zu 06.441 Parlamentarische Initiative Mehr Konsumentenschutz und weniger Missbräuche beim Telefonverkauf Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 14. November 2013 Stellungnahme des Bundesrates vom 14. März 2014

Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 14. November 20131 der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats betreffend die parlamentarische Initiative 06.441 «Mehr Konsumentenschutz und weniger Missbräuche beim Telefonverkauf» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. März 2014

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Didier Burkhalter Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

1

BBl 2014 921

2013-3199

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 21. Juni 2006 reichte der damalige Ständerat Pierre Bonhôte eine parlamentarische Initiative ein, die verlangt, das Obligationenrecht (OR)2 so zu ändern, dass das für Haustürgeschäfte geltende Widerrufsrecht (Art. 40a ff. OR) neu auch für am Telefon geschlossene Verträge gelten und der Telefonverkauf den Haustürgeschäften gleichgestellt werden soll, um damit den Missbräuchen beim Telefonverkauf ein Ende zu setzen.

Der Ständerat beschloss am 2. Juni 2008 mit 23 zu 12 Stimmen, der Initiative Folge zu geben3. Der Nationalrat stimmte diesem Beschluss am 21. September 2009 bei 77 zu 77 Stimmen und 9 Enthaltungen mit Stichentscheid der Präsidentin gemäss Artikel 109 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20024 (ParlG) zu5.

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats (RK-S) arbeitete in der Folge mit der Unterstützung der Verwaltung einen Vorentwurf zu einer Änderung des OR aus, der am 23. August 2012 einstimmig verabschiedet wurde und der die Einführung eines allgemeinen Widerrufsrechts im Fernabsatzgeschäft vorgeschlagen hatte6. Zu diesem Vorentwurf wurde vom 17. September bis 21. Dezember 2012 ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt. Nach Kenntnisnahme des Berichts über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens7 überarbeitete die RK-S den Erlassentwurf unter Berücksichtigung des Vernehmlassungsergebnisses und verabschiedete am 14. November 2013 mit 8 zu 2 Stimmen den Erlassentwurf und den Bericht.

Mit Schreiben der damaligen Kommissionspräsidentin vom 19. November 2013 wurden Erlassentwurf und Bericht nach Artikel 112 Absatz 3 ParlG dem Bundesrat zur Stellungnahme überwiesen.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Widerrufsrechte als Mittel des Konsumentenschutzes

Hat eine Vertragspartei ein Widerrufsrecht, so kann sie innert einer bestimmten Frist auf ihre Willenserklärung zurückkommen und ihren Antrag zum Vertragsabschluss oder ihre Annahmeerklärung widerrufen. Damit soll die freie Willensbildung geschützt und gewährleistet werden, dass ein Vertrag in Kenntnis aller Umstände

2 3 4 5 6

7

SR 220 AB 2008 S 371 SR 171.10 AB 2009 N 1645 Der Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 23. August 2012 ist abrufbar unter www.parlament.ch > Dokumentation > Berichte > Vernehmlassungen > 06.441 Pa. Iv. Mehr Konsumentenschutz und weniger Missbräuche beim Telefonverkauf.

Der Bericht vom April 2013 über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens ist abrufbar unter www.parlament.ch > Dokumentation > Berichte > Vernehmlassungen > 06.441 Pa. Iv. Mehr Konsumentenschutz und weniger Missbräuche beim Telefonverkauf.

2994

und nach reiflicher Überlegung abgeschlossen wird8. Es kommt zu einer sogenannten Cooling-off-Periode.

Bei Konsumentinnen und Konsumenten ist dies im Geschäftsverkehr mit Anbieterinnen und Anbietern gerade in zwei Konstellationen nicht immer der Fall9. Die freie Willensbildung ist einerseits nicht gewährleistet, wenn die Konsumentin oder der Konsument beim Vertragsabschluss überrascht, überrumpelt oder in anderer Form unter Druck gesetzt wird. Dies kann beim sogenannten Haustürgeschäft (vgl.

zu diesem Begriff nachfolgend unter Ziff. 2.2), aber auch beim Telefonverkauf oder in anderen Situationen der Fall sein, in denen sich die Konsumentin oder der Konsument bei der Anbahnung und beim Abschluss eines Vertrags nicht ohne Weiteres frei verhalten und entscheiden kann. Andererseits haben Konsumentinnen und Konsumenten oft nicht genügende Kenntnis von den Umständen eines Vertrags mit einer Anbieterin oder einem Anbieter, weil sie bei Distanz- oder Fernabsatzkäufen, namentlich im Versandhandel oder beim Online-Handel, die Kaufsache nicht unmittelbar prüfen. Namentlich aufgrund dieser mangelnden Prüfbarkeit besteht insgesamt eine Informationsasymmetrie zwischen den Vertragsparteien.

Für solche Situationen sind ­ entgegen teilweise in der Vernehmlassung vertretener Ansicht10 ­ die allgemeinen Instrumente bei Mängeln des Vertragsabschlusses (Irrtum, Täuschung, Furchterregung, vgl. Art. 23 ff. OR) und der Gewährleistung (Art. 197 ff., Art. 367 ff. OR) oder das allgemeine Leistungsstörungsrecht (Art. 97 ff. OR) nur sehr beschränkt tauglich11, denn sie können nur unter qualifizierten und von der Konsumentin oder dem Konsumenten zu beweisenden Voraussetzungen zu einer Vertragsauflösung oder auch nur -anpassung führen. Daher sind Widerrufsrechte ein sowohl im geltenden schweizerischen als auch im ausländischen Recht (vgl. die Ausführungen unter Ziff. 2.2 bzw. 2.4) bekanntes und anerkanntes Instrument zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten12. Wie die Kommission in ihrem Bericht ausführt13, steht ein so verstandenes Widerrufsrecht nicht im Widerspruch zum allgemeinen Grundsatz pacta sunt servanda14. Nach Ansicht des Bundesrates kommt aber ein Widerrufsrecht stets nur für bestimmte Verträge und Situationen in Betracht, in denen ein qualifiziertes Schutzbedürfnis der Konsumentinnen und Konsumenten besteht.

8 9

10 11

12

13 14

Vgl. BBl 1986 II 354 ff., 385 ff., insb. 386; vgl. auch BGE 137 III 243 E. 4.5 betr. Widerrufsrecht beim Haustürgeschäft.

Vgl. Neumann, Nils, Bedenkzeit vor und nach Vertragsschluss, Verbraucherschutz durch Widerrufsrechte und verwandte Instrumente im deutschen und im französischen Recht, Tübingen 2005, S. 73 ff.

