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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Verweigerung der Konzession für eine Zahnradbahn von der Papierfabrik Enge zum Kolbenhof und beziehungsweise Utokulm.

(Vom 5. Juni 1890.)

Tit.

Mit Eingabe vom 14. Oktober 1889 stellte Herr Dr. B. W u h r in an n in Hottingen-Zürich folgende Gesuche: 1) es möge der U e b e r t r a g u n g der Herrn A.Landry unterm 23. Dezember 1887 ertheilten K o n z e s s i o n auf den Petenten zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Genehmigung des Bundes ertheilt werden; 2) es sei dem Gesuchsteller zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die K o n z e s s i o n zum Bau und Betrieb einer Zahnradbahn von der P a p i e r f a b r i k E n g e bis zum K o l b e n h o f zu ertheilen ; 3) es sei der Gesuchsteller, beziehungsweise die sieh konstituirende Aktiengesellschaft zur A b ä n d e r u n g des B e t r i e b s s y s t e m s der konzessionirten Linie K o l benhof-Uet l i b e r g , d. h. zum Bau und Betriebe einer Zahnradbahn KolbenhofUtokulm als Fortsetzung der zu konzessionirenden Strecke Papierfabrik-Kolbenhof zu ermächtigen; 4) es sei dem Gesuchsteller zu Händen der nämlichen Aktiengesellschaft die K o n z e s s i o n zum Bau und Betriebe einer Pferdestraßenbahn von der S e e a u - E n g e (anschließend an das bestehende Netz der Zürcher Straßenbahngesellschaft.) bis zur P a p i e r f a b r i k E n g e zu ertheilen.

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Der Eingabe waren eine Anzahl von technischen Beilagen beigegeben, welche später noch im Sinne der Art. \ -- 6 der Verordnung zum Eisenbahngesetz ergänzt wurden.

Das unter Ziff. 4 genannte Konzessionsgesuch für eine Straßenbahnlinie Seeau-Enge bis Papierfabrik wurde später zurückgezogen, mit Rücksicht darauf, daß die Zürcher Straßenbahngesellschaft die Erstellung der betreffenden Strecke in Aussicht genommen und bereits zur Konkurrenz ausgeschrieben hatte.

Die zur Vernehmlassung eingeladene Regierung von Zürich sprach sich, nachdem noch zuvor auf ihre Veranlassung über das Verhältniß der vorliegenden zu früher im Namen des Herrn Landry von anderer Seite angebrachten, zum Theil identischen Gesuchen die erforderliche Aufklärung einverlangt worden war, in nachstehender Weise aus.

,,Beim Entscheide über die Frage, ob die nachgesuchte Konzession zu ertheilen sei oder nicht, komme in erster Linie die Bedürfnißfrage in Betracht. Diesfalls sei zu sagen, daß eine zweite Bahn insofern kein Bedürfniß sei, als die bestehende den Verkehr jederzeit zu bewältigen vermochte. Dagegen sejen die Taxen der bestehenden Bahn derart, daß dieselbe nicht mit Unrecht ein Verkehrsmittel ausschließlich für Fremde und Reiche genannt werde.

In dieser Beziehung wäre die neue Bahn mit ihren billigen Taxen vom großen Publikum, namentlich vom einheimischen, durchaus zu begrüßen, und sei nicht daran zu zweifeln, daß dieselbe eine unverhältnißmäßig größere Frequenz aufzuweisen hätte, als die bestehende Bahn.

Diese größere Frequenz könnte sich die letztere ohne Zweifel auch sichern durch eine erhebliche Reduktion der Fahrtaxen. Wie ihr, der Regierung, mitgetheilt werde, stehe eine solche Reduktion in naher Aussicht. Unter diesen Umständen halte sie dafür, daß auf das Konzessionsgesuch zur Zeit nicht eingetreten werde, in Gewärtigung der Entschließungen der bestehenden Bahngesellschaft mit Bezug auf Reduktion ihrer Taxen."

Mit ihrer Vernehmlassung übermittelte die Regierung von Zürich gleichzeitig eine Eingabe der Uetlibergbahn, in welcher gegen Konzessionirung der Konkurrenzlinie Protest erhoben wird und von welcher hienach noch eingehender die Rede sein wird, sowie ferner eine Eingabe von 76 Bewohnern von Uitikon und Umgebung, welche, in der Befürchtung, es möchte nach Erstellung einer zweiten Uetlibergbahn die der dortigen Gegend vorzügliche Dienste leistende Haltestelle Waldegg der bestehenden Bahn eingehen, ebenfalls gegen das neue Projekt Stellung nehmen.

