#ST#

Schweizerisches Bundesblatt.

42. Jahrgang. II.

Nr. 19.

3. Mai 1890.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Pranken.

Einrüdningsgebühr per Zeile 15 Bp. -- Inserate sind franïo an die Expedition einzusenden.

Druck und Expedition der Stäm/pfli'acken Budidruckerei in Bern.

# S T #

Bericht des

,

Bundesrathes an die Bundesversammlung über

seine Geschäftsführung im Jahr 1889.

VII. Geschäftskreis des Departements des Auswärtigen, I. Abtheilung.

Politische Abtheilung.

I. Beziehungen zum Auslande.

Die Beziehungen der Schweiz zum Auslande waren im Jahre 1889 im Allgemeinen befriedigend und vom gleichen Geiste der Freundnachbarlichkeit und gegenseitigen Zutrauens beherrscht, wie in den vorhergehenden Jahren. Zeitweilig getrübt infolge Verhaftung und Ausweisung eines deutschen Polizeiagenten, wurden unsere Beziehungen zum deutschen Reiche bald wieder die nämlichen, wie sie vor diesem bedauerlichen Zwischenfall gewesen waren.

Durch die Mittheilungen, die wir Ihnen in der Junisession 1889, in Beantwortung der Interpellation Ktinzli (Bundesbl. 1889, III, 651), machten, sowie durch die Veröffentlichung der Note vom 10. Juli 1889, die unser letztes Wort ia dieser Sache war, ist Ihnen die Haltung bekannt geworden, die wir hierbei einnehmen zu sollen Bandesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

26

382

glaubten. Da Sie diese Haltung durchaus und mit voller Kenn!niß der Sachlage gutgeheißen haben, so halten wir es für überflüssig, auf Einzelheiten zurückzukommen. Dagegen dürfen wir nicht verschweigen, daß unsere Aufgabe durch Ihre einmüthige Gutheißung unseres Vorgehens und durch die Unterstützung, die wir beim gesammten Schweizervolke gefunden haben, bedeutend erleichtert worden ist.

Ein Vorfall, der sich am 6. März in Zürich ereignete, brachte die kaiserlich russische Regierung auf die Vermuthung, eä bestehe in der Schweiz eine vollständige nihilistische, gegen das Leben des Czaren und die Institutionen des russischen Reiches Komplotte schmiedende Organisation. Im Geschäftsberichte unseres Justizund Polizeidepartements finden Sie das Ergebniß der diesfalls gepflogenen Untersuchungen; hier beschränken wir uns darauf, zu konstatiren, daß der Meinungsaustausch, der bei diesem Anlaße zwischen Bern und St. Petersburg stattfand, in keiner Weise die sehr guten Beziehungen getrübt hat, welche seit unvordenklicher Zeit zwischen den beiden Regierungen bestehen.

Am 15. November hat eine Revolution die kaiserliche Dynastie in Brasilien gestürzt und die Föderativ-Republik als provisorische Regierungsform der brasilianischen Nation proklamirt. Gleich den meisten andern Staaten haben wir unsern Generalkonsul in Rio de Janeiro ermächtigt, seinen Verkehr mit der republikanischen Regierung fortzusetzen. Die offizielle Mittheilung betreffend den Regierungswechsel in Brasilien ging uns am 20. Dezember zu.

Im Januar hat der General Légitime uns seine Wahl zum Präsidenten der Republik Haïti angezeigt. Die damals in dieser Republik herrschenden Unruhen verhinderten uns, den neuen Präsidenten anzuerkennen. Nach dem Ausbruche des Bürgerkrieges wurde der General Légitime gestürzt und in der Präsidentschaft durch den General Hippolyte ersetzt.

Seine Majestät der König Humbert I. von Italien und sein Sohn, der Prinz von Neapel, sind am 20. Mai durch die Schweiz gereist, um sich nach Berlin zu begeben. Es gereichte uns zu hoher Befriedigung, ihnen die Gastfreundschaft unseres Gebirgslandes anbieten zu können. Die bei diesem Anlaße ausgetauschten Kundgebungen haben gezeigt, daß die Beziehungen der Schweiz zu ihrem südlichen Nachbar im Grunde nichts zu wünschen übrig lassen.

Der Schah von Persien, der uns seinen Besuch auf den Monat August angesagt hatte, änderte im letzten Augenblicke seine Reiseroute und konnte unser Land nicht berühren.

383

Endlich sei hier noch bemerkt, daß verschiedene Mächte uns die Ehre erwiesen, uns in internationalen Fragen das Schiedsrichteramt anzutragen. In unserm nächsten Geschäftsberichte werden wir darauf zurückkommen müssen.

A. Abgeschlossene oder ratifizirte Verträge.

a. Am 18. Juli sind die Ratifikationen des mit der Republik E c u a d o r abgeschlossenen Freundschafts-, Nieder l assungs- und Handelsvertrages in Paris durch die bevollmächtigten Minister der beiden Staaten ausgetauscht worden. (Siehe auch den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements.)

b. Die politische Abtheilung hat an allen Verträgen oder Uebereinkünften mitgearbeitet, welche im Laufe des Berichtjahres abgeschlossen oder ratifizirt wurden und in den Geschäftsberichten anderer Departemente oder anderer Abtheilungen des Departements des Auswärtigen erwähnt sind. Wir zitiren hier namentlich den Niederlassung^- und Handelsvertrag mit dem Unabhängigen Kongostaat und die Handelsverträge mit Italien und Belgien.

B. Erklärungen, Aufklindungen und Modifikationen bestehender Uebereinkünfte, Beitrittserklärungen etc.

a. Die in unserm vorjährigen Geschäftsbericht angeführte Zusatzerklärung zur Phylloxeraübereinkunft vom 3. November 1881 ist am 15. April in Bern von den Vertretern der Vertragsmächte unterzeichnet worden und am 1. Januar 1890 in Kraft getreten. Wir waren beauftragt worden, uns bei denselben über den Zeitpunkt zu erkundigen, in welchem die Erklärung auf ihrem Gebiet vollziehbar würde, und ihnen alsdann das Datum anzuzeigen, von welchem an die Erklärung in allen Vertragsstaaten in Kraft treten solle. Die Ausführung dieses Auftrages bot keine Schwierigkeiten, dank der Bereitwilligkeit der verschiedenen Regierungen, die Zusatzerklärung zu ratifiziren oder durch die kompetenten Behörden ratifiziren zu lassen.

b. Mit Sehreiben vom 11. Januar hat unser Generalkonsulat in Brüssel uns den Beitritt des Unabhängigen Kongostaates zur Genferkonvention vom 22. August 1864 (A. S. VIII, 520) über Verbesserung des Looses der in den . Feldarmeen verwundeten Militärs übermittelt.

384

Dieser in üblicher Form ausgefertigte Beitrittsakt ist am 27. Dezember 1888 von dem Generaladministrator des Departements der auswärtigen Angelegenheiten des Unabhängigen Kongostaates unterzeichnet worden. Wir haben denselben den Vertragsstaaten mitgelheilt.

c. Mit Note vom 30. Mai hat uns die französische Botschaft in Bern die Schlußnahme der Regierung des Fürstentums Monaco mitgetheilt, der am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten internationalen Konvention über den Schutz des literarischen und künstlerischen Eigenthums (A. S. n. F. X, 219) beitreten zu wollen.

Diesen Beitritt haben wir am 2. August allen Unionsstaaten angezeigt.

Dagegen ist zu unserm Bedauern die dominikanische Republik von der Konvention vom 20. März 1883 über den Schutz des gewerblichen Eigenthmus (A. S. n. F. VII, 517) zurückgetreten.

d. Am 14. Dezember hat der Vorsteher des Departements des Auswärtigen mit dem belgischen Gesandten in Bern eine Erklärung ausgetauscht, betreffend gegenseitige Auskunftertheilung über Volkszählungsergebnisse (A. S. u. F. II. Serie, I, 353).

e. Am 20. Juli hat der k. deutsche Gesandte, auf Weisung seiner Regierung, den Niederlassungsvertrag vom 27. April 1876, sowie die Zusatzprotokolle vom gleichen Tage und vom 21. Dezember 1881 gekündet (Bundesbl. 1889, III, 956), und zwar ohne daß in der betreffenden Note Gründe angegeben worden wären.

Seither ist weder von der einen noch von der andern Seite die Initiative zu einer Erneuerung dieses Niederlassungsvertrages ergriffen worden, und wir sind, wie wir bereits im Dezember 1889 Ihnen zu erklären die Ehre hatten, gewärtig, was die Umstände diesfalls bringen werden.

Gemäß Art. 11 des Vertrages bleibt derselbe in Kraft bis zum Ablaufe eines Jahres nach seiner Kündigung; er wird also mitjiem 20. Juli 1890 hinfällig.

f.^! Die Uebereinkunft zwischen der Schweiz und Belgien vom 25. April 1867 über gegenseitigen Schutz des literarischen und künstlerischen Eigenthums ist durch die Konstituirung der am 5. Dezember 1887 in Kraft getretenen internationalen Union von Bern thatsächlich dahingefallen ; immerhin haben wir unsern Generalkonsul in Brüssel beauftragt, dieselbe zu kündigen.

385

C. Projektirte Verträge.

a. Die Unterhandlungen mit der englischen Gesandtschaft betreffend eine Uebereinkunft über gegenseitige Ausübung der Heilkunde in den beiden Staaten haben auch im letzten Jahre unsere politische Abtheilung beschäftigt.

b. Ebenso die Unterhandlungen mit Oesterreich-Ungarn in Bezug auf den neuen Auslieferungsvertrag.

c. Unser Gesandter in Rom hat der italienischen Regierung den Entwurf einer Uebereinkuuft über die Regelung der Schifffahrt auf dem Luganersee und dem Langensee mitgetheilt, wie solche in Art. 12 unseres Handelsvertrags mit Italien (Amtl. Samml. n. F., II. Serie, I, S. 85) vorgesehen ist.

Bei diesem Anlaße hatten wir uns mit einer Reklamation der Dampfschifffahrtsgesellschaft auf dem Luganersee gegen die Taxe zu beschäftigen, welche die italienische Regierung von den Passagierbillets und Waarenbülletins erhebt, die von der Gesellschaft auf den Stationen des italienischen Ufers ausgegeben werden.

(Siehe vorjährigen Geschäftsbericht.) Da jedes Land offenbar berechtigt ist, auf seinem Gebiete solche Taxen zu erheben, und da.

die Schifffahrtsgesellschaft hiebei nicht höher besteuert wird, als die andern Transportanstalten in Italien, so glaubten wir diese Reklamation im Konventionsentwurfe nicht berücksichtigen zu sollen.

Indessen wurde unser Gesandter beauftragt, mündlich den Wunsch auszusprechen, daß diese Besteuerung nicht beibehalten werde, und eventuell dei Schweiz das Recht vorzubehalten, gegenüber italienischen Gesellschaften Gegenrecht zu halten.]

d. Gemäß dem Zusatzprotokolle zu unserm Handelsvertrage mit Italien sind zwischen deo beiden Staaten Unterhandlungen über Fragen des Grenzverkehrs und des Schmuggels eröffnet worden.

Am 2. Juli trat eine internationale Konferenz in Bern zusammen, um die gegenseitigen Anliegen zu prüfen. Nach Beendigung dieser Prüfung vertagte sie sich, ohne für die Wiederaufnahme ihrer Arbeiten einen Zeitpunkt festzusetzen. Außer dem Zolldepartement und der Handelsabtheilung haben diese Unierhandlungen hauptsächlich unsere politische Abtheilung beschäftigt.

e. Ebenfalls am 2. Juli ist in Bern eine internationale Konferenz zur Prüfung der Frage des Simplontunnels eröffnet worden. Sie befaßte sich mit der Frage, welches von den durch die Schweizerischen Westbahnen studirten Tunneltracés vorzuziehen sei. Die schweizerische Abordnung beantragte, um die Frage mit voller

386

Sachkenntniß zu lösen, eine amtliche kontradiktorische Prüfung der Pläne und Voranschläge, welchen Antrag die italienische Abordnung ari referendum nahm, worauf die Konferenz sich trennte. Seither'sind die Unterhandlungen durch Notenaustausch zwischen Bern und Rom fortgesetzt worden. Angesichts der Verpflichtungen, welche die italienische Regierung gemäß dem frühere Stipulationen reproduzireuden Art. 15 des Handelsvertrags vom 23. Januar 1889, und Herr Melegari, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, gemäß einer Note vom 23. Mai 1877 übernommen haben, hegen wir auch die feste Zuversieht, daß eine Vereinbarung über diesen neuen Alpenpaß, der seit der Fusion der Schweizerischen Westbahnen mit der Jura-Bern-Luzern-Bahn für die Schweiz noch bedeutsamer geworden ist und unzweifelhaft auch zahlreichen italienischen Interessen entspricht, nicht lange auf sich warten lassen wird.

f. Durch Vermittlung des Konsulats in Valparaiso haben wir der Regierung von Chile betreffend den Abschluß eines Auslieferungsvertrags Eröffnungen machen lassen. Dieselben wurden günstig aufgenommen.

D. Speziatile.

a. Die mexikanische Regierung, welche der Genfer Konvention über Verbesserung des Looses der in Feldarmeen verwundeten Militärs beizutreten wünscht, ließ uns offiziös andeuten, sie erwarte eine förmliche Einladung unsererseits, um dieser Absicht Folge zu geben.

Da eine solche Einladung von uns bereits am 14. November 1864 an jene Regierung gerichtet worden war, so fanden wir eine Erneuerung nicht am Platze. Indessen erklärten wir, daß das Protokoll der Genfer Konvention offen stehe und wir den Beitritt von Mexiko mit lebhaftester Befriedigung begrüßen würden.

b. Die Union für literarisches und künstlerisches Eigenthum hat im Monat Oktober in Bern eine Besprechung veranlaßt zu dem Zwecke, die Frage zu prüfen, welche Verbesserungen am Vertrage von 1886 (Arntl. Samml. n. P. X, 219) angebnicht werden könnten..

Sie theilte uns das Ergebniß ihrer Arbeiten mit und ersuchte uns, wir möchten ihre Schlußnahmen zu den unserigen machen und sie als solche den Regierungen der andern Unionsstaaten unterbreiten im Hinblick auf die nächste, in Paris abzuhaltende Konferenz.

Da gemäß Art. 5, Ziffer'5, des Schlußprotokolls zur Uebereinkunft über Bildung einer Union für literarisches und künstlerisches Eigenthum die französische Regierung, unter Mitwirkung des inter-

387

nationalen Bureau, mit den Arbeiten der neuen diplomatischen Konferenz betraut ist, so beschränkten wir uns darauf, ihr das Ansinnen der Union zu übermitteln, wobei wir uns übrigens mit deren Schlußnahmea einverstanden erklärten.

c. Der diplomatische Verkehr der internationalen Bureaux für den Schutz des gewerblichen und des literarischen und künstlerischen Eigenthums mit den Regierungen der verschiedenen Staaten hat durch Vermittlung der politischen Abtheilung stattgefunden.

Diese unterbreitet uns auch die Mittheilungen und Antrüge jener zwei Bureaux.

d. Wie wir voriges Jahr bemerkten und wie es dem Wunsche entspricht, den die Kommission für Prüfung unseres letztjährigen Geschäftsberichts äußerte, haben wir uns mit der Frage befaßt, welche Vorkehren behufs Vertheilung der bereits bezogenen und noch weiter erhältlichen Restguthaben der ehemaligen Schweizerregimenter im Dienste der Krone Spaniens zu treffen sein möchten.

Wir erachteten es für nothwendig, die Vertheilungsarbeiten einer dazu speziell geeigneten Persönlichkeit anzuvertrauen, und ernannten zum Liquidator der spanischen Pensionen unterm 16. August den Herrn Advokaten Jules Répond in Freiburg. Selbstverständlich hat der Liquidator nur Vorschläge zu machen, wogegen die Entscheidungsbefugniß dem Bundesrathe verbleibt. Nachdem Hr. Répond die Frage mehrere Monate studirt hat, zu weichein Behuf er sich uach Spanien zu begeben hatte, ist uns nun sein Berieht nebst Liquidationsplan vorgelegt worden. Gleich nach Gutheißung des letztem wird die Liquidation eröffnet und sollen die Betheiligten durch amtliche Bekanntmachung eingeladen werden, ihre Forderungen belegt einzugeben.

Seit der Ernennung des Liquidators (Bundesbl. 1889, III, 1040) haben sich viele Personen, bisweilen, in deren Namen, auch kantonale Behörden, an uns gewendet, um jetzt schon zu erfahren, ob ihre Ansprüche bei der Vertheilung zur Anerkennung gelangen würden. Wir mußten diese Anfragen als verfrüht bezeichnen, da die Liquidation noch nicht eröffnet sei und wir uns einstweilen nicht aussprechen könnten. Trotzdem kam es vor, daß man auf sofortige Antwort drang; allein wir hielten unsern Gesichtspunkt fest, um diese ohnehin schon verwickelte Angelegenheit nicht noch mehr zu kompliziren. Der Liquidator seinerseits hat sich beeifert, alle wünschbaren Aufschlüsse zu ertheilen,
wenn Anfragen an ihn gelangten.

Was die Einziehung der Summen betrifft, die Spanien noch schuldet, so sind die am 30. November abbin ausgelaufenen Vollmachten unserer frühem Mandatare nicht erneuert worden. Nach

388

ihren Berichten hatten sie die Hoffnung aufgegeben, die spanische Regierung zu neuen Zahlungen bringen zu können, und erblickten einen Ausweg nur in einem administrativen Schiedsspruch.

Wir fanden, es sei, bevor man das Schicksal der hierseitigen Forderungen so viel wie ganz in die Hand der Zahlungspflichtigen Regierung lege, nothwendig, den unwiderleglichen Beweis zu besitzen, daß auch weitere Schritte von Mittelspersonen, die noch einiges Vertrauen auf den Sieg des guten Rechtes hätten, fruchtlos sein würden. Demgemäß appellirten wir an den Patriotismus unseres Generalkonsuls in Madrid, Herra Lardet, in der Hoffnung, es dürfte vielleicht seiner Erfahrung und seinen Personalverbindungen gelingen, den-Reklamationen der ehemaligen Schweizerregimenter in spanischen Diensten Geltung zu verschaffen, und wir ertheilten ihm die gleichen Vollmachten, wie seinen Vorgängern. Herr Lardet war so gefällig, den Auftrag sofort anzunehmen.

Wir glauben somit nichts versäumt zu haben, um die Reklamationen der kapitulirten Regimenter, soweit" gegenwärtig noch möglich, geltend zu machet). Allein man darf sich nicht verhehlen, daß die Angelegenheit von Anfang an schweizerischerseits nicht mit der nöthigen Konsequenz verfolgt worden ist, und daß, wie der Liquidator sagt, der Mißerfolg unserer Schritte in erster Linie dem Mangel einer diplomatischen Vertretung bei der spanischen Regierung zuzuschreiben sein dürfte.

e. Trotz unserer wiederholten Warnungen gibt es noch junge Schweizer, die sich aus Leichtsinn für die Fremdenlegion anwerben lassen und die, dessen bald reuig, dann unsere Intervention für ihre Befreiung beanspruchen. Wie Ihnen bekannt, lehnen wir es in der Regel ab, uns ihrer anzunehmen. In zwei Fällen jedoch, die uns besonders günstig zu liegen schienen, weil die Angeworbenen noch sehr jung waren, gaben wir dem Drängen ihrer Eltern und Freunde nach, indem wir uns bei der französischen Regierung verwendeten.

Unsere Schritte waren aber nicht von Erfolg begleitet, da eine Untersuchung des Kriegsmiuisters herausstellte, daß die beiden Legionäre trotz ihrer Jugendlichkeit ganz gut im Stande wären, die Strapatzen des Militärdienstes zu ertragen.