Bericht vom April 2013 über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 4 und 6; demgegenüber aber a.A. S. 5.

Vgl. dazu Dornier, Roger, Das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen (Art. 40a­g OR), Diss. Freiburg 1994, S. 136 ff.; Stauder, Hildegard/Stauder, Bernd, in: Commentaire Romand I, 2. Auflage, Basel 2012, vor Art. 40a­40f N 4.

Vgl. z. B. Carron, Blaise, La protection du consommateur dans la conclusion d'un contrat, in: Carron/Müller (Hrsg.), Droits de la consommation et de la distribution: les nouveaux défis, Basel 2013, S. 95 ff., 135 f. m.w.H.

Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 14. November 2013, BBl 2014 921 925 Vgl. nur Stauder, Hildegard/Stauder, Bernd, in: Commentaire Romand I, 2. Auflage, Basel 2012, vor Art. 40a­40f N 4 m.w.N.; ähnlich Kut, Ahmet, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Auflage, Zürich 2012, Art. 40a­g OR N 5 sowie Neumann, Nils, Bedenkzeit vor und nach Vertragsschluss, Verbraucherschutz durch Widerrufsrechte und verwandte Instrumente im deutschen und im französischen Recht, Tübingen 2005, S. 11 ff., wonach die Privatautonomie geschützt wird.

2995

2.2

Geltendes Recht

Das geltende OR enthält in den Artikeln 40a­40f OR Regelungen zum Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen. Ein Vertrag über bewegliche Sachen oder Dienstleistungen gilt als Haustürgeschäft im Sinne des Gesetzes, wenn eine Anbieterin oder ein Anbieter im Rahmen der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit einer Kundin oder einem Kunden ein Angebot zum Abschluss eines Vertrags entweder am Arbeitsplatz, in Wohnräumen oder in deren unmittelbaren Umgebung, in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf öffentlichen Strassen oder Plätzen oder an einer Werbeveranstaltung gemacht hat (Art. 40a und 40b OR). Bei solchen Haustürgeschäften kann die Kundin oder der Kunde grundsätzlich den Antrag zum Vertragsabschluss oder die Annahmeerklärung innert sieben Tagen widerrufen (Art. 40b und 40e OR), wobei das Gesetz von diesem Grundsatz bestimmte Ausnahmen vorsieht (Art. 40c OR). Die Anbieterin oder den Anbieter trifft eine Orientierungspflicht über das Widerrufsrecht (Art. 40d OR). Artikel 40f OR regelt in allgemeiner Form die Folgen eines Widerrufs und insbesondere die Pflicht zur Rückerstattung bereits empfangener Leistungen.

Die Regelungen wurden durch das Bundesgesetz vom 5. Oktober 199015 über die Änderung des Obligationenrechts (Die Entstehung der Obligationen) eingeführt, traten am 1. Juli 1991 in Kraft und wurden mit einer Änderung vom 18. Juni 199316 auf den 1. Januar 1994 angepasst. Diese Änderung erfolgte im Rahmen des Swisslex-Programms, womit die Artikel 40b­40e der damaligen Richtlinie 85/577/EWG17 angepasst wurden. Die Regelungen beruhen insbesondere auf Artikel 97 Absatz 1 der Bundesverfassung18, wonach der Bund Massnahmen zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten trifft.

Neben den Haustürgeschäften (Art. 40a ff. OR) ist ein Widerrufsrecht auch in Artikel 16 des Konsumkreditgesetzes vom 23. März 200119 (KKG) zugunsten der Konsumentin oder des Konsumenten vorgesehen. Auch beim siebentägigen «Rücktrittsrecht» nach Artikel 406e OR beim Auftrag zur Ehe- oder Partnerschaftsvermittlung handelt es sich inhaltlich um ein Widerrufsrecht, mit dem der Auftraggeber oder die Auftraggeberin auf die eigene Willenserklärung zurückkommen kann.

15 16 17

18 19

AS 1991 846 AS 1993 3120 Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von ausserhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. L 372 vom 31.12.1985, S. 31.

SR 101 SR 221.214.1

2996

2.3

Europäisches und ausländisches Recht

Wie auch die Kommission in ihrem Bericht aufzeigt20, besteht heute im europäischen Recht mit der Verbraucherrechte-Richtlinie21 (EU-Verbraucherrechte-RL) eine fast vollständig harmonisierte Regelung des Widerrufsrechts für Konsumentinnen und Konsumenten bei Fernabsatzverträgen oder ausserhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen für den gesamten EU-Raum. Vorbehältlich bestimmter Ausnahmen haben Konsumentinnen und Konsumenten bei solchen Verträgen ein voraussetzungs- und kostenloses Widerrufsrecht von 14 Tagen. Die EU-Verbraucherrechte-RL ist auf den 12. Dezember 2011 in Kraft getreten und gilt für nach dem 13. Juni 2014 geschlossene Verträge. Daneben sieht auch die EU-Finanzdienstleistungs-Richtlinie22 für Bank- und Versicherungsverträge ein besonderes Widerrufsrecht vor. In Bezug auf Finanzdienstleistungen wird im Rahmen der Arbeiten zu einem neuen Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) sowie einer Revision des Versicherungsvertragsgesetzes vom 2. April 190823 zu prüfen sein, ob und in welcher Form auch bei diesen ein Widerrufsrecht geschaffen werden soll. Der Vergleich mit aussereuropäischen Rechtsordnungen24 macht deutlich, dass Widerrufsrechte für Konsumentinnen und Konsumenten anerkannt und weit verbreitet sind, auch wenn deren konkrete Ausgestaltung Unterschiede aufweist.

Die Regelung der EU-Verbraucherrechte-RL, wie sie von den Mitgliedstaaten bis zum 13. Dezember 2013 umgesetzt werden sollte und sich heute in den verschiedenen ausländischen Rechtsordnungen findet, sieht somit ein gegenüber dem geltenden schweizerischen Recht weitergehendes und konsumentenfreundlicheres Widerrufsrecht vor. Auch wenn die Schweiz in diesem Bereich nicht an das EU-Recht gebunden und damit in der Ausgestaltung von Widerrufsrechten zugunsten der Konsumentinnen und Konsumenten frei ist, sollte nach Ansicht des Bundesrates der europarechtliche Kontext nicht ausser Acht gelassen, sondern berücksichtigt werden.