249 Unser ÌEisenbahndepartement gab auch der Direktion der bei der Frage offensichtlich in hohem Maße interessirten Uetlibergbahn von den Begehren des Herrn Dr. Wuhrmann Kenntniß, um derselben Gelegenheit zur Anbringung allfälliger Bemerkungen zu geben.

Infolge dessen richtete im Auftrag der Uetlibergbahn Herr Advokat Pfenninger in Zürich unterm 14. November vorigen Jahres eine einläßlich gehaltene Vorstellung an das Eisenbahndepartement, welcher er am 28. gleichen Monats eine weitere fachmännische Erörterung in gleichem Sinne folgen ließ.

In der Vorstellung vom 14. November 1889 wird zunächst bemerkt, daß die Uetlibergbahn, als es sich im Jahr 1887 um die Konzessionirung des Projektes einer Drahtseilbahn vom Kolbenhof auf den Uetliberg handelte, keine eigentlich ablehnende Haltung einnahm, weil sie jenes, des Anschlusses an ein bestehendes Eisenbahnnetz entbehrende, den Anfangspunkt circa l Stunde von der Stadt entfernt verlegende Projekt nicht für lebensfähig und also auch gar nicht als Konkurrenzprojekt betrachtete. In der nunmehrigen Form aber, mit der Erweiterung auf eine durchgehende Zahnradbahn von der Papierfabrik Enge (beziehungsweise Seeau) bis Utokulm, stelle sich das neue Unternehmen ganz die gleiche Aufgabe, wie die bestehende Uetlibergbahn, so daß beide reine Konkurrenzbahnen würden. Die Erstellung einer Konkurrenzlinie sei aber durchaus kein Bedüi-fhiß, indem die Uetlibergbahn allen Anforderungen des Verkehrs a l l e i n vollständig genügen könne, während der Bau einer zweiten Bahn auf den Uetliberg mit Nothwendigkeit zum Ruin der bestehenden Bahn führen müßte. Der Selbsterhaltungstrieb zwinge daher letztere, gegen das Projekt Wuhrmann Front zu machen, welches den Charakter einer reinen Spekulation trage. Die Eingabe bezieht sich schließlich auf die in dem analogen Falle der Konzessionsbewerbung für eine Drahtseilbahn Weggis-Rigikänzeli im Dezember 1888 von der Bundesversammlung getroffene Entscheidung.

In der zweiten Eingabe wird auf die in Betracht kommenden Verhältnisse noch näher eingetreten und der Nachweis unternommen, o. daß die Erbauung einer zweiten Eisenbahn auf den Uetliberg mit unvermeidlicher Konsequenz zum gänzlichen Ruin der seit 1874 bestehenden Uetlibergbahn führen müßte, daß aber bei Annahme der vorgeschlagenen Taxen aller Voraussicht nach auch der Betrieb der
neuen Linie ein namhaftes Defizit ergeben würde ; 6. daß eine kürzere Fahrzeit, an welche das Gesuch glauben machen wolle, durch die neue direkte, Linie nicht erzielt

250 würde, im Gegentheil die bestehende Uetlibergbahn den Weg in kürzerer Zeit zurücklege: c. daß das Bedürfnis für eine zweite Bahn mit. dem Hinweis auf zu hohe Taxen der Uetlibergbahn sich nicht begründen lasse, indem letztere den Lokalinteressen im weitgehendsten Maß« entgegenkomme durch Gewährung einer ganzen Reihe von Vergünstigungen, wozu unter Anderm auch die Bedienung der Zwischenstationen Wiedikon und Waldegg zu zählen sei; d. daß durch die Erstellung einer zweiten Bahn auf den Uetliberg die Betriebssicherheit sowohl der bestehenden, als auch speziell der neuen Linie in hohem Grade gefährdet würde, indem jene nicht mehr im Falle wäre, den Erneuerungsfonds zu speisen und sich bezüglich des Unterhalts im Interesse von Ersparnissen auf das Allernothwendigste beschränken müßte, während die neue Linie auf dem denkbar ungünstigsten Terrain auszuführen und daher steter Gefährdung ausgesetzt wäre.

