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Aus denVerhandlungen des Schweiz, Bundesrathes, (Vom 4. November 1890.)

Der Bundesrath hat den Rekurs der pharmazeutischen Gesellschaft des Kantons Tessin vom 6. Mai dieses Jahres (gegen Art. 37 des tessinischen Sanitätsgesetzes vom 26. November l888), betreffend Anerkennung fremder Apothekerdiplome, auf Grund folgender Erwägungen abgewiesen : 1. Nach Art. 59, Ziffer 8, des Bundesgesetzes vorn 27. Juni 1874 über die Organisation der Bundesrechtspflege ist die Beurtheilung von Beschwerden über die Anwendung der in den Art. 25, 33, 34, 39, 40 und 69 B.-V. vorgesehenen Bundesgesetze dem Bundesrath bezw. der Bundesversammlung unterstellt. Eines dieser Bundesgesetze ist dasjenige vom 19. Dezember 1877, betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweiz. Eidgenossenschaft, das ia Ausführung von Art. 33, Lemma 2, B.-V. erlassen worden ist, und auf das sich die pharmazeutische Gesellschaft des Kantons Tessin zur Unterstützung ihres Klagebegehrens beruft. Der Bundesrath hat demnach die vorliegende Beschwerde zu prüfen und nach Maßgabe jenes Art. 59 za erledigen.

2. Die Beschwerdeführerin findet ihren Klagepunkt darin, daß das Sanitätsgesetz des Kantons Tessin vom 26. November 1888 (Art. 37) neben den mit dem eidg. Diplom verseheneu Medizinalpersonen auch noch andere, speziell Apotheker, die bloß mit auswärtigen Fähigkeitsausweisen versehen sind, zur freien Berufsausübung im dortigen Kantonsgebiet zuläßt, und erblickt hierin eine Verletzung der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1877, betreffend die Freizügigkeit des Meciizinalpersonals in der Schweiz. Eidgenossenschaft.

Es ist nun anzuerkennen, daß die Beschwerde in faktischer Beziehung nicht unbegründet ist. Art. 37 des tessinischen Sanitätsgesetzes begründet unter den gegenwärtigen Umständen, wo die schweizerischen Medizinaldiplome von keinem auswärtigen Staate anerkannt werden, eine starke Begünstigung der Fremden gegenüber den Einheimischen. Insbesondere kann durch die Art und Weise der Ausführung jenes Gesetzesartikels der im Kanton Tessin ansäßige Apothekerstand schwer geschädigt werden. Der Bundesrath

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wird denn mich beim geeigneten Anlaß darauf Bedacht nehmen dem Uebelstand von Bundes wegen vorzubeugen.

Angesichts des Art. 33 der dermaligen Bundesverfassung aber muß die Anschauungsweise der Petentin als eine unrichtige bezeichnet werden. Der erste Absatz dieses Artikels läßt es den Kantonen anheimgestellt, die Ausübung der wissenschaftlichen Berufsartun von einem Ausweise der Befähigung abhängig zu macheu oder nicht, und verfügt dann im zweiten Absatz, daß die Bundesgesetzgebung dafür zu sorgen habe, daß derartige Ausweise für das ganze Gebiet der Eidgenossenschaft gültig erworben werden können.

Das von der Beschwerdeführerin angerufene Bundesgesetz von 1877 kündet sich in seiner Eingangsformel ausdrücklich als eine Ausführung dieses zweiten Absatzes an und regelt denn auch ausschließlich die Frage, auf welche Voraussetzungen hin für die ganze Eidgenossenschaft gültige Medizinaldiplome zu verabfolgen seien.

Es kann demnach aus diesem Bundesgesetz niemals eine Interpretation oder eine Einschränkung jenes ersten Absatzes des Art. 33 abgeleitet werden.

3. Wenn daher der tessinische Gesetzgeber in Art 37 seines Sanitätsgesetzes verfügt, daß neben den Inhabern eidgenössischer Diplome auch solche Aerzate, Zahnärzte, Apotheker und Veterinäre im Kauton Tessin zur Berui'sausübung zuzulassen seien, welche ein in gesetzmäßiger Weise von der Universität oder Schule eines fremden Staates erworbenes Diplom besitzen, das sie zur freien Berufsausübung in dem Staate berechtigt, in dem sie es erworben haben, so hat er dadurch nichts der Bundesverfassung oder der Bundesgesetzgebung Zuwiderlaufendes aufgestellt. Den Bundesbehörden fehlt daher die Kompetenz, jenen Art. 37 anzugreifen.

(Vom 11. November 1890.)

Das königlich niederländische Generalkonsulat hat dem Bundesrath zur Kenntniß gebracht, daß, mit Rücksicht auf die im Gesundheitszustand des Königs Wilhelm III. eingetretene Verschlimmerung, der Staatsrath des Königreichs vom 30. Oktober an neuerdings mit der Ausübung der königlichen Gewalt hat betraut werden müssen und daß er diese bis zur Einsetzung einer Regentschaft ausüben werde.

Der Bundesrath hat sein tiefes Bedauern, welches er anläßlich der Nachricht über den Rückfall des Königs empfunden, sowie seine aufrichtigen Wünsche für baldige und vollständige Genesung ausgesprochen.

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Dem Kanton Graubünden wird für die Wiederherstellung der großen Thalsperre im Surleibach bei Silvaplana (Kostenvoranschlag Fr. 10,000) ein Bundesbeitrag von 40 °/o zugesichert.