Sowohl schweizerische Konsumentinnen und Konsumenten als auch schweizerische Anbieterinnen und Anbieter sind heute im zunehmend grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr und Handel, insbesondere über das Internet, ohnehin mit diesen europarechtlichen Regelungen konfrontiert und vertraut. Dabei sollen beide gegenüber ihren europäischen Pendants nicht schlechter behandelt werden: Konsumentinnen und Konsumenten
sollten einen vergleichbaren Schutz geniessen und Anbieterinnen und Anbieter vergleichbare Regelungen einhalten, unabhängig davon, gegenüber welchen Konsumentinnen und Konsumenten sie auftreten. Es ist daher sinnvoll, bei einer Neugestaltung des Widerrufsrechts die EU-Verbraucherrechte-RL zu berücksichtigen und nach Möglichkeit übereinstimmende oder zumindest ver20 21

22

23 24

Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 14. November 2013, BBl 2014 921 928 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64.

Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 vom 9.10.2002, S. 16.

SR 221.229.1 Vgl. auch Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 23. August 2012, S. 11.

2997

gleichbare Regelungen zu treffen, soweit diese sachgerecht und mit dem übrigen schweizerischen Recht vereinbar sind. Eine solche Angleichung ist auch aus der Perspektive einer Fortführung der Verhandlungen mit der EU in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittel- und Produktesicherheit und öffentliche Gesundheit begrüssenswert. Bis anhin hat die EU die Fortführung dieser Verhandlungen auch von der Bereitschaft der Schweiz, das harmonisierte Konsumentenschutzrecht und damit auch die EU-Verbraucherrechte-RL einzubeziehen, abhängig gemacht. Der Bundesrat wird zu gegebener Zeit über das weitere Vorgehen in diesen Verhandlungen und ein allfälliges diesbezügliches Verhandlungsmandat beschliessen.

2.4

Mängel des geltenden Rechts

2.4.1

Kein Widerrufsrecht beim Telefonverkauf

Das geltende Recht äussert sich nicht zur Frage, ob eine Konsumentin oder ein Konsument einen Vertrag über bewegliche Sachen oder Dienstleistungen gegenüber einer Anbieterin oder einem Anbieter auch dann widerrufen kann, wenn diese oder dieser die Konsumentin oder den Konsumenten am Telefon anspricht. Die Frage, ob trotzdem ein Widerrufsrecht besteht, ist in der Lehre umstritten25. Angesichts der Entstehungsgeschichte26 von Artikel 40a OR ist indessen davon auszugehen, dass nach geltendem Recht grundsätzlich kein Widerrufsrecht bei am Telefon geschlossenen Verträgen besteht, was die der Vorlage zugrundeliegende parlamentarische Initiative gerade ändern möchte.

Der Bundesrat teilt die Ansicht der Kommission sowie der Mehrheit des Parlaments und der Vernehmlassungsteilnehmer27, dass Konsumentinnen und Konsumenten angesichts der Überraschungs- und Überrumpelungssituation auch beim Telefonverkauf ein Widerrufsrecht zustehen sollte. Dieses ist daher entsprechend gesetzlich zu regeln.

2.4.2

Kein Widerrufsrecht beim Fernabsatzgeschäft

Kein Widerrufsrecht sieht das geltende Recht für Verträge des sogenannten Fernabsatzgeschäfts vor ­ das heisst für Verträge, bei denen sich die Vertragsparteien bei Anbahnung und Abschluss des Vertrags physisch nicht am gleichen Ort befinden, aber sich eines oder mehrerer Fernkommunikationsmittel, insbesondere des Inter25

26

27

Ein Widerrufsrecht bei über das Telefon zustande gekommenen Verträgen bejahen insbesondere Gonzenbach, Rainer/Koller-Tumler, Marlis, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 5. Auflage, Basel 2011, N 8 zu Art. 40b; Dornier, Roger, in: Zürcher Kommentar, Teilband V/1b/3, Zürich 2010, N 70 zu Art. 40b; demgegenüber ablehnend z. B.

Stauder, Hildegard/Stauder, Bernd, in: Commentaire Romand I, 2. Auflage, Basel 2012, N 20a zu Art. 40b; Marchand, Sylvain, Droit de la consommation, Genf 2012, S. 170 f.

Der Entwurf des Bundesrates erwähnte die Möglichkeit des am Telefon geschlossenen Vertrags noch ausdrücklich (Art. 40a Abs. 1 Bst. a Ziff. 3 E-OR, Botschaft des Bundesrates vom 7. Mai 1986 zu einem Bundesgesetz über die Förderung der Konsumenteninformation und zu einem Bundesgesetz über die Änderung des Obligationenrechts [Die Entstehung der Obligationen], BBl 1986 II 354 ff., 403). Diese Bestimmung wurde in der Folge der parlamentarischen Beratungen jedoch ohne ersichtliche Diskussion und Begründung gestrichen (AB 1990 N 572 ff.; AB 1990 S 307 ff.).

Bericht vom April 2013 über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 4.

2998

nets, bedienen. Es fehlen damit ­ im Unterschied zum umliegenden Ausland (vgl.

dazu Ziff. 2.3) ­ diesbezügliche Regelungen, und zwar sowohl für das konventionelle Fernabsatzgeschäft des Versandhandels mit Katalogen oder Ähnlichem als auch für den in den letzten Jahren immer wichtiger gewordenen elektronischen Geschäftsverkehr und damit den Bereich des Online-Handels. Die per 1. April 2012 in Kraft getretenen Regelungen des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 198628 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zum elektronischen Geschäftsverkehr legen lauterkeitsrechtlich lediglich bestimmte, von der Anbieterin oder dem Anbieter zu erfüllende Voraussetzungen für den Vertragsabschluss im elektronischen Geschäftsverkehr fest (Art. 3 Abs. 1 Bst. s UWG), aber kein Widerrufsrecht.

