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Bundesblatt 101. Jahrgang

Bern, den 20. Januar 1949

Band I

Erscheint wöchentlich, frets 3S franken Im Jahr, 15 Franken im Salbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 60 Rappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Beitritt der Schweiz zur Internationalen Flüchtlingsorganisation (IRO) (Vom 19. Januar 1949) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Bereits in früheren Botschaften hatten wir Gelegenheit, Ihnen die Bemühungen darzulegen, welche die Vereinigten Nationen seit Kriegsende unternommen haben, um die Probleme, die sich auf den Gebieten der wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen, des Transportwesens, der Öffentlichen Gesundheitspflege, der Erziehung und der Kultur und Wissenschaft stellen, einer internationalen Lösung entgegenzuführen. Überzeugt von der Notwendigkeit, die Schweiz in diese neuen Formen der friedlichen Zusammenarbeit innerhalb der Staaten einzubeziehen, haben Sie in Berücksichtigung der genannten Botschaften den Bundesrat ermächtigt, den Beitritt unseres Landes zu verschiedenen SpezialOrganisationen der Vereinigten Nationen zu erklären. Es handelte sich dabei um die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), die Internationale Zivilluftfahrtsorganisation (OACI), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und -- erst kürzlich -- um die Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO).

Unser so oft ausgedrückter Wunsch, an den Arbeiten der technischen internationalen Organisationen, deren Bestrebungen mit unserem Neutralitätsstatut vereinbar sind, soweit möglich mitzuarbeiten, konnte auf diese Weise verschiedentlich verwirklicht werden. In Verfolgung dieser Politik, welche von Ihnen sowohl grundsätzlich als auch in den jüngsten Anwendungsfällen genehmigt worden ist, beehren wir uns, Sie heute einzuladen, sich zugunsten des Beitritts der Schweiz zu einer andern SpezialOrganisation der Vereinigten Nationen auszusprechen. Es handelt sich um die internationale Füchtlingsorganisation (IRO), deren Tätigkeitsgebiet sich eng an eine der Traditionen anlehnt, der treu zu bleiben wir allen Grund haben.

Bundesblatt.

101, Jahrg.

Bd. I.

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102 Die internationale Flüchtlingsorganisation hat unter schwierigen Voraussetzungen bereits eine ganz beträchtliche Aufgabe erfüllt. Dank ihr konnten innerhalb eines Jahres 256 000 Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückkehren oder eine neue Wohnstätte im Ausland finden und somit ein menschenwürdigeres Dasein erhalten. Trotzdem bleibt viel zu tun übrig : für mehr als 800 000 Entwurzelte sollte noch eine Wohnstätte gefunden werden. Zudem ist die zur Verfügung stehende Zeit beschränkt. Die internationale Flüchtlingsorganisation hat sich nämlich vorgenommen, ihren Auftrag in weniger als zwei Jahren, d. h. vor dem 80. Juni 1950, zu erfüllen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sie auf die aktive Mitarbeit der Eegierungen zählen können. In einem Zeitpunkt, da Erfolg oder Misserfolg der Organisation von der Beteiligung der Staaten abhängt, die ihr eine wirksame Hilfe bringen können, darf die Schweiz nicht beiseite stehen. Unser Land hat sich bei den Werken des Friedens und des Wiederaufbaus immer mit den Anstrengungen anderer Völker solidarisch gezeigt. Es ist sich schuldig, auf internationalem Boden wieder den Platz einzunehmen, den ihm seine Tradition zuweist und den es--wie wir noch ausführen werden -- nur aus Gründen, die von seinem Willen unabhängig waren, bis heute nicht mehr ausfüllen konnte.

1. Die Schweiz und die internationale Hilfatätigkeit zugunsten der Flüchtlinge Das Flüchtlingsproblern ist nicht neu und stammt nicht erst aus dem vergangenen Weltkrieg. Ohne über das 20. Jahrhundert hinaus zurückzugreifen, .sei nur auf die Millionen von Entwurzelten hingewiesen, welche der erste Weltkrieg hinterlassen hat.

1921 hat der Völkerbund erstmals das Fiüchtlingsproblem als Ganzes behandelt. Er erkannte, dass die grosse Zahl menschlicher Wesen ohne Heimat und ohne Mittel für den Lebensunterhalt ein Unruheherd werden könnte und dass man ihnen deshalb Hilfe auf internationaler Grundlage bringen müsse.

Noch im gleichen Jahr wurde Fridtjof Nansen zum Hochkommissär für die .Flüchtlinge ernannt. Seine Aufgabe war, die Anstrengungen, welche von den Eegierungen zur Linderung des Flüchtlingselendes unternommen wurden, zu koordinieren. Eine der ersten Initiativen des Hochkommissärs bestand in der Schaffung des Nansen-Passes, einem Identitätsausweis für gewisse Gruppen von Heimatlosen.

1980 beschloss der
Völkerbund,, die humanitären Aufgaben des Hochkommissariates einem Büro, das später den Namen «Büro Nansen» erhielt, anzuvertrauen, während er selbst den politischen und juristischen Schutz der Flüchtlinge übernahm. Von Anfang an stiess sich die Tätigkeit des Büro Nansen an den Auswirkungen .der damaligen Wirtschaftskrise, welche die Auswanderung und die Wiederansiedlung. der Flüchtlinge hemmte. Von 1988 an brachte die Eassenpolitik Deutschlands neue Flüchtlingswellen zum Entstehen. Zur Lösung dieser Probleme setzte der Völkerbund 1986 erneut einen Hochkommissär ein, dessen Auftrag, gleichzeitig mit demjenigen des Büro Nansen, Ende 1938 ablief. .

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In den Jahren nach dem Kriege von 1914--1918 hat die Schweiz in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Völkerbundes aktiv an diesen Anstrengungen zugunsten der Flüchtlinge mitgewirkt. Zwischen 1922--1985 nahm sie an sechs im Eahmen des Völkerbundes durchgeführten Konferenzen teil. Sie trat zahlreichen Abkommen über das juristische Statut der verschiedenen Flüchtlingskategorien bei und anerkannte den Nansen-Pass. 1938 wurde unserem Land die Ehre zuteil, Bundesrat Giuseppe Motta zum Präsidenten des Flüehtlingskomitees der Völkerbundsversammlung ernannt zu sehen, ein Amt, das er mehrere Jahre bekleidete und in dem er eine wichtige Eolle zur Erleichterung des Loses der deutschen und österreichischen Flüchtlinge spielte. Erinnern wir zuletzt daran, dass die beiden ersten Präsidenten des Büro Nansen ebenfalls prominente Landsleute waren, nämlich die Professoren Max Huber und Georges Werner.

Alarmiert durch den immer grösseren Flüchtlingsstrom sowie die zeitliche Begrenztheit der Tätigkeit des Büro Nansen und des Hochkommissariates schlug Präsident Eoosevelt 1938 den europäischen und überseeischen Staaten, welche die Möglichkeit hatten, den Flüchtlingen ein Asyl zu bieten, vor, ein Intergouvemementales Komitee zu gründen, welches die Aufgaben der Flüchtlingshilfe übernehmen könnte. Am 14. Juli des gleichen Jahres beschlossen 82 Staaten, darunter die Schweiz, ein entsprechendes Komitee zu konstituieren, das dazu bestimmt sein sollte, die Hilfstätigkeit des Völkerbundes zu ergänzen.

Der juristische Schutz zugunsten der Flüchtlinge wurde weiterhin von einem Hochkommissariat dieser Institution mit Sitz in London und unter der Leitung von Sir Herbert Emerson gewährleistet. Es befasste sich mit den sog. NansenFlüchtlingen sowie Personen aus Deutschland, Österreich und dem Sudetenland.

Die Ausgaben des Intergouvememental Komitees für die Weiterwanderung der Flüchtlinge mussten im übrigen von den privaten Hilfsorganisationen in den verschiedenen Ländern getragen werden. Das Komitee selbst verfügte nur über geringe Mittel, die kaum zur Deckung seiner Verwaltungskosten ausreichten.

Als Präsident Eoosevelt die Initiative ergriff, waren wir uns bewusst, dass unser Land diesem grossherzigen Werke nicht fernstehen könne. Die Schweiz wurde deshalb sofort nach dessen Schaffung Mitglied des Intergouvememental Komitees
für die Flüchtlinge. Aber diese Zusammenarbeit sollte surch den Krieg unterbrochen werden, der im übrigen auch die Tätigkeit des Komitees beträchtlich verminderte.

' 1942 wurde indessen beschlossen, den Auftrag an das Intergouvernementale Komitee zu erweitern, und diesen auf alle aus rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgten Personen auszudehnen. Mitte 1945 gelangte das Komitee an seine Mitgliedstaaten mit einem Appell zur freiwilligen Beitragsleistung für die Weiterführung seiner Aufgaben. Die Vereinigten Staaten von Amerika und England verpflichteten sich auf jeden Fall, für die grossen Summen zur materiellen Hilfe an die Flüchtlinge aufzukommen.

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Nach Ende der Feindseligkeiten nahmen wir unsere Beziehungen üum Intergouvernementalen Komitee in verstärktem Masse wieder auf. So ermächtigten wir im Frühling 1945 die Organisation, eine Delegation in Genf zu errichten, die in der Folge unter der Leitung von Herrn Dr. H. Bothmund, Chef der Polizeiabteilung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, stand, dem zu diesem Zwecke ein besonderer Urlaub bewilligt worden war.

Der damals vom Komitee an seine Mitglieder erlassene Aufruf zur Finanzierung seines Hilf sprogramms wurde sofort vernommen, und in unsrer Botschaf t vom 17. Dezember 1945 haben wir Ihnen beantragt, der Organisation einen Beitrag von 2 Millionen Franken zu gewähren. Der Kredit wurde von Ihnen am 14. Juni 1946 gewährt und eine Million dem Komitee sofort zur "Verfügung gestellt.

Die unmittelbar bevorstehende Liquidation des Völkerbundes und seines Hochkommissariates für die Flüchtlinge brachte die Gefahr mit sich, dass diese Flüchtlinge den gewährten juristischen Schutz verlieren würden. Um eine derartige Erschwerung ihrer Lage zu vermeiden, übernahm das Intergouvernementale Komitee auch diese Tätigkeit. 1946 berief es ausserdem eine intergouvernementale Konferenz nach London, welche die Staatenlosen in den Besitz eines als Pass verwendbaren Eeiseausweises setzen sollte. Unser Land liess sich daran vertreten und anerkannte den neuen «Londoner Ausweis».

1947 zahlten wir dem Intergouvernementalen Komitee die zweite aus dem am 14. Juni 1946 von den Bäten bewilligten Kredit zur Verfügung stehende Million aus. Dies war die letzte Leistung an das Komitee, das seine Aufgaben am 30. Juni des gleichen Jahres beendigen sollte, um sie -- wie später ausgeführt wird -- einer mit grösseren Mitteln ausgestatteten Organisation zu überlassen, nämlich der im Bahmen der Vereinigten Nationen geschaffenen «Vorbereitenden Kommission» der Internationalen Flüchtlingsorganisation.

2. Die Schweiz und die Flüchtlingshilfe im Lande selbst Über den internationalen Problemen der Flüchtlingshilfe, bei deren Lösung die Schweiz aktiv mitgewirkt hat, wurden jedoch die Aufgaben im Lande selbst nicht vergessen. In den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg hatten Tausende hauptsächlich aus Deutschland und Österreich stammende Flüchtlinge in unserem Lande Asyl gesucht. Nach Ausbruch der Feindseligkeiten vermehrte
sich ihre Zahl beträchtlich, reisten doch täglich 100, später 200 und mehr Flüchtlinge ein. 1942 mussto die Eidgenossenschaft die Leitung der entsprechenden Aufgaben übernehmen, da die Kantone nicht mehr in der Lage waren, die Situation zu meistern und besonders die notwendigen finanziellen Mittel zu finden. Sie sorgte in Zusammenarbeit mit den privaten Flüchtlingshilfswerken für die in der Schweiz aufgenommenen Personen und kam für ihren Unterhalt und ihre! Unterbringung auf. Diese Lösung bewährte sich und erwies sich als glücklich.

Die Zahl der innerhalb unserer Grenzen aufgenommenen Flüchtlinge belief sich auf ungefähr 800 000. Die meisten konnten unser Land wieder verlassen. Heute befinden sich noch 14000 Personen in der Schweiz, von denen

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nur etwa die Hälfte den besonderen Bestimmungen bezüglich der Flüchtlinge und Emigranten unterstehen. Die übrigen sind von diesem Statut entweder befreit worden oder waren ihm nie unterworfen. Unsere Bemühungen richten sich speziell darauf, die Aufenthaltsbedingungon für die vor und während dem Krieg aufgenommenen Flüchtlinge normal zu gestalten. Über 7000 Heimatlose konnten so in den Besitz einer regulärenAufenthaltsbewilligung gesetzt werden, und man kann annehmen, dass in verhältnismässig kurzer Zeit nur noch eine beschränkte Zahl rechtlicher oder tatsächlicher Staatenloser das Flüchtlingsstatut beibehalten wird.

Die Übervölkerung unseres Landes hat uns nie erlaubt, eine grosse Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen: unser hauptsächlichstes Bestreben richtete sich deswegen darauf, diesen bedauernswerten Menschen zu helfen, sich eine neue Existenz in überseeischen Ländern zu schaffen. Zu diesem Zweck hatte die Eidgenossenschaft nicht nur berufliche Weiterbildungs- und Umschulungskurse organisiert, sondern auch zusammen mit den privaten schweizerischen Hilfsorganisationen einen Teil der Auswanderungskosten übernommen, der bis Ende 1948 annähernd 1,5 Millionen Franken ausmachte. Die Delegation in der Schweiz des Intergouvernementalen Komitees für die Flüchtlinge, später der «Vorbereitenden Kommission» der Internationalen Flüchtlingsorganisation, hat seit ihrer Schaffung bis Ende 1948 ihrerseits über Fr. 720 000 an die Auswanderungskosten für unter ihrem Auftrag stehende Flüchtlinge in der Schweiz geleistet.

Trotz der besonderen Lage, in welcher sich unser Land in bezug auf die Flüchtlinge befindet, haben wir mit Beschluss vom 7. März 1947 eine gewisse Anzahl alter und kranker Personen, die nicht in der Lage sind, für ihre Lebensbedürfnisse aufzukommen oder anderswo ein neues Leben zu beginnen, ermächtigt, dauernd bei Tins Aufenthalt zu nehmen. Am 16. Dezember des gleichen Jahres wurden von den eidgenössischen Bäten die notwendigen Kredite für die mit dieser Aufgabe verbundenen Kosten bewilligt.

Während noch 14 000 Flüchtlinge in unserem Lande leben und auf eine Möglichkeit zur Weiterreise warten, suchen in immer steigendem Masse neue Flüchtlinge an unseren Grenzen um Asyl nach. Ihre Unterbringung und Betreuung wirft nicht leicht zu lösende Probleme auf und hat beträchtliche finanzielle Auswirkungen. Sie
haben am 21. Dezember einen Beschluss gefasst, der Beiträge des Bundes an die privaten Hilfsorganisationen vorsieht, die sich der neuen Flüchtlinge annehmen. Damit haben Sie einer Asylpolitik zugestimmt, die unserer Tradition würdig ist und sich nicht in erster Linie von finanziellen Überlegungen leiten lässt. Der Beschluss wird auch ermöglichen, frühere Flüchtlinge zu unterstützen, die heute ihren Unterhalt selbst verdienen, die aber beim Bückgang der gegenwärtigen günstigen Wirtschaftslage mit dem Verlust ihrer Arbeitsstelle rechnen müssen.

3. Schaffung und Ziele der internationalen Flüchtlingsorganisation Die internationale Flüchtlingsorganisation ist aiis der Notwendigkeit heraus geboren worden, eines der wichtigsten aus dem letzten Krieg hervorgegangenen

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Probleme zu lösen..Zii Ende der Feindseligkeiten schätzte man die Flüchtlinge, welche auf den Strassen, Europas herumirrten und ein Heim suchten, auf ungefähr 8 Millionen. Ein Teil war vor den Armeen oder den drohenden Ideologien geflohen, andere von ihren Wobnstätten gerissen und deportiert worden, um als Zwangsarbeiter für die Fabriken und die Landwirtschaft des Feindes zu dienen. Am 1. Januar 1946 waren dank der Militärbehörden, .des Hilfswerkes der Vereinigten Nationen (UNEEA), des Intergouvememental Komitees für die Flüchtlinge^und zahlreicher privater Hilfsorganisationen bereits 5,5 Millionen dieser entwurzelten Personen heimgeschafft worden. Die UNEEA jedoch sah als zeitlich beschränkte Organisation das Ende ihrer Tätigkeit nahen, und das von freiwilligen Beiträgen abhängige Intergouvemementale Komitee für die Flüchtlinge fühlte sich der Grosse der zu vollendenden Aufgaben nicht gewachsen. Es war unbedingt notwendig, die Liquidierung eines sich immer schwieriger erweisenden Problems einer über grosse finanzielle Mittel verfügenden Organisation zu übertragen. Nach Massgabe der Verlangsamung der grossangelegten Heinischaffungen musste den Flüchtlingen über die eigentliche Hilfe und Unterstützung hinaus die Möglichkeit der Weiterwanderung gegeben werden.