Herr Oberpostdirektor Höhn wird beauftragt und bevollmächtigt,
An Stelle des verstorbenen Herrn Jean H o h l wird zum Schweiz. Konsul in Barcelona Herr Georg S y z , von Zürich, Kaufmann in Barcelona, ernannt.

Der Bank in Zürich wird unter der laut Art. 12, litt, b, des Banknotengesetzes zu leistenden Deckung durch das Wechsel portefeuille die Erhöhung der Notenemission von Fr. 16,000,000 auf Fr. 20,000,000 bewilligt.

Den Regierungen der beim Uebereinkommen vom 4. Juni 1878*), betreffend den Austausch von Geldanweisungen, sowie beim Nachtragsakt, d. d. Lissabon 21. März 1885**), betheiligten Staaten wird von dem von der Türkei mit Note vom 27 Mai / 5. Juni auf 1. Januar 1891 erklärten Beitritt zu diesen Uebereinkommen Kenntniß gegeben.

Es sind denselben nunmehr außer der Schweiz folgende Staaten beigetreten: Argentinien, Belgien, Bulgarien, Chili, Dänemark, Deutschland, Egypten, Frankreich, Japan, Italien, Luxemburg, Niederlande, Oesterreich - Ungarn, Portugal, Rumänien, Salvador, Schweden und Norwegen, Tunis und Türkei.

Der Bundesrath hat die Uebereinkunft betreffend die Bildung ·eines internationalen Verbandes für Publikation der Zolltarife, d. d.

Brüssel 5. Juli 1890, genehmigt.

*) A. S. n. P. III, 728.

**) A. S. n. F. IX, 166.

Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. IV.

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(Vom 15. November 1890.)

Die Versöhnungskonferenz in der Tessiner Angelegenheit hat sich Donnerstag Morgen um 9 Uhr hier versammelt. Es waren anwesend : Von Seite des Bundesrathes : die Herren Ruchonnet, Droz und Hammer, sowie Herr Leo Weber vom eidg. Justiz- und Polizeidepartement ; von Seite der Liberalen : die Herren Stoppani, Censi und Gabuzzi; von Seite der Konservativen: die Herren Soldati, Volonterio und Pedrazzini.

Die Abordnung des Bundesrathes drückte zunächst ihr Bedauern darüber aus, daß man entgegen der nach der letzten Konferenz ausgesprochenen Erwartung noch keine gemischte Regierungernannt habe. Sie vertheilte eine Arbeit des eidg. statistischen Bureau'ss über die Wahlfrage im Kanton Tessiu. Diese Arbeit behandelt unter Anderm ein System der Proportional-Vertretung.

Die bundesräthliche Abordnung sprach sich über den Werth dieses Systems nicht aus, sie ersuchte nur die tessinischen Abgeordneten, dasselbe zu prüfen.

Hierauf fand eine allgemeine Diskussion statt, in welcher die verschiedenen Standpunkte von beiden Seiten erörtert wurden.

In ihrer Sitzung von Donnerstag Naehmittag hat sich die Konferenz mit den Fragen befaßt, welche sieh auf die Volkszählung als Grundlage der Vertretung, auf das Stimmrecht und auf die Aufstellung der Wahllisten beziehen. Die beiderseits abgegebeneu Erklärungen lassen vermuthen, daß mit Bezug auf diese verschiedenen Punkte eine Annäherung nicht unmöglich wäre.

Die Sitzung von Freitag Morgen war der Diskussion über das Wahlsystem und die Wahlkreise gewidmet. Die Abgeordneten der konservativen Partei erklärten, daß sie auf keinen Fall in eine Wiederherstellung der 38 Kreise einwilligen würden, welche bis 1880 bestanden; sie wären jedoch geneigt, die gegenwärtigen Wahlkreise im Sinne einer größern Gleichförmigkeit zu revidiren. Die liberalen Abgeordneten haben in erster Linie die Wiederherstellung der alten Wahlkreise gefordert, welche übrigens auch von der Mehrheit des tessinischen Volkes in der Abstimmung vom 5. Oktober verlangt worden ist; aber sie würden nichts dagegen einwenden, wenn man deren Zahl durch Vereinigung einiger von den kleinsten etwas verringern würde. Was das Wahlsystem anbelangt, so hat sich keine Partei vorbehaltlos zu Gunsten der Proportional Vertretung ausgesprochen, von welcher in der Schweiz noch nach keinem System ein Versuch
gemacht worden ist und welche ziemlich komplizirt zu sein seheint; Mehrere ziehen die limitirte Stimmabgabe vor; indessen wird man beiderseits prüfen, ob hier eine ernsthafte.

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789 Grundlage zur Verständigung vorliegt. Was endlich die Wahlen in den Verfassungsrath betrifft, so ist eine Einigung als unmöglich angesehen worden.

Die bundesräthliche Abordnung erklärte hierauf, daß sie sich verständigen, dem Bundesrathe Bericht erstatten und dann den Abgeordneten schriftlich das Resultat der darüber gepflogenen Berathungen mittheilen werde. Schluß der Konferenz.

"Wahlen.

(Vom 11. November 1890.)

Post- und Eisenbahndepartement.

Postkommis in Solothurn : Herr Karl Walker, von Bellach, Postkommis in Basel.

Posthalter in Fehraltorf: Frau Karolina Frischknecht, von Oetzweil, in Fehraltorf.

Posthalter in Ins: Herr Joh. Theophil Anker, von Ins, Graveur in Bern.

Telegraphist in Bern : Frau Mina Isler-Zubler, von Zell, Gehülfin im Bureau Bern.

Frl. Anna Schmid, von Azenweiler (Thurgau), Aspirant in Bern.

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