Auch wenn der Minderheit der Kommission und mit ihr einer gewichtigen Minderheit in der Vernehmlassung29 darin zuzustimmen ist, dass sich die parlamentarische Initiative ihrem Wortlaut nach auf die Einführung eines Widerrufsrechts beim Telefonverkauf bezieht, teilt der Bundesrat die Einschätzung der Kommissionsmehrheit, dass gerade auch bei Fernabsatzverträgen ein erhöhtes Schutzbedürfnis der Konsumentinnen und Konsumenten besteht und daher die Einführung eines Widerrufsrechts nicht nur beim Telefonverkauf, sondern im gesamten Fernabsatz sachgerecht ist. Der Bundesrat lehnt daher die Anträge der Minderheit zu Artikel 40a Abs. 1 E-OR sowie zu Artikel 40c E-OR ab (vgl. auch Ziff. 3.1 nachfolgend). Im Unterschied zum Haustürgeschäft sowie in gewisser Weise auch zum Telefonverkauf besteht im Fernabsatzgeschäft allgemein eine Informationsasymmetrie zwischen den Vertragsparteien, insbesondere weil die Konsumentin oder der Konsument die Kaufsache oder die vertragliche Leistung nicht unmittelbar prüfen kann30. Gleichzeitig besteht bei solchen Verträgen angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten gerade im Online-Handel die erhöhte Gefahr, dass Konsumentinnen und Konsumenten solche Verträge übereilt abschliessen oder sich der damit verbundenen Konsequenzen nicht genügend bewusst sind. In solchen spezifischen Konstellationen fällt das Informationsgefälle zwischen Anbieterinnen oder Anbietern und Konsumentinnen oder Konsumenten besonders ins Gewicht. Diesem kann mit der Schaffung eines allgemeinen Widerrufsrechts bei Fernabsatzgeschäften
entgegengewirkt werden. Ein allgemeines, gesetzlich geregeltes und zugunsten der Konsumentinnen und Konsumenten zwingendes Widerrufsrecht ist nach Ansicht des Bundesrates ­ entgegen teilweise in der Vernehmlassung geäusserter Meinung31 ­ besser dazu geeignet als die heute verbreitet gewährten vertraglichen Rücktrittsrechte. Soweit ein solches im Rahmen dieser Vorlage nicht verwirklicht wird (vgl. insb. Art. 40g Bst. c E-OR), wird die Schaffung eines allgemeinen Widerrufsrechts im Rahmen zukünftiger Gesetzgebungsarbeiten zu prüfen sein. Sodann schlägt auch der von einer Gruppe schweizerischer Rechtsprofessorinnen und -professoren erarbeitete Entwurf zu einer Totalrevision des allgemeinen Teils des OR («OR 2020») ein Widerrufsrecht bei Konsumverträgen vor, die ohne Möglichkeit zur Prüfung der

28 29 30

31

SR 241 Bericht vom April 2013 über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 5 f.

Z. B. Marchand, Sylvain, Droit de la consommation. Le droit suisse à l'épreuve du droit européen, Genf 2012, S. 181; Schirmbacher, Martin, in: Tamm/Tonner, Verbraucherrecht, Baden-Baden 2012, § 14 Rz 2.

Bericht vom April 2013 über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 4.

2999

angebotenen Leistung oder ihrer Risiken abgeschlossen werden (Art. 16 OR 2020)32.

Bei der Ausgestaltung eines Widerrufsrechts für das Fernabsatzgeschäft sind nach Ansicht des Bundesrates insbesondere folgende Punkte zu beachten, die teilweise im Entwurf der Kommission noch nicht genügend Beachtung finden und auf denen einige Änderungsanträge des Bundesrates (vgl. dazu nachfolgend Ziff. 3) beruhen: ­

Das Widerrufsrecht hat sich stets auf Fälle zu beschränken, in denen die Konsumentin oder der Konsument tatsächlich schutzbedürftig ist. Dies ist insbesondere über entsprechende Ausnahmen vom allgemeinen Widerrufsrecht sicherzustellen (vgl. Art. 40e­40h E-OR). Dabei sind auch die berechtigten Interessen der Anbieterinnen und Anbieter zu berücksichtigen und zu schützen, indem das Widerrufsrecht nicht einseitig zugunsten der Konsumentin oder des Konsumenten gehen oder von diesem missbraucht werden kann (vgl. insb. Art. 40i E-OR betr. Erlöschen des Widerrufsrechts).

­

Die Regelungen eines Widerrufsrechts im Fernabsatzgeschäft sollen nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit der EU-Verbraucherrechte-RL getroffen werden. Dies gilt insbesondere für massgebende Fristen (vgl. Art. 40j E-OR) sowie die verschiedenen Ausnahmen (vgl. Art. 40e­40h E-OR).

Dabei geht es nicht um einen Nachvollzug dieser Richtlinie, sondern darum, dass im Interesse sämtlicher Betroffener angesichts der zunehmenden Verflechtungen und der Internationalität gerade im Fernabsatzgeschäft möglichst gleichwertige Regelungen im Konsumentenschutz bestehen.

­

Die neuen Regelungen sollen sich an der bisherigen Gesetzgebung orientieren und ­ unter Vorbehalt punktueller Anpassungen und Verbesserungen ­ mit dieser übereinstimmen, auch wenn damit teilweise Abweichungen von der EU-Verbraucherrechte-RL weitergeführt werden (vgl. z. B. Art. 40b Abs. 2 E-OR zum Haustürgeschäft und insb. seinen Einschränkungen).

Gleichzeitig sollen sie den aktuellen gesellschaftlichen und technischen Begebenheiten bestmöglich Rechnung tragen. Als Konsumentenschutzrecht sollten sie möglichst gut und einfach verständlich sein.

2.5

Bisherige Revisionsbestrebungen

Bereits der Vorentwurf des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr aus dem Jahre 2001 sah die Schaffung eines Widerrufsrechts für im Fernabsatz geschlossene Verträge vor (Art. 40c und 40e VE)33. Angesichts des kontroversen Vernehmlassungsergebnisses stellte der Bundesrat jedoch im Jahre 2005 die Arbeiten an dieser Vorlage ein, weil er damals keinen genügenden 32

33

Vgl. Probst, Thomas, in: Huguenin/Hilty (Hrsg.), Schweizerisches Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013, Art. 16 N 1 ff. Vgl. dazu auch die beiden Postulate 13.3217 Bischof «Für ein modernes Obligationenrecht» und 13.3226 Caroni «Für ein modernes Obligationenrecht», die inzwischen beide überwiesen wurden.

Vorentwurf des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr (Teilrevisionen des Obligationenrechts und des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb), Januar 2001, abrufbar unter www.bj.admin.ch > Themen > Wirtschaft > Gesetzgebung > Abgeschlossene Projekte > Konsumentenschutz (Elektronischer Geschäftsverkehr).

