14.056 Botschaft zur Genehmigung der Abkommen mit Andorra, Grönland, San Marino und den Seychellen über den Informationsaustausch in Steuersachen vom 20. August 2014

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, die Entwürfe zu den folgenden Bundesbeschlüssen: ­

Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens vom 17. März 2014 zwischen der Schweiz und Andorra,

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Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens vom 7. März 2014 zwischen der Schweiz und Grönland,

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Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens vom 16. Mai 2014 zwischen der Schweiz und San Marino,

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Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens vom 26. Mai 2014 zwischen der Schweiz und den Seychellen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. August 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2014-1697

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Übersicht Seit dem Beschluss des Bundesrats vom Frühjahr 2009, den international anerkannten Standard beim Informationsaustausch in Steuersachen gemäss Artikel 26 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) zu übernehmen, hat die Schweiz eine Vielzahl von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) revidiert und neue Abkommen mit einer standardkonformen Klausel über den Informationsaustausch abgeschlossen.

Sie setzt ihre Bestrebungen unvermindert fort, diese Amtshilfepolitik in bestehenden oder neuen DBA mit weiteren Staaten zu verankern.

Verschiedene Staaten und Jurisdiktionen haben die Schweiz auch um Aufnahme von Verhandlungen über ein Steuerinformationsabkommen (SIA; Tax Information Exchange Agreement, TIEA) ersucht. Im April 2012 hat der Bundesrat beschlossen, solche SIA abzuschliessen.

Der Abschluss eines SIA erlaubt es Staaten oder Jurisdiktionen, die untereinander kein DBA abschliessen wollen, den Informationsaustausch in Steuersachen zu vereinbaren. Ein DBA und ein SIA sind im Prinzip gleichwertige Instrumente für die Vereinbarung einer standardkonformen Bestimmung über den Informationsaustausch auf Anfrage. Im Vergleich zu Artikel 26 OECD-MA regelt ein SIA die Modalitäten der Amtshilfe aber detaillierter und beschränkt sich ausdrücklich auf die Amtshilfe auf Ersuchen.

Die Abkommen mit Andorra, Grönland, San Marino und den Seychellen wurden am 17. März, am 7. März, am 16. Mai und am 26 Mai 2014 unterzeichnet.

In der Anhörung ist der Abschluss dieser Abkommen begrüsst worden.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Seit dem Beschluss des Bundesrats vom Frühjahr 2009, den international anerkannten Standard beim Informationsaustausch in Steuersachen gemäss Artikel 26 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) zu übernehmen, hat die Schweiz eine Vielzahl von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) revidiert und neue Abkommen mit einer standardkonformen Klausel über den Informationsaustausch abgeschlossen. Sie setzt ihre Bestrebungen unvermindert fort, diese Amtshilfepolitik in bestehenden oder neuen DBA mit weiteren Staaten zu verankern.

Verschiedene Staaten und Jurisdiktionen haben die Schweiz auch um Aufnahme von Verhandlungen ersucht, um ein Steuerinformationsabkommen (SIA; Tax Information Exchange Agreement, TIEA) abzuschliessen. Zu Beginn der Umsetzung der Amtshilfe auf Anfrage in Steuersachen erachtete die Schweiz jedoch zunächst die Revision ihrer DBA als prioritär. Das Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke (Global Forum) hat der Schweiz deshalb im PeerReview-Bericht vom Juni 2011 empfohlen, mit interessierten Staaten und Jurisdiktionen standardkonforme SIA abzuschliessen. Im April 2012 hat der Bundesrat beschlossen, solche SIA abzuschliessen. Ein SIA kann ebenfalls abgeschlossen werden, wenn die Schweiz aus steuerlichen oder entwicklungspolitischen Gründen ein Interesse an einer solchen Vereinbarung hat.