Bei einem andern Anlaße erlangten wir eine namhafte Strafverminderung für einen schweizerischen Angeworbenen, welcher wegen Insubordination zu mehreren Jahren Dienst
bei der Strafkompagnie verurlheilt worden war.

f. Die italienische Gesandtschaft in Bern gelangte an uns mit einer Reklamation zweier königlicher Zollbeamten auf dem inter-

389 nationalen Bahnhof in Chiasso, gegen eine Schlußnahme des dortigen Gemeinderathes, betreffend Bezahlung der Hundstaxe. Wir erwiderten, die Hundstaxe könne nicht als eine direkte und persönliche Steuer angesehen werden, vielmehr sei sie eine einfache PolizeiSteuer und falle daher, unseres Erachtens, nicht unter die in Art. 15 des Vertrags über Bahnanschlüsse in Chiasso und Pino vom 23. Dezember 1873 vorgesehenen Steuerbefreiungen.

g. Mit Note vom 22. Mai unterbreitete uns die französische Botschaft verschiedene Reklamationen französischer, das Gebiet Les Landes, Dappenthal, bewohnender Bürger, welches Gebiet durch den Vertrag vom 8. Dezember 1862 an die Schweiz abgetreten wurde, und sprach dabei den Wunsch aus, wir möchten untersuchen, ob diese Reklamationen begründet seien. Die Hauptreklamation richtete sich gegen Anforderungen waadtländischer Behörden betreffend Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung, und war veranlaßt durch eine Schlußnahme der Munizipalität von St. Cergues, welche die das Gebiet Les Landes bewohnenden Franzosen einlud, ihre Ausweispapiere abzugeben und sich mit Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligungen zu versehen. Fünfzehn Franzosen, welche dieser Einladung nicht Folge gaben, waren gemäß den Bestimmungen des waadtländischen Fremdengesetzes zu entsprechenden Bußen verfällt worden. Die andern Beschwerden waren wenig bedeutender Natur.

Es fiel und fällt uns nicht schwer, nachzuweisen, daß die uns zur Kenntniß gebrachten Vorgänge keine Verletzung unserer Verträge mit Frankreich involviren. Es erhellt dies zunächst daraus, daß alle Ausländer gleich wie die Schweizer anderer Kantone im Kanton Waadt der beanstandeten Ordnung des Niederlassung^- und Aufenthaltswesens unterliegen. Der Vertrag von 1862 bezweckte die Beendigung der seit 1815 zwischen der Schweiz und Frankreich waltenden Anbände beireffend den Besitz des Dappenthals. Nur nebenbei berührt derselbe, in Art. 3, die Niederlassungsrechte der Bewohner der ausgetauschten Gebiete, aber nicht um dieselben davon zu dispensiren, die von den Gesetzen und Verordnungen über Fremdenpolizei vorgeschriebenen Formalitäten zu beobachten, sondern um sie gegen willkürliche Ausweisung im Falle der Option für ihre frühere Heimat zu schützen. Anstände zwischen der Schweiz und Frankreich im Niederlassungswesen können nur beurtheilt
werden auf Grund des Niederlassungsvertrags vom 23. Februar 1882; Beweis hiefür ist der Umstand, daß 1864, als es sich um die Erneuerung verschiedener schweizerisch-französischer Verträge und des Niederlassungsvertrages insbesondere handelte, die Vertragsparteien von ferne nicht daran gedacht haben, den französischen

390

oder schweizerischen Bewohnern des Dappenthales eine privilegirte Stellung einzuräumen oder die Ausnahm&vergUnstiguogen vorzubehalten, welche ihnen der 1862er Vertrag zugesichert hatte.

Wir konnten übrigens nachweisen, daß, zufolge eines Dekretes der französischen Regierung vom 2. Oktober 1888, die Schweizer, welche den französischen Theil des Dappenthales bewohnen, einer ganz ähnlichen Behandlung unterworfen wurden, wie diejenige ist, über welche man sich beklagte, da sie sich auf der Mairie hatten einschreiben und ihre Identität nachweisen müssen.

Unsere Aufklärung war derart, daß sie die französische Regierung beruhigte, und der Handel zog keine andere Folge nach sich.

h. Im Juni bat uns Herr Karl Messing, ehemaliger Kapitän der deutschen Handelsmarine und selbst in Zürich niedergelassener deutscher Bürger, im Namen einer schweizerischen Unternehmung, um die Ermächtigung, auf dem Meere die schweizerische Bundesflagge zu führen. Wir unterwarfen dieses Gesuch einer eingehenden Prüfung, in deren Verlauf uns Herr Messing noch eine Kollektiverklärung von sechs schweizerischen Versicherungsgesellschaften überreichte, welche sich seinen Anträgen anschlössen. In der Zwischenzeit hatte sich unsere Presse mit der Frage beschäftigt und im Allgemeinen in einem dem Gesuch günstigen Sinne ausgesprochen.

Es war uns trotzdem nicht möglich, der Ansicht des Gesuchstellers beizutreten. Schwierigkeiten innerstaatsrechtlicher und völkerrechtlicher, juristischer und praktischer Natur stellen sich nach unserer Meinung der Schaffung einer schweizerischen Handelsmarine entgegen. Wir haben diese Erwägungen, soweit uns ihre Mittheilung möglich erschien, in einem Schreiben an Herrn Messing zusammengefaßt, welches durch das Organ unserer Kanzlei (Bundesbl. 1889, IV, 735) veröffentlicht wurde. Wir haben dieser Veröffentlichung nichts beizufügen.

Es ist Grund zur Annahme vorhanden, daß Sie nicht mit einem Rekurs gegen unsern Entscheid behelligt werden.

i. Wir haben grundsätzlich unseren Staatsangehörigen im Ausland, d. h. in den Ländern, in denen wir keine Repräsentanten haben, von jeher die Freiheit gelassen, selbst das Konsulat auszuwählen, unter dessen Schutz sie sich zu stellen beabsichtigen. Wir wissen anderseits, daß die Konsuln mehrerer Großmächte, sei es zufolge der Tradition, sei es auf Anordnung ihrer Regierung hin, keine Schwierigkeiten machen, unsere Landsleute in ihre Register einzuschreiben und ihnen den gewünschten Sehnte zu gewähren.

391 Unglücklicherweise kann dieses Verfahren zu Mißbräuchen Anlaß geben. Das ist der Fall, wenn, wie man uns mitgetheilt hat, Schweizer sich bei zwei oder mehr Konsulaten am nämlichen Ort einschreiben lassen, um sich je nach ihrem augenblicklichen Interesse oder nach Gutdünken auf den einen oder anderen Schutz berufen .zu können. Solche Personen haben die Folgen ihrer Handlungsweise selbst zu tragen, und es ist wohl augenscheinlich, daß wir nicht zu ihren Gunsten einschreiten können. In zwei Fällen haben wir uns dementsprechend verhalten.

Wir haben dagegen nicht gezögert, dringliche Schritte bei der Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika einzuleiten, damit sie ihren Agenten und Generalkonsul in Kairo ermächtige, .zwei Tessiner unter seinem Schutz zu behalten und durch das amerikanische Kopsulargericht in Egypten aburtheilen zu lassen, welche in Alexandrien niedergelassen und betrügerischer Handlungen zum Schaden deutscher Handelshäuser bezichtigt waren. Zu diesem IZweck haben wir unsern Minister in Washington beauftragt, zu erklären, daß wir dem Konsulargericht der Vereinigten Staaten in Egypten das eventuell den schweizerischen Gerichten zustehende Recht der Beurtheilung unserer Angehörigen förmlich delegiren.

Die amerikanische Regierung ist so gefällig gewesen, unserem Gesuche Rechnung zu tragen und ihren Agenten in Kairo anzuweisen, den genannten Persönlichkeiten gegenüber das auf Bürger der Vereinigten Staaten anwendbare Verfahren einzuhalten.

k. Die Interessen unserer Ansiedler in S ü d - C h i l i haben uns auch im Laufe des letzten Jahres vielfach beschäftigt. Die Errichtung eines Vizekonsulats in Traiguen hat unsere Beziehungen und namentlich diejenigen des Konsulates in Valparaiso mit der Ansiedlung erleichtert, und es leistet dasselbe, zumal in dieser Hinsicht, Dienste, welche erwähnt zu werden verdienen.

Der Zustand der Uosicherheil, welchen wir in unsern letzten Geschäftsberichten hervorzuheben im Falle waren, scheint nach und nach besseren Zuständen weichen zu wollen. Die chilenische Regierung hat sich ernstlich bemüht, das Räuberunwesen zu unterdrucken, und es ist anzunehmen, daß diese Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden, sobald die Verbindungen hergestellt sind, welche die südlichen Distrikte der Hauptstadt näher bringen sollen.

Ein Schweizer, Namens Christian
Hilty von Oberönz (Bern), ist den 20. Mai in Santjago ermordet worden. Zwei seiner Mörder, welche auf der Stelle festgenommen wurden, sind zum Tode verurtheilt worden. Wir wissen indessen nichts davon, daß das Urtheil vollzogen wäre. Wir wissen ebensowenig von dem Schicksal der

392 Mörder der Familie Bridevaux, welche sich, wie wir das letzte Jahr mittheilten, in den Händen der Strafjustiz befinden. Die Mörder der Frau Bäriswy und ihres Kindes haben sich bis jetzt noch allen Verfolgungen entziehen können.

l. In den ersten Tagen des Juni sind die Stadt J o h n s t o w n in Pennsylvanien und die Grafschaft Cambrie durch eine entsetzliche U e b e r s c h w e m m u n g verwüstet worden, bei welcher mehrere tausend Menschen den Tod gefunden haben. Da wir Grund hatten, anzunehmen, daß zahlreiche schweizerische Auswanderer jene Gegend bewohnen, so stellten wir unserm Konsulat in Philadelphia Fr. 5000 zur Verfügung, um für die dringendsten Bedürfnisse allfällig betroffener Mitbürger zu sorgen.

Unsere Intervention war leider nur zu nöthig; 27 Schweizerfamilien mit zusammen 114 Köpfen und 8 unverheiratete Individuen waren durch die Katastrophe heimgesucht worden; zwei Mitbürger hatten dabei ihr Leben verloren. Unser Konsul, Herr Koradi, begab sich unverzüglich an Ort und Stelle und nahm die Austheilu der Hülfsgelder selbst an die Hand. Dank seiner Thätigkeit und Hingebung, dank auch der patriotischen Mitwirkung unserer Kolonie in Pensylvanien, waren die schweizerischen Ueberschwemmten nach wenigen Tagen in den Stand gesetzt, wieder mit einiger Hoffnung in die Zukunft zu blicken. Die amerikanische Großmuth that das Uebrige, denn der reiche Ertrag der in «lien Unionsstaaten veranstalteten Sammlungen wurde, ohne Unterschied der Nationalität, unier die Opfer der Katastrophe von Johnstown vertheilt.

m. Die im Februar erfolgte Unterbrechung der Arbeiten am Panama-Kanal ließ uns befürchten, daß die dabei beteiligten Schweizer in eine mißliche Lage kommen dürften, und wir befaßten uns unverzüglich damit, ihnen, wenn nöthig, die Heimreise zu ermöglichen. Zum Glück vernahmen wir, daß unsere Befürchtungen ungegründet waren, dass die Lage unserer Landesangehörigen auf der Landenge eine ökonomisch gute und unsere Intervention, demzufolge, unnöthig sei.

n. Unter der Rubrik ,, S c h u t z s c h w e i z e r i s c h e r I n t e r e s s e n im A u s l a n d " hätten wir noch eine Menge Fragen zu erwähnen, die zwar von keiner großen Bedeutung sind, dessenungeachtet aber zahlreiche Aktenbände füllen. Es handelt sich hauptsächlich um Paß- und Erbschaftsliquidationsfrage um Heimschaffung kranker
und verarmter Angehöriger, endlich um Informationen aller Art, deren Aufzählung zu weit führen würde.

o. IQ den ersten Tagen des Berichtjahres sind wir benachrichtigt worden, daß die französische Regierung den 10. Dezember

393

1888 das Protokoll über die G r e n z f e s t s e t z u n g l ä n g s der B a n ç o n n i è r e genehmigt habe. Diese Angelegenheit ist somit erledigt.

p. Festsetzung der seh w e i z e r i s c h - f r a n z ö s i s c h e n Grenze z w i s c h e n d e m K a n t o n W a l l i s und dem Departement Hochsavoyen.

Seit Jahresanfang fanden in Paris Besprechungen zu dem Zwecke statt, eine Uebereinstimmung der Ansichten über gewisse Punkte herbeizuführen, welche in dem den 29. Dezember 1888 in Genf unterzeichneten Protokoll über Besichtigung dieser Grenze namhaft gemacht worden waren (s. unsero letztjährigen Geschäftsbericht).

Diese Besprechungen, in deren Verlauf die Schweiz durch ihren Gesandten in Paris und das französische Departement der auswärtigen Angelegenheiten durch Herrn Minister Cogordan vertreten wurde, haben zu einer grundsätzlichen Verständigung geführt.

Um diese Verständigung bezüglich der noch suspendirt gebliebenen Punkte zu konstatiren, wurde vereinbart, daß die hiefür nothwendig erachteten topographischen Studien gemeinschaftlich vorgenommen werden sollen, und zwar, für die Schweiz, von Herrn Major Held vom eidgenössischen topographischen Bureau, und für Frankreich von dem Generalstabshauptmann Brochin. Zu dem Zwecke der Herstellung einer jede Bemänglung für die Zukunft abschneidenden örenzbezeichnung erschien es unnöthig, eine Karte in großem Maßstab herstellen zu lassen, sondern man fand, es lasse sich dieselbe durch einen ausführlichen Grenzbeschrieb mit Vortheil ersetzen.

Die Delegirten der beiden Staaten besprachen sich schon im Monat Juli, dann begaben sie sich aufs Terrain, und waren, nach mehreren Wochen angestrengter Arbeit, in der Lage, das Resultat derselben in einem Protokoll niederlegen zu können. Es erhellt a,us diesem Aktenstück, daß sie mit Bezug auf die ganze Grenzlinie einig geworden sind, mit einziger Ausnahme von zwei Ab«chnilten, von denen der eine von Grandes Aulannes bis zur l'IsleBrücke über die Eau-Noire, der andere vom Kamm des Géant bis zur Kapelle des Morginspasses reicht. Mit Bezug- auf diese beiden Punkte herrscht Verschiedenheit der Ansichten, aber diese beschlägt Dinge untergeordneter Natur, und wir sind überzeugt,, daß wir uns auch über diese mit Frankreich einigen werden können.

Zu diesem Behuf sind nun Unterhandlungen in Paris eingeleitet.
Sobald die letzten Schwierigkeiten gehoben sind, werden die beiden Regierungen Kommissäre ernennen, welche sich an Ort und Stelle begeben werden, um abschließlich die Setzung der neuen Grenzsteine und deren Numrnerirung vorzunehmen, und sodann das

394

Schlußprotokoll zu unterzeichnen haben. Wir hoffen, daß diese Verrichtungen noch im Laufe des Sommers vorgenommen werden, können.

Wie Sie dieser Darstellung entnehmen wollen, haben wir dem Wunsche Ihrer letztjährigen Geschäftsprüfungskommission, es wolle die Lösung der vorstehenden Frage beschleunigt werden, weitgehende Rechnung getragen.

q. Längs der ganzen G r e n z e z w i s c h e n der S c h w e i z und E l s a ß - L o t h r i n g e n sind die französischen Wappen und Inschriften auf der deutschen Seite entfernt und durch ein D. ersetzt worden. Kcmmissäre beider Länder sind zur Verifikation der neuen Inschriften geschritten und haben bei diesem Anlaß festgestellt, daß eine beträchtliche Anzahl von Grenzsteinen wieder herzustellen, wieder aufzurichten oder durch ueue zu ersetzen sind.

Wie wir hoffen, werden die durch diesen Zustand nothwendiggemachten Grenzfeststellungsarbeiten noch im Laufe dieses Jahres beendigt werden.

r. Wir sind im Laufe des Januar benachrichtigt worden, daß die Regierung von Elsaß-Lothringen ihren Entscheid, wonach die Benutzung d e r ü b e r L u c e l l e v o n C h a r m o i l l e n a c h B o u r r i g n o n f ü h r e n d e n S t r a ß e für in Deutschland verzollbare Transitgüter untersagt worden war, wieder aufgehoben habe.

Da hiernach der ehevorige Zustand wieder hergestellt ist, haben wir nicht weiter darauf gedrungen, die Frage unserer historischen und verbrieften Rechte mit Bezug auf diese Straße zum Gegenstand weiterer Unterhandlungen zu machen.

s. Ein in L u c e l l e s t a t i o n ! r ter d e u t s c h e r Z o l l w ä c h t e r hat, am 18. Januar, unser Gebiet verletzt, indem er eine des Schmuggels verdächtige Frau verhaftete. Nachdem der Thatbestand durch die deutschen Behörden festgestellt war, wurde dem fehlbaren Beamten ein Verweis ertheilt und seine Versetzung angeordnet» t. Wir haben letztes Jahr auseinandergesetzt, daß am 20. Oktober 1888, Abends, ein in dem i n t e r n a t i o n a l e n B a h n h o f B u c h s s t a t i o n i r t e r ö s t e r r e i c h i s c h e r Zollw ä c h t e r ein des Schmuggels verdächtiges Individuum bis in das Dorf dieses Namens verfolgt habe. Wir hatten unsern Gesandten in Wien ohne Verzug beauftragt, diese Grenzverletzung zur Kenntniß der österreichischen Regierung zu bringen und auf Bestrafung des Pehlbaren zu dringen.

395 Wiewohl nun nicht von einer unbefugten Verhaftung im eigentlichen Wortverstand gesprochen werden kann, da der Delinquent sich schließlich freiwillig mit dem Zollbeamten auf den österreichischen Polizeiposten begeben hatte, so hat doch die österreichische Regierung jenem Beamten einen strengen Verweis ertheilt und seine Versetzung verfügt.

Um der Wiederkehr ähnlicher Vorlalle vorzubeugen, hat das -österreichische Finanzministerium mittelst Kreisschreibens allen seinen Grenzbeamten die Vorschriften der Konvention vom 2. August 1872, betreffend den Zolldienst in den internationalen Bahnhöfen von Buchs und St. Margarethen, in Erinnerung gerufen.

u. Z w i s c h e n fa 11 von P o n t e t r e s a .

Wie Sie unsern Geschäftsberichten pro 1887 und 1888 entnommen haben, hatte sich die italienische Gesandtschaft, in der Absicht, den Zwischenfall genau zu begrenzen, in ihrer Note vom 22. Dezember 1888, unter Beiseitelassung aller übrigen Verumständungen, festzustellen bemüht, daß derselbe sieh nicht auf der Tresa, welche ausschließlich unter schweizerischer Jurisdiktion steht, sondern auf einem beiden Staaten gemeinschaftlichen Theile des Luganersee's ereignet habe.

Da uns die italienische Argumentation in keinem Betracht beweiskräftig erschien, so antworteten wir unterm 12. Mai mit einer einläßlichen Darstellung, indem wir unsere ursprünglichen Schlußfolgerungen in ihrem vollen Umfange aufrechthielten.

Die italienische Gesandtschaft, davon ausgehend, daß die Frage, welche sich dahin formuliren lasse: wo beginnt das Flußgebiet der Tresa? wesentlich eine Thatfrage sei, und daß es folgeweise Schwierigkeiten bieten werde, sie auf diplomatischem Wege zu lösen, machte uns sodann, mit Ermächtigung ihrer Regierung, den Vorschlag^ sie der Prüfung und Begutachtung einer technischen gemischten Kommission zu unterstellen.