3000

Handlungsbedarf für eine Revision sah, die sich insbesondere auch auf die Sachgewährleistungsrechte erstreckt hätte. Als Reaktion darauf wurden zwei parlamentarische Initiativen34 eingereicht, die beide insbesondere die Verbesserung des Widerrufsrechts für Konsumentinnen und Konsumenten verlangten und von denen nur eine überwiesen wurde. Inzwischen wurde auch das Sachgewährleistungsrecht revidiert35. Bereits wurden weitere diesbezügliche Vorstösse36 eingereicht, die noch nicht behandelt wurden. In der Zwischenzeit wurde auch das europäische Recht durch die EU-Verbraucherrechte-RL geändert und weiter harmonisiert (vgl. dazu Ziff. 2.3). Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen und insbesondere der seit 2005 weiter gestiegenen Bedeutung des Fernabsatzgeschäfts mittels OnlineHandel anerkennt der Bundesrat den Handlungsbedarf in Bezug auf die Verbesserung des Konsumentenschutzes durch die Ausdehnung des bisher auf das Haustürgeschäft beschränkten Widerrufsrechts auf das gesamte Fernabsatzgeschäft, wie er es bereits vor mehr als zehn Jahren einmal vorgeschlagen hatte.

2.6

Auswirkungen

Von der vorgeschlagenen Neuregelung sind ein beträchtlicher Teil der Wirtschaft sowie sämtliche Konsumentinnen und Konsumenten und damit die Gesamtbevölkerung zumindest potenziell betroffen. Wie die Kommission in ihrem Bericht ausführt, stieg der im Online-Handel erzielte Umsatz in den letzten Jahren stetig an. Auch wenn sich die mit der vorgesehenen Neuregelung und insbesondere der Einführung eines allgemeinen Widerrufsrechts verbundenen Kosten sowohl für die betroffenen Anbieterinnen und Anbieter als auch die Konsumentinnen und Konsumenten nicht quantifizieren lassen, hält der Bundesrat diese insgesamt für verkraftbar und zugunsten eines verbesserten Konsumentenschutzes auch für gerechtfertigt. Soweit bereits ein Widerrufsrecht oder ein vertragliches Rücktrittsrecht besteht, dürfte die Neuregelung zu keinen nennenswerten Zusatzkosten führen. Gleichzeitig wird den berechtigten Interessen der Anbieterinnen und Anbieter durch die vorgesehenen Ausnahmeregelungen sowie die Regelungen gegen jegliche missbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts Rechnung getragen. Für den Bund sowie die Kantone und Gemeinden hat die Vorlage keine finanziellen oder personellen Auswirkungen.

2.7

Fazit

Vor diesem Hintergrund begrüsst der Bundesrat die von der Kommission ausgearbeitete Vorlage. Er erachtet die darin vorgeschlagene Einführung eines allgemeinen Widerrufrechts für das gesamte Fernabsatzgeschäft ­ und nicht nur für den Telefon34

35

36

Pa. Iv. 05.458 Sommaruga «Verbesserung des Konsumentenschutzes. Fernabsatz und Gewährleistung» und Pa. Iv. 06.441 Bonhôte «Mehr Konsumentenschutz und weniger Missbrauch beim Telefonverkauf».

Vgl. das auf den 1. Januar 2013 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 16. März 2012 zu einer Änderung des Obligationenrechts (Verjährungsfristen der Gewährleistungsansprüche im Kauf- und Werkvertrag. Verlängerung und Koordination), AS 2012 5415.

Mo. 13.4273 von Graffenried «Konsumentenfreundliche und umweltverträgliche Ausgestaltung der gesetzlichen Gewährleistung» und Mo. 13.4293 Leutenegger Oberholzer «Sachgewährleistung im Kaufvertrag. Mehr Schutz für die Konsumentinnen und Konsumenten».

3001

verkauf ­ heute für zielführend. Damit wird der besonders im Fernabsatzgeschäft wichtige Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten wirkungsvoll gewährleistet und ergänzt, ohne dass die Vertragsfreiheit unnötig eingeschränkt oder die Vertragsparteien bevormundet würden. Dies ist heute im internationalen Vergleich angezeigt und spricht insbesondere auch dafür, nicht ohne sachlichen Grund abweichende Regelungen zu treffen. Selbstverständlich sind bei der gesetzlichen Ausgestaltung die berechtigten Interessen der Anbieterinnen und Anbieter zu berücksichtigen, und es ist den Bedenken seitens der Wirtschaft bestmöglich Rechnung zu tragen, sodass die Regelungen nicht einseitig zu deren Lasten gehen, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft erhalten bleibt und für alle Beteiligten möglichst keine oder geringe Mehrkosten entstehen.

3

Anträge des Bundesrates

Aus den dargelegten Gründen schliesst sich der Bundesrat in den überwiegenden Teilen dem Erlassentwurf und dem Bericht der Kommission an. Er beantragt daher Eintreten auf die Vorlage sowie Zustimmung zu den Anträgen der Kommissionsmehrheit und Ablehnung der Anträge der Minderheit, beides unter Vorbehalt der nachstehenden Änderungsanträge zum Erlassentwurf der Kommission, der nach Ansicht des Bundesrates noch gewisser punktueller Anpassungen bedarf.

Soweit es sich bei den Anträgen des Bundesrates lediglich um redaktionelle Änderungsvorschläge handelt, werden diese nachfolgend nicht erläutert.

Der Bundesrat stellt folgende Anträge:

3.1

Art. 40a E-OR

Art. 40a Abs. 1 Der Bundesrat beantragt die Zustimmung zum Antrag der Mehrheit und die Ablehnung des Antrags der Minderheit.

Begründung: Die Kommissionsmehrheit schlägt die Schaffung eines Widerrufsrechts für Konsumentinnen und Konsumenten bei Haustür- und Fernabsatzgeschäften vor. Nach Ansicht des Bundesrates ist heute ein Bedürfnis nach einem solchen allgemeinen Widerrufsrecht bei allen Fernabsatzverträgen ausgewiesen (vgl. auch die Ausführungen unter Ziff. 2.4.2). Entgegen der Ansicht der Minderheit besteht auch im Fernabsatzgeschäft, das zunehmend über den Online-Handel abgewickelt wird, ein erhöhtes Schutzbedürfnis der Konsumentinnen und Konsumenten, das aber nicht in der Überraschung oder Überrumpelung, sondern in der mangelnden Prüfbarkeit der Waren oder Dienstleistungen und damit der Informationsasymmetrie zulasten der Konsumentin und des Konsumentin gründet.

Wollte man entgegen dem Vorschlag der Kommissionsmehrheit und des Bundesrates mit der Minderheit der Kommission neu lediglich ein Widerrufsrecht auch für den Telefonverkauf gesetzlich regeln, so sollte dies nach Ansicht des Bundesrates nicht im Rahmen der vorgeschlagenen Gesamtrevision der Artikel 40a ff. OR unter Anlehnung an die europarechtlichen Regelungen erfolgen. Der Antrag der Minder3002

heit geht klar weniger weit als das EU-Konsumentenschutzrecht. Vielmehr wären die bestehenden Bestimmungen zum Haustürgeschäft lediglich insofern zu ergänzen, dass sie neu ausdrücklich auch im Telefonverkauf Anwendung finden würden. Für eine weitergehende (Gesamt-)Revision des Widerrufsrechts würde bei dieser Betrachtungsweise zum heutigen Zeitpunkt kein Handlungsbedarf mehr bestehen.