Die Organisation der Vereinigten Nationen war voraus bestimmt, diese Rolle zu.erfüllen und die Gesamtheit der sich auf die Flüchtlinge beziehenden Fragen zu behandeln. Proklamieren doch ihre Satzungen den Glauben an die Menschenrechte und die grundlegenden Freiheiten. Zum erstenmal bot sich ihr die Gelegenheit, diesen Glauben in wirksamer und praktischer Weise zu beweisen. Der von der Delegation Englands der Generalversammlung der Vereinigten Nationen anlässlich ihrer ersten Session unterbreitete Vorschlag, sich der entsprechenden Probleme anzunehmen, fiel deshalb auf fruchtbaren Boden. Durch die Empfehlung vom 12. Februar 1946 (vgl. Anhang III) beauftragte die Generalversammlung den Wirtschafts- und Sozialrat, als zuständiges Organ der Vereinigten Nationen das ganze Problem grundsätzlich abzuklären, und gab ihm ausserdem bindende Weisungen, welche die später den Flüchtlingen gegenüber verfolgte Politik bestimmten.

Die Generalversammlung beschloss am 15. Dezember 1946, die Internationale Flüchtlingsorganisation zu schaffen. Sie verlieh ihr
das Statut einer SpezialOrganisation im Sinne von Artikel 57 ihrer Satzungen -- allerdings mit zeitlich beschränkter Dauer -- und gab ihr die vom Wirtschafts- und Sozialrat und dessen Kommissionen ausgearbeitete Verfassung. Die neue Organisation war beauftragt, alle Aspekte des Flüchtlingspro blems an Stelle der Institutionen zu behandeln, die bisher Teilaufgaben erfüllt hatten. Ihre Verfassung sollte gemäss Artikel 18 jedoch erst dann in Kraft treten, wenn sie von 15 Mitgliedstaaten der Vereinigten Nationen unterzeichnet sein würde, die zusammen mindestens 75% des provisorischen Budgets bestreiten. Da zu befürchten war, dass diese doppelte Bedingung sich nicht ohne Verzögerung verwirklichen würde, nahm die Generalversammlung gleichzeitig eine Vereinbarung bezüglich provisorisch zu ergreifender Massnahmen an, durch die bis zur Inkraftsetzung

107 der Verfassung eine vorbereitende Kommission der Internationalen Flüchtlingsorganisation eingesetzt wurde. Diese hatte die dringendsten Aufgaben zu übernehmen und zugleich alle Massnahmen zu ergreifen, damit die Organisation selbst so bald als möglich ihre Aufgaben wirklich erfüllen könne.

Am 81. Dezember 1946 hatten die für die Konstituierung der «Vorbereitenden Kommission» erforderlichen acht Kegierungen die Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation unterzeichnet.

Da die UNRRA und das Intergouvernementale Komitee für die Flüchtlinge ihre Funktionen am 80. Juni 1947 aufgeben sollten, beschloss die «Vorbereitende Kommission» im Verlaufe ihrer ersten Tagungen, ab 1. Juli des gleichen Jahres die der Internationalen Flüchtlingsorganisation gemäss ihrer Verfassung zukommenden Verantwortlichkeiten zu übernehmen, um einen Unterbruch der Hilfstätigkeit zu vermeiden.

Am 24. August 1948 trat die Verfassung der neuen Flüchtlingsorganisation nach Ratifizierung durch 15 Staaten, welche- die erwähnten finanziellen Bedingungen erfüllten, in Kraft. Am 16. September desselben Jahres erlangte die Organisation ihre Handlungsfähigkeit und übernahm die Tätigkeit der «Vorbereitenden Kommission» im gleichen Zeitpunkte, in welchem Herr Wüliam .Hallam Tuck, ein Amerikaner, vom Generalrat der Organisation zum Generaldirektor der Internationalen Flüchtlingsorganisation ernannt worden war. Bei dieser Gelegenheit wurde Herrn W. H. Tuck einstimmig die Dankbarkeit für das als Exekutivsekretär der Vorbereitenden Kommission vollbrachte Werk ausgedrückt.

Die hauptsächlichste Aufgabe der Organisation, wie sie in der Präambel und in Artikel 2 der Verfassung umschrieben wird, besteht in der Heimschaffung der unter ihr Mandat fallenden Flüchtlinge und «displaced persons», die in ihre Heimatländer zurückzukehren wünschen. Die Unterscheidung von Flüchtlingen und «displaced persons» geht aus den im Anhang I der Verfassung enthaltenen Definitionen hervor, Zusammengef asst kann gesagt werden, dass der Begriff «Flüchtling» für alle Personen verwendet wird, welche ihre Heimat oder ihr gewöhnliches Wohnland aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen mehr oder weniger freiwillig verlassen haben. Der Begriff «displaced persons» hingegen bezieht sich auf Personen, die deportiert oder gezwungen wurden, ihr Heimat-
oder ihr Wohnland zu verlassen. Im vorliegenden Bericht wird der Begriff «Flüchtling» oft angewendet, um beide Kategorien von entwurzelten Personen zu bezeichnen, da die Unterscheidung heute an Bedeutung verloren hat.

Die Verfassung zählt auf acht Seiten (Anhang I) die Bedingungen auf, unter welchen die Flüchtlinge auswählbar, d. h. unter das Mandat der Organisation fallen. Dank dieser äusserst genauen Umschreibungen können :nur wirkliche Flüchtlinge die Hilfe der Internationalen Flüchtlingsorganisation erhalten. Gewisse Kategorien auswählbarer Flüchtlinge sind die folgenden: 1. Opfer der hitlerischen und faschistischen, «kollaborationistischer» und ähnlicher Regierungen,

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2. Personen, welche schon vor dem Kriege als Flüchtlinge anerkannt wurden, 8. nicht begleitete Kinder, die Kriegawaisen, oder solche, deren Eltern verschollen sind, 4. Personen, die aus rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen deportiert wurden sowie die sog. Zwangsarbeiter.

Ausdrücklich vom Mandat der Internationalen Flüchtlingsorganisation ausgeschlossen sind insbesondere: 1. Kriegsverbrecher, «Quislinge» und Verräter, 2. Personen, die Deutschland oder dessen Alliierten freiwillig bei ihren Handlungen gegen die Vereinigten Nationen geholfen haben, 3. Verbrecher des gemeinen Eechts, die unter die Bestimmungen der Auslieferungsverträge fallen, 4. Personen, die im zivilen oder militärischen Dienst eines fremden Landes stehen. : ' Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit und solche ethnisch deutschen Ursprungs (Volksdeutsche), welche auf Grund internationaler Abkommen nach Deutschland übergeführt wurden oder übergeführt werden können, fallen ebenfalls nicht unter das Mandat der Organisation. Bei dieser Gruppe handelt es sich um deutsche Minderheiten, die in Polen, der Tschechoslowakei oder Ungarn wohnten. Die Volksdeutschen indessen, die nicht nach Deutschland gebracht werden können, so die sich gegenwärtig in einer 200 000 Personen übersteigenden Zahl in Österreich befindenden Minoritäten Bulgariens, Bumäniens und Jugoslawiens sind vom Mandat der Internationalen Flüchtlingsorganisation nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Sie konnten jedoch die Unterstützung der Organisation, noch nicht gemessen, da diese anderen dringender erachteten Problemen den Vorrang gab. Immerhin hat der Generalrat der Internationalen Flüchtlingsorganisation an seiner letzten im September 1948 abgehaltenen Versammlung beschlossen, den Spezialfall der Volksdeutschen in Österreich weiter zu prüfen.

Wenn von der Organisation alles ans Werk gesetzt werden muss, um ihre hauptsächlichste Aufgabe, d. h. die Heimschaffung der Flüchtlinge, zu erfüllen, darf sie doch nichts unternehmen, um diese zu zwingen, in ihr Heimatland zurückzukehren. Sie hat die Heimkehr mit allen möglichen Mitteln zu fördern und zu unterstützen, aber jeder Flüchtling kann es ablehnen, heimgeschafft zu werden, wenn er dafür ausreichende Gründe geltend machen kann. Dazu gehört insbesondere die begründete Angst vor Verfolgungen wegen Easse, Beligion
oder Staatsangehörigkeit wie auch gewisse Bedenken politischer Art.

Damit der Flüchtling seine Entscheidung in voller Freiheit treffen und seme Gründe in vollständiger Kenntnis des Sachverhaltes geltend machen kann, stellt ihm die Organisation alle von seinem Ursprungsland beigebrachten Auskünfte zur Verfügung.

Die zweite Aufgabe der Organisation besteht darin, den nicht heimgeschafften Flüchtlingen ein neues Heim zu finden. Dies kann entweder durch

109 Wiederausiedlung in ihrem provisorischen Wohnsitzland oder durch WeiterBchaffung und Neuansiedlung in anderen Ländern geschehen. Die Wieder- oder Neuansiedlung von Flüchtlingen kann einzelne Personen, Familien oder ganze Gruppen (Wiederansiedlung im grossen) umfassen. Während die Flüchtlinge darauf warten, ein neues Leben zu beginnen, hat die Organisation für ihre Bedürfnisse aufzukommen. Das ist ihre dritte wichtige Aufgabe. Die Flüchtlinge müssen ernährt, gekleidet und untergebracht, ihre Eechte müssen gewahrt, ihr Gesundheitszustand überwacht und es muss ihnen wenn, möglich Arbeit gegeben werden. Endlich ist für die Erziehung der Kinder und die berufliche Ausbildung der .Erwachsenen zu sorgen.

Um diese Funktionen erfüllen zu können, ist die Organisation ermächtigt, eine ganze Reihe von Handlungen vorzunehmen, die in Artikel 2, Ziffer 2, umschrieben sind. U. a. kann sie Vereinbarungen mit Regierungen oder Besetzungsbehörden sowie mit den Empfangsländern bezüglich des Unterhalts der Flüchtlinge treffen.

Gamäss Artikel 4 können Mitglieder der Vereinigten Nationen und die anderen friedhebenden Staaten Mitglieder der Internationalen Flüchtlingsorganisation werden, unter der Bedingung, dass letztere auf Empfehlung des Exekutivkomitees vom Generalrät dazu eingeladen werden, und zwar durch einen Beschluss, der mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden und an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder gefasst wird. Auf dieses Verfahren, das in Artikel 18 beschrieben ist, wie auch auf die Möglichkeiten, aus der Organisation auszutreten, werden wir im Zusammenhang mit der Zulassung unseres Landes zurückkommen. Der Artikel 4 sieht ausserdem vor, dass jedes Mitglied der Internationalen Flüchtlingsorganisation sich verpflichtet, dem Hilfswerk der Organisation seine volle Unterstützung zu gewähren.

Am 1. Dezember 1948 hatten 24 Regierungen die Verfassung unterzeichnet, aber lediglich die folgenden 16 Staaten, welche diese ohne Vorbehalt angenommen haben, sind bis heute Mitglieder der Organisation geworden: Australien Belgien Canada China Dominikanische Republik Dänemark Frankreich Grossbritannien

Guatemala Holland Island Luxemburg Neuseeland Norwegen Venezuela Vereinigte Staaten von Amerika

Die Artikel 5 und 8 bezeichnen die hauptsächlichsten Organe der Internationalen Flüchtlingsorganisation, Es sind dies a. der Generalrat, in dem jedes Mitglied vertreten ist und über eine Stimme verfügt und der sich wenigstens einmal pro Jahr versammelt, fr. das Exekutivkomitee, das sich aus neun

110 für zwei Jahre vom Generalrat gewählten Mitgliedern zusammensetzt (die Vertreter folgender neun Staaten sind gegenwärtig Mitglied des Exekutivkomitees: Australien, Belgien, Canada, China, Frankreich, Grossbritannien, Norwegen, Venezuela, Vereinigte Staaten, und c. das Sekretariat, an dessen Spitze der vom Generalrat ernannte Generaldirektor steht.

Der Artikel 9 bezieht sich auf die Anstellung des Personals. Das wichtige Kapitel der Finanzen und des Budgets bildet Gegenstand von Artikel 10, zusammen mit Anhang II. Darin sind die Verpflichtungen der Mitglieder in bezug auf die Bezahlung der Mitgliederbeiträge umschrieben und ist vorgesehen, dass das jährliche vom Generalrat beschlossene Budget einerseits die Verwaltungskosten und andererseits die Aufwendungen für die Hilfstätigkeit (nachstehend «Budget für die Hilfstätigkeit» genannt) deckt. Ein spezielles Budget ist für die Projekte der Wiederansiedlung im grossen reserviert. Für das erste Finanzjahr (1. Juli 1947 bis 80. Juni 1948) sah das von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen gleichzeitig mit der Verfassung angenommene Budget 4,8 Millionen Dollar für Verwaltungsaufwendungen und 151 060 500 Dollar für Hilfsaufwendungen vor. Das oben genannte spezielle Budget war auf 5 Millionen Dollars für die mit der Wiederansiedlung im grossen zusammenhängenden Kosten festgelegt ; es wird indessen nur von freiwilligen Beiträgen gespiesen.

Der Verteilungsschlüssel der Mitgliederbeiträge an die Budgets für Verwaltungs- und Hilfstätigkeit ist im Anhang II wiedergegeben. Es sei im letzten Kapitel dieser Botschaft anlässlich dés für unser Land vorgesehenen Beitrags darauf zurückgekommen.

Der Artikel 11 setzt fest, dass die Organisation ihren Sitz in Paris oder Genf hat. Diese Alternative ist jedoch seit dem 15. September 1948 gegenstandslos geworden, da die Internationale Flüchtlingsorganisation an diesem Tag beschlossen hat, ihren Sitz in Genf zu errichten.

Gemäss Artikel 18 sollen die Organisation, ihre Beamten und Angestellten sowie die Vertreter der Mitgliedstaaten über die notwendigen Privilegien und Immunitäten, welche zur freien Ausübung ihrer Funktionen notwendig sind, vorfügen können. Diese Bestimmung hat in unserem Land bereits ihre Anwendung gefunden, da die Internationale Flüchtlingsorganisation seit dem 15. September 1948 im Genuss
einer mit dem Bundesrat getroffenen Vereinbarung und einer Abrede über deren Durchführung steht, die die rechtliche Stellung der Organisation in der Schweiz festlegen. Seit dem 11. Juli 1947 waren beide Parteien durch provisorische Abkommen gebunden. Erwähnen wir noch, dass die Artikel Ì4,16 und 8 die Verbindungen regeln, welche die Internationale Flüchtlingsorganisation mit andern Organisationen und den Regierungen der Länder, wo sich Flüchtlinge befinden, haben kann. Gleichzeitig sind ihre Beziehungen zu den Vereinigten Nationen umschrieben.

Wie es in den Artikeln 57 und 68 der Satzungen der Vereinigten Nationen für die Spezialorganisationen, welche alle mit der Organisation der Vereinigten

Ili Nationen verbunden werden sollen, vorgesehen ist, hat die Internationale Flüchtlingsorganisation unter dem Datum vom 15. September ein Abkommen mit dem Wirtschafts- und Sozialrat abgeschlossen, welches von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen am 18. November 1948 genehmigt wurde. Es legt die Beziehungen zwischen den Vereinigten Nationen und der Internationalen Flüchtlingsorganisation fest und/umschreibt die unter ihnen erforderliche Zusammenarbeit. Es sei bei diesem Anlass unterstrichen, dass es keinerlei neuen Verpflichtungen zu Lasten der Mitgliedstaaten der Internationalen Flüchtlingsorganisation enthält. Das gleiche gilt bei Artikel 16 für Verfassungsänderungen; jede derartige für die Mitglieder neue Pflichten mit sich bringende Abänderung wird gegenüber einem bestimmten Mitglied nur dann wirksam, wenn dieses damit einverstanden ist.

