahrens einem Kanton zugewiesen, ist dieser für die Anordnung der verschiedenen Haftphasen nach Artikel 76a Absatz 2 AuG zuständig. Wenn der Wegweisungsentscheid nach Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe d AsylG oder Artikel 64a Absatz 1 AuG im Kanton eröffnet wurde, ist dieser für die Haftanordnung in Dublin-Fällen zuständig.

Abs. 2 Es ist vorgesehen, dass bei einer Haftanordnung durch das BFM die Überprüfung der Rechtmässigkeit und Angemessenheit sich nach den Artikeln 105, 108, 109 und 111 AsylG richtet. Es handelt sich um ein Verfahren, das bereits heute bei Haftanordnungen durch dieses Amt angewendet wird.

Abs. 3 Wurde die Haft nach Artikel 76a vom Kanton angeordnet, kann die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft jederzeit auf Antrag einer Gerichtsbehörde im Rahmen eines schriftlichen Verfahrens überprüft werden. Diese Bestimmung entspricht der geltenden Regelung gemäss Artikel 80 Absatz 2bis.

2705

Abs. 4 Ein Gesuch um Haftentlassung kann von der inhaftierten Person jederzeit gestellt werden. Die Gerichtsbehörde hat innerhalb von acht Arbeitstagen nach der mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Dies entspricht im Wesentlichen der bereits heute geltenden Regelung von Artikel 80 Absatz 5.

Neu ist jedoch vorgesehen, dass im Gegensatz zum Vernehmlassungsentwurf ein Gesuch um Haftentlassung jederzeit gestellt werden kann. Diese Anpassung erfolgte auf Wunsch der Vernehmlassungsteilnehmer, die insbesondere kürzere Zeitabstände für die Einreichung eines neuen Gesuchs von Minderjährigen wünschten. Ausserdem ist angesichts der relativ kurzen Haftfristen im Dublin-Verfahren die Einführung neuer Fristen zur Einreichung eines Gesuchs um Haftentlassung nicht gerechtfertigt (siehe auch Ziff. 3.4).

Abs. 5 Wie bereits heute dürfen Kinder unter 15 Jahren nicht inhaftiert werden.

Abs. 6 Bei einer Inhaftierung von unbegleiteten Minderjährigen ist die Vertrauensperson, die aufgrund von Artikel 64a Absatz 3bis AuG oder Artikel 17 Absatz 3 AsylG ernannt worden ist, vorgängig zu informieren. Damit wird sichergestellt, dass die Vertrauensperson die minderjährige Person angemessen unterstützen und falls nötig die Sachkenntnis eines Rechtsvertreters in Anspruch nehmen kann.

Diese Neuerung erfolgte nach dem Vernahmlassungsverfahren aufgrund der verschiedenen Stellungnahmen zum Schutz von Kindern und den entsprechenden Bestimmungen der Dublin III-Verordnung. Es geht hier darum, dem Artikel 6 Absatz 2 der erwähnten Verordnung zu genügen (siehe auch Ziff. 3.4).

Abs. 7 Diese Bestimmung entspricht materiell weitgehend dem geltenden Artikel 80 Absatz 5.

Abs. 8 Absatz 8 entspricht materiell dem geltenden Artikel 80 Absatz 4.

Art. 81 Die allgemeinen Haftbedingungen von Artikel 81 finden in allen Fällen einer Inhaftierung Anwendung. Dieser Artikel wird insbesondere aufgrund der Bemerkungen einzelner Vernehmlassungsteilnehmer leicht angepasst und ergänzt. Absatz 3 soll neu die allgemeinen Bestimmungen in Bezug auf Minderjährige und ihre Familien festlegen. Es gilt, den besonderen Bedürfnissen von Minderjährigen und Familien sowie von schutzbedürftigen Personen Rechnung zu tragen. Zudem wird ein neuer Absatz 4 geschaffen, um die besonderen Bestimmungen im Einzelfall zu präzisieren.

Abs. 3 Die Haftanordnung gegenüber Kindern
und Jugendlichen unter 15 Jahren ist ausgeschlossen (Art. 80a AuG). Eine Haftanordnung ist demnach u.a. zulässig für unbegleitete Minderjährige und Jugendliche, die älter als 15 Jahre sind. Ausnahmsweise kann es vorkommen, dass Kleinkinder mit ihren Eltern inhaftiert werden.

2706

Artikel 81 AuG befasst sich mit den Haftbedingungen und hält in Absatz 3 fest, dass bei der Ausgestaltung der Haft den Bedürfnissen von unbegleiteten Minderjährigen und Familien mit Minderjährigen sowie von schutzbedürftigen Personen Rechnung zu tragen ist.

Dieser Artikel ist angesichts der neuen Bestimmungen von Artikel 28 Absatz 4 der Dublin III-Verordnung zu ergänzen, welcher auf die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU17 verweist. Diese Richtlinie ist für die Schweiz nicht verbindlich; es gilt aber dennoch, dem Inhalt der Richtlinie Rechnung zu tragen und ähnliche Standards in Bezug auf die Haft bei Dublin-Verfahren anzuwenden.

Artikel 11 Absatz 2 und 3 der Richtlinie hält insbesondere fest, dass die Haftdauer möglichst kurz sein muss und dass alle Anstrengungen zu unternehmen sind, um Minderjährige rasch aus der Haft zu entlassen und in für sie geeigneten Einrichtungen unterzubringen. Ausserdem dürfen unbegleitete Minderjährige nur in Ausnahmefällen in Haft genommen werden. Die Inhaftierung darf nicht in einer gewöhnlichen Haftanstalt erfolgen, und die Minderjährigen müssen von Erwachsenen getrennt untergebracht werden.

Ausserdem ist der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Bezug auf die Haftbedingungen für Minderjährige, die mit ihren Eltern inhaftiert sind, Rechnung zu tragen. Dabei wird namentlich auf die Rechtssache Popov gegen Frankreich18 und die Rechtssache Muskhadzhiyeva gegen Belgien19 verwiesen. In diesen beiden Fällen hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass aufgrund der Dauer und der Bedingungen der Inhaftierung der Minderjährigen, die ihrem Alter und ihren Bedürfnissen (Ernährung, Umfeld) nicht angemessen war, Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)20 verletzt wurde.

Abs. 4 In Absatz 4 wird auf die besonderen Regelungen sowohl in Bezug auf die Richtlinie 2008/115/EG21 zur Rückführung (Bst. a) als auch in Bezug auf die Dublin III-Verordnung (Bst. b) verwiesen. Unabhängig davon, ob die Inhaftierung im Rahmen einer Rückkehr in den Herkunftsstaat oder im Rahmen eines Dublin-Verfahrens und einer möglichen Überstellung in den zuständigen Dublin-Staat erfolgt, ist somit sicherzustellen, dass die Bedingungen in Bezug auf die Haftanordnung und die Inhaftierung den Bestimmungen des europäischen Rechts entsprechen.
In gewissen Fällen kann die Schweiz zwischen der Anwendung der Dublin III-Verordnung und einer Wegweisung gestützt auf die Richtlinie 2008/115/EG wählen. Es handelt sich dabei um Personen, deren Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist und die sich ohne Aufenthaltsrecht im Hoheitsgebiet eines anderen Dublin-Staates aufhalten. Es ist diesem Staat überlassen, den zuständigen Dublin-Staat um Wieder-

17

18 19 20 21

Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung), in der Fassung gemäss ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 96.

EGMR, Popov/Frankreich, Nr. 39472/07 und 39474/07, 19. Januar 2012.

EGMR, Muskhadzhieva und andere / Belgien, Nr. 41442/07, 19. Januar 2010.

SR 0.101 Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348 vom 24.2.2008, S. 98.

2707

aufnahme der betroffenen Person zu ersuchen oder gestützt auf die Richtlinie 2008/115/EG eine direkte Wegweisung in das Herkunftsland vorzunehmen.

Art. 109a Abs. 2 Bst. b Diese Bestimmung verweist heute auf die geltende Dublin II-Verordnung. Durch die Übernahme der neuen Dublin III-Verordnung muss der Verweis entsprechend angepasst werden.