Wir haben auf diesen Vorschlag noch nicht geantwortet; wir werden demnach in einem spätem Bericht auf den Zwischenfall zurückzukommen haben.

v. Die italienische'Regierung hat mehr als ein Jahr verstreichen lassen, bevor sie-auf die Reklamationen antwortete, welche m i t Bezug a u f d i e V e r h a f t u n g e i n e s C o l o m b o u n d eines Salaroli in den g e m e i n s c h a f t l i c h e n Gew ä s s e r n des L u g a n e r s e e s unterm i i. November 1887 durch unsern Gesandten in Rom erhoben worden waren. (S. die Geschäftsberichte pro 1887 und 1888.) In seiner Rückäußerung

396 weigert sich Italien, das alte Herkommen anzuerkennen, kraft dessen diese Gewässer hinsichtlich der Ausübung der Zollpolizei neutralisirt worden waren, es wäre denn, daß die Schweiz jenes Herkommen durch die Gerichtspraxis oder auf irgend andere Art beweise. Es glaubt uns demzufolge, die von uns verlangte Genugthuung -- Zurückstellung der Barke und der beschlagnahmten Waaren (oder ein entsprechendes Aequivalent) und die Bestrafung der fehlbaren Beamten -- uicht zugestehen zu können. Wir müssen beifügen, daß unsere Vorstellungen nicht im Stande waren, die Einleitung der Strafuntersuchung gegen Colombo und Salaroli oder die Versteigerung der Barke und der beschlagnahmten Waaren zu verhindern; die italienischen Behörden waren einfach darüber hinweggegangen.

Wir haben geantwortet, daß wir nicht in der Lage seien, den uns abverlangten negativen Beweis zu leisten ; daß aber gerade die Unmöglichkeit, in welcher sieh die Schweiz befinde, die Existenz des italienischerseüs bestrittenen Herkommens mit Richtersprüchen zu belegen, den besten Beweis dafür liefere, daß dasselbe bis zum Zwischenfall von Norcote fortwährend beobachtet worden sei.

Indem wir die Stipulationen des Vertrages von Varese vom 2. August 1752, sowie der Konventionen vom 28. November 1604 und 21. September 1678 in Erinnerung brachten, welche die Grenzen der Seeuferstaaten festzustellen und für jeden derselben Rechte und Pflichten betreffend die Gewässer des Sees zu umschreiben bezweckten , haben wir auf eine unseres Erachtens unwiderlegliche Weise die Wohlbegründetheit unserer Reklamationen dargethan.

In letzter Linie haben wir der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß, wenn man die alten Stipulationen und den seit unvordenklicher Zeit bestehenden modus vivendi durch eine neue Vereinbarung erselzen wollte, das wohl nur so geschehen könnte, daß man sich dem Zustande, wie er sich infolge dessen herausgebildet hätte, thunlichst annähern würde. Ohne uns gegen die Aufnahme von Unterhandlungen zum Zwecke des Zustandebringens einer solchen Vereinbarung ablehnend zu verhalten, haben wir doch darauf bestanden, daß vorerst unsere Reklamation im Sinne der noeh zu Recht bestehenden Vertragsstipulationen und bisheriger konstanter Uebung erledigt 'o" werde.

Indessen war unsere Beweisführung nicht im Stande, die itaHenische Regierung auf andere
Ansichten zu bringen. Mit Note vorn 22. Juni benachrichtigte das italienische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten unsere Gesandtschaft in Rom, daß man, wie sie die Dinge ansehe, mit Bezug auf den gemeinschaftlichen Theil des Luganersees nicht wohl eine Ausnahme von den Grund-

397 Sätzen statuirt haben könne, nach welchen sich die Rechte der Uferstaaten, ohne Rücksicht auf die Ausdehnung ihres jeweiligen Ufergebietes, überall richten, und wonach eine vom Ufer mehr oder weniger entfernte Linie die Grenze bezeichne,' diesseits welcher O jeder einzelne Uferstaat sein eigenes Recht zur Anwendnng bringen dürfe; daß es sich daher, in Anwendung auf den vorliegenden Fall, höchstens darum handeln könne, diese Grenzlinie zu bestimmen, um über das Gewicht der schweizerischen Reklamationen in's Klare zu kommen.

Dies der Stand der Angelegenheit.

w. Wir haben Ihnen letztes Jahr mitgetheilt, daß die neue Enquête, zu welcher die tessinisehe Regierung hinsichtlich d e s Z w i s c h e n f a l l e s v o n V a c a l l o geschritten ist, d a s E r gebniß ihrer anfänglichen Nachforschungen bestätigt habe, und daß Herr Minister Bavier beauftragt worden sei, unsere Reklamationen ausdrücklieh aufrecht zu erhalten. Diese Angelegenheit bildete sodann für Italien den Gegenstand einer neuerlichen Untersuchung, welche hinwieder dessen frühere Erhebungen als richtig erscheinen ließ.

Da sich somit die beidseitigen Regierungen vor die Ergebnisse zweier Untersuchungen gestellt sahen, die sich schnurstracks zuwiderliefen,i so erschien es uns nutzlos,' die Unterhandlungen O fortzusetzen. Wir brachten daher, nachdem wir die tessinisehe Darstellung durch das Organ eines höhern Zollbeamten einer neuen Prüfung unterzogen hatten, der italienischen Regierung zur Kenntniß, daß wir, obwohl von der Verletzung unseres Gebietes überzeugt, doch unsere Reklamationen fallen ließen. Immerhin sprachen wir noch einmal unsere Erwartung aus., daß einmal den Üebergriffen italienischer Zollwächter, welche unsere Bevölkerung erbittern und nur zu oft einen Notenwechsel zwischen den beiden Regierungen herbeiführen, ernstlich Halt geboten werden möchte.

Der italienische Minister der auswärtigen Angelegenheiten erwiederte auf diese Kundgebung, daß die italienische Zollverwaltung es sich habe angelegen sein lassen, dem Zollaufseherpersonal an der schweizerisch-italienischen Grenze die Weisungen 'zu erneuern, welche jede w e i t e r e Gebietsverletzung an dieser Grenze zu verhindern geeignet seien.

x . Z w i s c h e n f a l l v o n S e s e g l i o . ( S . unsere letzten Geschäftsbericht.)

Mit Note vom .6. Oktober brachte die
italienische Regierung, nach langen Verhandlungen, unserm Gesandten in Rom, mit dem Ausdrucke des Bedauerns über diesen beklagenswerthen Vorfall,.

Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

27

398 zur Kenntniß, daß den fehlbaren Zollwächtern ein strenger Verweis ertheilt worden sei; sie sprach dabei die Hoffnung aus, daß wir, da diese Maßnahme durchaus den Charakter einer Disziplinarstrafe trage, uns mit der daherigen Erledigungsweise zufrieden geben dürflen.

Herr Bavier wurde beauftragt, zu antworten, daß wir, wenn schon ein einfacher Verweis uns eine sehr leichte Strafe für Ueberschreitungen zu sein seheine, welche unseres Erachtens die strengste Ahndung verdient hätten, von der gewährten Genugthuung Akt nähmen und damit die Angelegenheit als erledigt betrachteten.

y. Andere Grenzverletzungen von geringerer Erheblichkeit übergehen wir mit Stillschweigen.

II. Vertretung der Schweiz im Anstände.

A. Gesandtschaften.

Berlin. Herr Charles C. Tavel, von Payerne, Lizentiat der Rechte, ist als Attaché bei der Gesandtschaft eingetreten, in Ersetzung des Herrn B. Cellérier, der ins Departement des Auswärtigen berufen wurde.

Paris. Die Herren Ed. von Grenus und H. Meckenstock, welche im Laufe des Jahres bei der Gesandtschaft eingetreten waren, haben dieselbe im Dezember wieder verlassen.

B. Konsulate.

ä. Im Laufe des Berichtjahres sind im Etat unseres Konsularpersonals folgende Aenderungen eingetreten: Algier. In Ersetzung des verstorbenen Herrn C. H. Borgeaud haben wir Herrn Jules Borgeaud, frühern Vizekonsul, zum Konsul . ernannt. Der Posten des Vizekonsuls ist nicht wieder besetzt worden.

Assumpcion. Da die Regierung von Paraguay, infolge Intriguen einiger Schweizerbürger, es ablehnte, Herrn Sieber, den wir zum Konsul ernannt hatten, das Exequatur zu ertheilen, sahen wir uns gezwungen, sein Brevet wieder zurückzunehmen. Das deutsehe Konsulat in Assumpcion ist mit der interimistischen Leitung des Konsulats betraut worden.

Besançon. Wir haben die Demission des Herrn L. Sandoz, als Konsul angenommen und an seine Stelle Herrn Alfred Grda von Locle ernannt.

399 Brisbane. Wir haben in Brisbane - ein Konsulat für Queensland errichtet und zum Konsul Herrn Jakob Leutenegger von Milnchweilen, Thurgau, ernannt.

Cincinnati. Wir haben die Demission des Herrn R. Kuerze als Konsul angenommen und an seinen Posten Herrn K. J. Karrer, von Laufen, gewesenen Vizekonsul, berufen. Der Posten eines Vizekonsuls ist nicht wieder besetzt worden.

London. Herr Ch. d'Orelli-Corragioni, Doktor der Rechte, von Luzern, ist zum Vizekonsul ernannt worden.

Nueva Helvecia. Wir haben in Nue va Helvecia, Uruguay, ein Vizekonsulat errichtet und an den Posten des Vizekonsuls Herrn Imhof, Doktor der Medizin, von Aarau, berufen.

St. Paul. Wir haben in den Vereinigten Staaten Nordamerika's einen dreizehnten Konsularbezirk geschaffen und in St. Paul ein Konsulat für die Staaten Minnesota, Nord- und Süd-Dakota und das Territorium Wyoming errichtet. An diesen Posten ist Herr G. Stamm, Doktor der Medizin, von Thayngen (Schaffhausen) berufen worden.

Triest. An die infolge des im Januar erfolgten Todes des Herrn A. Paris vakant gewordene Stelle eines Konsuls haben wir Herrn Chaudoux von Genf berufen.

Warschau. In Ersetzung des im Januar verstorbenen Herrn Hanselmann haben wir Herrn Fr. Bardet, von Villars-le-Grand (Waadt) zum Konsul ernannt.

b. Die Anzahl unserer Konsularbezirke beträgt 99, wovon 87 durch Konsularagenten, 7 durch unsere Gesandtschaften verwaltet werden. 5 Bezirke sind zur Zeit noch unbesetzt; 3 derselben werden von Konsularagenten fremder Staaten verwaltet, 2 haben überhaupt noch keinen Vertreter.

Wir zählen 112 Konsularagenten, nämlich: 12 Generalkonsuln, 66 Konsuln, 9 Vizekonsuln, welche je einen selbstständigen Konsularbezirk leiten, 24 Vizekonsuln, welche Konsuln beigegeben sind, l Konsularagenten, 112 im Ganzen.

Gleichwie in den Vorjahren, sind wieder zahlreiche Gesuche um Errichtung von neuen Konsularstellen und daherige Dieostanerbietungen eingegangen.

,

400

Die Gesuche betreffend Breslau, Cette, Chicago, Fiume, Havafla, Malta, Marocco, Monaco, Porto, Punta-Arenas, Sardinien, Gothenburg und Malmoe, Venezuela und Vera-Cruz wurden, weil keinen wirklichen Bedürfnissen entsprechend, nicht berücksichtigt. Dagegen schien uns die Frage der Errichtung von Konsularposten in Denver, Guatemala und Mannheim eine eingehende Untersuchung zu verdienen, welche noch schwebend ist.

C. 40 Generalkonsulate, Konsulate und Vizekonsulate haben folgende Beiträge erhalten:

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

Generalkonsulate.

London Rio de Janeiro Brüssel St. Petersburg Bukarest Neapel Lissabon

Fr.

·n

·n ·n ·n ·n v.

17,000 9,000 6,000 6,000 2,500 1,500 1,000

Konsulate und Vizekonsulate.

Fr. 10,000 Havre 6,000 Buenos- Aires T) 5,000 New-York 71 5,000 Paris ÏI 5,000 Panama ·n 4,000 Lyon TÌ 4,000 Melbourne ·n 4,000 Mailand ·n 3,000 Besançon ·n 3,000 Moskau T) 3,000 Montevideo f) 3,000 Sidney fl 3,000 Traiguen ·n 3,000 Nizza T) 2,000 Marseille . . . . n 2,000 New-Orléans ·n 2,000 Philadelphia T) 2,000 Warschau n 1,500 Algier ·n 1,500 Chicago ·n 1,500 Hamburg . ·n Uebertrag Fr. 116,500

401 Uebertrag

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

36.

37.

38.

39.

40.

Odessa St. Louis Tiflis Amsterdam Antwerpen Bremen Cannes Genua Livorno Riga . .

Valparaiso Venedig

. . . .

. . . .

.

. . . .

. . . .

- .

.

Fr. 116,500 1,500 ·n 1,500 n 1,500 ·n 1,000 ·n 1,000 ·n 1,000 n 1.000 u 1,000 1,000 ·n 1,000 T) 1,000 n 1,000 ·n y.

Total Fr. 130,000 womit der Büdgetkredit um Fr. 5000 überschritten wird.

Der Beitrag an das Generalkonsulat in London ist von Fr. 15,000 auf Fr. 17,000, derjenige an das Konsulat in Havre von Fr. 8000 auf Fr. 10,000, derjenige an das Konsulat in Nizza von Fr. 2500 auf Fr. 3000 erhöht worden.

Zum ersten Mal wurde ein Beitrag von Fr. 1500 an das Konsulat in St. Louis ausgerichtet.

Ein Beitrag von Fr. 5000 wurde dem Generalkonsul der Vereinigten Staaten in Panama für die interimistische Führung unseres dortigen Konsulats bewilligt.

Unser Konsul in Cincinnati erhielt einen Beitrag von Fr. 1500.

Ein Beitrag von Fr. 1500 wurde bewilligt an Herrn Kramer, Konsulatsverweser in Stockholm.

d. Wir werden die Ehre haben, Ihnen noch im Laufe dieses Sommers eine Botschaft mit Gesetzentwurf über die ,,Vertretung der Schweiz im Auslande"1 zu unterbreiten.

III. Auswärtige Gesandtschaften und Konsulate in der Schweiz.

5 ° A. Gesandtschaften.

Herr Baron Alois von Seiller ist als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister Oesterreich-Ungarns bei der schweizerischen Eidgenossenschaft in Bern akkreditirt worden und hat unterm 2. März dem Herrn Bundespräsidenten sein Beglaubigungsschreiben übergeben.

402

Nach dem Hinscheide des Königs Dom Louis I. hat der König Dom Carlos L Herrn Alfred Ferreira dos Anjas in seiner Eigenschaft als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister Portugals bei der schweizerischen Eidgenossenschaft bestätigt.

Herr dos Anjos hat unterm 7. Dezember dem Herrn Bundespräsidenlen sein neues Kreditiv überreicht.

Herr Boyd-Winchester, Ministerresident und Generalkonsul der Vereinigten Staaten AmeriUa's in Bern seit 1885, hat unterm 24. Mai sein Abbevufungsschreiben überreicht. Gleichen Tages hat Herr John D. Washburn Esq. dem Herrn Bundespräsidenten das Kreditiv eingehändigt, .welches ihn in gleicher Eigenschaft bei der schweizerischen Eidgenossenschaft beglaubigt.

B. Konsulate.

An Konsularbeamte folgender Staaten haben wir das Exequatur ertheilt: Argentinien. Generalkonsul in Bern : Herr Louis Bilbao.

Oesterreich-Ungarn. Honorar-Konsul in Genf: Herr Adolph Mansbach.

Vereinigte Staaten Amerika's.

Konsul in St. Gallen : Herr William H. Robertson.

Konsul in Borgen: Herr Lyell F. Adams.

Konsul in Genf: Herr Roland P. Hemmick.

Konsularngent in Winterthur : Herr Heinrich Langsdorf.

Frankreich. Konsul in Basel : Herr Pierre Joseph Ed. Carteron.

Vizekonsul in Zürich: Herr Vicomte deJouffroy d'Abi)ans.

Italien. Vizekonsul in Genf: Herr Jean Baptiste Conti.

Mexiko. Vizekonsul in Genf: Herr Hercule Saviotti.

Niederlande. Vizekonsul in Davos : Herr Jan Aikes van Kregten.

Vizekonsul in Genf: Herr Jean Reinhardt Schölten.

Serbien. Honorarkonsul in Zürich : Herr Louis Leopold Brettauer.

Uruguay. Generalkonsul in Lugano : Herr G. Galli.

IV. Schweizerische Hülfsgesellschaften im Aaslande.

Wir haben mit Kreisschreiben vom 12. November an alle KantonsregieruQgen eine Tabelle über die Vertheilung der Beiträge des Bundes und der Kantone an 113 Hülfsgesellschaften oder -Anstalten (112 im Jahre 1888) Übermacht (Bundesbl. 1889, IV, 732).

403

Der Bundesbeitrag betrug Fr. 23,000 (wie im Jahre 1888), derjenige der Kantone Fr. 20,180 (20,740 im Jahre 1888). Alle Kantone haben die Sorge für Vertheilung ihrer Beiträge dem Bundesrathe überlassen.

V. Verschiedene Geschäfte.

a. Bei Gelegenheit der Pariser Weltausstellung hatten wir uns mit der I n t e r p r e t a t i o n des A r t . 12 de r B u n d e s v e r f a s s u n g zu beschäftigen, welcher den Mitgliedern der Buudesbehörden, den eidgenössischen Beamten, den eidgenössischen Repräsentanten oder Kommissarien und den Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten der schweizerischen Armee die Annahme fremder Orden untersagt. Mehrere von den Schweizern, die für das Kreuz der Ehrenlegion vorgeschlagen waren, hatten erklärt, aus obigem Grunde die Auszeichnung' nicht annehmen zu dürfen, und die französische Regierung hatle deßhalb um Auskunft über die Tragweite jener Verfassungsbestimmung gebeten. Mit unserer Zustimmung hat die schweizerische Gesandtschaft, unter gleichzeitiger Mittheilung des Textes des Art. 12, die Anfrage dahin beantwortet, daß sie nicht im Falle sei, anzugeben, welche von den genannten Schweizerbürgern dekorirt werden dürften und welche nicht. Unter diesen Umständen hat die französische Regierung beschlossen, überhaupt keinem der betreffenden Schweizer die Auszeichnung zu verleihen.

Es dürfte von Nutzen sain, hier die Gründe anzuführen, welche unsere Gesandtschaft zu ihrer Antwort bewogen haben. Offenbar kann es nicht unsere Sache oder Saehe unserer Vertreter im Auslande sein, bei Gesuchen um fremde Orden seitens schweizerischer Staatsangehöriger, oder bei Verleihung von Orden an solche, vorher gutachtlichen Bericht zu erstatten, ob diese Auszeichnungen zulässig seien ; es würde uns dies zu der sonderbaren Verpflichtung führen, als Titel für solche Ordensverleihungen die Thatsache geltend zu machen, daß ein Schweizerbürger weder als eidgenössischer Beamter, noch als Soldat des Auszuges, der Landwehr oder des Landsturms seinem Vaterlande Dienste leiste. Wir werden deßhalb fortfahren, in derartigen Fällen gleich wie jetzt vorzugehen, es wäre denn, daß die Bundesversammlung anders entscheiden würde.

b. Im Laute des Jahres sind u n s , als Antwort auf die Benachrichtigung vom Tode des Herrn Bundespräsidenten Hertenstein, Beileidsschreiben von 46 fremden Souveränen und Staatsoberhäup-

404

tern zugegangen (Bundesbl. 1888, IV, 1316). Wir haben der Familie des Dahingeschiedenen eine Kopie dieser Schreiben, sowie der Beileidsadressen zustellen lassen, welche uns bei diesem Traueranlaße zugekommen sind.

c. Die unter unseru Mitbürgern im Auslande eröffnete Sammlung z u Gunsten dei1 W a s s e r b e s c h ä d i g t e n d e s K a n t o n s U r i ist am 1. April geschlossen und ihr Ertrag durch Vermittlung unseres Departements des Innern an seine Bestimmung Übermacht worden (Bundesbl. 1889, II, 329).

Unser Vizekonsulat in Königsberg hat uns noch eine Liebesgabe von Fr. 250 für die Opfer der Z u g e r K a t a s t r o p h e übermittelt.