Der Vollzug von SIA wird im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 20121 (StAhiG) geregelt, das am 1. Februar 2013 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 Bst. b StAhiG). Der Abschluss eines SIA erlaubt den Staaten und Jurisdiktionen, die untereinander kein DBA abschliessen wollen ­ zum Beispiel, weil im bilateralen Verhältnis kaum Doppelbesteuerungen auftreten, da in einer der Vertragsparteien ein Steuersystem oder ein umfassendes Steuerrecht fehlt­, einen Informationsaustausch in Steuersachen zu vereinbaren. Ein DBA und ein SIA sind im Prinzip gleichwertige Instrumente für den Abschluss einer standardkonformen Bestimmung über den Informationsaustausch auf Anfrage. Im Vergleich zu Artikel 26 OECDMA regelt ein SIA die Modalitäten der Amtshilfe detaillierter und beschränkt sich ausdrücklich auf die Amtshilfe auf Ersuchen. SIA sehen den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor.

Um zu entscheiden, ob es sinnvoller ist, ein DBA oder ein SIA abzuschliessen,
muss jeder Einzelfall aufgrund der vorliegenden Interessen beurteilt werden. Eine besondere Bedeutung ist den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen beizumessen. Bedürfen im bilateralen Verhältnis neben dem Informationsaustausch weitere Steuerfragen einer Regelung, so ist der Abschluss eines DBA vorzuziehen. In den anderen Fällen dürfte ein SIA geeigneter sein.

Andorra hat die Schweiz bereits 2009 und erneut am 28. Februar 2013 um Aufnahme von SIA-Verhandlungen angefragt. Die Verhandlungen mit Andorra, die auf dem Korrespondenzweg stattfanden, führten am 5. Juli 2013 zur Paraphierung eines 1

SR 672.5

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Abkommensentwurfs. Im Rahmen eines Arbeitstreffens im Frühjahr 2013 äusserte auch Grönland den Wunsch, mit der Schweiz ein SIA abzuschliessen. Mit dem Abschluss eines solchen Abkommens will Grönland die noch bestehende Lücke in seinem Abkommensnetz schliessen. Der Entwurf eines SIA mit Grönland konnte nach einem Treffen in Bern am 30. September 2013 auf dem Korrespondenzweg paraphiert werden. Die Seychellen haben die Schweiz 2009 und erneut 2012 um Aufnahme von DBA-Verhandlungen ersucht. Da im bilateralen Verhältnis kaum Doppelbesteuerungen auftreten, schlug die Schweiz der Delegation der Seychellen am 31. Mai 2013 am Rande eines Treffens von zuständigen Behörden über den Informationsaustausch in Amsterdam vor, ein SIA abzuschliessen. Die Verhandlungen mit den Seychellen, die auf dem Korrespondenzweg stattfanden, führten am 19. November 2013 zur Paraphierung eines Abkommensentwurfs. Am Rande des Treffens in Amsterdam konnte auch mit San Marino die Aufnahme von Verhandlungen für den Abschluss eines SIA lanciert werden. Der Entwurf eines SIA mit San Marino wurde anlässlich eines Arbeitsbesuchs in Bern am 19. Februar 2014 paraphiert.

Obwohl Andorra, Grönland, San Marino und die Seychellen eine allgemeine Einkommens- und Vermögensbesteuerung kennen, hat die Konsultation der Wirtschaftskreise ergeben, dass aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse am Abschluss eines DBA besteht und ein SIA als geeigneter erscheint. Die Verhandlungen mit den Seychellen wurden auch aus entwicklungspolitischer Sicht aufgenommen.

Die Entwürfe der Abkommen mit Andorra und Grönland waren vom 22. November bis 12. Dezember 2013, diejenigen mit San Marino und den Seychellen vom 19. März bis 7. April 2014 Gegenstand eines Anhörungsverfahrens unter Beteiligung der Kantone und der interessierten Wirtschaftskreise. Der Abschluss der Abkommen ist begrüsst worden.