Es handelt sich hier, wie von der Uetlibergbahn mit Recht geltend gemacht wird, um einen ganz analogen Fall, wie bei den Konzessionsgesuchen für zwei neue von Weggis ausgehende Rigibahnen und das in der Botschaft betreffend Verweigerung der Konzession für eine Drahtseilbahn von Weggis nach Rigi-Känzeli, vom 3. Dezember 1888 (Bundesbl. 1888, IV, 923 ff.), Gesagte findet daher auf den vorliegenden Fall entsprechende Anwendung.

Hier ebenso wenig wie dort kommt ein wirkliches Verkeil rsbedürfniß in Frage, das die neue Zahnradbahn zu befriedigen hatte; denn es kann, wie auch die Regierung von Zürich annimmt, keinem begründeten Zweifel unterliegen, daß die bestehende Bahn auf den Uetliberg den gegenwärtigen und noch weit größeren Anforderungen des Verkehrs allein zu genügen im Stande ist. Vielmehr hat man wieder einen Versuch der Spekulation vor sich, einem bestehenden Bahnunternehmen einen Theil seines Verkehrs durch Taxunterbietung zu entziehen und für sich auszubeuten. Daß aber durch den Entzug auch nur eines geringen Theiles ihres bisherigen Verkehrs die bestehende Bahn , deren Betriebsergebnisse erst pro 1888 und 1889 die Ausrichtung einer bescheidenen Dividende von l % erlaubten, ruinirt würde, bedarf keines genauem Nachweises. Auf der ändern Seite bleibt es auch hier zum Mindesten fraglich, ob der so abgeleitete und der etwa hinzukommende neue Verkehr die Existenzfähigkeit der Zahnradbahn zu begründen
vermöchte; die bezüglichen Auseinandersetzungen der Verwaltung der Uetlibergbahn lassen es höchst unwahrscheinlich erscheinen und vielmehr ein beträchtliches Betriebsdefizit voraussehen. Es

251 könnte also auch hier möglicherweise die Konkurrenz zum Ruin b e i d e r Unternehmungen führen. Unter allen Umständen aber würde zwischen den das gleiche Verkehrsgebiet bedienenden und ganz den nämlichen Zweck verfolgenden Bahnunternehmuogen ein erbitterter Konkurrenzkampf entstehen, unter welchem nothwendig Unterhalt und Sicherheit des Betriebes heider Bahnen h idea und der schließlich mit dem Ruin wen gstens der e i n e n derselben und der wirtschaftlichen Vernichtung des darauf verwendeten Kapitals endigen müßte. Einem solchen Treiben der Spekulation ist es Pflicht der Bundesbehörden, im vorliegenden Falle wie bei jenen neuen Rigibahnen, entgegenzutreten, und es kann dies um so eher geschehen, als eventuell auf anderem Wege der einzige aus der Konkurrenz für das Publikum erwachsende Vonheil ebenfalls erreicht werden kann.

Dieser einzige Vortheil und zugleich der alleinige Umstand, der sich überhaupt zu Gunsten des neuen Projektes anführen läßt, besteht darin, daß Herr Wuhrmaun für seine Zahnradbahn billigere Taxen vorsieht, als sie zur Zeit von der Uetlibergbahn bezogen werden. Die Taxen betragen nämlich : Nach Bei der Uetlibergbahn Projekt Wuhrmaun.

I. Kl.

II. Kl.

I. Kl.

II. Kl.

Fr.

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Fr.

Für Personen: Bergfahrt 3. 50 2. -- 1. 50 --. «0 ,, ,, Thalfahrt 2. 50 1. 50 1. -- --. 50 Hin- und Rückfahrt . . 5. -- 3. -- 2. -- 1. -- Deßhalb hält die Regierung von Zürich dafür, daß die bestehende Bahn vom Petenten, welcher damit sein Gesuch zu rechtfertigen sucht, nicht mit Unrecht ein Verkehrsmittel ausschließlich für Fremde und Reiche genannt werde und daß die neue Bahn mit ihren billigen Taxen vom großen Publikum, namentlich vorn einheimischen, durch-\ aus zu begrüßen wäre und nicht daran zu zweifeln sei, daß dieselbe eine unverhältnißmäßig größere Frequenz .aufzuweisen hätte, als die betriebene Bahn, welche sich indessen diese größere Frequenz ohne Zweifel auch sichern könnte durch eine erhebliche Reduktion der Fiihrtaxen. Da eine solche dem Vernehmen nach in naher Aussicht steht, so ist die Regierung der Ansicht, es sei auf das Kon/essionsgesuch zur Zeit nicht einzutreten, in Gewärtigung der Entschließungen der bestehenden Bahngesellschaft mit Bezug auf Reduktion ihrer Taxen.