VI. Bürgerrechtsertheilungen.

Die politische Abtheilung hatte sich im Jahre 1889 mit 895 Einbürgeruugsgesuchen zu befassen (867 im Jahre 1888), wovon 220 in die Vorjahre zurückreichen. .

Von diesen 895 Gesuchen wurden 593 genehmigt (im Jahr 1888 601), 24 abgelehnt, weil den gesetzlichen Bedingungen nicht entsprechend (im Jahr 1888 23), 15 von den Bewerbern zurückgezogen, · l durch Rücksendung der Akten erledigt, da der Gesuchsteller es versäumte, die vom Gesetz vorgesehenen Nachweise zu liefern, 262 waren auf Ende Dezember noch pendent.

895 im Ganzen.

Wir haben im Weitern 62 Fälle von allgemeiner Bedeutung für Einbürgerungsfragen behandelt.

Sie hatten sich über einen Rekurs betreffend die Gebühren für Erwirkung unserer Bewilligung zur Wiedererlangung des schweizerischen Bürgerrechts auszusprechen. In Uebereinstiinmung mit uns haben Sie erkannt, daß das Gesetz über den Bezug von Kanzleisporteln vom 10. Juni 1819 (Amtl. Samml. n. P. IV, 335) weder eine Reduktion noch den gänzlichen Erlaß dieser Gebühren zulasse (Bundesbl. 1889, II, 435).

In zwei Fällen waren wir geuöthigt, die ertheille Bewilligung zu annulliren, weil die Bewerber nicht im Falle waren, sei's in einem Kanton, sei's in' einer Gemeinde der Schweiz, die Aufnahme

405 zu erwirken, vielmehr zu Wiedererlangung ihres ursprünglichen Heimatrechts die im Departementsarchiv niedergelegten Ausweise zurückverlangen mußten.

Zu wiederholten Malen sind wir von kantonalen Behörden um unsere Ansicht in der Frage angegangen worden, ob die Volljährigkeit eines Bewerbers, der unsere Einbürgerungsbewilligung besitzt, nach schweizerischen oder nach den Gesetzen seines Heimatlandes zu beurtheilen sei. Wir gaben zur Antwort, daß unsere Einbürgerungsbewilligung durchaus keine Aendernng der Nationalität eines Ausländers involvire, daß dieser somit in Bezug auf seine bürgerliche Handlungsfähigkeit den Gesetzen seines Heimatlandes unterworfen bleibe bis zu dem Zeitpunkt, wo er Angehöriger eines schweizerischen K'antons und einer schweizerischen Gemeinde würde.

Wie im Jahre 1888, waren die meisten Gesuchsteller Deutsche.

Von den obgenaunten 895 Anmeldungen fallen 576 auf Deutsche und 182 Huf Franzosen: sodann folgen: Italiener (58"), Oesterreicher (40), 'Russen (16), Amerikaner (9), Belgier (3), i Spanier, l Portugiese, l Holländer, l Rumäne und l Egypter.

lu 6 Fällen konnte die Nationalität der Gesuclisteller nicht mit absoluter Sicherheit festgestellt werden.

100 Gesuchsteller waren minderjährig, 337 ledig (die Minderjährigen einbegriffen), 445 verheiratet, 49 Wittwer oder Wittwen und 2 Geschiedene. In 32 Fällen konnte der Civilstand nicht festgestellt werden.

lu den 895 Anmeldungen waren Inbegriffen 1382 Kinder, wovon 731 Knaben und 651 Mädchen.

Die Gesammtzahl der Bewerber belief sich also im Jahre 1889, mit Einschluß der verheirateten Frauenspersonen, auf 2722 (2664 im Jahre 1888J.

Die im Jahre 1889 ertheilten Einbürgerungsbewilligungen vertheilen sich auf 402 Deutsche, 127 Franzosen, 28 Italiener, 18 Oesterreieher, (J Russen, 5 Amerikaner, 2 Belgier l Rumäne und l Egypter.

In diesen 593 Bewilligungen sind Inbegriffen 1104 Kinder, wovon 579 Knaben und 525 Mädchen.

Die Gesamrntzahl der Personen, denen wir Bewilligung zur Bürgerrechtserwerbung ertheilten, betrug also, mit Inbegriff' der verheirateten Frauenspersonen, 2044 für das verflossene Jahr (im Jahre 1888 2095).

406

Die an Naturalisationsbewerber, welche in der Folge die Einbürgerungsbewilligung erhielten, ertheilten Aufenthaltsausweise vertheilen sich nach den Kantonen wie folgt: Basel-Stadt 147, Genf 106, Zürich 103, Bern 50, Neuenburg 48, St. Gallen 30, Waadt 24, Tessin 13, Schaffhausen 13, Basel-Landschaft 10, Luzern 9, Thurgau 8, Aargau 7, Graubünden 5, Freiburg 4, Solothurn 4, Appenzell 4, Schwyz 3, Wallig 2, Glarus 2, Nidwaiden 1.

Es ergibt sich also, daß im Jahre 1889 2044 Ausländer die Bewilligung erhalten haben, in der Schweiz ein Heimatrecht zu Erwerben. Wir können darauf rechnen, daß von 10 Bewilligungen -wenigstens eine nicht zur Ausführung gelangt, in dem Sinne, daß der Ausländer, welchem sie verliehen wurde, entweder darauf verzichtet, von ihr Gebrauch zu machen, oder sie verjähren läßt, oder endlich -- und dieser Fall kommt am häufigsten vor -- nicht dazu gelangt, ein Gemeindebürgerrecht au erwerben. Wir schätzen also die Gesammtzahl der im letzten Jahr in der Schweiz naturalisirten Ausländer im Maximum auf 1800.

Wir beabsichtigen übrigens, mit entgegenkommender Unterstützung der Kantone, hierüber eine vollständige und genaue Statistik aufzustellen.

Diese Zahl von 1800 Naturalisirten nun steht aber außer allem Verhältnis zu derjenigen der in der Schweiz mit festem Wohnsitz niedergelassenen Ausländer. Gemäß der letzten Volkszählung stieg diese am 1. Dezember 1888 auf 238,313. Die Naturalisirten bilden also kaum 0,8 °/o sämmtlicher Ausländer. Diese Ziffer steht gleicherweise weit unter derjenigen Zahl, um welche die fremde Bevölkerung in der Schweiz sich jährlich vermehrt. Zieht man nun noch in Berücksichtigung, daß wir schon jetzt ungefähr je e i n e n Fremden auf 10 bis 12 Einwohner zählen -- ein V'erhältnis das von keinem andern Staate Europas erreicht wird, außer vielleicht von dem Fürstenthum Monaco -- so wird man mit uns zur Ansicht gelangen, daß diese Sachlage unsere vollste Aufmerksamkeit beanspruchen muß. In dem Umstände, daß ungefähr ein Zehntel der Bewohner unseres Landes der Militärpflicht und ebenso der Pflichtersatzleistung entzogen ist, und daß dieses Verhältniß sich stets noch ungünstiger gestalten wird, müssen wir einen Grund der Schwache für die Gegenwart und der Gefahr für dio Zukunft erblicken.

Wir glauben, Sie auf diesen Zustand der Dinge aufmerksam machen zu sollen,
in der Meinung, daß der Bund, die Kantone und die Gemeinden, jeder Theil innert der Grenzen seiner Befugnisse, sich mit der Frage der Abhülfe beschäftige. Was uns betrifft, so bemühen wir uns, das Gesetz vom Jahre 1876 über die Naturalisation der Ausländer in möglichst liberalem Sinne zur Anwendung

407

zu bringen, immerhin unter vollster Wahrung des Standpunktes, daß den Interessen der Eidgenossenschaft dadurch in keiner Weise Eintrag geschehe.

YII. Optionen.

An Optionserklärungen zu Gunsten der schweizerischen Nationalität auf Grund des Vertrages zwischen der Schweiz und Frankreich vom 23. Juli 1879, betreffend Nationalität und Militärdienst von in der Schweiz naturalisirten Franzosen, sowie an vorläufigen Optionsanmeldungen, weist das verflossene Jahr auf: 70 Erklärungen (104 im Jahr 1888) und 58 Anmeldungen (53 im Jahr 1888). Für die französische Nationalität verzeigt das Jahr 1889 keine Erklärung.

In mehreren Fällen mußten wir diese Urkunden, bevor wir sie an die französische Botschaft übermittelten, den Kantonsregierungen, durch welche sie an uns gelangten, zurücksenden, um sie berichtigen zu lassen.

Ebenso ist es mehrmals vorgekommen, daß die französische Botschaft die Annahme von Erklärungen ablehnte, weil die Eltern der Optirenden, gebürtige Elsäßer, im Jahre 1872 es versäumt hatten, für Friinkreich zu optiren, und daher gemäß dem Frankfurter Vertrag die deutsche Nationalität erworben hatten.

YIIL Yerzicht auf das schweizerische Bürgerrecht.

Wir hatten uns wahrend des Berichtjahres mit 7 Fällen der Verzichtleistung auf das schweizerische Bürgerrecht zu befassen (H im Jahre 1888), wovon 2 erledigt, 5 auf das Jahr 1890 verschoben wurden.

II.

Handelsabtheüung.

I. Handelsverträge.

Es bestehen zur Zeit die nach verzeichneten Handelsverträge:

4 O CO

Schweizerische Handelsverträge, in Kraft am 1. Mai 1890.

Staaten

Abschlags 3. Juli 1889

Inkrafttretung

Dauer

29. Dezember 1889 1. Februar 1892

Congostaat

16. November 1889 14. April 1890

10 Jahre

Dänemark Deutschland Zusatz- Tarifvertrag . .

Ecuador

10. Februar 1875 23. Mai 1881 11. November 1888 22. Juni 1888

10. Juli 1875 ' 1. Juli 1881 1. Januar 1889 21. Oktober 1889

1 Jabr nach Kündung 1. Februar 1892 1. Februar 1892 10 Jahre

Frankreich .

Grenznachbari. Verhältn.

Genf und freie Zone Griechenland 1 ) . . . .

23. Februar 1882 23. Februar 1882 14. Juni 1881 10. Juni 1887

16. Mai 1882 16. Mai 1882 1. Januar 1883 10. Juni 1887

1. Februar 1892 1. Februar 1892 30 Jahre 1 Jahr nach Kündung

Großbritannien . . . .

Hawaii-Inseln (Sandwich) .

Italien

6. Sept. 1855 20. Juli 1864 23. Januar 1889

6. März 1856 26. Februar 1869 15. April 1889

1 Jahr nach Kündung 1 Jahr nach Kündung 1. Februar 1892

6. Februar 1864 6. Februar 1864 Japan 26. April 1867 Zusatzkonvention . . . 26. April 1867 Liechtenstein (Vertrag mit Oesterreicb -Ungarn) . . 23. November 1888 1. Januar 1889 *) Provisorische Harn elsübereinknnft.

Publikation A. S. n. F. II. Serie.

Bd. I, 341 A. S. n. F. II. Serie.

Bd. 1, 427 A. S. n. F. 1, 668 V, 458 X.825 A. S. n. F. II. Serie.

Bd. I, 210 A. S. n. F. V], 305 » VI, 468 . VI, 515 A. S. n. F. 11. Serie.

Bd. I, 357 A. S. V, 271

\ Unbestimmt; zur Zeit / in Revision begriffen

. I*, 497 A. S. n. F. II. Serie.

Bd. I, 85 A. S. Vili, 6H3 IX, 57

1. Februar 1892

A. S. n. F. X, 834

Staaten

Abschlags

Inkrafttretnng

Niederlande · Oesterreich-Ungarn . . .

19. August 1875 23.;-November 1888 23. Juli 1873 6. Dezember 1873 7. Juni 1886 14. Dezember 1872 30. Oktober 1883 29. Mai 1880 14. März 1883

1. Oktober 1878 1. Januar 1889 27. Oktober 1874 30. Juli 1876 1. Juli 1886 30. Oktober 1873 7. Februar 1885 29. Mai 1880 18. August 1883

Bis zur Kündnng A. S. n. F. III, 522 X, 834 1. Februar 1892 I, 196 1 Jahr nach Kündung 11, 328 1 Jahr nach Kündung IX, 119 10. Juli 1891 A. S. XI, 576 1 Jahr nach Kündung A. S. n. F. VII, 744 10 Jahre V, 172 1 Jahr nach Kündung VII, 222 u.

Bis 1. Febr. 1892 verlängert

Transvaal (südafrikanische Republik) Türkei (frz.-türk. Vertrag 2)

6. Nov. 1885 29. April 1861

18. November 1887 1. Oktober 1861

Ver. Staaten von Amerika

25. November 1850

X,284 10 Jahre 13. März 1890 (in Revision Nicht amtl. publizirt begriffen) 1 Jahr nach Kündung A. S. V, 201

Portugal Rußland Salvador Serbien 1 )

.

. . . .

8. November 1855

Dauer

Publikation

X, 113

*) Provisorische Handelsüb ereinkunft.

a

) Die Schweiz wurde seiner Zeit in den Ver trag zwischen Frank reich und der Pforte eing ^schlössen. Ein neuer Tarif ist zwischen Pran kreich und der Seh weiz einerseits, der ' 'ürkei anderseits, bereits st pulirt, wird aber erst mit dem Doch zu verein barenden Vertrage in Kraft treten.

è9

410

Bemerkungen über die Tarife, welche in den Vertragsstaaten zur Anwendung kommen.

Die Schweiz genießt in allen Ländern, mit welchen sie Handelsverträge abgeschlossen hat, in Zollsachen die Rechte der meistbegünstigten Nation.

Belgien. Umfassender Tarifvertrag mit Frankreich (31. Oktober 1881, Dauer bis 1. Februar 1892); beschränkte Tarifverträge mit S c h w e d e n und N o r w e g e n (26. Juni 1863, Dauer bis l Jahr nach Kündung); D ä n e m a r k (17. August 1863, Dauer bis l Jahr nach Kündung); S e r b i e n (17. Januar 1885, Dauer bis 29. Juli 1893), und den N i e d e r l a n d e n (12. Mai 1863, Dauer bis l Jahr nach Kündung). Im gültigen autonomen Tarif (offizielle Ausgabe vom April 1886) sind die Vertragszölle generalisirt, d. h. als Generalzölle adoptirt.

Dänemark. Autonomer Zolltarif, mit Zollzuschlag von 50 °/o für nicht privilegirte Staaten. Die S c h w e i z gehört infolge des Handelsvertrags zu den ,,privilegirten"1 Staaten ; schweizerische Waaren sind also dem Zollzuschlag nicht unterworfen. Tarifverträge hut Dänemark nicht abgeschlossen.

Deutschland. Beschränkte Tarifverträge mit: 1. I t a l i e n (4. Mai 1883, Dauer bis 1. Februar 1892); 2. S p a n i e n (12. Juli 1883 und 10. Mai 1885, Dauer bis 1. Februar 1892); 3. der S c h w e i z (Hauptvertrag vom 23. Mai 1881 und Zusatzvertrag vom 11. November 1888, Dauer beider Verträge bis 1. Februar 1892); 4. G r i e c h e n l a n d (9. Juli 1884, Dauer bis 2. Mära 1895). Im Uebrigen gilt der autonome Tarif vom 15. Juli 1879, theilwei.se erhöht am 15. Mai 1885 und 21. Dezember 1887, sowie modifizirt durch die Zucker- und Branntweinsteuergesetze vom 24. Juni und 9. Juli 1887.

Frankreich. Umfassende Tarifverträge mit B e l g i e n (31. Oktober 1881), P o r t u g a l (19. Dezember 1881/6. Mai 1882), S c h w e d e n und N o r w e g e n (30. Dezember 1881), S p a n i e n (6. Februar 1882) und mit der S c h w e i z (23. Februar 1882), sämmtlich ablaufend am 1. Februar 1892. Außerdem besteht ein beschränkter Tarifvertrag mit den N i e d e r l a n d e n (19. April 1884, von Jahr zu Jahr kündbar). Im Uebrigen gilt der autonome Tarif vom 7. Mai 1881, für Getreide und Vieh erhöht am 28. März 1885, 29. März und 5. April 1887 und 16. April 1889.

Griechenland. Tarifvertrag mit dem D e u t s c h e n R e i c h (9. Juli 1884, Dauer bis 2. März 1895). Im Uebrigen gilt der autonome

411

Tarif vom 30. April 1887. Die S c h w e i z genießt infolge der am 10. Juni 1887 abgeschlossenen, provisorischen Handelsübereinkunft (Dauer bis l Jahr nach Kündung) die Rechte der meistbegünstigten Nation.

Großbritannien. Der Handelsvertrag mit S p a n i e n (26. April 1886, Dauer bis 30. Juni 1892) modifizirt die englische Alkoholskala für die Verzollung von Wein. Im Uebrigen gilt der autonome Tarif. Für die K o l o n i e n bestehen besondere Tarife. Die im Vertrag mit der S e h w e i z stipulirte Meistbegünstigung erstreckt sich auch auf diese; doch bestehen keine Separatverträge zwischen britischen Kolonien und andern Staaten, die für die Schweiz von besonderern Interesse wären.

Hawaii-Inseln (Sandwich-Inseln). Durch den Handelsvertrag mit den V e r e i n i g t e n S t a a t e n von A m e r i k a (30. Januar 1875 und 6. Dezember 1884, Dauer bis 7. November 1894) ist für eine Reihe von Artikeln Zollfreiheit stipulirt.

Italien. Tarifverträge mit: 1. D e u t s c h l a n d (4. Mai 1883, Dauer bis 1. Februar 1892) ; 2. O e s t e r r e i c h - U n g a r n (7. Dezember 1887, Dauer bis 31. Dezember 1891); 3. der S c h w e i z (23. Januar 1889, Dauer bis 1. Februar 1892); 4.

S p a n i e n (26. Februar 1888, Dauer bis 1. Febiuar 1892). Im Uebrigen gilt der autonome Tarif vom 14. Juli 1887, für Getreide und Mahlprodukte, Essig, Zucker, Syrup, Konfekte und Konserven erhöht im Februar und Juli 1888.

Niederlande. Beschränkter Tarifvertrag mit F r a n k r e i c h (19. April 1884, von Jahr zu Jahr kündbar); und beschränkte Tarifvereinbarungen mit S p a n i e n (8. Juni 1887, Dauer bis 30. Juui 1892). Im Uebrigen gilt der autonome Tarif vom lò. August 1862, mit versehiedbnen, seither erfolgten Modifikationen.

Für Niederländisch-lndien ist seit 1. Juli 1886 ein neuer, für alle Einfuhren gültiger Tarif in Kraft. Die S c h w e i z genießt auch hinsichtlich der niederländischen Kolonien vertragsgemäß die Behandlung auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation.

Oesterreich-Ungarn. Tarifverträge mit der S c h w e i z (23. November 1888, Dauer bis 1. Februar 1892); I t a l i e n (7. Dezember 1887, Dauer bis 31. Dezember 1891). Im Handelsvertrag mit F r a n k r e i c h (18. Februar 1884, gültig bis 6 Monate nach Kündung) ist der österreichische Zoll für Schaumwein festgesetzt.

Im Uebrigen gilt der autonome Tarif vom 25. Mai 1882, mit den Modifikationen vom 21. Mai 1887.

Persien hat keine Tarifverträge.

412 Rumänien. Beschränkte Tarifverträge mit D e u t s c h l a n d (14. November 1877, nebst Nachtragskonvention vom 1. März 1887, Dauer bis 10. Juli '1891); G r o ß b r i t a n n i e n . ^ . April 1880 und Zusatzvertrag vom 26. November 1886, Dauer bis 10. Juli 1891); R u ß l a n d (16. Dezember 1886, Dauer bis 10. Juli 1891); dev T ü r k e i (22. November 1887, Dauer bis 10. Juli 1891); I t a l i e n (23. März 1878, Dauer bis 13. März 1891), und B e l g i e n (14. August 1880, Dauer bis 13. März 1891). Der Vertrag mit der S c h w e i z (7. Juni 1886, Dauer bis 10. Juli 1891) beruht auf dem Prinzip der Meistbegünstigung; derselbe enthielt ursprünglich eine Liste von Artikeln, welche von diesem Prinzip ausgenommen waren. Bei der Erneuerung des deutsch - rumänischen Vertragstarifs (am 1. März 1887) wurden jene von dem Meistbegünstigungsprinzip ausgeschlossenen Artikel nicht mehr gebunden, sondera dem rumänischen Generaltarif zugeschieden, so daß zur Zeit die Schweiz in Rumänien die Rechte der meistbegünstigten Nation in unbeschränktem Maße genießt.