3.5.2

Bestimmungen des AsylG

Art. 17 Abs. 3 Bst. d Es wird ein neuer Buchstabe d eingeführt, der spezifisch die unverzügliche Ernennung einer Vertrauensperson vorsieht, wenn ein Dublin-Verfahren eine unbegleitete minderjähre Person betrifft. Artikel 6 Absatz 2 der Dublin III-Verordnung legt fest: «Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass ein unbegleiteter Minderjähriger in allen Verfahren, die in dieser Verordnung vorgesehen sind, von einem Vertreter vertreten und/oder unterstützt wird.» In Fällen, in denen die Abfrage im Eurodac einen Treffer ergeben hat, oder wenn andere eindeutige Anzeichen vermuten lassen, dass ein Dublin-Verfahren eingeleitet wird, ist also dafür zu sorgen, dass beim ersten persönlichen Gespräch im EVZ sowie für alle weiteren Phasen im Dublin-Verfahren eine Unterstützung vorgesehen wird.

Abs. 5 Analog den Bestimmungen von Artikel 64 Absatz 5 AuG gilt es, die Rolle, die Zuständigkeiten und die Aufgaben der nach Artikel 17 Absatz 3 AsylG eingesetzten Vertrauensperson näher zu bestimmen. Dieser neue Absatz gibt dem Bundesrat die Kompetenz, die entsprechenden Normen festzulegen und so die Praxis in den Kantonen zu vereinheitlichen.

Art. 22 Abs. 1ter Einleitungssatz Dieser Absatz verweist heute auf die geltende Dublin II-Verordnung. Durch die Übernahme der neuen Dublin III-Verordnung muss der Verweis entsprechend angepasst werden.

Art. 35a

Wiederaufnahme des Asylverfahrens bei Dublin-Fällen

Um den effektiven Zugang zum Asylverfahren zu gewährleisten, muss der zuständige Dublin-Staat die Möglichkeit vorsehen, dass die asylsuchende Person den Abschluss der Prüfung ihres Asylgesuchs beantragen kann (Art. 18 Abs. 2 Dublin III-Verordnung). Bei Fällen, in denen die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller 2708

lediglich einen erstinstanzlichen Entscheid erhalten hat, muss der zuständige DublinStaat zudem die Rechtsweggarantie gewähren.

Bis zur letzten Revision des Asylgesetzes (Inkrafttreten am 1. Februar 2014) regelte Artikel 35a AsylG die Wiederaufnahme des Asylverfahrens nach der Abschreibung eines Gesuchs oder einem Nichteintretensentscheid. Dieser Artikel sah vor, dass ein Asylverfahren wieder aufgenommen wird, wenn eine Person, deren Asylgesuch abgeschrieben wurde, erneut ein Asylgesuch stellt.

Da diese Bestimmung im Rahmen der letzten Asylgesetzrevision aufgehoben wurde22, muss eine neue Bestimmung eingeführt werden. Der neue Artikel präzisiert, dass eine Person, die ihr Asylgesuch zurückgezogen hat oder während des laufenden Asylverfahrens untergetaucht ist und deren Gesuch deshalb abgeschrieben wurde, Anspruch auf Prüfung ihres Asylgesuchs hat, wenn die Schweiz aufgrund der Dublin III-Verordnung für diese Prüfung zuständig ist. Diese Massnahme entspricht der Vorgabe von Artikel 18 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Dublin III-Verordnung.

Aufgrund der Bemerkungen der Vernehmlassungsteilnehmer ist diese Bestimmung nun ausschliesslich auf Dublin-Fälle anwendbar und stellt damit eine Sonderbestimmung dar.

Art. 107a Gemäss geltendem Recht sieht Artikel 19 Absatz 2 der Dublin II-Verordnung vor, dass Beschwerden gegen den Dublin-Überstellungsentscheid keine aufschiebende Wirkung haben. Dies galt nicht für den Fall, dass die Gerichte oder zuständigen Stellen im Einzelfall nach Massgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders entscheiden.

Die Dublin III-Verordnung sieht nun in Artikel 27 Absätze 3 und 4 verschiedene Möglichkeiten vor, wie die einzelnen Staaten die aufschiebende Wirkung in ihrem innerstaatlichen Recht regeln können (siehe dazu Ziff. 3.1.2).

Artikel 107a AsylG wurde mit der Inkraftsetzung des DAA geschaffen. Er sah eine Ausnahmeregelung zu Artikel 55 Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196823 (VwVG) vor. Gemäss dieser Ausnahmeregelung kam einer Beschwerde gegen einen NEE im Dublin-Verfahren keine aufschiebende Wirkung zu, sodass der NEE sofort vollziehbar war. Diese Praxis ging davon aus, dass Wegweisungen in einen anderen Dublin-Staat grundsätzlich zulässig und zumutbar sind.

In seinem Grundsatzurteil vom 2. Februar 201024 hielt das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) jedoch fest,
dass den asylsuchenden Personen eine angemessene Frist zur Einreichung einer Beschwerde zu gewähren sei. Während dieser Frist dürfen NEE nicht vollzogen werden. Seither wird den betroffenen Personen ab Eröffnung des Dublin NEE eine Ausreisefrist von fünf Arbeitstagen gewährt. Gleichzeitig wird ihnen die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb dieser Frist ein Rechtsmittel zu ergreifen. Machen die betroffenen Personen davon Gebrauch, entscheidet das BVGer innerhalb von fünf Arbeitstagen über die Gewährung der aufschiebenden Wirkung.

Die Gesetzesgrundlagen und Praxis, die bis zum 31. Januar 2014 galten, hätten den Anforderungen der Dublin III-Verordnung entsprochen. Artikel 107a AsylG hat 22 23 24

Botschaft vom 26. Mai 2010 zur Änderung des Asylgesetzes, BBl 2010 S. 4495.

SR 172.021 BVGE 2010/1 (E-5841/2009).

2709

jedoch im Rahmen der letzten Asylgesetzrevision während der parlamentarischen Beratung eine Änderung erfahren. Die aufschiebende Wirkung kann nur noch beantragt werden, wenn eine konkrete Gefährdung im zuständigen Dublin-Staat besteht (bspw. zurzeit in Griechenland). Diese neue Bestimmung ist seit dem 1. Februar 2014 in Kraft. Sie widerspricht jedoch Artikel 27 der Dublin III-Verordnung. Daher muss Artikel 107a AsylG erneut angepasst werden.

Abs. 1 Nach wie vor kommt der Beschwerde gegen einen Dublin NEE keine aufschiebende Wirkung zu.

Abs. 2 Gemäss Absatz 2 kann die asylsuchende Person innerhalb der Beschwerdefrist die Gewährung der aufschiebenden Wirkung beantragen.

Abs. 3 Das BVGer hat innerhalb von fünf Tagen nach Eingang des Antrags darüber zu befinden, ob die aufschiebende Wirkung gewährt wird. Wird sie durch das BVGer innerhalb von fünf Tagen nicht gewährt, kann die Wegweisung vollzogen werden.

Art. 108 Abs. 4 Da das BFM im Rahmen des Dublin-Verfahrens die Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft (Art. 76a E-AuG) anordnen kann, wenn sich die betroffenen Personen in den EVZ oder in den besonderen Zentren (Art. 26 Abs. 1bis AsylG) aufhalten (Art. 80a Abs. 1 und 2 E-AuG), richtet sich die Zuständigkeit und das Verfahren zur Haftüberprüfung nach den Artikeln 105, 108, 109 und 111 AsylG. Aus diesem Grund ist in Artikel 108 Absatz 4 AsylG der Verweis auf die Dublin-Haft (Art. 76a E-AuG) entsprechend anzupassen.

Art. 111 Bst. d Dieser Buchstabe ist mit einem Verweis auf Artikel 76a AuG zu ergänzen. Der Einzelrichter hat wie bereits heute über Beschwerden in Bezug auf Inhaftierungen im Dublin-Verfahren, die vom BFM angeordnet wurden, zu entscheiden.