Die Abkommen wurden am 7. März (Grönland), am 17. März (Andorra), am 16. Mai (San Marino) und am 26. Mai 2014 (Seychellen) unterzeichnet.

1.2

Würdigung der Abkommen

Die Abkommen regeln den Informationsaustausch auf Ersuchen. Der Vollzug der Amtshilfe erfolgt gestützt auf das StAhiG. Sie stimmen weitgehend mit dem OECDMusterabkommen von 2002 über den Informationsaustausch in Steuerbelangen (TIEA-MA), mit Artikel 26 OECD-MA sowie mit den von den eidgenössischen Räten genehmigten SIA mit Jersey, Guernsey und der Insel Man überein.

Gegenüber dem TIEA-MA berücksichtigen die Abkommen zwei Besonderheiten des Schweizer Rechts: den Ausschluss der im TIEA-MA enthaltenen Bestimmung über Steuerkontrollen im Ausland sowie das rückwirkende Inkrafttreten für Informationen betreffend Steuerstrafsachen. Die SIA regeln die Amtshilfe auf Anfrage. Sie dienen der Umsetzung des Bundesratsbeschlusses vom April 2012, standardkonforme Amtshilfeabkommen nicht nur in Form von DBA, sondern auch von SIA zu vereinbaren. Mit dem Abschluss solcher Abkommen kann gleichzeitig die Reputation und die Integrität des Schweizer Finanzplatzes gewahrt und die Empfehlung des Global Forum umgesetzt werden. Das SIA mit den Seychellen bezweckt auch die Erhöhung der Steuereinnahmen in diesem Entwicklungsland und trägt damit zur 6394

Stärkung der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit bei. Aus Sicht der Schweiz ist es wünschenswert, dass die vier SIA bald in Kraft treten.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Die Abkommen folgen sowohl formell als auch materiell weitgehend dem TIEAMA und Artikel 26 OECD-MA. Sie dienen der schweizerischen Abkommenspolitik, standardkonforme Amtshilfeabkommen auch in der Form eines SIA abzuschliessen.

Im Folgenden werden alle vier Abkommen erläutert.

Ingress Gemäss Ingress besteht der allgemeine Zweck der SIA darin, den Informationsaustausch in Steuersachen zwischen den Vertragsparteien zu erweitern und zu erleichtern.

Das Abkommen mit Grönland hält fest, dass Grönland das Abkommen im Auftrag Dänemarks abschliesst. Grönland ist ein abhängiges Territorium des Königreichs Dänemark. Es ist innenpolitisch vollständig unabhängig, wird in allen aussenpolitischen Angelegenheiten jedoch von Dänemark vertreten. Das Abkommen enthält nur Verpflichtungen für die Vertragsparteien und nicht für das Königreich Dänemark.

Art. 1

Gegenstand und Geltungsbereich des Abkommens

Die Vertragsparteien leisten einander Unterstützung durch den Austausch von Informationen, die für die Anwendung und Durchsetzung des internen Rechts betreffend die unter das SIA fallenden Steuern voraussichtlich erheblich sind. Mit dem Verweis auf die voraussichtliche Erheblichkeit der ersuchten Auskünfte soll ein möglichst weit gehender Informationsaustausch in Steuersachen gewährleistet werden. Gleichzeitig wird damit jedoch klar festgehalten, dass es untersagt ist, sogenannte fishing expeditions («Fischzüge» bzw. unzulässige Beweisausforschung) zu betreiben, also Gesuche ohne konkrete Anhaltspunkte zu stellen, oder um Informationen zu ersuchen, deren Erheblichkeit hinsichtlich der Steuerbelange einer bestimmten steuerpflichtigen Person wahrscheinlich nicht gegeben ist.

Die persönlichen Rechte und Sicherheiten, welche die Gesetze oder die Verwaltungspraxis der ersuchten Partei gewähren, bleiben anwendbar, sofern ein wirksamer Informationsaustausch dadurch nicht verhindert oder übermässig verzögert wird. Für die Schweiz heisst dies namentlich, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie die Rechtsweggarantie nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen gewahrt bleiben.