Rußland hat in keinem seiner Verträge Zölle ermäßigt oder gebunden, ausgenommen im Vertrag mit S p a n i e n (2. Juli 1887, Dauer bis 30. Juni 1892), in welchem einige Zollansätze für die Einfuhr in Finland gebunden sind.

Salvador. . Keine Tarifverträge.

Serbien. Die Zölle dürfen nach dem Handelsvertrag mit G r o ß b r i t a n n i e n (7. Februar 1880 und Deklaration vom 4. Juli 1881, Dauer bis 18. Mai 1890) 8 °/o des Werthes nicht übersteigen, ausgenommen Woll- und Baumwollgarne, für welche nur 5 % stipulirt sind. Außerdem bestehen umfassende Tarifverträge mit. D e u t s c h l a n d (6. Januar 1883, Dauer bis 25. Juni 1893) und O e s t e r r e i c h - U n g a r n (6. Mai 1881, Dauer bis 16. September 1892), sowie ein beschränkter Tarifvertrag mit der T ü r k e i (25. Juni 1888, Dauer bis 12. Januar 1893), Spanien hat einen ermäßigten Tarif für Vertragsstaaten und einen höhern für Nicht Vertragsstaaten. Die Ansätze des erstem sind zum großen Theil im Vertrag mit F r a n k r e i c h (6. Februar 1882) gebunden; einzelne dieser Zölle sind auch in den Verträgen mit 1. B e l g i e n (4. Mai 1878), 2. D e u t s c h l a n d (12. Juli 1883), 3. I t a l i e n (26. Februar 1888), 4. der S c h w e i z (14. März 1883), 5. S c h w e d e n und N o r w e g e n (15. März
1883), 6. R u ß l a n d (2. Juli 1887, Dauer bis 30. Juni 1892) festgesetzt. Alle genannten Verträge, mit Ausnahme desjenigen mit Rußland, dauern bis 1. Februar 1892.

413

Transvaal. Keine Tarifverträge. Nach dem autonomen Tarif, der am 6. September 1886 in Kraft getreten ist, beträgt der Zoll für die meisten Artikel 5 % vom Werthe.

Vereinigte Staaten von Amerika. Es gilt ausschließlich der autonome Tarif vom 3. März 1883.

Im Bestände der europäischen Tarifverträge bereitet sich eine allgemeine Aenderung vor. Die meisten derselben können auf Ende 1891 oder 1. Februar 1892 gekündet werden; eine etwas längere Dauer haben nur einige weniger bedeutende Tarifverträge Spaniens und Portugals, Serbiens und Montenegro's. Zu denjenigen, welche auf 1. Februar 1892 k ü n d b a r sind, gehören auch die fünf Tarifverträge der Schweiz (mit den vier Nachbarstaaten und Spanien).

Wir haben nach diesen Ländern im Jahr 1888 zusammen für 399 Millionen Franken Waaren exportirt und aus denselben für 672 Millionen Franken Waaren importirt.

Der Gesatnmlbetrag von 1071 Millionen Franken macht zwei Dritttheile unseres Gesammlhandels (1500 Millionen) aus.

Die Eventualität der K ü n d u n g genannter Verträge, auf welchen dieser bedeutende Verkehr zum großen Theil beruht, erfordert jetzt schon die Vorbereitung einer Grundlage, auf welcher eventuell · unser Import- und Exportverkehr mit den verschiedenen Staaten neu zu regeln wäre. Einerseits wird von diesem Gesichtspunkt aus eine allgemeine Revision unseres Zolltarifs vorbereitet, anderseits finden die nöt.higen Untersuchungen über die Verhältnisse unseres Exportes statt.

Ueber die Gestaltung unserer Vertra.gsverhältnisse im Berichtjahr 1889 ist Folgendes zu bemerken: Die seit 1887 schwebenden Unterhandlungen über einen neuen Handelsvertrag mit Belgien an Stelle der im Jahre 187!) provisorisch vereinbarten gegenseitigen Behandlung auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation sind endlich zum Abschluß gediehen. Der neue Meistbegünstigungsvertrag, der keinerlei Aenderung in den bestehenden Handelsbeziehungen der beiden Länder bedingt, ist am 3. Juli Ib89 unterzeichnet und in der Dezeinbersession des BerichtJahres von Ihnen auf Grund unserer Botschaft vom 29. Oktober Bundesblatt. 42. Jahrg.

Bd. II.

28

414

1889 (Bundesbl. 1889, IV, 319) ratiflzirt worden. Der Ratifikationsaustausch hat am 14. Dezember 1889 in Bern stattgefunden, worauf der Vertrag gemäß Art. 13 am 29. gleichen Monats in Kraft getreten ist. Derselbe ist in die amtliche Sammlung, neue Folge, II. Serie, Bd. I, S. 341 u. f., aufgenommen.

Wir haben ferner den neuen Niederlassuugs- und Handelsvertrag mit dem unabhängigen Kongostaate zu verzeichnen, welcher Vertrag am 16. November 1889 abgeschlossen und von Ihnen ebenfalls in Ihrer letzten Dezetnbersession. gestützt auf unsere Botschaft vom 22. November 1889 (Bundesbi. 1889, IV, 772 u. f.), genehmigt worden ist. Der Austausch der Ratifikationsurkunden hat am 4. Januar 1890 in Brüssel stattgefunden; der Vertrag tritt deßhalb gemäß Art. 16 am 14. April 1890 in Kraft. Derselbe ist in der amtlichen Sammlung, neue Folge, II. Serie, Bd. I, S. 427, veröffentlicht.

Türkei. Am 13. März 1890 läuft der Handelsvertrag ab, welcher am 29. April 1861 zwischen Frankreich 'und der Türkei abgeschlossen und nebst dem dazu gehörenden Zolltarif auch auf die S c h w e i z ausgedehnt wurde.

Die Unterhandlungen Über den Abschluß eines neuen Vertrags und Tarifs dauern schon seit 1882. Die Pforte hatte damals nllen interessirlen Mächten deu Wunsch geäußert, ihren Zolltarif zu erhöhen, um ihre Finanzlage zu verbessern. Zur Wahrnehmung der schweizerischen Interessen während der speziell französisch- .

türkischen Unterhandlungen, die alsdann eröffnet wurden und deren Resultate wiederum auch für die Schweiz Gültigkeit haben sollten, bezeichneten wir eine Anzahl schweizerisch er Kaufleute in Konstantiaopel, welche den Tarifkonferenzen mit berathender Stimme beizuwohnen hatten und sich dieser Aufgabe in der Folge in dankenswerther Weise entledigten. Diese Unterhandlungen über den Tarif gelangten im Jahr 1887 /um Abschluß, nachdem unter vielen Bemühungen für den Hauptartikel des schweizerischen Exports nach der Türkei, nämlich Kopftücher (Kalernkiars), die Herabsetzung des projektirten Zolles von 570 Piaster auf 400 Piaster per 100 kg.

(gleich zirka 12V2 °/o vom Werthe) gelungen war.

Der Text des Vertrages ist zur Stunde noch nicht endgültig festgesetzt.

Indem voraussichtlieh beim Ablauf des Vertrages (18. März 1890) ein neuer Vertrag noch nicht vereinbart und ralifizirt sein wird, haben wir die nöthigen Schritte für die Prolongation des bestehenden Vertrages gethnn.

415 Japan. Im Jahre 1871 hat die japanische Regierung die Absicht kund gegeben, den im Jahre 1864 abgeschlossenen Handels- und Freundschaftsvertrag einer Revision zu unterwerfen. Den andern Staaten gegenüber, mit welchen Japan Handelsverträge abgeschlossen hat, wurde der gleiche Vorschlag seitens der japanischen Regierung gemacht. Art. 17 des Vertrages, auf welchen sich dieselbe bei ihrem Vorschlage berufen hat, lautet : ,,Es wird auch zugegeben, daß jeder der beiden hohen kontrahireüden Theile, nachdem er den andern wenigstens ein Jahr zum Voraus, vorn 1. Heumonat 1872 an gerechnet, oder nach diesem Zeitpunkte wird benachrichtigt haben, die Revision des gegenwärtigen Vertrages verlangen kann, um daran diejenigen Abänderungen oder Verbesserungen vorzunehmen, welche durch die Erfahrung als nöthig sich erwiesen hätten. tt Der Vertrag von 1864 ist nicht auf eine bestimmte Dauer, sondern für alle Zukunft abgeschlossen. Nach Art. 17 kann zwar jeder der kontrahirenden Theile eiue Revision verlangen; damit aber eine solche in Kraft treten kann, bedarf sie der Zustimmung beider Kontrahenten.

Die Revisionsfrage blieb sodann mehrere Jahre ruhen. Im Jahre 1878 ist dieselbe wieder aufgenommen worden, indem die japanische Regierung durch ihre diplomatischen Vertreter an diejenigen Staaten, mit welchen sie Handelsverträge abgeschlossen hatte, ein Memorandum lichtete, mit welchem sie die Revision verlangte, einerseits, um in den vollen Genuß der dem Reiche inhärirenden souveränen Rechte, besonders hinsichtlich der Festsetzung von Vertragsbestimmungen und der Zolltarife, gesetzt zu werden, andererseits, um die Zolleinnahmen zu vermehren und gleichzeitig die inländische Industrie zu schützen.

Die vorgeschlagene Revision wollten wir nicht ablehnen; allein wir verlangten vor Allem bestimmte und detaillirte Abänderungsvorschläge, die den Einblick ogewähren,J wie sich nach denselben c5 i die Handelsverhältnisse zwischen beiden Ländern gestalten würden. Im Jahre 1880 hat sodann die japanische Gesandtschaft uns den Entwurf zu einem neuen Handelsvertrage vorgelegt. Demselben war der Entwurf zu einem Konventionaltarife mit 30 Positionen, von welchen die wenigsten für den schweizerischen Export nach Japan von Bedeutung waren, beigefügt. Für die .übrigen zollpflichtigen Gegenstände hätte Japan Freiheit gehabt, mit dem Eingangszoll bis auf 30 °/o vom Werthe zu gehen. Diesen Entwurf erachteten wir nicht für annehmbar, selbst nicht als Basis weiterer Unherhandlungen.

416

Inzwischen hatte Japan eine internationale Konferenz mit den sämmtlichen Vertragsstaaten in Aussicht genommen, um an derselben über die japanischen Handelsverträge zu verhandeln. Im Jahre 1882 ist diese Konferenz in Tokio zusammengetreten. An derselben waren folgende Staaten vertreten: einerseits Japan, andererseits die Schweiz, Belgien, Dänemark. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Norwegen und Schweden, OesterreichUngarn, Portugal, Rußland, Spanien, Vereinigte Staaten von Amerika.

Später haben sich auch die Hawaii-Inseln an der Konferenz vertreten lassen.

Nachdem die Verhandlungen vom Januar bis Juli 1882 gedauert hatten, wurden dieselben vertagt, utn die Vorschläge und das Resultat der bisherigen Verhandlungen den Staatsregierungen, welche sich an der Konferenz hatten vertreten lassen, vorzulegen und die Beschlüsse derselben abzuwarten.

Im Jahr 1883 hat die Konferenz ihre Arbeit fortgesetzt, ohne jedoch zu einem Endergebnis zu gelangen. Dagegen ist die Konferenz im Jahre 1884 zu einem vorläufigen Resultat gelangt, indem ein Tarifentwurf für die Eingangszölle in Japan ausgearbeitet worden ist. Derselbe wurde den Regierungen der betheiligten Staaten zur Prüfung vorgelegt und inzwischen die Konferenzberathungen suspendirt. Die japanische Regierung hat hierauf den Vertragsmächten ein Memorial zugesandt, in welchem sie die Hoffnung ausgesprochen hat, es möchte der revidirte, von der Präliminarkonferenz angenommene Tarif ohne weitere Diskussion unverändert angenommen werden. Im Weitem* wollte Japan die Oeffnung des ganzen Reiches für den Handel und den Aufenthalt der Fremden an das gänzliche Fallenlassen der auswärtigen Konsularjurisdiktion knüpfen.

Die Verhandlungen wurden im Mai 1886 wieder aufgenommen und bis im Monat J u l i thätig fortgesetzt. Arn 18. jenes Monats wurde vom Präsidium eröffnet, dus japanische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten verlange Verschiebung der Konferenzverhandlungen. Die japanische Regierung wurde, wie es scheint, zu diesem Schritte durch die Bedenken veranlaßt, welche ihr durch die von der Konferenz aufgestellten Bestimmungen über Rechtspflege eingeflößt wurden, denen zufolge die neuen japanischen Gesetzbücher der Genehmigung der auswärtigen Mächte unterliegen sollten. Japan wollte zuerst die gesammten Kodifikationsarbeiten vollenden,
in der Meinung, daß dieselben in ihrer Gesammtheit einen so entschiedenen Beweis für den aufrichtigen Wunsch dieses Staates liefern würden, sein Recht und seine Verwaltung den Anschauungen des Occidents anzupassen, daß die Mächte auf die Genehmigungsklausel verzichten könnten.

417 Die Kollektiv-Verhandlungen zwischen Japan einerseits und den Vertragsmächten anderseits sind seither nicht wieder aufgenommen worden; dagegen hat Japan mit den einzelnen Staaten separate Unterhandlungen vorgenommen, wohl in der Meinung, auf diesem Wege leichter und schneller zum Ziele zu kommen.

Bis jetzt hat Japan solche Verträge negociirt mit: den Vereinigten Staaten von Amerika, Mexiko, Rußland und Deutschland.

Die Unterhandlugen mit andern Staaten ^England, Frankreich, Belgien etc.) sind pendent.

Im Oktober des Berichtjahres sind die Unterhandlungen über einen neuen schweizerisch-japanische!) Handelsvertrag in Bern und zwar zwischen dem Vorsteher des Departements des Auswärtigen, Herrn Bundesrath Droz, und dem bei der Schweiz und OestevreichUngarn akkreditirten japanischen Gesandten Grafen Toda geführt worden. Es wurde hei denselben vollständiges Einverständniß erzielt bis auf einen einzigen Punkt, über den der japanische Gesandte noch nähere Instruktionen einzuholen hatte.

Inzwischen hat sich in Japan eine starke Opposition gegen die neuen Handelsverträge geltend gemacht, weil durch dieselben Japan den Vertragsstaateu ganz geöffnet würde, während bis jetzt nur die Hnfenplätze Hakodaté, Tokio, Yokohama, Osaka, Kobé. Nagasaki und Niigata dem Verkehr und dei' Niederlassung der Fremden geöffnet waren; weil ferner den neuen Verträgen gemäß Japan auf die Dauer von 12 Jahren sifh verpflichtet, den obersten Geric-hfèhof bei Beurtheilung von Prozessen, bei welchen Angehörige der Vertragsstaateu betheiligt wären, in der Mehrzahl aus europäischen oder amerikanischen Mitgliedern zu beset/en uad binnen zwei Jahren von Inkrafttretung der neuen Verträge an neue Zivil- und Strafgesetze nach dem Muster der Vertragsstaaten aufzustellen und aueh in englischer Sprache zu publizireni Bei dieser 'Situation kam es nicht zur Ratifikation der zwischen Japan und den genannten Staaten vereinbarten neuen Verträge und die Unterhandlungen mit der Schweiz wurden auf unbestimmte Zeit sistirt.

Es ist gegenwartig ganz unbestimmt, wann dieselben wieder aufgenommen werden. Inzwischen bleibt der status quo, d. h. der Vertrag von 1864 mit den mäßigen japanischen Importzöllen in Kraft.

II. Anstände im internationalen Handelsverkehr.

Wie gewöhnlich, sind es fast nur Anstände mit den Zollverwaltungen Italiens und Frankreichs, welche unsere Intervention erfordert haben.

418 Obsehon unsev Handelsverkehr mit Deutschland und vielen anderen Staaten ebenfalls höchst bedeutend und mannigfaltig ist, gehört es doch zu den Seltenheiten, daß wir von Industriellen und Kaufleuten um Einleitung diplomatischer Schritte zur Hebung von Zollanständeu in diesen Ländern angerufen- werden. Was das Deutsche Keich betrifft, so haben wir nur hie und da noch dnran zu erinnern, daß Zollreklarnationen successive direkt an die betreffenden Zoll- und Steuerdirektionen, Finanz- und Staatsministerien der Einzel-Staaten zu richten sind, bevor sie auf diplomatischem Wege beim Auswärtigen Amt in Berlin anhängig gemacht werden können. -- Reklamationen, wie sie unmittelbar nach der Inkraftsetzung des neuen englischen Gesetzes über Warenbezeichnungen wegen Bes'-h lagnah nie und Konfiskation schweizerischer Waaren in England so häufig waren, kommen last keine mehr vor. Die Ausführung des Gesetzes scheint sich nun mehr den berechtigten Gepflogenheiten des Handels, und dieser seinerseits hesser dem Gesetz augepaßt zu haben. -- Was Italien betrifft, so waren die Anstände, welche mit dem französisch-italienischen Zollkrieg zusammenhängen, weniger zahlreich als im Vorjahre. Die am I.Januar 1890 erfolgte Aufhebung des ilalieniscben Differentialtarifa für französische Waaren hat diesen Anständen vollends ein Ende gemacht. Bisweilen ist im Verkehr mit"Italien immer noch Unkenntniß gesetzlicher und reglementarischer Vorschriften «n unrichtigen Klassifikationen und Zollbußen Schuld. Wir haben in dieser Hinsicht unserer Geschäftswelt durch das Handelsamtsblatt sowohl, als auch auf anderem Wege jeweilen rechtzeitig allen wünschbaren Aufschluß erlheilt; bedauerlicherweise gibt es aber immer selbst unter den Spediteuren Einzelne, die sich hei uns über Taxationen und Bußen beschweren, welche durch regelmäßige Lektüre des Handelsamtsblattes oder · sonstige Information leicht zu verhüten gewesen wären Niimeutlich kommt es auch vor. daß die unerläßliche Formalität der soforligen Rekursergrcifung an die betreffende italienische Handelskammer oder an dus Finanzministerium bei der Deponirung des streitigen Zollbetrages versäumt wird, obschon diese Formalität von uns schon wiederholt zum Gegenstande \on Publikationen gemacht worden ist (s. Handelsamtsblatt 1888, Seite 72).

Im Einzelnen (heilen wir ('olgende Fälle mit,
die ein gewisses praktisches oder prinzipielles Interesse in Anspruch nehmen.

D a m a s s i r t e B a u m w o l l g e w e b e . Dieselben unterliegen bei der Einfuhr in Italien dem Zoll der glatten Gewebe

419 mit einem Zuschlage von 20 °/o. Bei der Berechnung des Zolles werden die Ansätze des italienischen Generaltarifs für glatte Gewebe als Basis angenommen, obschon dieselben durch den schweizerisch-italienischen Handelsvertrag vom 23. Januar 1889 herabgesetzt worden sind. Von verschiedenen Seiten wurde nun gegen diesen Verzolluhgsmodus Einsprache erhoben und verlangt, daß bei der Berechnung des Zolles für fragliche Gewebe jeweilen der ermäßigte Zoll, «je er in dem erwähnten Vertrage für die einzelnen Kategorien der glatten Gewebe stipulirt ist, als Grundzahl angenommen und der Zuschlag von 20 °/o für das Dainassiren nach diesen Vertagszöllen berechnet \verde. Die italienische Zollverwaltung lehnte dies jedoch in bestimmter Weise ab, indem sie geltend machte, daß der schweizerisch-italienische Vertrag die damassirten Gewebe nicht erwähne. -- Es kommt öfters vor, daß Bau m w o 11 t u e h e r , die beim Bedrucken eingehen, wodurch sich die Zahl der Fäden in dem durch den italienischen Zolltarif bestimmten Raum von 5 mm 2 vermehrt, deßhalb in eine höhere Klasse eingereiht und mit einem höhern Zoll belastet werden, namentlich dann, wenn schon das rohe Gewebe die Maxirnalgrenzu der Fadenzahl der betreffenden Zollposition erreicht.