4

Bundesbeschluss zur Eurodac-Verordnung

4.1

Inhalt der Eurodac-Verordnung

Die Verordnung (EU) Nr. 603/2013 ersetzt die Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 (Eurodac-Verordnung)25, die von der Schweiz im Rahmen des Dublin-Assoziierungsabkommens übernommen wurde und seit dem 12. Dezember 2008 anwendbar ist.

25

Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von «Eurodac» für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens, ABl. L 316 vom 15.12.2000, S. 1.

2710

Der Hauptzweck der Eurodac-Verordnung ist nach wie vor, die Nutzung der zentralen europäischen Datenbank zur effektiven Anwendung der Dublin III-Verordnung zu regeln. Diese Datenbank enthält insbesondere die Fingerabdrücke der folgenden Personenkategorien: ­

Asylsuchende Personen ab 14 Jahren (Daten der Kategorie I);

­

Personen ab 14 Jahren, die illegal über eine Schengen-Aussengrenze in einen Dublin-Staat eingereist sind und die nicht zurückgewiesen werden (Daten der Kategorie II).

Ausserdem können die Daten von Personen ab 14 Jahren, die im Hoheitsgebiet eines Dublin-Staates aufgegriffen werden und über keinen erforderlichen Aufenthaltstitel verfügen (Daten der Kategorie III), mit den Daten der Kategorie I abgeglichen werden.

Die nach Artikel 11 der Eurodac-Verordnung erhobenen Daten der Kategorie I werden mit den Daten im Zentralsystem abgeglichen und anschliessend in diesem System erfasst. Die gemäss Artikel 14 Absatz 2 der Eurodac-Verordnung erhobenen Daten der Kategorie II werden ohne Abgleich im System erfasst. Die Fingerabdrücke der Kategorie III werden nicht im System erfasst und nur mit den Daten der Asylsuchenden in der Eurodac-Datenbank abgeglichen, um zu prüfen, ob die Person im System bekannt ist. Die Bestätigung des Eurodac-Systems, dass eine Person in einem anderen Dublin-Staat bereits ein Asylgesuch gestellt hat, stellt gemäss Dublin-Verordnung ein Kriterium dar, um die Zuständigkeit des Dublin-Staates, der das Asylgesuch zuerst behandelt hat, festzustellen. Auch die erste illegale Einreise in einen Dublin-Staat ist eines der Kriterien zur Feststellung, welcher Dublin-Staat für die Behandlung eines Asylgesuchs zuständig ist.

Mit der neuen Eurodac-Verordnung bleibt das grundsätzliche Funktionsprinzip des Eurodac-Systems unverändert. Die Verordnungsrevision bringt dennoch einige Neuerungen mit sich, die nachfolgend erläutert werden.

Die Neuerungen helfen, das Eurodac-System deutlich zu verbessern. Die Übernahme der Eurodac-Verordnung ist daher aus der Sicht des Bundesrates wünschenswert.

4.1.1

Übermittlung zusätzlicher Daten an das Zentralsystem

Die Fingerabdrücke von Asylsuchenden (Kategorie I) und Personen, die beim illegalen Überschreiten einer Schengen-Aussengrenze aufgegriffen werden (Kategorie II), sind die wichtigsten Daten, die an das Zentralsystem übermittelt werden. Weitere Daten wie der Ort und das Datum der Gesuchstellung oder des Aufgreifens, das Datum der Fingerabdruckabnahme sowie das Datum der Datenübermittlung müssen seit jeher in das Zentralsystem eingepflegt werden. Neu kommt gemäss Artikel 11 und 14 Absatz 2 der revidierten Eurodac-Verordnung das Benutzerkennwort der Behörde, welche die Daten übermittelt («Operator User ID»), hinzu. Dies kann ein Code oder ein Name sein, der von der Schweiz zu bestimmen ist.

Ausserdem müssen von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Kategorie I), je nach Situation weitere Informationen gemäss Artikel 11 Buchstaben h­k der Eurodac-Verordnung erfasst werden. So ist im Fall der Aufnahme oder Wieder2711

aufnahme einer Person das Datum der Ankunft in der Schweiz im Zentralsystem einzugeben. Hat eine Person das Gebiet der Dublin-Staaten erwiesenermassen für mehr als drei Monate verlassen, oder ist die Wegweisung erfolgreich vollzogen worden, muss zudem das Ausreisedatum erfasst werden. Wenn die Schweiz sich als zuständig erklärt und bereit ist, den Antrag auf internationalen Schutz gemäss Artikel 17 der Dublin III-Verordnung zu prüfen, muss im Zentralsystem schliesslich auch eingegeben werden, zu welchem Zeitpunkt dieser Entscheid erfolgt ist.

Ausserdem sieht die neue Eurodac-Verordnung in Artikel 9 vor, dass die Fingerabdrücke der Asylsuchenden, wie die Daten gemäss Artikel 11 Buchstaben b­g der Eurodac-Verordnung (Kategorie I), spätestens 72 Stunden nach Einreichung des Antrags auf internationalen Schutz an das Zentralsystem übermittelt werden müssen.

Das Gleiche gilt für Personen, die bei der illegalen Einreise über eine SchengenAussengrenze aufgegriffen werden (Kategorie II). Diese 72-Stunden-Regel gilt jedoch nicht für Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die sich illegal in einem Dublin-Staat aufhalten (Kategorie III) ­ diese Daten können im System nur abgeglichen, aber nicht erfasst werden (Art. 17 Eurodac-Verordnung). Die neu eingeführte Frist soll sicherstellen, dass die Dublin-Staaten insbesondere die illegalen Einreisen von Drittstaatsangehörigen in den Schengen-Raum sorgfältig und rasch im Zentralsystem erfassen.

4.1.2

Datenmarkierung

Zurzeit sind die Daten von anerkannten Flüchtlingen im Zentralsystem gesperrt.

Dies bedeutet, dass solche Daten nicht an die Dublin-Staaten übermittelt werden, wenn die Abfrage im System einen Treffer ergeben hat. Mit der Inkraftsetzung der neuen Eurodac-Verordnung sollen diese Daten freigegeben und markiert werden (Art. 18 Eurodac-Verordnung). Infolgedessen muss der Dublin-Staat, der einem Antragsteller Asyl oder Schutz gewährt, dessen Daten im Zentralsystem markieren.

Ausserdem informiert das Zentralsystem alle Dublin-Staaten, die vorgängig Daten zu dieser Person übermittelt haben, damit sie ebenfalls eine Markierung vornehmen.

Nach der Markierung werden die Daten von Personen, die internationalen Schutz erhalten haben, immer an den Staat übermittelt, der einen Abgleich der Fingerabdrücke wünscht. Diese Daten werden aber speziell gekennzeichnet, damit der besondere Status der betroffenen Person ersichtlich ist. Die Umwandlung der gesperrten Daten in markierte Daten im Rahmen der Umsetzung der neuen Eurodac-Verordnung bringt einen hohen Arbeitsaufwand mit sich. Dank der Markierung können Personen, denen von einem Dublin-Staat Schutz gewährt wurde, identifiziert werden, und es wird möglich, sie gestützt auf die bilateralen Rückübernahmeabkommen in den betreffenden Staat rückzuführen.

So werden die Daten aller Personen markiert, die internationalen Schutz beantragt und eine Aufenthaltsbewilligung aufgrund der Asylgewährung erhalten haben, oder die vorläufig in der Schweiz aufgenommen wurden, sofern die vorläufige Aufnahme dem subsidiären Schutz entspricht. Diese Markierung wird aufgehoben, wenn die Aufenthaltsbewilligung der betroffenen Person oder ihr Status in der Schweiz widerrufen wird oder abläuft. Die Daten von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, werden erst zehn Jahre nach der Erfassung ihrer Fingerabdrücke automatisch gelöscht (Art. 10 Eurodac-Verordnung). Eine vorzeitige Löschung der Daten einer Person, die internationalen Schutz beantragt hat, ist nur möglich, wenn 2712

diese Person die Staatsangehörigkeit eines Dublin-Staates erworben hat (Art. 13 Eurodac-Verordnung).