4. Leistungen der «Vorbereitenden Kommission» der Internationalen Flücutlingsorganisation Als die «Vorbereitende Konimission» am 1. Juli 1947 ihre Aufgaben antrat, übernahm sie den Unterhalt von 704000 Flüchtlingen, von denen sich die meisten in Deutschland, Österreich, Italien, dem Mittleren und Fernen Osten befanden, ein kleinerer Teil in anderen westeuropäischen Ländern, speziell in Frankreich. 900 000 weitere Flüchtlinge, die auf eigene Faust in den Besetzungszonen oder den westeuropäischen Ländern, wohnten, besassen, obwohl sie noch nicht bei ihr eingeschrieben waren, ein Recht auf den Schutz durch die Organisation.

Um diese ungeheure Aufgabe bewältigen zu können, verfügte die «Vorbereitende Kommission» über einen grossen Teil der Mittel der Abteilung für «displaced persons» der UNEBA sowie des Intergouvernementalen Komitees, sowie über das Personal dieser Institutionen. Die Kommission stellte gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit 1950 Beamte früherer internationaler Organisationen an. Um die Tätigkeit ihrer Missionen und Büros, für die sie die Verantwortlichkeit in 25 Ländern auf fünf Kontinenten übernahm, sicherzustellen, rekrutierte sie ausserdem 2800 Personen an Ort und Stelle. Die geographische Ausdehnung ihres Tätigkeitsfeldes, die Grosse ihres Personals und die Zahl der von ihr zu begünstigenden Personen machten die «Vorbereitende Kommission» gleich zu Anfang zu einer der aktivsten der von den Vereinigten Nationen geschaffenen Organisationen.

Im Verlaufe des ersten Jahres schaffte die «Vorbereitende Kommission» 51 400 Flüchtlinge heim und siedelte 204 600 Flüchtlinge in neuen Auswanderungslandern wieder an. Die bedeutendsten Flüchtlingskontingente sind bis jetzt von England (75 704), Canada (31 848), Frankreich (20 094), Belgien (20070), den Vereinigten Staaten (17503) und Argentinien (12163) aufgenommen worden. Trotz der 256 000 heim- oder weitergeschafften Flüchtlinge war die Gesamtzahl der der Internationalen Flüchtlingsorganisation zur Last fallenden Personen auf den I.Juli 1948 lediglich von 704000 auf 598000 zurückgeführt worden. Dies ist folgenden Ursachen zuzuschreiben: rund 40%

112 der Begünstigten erhielten, trotzdem sie unter das Mandat der Organisation fielen, vor ihrer Heim- oder Weiterschaffung keine materielle Unterstützung; es mussten eine beträchtliche Anzahl neuer Flüchtlinge zur Unterstützung zugelassen werden; der Geburtenüberschuss bei den Flüchtlingen belief sich auf nahezu 20 000.

Um neue finanzielle Lasten, welche die begrenzten Einnahmequellen überschritten hätten, zu vermeiden, hat die Internationale Müchtlingsorganisation gegen ihren Willen am 2. Juli 1947 beschlossen, nur noch.:solche auswählbare Flüchtlinge zur materiellen Unterstützung zuzulassen, die ohne diese Hilfe wirklich leiden mussten. Ohne diesen «Einstellungsbefehl» hätten noch weitere 120 000 Personen die Masse der Unterstützten vergrössert.

Die Zahl von 51400 heimgeschafften Personen mag gering erscheinen. In Wirklichkeit ist sie jedoch beträchtlich, wenn man bedenkt, dass 1947 die Mehrzahl der entwurzelten Personen, die den Wunsch hatten, in ihren Heimatstaat zurückzukehren, die Gelegenheit dazu gehabt hatten, und dass der Hauptteil der damals Zurückgebliebenen triftige Gründe anführen konnte, um nicht in ihre Heimat zurückzukehren. Tròte dieser Umstände hat die Organisation keine Anstrengung gescheut, um die Heimschaffung zu erleichtern. Sie gewährte den Missionen der Heimatländer, die Flüchtlingslager besuchen wollten, alle mögliche Unterstützung und verbreitete zudem sämtliche Informationen, die es den Flüchtlingen ermöglichen sollten, sich in voller Freiheit zu entscheiden, ob sie sich in ihre Heimat zurückbegeben wollten oder nicht. Der Hauptteil der Flüchtlinge stammte aus Polen, den baltischen Ländern, der Ukraine, Jugoslawien, Rumänien und Ungarn.

Ain 1. Juli 1948 verteilten sich die 598 000 Flüchtlinge wie folgt: 561 700 befanden sich in 578 Lagern, die 100 bis 10 000 Personen umt'assten, und 36 700 lebten ausserhalb dieser Lager. 87 % von ihnen sind weniger als 45 Jahre alt. Die Lager befinden sich in Deutschland, Österreich, Italien, dem Mittleren und Fernen Osten, Um den Personalbestand und die Kosten der Organisation auf ein Minimum zu vermindern und zugleich den Flüchtlingen selbst einen gewissen Verantwortungssinn zu geben, werden die Lager, soweit dies möglich ist, von ihren Insassen unter Kontrolle der Internationalen Flüchtlingsorganisation verwaltet. Mehr als 2500
Ärzte und 2000 Krankenschwestern, die selbst Flüchtlinge sind, sorgen innerhalb der Lager für einen zufriedenstellenden Gesundheitszustand. Bis jetzt sind keine ernsthaften Epidemien ausgehrochen, und in Zusammenarbeit mit privaten Organisationen, u. a. auch der Schweizer Spende, wird speziell der Tuberkulosefürsorge grosse Aufmerksamkeit geschenkt. 58 Spitäler und Sanatorien, 8 Kekonvaleszentenhäuser und verschiedene andere Heime stehen zur Verfügung der Kranken. Schulen, Ferienlager und Sozialdienste wurden für die Kinder, deren Betreuung spezielle Aufmerksamkeit geschenkt wird, geschaffen.

Ungefähr die Hälfte der der Flüchtlingsorganisation zur Last fallenden Personen, d.h. annähernd 800000, stellen qualifizierte Arbeitskräfte dar, ;die normal arbeiten können. Ungefähr 150 000 mehr oder .woniger dauerhafte

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Arbeitsstellen sind ihnen innerhalb oder ausserhalb der Lager geboten. Die beschäftigungslosen Flüchtlinge können Berufsausbildungs- oder Weiterbildungskurse in der Dauer von 6 bis 9 Monaten besuchen.

Der Unterhalt der Flüchtlinge in den Lagern kostete der «Vorbereitenden Kommission» und kostet auch heute pro Tag und Person zwischen 80 Rappen und Fr. 1.80, je nachdem die notwendigen Lebensrnittel an Ort und Stello verfügbar sind oder herbeigeschafft werden müssen. Die Kationen sind sehr klein bemessen: grundsätzlich ist ein Minimum von 2015 Kalorien pro Tag vorgesehen, das allerdings nicht immer eingehalten werden konnte.

Die in den Lagern der Internationalen Flüchtlingsorganisation in Zusammenarbeit mit den zahlreichen ihr Unterstützung bietenden privaten Hilfsorganisationen getroffenen Massnahmen bewirkten, dass das Leben der Flüchtlinge erträglich war. Indessen ist dadurch das Problem ihrer Heimschaffung oder Wiederanaiedlung in neuen Ländern nicht weniger dringend geworden. Um diese Bewegung zu beschleunigen, hat sich die Organisation bemüht, mit den Regierungen der Ursprungsländer in Verbindung zu treten. Sie hat mit den Besetzungsbehörden der Zonen, wo sie tätig ist, wie auch mit den Auswanderungsländern Abkommen getroffen, so mit Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Canada, Chile, Columbien, Frankreich, den Niederlanden, Peru, der Türkei, Venezuela und dem Vereinigten Königreich. Auch Pläne für die Wiederansiedlung im grossen, dank derer ganze Flüchtlingsgemeinden wiederangesiedelt werden können, sind mit 14 Ländern besprochen worden.

Um die Weiterwanderung ihrer Schutzbefohlenen in überseeische Länder sicherzustellen, hat sich die Internationale Flüchtlingsorganisatipn eine Flotte von 25-Schiffen geschaffen, die täglich 155000 Dollar kostet und monatlich 19 000 Personen zu transportieren vermag. In Europa benützt sie pro Monat 70 Züge. Ferner sind Durchgangslager in Bremen und Genua errichtet worden.

Die Tätigkeit der Organisation wäre nicht vollständig dargestellt, wenn nicht noch der juristische und politische Schutz erwähnt würde, den sie den Flüchtlingen gewährt, deren Rechte und Interessen geschützt werden müssen.

Gemäss der Verfassung stellt dies eine ihrer hauptsächlichsten Aufgaben dar.

Die Mehrzahl der Flüchtlinge sind staatenlos. Sogar solche, die von materieller
Unterstützung unabhängig sind ·-- wie beispielsweise die Vorkriegsflüchtlinge, die selbst ein Auskommen gefunden haben -- sind auf diese Art auf Schutz durch die Internationale Flüchtlingsorganisation angewiesen. Eine der Aufgaben der Internationalen Flüchtlingsorganisation bestand darin, die Anwendung existierender internationaler Vereinbarungen zu überwachen und ihre Erweiterung anzustreben, insbesondere die Ausarbeitung eines neuen internationalen Abkommens über das Statut der Staatenlosen, unter der Ägide der Vereinigten Nationen. Ihre besonderen Anstrengungen galten der Anerkennung des vom Intergöuvernementalen Komitee anlässlich der Konferenz von London im Jahre 1946 geschaffenen Reiseausweises, bekannt unter dem Namen «Londoner Ausweis» oder «Beiseausweis der Internationalen Flüchtlingsorgani-

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sation», durch eine grosse Anzahl von Staaten. Gegenwärtig haben sich 18 Signatarstaaten dieses Abkommens verpflichtet, den Ausweis abzugeben und zugleich anzuerkennen.

Die «Vorbereitende Kommission» hat ferner einen wichtigen international aufgezogenen Suchdienst eingerichtet, der dazu dient, das Los der Millionen während des Krieges verschwundenen Zivilpersonen abzuklären oder diese wieder aufzufinden. Zwischen dem 80. Oktober 1947 und dem 80. Juni 1948 hat dieser Dienstzweig 82 000 von 50 000 empfangenen Gesuchen beantworten können.

Das von der «Vorbereitenden Kommission» vollbrachte Werk wäre noch beträchtlicher gewesen, wenn sie nicht finanzielle Schwierigkeiten begegnet hätte. Wie bereits erwähnt, sah das Budget der Organisation für das erste Finanzjahr vom 1. Juli 1947 bis 80. Juni 1948 4,8 Millionen Dollar für Verwaltungsaufwendungen und 151 060 000 für Hilfstätigkeit vor. Die Unregelmässigkeit der Geldeingänge während der ersten Monate ihrer .Tätigkeit und die Zahlungen in zahlreichen schwer konvertiblen Devisen haben der Arbeit der Organisation jedoch ernste Hindernisse in den Weg gelegt, Dies um so mehr, als von don 20 Ländern, welche am 1. Juli 1947 von ihrer Absicht, der Internationalen Flüchtlingsorganisation beizutreten, Kenntnis gaben, nur-9 zu diesem Zeitpunkt die Verfassung bereits angenommen hatten.

Trotz den von der UNEEA und den Vereinigten Nationen erhaltenen Vorschüssen (2 Millionen Dollar bzw. 500 000 Dollar) musste die Kommission ihre Verpflichtungen auf 75% der im Budget vorgesehenen Einnahmen beschränken. 75281927 Dollar, d.h. 63% dieses reduzierten Budgets, dienten für die Deckung der nicht aufschiebbaren materiellen Hilfe, 24 600 760, d. h.

lediglich 21%, wurden für die Heimschaffung und die Wiederansiedlung reserviert, welche anfänglich mir in langsamem Rhythmus durchgeführt werden konnten. Die restlichen 16% des beschnittenen Budgets für Hilfstätigkeit dienten folgenden Zwecken: Einrichtung der Auslandsmissionen; Bereitstellung des Verwaltungspersonals für die Lager, die Heimschaffung und Neuansiedlung; darin inbegriffen die Kosten für den Fahrzeugpark und seinen Unterhalt.

Immerhin sei bemerkt, dass die Organisation sich darüber Rechenschaft gibt, dass ehi Interesse daran besteht, dieses Verhältnis umzukehren, da die Hilfskosten nur durch beschleunigte Heimschaffung
oder Wiederansiedlung der Flüchtlinge vermindert werden können. Sie hat deshalb vorgesehen, während des zweiten Tätigkeitsjahres 45% ihres Budgets für das konstruktive Werk der Weiterschaffung der Flüchtlinge zu verwenden und nur 88% für die eigentliche Unterstützung.

5. Aulgaben der Internationalen Flüchtlingsorganisation Sie wurden vom Generalrat der Organisation anlässlich seiner ersten im September 1948 in Genf abgehaltenen Sitzung, an welcher die Schweiz durch einen Beobachter vertreten war, festgelegt. Sie gehen ebenfalls aus den früher

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von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen der «Vorbereitenden Kommission» der Internationalen Flüchtlingsorganisation und dem Wirtschaf tsund Sozialrat gefassten Eesolutionen hervor.

, Das aufgestellte Programm sieht vor, vom 1. Juli 1948 bis 30. Juni 1949 57 160 Flüchtlinge heimzuscbaffen und 881 000 in neuen Ländern wieder anzusiedeln. Während des letzten Jahres des Bestehens der Internationalen Flüchtlingsorganisation, d.h. vom l. Juli 1949 bis 80. Juni 1950, sollen die entsprechenden Zahlen 45 000 bzw. 342 600 betragen. Werden diese Angaben zusammengefasst, erreicht man eine Zahl von 825660 Flüchtlingen, die weit höher ist als diejenige der 598000 am 1. Juli 1948 unterstützten Personen.

Dies ist damit zu erklären, dass die Internationale Flüchtlingsorganisation sicher noch Flüchtlingen helfen muss, die unter den Auftrag der Organisation fallen, bis jetzt aber um keine Hilfe ersuchten oder mangels finanzieller Mittel nicht unterstützt werden konnten, andererseits die Organisation ihren Aufgabenkreis auf neue Notfälle auszudehnen haben wird.

Trotz dieser Berechnungen fürchtet die Internationale Flüchtlingsorganisation, dass am 80. Juni 1950 noch mindestens 200 000 Flüchtlinge, die unter ihren Auftrag fallen, weder heimgeschafft noch neu angesiedelt sein werden.

Diese Restgruppe, wie man sie bezeichnet, wird vor allem alte und kranke Personen sowie Kinder umfassen, d. h. also diejenigen, die nicht arbeitsfähig sind und keine Aussicht besitzen, in einem der Empfangsländer Beschäftigung zu finden. Hier wird eines der für die Internationale Flüchtlingsorganisation am schwierigsten zu lösenden Probleme berührt. Die nationalen Rekrutierungsmissionen lassen sich zu oft von wirtschaftlichen Überlegungen leiten. Bei der Auswahl der Flüchtlinge, die ihre Länder aufnehmen wollen, denken sie an die Vorteile, die ihnen junge und qualifizierte Arbeitskräfte bringen, mehr als an den menschlichen Aspekt des zu lösenden Problems. Das Ergebnis einer derart durchgeführten Auswahl bildet die Bildung einer Gruppe von Verbleibenden, deren Los um so beunruhigender ist, als sie aus eigener Kraft kaum eine Existenz zu finden in der Lage sind. Um diesem «Abrahmen» ein Ende zu setzen, will sich die Internationale Flüchtlingsorganisation bemühen, ein Projekt der «gerechten Verteilung» aufzustellen, nach welchem
die Empfangsländer sich verpflichten sollen, neben ausgewählten Flüchtlingen auch andere auf der jetzigen Rekrutierungsbasis nicht ausgewählte Personen aufzunehmen. Die verschiedenen Regierungen werden auch eingeladen, die technischen Voraussetzungen für die Weiterwanderung zu erleichtern und vor allem die Wiederansiedlung ganzer Familien zu ermöglichen, um zu vermeiden, dass Familien auseinandergerissen werden. Die Internationale Flüchtlingsorganisation wird sich auch anstrengen, eine Lösung hinsichtlieh der 40000 Intellektuellen zu finden, deren Wiederansiedlung auf spezielle Schwierigkeiten stösst. Diese Massnahmen bilden zusammen mit den Plänen für eine Wiederansiedmng im grossen das genannte Projekt der gerechtem Verteilung, welches der Generaldirektor der Internationalen Flüchtlingsorganisation mit den Regierungen zu verhandeln und das er anlässlich der nächsten Sitzung des Generalrates zu unterbreiten hat.

ne Man wird sich fragen, wie die Internationale Flüchtlingsorganisation planen kann, ihre Tätigkeit auf den 80. Juni 1950 abzuschliessen, solange zu diesem Zeitpunkt noch eine bedeutende Zahl von Menschen ihrer Hilfe bedarf.