Art. 40a Abs. 2 zweiter Satz und 3 ... Die Bestimmungen zur Ausübung des Widerrufsrechts und zu den Folgen des Widerrufs (Art. 40j­40o) kommen dabei ergänzend zur Anwendung.

2

Die Parteien dürfen von den Bestimmungen zum Widerrufsrecht (Art. 40a­40o) nicht zum Nachteil des Konsumenten abweichen.

3

3.2

Art. 40b E-OR

Art. 40b Abs. 1 Als Haustürgeschäft gilt ein Vertrag, zu welchem dem Konsumenten das Angebot ausserhalb der Geschäftsräume des Anbieters bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit von Anbieter und Konsument gemacht wird, insbesondere auch an einer Werbeveranstaltung, die mit einer Ausflugsfahrt oder einem ähnlichen Anlass verbunden ist.

1

3.3

Art. 40c E-OR

Der Bundesrat beantragt die Zustimmung zum Antrag der Mehrheit und die Ablehnung des Antrags der Minderheit.

Begründung: Vgl. die Ausführungen zu Ziffer 2.4.2 und Ziffer 3.1.

3.4

Art. 40d E-OR

Art. 40d Abs. 2 Als Anbieter gilt die natürliche oder juristische Person, die mit einem Konsumenten einen Vertrag abschliesst, der ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet wird.

2

3003

3.5

Art. 40e E-OR

Art. 40e Abs. 1 Bst. c 1

Der Konsument hat kein Widerrufsrecht, wenn der Vertrag: c.

eine Leistung des Anbieters zum Gegenstand hat, deren Preis wesentlich von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Anbieter keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können; oder

Begründung: Nach dem Vorschlag der Kommission soll ein Widerrufsrecht bei Geschäften mit einem Zufallselement entfallen, namentlich weil der Preis Schwankungen auf dem Markt unterliegt, auf die der Anbieter keinen Einfluss hat. Analog zum europäischen Recht (vgl. Art. 16 Bst. b EU-Verbraucherrechte-RL) erscheint ein Widerrufsrecht der Konsumentin oder des Konsumenten dann nicht sachgerecht, wenn die Parteien einen Preis vereinbaren, der von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, wie z. B. bei Edelmetallen, Rohstoffen oder Finanzprodukten. Das beide Parteien gleichermassen treffende Risiko anderer nachträglicher Preisschwankungen soll nicht aufgrund des Widerrufsrechts einseitig der Anbieterin oder dem Anbieter überbunden werden. Dabei muss es sich um für den Preis der Leistung wesentliche Schwankungen handeln, die gerade innerhalb der Widerrufsfrist eintreten. Mit der vorgeschlagenen Änderung soll der Gehalt dieser Ausnahme klarer zum Ausdruck gebracht werden.

Art. 40e Abs. 2 Der Bundesrat kann den Betrag nach Absatz 1 Buchstabe a den veränderten Verhältnissen der Kaufkraft anpassen.

2

Begründung: Der Bundesrat schlägt entgegen der Ansicht der Kommission vor, die bisherige Regelung von Artikel 40a Absatz 3 OR, wonach er bei wesentlicher Veränderung der Kaufkraft den Betrag von 100 Franken anpassen kann, in sprachlich vereinfachter Fassung beizubehalten.

3.6

Art. 40g E-OR

Art. 40g Bst. a Der Konsument hat kein Widerrufsrecht bei Verträgen über: a.

Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Personen und Sachen, Vermietung von Fahrzeugen, Lieferung von Speisen und Getränken als Catering sowie Freizeitgestaltung, wenn sich der Anbieter bei Vertragsabschluss zur Erbringung zu einem genau bestimmten Termin oder Zeitraum verpflichtet hat;

Begründung: Der Bundesrat teilt die Ansicht der Kommission, dass Transport-, Gastronomie-, Tourismus- und Freizeitdienstleistungen vom Widerrufsrecht auszunehmen sind, 3004

wenn diese zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem genau bestimmten Zeitraum zu erbringen sind, insbesondere weil die für die Anbieterin oder den Anbieter aus einem Widerruf resultierenden Folgen unangemessen wären. Der Vorschlag des Bundesrates hält sich jedoch näher an die Bestimmung von Artikel 16 Buchstabe l der EU-Verbraucherrechte-RL, ohne deren Wortlaut unmittelbar zu übernehmen.

Nach Ansicht des Bundesrates drängen sich im Interesse der Rechtsklarheit und -sicherheit insbesondere in Bezug auf die Ausnahme für Unterbringungsdienstleistungen sowie der Lieferung von Speisen und Getränken (Catering) die vorgeschlagenen Präzisierungen auf.

Art. 40g Bst. b Streichen Begründung: Nach dem Vorbild der EU-Verbraucherrechte-RL (vgl. Art. 16 Bst. h EU-Verbraucherrechte-RL) schlägt die Kommission eine besondere Ausnahmeregelung für dringende Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten vor. Nach Ansicht des Bundesrates ist diese von der Kommission gegenüber dem Vorentwurf zusätzlich vorgeschlagene Ausnahme nicht nötig und daher zu streichen, auch wenn damit ein Unterschied zum europäischen Recht geschaffen wird. In diesen Fällen wird die Leistung der Anbieterin oder des Anbieters angesichts der Dringlichkeit vor Ablauf der Widerrufsfrist erfolgen, sodass das Widerrufsrecht nach Artikel 40i Buchstabe d erlöscht, wenn die Konsumentin oder der Konsument ausdrücklich zugestimmt hat.

Damit wird den berechtigten Interessen der Anbieterinnen und Anbieter ebenfalls Rechnung getragen und die Rechtslage im Ergebnis mit dem europäischen Recht vergleichbar.

3.7

Art. 40h E-OR

Art. 40h Werden dem Konsumenten digitale Inhalte vom Anbieter nicht auf einem festen Datenträger zur Verfügung gestellt, so hat der Konsument kein Widerrufsrecht, wenn der Vertrag von beiden Vertragsparteien sofort zu erfüllen ist und der Konsument in Kenntnis des Verlusts seines Widerrufsrechts vorgängig seine Zustimmung gegeben hat.