Die EU-Mitgliedstaaten können zudem künftig unter bestimmten Voraussetzungen zu Strafverfolgungszwecken auf die Eurodac-Daten zugreifen (vgl. Ziff. 4.1.3).

Markierte Daten werden drei Jahre nach Gewährung des internationalen Schutzes gesperrt, wenn die Abfrage der Behörden zu strafrechtlichen Zwecken erfolgt. Dies bedeutet, dass diesen Behörden keine Treffer mitgeteilt werden, wenn die gesuchte Person drei oder mehr Jahre zuvor internationalen Schutz erhalten hat. Die Daten müssen wieder verfügbar gemacht werden, wenn der Status der betroffenen Person widerrufen wird.

4.1.3

Zugriff auf Daten zu Strafverfolgungszwecken

Die neue Verordnung sieht in den Artikeln 5­7 und in Kapitel VI vor, dass die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der EU bzw. Europol unter bestimmten Voraussetzungen auf die Daten im Eurodac-System zugreifen können. Ein solcher Zugriff ist insbesondere dann zulässig, wenn die Abfrage der nationalen Datenbanken gemäss Artikel 20 Absatz 1 Strich 1 der Eurodac-Verordnung und der Datenbanken der anderen Mitgliedstaaten in Anwendung der Beschlüsse 2008/615/JI26 und 2008/616/JI27 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität (Prümer Beschlüsse), keinen Treffer ergeben hat (Art. 20 Abs. 1 Strich 2 Eurodac-Verordnung).

Die Bestimmungen der Eurodac-Verordnung über den Zugriff zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung stellen für die Schweiz wie für die anderen assoziierten Staaten keine Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands im Sinne des DAA dar.

Diese Bestimmungen gelten für die Schweiz somit nicht. Sie hat wie die anderen assoziierten Staaten aber die Möglichkeit, eine Zusatzvereinbarung über eine erweiterte Verwendung der Eurodac-Daten für Sicherheits- und polizeiliche Zwecke abzuschliessen. Damit auch die schweizerischen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die Eurodac-Datenbank zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung erhalten, wird die Schweiz mit der EU zudem eine Vereinbarung über die Beteiligung an der Prüm-Zusammenarbeit abschliessen müssen. Denn für eine EurodacAbfrage zu Strafverfolgungszwecken bedarf es ­ wie vorstehend ausgeführt ­ vorgängig einer Abfrage im Rahmen der Prüm Zusammenarbeit. Über die Aufnahme von Verhandlungen zu diesen beiden Vereinbarungen wurde noch nicht entschieden.

Ein allfälliger Zugriff auf die Daten durch die Schweizer Polizei- und Justizbehörden beim Kampf gegen Terrorismus und andere schwere Verbrechen wird daher voraussichtlich erst in ein paar Jahren möglich sein. Die anderen Dublin-Staaten sollen bis zu diesem Zeitpunkt nach Ansicht des Bundesrates nicht berechtigt sein, zu Strafverfolgungszwecken auf die von der Schweiz im Eurodac-System erfassten 26

27

Beschluss Nr. 2008/615/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, ABl. L 210 vom 6.8.2008, S. 1.

Beschluss 2008/616/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Durchführung des Beschlusses 2008/615/JI zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, ABl. L 210 vom 6.8.2008, S. 12.

2713

Daten zuzugreifen. Dem Ersuchen der Schweiz, wonach die anderen Dublin-Staaten zu Strafverfolgungszwecken keinen Zugriff auf die von der Schweiz gelieferten Daten erhalten sollten, solange die Schweiz keinen entsprechenden Zugriff hat, hat die Europäische Kommission Folge geleistet. Die entsprechenden Daten der Schweiz werden für solche Abgleiche vorläufig gesperrt.

4.1.4

Fingerabdruckspezialist

Mit der revidierten Verordnung wird in Artikel 25 Absatz 4 eine neue Funktion eingeführt: Eine Fingerabdruckspezialistin oder ein Fingerabdruckspezialist (Fachleute für Daktyloskopie) prüft umgehend die vom Eurodac gemeldeten Treffer. Falls die Prüfung durch diesen Spezialisten kein schlüssiges Resultat ergibt, muss dies so bald wie möglich, spätestens jedoch nach drei Arbeitstagen der Europäischen Kommission und der für die europäischen Informatiksysteme zuständigen Agentur (IT-Agentur) mitgeteilt werden. Zudem ist das Abfrageergebnis umgehend zu vernichten.

Das innerstaatliche Recht kann die Aufgaben und die Kompetenzen der Fingerabdruckspezialisten oder -spezialistinnen bestimmen. Diese müssen jedoch besonders ausgebildet sein für den Abgleich von Fingerabdrücken. Die Schweiz kann somit selber bestimmen, wie sie diese zwingende Kontrolle in organisatorischer Hinsicht gestaltet.

4.1.5

Übermittlung der Daten

Artikel 35 der revidierten Eurodac-Verordnung regelt die Übermittlung der im System gespeicherten Daten. Eurodac-Daten dürfen nicht an einen Drittstaat, eine internationale Organisation oder eine private Stelle innerhalb oder ausserhalb der EU übermittelt werden. Nur die Staaten, welche die Dublin-Verordnung anwenden, dürfen diese Daten erhalten.

Zudem dürfen Eurodac-Daten, die zu Strafverfolgungszwecken bereitgestellt wurden, nicht an Drittstaaten weitergegeben werden, wenn ein ernstzunehmendes Risiko besteht, dass die Weitergabe der Daten Folterung, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder andere Menschenrechtsverletzungen nach sich zieht. Diese Bestimmung betrifft die Schweiz nicht direkt, da sie zurzeit keinen Zugriff auf das Eurodac-System zu Strafverfolgungszwecken hat und ihre Daten in diesem System in dieser Hinsicht auch bis auf Weiteres gesperrt sind.

4.2

Wichtigste Gesetzesänderungen aufgrund der Eurodac-Verordnung

Anlässlich der Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 im Rahmen des DAA wurde das Schweizer Recht nur in sehr beschränktem Umfang angepasst. Es wurden lediglich einige Eurodac-relevante Bestimmungen in das Schweizer Recht und insbesondere in das Ausländergesetz übernommen.

2714

Die Artikel 111a­111f AuG betreffen den Datenschutz und basieren im Wesentlichen auf der europäischen Datenschutzrichtlinie 95/46/EG28. Hier wurde ein präzisierender Artikel bezüglich Eurodac eingeführt: Artikel 111i AuG definiert die zu erfassenden Daten, wenn eine Person aufgegriffen wird, die aus einem Staat ausserhalb des Schengen-Raums illegal in die Schweiz einreist oder wenn eine Person sich illegal in der Schweiz aufhält. Diese Daten werden anschliessend über das BFM an das Eurodac-System übermittelt. Die Löschung der Daten wird ebenfalls geregelt.

Gleichzeitig hatte auch das AsylG eine Anpassung erfahren: Der neue Artikel 102abis, der dem Artikel 111i AuG ähnlich ist, trat ebenfalls am 12. Dezember 2008 in Kraft.

Die neue Eurodac-Verordnung ist weitgehend direkt anwendbar. Einige der in Ziffer 4.1 erläuterten Neuerungen erfordern jedoch eine Umsetzung bzw. eine Anpassung im schweizerischen Gesetzesrecht. Die Übermittlung zusätzlicher Daten an das Zentralsystem sowie die Einhaltung der 72-Stunden-Regel erfordern eine Anpassung der Artikel 102abis AsylG und 111i AuG. Gleichzeitig ist aufgrund der neu eingeführten Funktion einer Fingerabdruckspezialistin oder eines Fingerabdruckspezialisten eine Rechtsgrundlage zu schaffen, um zu bestimmen, wer diese Aufgabe übernimmt und unter welchen Bedingungen sie allenfalls ausgelagert werden kann. Da die Artikel der Eurodac-Verordnung zum Zugriff auf die Daten zu Strafverfolgungszwecken keine Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands darstellen und dafür ­ wie unter Ziffer 4.1.3 vorstehend ausgeführt ­ der Abschluss zusätzlicher Vereinbarungen erforderlich ist, wird zurzeit darauf verzichtet, die für solche Zugriffe notwendigen formellgesetzlichen Grundlagen vorzusehen. Was die Datenmarkierung betrifft, so ist die neue Eurodac-Verordnung direkt anwendbar; aus Gründen der Klarheit wird die Datenmarkierung allenfalls auf Verordnungsstufe festgelegt.