Die Antwort lautet, dass die Internationale Flüchthngsorganisation vor diesem Zeitpunkt die Heimschaffung oder Neuansiedlung aller ihr unterstehenden Flüchtlinge durchzuführen in der Lage.sein wird, wenn sie auf eine grössere und wirksamere Mithilfe der einzelnen Eegierungen rechnen kann. Dies ist auch die Meinung des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinigten Nationen, wie dies aus einer Eesolution vom 24. August 1948 hervorgeht. Wenn auch das erwähnte Programm nicht eingehalten werden kann, so ist doch anzunehmen, dass die Tätigkeit der Organisation in ihrer gegenwärtigen Form trotzdem nicht über den 1. Juli 1950 hinaus verlängert würde. Müsste eine internationale Organisation sich dann noch mit den Flüchtlingen befassen -- was zweifelsohne die vorherrschende Meinung sein dürfte --, wäre es nicht, um sie auf eigene Kosten heimzuschaffen oder wiederanzusiedeln, sondern um ihnen den juristischen und politischen Schutz, der ihnen heute schon zusteht, 3U gewähren. Es versteht sich von selbst, dass dazu ein Organ mit beschränktem Personal genügen würde, das nur noch administrativen Charakter trüge und ein bescheideneres Budget als das der Internationalen Flüchtlingsorganisation benötigte.

Bis zum 1. Juli 1950 wird die Internationale Flüchtlingsorganisation noch über grosse finanzielle Mittel verfügen. Ihr Budget für die zweite Tätigkeitsperiode -- 1. Juli 1948 bis SO. Juni 1949 -- ist auf 150 229 258 Dollar für Hilfstätigkeit und auf 4 797 800 Dollar für Verwaltungsaufwendungen festgelegt worden. Die entsprechenden Zahlen für das dritte und letzte Jahr -- festgelegt worden. Die entsprechenden Zahlen für das dritte und letzte Jahr -- 1. Juli 1949 bis 30, Juni 1950 -- betragen 150060500 Dollar bzw. 4,5 Millionen Dollar.

6. Die Schweiz und die Internationale Flüchtlingsorganisation Als das Intergouvemementale Komitee für die Flüchtlinge seine Funktionen aufgab, um am 1. Juli 1947 der «Vorbereitenden Kommission» der Internationalen Elüchtlingsorganisation Platz zu machen, sah sich die Schweiz zum erstenmal seit über 25 Jahren von der Möglichkeit ausgeschlossen, auf internationalem
Boden am Hilfswerk zugunsten der Flüchtlinge mitzumachen.

Ehemals Mitglied des Intergouvernementalen Komitees, konnte sie sich nicht direkt an den Arbeiten der «Vorbereitenden Kommission», welche nur Mitgliedstaaten der Vereinigten Nationen offen stand, beteiligen.

Sie hat, wie bereits erwähnt, deswegen ihr Interesse am Müchtlings.problern nicht aufgegeben. Sie empfing auf ihrem Boden auch weiterhin Flüchtlinge und widmete ihrem Los die traditionelle Aufmerksamkeit. Die Schweiz arbeitete zudem mit der Delegation in der Schweiz der Internationalen Flüchtlingsorganisation zusammen und überliess der Organisation selbst den

117 ihr aus dem Liquidàtionsergebnis des Intergouvemementale!! Komitees zukommenden Teil für die Projekte der Wiederansiedlung im grossen. Ausaerdem erleichterte sie die Einrichtung der Organisation in Genf, indem sie sie in den Genuss von Privilegien und Immunitäten setzte und einen Teil der Büroräumlichkeiten zur Verfügung stellte. Aber im Schosse der einzigen zuständigen internationalen Organisation wurden die Massnahmen, um nahezu eine Million Personen ohne eigenes Dach wieder in ein menschenwürdigeres Dasein zurückzuführen, ohne ihre Mitwirkung getroffen. Wir waren uns bewusst, dass diese Lage, für die wir keine Verantwortung hatten, nicht dauern und der Tag kommen würde, an dem die Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation nach ihrem Inkrafttreten auch für «andere friedliebende Staaten», die nicht Mitglieder der Vereinigten Nationen sind, zur Annahme bereitstehen würde.

Seit beinahe zwei Jahren waren wir im Hinblick auf diese Entwicklungsmöglichkeit damit beschäftigt, unsere Stellung gegenüber der Internationalen Flüchtlingsorganisation festzulegen. In unserem Bericht vom 6. Juni 1947 betreffend das Postulat Oeri über die Fortführung der Hilfstätigkeit wie auch in unserer Botschaft vom 8. Juli 1947, die dem gleichen Gegenstand gewidmet war, haben wir ausgeführt, dass die Frage unseres Beitritts zu dieser Organisation geprüft werde, und wir behielten uns vor, die Eäte in einer besonderen Botschaft damit zu befassen. Die Überprüfung ergab nichts, was unsererseits zu Bedenken geführt hätte. Die von der Internationalen Flüchtlingsorganisation in Aussicht genommenen Ziele konnten wir auch zu den unsrigen inachen; sie stimmten tatsächlich mit dem überein, was wir mit unserer Politik zugunsten der in der Schweiz aufgenommenen Flüchtlinge zu erreichen erstreben. Auch was die Grundsätze und Arbeitsmethoden der Organisation betrifft, kann uns nichts davon abhalten, ihr sobald als möglich beizutreten, und dies trotz der Kritiken derjenigen, welche die Heimschaffungspolitik der Organisation zwingender gestalten möchten.

Der einzige Stein des Anstosses, dem wir zu begegnen fürchteten, hätte in den finanziellen Bedingungen für unseren Beitritt bestehen können. Wenn ein so augenscheinliches Elend gelindert werden muss und zugleich derart zwingende menschliche Gründe uns dazu drängen, unsere
Mitarbeit zu gewähren, bestehen doch Bedenken, das Problem auf die finanzielle Ebene zu stellen.

Die Grosse des Budgets der Internationalen Flüchtlingsorganisation und infolgedessen die Höhe der von den Mitgliedstaaten zu bezahlenden Beiträge jedoch machten es uns zur Pflicht, diese Seite des Beitritts abzuklären, bevor wir Ihnen einen Antrag unterbreiteten. Aus diesem Grunde haben wir, selbstverständlich unter ausdrücklichem Vorbehalt unserer Stellungnahme und Ihrer Entscheidung, die Internationale Flüchtlingsorganisation über die Bedingungen konsultiert, von welchen der Beitritt unseres Landes abhängig gemacht würde.

Nach Prüfung der ihr von uns zur Verfügung gestellten Unterlagen, in denen die von unserem Land bereits übernommenen finanziellen Lasten, zugunsten der Flüchtlinge während und nach dem Kriege enthalten waren, liess uns die Bundesblatt.

101. Jahrg.

Bd. L

9

118 Leitung der Organisation wissen, dass die eventuellen Beiträge der Schweiz an die Budgets der Organisation sich auf 1,10% der Aufwendungen für die Hilfstatigkeit und 1,80% der Verwaltungsaufwendungen belaufen würden. Die Internationale Flüchtlingsorganisation war unter Berücksichtigung folgender Elemente zu den genannten Zahlen gekommen : die von mit uns vergleichbaren Ländern bezahlten Beiträge an Spezialorganisationen, bei denen wir ebenfalls Mitglied sind, sowie die von uns selbst an diese Organisation bezahlten Summen; das schweizerische Nationaleinkommen im Jahre 1940 im gesamten und pro Kopf der Bevölkerung; endlich die allgemeine wirtschaftliche Lage.

Unsererseits haben wir die vorgeschlagenen Prozentsätze mit den an andere internationale Organisationen bezahlten Beitragsleistungen verglichen.

Nachdem wir festgestellt hatten, dass diese zwischen ungefähr 1% (für die Weltgesundheitsorganisation) und 2,75 % (für die Internationale Zivilluftfahrtsorganisation) lagen, sind wir zum Schlüsse gekommen, dass die vorgeschlagenen Zahlen von 1,10% und 1,30% angemessen seien. Der Generalrat der Internationalen Flüchtlingsorganisation hat sie im übrigen später anlässlich seiner Sitzung vom 24. September 1948 angenommen (vgl. Beilage 8). · Immerhin stellen diese Prozentsätze in Anbetracht der Höhe des Budgets der Internationalen Fluchtlingsorganisation, so vernünftig sie an und für sich auch sind, bedeutende Beiträge dar.

Nachdem wir im Verhältnis zu den anderen Ländern auferlegten Lasten von der Organisation angemessene Beitragsbedingungen erhalten hatten, war es unser zweites Bestreben, von ihr zu erwirken, dass die uns für die Flüchtlingshilfe im Lande selbst erwachsenden Kosten bei unserer Beitragsleistung berücksichtigt würden, so dass dieser um den entsprechenden Beitrag vermindert würde. Es schien uns normal, dass die Internationale Flüchtlingsorganisation im Falle unseres Beitritts die Kosten übernähme, welche uns durch den Unterhalt, die Unterstützung und die Auswanderung der Flüchtlinge in unserem Lande -- soweit sie unter das Mandat der Internationalen Flüchtlingsorganisation fallen -- erwachsen. Diese Aufgaben gehören gemäss ihrer Verfassung tatsächlich zum Aufgabenkreis der Organisation.

Der Grundsatz einer angemessenen Kompensation wurde von den Leitern der Internationalen
Flüchtlingsorganisation in gleich entgegenkommender Weise anerkannt, wie dies auch bei der Festlegung der uns zufallenden Quote am Budget der Fall gewesen war. Es verbheb uns nur die Festsetzung der an unsere eventuellen Beitragsleistungen anrechenbaren Summen. Im Verlaufe neuer Verhandlungen mit der Organisation wurden alle Aspekte der Hilfstatigkeit zugunsten der Flüchtlinge in der Schweiz, wie wir sie weiter vorn kurz erklärten, geprüft. Es wurde insbesondere festgestellt, dass der Umfang der bei uns gewährten Hilfe mit den von der Internationalen Flüchtlingsorganisation befolgten internationalen Normen übereinstimmt. Unter diesen Umständen hat sich die Organisation bereit erklärt, dass wir von unserer ersten Beitragsleistung die Summe von Fr. 3 486 400, von dem zweiten Beitrag Fr. 2 750 400 abziehen. Diese Beträge stellen den grössten Teil der Kredite

119 dar, welche von Ihnen zugunsten der Flüchtlingshilfe in der Schweiz bereits bewilligt worden sind. Selbstverständlich würden wir der Internationalen Flüchtlingsorganisation bezüglich der laufenden Hilfstätigkeit in der Schweiz alle notwendigen Angaben machen, um ihr zu zeigen, dass diese inÜbereinstim-mmung mit ihrer Verfassung und don Direktiven ihrer leitenden Organe durchgeführt wird. Die Internationale Flüchtlingsorganisation hingegen würde keinerlei Änderungen hinsichtlich unseres Verwaltungsapparates beantragen, der sich bewährt hat und zweifellos auch nach der Liquidation der internationalen Organisation seine Tätigkeit fortsetzemuss.s.

Unser Beitritt zur Internationalen Flüchtlingsorganisation würde in der Folge folgende finanzielle Verpflichtungen nach sich ziehen: 2. Finanzjahr (1948--1949); Beitrag an das Budget für Verwaltungsaufwendungen (1,80% von $ 4797 800) = 62 371,4 $ zum Kurse von 4,80 Fr. 268197 Beitrag an das Budget für Hilfstätigkeit (1,10% von $ 150229258) = 1662521,83 $ zum Kurse von 4,30 . . . . . . . . .

» 7105844 Total Abzüglich .

Fr. 7 872 041 » 8 486 400

Zu leistender Beitrag Fr. 8 887 641 3. und letztes Finanzjahr (1949--1950) : Beitrag an das Budget für Verwaltungsaufwendungen (1,80%, von $4500000) = 58500$ zum Kurse von 4,30 Fr. 251550 Beitrag an das Budget für Hilfstätigkeit (1,10% von $ 150 060 500) = l 650 665,5 $ zum Kurse von 4,30 .

. » 7097862 Total Fr. 7 349 412 Abzüglich » 2 750 400 Zu leistender Beitrag Fr. 4599012 Für das erste Finanzjahr (1. Juli 1947 bis 30. Juni 1948) ist keine Beitragsleistung der Schweiz vorgesehen. Man erwartet von den neuen Mitgliedern nicht, dass sie sich an den Ausgaben beteiligen, welche im Jahre vor ihrem Beitritt erwachsen sind. Auch die Frage einer Beitragsleistung an das Budget für die Wiederansiedlung im grossen, das ausschliosslich von freiwilligen Beiträgen gespiesen wird, kann nicht ohne einen formellen Beschluss der Eäte entschieden werden. Die einzige von unserem Land der Internationalen Flüchtlmgsorganisation zu gewährende Leistung würde sich während der beiden letzten Finanzjahre infolgedessen im Durchschnitt auf Fr. 4 248 827 beziffern. An und für sich stellt dies eine bedeutende Summe dar, es ist aber verhältnismässig wenig, wenn an die ursprünglich vorgesehene Taxierung erinnert wird, welche

120 vom Intergouvemementale!! Komitee in London Vorgesehen wurde und eich in einer jährlichen Beitragsleistung von mehr als 12 Millioneil Schweizer Franken ausgedrückt hätte.

Erscheint im übrigen die Höhe Unseres Beitrags nicht weniger gross, wenn man sie im Hinblick auf die zu vollendenden Aufgaben betrachtet ?

Wenn das Budget der Internationalen Flüchtlingsorganisation in der Geschichte der internationalen Organisationen, mit Ausnahme der UNERA, einmalig ist, rührt dies davon her, dass auch das ihr anvertraute Werk einmalig ist. Es kann dahin zusainmengefasst werden: Hunderttausenden von menschlichen Wesen zu erlauben, sich in kürzester Frist eine menschenwürdige Existenz zu schaffen. Hier stehen wir vor einem Programm des aktiven Handelns und nicht nur vor einer Verwaltung, die in Gang zu bringen ist. Es handelt sich darum, ein Volk von Entwurzelten am Leben zu erhalten und vor allem, wie. dies bereits gesagt wurde, es wieder aufleben zu lassen. Dafür sind gewaltige Mittel .notwendig. Um so gewaltiger, als sich die Internationale Flüchtlingsorganisation als Ziel gesetzt hat, ihr Programm vor dem 1. Juli 1950 zu beenden. Sie hätte allerdings die Liquidation des Flüchtlingsproblems auf die lange Bank schieben und dadurch die jedem Mitglied jährlich auferlegten finanziellen Lasten verkleinern können. Aber das von ihr zu beseitigende Elend wäre dadurch nur grösser geworden und hätte alle denkbaren sozialen Unruhen mit sich gebracht. Es ist zudem ein sittliches Problem, vor das sie sich gestellt sah, und keine wirtschaftliche Angelegenheit.

Zwischen 1989 und 1947 hat unser Land nicht gezögert, seine menschliche Solidaritätspflicht zu erfüllen und mehr als 120 Millionen für die Betreuung von Zivilflüchtimgen innerhalb seiner Grenzen auszugeben. Es darf nicht davor zurückschrecken, jetzt, da das erstrebte Ziel naheliegt und eines der traurigsten der vom letzten Krieg ererbten Probleme im Begriff ist, gelöst zu werden, die verlangten zusätzlichen Opfer zu bringen, um zum Erfolg des begonnenen Werkes beizutragen.

. Als wir Sie in unserer Botschaft vom 8. Juli 1947 um einen neuen Kredit von 20. Millionen für die Weiterführung der internationalen Hilfstätigkeit ersuchten, haben wir darauf hingewiesen, dass diese Gelder uns nicht erlauben würden, für eine eventuelle Beitragsleistung an das Budget der
Internationalen Flüchtlingsorgauisation aufzukommen. Wir sind noch immer der Auffassung, dass im allgemeinen die Hilfstätigkeit dem Einzelnen und nicht dem Staat obliegt : diese zu verschiedenen Malen ausgedrückte Meinung hat sich nicht geändert. Aber wie damals glauben wir, dass bei ausserordentlichen Umständen zeitlich beschränkter Art wie hier die privaten Mittel nicht genügen oder nicht herangezogen werden können. Wir befinden uns einem Problem gegenüber, dem wir uns nicht entziehen können. Kämen wir für die damit verbundenen Verpflichtungen nicht auf, so würden wir unserer traditionellen Eolle im entscheidenden Moment untreu, da von allen Eegierungen spezielle Anstrengungen für die Beseitigung eines Problems gefordert werden, das schwer auf dem Gewissen der freien Menschen l i e g t . . . . . . ' . .