Eine hierauf bezügliche Reklamation einer Glarner Firma wurde von der italienischen Expertenkommission als berechtigt anerkannt. -- Gesäumte bedruckte Tücher mit Wollfransen unterliegen nach dem italienischen Zolltarif einem besonderen Zuschlag von 50 °/o fUr die Näharbeit. Eine Reklamation gegen diese Verzollungsart, welche sich darauf stützte, daß für ,,Mouchoirs" der Zuschlag für'die Näharbeit im schweizerisch-italienischen Handelsvertrag auf 10 °/o herabgesetzt sei, wurde abgewiesen mit der Begründung, daß die fraglichen Tücher sich infolge der am Rande angenähten -Wollfransen nicht mehr als Mouchoirs, sondern als Shawls oder Umschlagtücher qualifiziren. -- F i l z e . Die im neuen schweizerisch-italienischen Konventionaltarif stipulirte Zollherabsetzung von Fr. 150 auf Fr. 110 (ür ,,Filze bis zu 3 mm. Dicke und im Gewicht von über 500 gr. per m 2a gilt nur für gewalkte Filze; mit Kette und Schuß gewobene Filztüdier werden nach dein italienischen Tarifsystem nicht mehr als Filze, sondern als Gewebe angesehen und auch demnach verzollt. -- N a p h t a b o o t e . Nach dem italienischen Zolltarif sind Schiffe, Barken und Kähne bei der Einfuhr in Italien zollfrei. Eine zürche-

420

rische Firma, welche sogenannte Naphtaboote (Vergriügungsschiffehen mit Dampfbetrieb) erstellt, beschwerte sich darüber, daß bei einer Sendung nach Italien vom betreffenden Zollamt das Boot selbst zwar zollfrei zugelassen, der größere Theil der Ausrüstungsgegenstände jedoch nach ihrer Art und Beschaffenheit mit dem resp.

Eingangszoll belastet wurde. Die Reklamation wurde von der italienischen Generalzolldirektiou als begründet anerkannt und dus betreffende Zollamt angehalten, den erhobenen Zollbetrag zurückzuerstatten. -- S c h u h n ä g e l , welche durch das Feuer eine blaue Färbung erhalten haben, werden bei der Einfuhr in Italien als oxydirte Waaren taxirt und demgemäß mit einem Zoll von Fr. 30 belastet. -- Eine Sendung einzelner M a s c h i n e n t h e i l e aus Eisen, welche eine Waage bildeten, im Gewichte von 6185 kg., wurde eines (wahrscheinlich verschiebbaren) Gewichl.es wegen, das aus Kupfer bestand und 5 kg. wog, in eine höhere Tarifklasse eingereiht, und statt als ^Maschinentheile, gelrennt eingehend", für welche der Zoll Fr. 11 beträgt, als ,,Eisen und Stahl zweiter Verarbeitung in Gegenständen, welche mit andern Metullen verziert sind"1 mit Fr. 20 per 100 kg. verzollt. Die in Rom anhängig geinachte Reklamation blieb ohne Erfolg, da die in dem italienischen Gesetz über das Verfahren bei Zollanständen vorgeschriebenen Bestimmungen nicht, erfüllt worden waren und die Sendung das Zollamt bereits verlassen hatte. Außerdem machte die Zollverwaltung geltend, daß die Verzollung nach der oben ' zitirten höher besteuerten Zolltnrifposition eintreten müßte, aueli wenn es sich, wie irn vorliegenden Falle, nicht um eine Verzierung, sondern um einen eigentlichen Bestandtheil aus einem andern Metall handle. -- G e d r u c k t e B ü c h e r mit einfach verzierten Linien, welche die ein/.elnen Kapitel oder den Titel vom Texte trennen, werden deßhalb keinem höhern Verxollungsmodus unterworfen, sondern unterliegen, wie dies der italienische Tarif vorschreibt, dem Zoll des betreffenden Papiers, aus welchem sie bestehen. Das italienische Zollamt Chiasso hatte ursprünglich eine Sendung von Büchern in italienischer Sprache wegen der oben erwähnten, einfach verzierten Linien als ,,Kupferstiehe, Lithographien und Eliquetten" mit Fr. 100 per 100 kg. taxirt; durch die Bemühungen der schweizerischen Gesandtschaft
in Rom ist diese Verfügung nieht gutgeheißen, sondern unsere Reklamation als begründet befunden worden.

Ein italienisches Dekret vom 31. August 1888 bestimmt, daß für die aus Italien ausgeführten R o t h w e i n e , welche über 11 ° AI-

421

kohol enthalten, eine Steuerrückvergütung stattzufinden habe; immerhin muß der Absender ein schriftliches Begehren hiefür einreichen.

Ein schweizerischer Weinhändler, welcher eine größere Sendung Rothwein aus Süditalien bezog, kam dadurch zu Schaden, daß der Absender den betreffenden Vorbehalt auf dem Frachtbriefe vorzumerken unterließ, weßhalb die Sendung als fremde Transitwaare behandelt und die Rückvergütung der Ausfuhrprämie im Betrag von über Fr. 1000 verweigert wurde. Aus Unkenntniß oder durch ein Versehen hatte nämlich der Absender der Waare eine Bolletta cT Uscita beigegeben; infolge dessen war die Douane in Genua berechtigt, die mit einer Ausgangserklärung aus einem andern Hafen des Landes anlangende Sendung als fremde Transitwaare zu behandeln. Die erhobene Reklamation blieb ohne Erfolg. -- K i r s c h w a s s e r , welches, wie bereits in unserm Geschäftsbericht vom Jahre 1884 erwähnt, bei der Einfuhr in Italien als ,,versüßter oder gewürzter Spiritus1* behandelt wird, unterliegt, wie überhaupt alle versüßten Spiritnosen, einer Alkoholzuschlagstaxe auf der Basis von 70°, auch wenn diese Alkoholgrenze nicht erreicht wird. -- Für F u h r w e r k e , die vorübergehend die italienische Grenze überschreiten, um später auf schweizerisches Gebiet zurückzukehren, kann vorn betreffenden italienischen Zollamte zur Sicherung der Wiederausfuhr die Hinterlegung des doppelten Zollbetrages als Kaution verlangt werden. Immerhin kann der Zollbeamte Personen, die ihm bekannt sind, out' seine eigene Verantwortlichkeit hin, die Grenze ohne Anwendung jener Maßregel passiren lassen.

Ein tessiniseher Grenzbewohner, der sich mit seinem Fuhrwerk nach Como begeben wollte, wurde an der Grenze zur Zahlung der Kaution angehalten, während gleichzeitig ein anderer Tessiner, der aber dem Zollbeamten bekannt war, ohne eine solche leisten zu müssen, die Grenze passirte. Eine Reklamation des erstem wurde aus den oben angeführten Gründen abgewiesen. -- Frankreich. Laut einem Zirkular der französischen Generalzolldirektion vom 5. März 1888 werden W e i n e , welchen Alkohol beigemischt wurde, nicht als Naturweine angesehen, selbst dann nicht, wenn sie die gesetzliche Grenze des Alkoholgehaltes, 15°, nicht erreichen. Eine Sendung türkischen Weins von 13°, welcher, wegen des Transportes über Meer von Konstantinopel nach
Venedig und Genua, mit geringen Quantitäten Alkohol untermischt worden war, wurde auf dem französischen Zollamt in Delle angehalten und der Importeur, ein schweizerischer Weinhändler, zur Zahlung des

422

Eiugaugszolles und der internen Steuer für Alkohol, sowie zur Entrichtung einer Buße gezwungen.

Gegen die verlangte Verzollung und Besteuerung ließen sich keine Einwendungen erheben; was hingegen die Bulle anbelangt, so wurde dieselbe auf Intervention der Gesandtschaft erlassen, weil dein Importeur die Absicht einer Defraudatici! férue lag. -- Ein französisches Gesetz bestimmt, daß die Importeure von Waarensendungen oder deren Agenten der Zollabfertigung beizuwohnen haben, resp. daß die letztere uur in deren Reisein stattfinden könne. Infolge dessen lehnt die französische Zollverwaltung jede Verantwortlichkeit bezüglich von Gegenständen, die bei einer zollamtlichen Verifikation abhanden kommen, ab. Eine im Berichtjahr erfolgte Reklamation blieb deßlialb ohne Erfolg.

Deutschland. Die Freipaßbewilligung für den Stiekerei-Veredlungsverkehr zwischen der Schweiz und Sachsen wurde von einer schweizerischen Firma in der Weise rnißbi-Hucht, daß die StickstUcke von Sachsen aus, ebenfalls im zollfreien Veredlungsverkehr, nach Böhmeu weiterspedirt, daselbst bestickt und nachher wieder nach Sachsen zurückgebracht wurden, um von hier aus als angeblich in Deutschland veredelte Waare zollfrei nach der Schweiz zurückzukehren. Der fraglichen Firma wurde vorläufig die Freipaßabfertigung entzogen und die nur Freipaßlöschung angemeldete Waare bei der Einfuhr verzollt; zugleich wurde der deulschen Reichsbehörde durch die schweizerische Gesandtschaft in Berlin von dem mißbräuchlichen Verkehr Kenntniß gegeben. Von ersterer sind hierauf die nöthigen Maßregeln zur Verhütung fernerer Mißbrauche angeordnet worden. -- Die in Ziffer n des Schlußprotokolls zum schweizerisch deutschen Handelsvertrag vom 23. Mai 1881 stipulirte Zollbefreiung für ,, g e b r a u c h t e M a s c h i n e n , welche von bereits Niedergelassenen aus ihren Stamm- oder Filial-Etablissements in dem einen Gebiete zur eigenen Benutzung in ihren Filial- oder Btamm-Elablissements in dem andern Gebiete aus- und eingeführt werden," ist durch einen Erlaß des großh. badischen Finanzministeriums vom 27. Juli 1888 von der Bedingung abhängig gemacht worden, daß der Kigenthümer oder ein Miteigenthümer des Etablissement bereits früher übersiedelt sei und zwar persönlich und dauernd, daß aber ein bloß vorübergehender Aufenthalt dieser Personen behufs Geschäftsleitung
nicht genüge.

In einem Reklamationsfall betreffend Uebersiedlung gebrauchter Maschinen in das badische Zweiggeschäft einer Schweizerfirma wurde diese Auffassung der Vortragsbestimmung bestätigt.

423

III. Ausstellungen.

Die W e l t a u s s t e l l u n g i n P a r i s , über deren Vorbereitungen wir Ihnen in unseren beiden letzten Geschäftsberichten zu refe rive n hatten, ist im verflossenen Jahre programmmäßig verlaufen. Sie wurde an dem von Anfang an bestimmten Tage, nämlich um 6. Mai, eröffnet und am 6. November geschlossen. Die Dauer war mit Rücksicht auf die nicht endenden Schaaren von Besuchern um 6 Tage verlängert worden. Am 1. März hatte das schweizerische Generalkommissariat seinen Site von Zürich nach Paris verlegt; das Gros der schweizerischen Ausstellungsobjekte war rechtzeitig eingeliefert worden, und am Eröffnungstage slanden die schweizerischen Abtheilungen in der Ausstellung mit Ausnahme nebensächlicher Arrangements fertig da. Gegen Ende Juni begannen die Preisgerichte, zu welchen die Schweiz 39 Mitglieder und Suppleanten stellte, ihre Thätigkeit. In den Klassen-Jurys funktionirten drei Juroren der Schweiz als Vizepräsidenten, vier als Sekretäre. In der Jury der Gruppe III (Mobilier et accessoires) war Herr Oberst David Perret als Präsident, in derjenigen der Gruppe II [Education et enseignement, matériel et procédés des mis libéraux) Herr Regierungsrath Dr. Gobat als Vizepräsident gewählt worden. In der Jury supérieur endlich war die Schweiz durch Herrn Generalkommissär Vögeli-Bodmer und Herrn Adjunkt Dr. Duplan, Legationssekretär der schweizerischen Gesandtschaft, vertreten. Die erste, provisorische Prämirungsliste konnten wir im ,,Schweizerischen Handels« mtsblatt" vom 27. September 1889 veröffentlichen. Die Verpackung und Kucksendung der Ausstellungsgegenstände war am Jahresschluß beendet. Das Generalkornmissariat verließ Paris am 30. Dezember, um der völligen Abwicklung der Geschäfte in Zürich obzuliegen.

Die Ausstellung hat sich für einzelne schweizerische Ausstellungsgruppen zu einem wahret) Triumphe gestaltet, und die Auszeichnungen, die unserem Lande überhaupt '/M Theil geworden sind, sind zahlreicher als an irgend einer der bisherigen Ausstellungen, obschon mehrere unserer größten Industriezweige wegen der entmuthigenden Zollschranken, welche dem Absatz ihrer Erzeugnisse in Frankreich und vielen anderen Ländern entgegenstehen, von der Ausstellung gänzlich fern geblieben oder nur ganz ungenügend an derselben repräsentirt gewesen sind. Die Seidenbandweberei und die
Bijouferie z. B. fehlten ganz; unsere großartige Baumwollspinnerei, -Weberei, -Färberei und -Druckerei waren nur durch je eine Firma vertreten, ebenso die Strohindustrie. Zu den unvollkommen vertreteneu Hiiuptbrancheu gehört aiu'h die Stickerei. Es ist dies beim Durchgehen der nachstehenden Uebersicht, in Beachtung zu ziehen.

424

K

&

!

ü> I. Kunst 11. Erziehung, Unterricht, freie Küuste III. Uhren etc. . . .

IV. Gewebe etc.. . .

V. Kohstoffe, Chemikalien etc. . .

VI. Maschinen, Instrumente, A pparate etc.

VII. Nahrungsmittel VIII. Landwirtschaft, Weinbau, Fischzucht IX. Gartenhau . . .

Sozialökonomie . . . .

Gold

Silber Bronze

Total der Auszeichnungen

Medaillen Gruppe

Ehrenmeldung

Uebersicht der schweizerischen Auszeichnungen.

o

S 1 3 ~t

Ü il ·§*" 'So

SS

·<

5

6

21

16

48

76

3

12 5 6

29 18 25

55 51 23

46 56 30

42 49 4

184 179 88

308 2^9 92

60 78 96

2

6

15

17

14

54

65

83

6 2

21 25

35 47

27 50

13 39

102 163

125 195

82 84

1 . 6 19 2 3 2 3 1 3 251 180 829 1115*

32 67 100 71

2 33

2 133

3

232

* Jeder Aussteller ist so vieIMal gerec' inet, a 1s er in ver schied en en Klassen ausgestellt hat. . Die in lividu alle Za hl der Aussi eller l eträgi nur 918; von je 100 individu«ìllen A usstel ern si nd also 90 ]>rämir i worc en.

Außerdem wurden 141 Mitarbeiter pramirt.

Vieha-usstelhing : l Ehrendiplom, 33 Geldpreise, 7 Ehrenmeldungen, Total 41 Auszeichnungen fin- 89 Stücke Vieh.

In f i n a n z i e l l e r H i n s i c h t ist zu bemerken, daß sich das Budget in einigen Punkten, die von vorneherein unberechenbar waren, als ungenügend erwiesen hat. Es kommt hiebei, außer dem Mehrbetrag für die zahlreichen schweizerischen Jurymitglieder, für die Assekuranz und für die Viehausstellung, namentlich die Bethfeiligung des Bundes an den Transportkosten für über 4000 Tonnen Ausstellungsgüter in Betracht; das Generalkommissariat mußte in dieser Hinsicht dem Bundesbeschlusse Folge geben und es lag daher nicht in. seiner Macht, Mehrausgaben in dieser Rubrik zu vermeiden.

425 Daß bei den Posten, welche der Oekonomie des Kommissariats weiteren Spielraum ließen, nach Möglichkeit gespart worden ist, geht aus der nachstellenden provisorischen Uebersicht, die voraussichtlich noch verschiedene Modifikationen erleiden w i r d , unverkennbar hervor : Provisorische Üebersicht der Ausgaben des Bundes.

Budget.

Fr.

50,000

Ausgaben.

Fr.

Mehrausgaben.

Fr.

Mioderausgaben.

Fr.

410. 03 Allgemeine Verwaltung . . .

50.410. 03 -- -- Verwaltung i n Paris . . . . 60,000 54421 . -- 5,579.

-- Internationale Jury 35,000 45,976. 54 10,976. 54 -- 4,000 2,316.56 Katalog 44 -- 26 1,683.

-- Transportkosten des Bundes . . 50,000 120,642. 26 70,642.

_ Transport- und Feuerassekuranz 1,500 22,311.- 20,811.-- -- Installation 17,000 15.194. 65 1,805. 35 30,000 34,778. 90 4,778. 90 .Sicherheitsdienst -- -- Kistenaufbewahrung . . . .

3,800 7,600. - 3,800. -- Verpackung und Rücksendung.

9,000 10,000. -- 1,000.-- -- 32,000 12,058. 05 Kunstausstellung 58.05 10,000 32,000. - 22,000. -- Viehausstellung . · -- -- -- 2,500. -- 2,500 Reklamationen -- Berichterstattung 10,000 10,000. -- -- Sammlungen 2,000 12,000. -- 10,000. -- -- -- Bauliche Einrichtung . . . . 100,000 102,474. 09 2,474. 09 28,200 Unvorhergesehenes 28,200. -- -- --

425,000 534,683.08 146,950.87 37,267.79 Wir werden Ihnen über die Mehrausgaben einen besonderen Bericht erstatten. Im (Jebrigen verweisen wir auf den gedruckten SchluiSbericht des Goneralkommissariats, der allen Mitgliedern der Bundesversammlung zugestellt wird.

An verschiedenen kleineren Aussteilungen, welche im Berichtjahre stattgefunden haben, war die Schweiz nicht offiziell vertreten, noch sonst in hervorragender Weise bctheiliat.

ö ö

IV. Konsularberichte.

Im Gebiete des Konsularberichlswesens ist im Großen und Ganzen keine Aenderung zu verzeichnen. Zahlreiche Konsuln haben uns wieder. höchst werth volle Arbeiten uberrnilt'elt, die auch in kommerziellen Kreisen und von der Tagespressc sehr beachtet

426 worden sind. Manche Konsulate senden uns außer ihren Jahresberichten oder an Stelle derselben Mittheilungen, so oft einzelne wirth 1 chaftliche oder speziell kommerzielle Vorkommnisse dazu Anlaß bieten: als solche sind besonders ZoiHarifänderungeu, Handelsverträge, Gesetze und Verordnungen über Patentgebührcn für Handelsreisende n. dgl. hervorzuheben. Wir waren oft im Falle, auf Grund solcher Miitheilungen von Konsulaten und Gesandtschaften unserer Haudelswelt nützliche Winke zu geben. Nicht selten laufen Berichte ein, welche sich ihrer Natur oder Form nach gar nicht oder nur theiKveise zur Veröffentlichung eignen. Wir pflegen dieselben je nach ihrem besonderen Inhalt einzelnen Bundesoder Kantonalbehörden, Handels- und Industrievereinen oder Geschäftshäusern in konfidentieller Weise handschriftlich X.UT Kenntuiß zu bringen. Im Allgemeinen können, wir neuerdings bestätigen, daß unsere Konsuln den Anforderungen, welche man an ihre Berichterstattung je nach ihren individuellen und den lokalen Verhältnissen stellen darf, genügen, und daß Einzelne selbst Mustergültiges leisten.