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Antrags der Minderheit.

Begründung: Nach dem Vorschlag der Kommissionsmehrheit sollen die Konsumentin oder der Konsument bei Verträgen über digitale Inhalte, die nicht auf einem festen Datenträger zur Verfügung gestellt werden, kein Widerrufsrecht haben, wenn sie oder er die Nutzungsberechtigung an digitalen Inhalten durch sofortige vollständige Zahlung erwerben und die Leistungspflicht der Anbieterin oder des Anbieters sich in einer sofortigen Datenlieferung erschöpft. Angesichts der weitreichenden Konsequenzen ist es nach Ansicht des Bundesrates zwingend, dass diese Ausnahme vom Widerrufsrecht nur mit vorheriger und ausdrücklicher Zustimmung der Konsumentin oder des Konsumenten in Frage kommen kann, wobei diese im Zeitpunkt der Zustim3005

mung Kenntnis über den damit verbundenen Verlust ihres Widerrufsrechts haben müssen. Unter diesen Voraussetzungen ist gleichzeitig auch denkbar, dass diese vorgängige ausdrückliche Zustimmung verschiedene, je sofort zu erfüllende Leistungen innerhalb eines (Rahmen-)Vertrags betrifft.

3.8

Art. 40i E-OR

Art. 40i Bst. a­c Das Widerrufsrecht des Konsumenten erlischt, wenn: a.

die Sache vom Konsumenten in einer Weise gebraucht wird, die über die Prüfung ihrer Vertragsmässigkeit hinausgeht;

b.

die Sache nach ihrer Lieferung aufgrund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Sachen vermischt oder verbunden wird;

c.

die Sache vom Konsumenten vor Ablauf der Widerrufsfrist in Kenntnis des Erlöschens seines Widerrufsrechts in einem Geschäftsraum des Anbieters abgeholt wird;

Begründung: Der Bundesrat begrüsst das von der Kommission vorgeschlagene Erlöschen des Widerrufsrechts, wenn vorgängig im Fernabsatzgeschäft bestellte Waren von der Konsumentin oder dem Konsumenten in einem Geschäftsraum der Anbieterin oder des Anbieters abgeholt werden. Solche Mischformen des eigentlichen Fernabsatzgeschäfts mit Abholmöglichkeit für die Konsumentin oder den Konsumenten erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit. Da die Konsumentin oder der Konsument bei der Abholung die Ware direkt von der Anbieterin oder vom Anbieter erhält und sie in diesem Moment insbesondere auf ihre Vertragsmässigkeit prüfen kann, besteht ab diesem Zeitpunkt kein besonderes Schutzbedürfnis der Konsumentin oder des Konsumenten mehr. Der Bundesrat schlägt lediglich eine inhaltliche Präzisierung der Bestimmung vor.

Art. 40i Bst. d Betrifft nur den französischen Text.

Art. 40i Bst. e Der Bundesrat beantragt die Zustimmung zum Antrag der Mehrheit und die Ablehnung des Antrags der Minderheit.

Begründung: Der Bundesrat hält den Vorschlag der Kommission zu einem besonderen Erlöschensgrund bei Entfernung der Versiegelung nach der Lieferung von Computersoftware, anderen digitalen Inhalten sowie Ton- und Videoaufnahmen für genügend.

Dieser orientiert sich an Artikel 16 Buchstabe i der EU-Verbraucherrechte-RL.

Damit sollen die berechtigten Interessen der Anbieterinnen und Anbieter, aber auch die Inhaberin oder der Inhaber von Urheberrechten geschützt werden, da solche Inhalte relativ einfach vervielfältigt oder reproduziert werden können. Demgegen3006

über hält er den Vorschlag der Minderheit für zu weitgehend, indem damit zum Beispiel auch Bücher oder andere Werke vom Widerrufsrecht ausgeschlossen wären, wenn diese aus einer versiegelten Verpackung herausgenommen werden.

Hier besteht die erwähnte besondere Gefährdung nach Ansicht des Bundesrates nicht.

3.9

Art. 40j E-OR

Art. 40j Abs. 2­5 Sie beginnt mit dem Empfang der Sache oder mit dem Abschluss des Vertrags bei Dienstleistungen und digitalen Inhalten, die nicht auf einem festen Datenträger zur Verfügung gestellt werden, nicht aber vor der klaren und verständlichen Information des Konsumenten über sein Widerrufsrecht und die Widerrufsfrist unter Angabe der Firma und Adresse, an die der Widerruf zu richten ist.

2

Sie endet spätestens 1 Jahr und 14 Tage nach Empfang der Sache oder nach dem Abschluss des Vertrags bei Dienstleistungen und digitalen Inhalten, die nicht auf einem festen Datenträger zur Verfügung gestellt werden.

3

Sie ist eingehalten, wenn der Konsument am letzten Tag der Widerrufsfrist dem Anbieter seinen Widerruf mitteilt oder seine Widerrufserklärung absendet.

4

Der Bundesrat kann Formulare zur Information über das Widerrufsrecht und die Widerrufsfrist nach Absatz 2 sowie zur Widerrufserklärung zur Verfügung stellen.

5

Begründung: Der Bundesrat begrüsst die Vorschläge der Kommission zur Regelung der Fristen des Widerrufsrechts und insbesondere einer absoluten Befristung des Widerrufsrechts. Er gegenüber dem Entwurf der Kommission zu dieser Bestimmung jedoch drei Änderungen vor: ­

Absatz 2 und 4 sollen redaktionell angepasst werden, ohne dass damit inhaltlich eine Änderung beabsichtigt ist.

­

In Absatz 3 wird vorgeschlagen, diese absolute Befristung des Widerrufsrechts in Übereinstimmung mit dem europäischen Recht (vgl. Art. 10 EU-Verbraucherrechte-RL) auf ein Jahr (statt lediglich auf drei Monate) zuzüglich üblicher Widerrufsfrist zu begrenzen. Nicht nur Kohärenzüberlegungen sprechen für eine solche längere Frist. Auch erscheint es Anbieterinnen und Anbietern zumutbar, ihre Kundinnen und Kunden ordnungsgemäss über das Widerrufsrecht zu informieren, sodass die Widerrufsfrist nach der Regelung von Absatz 2 läuft und endet.