121

Im Verlaufe seiner ersten Session hat der Generalrat am 24. September 1948 einen BeschluBB gefasst, in welchem der Hoffnung Ausdruck gegeben wird, dass die Schweiz sobald als möglich Mitglied der Organisation werde (vgl. Beilage 2). Durch ihre 15; Katifikation ist die Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation am 28. August 1948 in Kraft getreten und der Weg für den Beitritt von Nichtmitgliedstaaten der Vereinigten Nationen geöffnet worden. Anlässlich der Abstimmung haben verschiedene Delegierte sowie der Generaldirektor der Internationalen Flüchtlingsorganisation der Schweiz und ihrer traditionellen humanitären Tätigkeit Ehre gezollt und den Wunsch ausgedrückt, sie bald an ihrer Seite den bisher unverschuldeterweise leer gelassenen Platz einnehmen zu sehen. An der gleichen Tagung hatte Herr Bundesrat von Steiger dem Generabat anlässlich der Begrüssung der Delegierten davon Kenntnis gegeben, dass die schweizerische Eegierung die mit ihrem Beitritt verbundenen Bedingungen mit grossem Verständnis prüfe. Er gab auf diese Weise der Meinung Ausdruck, welche sich der Bundesrat nach der ersten Fühlungnahme mit der Organisation gebildet hatte.

Die Beitrittsbedingungen sind in den Artikeln 4 und 19 der Verfassung festgesetzt. Es wurde früher dargelegt, dass friedliebende Nichtmitgliedstaaten der Vereinigten Nationen Mitglied der Organisation werden können, wenn sie auf Empfehlung des Exekutivkomitees hin durch eine mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden und stimmenden Mitglieder des Generalrates beschlossene Aufforderung dazu eingeladen werden. Diese Abstimmung hat am 24. September 1948 stattgefunden, als der Generalrat einstimmig die Empfehlung des Exekutivkomitees annahm und die Schweiz einlud, Mitglied der Internationalen Flüchtlingsorganisation zu werden. Artikel 4 enthält wohl einen Vorbehalt zugunsten der Bestimmungen der von der Internationalen Flüchtlingsorganisation mit den Vereinigten Nationen abzuschliessenden Vereinbarung, da diese Vereinbarung sich jedoch über die Zulassung neuer Mitglieder ausschweigt, ist der Vorbehalt gegenstandslos geworden.

Gemäss Artikel 18 können Staaten unter folgenden Bedingungen der Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation beitreten: 1, durch Unterzeichnung ohne Genehmigungsvorbehalt, 2, durch Unterzeichnung mit Genehmigungsvorbehalt,
gefolgt durch Annahme, · ' . - . .

3, durch Annahme, welche durch die Hinterlegung einer amtlichen Urkunde beim Generalsekretär der Vereinigten Nationen erklärt wird. Letzteres Vorgehen sollte unser Land für seinen Beitritt einschlagen.

Wir kommen so zum Schlüsse unserer Botschaft.

Wir haben festgestellt, dass die Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation der Schweiz keinerlei Verpflichtungen auferlegen würde, die mit unserem Statut als neutrales Land nicht vereinbar sind oder gegen die Grundsätze, auf denen unsere Aussenpolitik beruht, verstossen. Unser Land wäre auf

122 Grund seiner Tradition und seiner Erfahrung am besten in der Lage, die aus der Verfassung hervorgehenden Verpflichtungen auf sich zu nehmen.

Würde die Schweiz der Internationalen Flüchtlingsorganisation beitreten, so nähme sie innerhalb der einzigen internationalen Organisation, die sich mit den Flüchtlingen abgibt, wieder den Platz ein, welchen länger nicht zu besetzen keine Gründe bestehen. Wie sollte unser Land in einem Zeitpunkt, da sowohl Mitglieder wie Nichtmitglieder der Vereinigten Nationen der Internationalen Flüchtlingsorganisation beitreten können, ihr Fernbleiben begründen, nachdem sie an allen internationalen Organisationen, die sich seit dem ersten Weltkrieg bemüht haben, das Schicksal der Flüchtlinge zu regeln, teilgenommen hat?

Wir haben bereits gewisse Vorteile aus der Tätigkeit gezogen, die die Internationale Flüchtlingsorganisation auf unserem Boden durch Vermittlung ihrer Delegation in der Schweiz ausübt. Sie hilft uns tatsächlich Auswanderungsländer für die Flüchtlinge suchen, welche bei uns auf ihre endgültige Weiterschaffung warten. Indem wir die bisher auf nationalem Gebiet erfolgte Mitarbeit auf eine internationale Basis erheben, würden wir nicht nur eine humanitäre Pflicht erfüllen, sondern der Internationalen Flüchtlingsorganisation zugleich eine Gegenleistung für die uns gewährte Unterstützung erbringen.

Wir haben ebenfalls gesehen, dass die uns durch den Beitritt zur Internationalen Flüchtlingsorganisation erwachsenden finanziellen Lasten nicht so hoch sind, um uns zu veranlassen, ihr fernzustehen. Eine in der Hauptsache durch finanzielle Überlegungen beherrschte Politik der internationalen Zusammenarbeit wäre unseres Landes nicht würdig, solange das Schicksal von Hunderttausenden von Menschen auf dem Spiele steht.

In Anbetracht der geschilderten Umstände beehren wir uns, Sie einzuladen, sich zugunsten des Beitritts der Schweiz zur Internationalen Flüchtlingsorganisation auszusprechen, und beantragen Ihnen, den beiliegenden Entwurf zu einem Bundesratsbesehluss zu genehmigen. Sie würden uns auf diese Weise ermächtigen, die Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation anzunehmen und gernäss der in Artikel 18 vorgesehenen Prozedur das Annahmedokument zu hinterlegen. Der Beschluss müsste dem fakultativen Eeferendum, wie er in Artikel 89, Absatz 4, der
Bundesverfassung vorgesehen ist, nicht unterworfen werden und dies aus drei Gründen, von denen schon der erste genügen würde: 1. die Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation enthält, im Gegensatz zu den Verfassungen anderer SpezialOrganisationen der Vereinigten Nationen im Artikel 4, Absatz 10, einen Austrittsvorbehalt, der jedes Mitglied ausdrücklich ermächtigt, sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt nach einjähriger Voranzeige von der Organisation zurückzuziehen; 2. die Präambel der Verfassung stellt fest, dass die Internationale Flüchtlingsorganisation eine Organisation nicht dauernden Charakters ist; 8. die Organisation sieht vor, ihre Hilfstätigkeit 1950 abgeschlossen zu haben.

Der Ihnen zur Annahme vorgelegte Bundesbeschluss könnte somit sofort in Kraft treten. Wir würden es begrüssen, wenn dies zeitig genug geschehen könnte, um uns zu erlauben, Vertreter an die am 29. März 1949 in Genf

123 beginnende zweite Session des Generalrates der Internationalen FlüchtlingsOrganisation abzuordnen, die im Genüsse aller den Delegierten der MitgliedStaaten zukommenden Hechte stehen würden. Auf diese Weise könnten wir dem einstimmigen, an der ersten Sitzung des Generalrats von den vertretenen Staaten geäusserten Wunsch entsprechen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 19. Januar 1949.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: E. Nobs Der Bundeskanzler: Leimgruber

124 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

den Beitritt der Schweiz zur Internationalen Flüchtlingsorganisation

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 19. Januar 1949, beschliesst: Einziger Artikel Die Bundesversammlung stimmt dem Beitritt der Schweiz zur Internationalen Flüchtlingsorganisation zu.

Sie ermächtigt den Bundesrat, beim Generalsekretär der Vereinigten Nationen die Annahmeurkunde für die Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation zu hinterlegen.

125 Übersetzung

Beilage l

Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation Präambel Die Regierungen, die die vorliegende Verfassung annehmen, in der Erkenntnis, dass die eigentlichen Flüchtlinge und «Displaced Persons» ein dringendes, seinem Wesen und Ausmass nach internationales Problem bilden; dass, was die «Displaced Persons»-betrifft, die Hauptaufgabe darin besteht, sie zu einer baldigen Eückkehr nach ihrem Ursprungsland zu ermutigen und ihnen dabei mit allen möglichen Mitteln beizustehen; dass den eigentlichen Flüchtlingen und «Displaced Persons» durch internationale Massnahmen geholfen werden muss, entweder in das Land zurückzukehren, dessen Staatszugehörigkeit sie besitzen oder in dem sie früher ihren ständigen Wohnsitz hatten, oder unter den in der vorliegenden Verfassung festgelegten Bedingungen anderswo eine neue Heimat zu finden ; oder, im Falle der spanischen Eepublikaner, sich vorübergehend niederzulassen, um nach Spanien zurückkehren zu können, sobald eine demokratische Regierung die jetzige falangistische abgelöst hat; dass Wiederansiedlung und Neuniederlassung von Flüchtlingen und «Displaced Persons» nur für die ausdrücklieh in der Verfassung vorgesehenen Fälle in Betracht gezogen werden soll; dass die eigentlichen Flüchtlinge und «Displaced Persons», bis ihre Heimschaffung oder Wiederansiedlung und Neuniederlassung tatsächlich erfolgt ist, in ihren Eechten und legitimen Interessen geschützt werden, Fürsorge und Beistand erhalten und, im Bahmen des Möglichen, nutzbringend beschäftigt werden sollen, um die gefährlichen und antisozialen Folgen längeren Müssigganges zu vermeiden; und dass die Heinischaffungskosten von Personen, die infolge der Besetzung ihres Landes durch Deutschland oder Japan ihr Land verlassen mussten, soweit als möglich diesen beiden Mächten Überbunden werden sollen; sind übereingekommen, um obige Ziele so schnell als möglich erreichen zu können, eine nicht permanente Organisation zu schaffen, und sie schaffen hiemit unter dem Namen Internationale Flüchtlingsorganisation eine SpezialOrganisation, die der Organisation der Vereinigten Nationen angeschlossen werden soll; und haben daher

126 die folgenden Artikel angenommen: Aititeli Auftrag Der Auftrag der Organisation soll Flüchtlinge und «Displaced Persona» umfassen, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, Definitionen und Bedingungen in Anhang I, der dieser Verfassung beigefügt ist und einen integrierenden Bestandteil bildet.

Artikel 2 Aufgaben und Befugnisse ' 1. Die Aufgaben der Organisation, die in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der Satzung der Vereinigten Nationen erfüllt werden sollen, sind: die Heimschaffung, die Identifizierung, Registrierung und Klassifizierung, die Fürsorge und der Beistand, der rechtliche und politische Schutz von Personen, mit denen sich die Organisation nach den Bestimmungen des Anhanges I zu befassen hat, sowie deren Transport, Wiederansiedlung und Neuniederlassung in Ländern, die sie aufnehmen können und wollen. Damit sollen folgende Ziele erreicht -werden: a. Die Personen, die unter den Auftrag der Organisation fallen, zu einer baldigen Eückkehr nach ihrem Ursprungsland oder dem Land ihres früheren ständigen Wohnsitzes zu ermutigen und ihnen dabei auf jede nur mögliche Weise zu helfen, unter Berücksichtigung der Grundsätze der Empfehlung über Flüchtlinge und «Displaced Persons», die von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen am 12. Februar 1946 (Anhang III) angenommen wurde, und der Grundsätze der Präambel. Dieses Ziel soll auf jede nur mögliche Weise gefördert werden, besonders durch materielle Hilfe und Lieferung ausreichender Nahrung für drei Monate vom Tage der Abreise vom jetzigen Wohnsitz an, vorausgesetzt, dass das Land, in das sie sich zurückbegeben, infolge feindlicher Besetzung während des Krieges an Mangel leidet, und vorausgesetzt, dass diese Vorräte unter der Aufsicht der Organisation verteilt werden; ferner durch Abgabe der nötigen Kleidung und Transportmittel.

b. Für Personen, deren Heimsohaffung nach Ziffer l a dieses Artikels nicht durchgeführt wird: (i) ihre Wiederansiedlung in Ländern zum vorübergehenden Aufenthalt ; (ii) die Emigration, Wiederansiedlung und Neuniederlassung von Einzelpersonen oder Familien in anderen Ländern; und (iii) soweit es nötig und durchführbar erscheint, je nach den verfügbaren Hilfsquellen und unter Vorbehalt der betreffenden finanziellen Bestimmungen, diePrüfung, Aufstellung oder Durchführung vonPlänenfürGruppenwiederansiedlung
oder Wiederansiedlung imgrossen.

c. Was die spanischen ^Republikaner betrifft, ihnen zu helfen, sich vorübergebend niederzulassen, bis Spanien wieder demokratisch regiert wird.

127

2. Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, kann die Organisation alle notwendigen Massnahmen treffen und ist zu diesem Zweck berechtigt: a. private und öffentliche Geldmittel entgegenzunehmen und darüber zu verfügen; fe. sich soweit nötig Baugrund und Gebäude zu verschaffen, sei es pachtweise oder durch Schenkung und (nur unter aussergewöhnlichen Umständen) auch kaufsweise; Baugrund und Gebäude selbst zu behalten oder sie zu verpachten, zu verkaufen oder sonstwie darüber zu verfügen; c. alle weiteren notwendigen Güter zu erwerben, selbst zu behalten und weiterzugeben; d. Verpflichtungen einzugehen und Verträge zu schliessen, vor allem Verträge mit Regierungen oder mit Besetzungs- oder Kontrollbehörden, gemäss denen diese Behörden fortfahren oder sich neu verpflichten, den Schutz und Unterhalt der Flüchtlinge und «Displaced Persons» ganz oder teilweise in den ihnen unterstellten Gebieten unter Aufsicht der Organi- . sation sicherzustellen; e. mit Regierungen zu verhandeln und Abkommen zu schliessen; /. öffentliche und private Organisationen zu Kate zu ziehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, wann immer es ratsam erscheint, soweit diese Organisationen die gleichen Ziele wie die Internationale Flüchtlingsorganisation verfolgen und die Grundsätze der Vereinigten Nationen achten ; g. den Abschluss bilateraler Abkommen über gegenseitige Hilfe bei der Heimschaffung von «Displaced Persons» zu fördern, in Übereinstimmung mit den in Abschnitt c (ii) der von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen am 12. Februar 1946 angenommenen Empfehlung über die Flüchtlingefrage festgelegten Grundsätzen (Anhang III) ; h. nach den Bestimmungen von Artikel 9 der vorliegenden Verfassung Personal anzustellen; i. jede Massnahme zu ergreifen, die die Erfüllung der Aufgaben der Organisation erleichtern kann; i. mit Ländern, die Flüchtlinge und «Displaced Persons» aufnehmen können und wollen, Vereinbarungen zu treffen, um die Gewährleistung ihrer legitimen Rechte und Interessen soweit als notwendig sicherzustellen ; und k. ganz allgemein jede sonstige rechtmässige Handlung durchzuführen, die für ihre Zwecke geeignet erscheint.

Artikel 8 Beziehungen mit der Organisation der Vereinigten Nationen Die Beziehungen zwischen der Internationalen Flüchtlingsorganisation und der Organisation der Vereinigten Nationen sollen in einer zwischen beiden

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Organisationen nach Artikel 57 und 63 der Satzung der Vereinigten Nationen abgeschlossenen Vereinbarung geregelt werden.

Artikel 4 Mitgliedschaft 1. Den Mitgliedern der Vereinigten Nationen steht die Mitgliedschaft der Organisation offen. Auch alle andern friedliebenden Staaten, die nicht Mitglieder der Vereinigten Nationen sind, können Mitglieder der Organisation werden, und zwar auf Empfehlung des Exekutivkomitees durch einen Beschluss des Generalrates, der mit Zweidrittelsmehrheit der anwesenden und an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder gefasst wurde, unter Vorbehalt der Bestimmungen der zwischen der Organisation und der Organisation der Vereinigten Nationen abgeschlossenen Vereinbarung, die gemass Artikel 8 jder vorliegenden Verfassung gutgeheissen worden sind.