Diejenigen, welche wenig- uder gar nichts zu berichten pflegen, haben ihren SiU entsvedev an Orten von geringer kommerzieller Bedeutung, oder an Handelsplätzen, die, wie die deutschen, englischen, französischen, iialienischen, österreichischen, belgischen etc., fast unserer gesarnmteu Geschäftswelt durch Geschäftsreisen, Zweigniederlassungen, Agenturen etc. so intim bekannt sind, daß Konsularberichte von dorther gar nicht erwartet werden.

Behufs Orienlirung unserer Konsulate über die heimatlichen Verhältnisse fahren wir fort, ihnen unsere verschiedenen amtlichen Publikationsorgane, sowie die Berichte der Handels- und Industrievereine und sonstige hervorragende Publikationen kommerzieller Natur zuzusenden.

V. Haudelsamtsblatt.

Dieses Organ, dessen sich die Departemente des Bundesrathes zu den in ihr Ressort einschlagenden Veröffentlichungen kommerzieller Natur gemeinschaftlich bedienen, ist im Berichtjahre nach dem gewohnten Programm erschienen. Neuartiger Stoff hat sich nicht hinzugesellt. Die Abonnentenzahl verharrte ungefähr auf dein gewohnten Niveau von 2550 bis 2600. Außer den bezahlten wurden 613 Exemplare gratis an die Mitglieder der Bundesversammlung, an Gesandtschaften und Konsulate, Bundes- und Kantonsbehörden, Handelsregisterführer etc. versandt. Mit einer Anzahl von Privatblättern wird ein Tausehverhältniß unterhalten. Das Blatt gewinnt einen immer regelmäßigeren Gang; es sind meistens drei Nummern per

427

Woche, je Dienstags, Donnerstags und Samstags erschienen. Die übrigen Verhältnisse des Blatles haben wir schon in früheren Berichten auseinandergesetzt. Die Abonnenten.zahl ist verhältnißmäßig befriedigend und wird sich nur sehr langsam steigern lassen.

Es liegt in der Natur der Sache, daß das Handelsamtsblatt mit seinem enge begrenzten Programm trotz dem billigen Preis nicht die Verbreitung der größeren Tngesblätter erlangen kann. Sein unmittelbarer Interessentunkreis umfaßt außer den oben genannten Behörden hauptsächlich die größeren Bank-, Advokatur- und Notariats-, Handels- und Fabrikationsgeschäfte. Der kleinere Geschäftsmann und gewöhnliche Privatmann bedarf desselben nicht nothwendig, wenn er auch manchen nützlichen Stoff darin fände.

Zum Theile wird dieser übrigens dem größeren Publikum durch die Auszüge, welche die Privatblätter veröffentlichen, zur Kenntniß gebracht. Die fleißige Beachtung, welche der Inhalt des Blattes in dieser Beziehung Tindet, ist ein Beweis, daß es nach Form und Inhalt sicli auf praktischem Boden bewegt.

VI. Statistisches Bureau.

Das Bureau wurde auch in diesem Jahre in erheblicher Weise zur Mitarbeit an den Geschäften der Handelsabtheilung, vorzugsweise statistischer Art. beigezogen.

Daneben ist eine Sammlung alles überhaupt verwerthbaren handels- und prorluktionsstatistischen Materials für die Zwecke des Departements in Angriff genommen worden. Es soll dieses statistische Repertorium nach und nach alles wirtlischaftlich Wisseuswerthe über unser nationales Erwerbsleben KU vereinigen suchen.

Hand in Hand damit gehen auch die statistischen Vorbereitungen für den Zeitpunkt des Ablaufes der Handelsverträge im Jahre 1892.

VII. Handelsmuseen.

Ueber die Gründung von Handelsmuseen haben wir Ihnen unterm 19. März 1889 einen eingehenden Bericht erstattet (vergi.

Bundesbl. vom Jahr 1889, I, S. 647) und mit demselben folgenden Antrag verbunden : ,,Die Gründung von Handelsmusseen ist der Privatthätigkeit zu überlassen. Der ßundesbeschluß vom 18. Dezember 1884 ^betreffend Vertretung der schweizerischen wirtschaftlichen und kommerziellen Interessen im Auslande, s. Amtl. Sammlung n. F., VII, S. 796) findet auch auf die Gründung solcher Institute analoge

428

Anwendung. Demnach kann Handelsmiiseen, die zur allgemeinen Förderung des schweizerischen Handels inV;.Leben gerufen werden, auf gestelltes Ansuchen finanzielle oder anderweitige Unterstützung bewilligt werden, wenn dieselbe sich nach der von den Bundesbehörden vorzunehmenden Prüfung tils nützlich und nothwendig herausstellt."

Die Bundesversammlung hat sodann (Stiinderath am 30. März Nationalrath am 6. April 1889) folgenden Beschluß gefaßt: -Es wird vom bundesräthlichen Antrage vom 19. März 1889 in genehmigendem Sinne Kenntniß genommen. a TJ

O

VIII. Kommerzielle Berufsbildung.

. Der Hebung des kaufmännischen Unterrichts wird schon seit lauger Zeit gerufen, und in den letzten Jahren sind verschiedene Eingaben gemacht worden, mit welchen um die Mitwirkung des Bundes ersucht wird.

Der Staatsrath des Kantons Genf hat im August des Jahres 1887 das Gesuch gestellt, es möchte der in Genf zu grundenden Handelsschule eine Subvention Angewendet werden und /war in Anwendung des Bundesbeschlnsses vom 27. Juni 1884 betreffend gewerbliche und industrielle Berufsbildung. Es wurde auf das Gesuch geantwortet, daß jener Beschluß sich nicht auf Handelsschulen beziehe, daß aber die Frage der Subventionirung solcher Anstalten einer nähern Prüfung unterstellt, werde.

Die in Genf damals prqjektirte Anstalt ist seither in's Leben getreten und es ist das frühere Gesuch um eine Subvention »u wiederholten Malen erneuert worden. Gemäß Budget, dieser Schule wird für dieselbe vom Bunri pro 1890 eine Subvention von Fr. 6000 erwartet.

Im Mai 1888 hat der kaufmännische Veroin in Zürich angefragt, ob der von ihm in's Leben gerufenen Handelsschule, die eines weitem Ausbaues nothwendig bedürfe, eine ßundessubvention zugewendet werden wollte.

In der Dezember-Session des Jahres 1888 der eidgenössischen Räthe kam die Frage der Subventionirung der Handelsschulen anläßlich der Büdgetberathung zur Sprache und es wurde folgendes von Herrn Ständerath Gobai vorgeschlagene Postulat angenommen : ,,Der Bundesrath wird eingeladen zu untersuchen, ob nicht auch die kaufmännische AusbildungO im Allgemeinen und die O

429 Handelsmuseen insbesondere im Sinne des Bundesbeschlusses betreffend das gewerbliche Bildungswesen vom 27. Juni 1884 der Unterstützung des Bundes theilhaftig werden sollen.^ Zu den Potenten um Subventionirung von Handelsschulen ist im Berichtjahre noch der Verein junger Kaufleute in Luzern hinzugekommen.

Andere warten mit ihren Gesuchen, bis die Frage der Subventionirung solcher Anstalten überhaupt von den eidgenössischen Rätheu grundsätzlich entschieden sein wird.

Wir haben über die Frage, ob der Bund mitwirken soll, die kaufmännische Berufsbildung zu fördern und demnach den Bundesbeschluß vom 27. Juni 1884 betreffend die gewerbliche und industrielle Berufsbildung auch auf dieselbe auszudehnen, eine möglichst allseitige Untersuchung angestellt und zwar unter Mitwirkung der Kantonsregierungen und des Vororts des schweizerischen Handels- und Industrievereins. Das Ergebniß derselben läßt es als wünschenswert!] erscheinen, daß der Bund Hand biete, um jenen Berufsunterricht den erhöhten Anforderungen der Zeit entsprechend zu heben und einzurichten, um junge Leute heranzubilden, die befähigt sind, im Handel, in der Industrie, im Bankwesen, im Eisenbahnwesen, in der kantonalen und eidgenössischen Administration höhere Stellen zu bekleiden, um nach Möglichkeit dahin zu wirken, daß die Schweiz durch tüchtige Ausbildung der in Handel und Industrie wirkenden geistigen Kräfte die schwierige Konkurrenz mit dem Auslande bestehen kann.

Es scheint uns aber, das bei Aufstellung des Budgets pro 1890 von Ihnen angenommene Postulat, mit welchem der Bundesrath eingeladen wird, neue Ausgaben, welche nicht absolut dringlicher Natur sind, bis zu dem Zeitpunkt zu verschieben, wo das finanzielle Gleichgewicht des Bundes vollständig hergestellt sein wird, -- gestatte nicht, zur Hebung der kaufmännischen Berufsbildung die Mitwirkung des Bundes, die immerhin eine nicht unwesentliche jährliche Mehrausgabe zur Folge hätte, im jetzigen Momente eintreten zu lassen, und wir haben demnach beschlossen, die Angelegenheit für einstweilen zu verschieben.

IX. Gold- und Silberwaarenkontrole.

Kontroiämter.

Das Handels- und Industriedepartement des Kantons Solothura theilte uns durch Schreiben vom 31. Juli mit, daß die Gemeinde Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

29

430

Grenchen, Namens einer Vereinigung von Interessenten, bei der Regierung um die Ermächtigung nachgesucht habe, ein Kontrolbüreau zu errichten, gemali Art. 3 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1880 (A. S. n. F. V. S. 363) betreffend die Kontrole und die Garantie des Feingehaltes der Gold- und Silberwaaren und gemäß Art. 12 der bezüglichen VollziehungsVerordnung vom 17. Mai 1881 (A. S. n. F. V, S. 386).

Mit dieser Mittheilung verband das Departement die Anfrage, ob die Bundesbehörde eventuell von dem ihr gemäß Art. 12, § 3 der erwähnten Verordnung zustehenden Einspruchsrecht gegen die Errichtung eines Kontroiamtes Gebrauch zu machen gedenke.

Nach Prüfung der Statuten der Gesellschaft, welche das Unternehmen unter der Verantwortlichkeit der Gemeinde an Hand y.u nehmen gedenkt und einer Inspektion der für das Kontroiamt bestimmten Lokalitäten haben wir das Gesuch dahin beantwortet, daß hierseits der Errichtung des neuen Kontroiamtes nichts entgegenstehe.

Die Beendigung dieser Angelegenheit gehört bereits dem nächsten Berichtjahre an.

Im Jahre 1889 betrugen die Einnahmen der bisherigen 12 Kontroiämter zusammen Fr. 251,675. 86 gegenüber einem Gesammtausgabeposten von Fr. 147,702. 93. Der Einnahmenüberschuß belief sich sonach auf Fr. 103,972. 93. Einzig das Kontroiamt Neuenburg hat seine Rechnung dies Jahr noch mit einem Fehlbetrag von Fr. 1265. 80 abgeschlossen.

Die beifolgende Zusammenstellung enthält eine vergleichende Uebersicht der in den Jahren 1882--89, d. h. seit dem Inkrafttreten der eidg. Kontrole durch die Kontrolämter vorgenommenen Stempelungen und Handelsproben.

Aus dieser Zusammenstellung ist die interessante und zugleich erfreuliche Thatsache ersichtlich, daß, mit Ausnahme des Jahres 1885, die Anzahl der zur Stempelung vorgewiesenen Uhrenschalen successive zugenommen hat. Von 911,307 im Jahre 1882 ist sie auf 2,502,669 im Jahre 1889 gestiegen, oder das Ergebniß pro 1889 ist gegenüber 1888 (1,941,274) um 561,345 oder 28,9 °/o höher, das seinerseits wiederum das Resultat des Jahres 1887 um 393,332, d. h. um 20,3 °/o hinter sich läßt.

Wir sind nicht im Stande, in absolut zuverläßiger und erschöpfender Weise alle Ursachen der starken Zunahme, die sich besonders im Jahre 1889 accentuili hat, nachzuweisen. Offenbar ist diese Zunahme großenteils der allgemeinen Wieder-

V e r g l e i c h e n die Uebersieht

Zu Seite 430.

der

während der Jahre 1882--1889 von den Kontroiämtern für Gold- und Silberwaare vorgenommenen Stempelungen und Proben.

Gestempelte Uhrschalen.

Von der Stempeluug ausgeschlossene Uhrschalen.

Aemter.

it

: !

1 i i j

Zürich ') . .

Biel St. Immer . .

Madretsch 2) .

Noirmont 8) .

Tramlingen .

Pruutrut 4) . .

Seliaffhausea .

Cliaux-de-Foods Fleurier . . .

Loele . . .

Neuenburg . .

Genf .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Total , Zunahme gegen, über dem Vorjahre Abnahme gegeni über dem Vorjahre 1

;

1882.

1883.

1884.

1885.

1886.

1887.

1888.

1889.

Stücke.

Stücke.

Stücke.

Stücke.

Stücke.

Stücke.

Stücke.

Stücke.

-- 140,743 128,318 143,415 -- 96,298

-- 156,291 126,802 142,903 48,005 69,797

-- 132,158 99,513 137,735 53,970 55,488

~ 232,356 154,743 141,847 89,293 82,189

-- 270,748 187,942 182,537 99.796

-- 41,405 310,604 41,760 121,153 23,566 53,793

-- 51,634 315,076 60,559 129,423 23,336 50,900

-- 43,596 278,679 55,787 103,275 19,499 42,131

-- 50,639 304,107 54,040 131,749 11,416 37,252

-- 41,293 323,686 57,772 131,932 46,358 31,328

-- 287,850 229,258 189,317 118,792 246,062 184,841 68,672 336,787 69,296 133,597 24,431 52,371

354,695 295,441 262,924 143,461 328,694 322,940 73,710 399..6S9 7ö;854 153,026 23,858 68,327

911,307 1,101,055

1,174,726

1,021,831

1,289,631

1,547,942

1,941,274

2,502,619

189,748

73,671

--

267,800

258,311

393,332

561,345

-- 173,847 99,369 23,623 -- 77,845 -- 34,879 286,539 35,181 103,771 23,405 52,848

--

^~

~

152,895

~

174,550

.

"~~

--

1882.

1883.

1884.

1885.

Stücke. Stücke. Stücke. Stücke.

-- 198

614 13 -- 186

-- -- 372 1,109 445 880 203 867 706 -- 122 324

--

-- -- -- -- 1,818 1,668 2,114 -- 566 160 208

600 145 134

-- 427 12 142

--

1886. 1887.

1888.

Stack«. Stücke. Stücke.

--

697 1,056 567 1,040 561 370 264 606 272 613 -- -- -- 3,134 2,080 396 301 941 356 126 72 219 251

-- -- 1,166 879 1,245 1,026 868 802 1,170 735 1,708 677 600 -- 42 -- 2,618 1,984 15 490 475 450 96 12 72 33

3,763 3,891 6,439 7,177 6,745 9,475 7,688 --

128 2,548

738 --

432

2,730 --

-

1,787

Gestempelte Ringe aus Silber and Hold. ')

Proben.

Gestempelte Bijouteriegegenstände.

1889.

1888.

1889.

1882.

1883.

1884.

1885.

1886.

1887.

1888.

1889.

1882.

Stücke.

Anzahl.

Anzahl.

Stücke.

Stücke.

Stücke.

Stücke.

Stücke.

Stücke.

Anzahl.

--

256

9,804

3,443

Stücke.

-- 3,991

Stücke.

--

569

1,555

510 980 1,123 1,171 24 1,832

609 1,449

-- 237

37,312 20:746 38,721 31.696 33,398 13,080 9,434 31, 0.30 i 8,621 3,066 780 3,808

--

--

40,292 2,599 2,618 2,368 2.618 3,926 4.569 5,749 i 35,613 10 -- -- i -- 192 46,555 56 181 161 i 113 135 97 -- 48,351 -- -- -- -- ,3 2 -- -- 49,308 -- -- -- -- -- -- -- -- 13,675 '-- -- -- 2 -- -- -- -- 12,413 27,253 26,439 27,363 24,246 23,502 24,442 27,244 28,021 31,391 1,763 2,460 337 384 461 264 750 738 121 12,325 378 90 43 159 91 45 24 5,576 122 199 72 96 163 367 5 30 764 189 110 143 148 99 121 161 192 5,645 16,158 13,483 12,178 11,018 7,154 7,404 8,310 7,445

10,059 231,712 301,911 48,549

2,371

--

-- --

--

--

70.199

--

--

45,653 52,994 42,553 35,472 36,891 --

2,89(i

7,341

--

~

10,441

-

7,081

1,419 --

--

i ') Eröffnet Ende November 1883; geschlossen Ende November 1885. -- ') Eröffnet im Oktober 1882. -- s) Eröffnet den I. Jannar 1884. -- «) Eröffnet den 15. März 1888. -- ") Die Stempelung der Ringe ist wieder hergestellt worden durch Bundesrathsbeschlnß vom 24. Dezember 1887.

1,005

--

1884.

1885.

1887.

1886.

Anzahl. Anzahl. Auzahl. Anzahl.

_ 141 19 134 -- 1,109 1,040 1,180 1,112 1,116 604 765 705 880 749 192 944 1,069 1,180 1,149 453 556 428 -- -- 421 433 383 551 359 -- -- -- -- -- 383 489 j 517 426 426 4,208 ! 4,089 6,376 7,664 8,031 844 979 932 790 892 !

2,745l 1,714 1,350 1,018 914!

491 !

375 229 156 !

277 10 6 15 26 !

6

40,912 41,917 11,435

4,021

1883.

--

10,738 -- 697

13,052

2,314

14,259 14,616

1,207

Anzahl.

1888. ! 1889. · l Anzahl.

--

1,141 721 795 504 546 360 -- 530 421 8,456 8,177 862 j 727 595 770 241 125 30 32 1,196 1,012 910 620 754

Anzahl.

--

1,049

524 666 4S7 583 430 477 8,523

749 904 1S5 28

15,156 14,369 14,605

.357

540

--

·236

Ì --

!

i

787

--

43l belebung des Uhrengeschäftes gutzuschreiben; außerdem sind aber noch verschiedene andere Faktoren namhaft zu machen, so in erster Linie das stets wachsende Vertrauen, dessen sich die schweizerische Kontrole im Auslande erfreut, sodann die offizielle Anerkennung der eidg. Stempelung von Seiten Deutschlands, die Einrichtung einer besondern Art der Stempelung für die nach Großbritannien bestimmten Uhrschalen, die den dortigen Anforderungen an die Feingehaltsbezeichnung entspricht, die Ermäßigung der Uhrenzölle durch die in der letzten Zeit mit den verschiedenen Ländern abgeschlossenen neuen Handelsverträge, die Weltausstellung in Paris, etc. Das alles sind Faktoren, welche, wie wir glauben, zu der oben signalisirten Vermehrung beigetragen haben.

Der Erfindungsschutz in der Schweiz hat dieses Resultat ebenfalls in gleichem Sinne beeinflußt; denn das Departement hatte im Jahre 1889 eine große Anzahl neuer Schalengattungen zu untersuchen, die sich von den früher fabrizirten unterscheiden und die Bedingungen, unter welchen diese Schalen zur Kontrole zugelassen werden sollen, sowie die Art ihrer Stempelung festzustellen, entsprechend der Natur und der besondern Form der Schalen.

Beeidigte Probirer.

Prüfungen für die Erlangung des eidgenössischen Diploms von Probirern fanden am Polytechnikum in Zürich vom 4.--10. März und vom 30. Juli bis 10. August statt, gemäß dem in den Nr. 26 und 123 des schweizerischen Handelsamtsblattes veröffentlichten Programm.

Vier Kandidaten hatten sich für die Examina im März angemeldet, davon genügten zwei den für die Erlangung des Diploms gestellten Anforderungen.

Den Prüfungen im Juli und August ging ein Instruktionskurs von zwei Monalen voraus, welcher von 8 Aspiranten besucht wurde.