, Wir stimmen diesem Antrage zu und theilen die Ansicht, daß es nicht gerechtfertigt wäre, die verlangte Konzession für eine Konkurrenzbahn ohne Weiteres zu ertheilen und ein bestehendes

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Bahnunternehmen, das bisher bestrebt war, der ihm zufallenden Aufgabe zu genügen, und zwar ohne selbst dabei zu lukriren, dem Untergang zu überantworten, blos aus dem Gründe, weil der neue Bewerber niedrigere Taxen vorsieht. Denn vor Allem fragt es sich, ob überhaupt die von Herrn Wuhrtnann vorgeschlagenen Taxen als ernstgemeinte und auf die Dauer haltbare angesehen werden können oder ob nicht vielmehr die Absicht zu Grunde liegt, zunächst durch Taxunterbietung die bestehende Unternehmung zu ruiniren, und dann, nachdem die Konkurrenz beseitigt, die dem Publikum gebotenen Erleichterungen abzuschaffen und soweit möglich die Taxen wieder hinaufzuschrauben. Ferner ist nicht außer Acht zu lassen, daß es sich doch wesentlich blos um eine Luxusbahn handelt und daß in einem solchen Falle, wo zumeist die Annehmlichkeit und kein nothwendiges Bedürfniß der Bevölkerung im Spiele ist, die Taxfrage ungleich weniger Bedeutung hat, als bei einer Bahn, welche den Interessen des allgemeinen Verkehrs zu dienen hat. Jedenfalls aber sind über die Frage der Taxreduktion zunächst die zu gewärtigenden Vorschläge der Uetlibergbahn abzuwarten. Sollte es sich dann erzeigen, daß von ihr im Interesse der einheimischen Bevölkerung, zu deren Gunsten immerhin schon Manches geschieht, billigerweise noch weitere Vergünstigungen oder eine allgemeine Reduktion der im Jahr 1883 (B. A. S. VII, 129 ff.)

bewilligten Taxen verlangt werden sollten, so ist die Möglichkeit, die Uetlibergbahn hiezu zu veranlaßen, bei Nichteintreten auf das Konzessionsgesuch für die Zahnradbahn keineswegs aus der Hand gegeben. Es steht alsdann den Bundesbehörden immer frei, auf das heute in Rede stehende Konzessionsgesuch zurückzukommen.

Indern wir Nichteintreten auf die vorliegenden Gesuche des Herrn Dr. Wuhrmann beantragen, benutzen wir. den Anlaß zu erneuter Versicherung vollkommener Hochachtung.

B e r n , den 5. Juni

1890.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

L. Bnchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

253 (Batwurf)

Bundesbeschluß betreffend

Verweigerung der Konzession für eine Zahnradbahn von der Papierfabrik Enge zum Kolbenhof und beziehungsweise Utokulm.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) eines Gesuches des Herrn Dr. E. Wuhrmann in HottingenZürich, vom 14. Oktober 1889 ; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 5. Juni 1890, b e s c h l i e ß t: 1. Auf die Gesuche des Herrn Dr. E. Wuhrmann um a. Uebertragung auf ihn und gleichzeitige Abänderung der Konzession für eine Drahtseilbahn vom Kolbenhof auf den Uetliberg, vom 23. Dezember 1887 (E. A. S. IX, 419 ff.), im Sinne der Ersetzung durch eine Zahnradbahn ; 6. Ertheilung der Konzession für eine Zahnradbahn von der Papierfabrik Enge bis zum Kolbenhof (mit Portsetzung bis Utokulm), wird nicht eingetreten.

2. Der Bundesrath ist mit dem Vollzuge des gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. III.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Verweigerung der Konzession für eine Zahnradbahn von der Papierfabrik Enge zum Kolbenhof und beziehungsweise Utokulm. (Vom 5. Juni 1890.)

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1890

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14.06.1890

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