Die strengen Vorgaben der Übermittlung von Daten aus dem Eurodac-System stellen eine spezielle Regelung in Bezug auf die Artikel 105, 111d AuG und 102c AsylG dar. Gemäss diesen Bestimmungen ist unter bestimmten Voraussetzungen die Übermittlung von Personendaten von Asylsuchenden oder Ausländerinnen und Ausländern an Drittstaaten und ans Ausland unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Deshalb ist
hier eine Anpassung der Rechtsordnung erforderlich. Es wird vorgeschlagen, in den Artikeln 111d AuG und 102c AsylG einen Absatz einzufügen, der diesen Grundsatz der Datenübermittlung näher regelt.

4.3

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zur Eurodac-Verordnung und Haltung des Bundesrats

Die Kantone (AI, AR, BE, BL, BS, FR, GE, GL, GR, JU, LU, NE, OW, SG, SH, SO, SZ, TG, TI, UR, VD, VS, ZG, ZH) sowie die VKM, der SGV, das HEKS, der USAM, die SFH, das UNHCR, das CP, der SGB, die FER sowie die FDP und die SP sprechen sich für die Übernahme der Eurodac-Verordnung und die damit verbundenen Neuerungen aus. Einzig die SVP lehnt die neue Eurodac-Verordnung ab.

TG erklärt, dass der Kanton von ausländischen Personen, die sich illegal im Hoheitsgebiet der Schweiz aufhalten, noch nie die Fingerabdrücke abgenommen hat und nicht über die erforderlichen Gerätschaften und Ressourcen verfügt.

28

ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

2715

UR erachtet die Übermittlung der Eurodac-Daten innerhalb von 72 Stunden als positiv. Die FDP begrüsst den neuen Artikel 102ater AsylG, der sich mit der Überprüfung der Fingerabdrücke im Eurodac durch eine Spezialistin oder einen Spezialisten befasst.

SO, BS, UR, SZ und FDP wünschen Zugang zu den Eurodac-Daten im Rahmen der Bekämpfung von schweren Straftaten und der entsprechenden Ermittlungen. Ein solcher Zugang müsste durch eine formelle Gesetzesgrundlage gewährleistet sein.

Die Vereinigung der schweizerischen Datenschutzbeauftragten (Privatim) hat nur zur Eurodac-Verordnung Stellung genommen. Sie hat sich zum Zugang der Polizeibehörden auf die Eurodac-Daten geäussert, auch wenn dieser nur langfristig geplant ist. Privatim betont, dass der Zweck des Eurodac-Systems die effiziente Anwendung der Dublin-Verordnung ist, um den für die Behandlung eines Asylgesuchs zuständigen Dublin-Staat zu ermitteln. Ein Zugang für die Polizeibehörden verletzt die Rechte der betroffenen Personen. Damit werden die Asylsuchenden unter Generalverdacht gestellt. NE, SFH und UNHCR sind ebenfalls der Meinung, dass die Eurodac-Verordnung lediglich im Rahmen des Migrationsrechts und nicht im Rahmen von polizeilichen oder repressiven Massnahmen verwendet werden soll.

SZ, FER und FR sind der Ansicht, dass die Übermittlung zusätzlicher Informationen wie die Datenmarkierung von Personen, denen Schutz gewährt wird, unabdingbar ist, wenn die Dublin-Zusammenarbeit optimiert und wirksamer gestaltet werden soll.

Der USAM bewertet es als positiv, dass Personen, die von einem Dublin-Staat als Flüchtlinge anerkannt wurden, identifiziert werden können und dass die EurodacVerordnung die Wirksamkeit der Verfahren erhöht.

Die SFH heisst die neuen Datenschutzbestimmungen im AuG und im AsylG gut. Sie begrüsst die kürzere Aufbewahrungsdauer der bei einem illegalen Grenzübertritt erfassten Daten ebenso wie die Übermittlung zusätzlicher Daten im EurodacSystem.

SFH und SP bedauern hingegen, dass Personen, denen Schutz gewährt wurde, durch die Datenmarkierung davon abgehalten werden, sich in einen anderen europäischen Staat, der bessere Lebensbedingungen bietet, zu begeben. Zudem ist für diese Personen eine Wegweisung aufgrund eines bilateralen Rückübernahmeabkommens nicht positiv; denn in dieser Hinsicht bestehen keine Fristen, und es ist
sicherzustellen, dass die Rechte und Interessen der betroffenen Personen gewahrt werden.

Haltung des Bundesrates Die allgemeinen Bemerkungen der Vernehmlassungsteilnehmenden zur Übernahme der Eurodac-Verordnung erfordern keine Anpassung des Vernehmlassungsentwurfs.

Der ursprüngliche Entwurf wurde deshalb beibehalten.

4.4

Beantragte Regelung

Die Anpassungen der Artikel 102abis, 102c AsylG sowie 111d und 111i AuG sind aufgrund der Änderungen der Eurodac-Verordnung erforderlich. Die Schweiz hat in dieser Hinsicht keinerlei Handlungsspielraum. Hingegen wird ein neuer Artikel 102ater AsylG bezüglich der Funktion der Fingerabdruckspezialistin oder des Fingerabdruckspezialisten vorgeschlagen. Diesbezüglich kann die Schweiz die Aufgaben und Kompetenzen der neu eingeführten Spezialistinnen und Spezialisten frei 2716

bestimmen. Der neue Artikel soll dem BFM ermöglichen, in Zusammenarbeit mit den AFIS DNA Services des Bundesamtes für Polizei (Fedpol) die erforderliche Ausbildung der Fachleute zu bestimmen. Der Bundesrat wird ausserdem über den Status und die administrative Angliederung der Spezialistin oder des Spezialisten entscheiden.

4.5

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

4.5.1

Bestimmungen des AuG

Art. 111d Abs. 5 AuG In diesem neuen Absatz 5 muss in Einklang mit Artikel 35 der Eurodac-Verordnung vorgesehen werden, dass die Daten des Eurodac-Systems unter keinen Umständen an Staaten übermittelt werden dürfen, die die Dublin-Verordnung nicht anwenden.

So können Grossbritannien und Dänemark diese Daten im Rahmen der Schengenoder Dublin-Zusammenarbeit nicht erhalten, wenn sie auf die Übernahme der Dublin III-Verordnung verzichten. Der im AuG vorgesehene Absatz betrifft die Eurodac-Daten über Ausländerinnen und Ausländer, die an der Schweizer Grenze oder auf dem Gebiet der Schweiz aufgegriffen worden sind. Dieselbe Regelung muss auch ins AsylG aufgenommen werden, damit sie auch für die Asylsuchenden gilt.

Gegenwärtig hat die Schweiz zu Strafverfolgungszwecken keinen Zugriff auf die Eurodac-Daten, und es ist nicht sinnvoll, die Datenübermittlung zu diesem Zweck an Staaten, die nicht durch eines der Dublin-Assoziierungsabkommen gebunden sind, hier zu regeln.

Art. 111i AuG Abs. 1 Absatz 1 regelt bereits heute die Erfassung der Fingerabdrücke von ausländischen Personen, die aus einem Staat, der nicht durch eines der Dublin-Assoziierungsabkommen gebunden ist, illegal über eine Schengen-Aussengrenze in die Schweiz einreisen und nicht zurückgewiesen werden. Es handelt sich dabei um sogenannte Daten der Kategorie II.