2. Unter Vorbehalt der Bestimmungen von Ziffer l dieses Artikels sind diejenigen Staaten Mitglieder der Organisation, deren gehörig beglaubigte Vertreter diese Verfassung ohne Genehmigungsvorbehalt unterzeichnen, sowie Staaten, die beim Generalsekretär der Vereinigten Nationen ihre Annahmeurkunden hinterlegen, nachdem ihre gehörig beglaubigten Vertreter diese Verfassung unter einem derartigen Vorbehalt unterzeichnet haben.

3. Unter Vorbehalt der Bestimmungen von Ziffer l dieses Artikels können jedoch Staaten, deren Vertreter die unter der vorhergehenden Ziffer erwähnte Verfassung nicht unterzeichnet haben oder die innert sechs Monaten nach der Unterzeichnung keine Annaiimeurkunde hinterlegt haben, in den folgenden Fällen Mitglieder der Organisation werden: a. : wenn sie sich dazu verpflichten, ihre rückständigen Beiträge gemass dem festgelegten Schema zu leisten; oder . b. wenn sie der Organisation einen Plan für die Aufnahme von Flüchtlingen oder «Dispiaceri Persona» als Einwanderer in ihr Gebiet unterbreiten; in diesem Fall sollen die Zahl und die Niederlassungsbedingungen dieser Einwanderer nach Ansicht der Organisation Ausgaben oder Investierungen des betreffenden Staates erfordern, die dem Beitrag an das Budget der Organisation, den er gemass dem festgelegten Schema zu leisten hätte, gleichkommen oder annähernd gleichkommen.

4. Die Staaten, die bei der Unterzeichnung der Verfassung dem Wunsche Ausdruck geben, von den Bestimmungen von Ziffer 3 b des vorliegenden Artikels Gebrauch zu machen, können innerhalb von drei Monaten den in dieser Ziffer vorgesehenen Plan unterbreiten, ohne damit die Hinterlegung der Annahmeurkunde in sechs Monaten zu präjudizieren.

5. Mitglieder der Organisation, die in der Ausübung ihrer Eechte und Privilegien als Mitglieder der Vereinigten Nationen eingestellt worden sind,

129

werden auf Ersuchen der letzteren in ihren Hechten und Privilegien in der Organisation eingestellt.

6. Mitglieder, die aus der Organisation der Vereinigten Nationen ausgeschlossen werden, verlieren automatisch die Mitgliedschaft der Organisation.

7. Mit Zustimmung der Generalversammlung der Vereinigten Nationen können Mitglieder der Organisation, die nicht Mitglieder der Vereinigten Nationen sind und beharrlich die Grundsätze der Satzung der Vereinigten Nationen verletzt haben, von den Rechten und Privilegien in der Organisation suspendiert oder vom Generalrat aus der Organisation ausgeschlossen werden, 8. Ein Mitglied der Organisation, das wiederholt die in der vorhegenden Verfassung niedergelegten Grundsätze verletzt hat, kann durch den Generalrat in seinen Eechten und Privilegien in der Organisation eingestellt und, mit Zustimmung der Generalversammlung der Vereinigten Nationen, aus der Organisation ausgeschlossen werden.

9. Jedes Mitglied der Organisation verpflichtet sich, dieser seinen vollen Beistand zu gewähren.

10. Jedes Mitglied kann jederzeit dem Präsidenten des Exekutivkomitees schriftlich seinen Austritt ankünden. Diese Austrittserklärung wird ein Jahr, nachdem sie der Präsident des Exekutivkomitees erhalten hat, rechtswirksam.

Artikel 5 Organe Die Hauptorgane der Organisation sind : der Generalrat, das Exekutivkomitee und das Sekretariat.

Artikel 6 Der Generalrat 1. Die oberste Leitung der Organisation ist der Generalrat, in den jedes Mitglied einen Vertreter und die seiner Meinung nach notwendigen Stellvertreter und Batgeber abordnet. Jedes Mitglied hat im Generalrat eine Stimme.

2. Der Generalrat-wird durch das Exekutivkomitee mindestens einmal im Jahre zu einer ordentlichen Tagung einberufen; in den ersten drei Jahren der Tätigkeit der Organisation soll er jedoch mindestens zweimal jährlich in ordentlicher Tagung zusammentreten. Er kann zu einer ausserordentlichen Tagung einberufen werden, wenn es das Exekutivkomitee als notwendig erachtet; der Eat muss vom Generaldirektor zu einer ausserordentlichen Tagung einberufen werden, innerhalb dreissig Tagen vom Datum, an, an dem dieser entsprechende Begehren von einem Drittel aller Mitglieder des Bates erhalten hat, 8. Bei der Eröffnungssitzung jeder Tagung des Generalrates amtet der Präsident des Exekutivkomitees als Präsident, bis der Generalrat eines seiner Mitglieder zum Präsidenten der Tagung gewählt hat.

130 4. Der Generalrat wählt dann aus seiner Mitte einen ersten und einen zweiten Vizepräsidenten und die andern Mitglieder des Bureaus, die er als notwendig erachtet.

Artikel 7 Das Exekutivkomitee 1. Das Exekutivkomitee erfüllt die Aufgaben, die zur Durchführung der Beschlüsse des Generalrates über die zu verfolgenden Ziele notwendig sind; zwischen den Tagungen des Generalrates kann es dringliche Beschlüsse treffen, die es dem Generaldirektor bekanntgibt. Dieser richtet sich nach diesen Beschlüssen und erstattet dem Exekutivkomitee Mitteilung über die Massnahmen, die er zu ihrer Durchführung getroffen hat. Diese Beschlüsse werden vom Generalrat nochmals überprüft.

.

2. Das Exekutivkomitee des Generalrates setzt sich aus Vertretern von neun Mitgliedern der Organisation zusammen. Die Mitglieder des Exekutivkomitees werden an einer ordentlichen Tagung durch den Generalrat für zwei Jahre gewählt. Ein Mitglied kann während dea Zeitraumes vom Erlöschen seines Mandats bis zur nächsten Tagung des Generalrates, an der eine Wahl stattfindet, sein Amt im Exekutivkomitee weiter ausüben. Ein Mitglied des Exekutivkomitees ist jederzeit wiederwählbar. Sollte ein Sitz im Exekutivkomitee zwischen zwei Sessionen dos Generalrates freiwerden, so kann das Exekutivkomitee selbst ein anderes Mitglied bestimmen, das den Sitz bis zur nächsten Tagung des Eates ausfüllt.

8. Das Exekutivkomitee wählt aus seiner Mitte einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten, deren Amtsdauer durch den Generalrat festgesetzt wird.

4. Das Exekutivkomitee tritt zusammen: a. auf Einberufung durch den Präsidenten, gewöhnlich zweimal monatlich; 6. wenn einer der Vertreter eines Mitglieds des Exekutivkomitees die Einberufung einer Sitzung in einem an den Generaldirektor gerichteten Schreiben verlangt ; in diesem Falle wird die Sitzung innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt des Schreibens durch den Generaldirektor einberufen; o, wenn der Präsidentenstuhl zu besetzen ist, dann beruf t der Generaldirektor eine Sitzung ein, auf deren Tagesordnung die Wahl eines Präsidenten an erster Stelle steht.

5. Um sich an Ort und Stelle über die Lage zu informieren, kann das Exekutivkomitee entweder in corpore oder durch eine Delegation seiner Mitglieder die Lager oder Sammelzentren, die der Kontrolle der Organisation unterstehen, besuchen und dem
Generaldirektor die Instruktionen erteilen, die sich aus den Besuchsberichten ergeben.

6. Das Exekutivkomitee empfängt die Berichte des Generaldirektors gemäss Artikel 8, Ziffer 6, der Verfassung; nachdem es davon Kenntnis genommen hat, lädt es den Generaldirektor ein, sie an den Generalrat weiter-

131 Zuleiten, zusammen mit den vom Exekutivkomitee als nötig erachteten Bemerkungen. Diese Berichte und Bemerkungen werden allen Mitgliedern des Generalrates vor dessen nächster ordentlicher Tagung zugestellt und dann veröffentlicht. Das Exekutivkomitee kann den Generaldirektor ersuchen, alle zusätzlichen Berichte zu unterbreiten, die es als notwendig erachtet.

Artikel 8 Die Verwaltung 1. Der höchste Beamte der Organisation ist der Generaldirektor. Er ist dem Generalrat und dem Exekutivkomitee verantwortlich und er verwaltet und leitet die Organisation in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des Generalrates und des Exekutivkomitees. Er erstattet über die Massnahmen Bericht, die zur Ausführung dieser Beschlüsse ergriffen wurden.

2. Der Generaldirektor wird durch das Exekutivkomitee vorgeschlagen und durch den Generalrat ernannt. Wenn das Exekutivkomitee keinen Kandidaten vorschlägt, den der Generalrat annehmen könnte, so kann dieser eine Persönlichkeit ernennen, die nicht vom Komitee vorgeschlagen wurde. Wird die Stelle des Generaldirektors frei, dann kann das Exekutivkomitee einen stellvertretenden Generaldirektor ernennen, der bis zur Wahl eines Generaldirektors durch den Generalrat alle Aufgaben und Pflichten dieses Postens versieht.

3. Der Generaldirektor übt sein Amt auf Grund eines durch den Präsidenten des Exekutivkomitees für die Organisation unterzeichneten Vertrages aus; dieser Vertrag enthält eine Bestimmung, wonach er auf sechs Monate von beiden Teilen gekündigt werden kann. In Ausnahmefällen ist das Exekutivkomitee berechtigt, durch eine Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder und unter Vorbehalt der Bestätigung durch den Generalrat den Generaldirektor seines Amtes zu entheben, wenn dessen Verhalten nach der Meinung des Exekutivkomitees eine solche Massnahme rechtfertigt.

4. Das Personal der Organisation wird durch den Generaldirektor nach den vom Generalrat festzusetzenden Vorschriften ernannt.

5. Der Generaldirektor wohnt allen Sitzungen des Generalrates, des Exekutivkomitees und aller anderen Ausschüsse und Unterausschüsse bei oder lässt sich durch einen seiner Mitarbeiter vertreten. Er oder sein Stellvertreter können ohne Stimmrecht diesen Sitzungen beiwohnen.

6. a. Am Ende jedes Semesters bereitet der Generaldirektor einen Berieht über die Tätigkeit der Organisation vor. Jedes Jahr soll der zweite Halbjahresbericht sich mit der Arbeit der Organisation während des ganzen .Jahres befassen und vollständige Bechenschaft über ihre Tätigkeit während dieses Zeitabschnitts geben. Diese Berichte werden dem Exekutivkomitee zur Prüfung unterbreitet und dann mit den Bemerkungen des

182 Exekutivkomitees an den Generalrat weitergeleitet, wie ea in Artikel 7, Ziffer 6, dieser Verfassung vorgesehen ist.

6. Während jeder ausserordentlichen Tagung des Generalrates erstattet der Generaldirektor einen Bericht über die Tätigkeit der Organisation seit der letzten Zusammenkunft.

Artikel 9 Das Personal 1. Bei der Auswalü des Personals und bei der Festsetzung der Anstellungsbedingungen wird in erster Linie auf höchste Leistungsfähigkeit, Sachkenntnis und Zuverlässigkeit des Charakters Wert gelegt, und ausserdem sollen die in dieser Verfassung niedergelegten Grundsätze beachtet werden. Gehörige Beachtung soll auch der Auswahl des Personals auf möglichst breiter geographischer Grundlage und der Anstellung einer angemessenen Zahl von Personen aus den Herkunftsländern der «Displaced Persons» geschenkt werden.

2. Die Organisation kann keine Personen anstellen, die nach Teil II des Anhanges I dieser Verfassung -- mit Ausnahme von Ziffer 5 -- von der Zuständigkeit der Organisation ausgeschlossen sind.

3. Für die Ausübung ihrer Pflichten sollen der Generaldirektor und das Personal keine Weisungen irgendeiner Regierung oder anderer ausserhalb der Organisation stehenden Behörde einholen oder entgegennehmen. Sie sollen sich jeder Handlung enthalten, die unvereinbar ist mit ihrer Stellung als internationale, allein der Organisation gegenüber verantwortliche Beamte.

Jedes Mitglied der Organisation verpflichtet sich, den ausschliesslich internationalen Charakter der Stellung des Generaldirektors und des Personals zu achten und nicht zu versuchen, sie in der Ausübung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.

Artikel 10 Finanzen 1. Der Generaldirektor unterbreitet dem Generalrat durch das Exekutivkomitee ein Jahresbudget über die notwendigen Ausgaben für Verwaltung, Hilfstätigkeit und Wiederansiedlung im grossen und von Zeit zu Zeit die notwendigen zusätzlichen Budgets. Das Exekutivkomitee leitet das Budget mit den ihm als angezeigt erscheinenden Bemerkungen an den Generalrat weiter.

.Nach der endgültigen Annahme des Budgets durch den Generalrat wird der Gesamtbetrag der drei obenerwähnten Bubriken -- d. h. «Verwaltung», «Hilfstätigkeit» und «Wiederansiedlung ini grossen» -- unter die Mitglieder nach Eubriken geteilt, in einem Verhältnis, das von Zeit zu Zeit durch Zweidrittelsmehrheit der anwesenden und an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder des Generalrates festgesetzt wird.

133 2. Auf Grund der Verhandlungen, die auf Ersuchen der Mitglieder zwischen ihnen und der Organisation stattfinden, werden die Beträge in natura oder in der Währung bezahlt, die durch Beschluss des Generalrates festgesetzt wird, wobei solche Währungen in Betracht zu ziehen sind, die man von einem Zeitpunkt zum andern voraussichtlich braucht, um die Ausgaben zu begleichen, ohne Rücksicht auf die Währung, die für das Budget dient.

8. Jedes Mitglied verpflichtet sich, an die Verwaltungsausgaben der Organisation denjenigen Beitrag zu leisten, der ihm gemäss Ziffern l und 2 des vorstehenden Artikels auferlegt wurde.

4. Jedes Mitglied verpflichtet sich, an die Ausgaben für die Hilfstätigkeit -- die vorgesehenen Ausgaben für Wiederansiedlung im grossen ausgenommen -- denjenigen Beitrag zu leisten, der ihm gemäss Ziffern l und 2 des vorhegenden Artikels auferlegt wurde, unter Vorbehalt der verfassungsrechtlichen Verfahrensvorschriften dieses Mitgliedes. Die Mitglieder verpflichten sich, freiwillig und unter Vorbehalt ihrer verfassungsrechtlichen Verfahrensvorschriften Beiträge an die Ausgaben für Wiederansiedlung im grossen zu leisten.

5. Jedes Mitglied, das innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten dieser Verfassung seinen Beitrag an die Ausgaben der Organisation für das erste Finanzjahr nicht geleistet hat, kann vor Begleichung dieses Beitrage an keinen Abstimmungen im Generalrat und im Exekutivkomitee teilnehmen, 6. Unter Vorbehalt der Bestimmungen von Ziffer 5 des vorstehenden Artikels kann kein Mitglied der Organisation, dessen Beitrag an die Ausgaben der Organisation noch aussteht, sich an einer Abstimmung im Generalrat oder im Exekutivkomitee beteiligen, wenn der rückständige Betrag gleich hoch oder höher ist als der Beitrag, den es für das ganze vorhergehende Jahr zu bezahlen hat.

7. Der Generalrat kann jedoch diesen Mitgliedern die Stimmabgabe gestatten, wenn er sich davon überzeugt hat, dass der Zahlungsverzug auf umständen beruht, die diese Mitglieder nicht zu vertreten haben, 8. Das Verwaltungsbudget der Organisation wird jedes Jahr der Generalversammlung der Vereinigten Nationen vorgelegt, um es, soweit ihr dies als angezeigt erscheint, zu prüfen und ihre Empfehlungen anzubringen. Die Vereinbarung, durch welche die Organisation gemäss Artikel 8 dieser Verfassung mit der Organisation
der Vereinigten Nationen in Verbindung tritt, kann unter anderem die Gutheissung des Verwaltungsbudgets der Organisation durch die Generalversammlung der Vereinigten Nationen vorsehen.

9. Ohne Beeinträchtigung der Bestimmungen über zusätzliche Budgets in Ziffer l dieses Artikels gelten die folgenden Ausnahmebestimmungen für das Finanzjahr, in dessen Ablauf diese Verfassung in Kraft tritt: a. das Budget ist das im Anhang II dieser Verfassung festgesetzte provisorische Budget; und b. die Höhe der Mitgliederbeiträge entspricht dem in Anhang II dieser Verfassung festgelegten Schema.

Bundesblatt. 101, Jahrg. Bd. I.