Art. 2

Zuständigkeit

Die ersuchte Partei ist nicht verpflichtet, Informationen zu liefern, die weder ihren Behörden vorliegen noch sich im Besitz oder unter der Kontrolle von Personen in ihrem Hoheitsbereich befinden. Die Begriffe «Besitz» oder «Kontrolle» sind in einem weiten Sinne auszulegen.

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Die Auskunftspflicht ist weder durch die Ansässigkeit noch durch die Staatsangehörigkeit der Person, auf die sich die Auskünfte beziehen, oder der Person, die im Besitz der ersuchten Informationen ist oder diese kontrolliert, begrenzt.

Art. 3

Unter das Abkommen fallende Steuern

In den Abkommen mit Andorra, San Marino und den Seychellen fallen für die Schweiz die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie die Erbschaftsund Schenkungssteuern der Kantone und Gemeinden in den Geltungsbereich des SIA.

Andorra kann für die Körperschaftssteuer, die Steuer auf Einkommen aus wirtschaftlichen Tätigkeiten, die Steuer auf Einkommen von Nichtansässigen und die Steuer auf dem Wertzuwachs bei der Übertragung von unbeweglichem Vermögen den Informationsaustausch beantragen.

Für San Marino fällt die allgemeine Einkommenssteuer und für die Seychellen die Unternehmenssteuer (business tax) in den Geltungsbereich des SIA.

Auf Antrag von Grönland sieht das Abkommen mit Grönland vor, dass Informationen über Steuern jeglicher Art oder Bezeichnung, die von den Vertragsparteien erhoben werden, auszutauschen sind. Damit kann auch die Schweiz Ersuchen für alle Steuern stellen. Diese Regelung stimmt mit vielen von der Schweiz abgeschlossenen DBA überein.

Art. 4

Begriffsbestimmungen

Artikel 4 definiert die Begriffe des Abkommens. Dabei werden im Wesentlichen die Definitionen des TIEA-MA übernommen.

Art. 5

Informationsaustausch auf Ersuchen

Abs. 1 Der Informationsaustausch für die in Artikel 1 genannten Zwecke erfolgt ausschliesslich auf Ersuchen. SIA sehen den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor. Im heutigen Schweizer Recht besteht keine genügende Rechtsgrundlage für diese Formen des Informationsaustauschs. Sollte die Schweiz ihre Zusammenarbeit im Steuerbereich mit Andorra, Grönland, San Marino oder den Seychellen ausweiten wollen, müssten zusätzliche Instrumente vereinbart werden, die die Bundesversammlung genehmigen müsste.

Die Informationen nach den Abkommen werden unabhängig davon ausgetauscht, ob das Verhalten, das Gegenstand der Ermittlungen ist, nach dem Recht der ersuchten Partei eine Straftat darstellen würde. Auf Antrag der Schweiz wurde in Absatz 1 der Grundsatz der Subsidiarität aufgenommen. Die Vertragsparteien sind demnach gehalten, ein Ersuchen erst dann zu stellen, wenn sie ihre eigenen Untersuchungsmittel ausgeschöpft haben, ausser der Rückgriff auf diese Untersuchungsmittel würde unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten mit sich bringen. Dieser Grundsatz wird auch in Absatz 5 Buchstabe h als Nachweis der voraussichtlichen Erheblichkeit der ersuchten Informationen verlangt. Die ersuchende Partei hat demnach die Ausschöpfung interner Möglichkeiten in einem Amtshilfeersuchen zu bestätigen.

Der grönländischen Seite war es wichtig, das Subsidiaritätsprinzip, wie im TIEAMA, nur im Absatz 5 Buchstabe h festzuhalten. Wie in allen SIA ist die ersuchte 6396

Partei von Amtes wegen gehalten, das Gesuch auf Vollständigkeit zu prüfen.