Aufgrund einer Präzisierung in Artikel 14 Absatz 1 der neuen Eurodac-Verordnung muss Absatz 1 ergänzt werden. Von Personen, die nach ihrer illegalen Einreise in einen Dublin-Staat im Hoheitsgebiet dieses Staates verbleiben und nicht im Hinblick auf eine Ausschaffung oder Ausweisung während des gesamten Zeitraums zwischen ihrem Aufgreifen und der Wegweisung in Haft genommen werden, sind zwingend die Fingerabdrücke zu erfassen. Absatz 1 muss klar festhalten, dass für Personen, die in der Schweiz verbleiben, ohne dass Massnahmen zum Vollzug ihrer Wegweisung getroffen werden, neu eine Erfassung der Fingerabdrücke im Eurodac-System vorgesehen ist.

Abs. 2 Absatz 2 definiert die Daten, die an das Zentralsystem zu übermitteln sind, wenn gemäss Absatz 1 die Fingerabdrücke erfasst werden. Gemäss dem neuen Artikel 14 Absatz 2 der Eurodac-Verordnung sind weitere Daten zu erfassen, nämlich der Code

2717

oder das Benutzerkennwort; dies ist inskünftig unter dem neuen Buchstaben f des Absatzes 2 festgelegt.

Abs. 2bis Ein neuer Absatz 2bis muss eingeführt werden, um der für die Dublin-Staaten geltenden Frist von 72 Stunden zur Übermittlung der Daten an das Zentralsystem Rechnung zu tragen. Die neue Eurodac-Verordnung sieht in Artikel 9 Absatz 1 vor, dass die Fingerabdrücke der Asylsuchenden spätestens 72 Stunden nach Einreichung des Antrags auf internationalen Schutz an das Eurodac-System übermittelt werden müssen. Das Gleiche gilt für Personen, die bei ihrer illegalen Einreise in den Schengen-Raum von einem Dublin-Staat aufgegriffen werden, wenn diese Personen nicht im Hinblick auf eine Ausschaffung oder Ausweisung in Haft genommen werden und bis zu ihrer Ausschaffung im Hoheitsgebiet des betreffenden Staates bleiben. Die Daten müssen spätestens 72 Stunden nach dem Datum des Aufgreifens der Person übermittelt werden (Art. 14 Abs. 2 Eurodac-Verordnung). Die Nichteinhaltung dieser 72-Stunden-Regel befreit den Mitgliedstaat hingegen nicht von der Pflicht zur Übermittlung der Daten.

Wenn eine Person, die bei ihrer illegalen Einreise in den Dublin-Raum aufgegriffen wird, länger als 72 Stunden in Haft genommen wird, und wenn die entsprechenden Daten gemäss Absatz 1 erfasst werden, muss die Übermittlung der Daten an das Zentralsystem vor der Freilassung dieser Person erfolgen (Art. 14 Abs. 3 EurodacVerordnung).

Die neue 72-Stunden-Regel soll eine effektive und sorgfältige Anwendung der Eurodac-Verordnung gewährleisten, damit die Zuständigkeiten gemäss der Dublin III-Verordnung klar bestimmt werden können. Die Daten nach Absatz 2 sind zusammen mit den Fingerabdrücken zu übermitteln.

Abs. 2ter Wenn die Fingerkuppen der betroffenen Person keine Erfassung der Fingerabdrücke in der für einen Abgleich nötigen Qualität zulassen, müssen die Fingerabdrücke erneut erfasst und spätestens 48 Stunden nach dieser erneuten Erfassung übermittelt werden. Das Gleiche gilt, wenn die Fingerabdrücke wegen des Gesundheitszustands der betroffenen Person oder wegen Massnahmen der öffentlichen Gesundheit nicht abgenommen werden können. Die Daten müssen erfasst werden, sobald diese Gründe weggefallen sind; dabei gilt ebenfalls eine Frist von 48 Stunden gemäss Artikel 14 Absatz 4 und 5 der revidierten Eurodac-Verordnung.
Abs. 2quater Wenn schwerwiegende technische Probleme die Übermittlung der Daten verunmöglichen, so wird nach Artikel 9 Absatz 2 der Eurodac-Verordnung eine Nachfrist von 48 Stunden gewährt, damit die Massnahmen zur Gewährleistung des einwandfreien Betriebs des Systems getroffen werden können. Die Massnahmen müssen die ununterbrochene Betriebsbereitschaft des Systems sicherstellen. Nach Artikel 4 Absatz 5 der Eurodac-Verordnung ist dafür ein nationaler Notfallplan zu entwickeln, der gegebenenfalls aktiviert werden kann.

2718

Abs. 3 Absatz 3 sieht wie bereits heute vor, dass die Grenzposten und die Ausländer- und Polizeibehörden der Kantone und Gemeinden von Ausländerinnen und Ausländern, die über 14 Jahre alt sind und sich illegal in der Schweiz aufhalten, die Abdrücke aller Finger abnehmen können, um zu überprüfen, ob sie schon in einem anderen Dublin-Staat ein Asylgesuch gestellt haben (Daten der Kategorie III). Diese Daten werden wie bereits erwähnt nicht im Eurodac-System erfasst. Sie werden nur abgeglichen, damit die allfällige Überstellung der betroffenen Person in den für die Gesuchprüfung zuständigen Dublin-Staat oder in gewissen Fällen der Wegweisungsvollzug erfolgen kann.

Abs. 4 Absatz 4 sieht wie bereits heute vor, dass die nach den Absätzen 1, 2 und 3 erhobenen Daten dem BFM zur Weiterleitung an das Zentralsystem übermittelt werden.

Die geltende Gesetzesgrundlage verweist nicht auf Absatz 1. Es erscheint jedoch wichtig, dass die darin genannten Fingerabdruckdaten ebenfalls inbegriffen sind, da diese an das System übermittelt werden. Absatz 4 hält klar fest, dass das BFM die nationale Kontaktstelle für die Übermittlung der Eurodac-Daten ist. Zu diesen Daten gehören auch die Fingerabdrücke der Personen, die bei ihrer illegalen Einreise über eine Schengen-Aussengrenze aufgegriffen werden.

Abs. 5 Die Daten, die gemäss den Absätzen 1 und 2 übermittelt werden, also die Daten der Kategorie II, werden bereits heute im Zentralsystem erfasst und zwei Jahre nach Erfassung der Fingerabdrücke automatisch vernichtet. Der geltende Absatz 5 verweist nicht auf Absatz 1. Diese Lücke gilt es zu schliessen. Artikel 16 der EurodacVerordnung sieht eine neue Frist für die Aufbewahrung der Daten vor: Neu müssen die Daten 18 Monate und nicht mehr zwei Jahre aufbewahrt werden. Die Aufbewahrungsdauer für Daten der Kategorie II wird somit um 6 Monate verkürzt.

Die Daten einer Person, die an einer Aussengrenze aufgegriffen wird, bleiben somit während 18 Monaten im System registriert ­ es sei denn, diese Person habe die Staatsbürgerschaft eines Staates erworben, der durch eines der Dublin-Assoziierungsabkommen gebunden ist, das Hoheitsgebiet der erwähnten Staaten verlassen oder einen Aufenthaltstitel erhalten. In diesen Fällen ist wie bereits heute eine vorzeitige Löschung vorgesehen.

Abs. 6 Absatz 6 verweist auf die Artikel
102b­102g AsylG, die auf die Verfahren nach den Absätzen 1­5 anwendbar sind. Die Artikel 102d, 102f und 102g AsylG wurden jedoch aufgehoben durch Ziffer 2 des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI über den Schutz von Personendaten im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, in Kraft seit 1. Dezember 201029. Deshalb ist nunmehr lediglich auf die Artikel 102b, 102c und 102e AsylG zu verweisen.

29

AS 2010 3387 3418; BBl 2009 6749

2719

4.5.2

Bestimmungen des AsylG

Art. 102abis Abs. 2 Absatz 2 ist anzupassen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Fingerabdrücke von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, wie die anderen erfassten Daten gemäss Artikel 9 der Eurodac-Verordnung spätestens nach 72 Stunden übermittelt werden müssen. Im gleichen Absatz ist die Erfassung einer weiteren Information vorzusehen, nämlich des Codes oder des Benutzernamens der Behörde, welche die Daten bearbeitet hat (neuer Bst. g).

Abs. 2bis Ein neuer Absatz 2bis wird hinzugefügt, analog zu Absatz 2ter von Artikel 111i AuG.