10

134 Artikel 11 Sitz der Organisation und sonstige Büros 1. Der Sitz der Organisation befindet sich in Paris oder Genf, je nach Beschluss des Generalrates, und alle Zusammenkünfte des Generalrates und des Exekutivkomitees finden an diesem Sitz statt, ausser wenn die Mehrheit der Mitglieder des Generalrates oder des Exekutivkomitees an einer früheren Zusammenkunft oder durch Briefwechsel mit dem Generaldirektor beschlossen hat, sich anderswo zu treffen.

2. Das Exekutivkomitee kann alle regionalen und sonstigen Büros sowie jede beliebige Form einer Vertretung schaffen, die es für angebracht hält.

3. Alle Büros und Vertretungen können nur errichtet werden mit Zustimmung der Eegierung, der das betreffende Gebiet unterstellt ist.

Artikel 12

.

. .

Verfahren 1. Der Generalrat stellt seine Verfahrensvorschriften selbst auf, wobei er sich im allgemeinen, wenn es ihm als angezeigt erscheint, an die Verfahrensvorschriften des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinigten Nationen hält und daran die ihm notwendig erscheinenden Änderungen anbringt. Das Exekutivkomitee setzt sein eigenes Verfahren fest, unter Vorbehalt der Beschlüsse, die der Generalrat in dieser Beziehung fasst.

2. Im Generalrat und im Exekutivkomitee werden die Anträge mit einfacher Mehrheit der anwesenden und an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder angenommen, gegenteilige Bestimmungen in der Verfassung und Beschlüsse des Generalrates vorbehalten.

Artikel 13 Rechtliche Stellung, Immunitäten und Vorrechte 1. Die Organisation geniesst auf dem Gebiete jedes Mitgliedstaates die für die Durchführung ihrer Aufgaben und die Erreichung ihrer Ziele erforderliche Bechtsfähigkeit.

2. a. Die Organisation geniesst auf dem Gebiete jedes Mitgliedstaates die für die Durchführung ihrer Aufgaben und die Erreichung ihrer Ziele erforderlichen Vorrechte und Immunitäten.

6. Die Vertreter der Mitgliedstaaten, die Beamten und Angestellten der Organisation gemessen ebenfalls die zur unabhängigen Ausübung ihrer Aufgaben im Dienste der Organisation notwendigen Vorrechte und Immunitäten.

135

3. Diese Rechtsfähigkeit und diese Vorrechte und Immunitäten werden in einer von der Organisation nach. Konsultierung des Generalsekretärs der Vereinigten Nationen vorbereiteten Vereinbarung umschrieben. Diese Vereinbarung, dem alle Mitglieder beitreten können, ist für die Organisation und alle beigetretenen Mitglieder rechtsverbindlich.

Artikel 14 Beziehungen zu anderen Organisationen 1. Unter Vorbehalt der Bestimmungen der gemäss Artikel 8 dieser Verfassung mit der Organisation der Vereinigten Nationen abzuschliessenden Vereinbarung kann die Internationale Müchtlingsorganisation mit anderen internationalen Organisationen die ihr nützlich erscheinenden Beziehungen unterhalten, 2. Die Organisation kann ganz oder teilweise die Aufgaben und ganz oder teilweise die Hilfsquellen, Aktiven und Passiven jeder intergouvernementalen Organisation oder Institution übernehmen, deren Ziele und Aufgaben im Rahmen ihrer Tätigkeit liegen. Diese Übernahme kann kraft eines mit den zuständigen Behörden dieser internationalen Organisation oder Institution, getroffenen Vereinbarung erfolgen oder kraft der Befugnisse, die der Organisation durch internationale Abkommen oder Vereinbarungen übertragen werden.

Artikel 15 Beziehungen mit den Behörden der Länder, in denen sich die Flüchtlinge und «Displaced Fersons» befinden Die Beziehungen zwischen der Organisation und den Eegierungen oder Verwaltungen der Länder, in denen sich die Flüchtlinge und «Displaced Persoiis» aufhalten, sowie die Bedingungen, unter denen die Organisation ihre Tätigkeit in den betreffenden Ländern ausübt, werden gemäss den Bestimmungen dieser Verfassung festgesetzt durch Vereinbarungen, die die Organisation mit diesen Eegierungen oder Verwaltungen abschliesst.

Artikel -16 Verfassungsänderungen Der Wortlaut von Abänderungsanträgen zu dieser Verfassung wird mindestens drei Monate vor der Behandlung durch den Generalrat vom Generaldirektor allen Mitgliedern mitgeteilt. Abänderungen treten in Kraft, wenn sie vom Generalrat mit Zweidrittelsmehrheit aller anwesenden und an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder genehmigt und von zwei Dritteln der Mitgliedstaaten gemäss ihren eigenen verfassungsrechtlichen Vorschriften angenommen worden sind, allerdings unter der Bedingung, dass Abänderungen, die den Mitgliedstaaten neue Verpflichtungen auferlegen, für jedes einzelne Mitglied erst in Kraft treten, wenn es diese angenommen hat.

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Artikel 17 Auslegung 1. Der englische, chinesische, spanische, französische und russische Text dieser Verfassung sind in gleicher Weise massgebend.

2. Unter Vorbehalt von Artikel 96 der Satzung der Vereinigten Nationen und von Kapitel II des Statuts des Internationalen Gerichtshofs -wird jede Frage oder jede Meinungsverschiedenheit über Auslegung oder Anwendung dieser Verfassung dem Internationalen Gerichtshof unterbreitet, es sei denn, der Generalrat und die am Streitfall beteiligten Parteien einigen sich über eine andere Art der Erledigung.

Artikel 18 Inkrafttreten 1. a. Ein Staat kann dieser Verfassung beitreten: (i) durch Unterzeichnung ohne Genehmigungsvorbehalt ; (ii) durch Unterzeichnung mit Genehmigungsvorbehalt und darauf .. , folgende Annahme ; (iü) durch Annahme.

b. Die Annahme erfolgt durch Hinterlegung einer amtliehen Urkunde beim Generalsekretär der Vereinigten Nationen.

2. Die vorliegende Verfassung tritt in Kraft, wenn ihr mindestens fünf zehn Staaten beigetreten sind, deren Beiträge an Teil I des Budgets für die Hilfstätigkeit, wie sie in Anhang II der vorhegenden Verfassung festgelegt sind, nicht weniger als fünfundsiebzig Prozent des Gesamtbetrages des genannten Teils I darstellen.

3. Gemäss Artikel 102 der Satzung der Vereinigten Nationen wird der Generalsekretär der Vereinigten Nationen diese Verfassung registrieren, sobald sie von einem Staat ohne Genehmigungsvorbehalt unterzeichnet ist oder sobald die erste Annahmeurkunde hinterlegt wird.

4. Der Generalsekretär der Vereinigten Nationen unterrichtet die an dieser Verfassung beteiligten Staaten vom Datum ihres Inkrafttretens und über die Beitrittsdaten der anderen Staaten.

Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten, hiefür ordnungsmässig bevollmächtigten Vertreter die vorliegende Verfassung unterzeichnet.

Ausgefertigt in Flushing Meadow, New York, am fünfzehnten Dezember «intausendneunhundertundsechsundvierzig, in einem einzigen Exemplar in englischer, chinesischer, spanischer, französischer und russischer Sprache. Die Urtexte werden in den Archiven der Vereinigten Nationen hinterlegt. Der Generalsekretär der Vereinigten Nationen übermittelt jedem unterzeichneten Staat und, beim Inkrafttreten der Verfassung und bei der Wahl eines Generaldirektors, dem Generaldirektor der Organisation eine beglaubigte Abschrift.

S362

137 Anhang l Definitionen Allgemeine Grundsätze 1. Die folgenden allgemeinen Grundsätze bilden einen integrierenden Bestandteil der in Teil I und II dieses Anhanges enthaltenen Definitionen.

a. Das Hauptziel der Organisation ist, das Problem der Flüchtlinge und bona fide «Displaced Persons» in schneller und positiver und für alle Interessierten gerechter Art, zu lösen.

i>. Die Hauptaufgabe betreffend die «Displaced Persons» besteht darin, sie zu einer baldigen Kückkehr nach ihrem Ursprungsland zu ermutigen und ihnen dabei mit allen möglichen Mitteln beizustehen. Hiefür gelten die Grundsätze gemäss Absatz c (u) der am 12. Februar 1946 von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen beschlossenen Empfehlung über die Flüchtlingsfrage (Anhang III).

c. Gemäss Beschluss des Wirtschafts- und Sozialrates vom 16. Februar 1946 soll Verrätern, Quislingen und Kriegsverbrechern keinerlei internationale Hilfe gewährt werden, und nichts darf verhindern, dass man sie ausliefert und bestraft.

ä. Die Organisation soll dafür sorgen, dass ihre Hilfe nicht ausgenützt wird, um gegen die Eegierung irgendeiner der Vereinigten Nationen gerichtete umstürzlerische oder feindliche Tätigkeiten zu begünstigen.

e. Die Organisation soll dafür sorgen, dass ihre Hilfe nicht durch Personen ausgenützt wird, die sich offensichtlich weigern, in ihr Ursprungsland zurückzukehren, weil sie den Müssiggang dem harten Leben, das sie beim Wiederaufbau ihres Landes führen müssten, vorziehen, oder durch Personen, die sich aus rein wirtschaftlichen Gründen in anderen Ländern niederlassen wollen und daher zu den Emigranten zu zählen sind.

/. Anderseits soll die Organisation dafür sorgen, -dass keine unterstützungswürdigen Flüchtlinge oder l)o-na fide «Displaced Persong» die Hilfe entbehren müssen, die die Organisation ihnen gewähren kann.

g. Die Organisation wird sich bestreben, ihre Aufgaben zu erfüllen, ohne dass die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Nationen gestört werden. 2u diesem Zwecke wird die Organisation ihre Aufmerksamkeit besonders auf Fälle richten, wo die Wiederansiedlung oder Neuniederlassung von Flüchtlingen oder «Displaced Persons» entweder in einem ihrem Ursprungsland benachbarten Lande oder in irgendwelchen nichtautonomen Ländern vorgesehen werden könnte. Die Organisation wird, neben anderen Faktoren,
auch jedem Umstände Eechnung tragen, der im ersten Falle beim Herkunftsland der betreffenden Personen oder, im zweiten Falle, bei der eingeborenen Bevölkerung der nichtautonomen Länder berechtigte Befürchtungen oder Unruhe wecken könnte.

2. Um die unparteiische und gerechte Anwendung der obenerwähnten Grundsätze und der nachfolgenden Definitionen sicherzustellen, soll ein

138

besonderes Organ von gerichtsähnlichem Charakter geschaffen und mit entsprechender Verfassung, Verfahrensvorschriften und Kompetenzen ausgestattet werden.

Teil I Flüchtlinge und «Displaced Peisons» im Sinne der am 16. Februar 1946 durch den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinigten Nationen angenommenen Empfehlung Abschnitt A Definition des Begriffes «Flüchtling» 1. Unter Vorbehalt der Bestimmungen von Abschnitt C und D und von Teil II dieses Anhanges bezieht sich der Ausdruck «Flüchtling» auf jede Person, die das Land, dessen Bürgerrecht sie besitzt oder in dem sie ihren festen Wohnsitz hatte, verlassen hat oder die sich ausserhalb dieses Landes befindet und die, ob sie nun ihr Bürgerrecht beibehalten ha*t oder nicht, zu einer der folgenden Kategorien gehört: a. Opfer des nazistischen oder faschistischen Keghnes oder solcher Begime, die an deren Seite am zweiten Weltkrieg teilgenommen haben, ferner Opfer eines Quisling- oder ähnlichen Begimes, das jenen in ihrem Kampf gegen die Vereinigten Nationen beigestanden hat, gleichgültig ob diese Personen ein internationales Flüchtlingsstatut gemessen oder nicht ; fc. spanische Bepubhkaner und andere Opfer des falangistischen Begimes in Spanien, ob sie ein internationales Flüchtlingsstatut gemessen oder nicht ; c. Personen, die wegen ihrer Basse, Beligion, Nationalität oder politischen Gesinnung schon vor dem Beginn des zweiten Weltkrieges als «Flüchtlinge» betrachtet wurden.

2. Unter Vorbehalt der Bestimmungen von Abschnitt C und D und von Teil II dieses Anhanges betreffend den Ausschluss der Kriegsverbrecher.

Quislinge und Verräter aus dem Zuständigkeitsbereich der Organisation, bezieht sich der Ausdruck «Flüchtling» auch auf alle Personen, die (mit Ausnahme der «Displaced Persons», wie sie in Abschnitt B dieses Anhanges definiert sind) sich ausserhalb des Landes ihrer Nationalität oder ihres früheren festen Wohnsitzes befinden und die infolge der Geschehnisse seit Beginn des zweiten Weltkrieges nicht den Schutz der Begierung desjenigen Landes beanspruchen können oder wollen, dessen Nationalität sie besitzen oder früher besassen.

x 8. Unter Vorbehalt der Bestimmungen von Abschnitt D und von Teil II dieses Anhanges bezieht sich der Begriff «Flüchtling» auch auf Personen, die ihren Wohnsitz in Deutschland oder Österreich gehabt haben und als Juden.

Ausländer oder Staatenlose Opfer der Naziverfolgungen wurden und durch

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Gewalt in einem dieser Länder zurückgehalten oder, zur Flucht gezwungen, später durch Feindeshandlung oder durch vorn Kriege geschaffene Umstände zurückgeschafft wurden und sich dort noch nicht fest wiederangesiedelt nahen.

4, Der Begriff «Flüchtling» bezieht sich auch auf Kinder ohne Begleitung, die Kriegswaisen sind oder deren Eltern verschollen sind und die sich ausserhalb ihres Herkunftslandes befinden. Solche sechzehnjährige oder jüngere Kinder erhalten den Vortritt bei der Leistung aller nur möglichen Hilfe und im allgemeinen auch Beistand für die Heimschaffung, sofem ihr Herkunftsland ermittelt werden kann.

Abschnitt B Definition des Begriffes

«'Displaced Person»

Der Begriff «Displaced Person» bezieht sich auf jede Person, die infolge von Handlungen der Behörden der in Ziffer l a, Abschnitt A, Teil I, dieses Anhanges erwähnten Eegimes aus ihrem Herkunfts- oder Wohnsitzland deportiert wurde oder dieses Land verlassen musste, wie z. B. Personen, die Zwangsarbeit leisten mussten und wegen ihrer Basse, ihrer Beligion oder ihrer politischen Gesinnung deportiert wurden. Mit den «Displaced Persons» befasst sich die Organisation nur unter Vorbehalt der Bestimmungen von Abschnitt C und D des Teils I und der Bestimmungen von Teil II dieses Anhanges. Haben die Gründe für den Ortswechsel zu bestehen aufgehört, sollen diese Personen gemäss Artikel 2, Ziffer l a, dieser Verfassung und unter Vorbehalt der Bestimmungen von Absatz G (ii) und (iü) der Empfehlung der Generalversammlung vom 12. Februar 1946 über die Flüchtlingsfrage (Anhang III) sobald *-ie möglich heimgeschafft werden.

Abschnitt C Bedinf/ungen, unter denen die Organisation sich mit «Flüchtlingen» und «Displaced Persons» zu befassen hat 1. Für alle obigen Kategorien mit Ausnahme der in Ziffer l b und 3, Abschnitt A, dieses Anhanges erwähnten, befasst sich die Organisation im Sinne des Beschlusses des Wirtschafts- und Sozialrates vom 16. Februar 1946 mit solchen Personen, die heimgeschafft werden können und bei denen die Hilfe der Organisation für ihre Heimschaffung nötig ist oder die in aller Freiheit und nach gründlicher Kenntnisnahme von der Lage und von den Auskünften der Begierung des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dein sie früher ihren ordentlichen Wohnsitz hatten, endgültig mit zufriedenstellenden Gründen erklären, nicht dorthin zurückkehren zu wollen.

a.. Als zufriedenstellende Gründe gelten: (i) Verfolgung oder berechtigte Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Basse, der Beligion, der Nationalität oder der politischen Gesinnung, vorausgesetzt, dass es sich nicht um eine Gesinnung handelt, die in

140 Widerspruch zu. den in der Präambel der Satzung der Vereinigten Nationen niedergelegten Grundsätzen der Vereinigten Nationen steht ; (ii) von der Organisation als «zufriedenstellend» angesehene Einwände politischer Natur, wie dies in Ziffer 8 a *) des von der Generalversammlung am 12. Februar 1946 angenommenen Berichtes der Dritten Kommission der Generalversammlung vorgesehen ist; (iii) im Falle von Personen der unter Ziffer l a und l c von Abschnitt; A erwähnten Kategorien: zwingende familiäre Gründe, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, oder zwingende Invaliditäts- oder Krankheitsgründe, ö. Als «genügende Informationen» werden normalerweiße anerkannt: Informationen über die Bedingungen in den Herkunftsländern der betreffenden Flüchtlinge oder «Displaced Persons», die diesen direkt durch die Vertreter der Kegierungen dieser Länder übermittelt wurden ; diesen Begierungsvertretern werden alle Erleichterungen gewährt, um die Lager und Sammelzentren der Flüchlinge und «Displaced Persons» zu besuchen und ihnen diese Informationen zukommen zu lassen.