Gestützt auf das SIA mit Grönland kann die Nichteinhaltung dieses Prinzips jedoch nicht als Rüge durch die betroffene Person geltend gemacht werden.

Abs. 2 Die ersuchte Partei darf sich nicht einfach auf die Auskünfte berufen, die sich im Besitz der zuständigen Behörde befinden, sondern muss alle erforderlichen Massnahmen ergreifen, um der ersuchenden Partei die verlangten Informationen zu erteilen. Dies gilt auch dann, wenn die ersuchte Partei die Informationen nicht für eigene steuerliche Zwecke benötigt. Der Informationsaustausch beschränkt sich damit nicht auf Informationen, die auch den Steuerbehörden der ersuchten Partei von Nutzen sind.

Abs. 4 Beide Vertragsparteien stellen sicher, dass ihre zuständigen Behörden über die nötigen Befugnisse zur Einholung und Erteilung von Auskünften verfügen, welche sich bei Banken oder anderen Finanzintermediären befinden oder die Eigentumsverhältnisse einer Person betreffen. So hat die ersuchte Partei die Auskünfte auch dann einzuholen und auszutauschen, wenn nach ihrem Recht oder ihrer Verwaltungspraxis die verlangten Informationen nicht erhältlich wären. Entsprechend kann die Schweiz den Informationsaustausch nicht unter Hinweis auf das schweizerische Bankgeheimnis verweigern. Das SIA und Artikel 8 Absatz 2 StAhiG in Verbindung mit Artikel 13 Absatz 1 StAhiG stellen die Rechtsgrundlagen zur Beschaffung der ersuchten Auskünfte dar. Wie unter den abgeschlossenen DBA wird die Schweiz der Lieferung von Inhaberinformationen in gewissen Fällen erst vollständig nachkommen können, wenn die in der Vorlage zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière (GAFI) vorgesehenen Transparenzmassnahmen betreffend Inhaberaktien in Kraft getreten sind.

Abs. 5 Absatz 5 enthält die Angaben, welche die ersuchende Partei schriftlich liefern muss, um die voraussichtliche Erheblichkeit der verlangten Informationen nachzuweisen.

Der Informationsaustausch kann nur stattfinden, wenn das Amtshilfeersuchen möglichst detailliert formuliert ist und so viele Auskünfte wie möglich enthält. Mit den in Absatz 5 aufgeführten Angaben sollen fishing expeditions verhindert werden.

Allerdings sind sie in einem weiten Sinn auszulegen, damit ein wirksamer Informationsaustausch nicht
verhindert wird. Wie nach Artikel 26 OECD-MA beschränkt sich der Informationsaustausch nach den SIA auf konkrete Anfragen. Dazu gehören nach dem weiterentwickelten OECD-Standard auch konkrete Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten in der ersuchenden Partei nicht nachgekommen sind. Die SIA ermöglichen es, solchen Gruppenersuchen Folge zu leisten. Das SIA verlangt die Identifikation der betroffenen Person. Wie bereits im Kommentar von 2002 zu TIEA-MA festgehalten, kann diese beispielsweise durch eine Kontonummer oder andere Identifikationsinformationen erfolgen (vgl. Erläuterungen im Kommentar zu Art. 5 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 1 des TIEA-MA).

Der Kommentar zu Artikel 26 OECD-MA von 2012 ist sinngemäss anwendbar. Das Verfahren für Gruppenersuchen richtet sich nach dem StAhiG.

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Abs. 6 Absatz 6 legt das Verfahren und die Fristen fest, um eine rasche Übermittlung der Informationen sicherzustellen. Die ersuchte Partei muss die ersuchende Partei unverzüglich informieren, weshalb sie nicht in der Lage war, die Informationen innerhalb der vorgegebenen Frist zu beschaffen und zu liefern. Die in den Abkommen genannten Verfahren und Fristen sind dieselben wie im TIEA-MA.