Wenn die Finger der betroffenen Person keine qualitativ einwandfreie Erfassung der Fingerabdrücke zulassen, sind die Daten innerhalb von 48 Stunden, nachdem eine erneute Erfassung möglich ist, zu übermitteln. Wenn der Gesundheitszustand der betroffenen Person oder Massnahmen der öffentlichen Gesundheit keine Erfassung der Fingerabdrücke zulassen, wird die Übermittlung der Daten innerhalb von 48 Stunden, nachdem die Erfassung wieder möglich ist, erwartet.

Abs. 2ter Dieser Absatz entspricht Artikel 111i Absatz 2quater AuG. Mit besonderen Massnahmen soll die Wirksamkeit des Systems Eurodac sichergestellt werden. So wird bei schwerwiegenden technischen Problemen, die die Übermittlung der Daten verunmöglichen, eine Nachfrist von 48 Stunden gewährt, damit der nationale Notfallplan zur Gewährleistung des einwandfreien Betriebs des Systems umgesetzt werden kann.

Abs. 2quater Das BFM muss aufgrund von Artikel 11 Buchstaben h­k der Eurodac-Verordnung verschiedene weitere Informationen im Zentralsystem eingeben. Diese sind in Absatz 2quater festgelegt.

Wenn eine Person, die im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 der Dublin III-Verordnung internationalen Schutz beantragt hat und nach ihrer Überstellung aufgrund eines Wiederaufnahmeentscheids im Sinne von Artikel 25 der Dublin-III-Verordnung im zuständigen Staat ankommt, muss der zuständige Staat das Ankunftsdatum erfassen.

Kommt eine Person aufgrund eines Aufnahmeentscheids nach Artikel 22 der Dublin III-Verordnung im zuständigen Staat an, müssen alle in Artikel 11 der EurodacVerordnung vorgesehenen Daten im Zentralsystem erfasst werden. Zu diesen Daten gehören auch die Fingerabdrücke der betroffenen Person und das Ankunftsdatum.

Das Datum der Gesuchstellung wird bereits früher durch den Staat, der die
Überstellung veranlasst hat, eingegeben.

Ausserdem muss der Herkunftsstaat, sobald er nachweisen kann, dass die Person, deren Daten an das Eurodac-System übermittelt wurden, sein Hoheitsgebiet verlassen hat, das Abreisedatum im Zentralsystem eingeben. Dies erleichtert die Anwendung von Artikel 19 Absatz 2 und Artikel 20 Absatz 5 der Dublin III-Verordnung, welche die Zuständigkeit eines Dublin-Staates nach der Ausreise der betroffenen Person befristen. Die Zuständigkeit des Dublin-Staates erlischt, wenn eine Person, 2720

die sich in einem nicht abgeschlossenen Asylverfahren befindet, das Hoheitsgebiet der Dublin-Staaten für mindestens drei Monate verlassen hat. In diesem Fall wird das eingereichte Asylgesuch als neuer Antrag auf internationalen Schutz betrachtet.

Verlässt eine Person einen Dublin-Staat aufgrund eines Wegweisungsentscheids infolge Ablehnung ihres Antrags auf internationalen Schutz gemäss Artikel 19 Absatz 3 der Dublin III-Verordnung, muss der zuständige Staat ebenfalls das Abreisedatum im Zentralsystem erfassen. In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass der Dublin-Staat das Gesuch behandelt und seine Aufgabe abgeschlossen hat. Somit ist seine Zuständigkeit aufgrund eines früheren Asylverfahrens gegenstandslos, wenn ein neuer Antrag auf internationalen Schutz eingereicht wird.

Zudem muss ein Dublin-Staat, der seine Zuständigkeit für die Behandlung eines Asylgesuchs im Sinne von Artikel 17 Absatz 1 der Dublin-Verordnung beschliesst, im Zentralsystem eingeben, an welchem Datum er diesen Beschluss gefasst hat.

Abs. 3 Absatz 3 entspricht dem geltenden Absatz 3.

Art. 102ater

Verifizierung der Fingerabdrücke im Eurodac

Dieser neue Artikel bestimmt den Umfang der Aufgaben der Fingerabdruckspezialistin oder des Fingerabdruckspezialisten gemäss Artikel 25 Absatz 4 der EurodacVerordnung bestimmen. Gestützt auf Artikel 111i Absatz 4 AuG und 102abis Absatz 1 AsylG ist das BFM für den Datenaustausch mit dem Eurodac-System zuständig. Eine Überprüfung der Fingerabdrücke müsste demnach beim BFM oder aber bei den AFIS DNA Services des Bundesamts für Polizei erfolgen.

Abs. 1 Absatz 1 sieht vor, dass eine Spezialistin oder ein Spezialist eine Prüfung der Fingerabdrücke sicherstellt, wenn die Abfrage im Eurodac-System einen Treffer ergeben hat. Falls ein Fehler festgestellt wird oder die Prüfung durch die Spezialistin oder den Spezialisten kein schlüssiges Resultat ergibt, muss dies umgehend der Kommission und der IT-Agentur mitgeteilt werden. Ausserdem sind die Daten zu vernichten.

Der Bundesrat wird beauftragt, gestützt auf seine Kompetenz zur Organisation der Verwaltung zu bestimmen, wer genau in der Bundesverwaltung die Prüfung vornehmen wird. Er wird den Status und die administrative Angliederung der Fingerabdruckspezialistinnen und -spezialisten festlegen. Diese könnte dem BFM oder anderen Dienststellen des Bundes angegliedert werden, die Erfahrung mit solchen Aufgaben haben. So kämen etwa die AFIS DNA Services des Bundesamts für Polizei in Betracht. Die Modalitäten der Prüfung der Fingerabdrücke werden auf Verordnungsstufe geregelt.

Abs. 2 Absatz 2 befasst sich mit den Qualifikationen, über welche die Fingerabdruckspezialistinnen und -spezialisten verfügen müssen. Die Eurodac-Verordnung legt keine spezifischen Kompetenzen fest und gibt den Staaten in dieser Hinsicht Entscheidungsfreiheit ­ auch wenn ausdrücklich festgehalten wird, dass diese Fachleute für den Abgleich von Fingerabdrücken besonders ausgebildet sein müssen. Es sollte dem BFM überlassen sein, die Qualifikationen dieser Spezialistinnen und Spezialisten zu bestimmen, damit eine gewisse Flexibilität gewährleistet ist. Das BFM 2721

bestimmt die Qualifikationen in Zusammenarbeit mit den AFIS DNA Services des Bundesamts für Polizei.

Art. 102c Abs. 5 AsylG Dieser neue Absatz konkretisiert die Bestimmung, wonach keine Daten aus dem Eurodac-System an einen Staat weitergegeben werden dürfen, der nicht an der Dublin-Zusammenarbeit beteiligt ist. Diese Bestimmung betrifft alle Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, in der Schweiz also alle Personen, die dem Asylgesetz unterstehen.

5

Auswirkungen

5.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Übernahme der Dublin III-Verordnung hat keine finanziellen oder personellen Auswirkungen für den Bund.

Für die Umsetzung der Anforderungen der neuen Eurodac-Verordnung sind verschiedene Anpassungen am bestehenden Informatiksystem notwendig. Die Kosten für die entsprechenden Informatikarbeiten werden auf eine Million Franken geschätzt. Diese sind im zweiten Verpflichtungskredit Schengen/Dublin abgedeckt und im Budget 2013 und 2014 bereits vorgesehen. Ausserdem führen die Erfassung zusätzlicher Daten im Zentralsystem und die Aufgaben der Fingerabdruckspezialistinnen und -spezialisten zu einem zusätzlichen Personalbedarf, der zurzeit noch nicht genau beziffert werden kann.

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b Bundesverfassung (BV)30, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredites oder Zahlungsrahmens enthält.

5.2

Auswirkungen auf die Kantone

Die Übernahme der Dublin III-Verordnung und der Eurodac-Verordnung hat keine finanziellen oder personellen Auswirkungen auf die Kantone.

6

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 25. Januar 201231 zur Legislaturplanung 2011­ 2015 und im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201232 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt.