2. Was alle die Flüchtlinge betrifft, die unter die Bestimmungen von Ziffer l b, Abschnitt A, dieses Anhanges fallen, so hat sich die Organisation im Sinne des am 16. Februar 1946 vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinigten Nationen angenommenen Beschlusses mit diesen Personen so lange zu befassen, bis das falangistische Begimo in Spanien ein Ende genommen hat.

Sollte dieses Regime durch ein demokratisches abgelöst werden, so müssten diese Personen zur Bechtfertigung ihrer Weigerung, nach Spanien zurückzukehren, zufriedenstellende Gründe vorbringen, die den unter Ziffer l a dieses Abschnittes aufgeführten entsprechen.

Abschnitt D Bedingungen, unter denen die Organisation sich nicht mehr mit Flüchtlingen und «Displaced Persons» gu befassen hat Die Organisation hat sich mit Flüchtlingen und «Displaeed Persons» nicht mehr za befassen: a. wenn sie in ihr Herkunftsland, dessen Gebiet den Vereinigten Nationen angeschlossen ist, zurückgekehrt sind, es sei denn, dass ihr früherer Wohnsitz, an den sie zurückzukehren wünschen, nicht in diesem Lande liegt: oder b. wenn sie eine neue Staatsangehörigkeit erworben haben; oder .*) Ziffer 8 a: «In einer an den Vertreter Belgiens gerichteten Antwort erklärte der Präsident, es verstehe sich, dass die internationale
Organisation darüber entscheiden werde, ob die vorgebrachten Gründe «befriedigend» seien oder nicht, und dass solche Einwände selbstverständlich politischer Natur sein könnten. »

141 c. wenn sie sich nach Ansicht der Organisation sonstwie fest niedergelassen haben; oder d. wenn sie sich ohne triftigen Grund geweigert haben, die Vorschläge der Organisation betreffend ihre Neuniederlassung oder Heimschaffung anzunehmen; oder e. wenn sie keine ernsthaften Anstrengungen unternehmen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, obwohl sie die Möglichkeit dazu hätten, oder wenn sie die ihnen von der Organisation geleistete Hilfe missbrauchen.

Teil II Personen, mit denen die Organisation sich nicht zu befassen hat 1. Kriegsverbrecher, Quislinge und Verräter.

2. Alle anderen Personen, von denen .erwiesen ist: a. dass sie dem Feind bei der Verfolgung der Zivilbevölkerung der Länder.

die Mitglieder der Vereinigten Nationen sind, Hilfe geleistet haben; oder 6. dass sie seit Beginn des zweiten Weltkrieges freiwillig den feindlichen Streitkräften bei ihren Operationen gegen die Vereinigten Nationen Hilfe geleistet haben *).

8. Verbrecher des gemeinen Hechts, die unter die Bestimmungen der Auslieferungsverträge fallen.

4. Personen, die vom ethnischen Standpunkt aus deutschen Ursprungs sind (deutsche Staatsangehörige oder Angehörige deutscher Minderheiten in anderen Ländern), die: a. von andern Ländern nach Deutschland gebracht werden können oder schon gebracht wurden; &. während des zweiten Weltkrieges aus Deutschland nach anderen Ländern evakuiert wurden ; o. aus Deutschland geflüchtet oder als Flüchtlinge dorthin zurückgekehrt sind oder ihren Wohnsitz verlassen haben, um sich nach Ländern aussei> halb Deutschlands zu flüchten und zu vermeiden, in die Hände der Alliierten uu fallen.

5. Personen, die vom Lande, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, finanziell unterstützt oder geschützt werden, es sei denn, dass dieses Land um internationalen Beistand zu ihren Gunsten ersucht.

*) Blosse Fortführung normaler .und friedlicher Betätigung ohne die Absicht, dem Feind gegen die Alliierten oder gegen die Zivilbevölkerimg feindbesetzter Gebiete Hilfe zu leisten, soll nicht als «freiwillige Hilfeleistung» angesehen werden. Dies gilt auch für Handlungen im Dienste allgemeiner Menschlichkeit, wie Beistand für Verwundete und Sterbende, es sei denn, dass- solche dem Feind geleisteten Dienste alliierten Staatsangehörigen Verweigert wurden, \vo es möglich gewesen wäre, solche Dienste zu leisten.

142

6. Personen, die seit der Beendigung der Feindseligkeiten des zweiten Weltkrieges : a. irgendeiner Organisation angehört haben, deren Ziel unter anderem der gewaltsame Sturz der Begierung ihres Herkunftslandes war, sofern dieses den Vereinigten Nationen angehört, oder der gewaltsame Sturz der Regierung eines anderen Mitglieds der Vereinigten Nationen, oder die irgendeiner terroristischen Organisation angehört haben; b. Führer von Bewegungen geworden sind, die der Eegierung ihres Herkunftslandes feindlich gesinnt sind, sofern dieses Mitglied der Vereinigten Nationen ist, oder die an der Spitze von Bewegungen gestanden haben, die den Flüchtlingen anrieten, sich nicht in ihr Herkunftsland zurückzubegeben; e. im Augenblick, da sie die Organisation um Hilfe angehen, in militärischen oder zivilen Diensten eines ausländischen Staates stehen.

Anhang II Budget und Beiträge für das erste Finanzjahr 1. Das provisorische Budget für das erste Finanzjahr beträgt 4800000 amerikanische Dollar für Verwaltungsausgaben, 151 060 500 Dollar für die Hilfstätigkeit (mit Ausnahme der Ausgaben für Wiederansiedlung im grossen) und 5 000 000 Dollar für Ausgaben für Wiederansiedlung im grossen. Jeder nicht ausgegebene Betrag unter diesen Bubriken soll als Übertrag in der entsprechenden Eubrik des Budgets des nächsten Finanzjahres figurieren.

2. Diese Summen (mit Ausnahme der Ausgaben für Wiederansiedlung im grossen) sollen von den Mitgliedern nach folgendem Schema geleistet werden: A. Ausgaben für Verwaltung Traini

Afghanistan Ägypten Argentinien Äthiopien . . . . . . . . . .

Australien Belgien Bjelorussische sozialistische Sowjetrepublik Bolivien Brasilien Chile.

China Costa-Bica .

Prozentsatz

0,05 0,79 1,85 0,08 1,97 1,85

Lanci

Prozentsatz

Cuba 0,29 Dänemark 0,79 Dominikanische Eepublik . . 0,05 Ecuador 0,05 El Salvador 0,05 Frankreich 6,00 Griechenland 0,17 0,22 Guatemala . .

0,05 0,08 Haiti 0,04 1,85 Honduras 0,04 0,45 Indien 3,95 6,00 Iran . 0,45 0,04 Irak 0,17

143 Land

Prozentsatz

Island . . . . . . . . . . . 0,04 Jugoslawien 0,33 Kanada 3,20 Kolumbien 0,37 Libanon 0,06 Liberia 0,04 Luxemburg 0,05 Mexico. . . 4 .

0,63 Neuseeland 0,50 Nicaragua 0,04 Niederlande 1,40 Norwegen 0,50 Panama 0,05 Paraguay 0,04 Peru. .'

0,20 Philippinische Eepublik . . . 0,29

Land

·

Prozentsatz

Polen Saudi-Arabien Schweden Südafrikanische Union. . . .

Syrien Türkei Ukrainische sozialistische Sowjetrepublik Union der sozialistischen Sowjetrepubliken Tschechoslowakei Uruguay Venezuela Vereinigtes Königreich. . . .

Vereinigte Staaten von Amerika

0,95 0,08 2,35 1,12 0,12 0,91.

0,84 6,34 0,90 0,18 0,27 11,48 39,89

B. Ausgaben für die Hilfstätigkeit (Mit Ausnahme der Ausgaben für Wiederansiedlung im grossen) Land

Prozentsatz

Afghanistan 0,03 Ägypten 0,68 Argentinien 1,50 Äthiopien 0,07 Australien 1,76 Belgien 1,00 Bjelorussische sozialistische Sowjetrepublik 0,16 Bolivien 0,07 Brasilien : 1,50 Chile 0,39 China .2,50 Costa-Bica . . . . . . . . . 0,02 Cuba 0,24 Dänemark 0,68 Dominikanische Republik . . 0,04 Ecuador 0,04

El Salvador Frankreich

0,03 4,10

Griechenland . . . . . . . . 0,15 Guatemala 0,04

Land

.

Prozentsatz

Haiti 0,02 Honduras 0.02 Indien 3,66 Iran 0,39 Irak . 0,15 Island 0,02 Jugoslawien .

0,28 Kanada 3,50 Kolumbien 0,82 Libanon 0,05 Liberia 0,02 Luxemburg 0,04 Mexico 0,54 Neuseeland 0,44 Nicaragua 0,02 Niederlande 0,90 Norwegen 0,44 Panama 0,04 Paraguay 0,02 Peru 0,17 Philippinische Republik . . . 0,24

144 Land

Prozentsatz

Polen Saudi-Arabien Schweden Südafrikanische Union. . . .

Syrien . , Türkei............

Ukrainische sozialistische ; Sowjetrepubliken

Land

Prozentsatz

0,61 Union der sozialistischen Sow0,07 Jetrepubliken .

4,69 3,20 Tschechoslowakei 0,80 1,00 Uruguay 0,15 0,10 . Venezuela 0,23 0,88 Vereinigtes K ö n i g r e i c h . . . . 14,75 Vereinigte Staaten von Amerika 15,75 0.62 Neue Mitglieder. . . . . . . 1,92

8. Die Beiträge an die Ausgaben für Wiederansiedlung im grossen werden durch die Bestimmungen von Artikel 10, Ziffer 4. dieser Verfassung festgesetzt.

Anhang III

Die von der Generalversammlung am 12. Februar 1946 angenommene Empfehlung (Dokument A/45) Die Generalversammlung, in der E r k e n n t n i s , dass das Problem der Flüchtlinge und der «Displaced Persons» aller Kategorien von äusserster Dringlichkeit ist, und in Erkenntnis der Notwendigkeit, eine klare Unterscheidung zwischen den eigentlichen Flüchtlingen und «Displaced Persons» einerseits und den Kriegsverbrechern, Quislingen und Verrätern, von denen im folgenden Absatz d die Bede ist, anderseits zu treffen: a. beschliesst, dieses Problem dem Wirtschafts- und Sozialrat zu überweisen, zur gründlichen Prüfung in allen Eichtungen (Punkt 10 der Tagesordnung für seine erste Session) und zur Berichterstattung wahrend des zweiten Teils der ersten Session der Generalversammlung; b. empfiehlt dem Wirtschafts- und Sozialrat, ein Sonderkomitee zu schaffen, das sich mit der Prüfung und der schnellen Ausarbeitung des in Absatz a erwähnten Berichts befasst; c. empfiehlt dem Wirtschafts- und Sozialrat, sich hiebei auf die folgenden Grundsätze zu stützen: (i) dieses Problem ist seinem Wesen und seiner Tragweite nach international; (ii) keine Flüchtlinge und keine «displaced Persons», die in aller Freiheit und nach gründlicher Kenntnisnahme von der Lage und den Auskünften der Regierung ihres Herkunftslandes endgültig mit zufriedenstellenden Gründen erklären, nicht dorthin zurückzukehren, und die

145 nicht unter die Bestimmungen des nachfolgenden Absatzes d fallen, werden zur Rückkehr in ihr Herkunftsland gezwungen. Mit der Zukunft dieser Flüchtlinge oder «Displaced Persons» soll sich dio internationale Organisation befassen, die auf Grund des in Absatz a und b vorstehend erwähnten Berichtes anerkannt oder geschaffen werden kann, es sei denn, die Regierung des Aufenthaltslandes dieser Personen habe mit dieser Organisation eine Vereinbarung getroffen, gemäss der das Aufenthaltsland alle Unterhaltskosten und die Verantwortung für den Schutz dieser Personen übernimmt; (iii) die Hauptaufgabe betreffend die «Displaced Persons» besteht darin, sie zu einer baldigen Rückkehr nach ihrem Ursprungsland zu ermutigen und ihnen dabei mit allen möglichen Mitteln beizustehen. Dieser Beistand kann im Abschhise von bilateralen Abkommen über die gegenseitige Hilfe bei der Heimschaffung solcher Personen bestehen, unter Berücksichtigung der im Absatz e (ii) festgelegten Grundsätze ; d. ist der Ansicht, dass keine in Anwendung dieser Empfehlung vorgenommene Handlung die Auslieferung und die Bestrafung der Kriegsverbrecher, Quislinge und Verräter gemäss den gegenwärtigen oder zukünftigen internationalen Abkommen und Vereinbarungen in irgendeiner Weise beeinträchtigen darf; e. ist der Ansicht, dass die Deutschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland gebracht wurden oder vor den alliierten Truppen nach anderen Ländern geflohen sind, nicht unter die Bestimmungen dieser Empfehlung fallen, sofern ihre Lage durch die alliierten Besetzungstruppen in Deutschland im Einvernehmen mit den Regierungen der betreffenden Länder geregelt werden kann.

146 Beilage 2

Beschluss über

die Beteiligung von Staaten, die nicht Mitglieder der Organisation der Vereinigten Nationen sind, an der Internationalen Flüchtlingsorganisation (vom Generalrat angenommen am 24. September 1948)

Der Generalrat der Internationalen Flüchtlingsorganisation, auf Grund der Bestimmungen von Artikel 4, Ziffer l, der Verfassung, nimmt Kenntnis von den Erklärungen, durch die die Eegierungen Italiens und der Schweiz ihr Interesse bekunden für die Bedingungen, unter denen sie der Organisation beitreten könnten, nach Annähme der Empfehlung des Exekutivkomitees durch einstimmigen Beschluss vom 24. September 1948, drückt seine Genugtuung aus über das ermutigende Interesse, das diese Länder, die den Flüchtlingen und «Displaced Persona» schon eine wirksame Hilfe angedeihen Hessen, der Tätigkeit der Organisation entgegenbringen, und richtet die Einladung an die Eegierungen Italiens und der Schweiz, so bald wie möglich, in Anwendung der Artikel 4 und 18 der Verfassung und gemäss ihrem eigenen verfassungsrechtlichen Verfahren Mitglieder der Internationalen Flüchtlingsorganisation zu werden.

147 Beilage 2

Beschluss über

die Beiträge der neuen Mitglieder für das zweite Finanzjahr (vom Generalrat angenommen am 24. September 1948)

Der G e n e r a l r a t der Internationalen Flüchtlingsorgauisation, nachdem er, in seiner Eesolution Nr. 23 vom 24. September 1948, da* Budget für das zweite Finanzjahr sowie dessen Verteilung unter die Mitglieder angenommen hat, in der Erkenntnis, dass der Organisation zur wirksamen Erfüllung ihrer Aufgaben neue Mitglieder beitreten müssen, die proportionell die gleichen finanziellen Verpflichtungen wie die gegenwärtigen Mitglieder übernehmen, beschliesst : 1. Die Beiträge der neuen Mitglieder, die in Anhang II der Verfassung aufgeführt sind, werden im Vergleich zu den Beiträgen der gegenwärtigen Mitglieder in demjenigen Verhältnis festgesetzt, das bereits in dem erwähnten Anhang II bestimmt ist.

2. Die Beiträge der neuen Mitglieder, die durch die Eesolution· Nr. 27 des Greneralrates zum Beitritt zur Organisation eingeladen wurden, aber im Anhang II nicht aufgeführt sind, werden im Verhältnis zu den Budgets und xu den im Anhang II enthaltenen Prozentsätzen gemäss folgenden Prozentsätzen berechnet : Italien Schweiz

Verwaltungäausgaben

Ausgaben für die Hilfstätigkcit

2,40 1,30

2,2T 1,10

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Beitritt der Schweiz zur Internationalen Flüchtlingsorganisation (IRO) (Vom 19. Januar 1949)

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1949

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

03

Cahier Numero Geschäftsnummer

5525

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

20.01.1949

Date Data Seite

101-147

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10 036 509

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