Art. 6

Möglichkeit der Ablehnung eines Ersuchens

Abs. 1 Die ersuchte Partei ist nicht verpflichtet, Auskünfte einzuholen oder zu erteilen, welche die ersuchende Partei nach ihrem internen Recht nicht einholen könnte.

Durch diese Bestimmung wird die ersuchende Partei daran gehindert, die Einschränkungen ihres internen Rechts zu umgehen, indem sie mittels eines Amtshilfeersuchens unter dem Abkommen eingeräumte umfassendere Befugnisse nutzt. Die ersuchte Partei kann das Ersuchen auch ablehnen, wenn es nicht in Übereinstimmung mit dem SIA gestellt wurde.

Abs. 2, 3 und 4 Die Vertragsparteien sind nicht verpflichtet, Informationen zu erteilen, die ein Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren offenbaren würden oder deren Preisgabe dem Ordre public widerspräche. Das Abkommen verpflichtet keine der Vertragsparteien, Auskünfte einzuholen oder zu erteilen, mit denen vertrauliche Mitteilungen zwischen einem Klienten und einem Anwalt oder einem anderen Rechtsvertreter offengelegt würden, sofern in diesen Mitteilungen eine rechtliche Stellungnahme verlangt oder abgegeben wird oder die vertraulichen Mitteilungen in einem laufenden oder geplanten Klageverfahren verwendet werden beziehungsweise werden sollen.

Abs. 5 Ein Amtshilfeersuchen darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die dem Ersuchen zugrunde liegende Steuerforderung sei strittig.

Abs. 6 Die ersuchte Partei kann ein Amtshilfeersuchen ablehnen, wenn die von der ersuchenden Partei erbetenen Auskünfte Staatsangehörige oder Bürgerinnen und Bürger der ersuchten Partei gegenüber Staatsangehörigen oder Bürgerinnen und Bürgern der ersuchenden Partei unter den gleichen Umständen benachteiligen.

Art. 7

Vertraulichkeit

Alle von der anderen Vertragspartei erhaltenen Auskünfte sind vertraulich zu behandeln. Dieser Schutz ist für jedes Dispositiv zum Informationsaustausch in Steuersachen unabdingbar. Unter die Vertraulichkeit fallen sowohl die von der ersuchenden Partei gemachten Angaben (vgl. Art. 5 Abs. 5) als auch die von der ersuchten Partei erteilten Auskünfte. Die Informationen dürfen nur für die Zwecke des SIA verwendet werden. Sie dürfen nur den Personen oder Behörden zugänglich gemacht werden, die mit der Veranlagung oder der Erhebung, mit der Vollstreckung oder Strafverfolgung oder mit der Entscheidung von Rechtsmitteln hinsichtlich der unter dieses SIA fallenden Steuern befasst sind.

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Der ersuchenden Partei ist es untersagt, diese Informationen ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der ersuchten Partei Dritten zugänglich zu machen. Der ersuchenden Partei ist auch untersagt, die erhaltenen Auskünfte einem anderen Staat oder einer anderen Jurisdiktion bekanntzugeben. Will ein Drittstaat von einer Vertragspartei Auskünfte einholen, so kann er dies mittels eines Amtshilfeersuchens gestützt auf ein DBA oder ein SIA tun, das er direkt mit dieser Vertragspartei abgeschlossen hat. Dadurch wird die Vertraulichkeit der Auskünfte gewährleistet.

Art. 8

Kosten

Gemäss dieser Bestimmung einigen sich die Vertragsparteien über die anfallenden Kosten für das Einholen und Erteilen von Auskünften. Im Allgemeinen sollen die ordentlichen Kosten, die bei der ersuchten Partei anfallen, von dieser getragen werden, während die ersuchende Partei ausserordentliche Kosten übernimmt. Bei Routinetätigkeiten wie der Einholung und Übermittlung von Dokumentenkopien anfallende Kosten werden als ordentliche Kosten betrachtet.