30 31 32

SR 101 BBl 2012 481 562 BBl 2012 7155 7160

2722

7

Rechtliche Aspekte der Übernahme und Umsetzung der Dublin III-Verordnung und der Eurodac-Verordnung

7.1

Verfassungsmässigkeit

7.1.1

Bundesbeschlüsse

Gestützt auf Artikel 54 Absatz 1 BV ist der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren.

Die Kompetenz der Bundesversammlung zur Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Allerdings ist der Bundesrat dann allein zum Abschluss von Verträgen befugt, wenn ihm aufgrund einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung oder eines völkerrechtlichen Vertrags die Zuständigkeit übertragen wurde oder wenn es sich um ein Abkommen von beschränkter Tragweite handelt (Art. 166 Abs. 2 BV; Art. 24 Absatz 2 Bundesgesetz vom 13. Dez. 200233 über die Bundesversammlung, Parlamentsgesetz, ParlG; Art. 7a Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 199734, RVOG). In den vorliegenden Fällen fehlt es an einer besonderen gesetzlichen oder vertraglichen Ermächtigung für den Bundesrat; zudem handelt es sich nicht um Verträge mit beschränkter Tragweite. Somit ist die Bundesversammlung für die Genehmigung der vorliegenden Notenaustausche zuständig.

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3), dem fakultativen Referendum. Jeder Vertrag über die Übernahme einer Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands kann unter den im Assoziierungsabkommen vorgesehenen Bedingungen von der Schweiz oder vom Rat der EU gekündigt werden (vgl. Art. 16 Abs. 1 DAA). Die Übernahme der Dublin III-Verordnung und der Eurodac-Verordnung betrifft nicht den Beitritt zu einer internationalen Organisation.

Es bleibt zu prüfen, ob die vorliegenden Notenaustausche wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten, oder ob deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 des ParlG sind unter rechtsetzenden Bestimmungen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die im innerstaatlichen Recht auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz
1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Die beiden Verordnungen regeln ­ wie schon die Vorgängerverordnungen ­ das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung von Asylgesuchen im Dublin-Raum sowie die Benutzung der Eurodac-Datenbank. Die Dublin IIIVerordnung sieht ein Verfahren vor, mit welchem nach objektiven Kriterien bestimmt wird, welcher Dublin-Staat für die Prüfung eines im Dublin-Raum gestellten Asylgesuchs zuständig ist. Die Eurodac-Verordnung regelt namentlich die Erfassung von besonders schützenswerten Personendaten im Rahmen eines Asylverfah33 34

SR 171.10 SR 172.010

2723

rens oder wenn Personen ohne die erforderlichen Papiere in die Schweiz einreisen.

Die Dublin III-Verordnung regelt auch, inwieweit die Dublin-Staaten berechtigt sind, Daten einzugeben und abzufragen.

Somit können mehrere direkt anwendbare Bestimmungen der vorliegenden Verordnungen als wichtige rechtsetzende Bestimmungen qualifiziert werden, da sie auf nationaler Ebene nach Artikel 164 Absatz 1 Buchstaben c und g BV ausschliesslich in der Form eines Bundesgesetzes im formellen Sinn erlassen werden können. Im vorliegenden Fall erfordert die Umsetzung der Verordnungen zudem eine Anpassung der Bundesgesetzgebung im formellen Sinn.

Aus diesen Gründen sind die Bundesbeschlüsse über die Genehmigung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Dublin III-Verordnung und der Eurodac-Verordnung dem fakultativen Staatsvertragsreferendum gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

Im vorliegenden Fall ist für jede Verordnung ein Bundesbeschluss vorzusehen. Nach Artikel 141a Absatz 2 BV können die für die Umsetzung der Verordnungen notwendigen Gesetzesänderungen in den Genehmigungsbeschluss betreffend den jeweiligen Notenaustausch aufgenommen werden.

Die Schweiz wird der EU die Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zur Übernahme der beiden Verordnungen auch im Falle eines Referendums spätestens am 3. Juli 2015 mitteilen müssen.

7.1.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen

Die Übernahme dieser Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

Die Übernahme der Dublin III- und Eurodac-Verordnung bringt insgesamt eine Verbesserung der Rechtsstellung der betroffenen ausländischen Personen mit sich.

Die Änderungen stehen unter anderem im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Genfer Konvention vom 28. Juli 195135 über den Flüchtlingsstatus in der Fassung des Protokolls von New York vom 31. Januar 196736.

7.2

Partielle vorläufige Anwendbarkeit von Bestimmungen der Dublin III-Verordnung

Der Bundesrat hat am 18. Dezember beschlossen, im Einklang mit Artikel 4 Absatz 3 DAA die direkt anwendbaren Bestimmungen der Dublin III-Verordnung bereits ab dem 1. Januar 2014 vorläufig anzuwenden37.

Die direkt anwendbaren Bestimmungen der Dublin III-Verordnung betreffen die operative Zusammenarbeit mit den anderen Dublin-Staaten im Dublin-Verfahren (namentlich Kapitel 2­4, 7­9 der Dublin III-Verordnung), bilden dadurch ein ein35 36 37

Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (SR 0.142.30).

Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (SR 0.142.301).

AS 2013 5505

2724

heitliches Ganzes und lassen sich entsprechend klar von den nicht direkt anwendbaren Bestimmungen abgrenzen.

Im vorliegenden Fall ist eine nur teilweise vorläufige Anwendung der Dublin IIIVerordnung möglich, sofern die EU mit dieser einverstanden ist. Die EU wurde über dieses Vorgehen informiert; sie hat sich trotz gewisser Bedenken grundsätzlich dafür ausgesprochen.

Nach Artikel 7b Absatz 1 RVOG kann der Bundesrat bei völkerrechtlichen Verträgen, für deren Genehmigung die Bundesversammlung zuständig ist, die vorläufige Anwendung beschliessen oder vereinbaren, wenn die Wahrung wichtiger Interessen der Schweiz und eine besondere Dringlichkeit es gebieten.

Die Voraussetzung der Wahrung wichtiger Interessen der Schweiz ist aus Sicht des Bundesrates aus folgenden Gründen erfüllt: Da rund 40 Prozent aller Asylgesuche in der Schweiz Dublin-Fälle sind und die Schweiz gestützt auf das DAA bisher deutlich mehr Personen in andere DublinStaaten überstellen konnte als sie selbst übernehmen musste, ist eine funktionierende Dublin-Zusammenarbeit vital für das Schweizer Asylsystem. Eine vorläufige Anwendung vereinfacht die Zusammenarbeit mit den anderen Dublin-Staaten, da die neuen Zuständigkeitskriterien und Fristen für alle Dublin-Staaten gleichzeitig dieselben sind. Zudem kann die Schweiz bereits ab dem 1. Januar 2014 vom neuen, leistungsfähigeren Dublin-System profitieren (kürzere Fristen, klarere Regelungen der Zuständigkeit, Beweislasterleichterung etc.). Ausserdem können die Personen, welche dem Dublin-Verfahren unterliegen, von weitergehenden Rechten (z. B.

Informationsrechten) Gebrauch machen.

Die Voraussetzung der besonderen Dringlichkeit ist aus Sicht des Bundesrates im vorliegenden Fall ebenfalls gegeben, da ein parlamentarisches Genehmigungsverfahren (inkl. erforderliche Gesetzanpassungen) innerhalb von sechs Monaten nicht realisierbar war.

Die staatspolitischen Kommissionen des National- und Ständerates wurden zur partiellen vorläufigen Anwendung konsultiert. Sie haben am 21. Oktober 2013 beziehungsweise am 1. November 2013 diesem Vorgehen zugestimmt.

Der Bundesbeschluss zur Übernahme und Umsetzung der Dublin III-Verordnung muss schliesslich nach Beginn der vorläufigen Anwendung innerhalb von sechs Monaten der Bundesversammlung zur Genehmigung unterbreitet werden (Art. 7b Abs. 2 RVOG). Mit der vorliegenden Botschaft an das Parlament wird die vorgegebene Frist eingehalten.

2725

2726