­

Der Bundesrat schlägt in einem neuen Absatz 5 vor, dass ihm das Gesetz die Kompetenz einräumt, Formulare zur Verfügung zu stellen, mit denen über Widerrufsrecht des Konsumenten und die Widerrufsfrist informiert wird sowie der Widerruf erklärt werden kann. Auf dieser Grundlage kann beiden Vertragsparteien Unterstützung bei der Umsetzung und Anwendung des Widerrufsrechts geboten werden, ohne jedoch die Verwendung von Musterformularen vorzuschreiben oder solche in Gesetzesanhängen zu definieren, wie dies im europäischen Recht vorgesehen ist.

3007

3.10

Art. 40k E-OR

Art. 40k Abs. 2 erster Satz Die Informationen nach Artikel 40j Absatz 2 sind vom Anbieter gegenüber dem Konsumenten in beweisbarer Form zu erbringen. ...

2

3.11

Art. 40l E-OR

Art. 40l Abs. 1 und 2 1

Betrifft nur den französischen Text.

Die Parteien müssen bereits empfangene Leistungen innert 14 Tagen seit der Widerrufserklärung beziehungsweise seit Kenntnis des Widerrufs zurückerstatten.

2

Begründung: Nach dem Entwurf der Kommission sind bereits empfangene Leistungen innert 14 Tagen zurückzuerstatten. In Ergänzung dessen schlägt der Bundesrat die gesetzliche Präzisierung des Anfangszeitpunkts der Frist vor, welcher für die beiden Parteien gerade unterschiedlich ist (vgl. auch Art. 13 und 14 EU-Verbraucherrechte-RL).

3.12

Art. 40m E-OR

Art. 40m Abs. 1 zweiter Satz ... Nicht zu erstatten sind allfällige Mehrkosten aufgrund einer vereinbarten Speziallieferung.

1

Begründung: Nach dem Vorschlag der Kommission hat die Anbieterin oder der Anbieter im Widerrufsfalle bereits geleistete Zahlungen der Konsumentin oder des Konsumenten zurückzugeben. Der Bundesrat schlägt eine Ergänzung der Bestimmung dahingehend vor, dass diejenigen Kosten von der Anbieterin oder dem Anbieter nicht zurückzuerstatten sind, die durch eine im Einverständnis mit der Konsumentin oder dem Konsumenten erfolgte besondere Art der Lieferung, die sich von der standardmässigen Lieferungsform der Anbieterin oder des Anbieters unterscheidet (z. B. eine besondere Express- oder Einzellieferung), entstanden sind. Mit dieser Artikel 13 Absatz 2 EU-Verbraucherrechte-RL entsprechenden Regelung wird den berechtigten Interessen der Anbieterinnen und Anbieter Rechnung getragen.

3008

3.13

Art. 40n E-OR

Art. 40n Abs. 2 Der Bundesrat beantragt die Zustimmung zum Antrag der Mehrheit und die Ablehnung des Antrags der Minderheit.

Begründung: Im Falle eines Widerrufs stellt sich die Frage, wer die Kosten der Rücksendung einer Sache zu tragen hat. Der Bundesrat teilt die Ansicht der Kommissionsmehrheit, dass grundsätzlich die Konsumentin oder der Konsument die Rücksendungskosten zu tragen hat, zumal diese ja unmittelbare Folge des Widerrufs sind (vgl.

auch Art. 14 Abs. 1 EU-Verbraucherrechte-RL). Dabei geht es um unmittelbare Rücksendungskosten, wobei die Rücksendung ­ mit Ausnahme allfälliger Speziallieferungen im Sinne von Artikel 40m Abs. 1 zweiter Satz ­ in gleicher Weise wie die Hinsendung zu erfolgen hat. Von den Rücksendungskosten zu unterscheiden und nach Ansicht des Bundesrates ­ entgegen der Kommissionsminderheit ­ auch unterschiedlich zu behandeln sind die Kosten der Hinsendung einer Sache: Diese sind unabhängig von einem allfälligen Widerruf, sodass kein Anlass zu einer gesetzlichen Regelung besteht, wonach diese von der Konsumentin oder dem Konsumenten zu tragen sind. Die Parteien sollen die Kostentragung dafür frei vereinbaren können.

Eine nachträgliche, gesetzlich vorgeschriebene Anpassung einer solchen Vereinbarung zu Lasten der widerrufenden Konsumentin oder des widerrufenden Konsumenten steht nach Ansicht des Bundesrates im Widerspruch zur Zielsetzung des Widerrufsrechts.

Art. 40n Abs. 3 Bei Verträgen über eine bereits teilweise erbrachte Dienstleistung schuldet der Konsument dem Anbieter eine verhältnismässige Entschädigung des vertraglich vereinbarten Gesamtpreises.

3

3.14

Art. 40o E-OR

Art. 40o Abs. 1 Mit dem Widerruf werden auch sämtliche Verträge, Anträge zum Vertragsabschluss oder Annahmeerklärungen des Konsumenten von Anfang an unwirksam, die mit dem widerrufenen Antrag oder der widerrufenen Annahmeerklärung in einem sachlichen Zusammenhang stehen.

1

3.15

Art. 406d und 406e E-OR

Art. 406d Ziff. 5 Der Vertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form und hat folgende Angaben zu enthalten:

3009

5.

das Recht des Auftraggebers, schriftlich und entschädigungslos innerhalb von 14 Tagen seinen Antrag zum Vertragsabschluss oder seine Annahmeerklärung zu widerrufen;

Art. 406e Der Vertrag tritt für den Auftraggeber erst 14 Tage nach Erhalt eines beidseitig unterzeichneten Vertragsdoppels in Kraft. Innerhalb dieser Frist darf der Beauftragte vom Auftraggeber keine Zahlung entgegennehmen.

1

Innerhalb der Frist nach Absatz 1 kann der Auftraggeber seinen Antrag zum Vertragsabschluss oder seine Annahmeerklärung schriftlich widerrufen. Ein im Voraus erklärter Verzicht auf dieses Recht ist unverbindlich. Im Übrigen sind die Bestimmungen über die Widerrufsfolgen sinngemäss anwendbar (Art. 40l­40o).

2

3

Die Kündigung bedarf der Schriftform.

3.16

Art. 16 E-KKG

Art. 16 Abs. 2 zweiter Satz und 3 zweiter Satz ... Die Frist ist eingehalten, wenn die Konsumentin oder der Konsument die Widerrufserklärung am letzten Tag der Widerrufsfrist der Kreditgeberin oder der Post übergibt.

2

... Im Falle eines Abzahlungskaufs, einer auf Kredit beanspruchten Dienstleistung oder eines Leasingvertrags gelten die Artikel 40l­40o des Obligationenrechts37 sinngemäss.

3

37

SR 220

3010