Art. 9

Umsetzungsgesetzgebung

Die Vertragsparteien erlassen die erforderlichen Bestimmungen, um das SIA zu erfüllen und auszuführen. Die Schweiz verfügt mit dem StAhiG über die erforderliche Rechtsgrundlage.

Art. 10

Verständigungsverfahren

Zur Bereinigung von Schwierigkeiten bei der Durchführung oder Auslegung des SIA wird ein Verständigungsverfahren vorgesehen. Dabei können sich die Vertragsparteien auch auf eine andere Form der Streitbeilegung einigen.

Art. 11

Inkrafttreten

Die SIA treten je einzeln am Tag des Eingangs der späteren der beiden Notifikationen über den Abschluss der hierfür erforderlichen internen Verfahren in Kraft. Die Bestimmungen finden Anwendung auf Informationen betreffend Steuerjahre, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des SIA folgenden Kalenderjahres beginnen oder ­ in Ermangelung einer Steuerperiode, wie dies z. B. bei Erbschaftsund Schenkungssteuern der Fall ist ­ für alle Steuerforderungen, die am 1. Januar des auf das Inkrafttreten des SIA folgenden Kalenderjahres oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen.

Art. 12

Kündigung

Jede Vertragspartei kann das SIA jederzeit schriftlich kündigen. Die Kündigung wird am ersten Tag des siebten Monats nach Eingang der schriftlichen Kündigungsanzeige bei der anderen Vertragspartei wirksam.

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3

Finanzielle Auswirkungen

Da die SIA, im Gegensatz zu den DBA, nicht die gegenseitige Besteuerung, sondern nur den Informationsaustausch in Steuersachen regeln, haben sie keine Verminderung der Steuereinnahmen zur Folge. Gegebenenfalls können die SIA zu zusätzlichen Steuereinnahmen führen, da sie der Schweiz erlauben, Amtshilfeersuchen an die vier Vertragsparteien zu stellen. Diesbezügliche Schätzungen sind jedoch nicht möglich. Aufgrund der Abkommen kann sich ein administrativer Mehraufwand für die Behandlung von eingehenden Ersuchen ergeben; es ist aber zu erwarten, dass sich dieser mit den vorhandenen Personalressourcen bewältigen lässt.

Die Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe auf Verlangen zur Durchführung des internen Rechts der ersuchenden Partei einerseits und der Zugang zu Bankinformationen auf Ersuchen zu Steuerzwecken andererseits könnten zwar in gewisser Weise als dem Standort Schweiz und indirekt den Steuereinnahmen der Schweiz abträglich betrachtet werden. Angesichts der internationalen Bestrebungen nach einheitlichen Rahmenbedingungen bei der Amtshilfe in allen Staaten (Global Level Playing Field) und der Sicherstellung eines wirksamen Informationsaustauschs durch einen entsprechenden Kontrollmechanismus dürfte sich die neue Situation für die Schweiz aber insgesamt neutral auswirken. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben die Abkommen begrüsst.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für die neuen Abkommen ist Artikel 54 der Bundesverfassung2 (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung der Abkommen zuständig. Die neuen Abkommen sind unbefristet, sie können aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Die Abkommen sehen keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesrecht erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20023 gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Die neuen Abkommen regeln die Pflicht zur Amtshilfe an Andorra, Grönland, San Marino und die Seychellen. Die Amtshilfe entspricht dem internationalem Standard und der schweizerischen Abkommenspolitik. In diesem Sinn enthalten diese Abkommen wichtige neue Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Die Bundesbeschlüsse über die Genehmigung der Abkommen mit Andorra, Grönland, San Marino und den Seychellen über den Informationsaustausch in Steuersachen unterliegen daher dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

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SR 101 SR 171.10

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