Der Unterricht in den wissenschaftlichen Fächern wurde von den Herren Professoren Dr. Lunge und Dr. Barbieri ertheilt; mit dem theoretischen und praktischen Unterricht in der Probirkunde wurde Herr Eugen Tissot, Chef-Probirer des Kontroiamtes in Chaux-deFonds betraut. Von den acht Schülern des Kurses bestanden sechs die Schlußprilfungen mit Erfolg; ein anderer Kandidat, der zwar nicht am Instruktionskurs (heilgenommen hatte, aber dennoch zu den Prüfungen zugelassen wurde, bestand dieselben ebenfalls in befriedigender Weise. Die Zahl der brevetirten Probirer im, Jahre 1889 beträgt sonach neun.

432 Kontroistempel.

Die Register geben die nachfolgenden Ziffern für die bezüglichen Ein- und Ausgänge an : Stempel. Stempel.

Bis Ende 1888 wurden den Aemtevn geliefert Im Jahre 1889 ,, ., ,, _

. 1268 .216

1464 Bis Ende 1888 siod von den Aemtern, als außer Gebrauch gekommen, zurückgesandt worden Im Jahre 1889 sind uns solche zugekommen .

Total der zurückerhaltenen Stempel auf 31. Dezember 1889 Am 3l. Dezember 1889 waren sonach bei den 12 Kon troiani tevn in Gebrauch .

.

.

Bis Ende 1888 wurden angefertigt .

.

.

Im Jahre 1889 wurden angefertigt . .

Total Die Anzahl der den Kontroiämtern bis Ende 1889 gelieferten Stempel betrug .

.

.

.

Somit verblieben beim Departement auf 31. Dezember 1889 als Vorrath Ende 1888 betrug die Zahl der außer Gebrauch gesetzten und vernichteten Stempel .

.

Im Jahr 1889 sind ferner vernichtet worden .

Total der bis Ende 1889 vernichteten Stempel

783 208 991 493 1552 185 1737 1484 253 618 139 757

Es ist darauf aufmerksam zu machen, daß die Anzahl der im ·Jahre 1889 außer Gebrauch gesetzten und an das Departement zurückgesandten Stempel, sowie infolge dessen der neu hergestellten Ersatzstempel diejenige der Vorjahre bedeutend übersteigt. Diese Erscheinung findet ihre Erklärung einmal in der starken Zunahme der gestempelten Uhrenschalen, sodann in der Thatsache, daß wir infolge verschiedener von uns gemachten Konstatirungen von einigen Kontrolverwaltungen eine Striktere Beobachtung von Art. 8 der ergänzenden Instruktionen vom 12. Juni 1882 verlangten, wonach die Stempel außer Gebrauch gesetzt werden sollen, sobald das Unterscheidungszeichen nicht mehr genau sichtbar ist. Die Ersatzstempel sind durch zwei Beamte des Departements hergestellt wor-

433

den, welche die für die betreffenden technischen Arbeiten nöthigen Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen.

Beschlüsse und Instruktionen.

Auch dieses Jahr war die Bundesbehörde im Falle, solche über die Kontrole der Gold- und Silberwaaren zu erlassen. Da sich die Mehrzahl derselben aber auf Spezialfälle bezieht, so verzichten wir auf eine detaillirte Aufzählung derselben, weil sie von zu geringem allgemeinem Interesse sind.

Wir beschränken uns darauf, eine Verfügung des Departements vom 11. März 1889 zu erwähnen, wodurch die Instruktionen vom 14. Mai 1888 betreffend die Annahme und Stempelung von ,,boîtes contours", Sphärometern, Kugeluhren mit Gläsern auf beiden Seiten (boules avec .glaces de deux côtés) abgeändert wurden, sowie ein Kreisschreiben des Departements vom 10. Juui, durch welches die Art der Silberfeingehaltsbezeichnung 0,935 je nach dem Lande, für welches die Schalen mit diesem Feingehalte bestimmt sind, festgestellt wurde.

Verfolgung von Gesetzesübertretungen.

Verschiedene Uebertretungen des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1880 wurden dem Departement im Berichtjahre zur Kenntniß gebracht. Dasselbe beauftragte seinen Spezialkommissär, Herrn Donat Fer in Chaux-de-Fonds, eine bezügliche Untersuchung einzuleiten und sodann die Uebertretungen bei den zuständigen Gerichten anhängig zu machen. Bis zum Jahresschluß haben diese Fälle ihre Erledigung noch nicht gefunden, so daß wir in unserm nächsten Geschäftsberichte nochmals darauf zurückkommen müssen.

Beziehungen zum Auslande.

Wir haben unter diesem Titel nichts von Belang^zu verzeichnen.

Die Maßnahmen, welche mit Rücksicht auf die besondere Art der Stempelung der nach Deutschland und England bestimmten Uhrschalen getroffen und welche ausführlich in unaern beiden letzten Geschäftsberichten besprochen wurden, ? haben den beabsichtigten Zweck erreicht, d. h. sie haben den Käufern in diesen Ländern die Sicherheit verschafft, daß die nach den neuen Vorschriften gestempelten Uhrenschalen, auch den durch die dortige Gesetzgebung verlangten Feingehaltsbezeichnungen entsprechen, und haben somit die Ausfuhr unserer Produkte erleichtert. °

434

X. Handel mit Gold- und Silberabfälleii.

I n d u s t r i e l l e , w e l c h e berechtigt sind, Gold- und Silbe r ab fälle a n z u k a u f e n , zu s c h m e l z e n und zu probi r e n. Die Zahl der gesetzlich berechtigten Käufer, Schmelzer und Probirer betrug Ende 1888 87 Im Jahre 1889 wurde das im Art. l des Gesetzes vorgeschriebene Souchenregister s e c h s neuen Bewerbern zugestellt

6

so daß die Zahl der Industriellen, welche seit Inkrafttreten d e s Gesetzes dasselbe erhalten haben, sich a u f .

.

.

93 beläuft. Davon mußten aber aus verschiedenen Gründen (Todesfall, Abreise, gerichtliches Urtheil) 5 erlheilte Ermächtigungen zurückgezogen werden, so daß sich am 31. Dezember 1889 die Anzahl der dem Gesetze unterstellten Käufer, Schmelzer und Probirer auf 88 stellt, die sich folgendermaßen auf die einzelnen Kantone vertheilen: Zürich Bern , Schaffhausen Waadt Neuenburg Genf

l 23 2 -l 51 10 Total

88

U e b e r s i c h t der O p e r a t i o n e n . Die nachstehende Zusammenstellung gibt eine .Uebersicht der im Jahre 1889 kontrolirten Operationen. Wenn man die Gesammtzahl derselben mit derjenigen der zwei vorhergehenden Jahre vergleicht, so ist gegenüber 1887 eine bedeutende Vermehrung der kontrolirten Operationen zu konstatiren. Die durch die Käufer für die abgeschlossenen Geschäfte bezahlten Summen haben ebenfalls erheblich zugenommen.

Die im Jahre 1888 eingeschriebenen 28,077 Bordereaux ergaben, als bezahlten Werth, eine Summe von Fr. 3,302,417. 60.

Im Jahr 1889 ist der Umsatz auf Fr. 3,752,130. 50 gestiegen.

Diese Vermehrung ist jedenfalls der Wiederbelebung des Uhrengeschäfts zuzuschreiben, und die durch die Kaufsoperationen von Abfällen erreichte Summe beweist auch dießmal wieder, von welchem Nutzen die strenge Kontrole eines Gewerbes sein kann, das so enge mit einer unserer wichtigsten Landesindustrien zusammenhängt.

435 Im Laufe des Jahres 1889 wurden 1045 Konti neu eröffnet.

Ende 1888 betrug die Zahl derselben 5627, so daß die Gesammtzahl der bis 31. Dezember 1889 eröffneten Konti auf 6672 ansteigt, entsprechend der Anzahl der zum Verkauf von Abfällen berechtigten Industriellen (Uhrengehäusefabrikanten [monteurs de boîtes], Gehäuse verzierer [graveurs et guillocheurs], finisseuses und polisseuses, Gehäusespringfedermacher [faiseurs de secrets], Werkeinsetzer [embotteurs], etc. etc.).

Ueb er sieht der

Kreise.

1. Noirmont . . .

2. St. Immer . . .

3. Tramlingen . . .

4. Madretsch . . .

5. Biel 6. Schaff hausen . .

7. Neuenburg .

8 . Fleurier . . . .

9. Locle 10. Chaux-dé fonds 11. Genf 1 2 . Pruntrut . . . .

Künfer, Schmelzer und Proiirer.

im Jahr 1889 konl rolirten Käufe, Einschmelzungen und Proben von Gold- und Silberabfällen.

1

6 1 1 11 3 7 S 10 27 10 3

88 87 Mehr 1889 1

Am 31. Dez. 1889 Am 31. Dez. 1888

Mehr 1888

Eröffnete Konti Bordereaux.

bis 31. Dez.

1889.

Abfälle (bezahlter Werth).

Fr.

33,267 181,207 52.385 40J855 511,407 71,028 40,840 49,711 459,570 1,805,179 440,731 70,945

Ct.

70 50 75 80 45 10 65 60 60

28,075 6,672 3,757,130 28,077 5,627 3,302,417

50 60 90

607 276 2,145 687 485 990 187 405 3,134 692 365 138 185 549 222 670 2,930 664 12,157 2,102 616 1,731 2,392 418

1,045

2

454,712 ~

10 25

A u f s i c h t s k r e i s e . Im Berichtjahr hat die Umschreibung dei' Aufsichtskreise keine Aenderung erfahren.

436

Was die erzielten befriedigeuden Resultate der Aufsicht im Allgemeinen anbetrifft, so konstatiren wir mit Vergnügen, daß dieselbe nur durch die stete Wachsamkeit der Kontroiämter, denen die einzelnen Kreise unterstellt sind, ermöglicht wurde. Dieselbe Bemerkung gilt auch für die Stellvertreter, die mit Aufopferung und bei bescheidenem Honorar in den von den Kontroiämtern entfernten Ortschaften der Aufgabe obliegen, die Abfälle zu legitimiren.

Z u w i d e r h a n d l u n g e n gegen d a s G e s e t z .

stähle von Abfällen. Strafurtheile.

Dieb-

1. Der Käufer, den wir schon in unserra letztjährigen Berichte als der Zuwiderhandlung gegen Art. 2, Alinea 4 des Gesetzes schuldig erwähnten, wurde vom kompetenten Gericht zu 30 Fr.

Buße und zu den Kosten verurtheilt.

2. Erst im September 1889 wurde vom Geschwornengericht des Seeland das Urtheil über den im Jahre 1888 im Aufsiehtskreis V begangenen Diebstahl von Abfällen gesprochen. Der Hauptangeklagte wurde zu 2 Va Jahren Zuchthaus, seine Fi'au zu 18 Monaten gleicher Strafe, und ein Mitschuldiger zu 20 Tagen Gefängniß verurtheilt.

Die lang andauernde Untersuchung, sowie die nachfolgenden Gerichtsverhandlungen über diesen Fall hahen gezeigt, daß beim gegenwärtigen Stand der gesetzlichen Vorschriften die Personen, welche mit dei- Legitimation der Abfälle betraut sind, in ihrem guten Glauben getäuscht werden können. Deßhalb werden wir nicht zögern, die geeigneten Maßnahmen zur Sicherung der strikten Durchführung des Gesetzes zu treffen.

3. Im Juli 1889 versuchte ein gewisses Individuum einem Käufer in La Chaux-de-fouds eine Silberbarre irn Werth von ungefähr 200 Fr. zu verkaufen. Da aber der Verkäufer über die Herkunft dieser Barre sich nicht genügend ausweisen konnte, wurde er verhaftet und eine Untersuchung des Falles eingeleitet. Durch dieselbe wurde festgestellt, daß diese Barre von einem durch den Verhafteten im Jahre 1882 verübten Kirchendiebstahl in der Nähe von Freiburg herrührte. Damals * war der Delinquent wegen des Diebstahls zu 8 Jahren Zuchthaus verurtheilt worden. Sofort nach seiner Entlassung, vor Ablauf .der Strafzeit, grub er die von ihm seiner Zeit gestohlenen und vor seiner Verhaftung verborgenen Kirchengeräthe aus und probirte dieselben einzuschmelzen. Da es ihm aber nicht gelang, ließ er die Einschrnelzung durch einen Andern besorgen und gab hiebei einen - falschen Namen an.

Da der Betreffende nun für den Diebstahl schon bestraft worden war, wurde er vom Bezirksgericht von La Chaux-de-fonds

437

wegen Verletzung von Art. 3 der Vollziehungsverordnung zu 300 Fr.

Buße und zu den Kosten -- eventuell zu 100 Tagen Gefängniß -- verurtheilt.

Der Erlös aus .den gestohlenen Gegenständen wurde der geschädigten Partei zugestellt.

4. Am Ende des Berichtjahres wurden zwei Käufer wegen Nichtbeobachtung des Gesetzes zu 50 Fr. Buße verurtheilt.

5. Schließlieh ist noch mitztitheilen, daß am 18. Dezember von Amtes wegen gegen einen Käufer wegen ihm zur Last gelegter Unregelmäßigkeiten, auf welche wir von verschiedenen Seiten aufmerksam gemacht wurden, Klage erhoben worden ist. Unser nächste Bericht wird über die gerichtliche Austragung dieses Falles nähere Mittheilungen enthalten.

III. Abtheilung.

Aus Wanderung s wesen.

A. Administrative Sektion.

I. Allgemeines.

1. Nachdem im Jahre 1888 sowohl durch Aufstellung eines Vollziehurigsreglementes als auch mittelst Kreisschreiben an die kantonalen, zur Mitwirkung bei der Aufsicht über das Auswanderungswesen berufenen Behörden und an die Auswanderungsagenturen die hauptsächlichen, zur Ausführung des Gesetzes vom 22. März 1888, betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen erforderlichen Normen und Anweisungen gegeben worden sind, blieb im Berichtjahre in gedachter Richtung "wenig mehr vorzukehren übrig. In der That sind heute nähere Bestimmungen und Anleitungen aufgestellt : a. über die Brtheilung von Patenten an einzelne Personen oder Gesellschaften (Art. 2 des Gesetzes); b. üb.er die Genehmigung -der Anstellung,, von .Unteragenten (Art. 5); .. · -,

438

c. über das Kautionswesen und die Gebühren der Agenten (Art. 3, 4 und 5); d. über die Speditionskontrolen, Kopir- und Rechnungsbücher der Agenten (Art. 9); e. über die Vertragsformulare (Art. 17, AI. 4); f. über die zur Aufstellung einer Auswanderungsstatistik von den Agenturen zu liefernden Materialien.

Daneben enthalten die an die Agenturen gerichteten Circulare des Departements, sowie die Bundesrathsbeschlüsse, mit welchen die Agenturen wegen Verletzung des Gesetzes gebüßt wurden, eine Reihe von Interpretationen, derart, daß die Agenten und Unteragenten über die Tragweite der zumeist in Betracht kommenden Bestimmungen des Gesetzes kaum mehr im Ungewissen sein können.

2. Unterm 12. Februar haben wir, veranlaßt durch Vorkommnisse , welche im Berichte über unsere Geschäftsführung während des Jahres 1888 erwähnt sind, auch Bestimmungen aufgestellt betreffend die Betheiligung au Kolonisationsunternehmungen, die Propaganda für solche und die Beförderung vou Auswanderern, denen die Reisekosten von fremden Personen oder Gesellschaften vorgeschossen werden wollen (A. S. n. F. XI, 23 und das dazu gehörige Kreisschreiben an die Kantonsregierungen, Bundesblatt 1889, I, 329).

3. Das schweizerische Konsulat in Buenos Aires machte uns die Mittheilung, daß es häufig vorkomme, das schweizerische Einwanderer, welche im Besitze von auf die Plätze London und Paris ausgestellten Wechseln seien, seine Hülfe in Anspruch zu nehmen gezwungen seien. Diese ihnen von den sie befördernden schweizerischen Agenturen gegen Baargeld ausgehändigten Wechsel könnten nun aber in Buenos Aires durchaus nicht negocirt werden, woraus den Leuten, die sonst aller Hillfsmittel entbehren, die größten Verlegenheiten erwachsen. Die Handlungsweise der Agenturen sei um so weniger entschuldbar, als es in der Schweiz Banken genug gebe, die in Buenos Aires Korrespondenten hätten. In der That erweist sich das von genanntem Konsulat signalisirte Verfahren der Agenturen als ein arger Mißbrauch und als mit dem Wortlaut und dem Sinn des Art. 14 des Buudesgesetzes vom 22. März 1888 in Widerspruch stehend. Wir richteten daher an die Agenturen die kategorische Aufforderung, denjenigen nach Argentinien reisenden Auswanderern, welche ihnen ihr Baargeld gegen einen Wechsel übergeben, künftighin nur Wechsel auf dortige Banken auszustellen und bemerkten dabei, daß Zuwiderhandlungen als eine Verletzung des zitirten Artikels betrachtet und demgemäß gebüßt werden würden.

439 è. Schon 2u wiederholton Malen ist es vorgekommen, daß verheiratete Personen auf Grund von Ausweisschriften nach Amerika spedirt worden sind, welche denselben vor ihrer Verehelichung ausgestellt worden waren. Wenn verheiratete Personen solche mit ihrem wirklichen Zivilstand nicht übereinstimmende, für Unverheiratete geltende Ausweisschriften vorwiesen, glaubten die die Spedition besorgenden Agenturen sich der Verpflichtung enthoben, die Vorweisung- einer Erklärung der Armenbehörde im Sinne von Artikel 11, Ziff. 7, des zitirten Gesetzes zu verlangen.

Es erschien deßhalb angezeigt, Maßnahmen zu treffen, welche geeignet sein könnten, diesen Mißbrauch zu beseitigen, durch weichen, abgesehen von verschiedenen andern schädlichen Folgen (Fälle von Bigamie), insbesondere auch die gute Absicht des Gesetzgebers illusorisch gemacht wird, welcher im Interesse der kommunalen Armenpflegen in das neue Auswanderungsgesetz die Bestimmung aufgenommen hat, daß Eltern, welche unerzogene Kinder zurücklassen wollen, nur dann befördert werden dürfen, wenn die zuständige Armenbehörde mit der Auswanderung einverstanden ist.

Mittelst 'Ki-eisschreiben wurde daher den Kantoasregierungen empfohlen, durch die kompetente Behörde da, wo es noch nicht geschehen ist, eine Verordnung aufstellen zu lassen, wonach unverheiratete Personen bei ihrer Verehelichung die ihnen vor derselben ausgestellten, ihren ledigen Stand beurkundenden Legitimationspapiere zurückzugeben oder behufs Anbringung eines Vormerks, daß sie ungültig geworden sind, der zuständigen Behörde vorzulegen haben.

5. Im Jahr 1889 hat die Auswanderung wiederum, wenn auch nicht beträchtlich, zugenommen. Die Zahl der von den patentirten sieben Auswanderungsagenturen und einem Passagegeschäft aus der Schweiz beförderten Schweizerbürger und niedergelassenen Ausländer beträgt 8430, d. i. 84 mehr als im Jahre 1888. Da die Zahl der seit 1881 von den Agenturen nach überseeischen Staaten beförderten Personen 84,326 beträgt, im Durchschnitt in den jüngsten 9 Jahren somit 9369 Personen jährlich auswanderten, steht die Auswanderungsziffer des Jahres 1889 noch um 939 unter jenem Durchschnitt. Als Ziel wählten 6963 Personen oder 82,6 °/o die Vei-einigten Staaten von Amerika, 1294 oder 15% Argentinien, 37 Brasilien, 33 Uruguay, 30 Chile*). Von europäischen Ein*) Eine nennenswerthe Auswanderung nach andern Staaten fand nicht statt.

440

schiffungshäfen wurden am meisten benutzt: Havre (von 6379 Personen), Antwerpen (1405), Marseille (518), Rotterdam (199), Genua (139), Bordeaux (85) und Amsterdam (42).

II. Agenturen, Unteragenten, Kautionen.

1. Die Zahl der Agenturen ist sich im Berichtjahre gleichgeblieben. Die frühere Firma ,,Andreas Zwilchenbart a hat sich zu Ende des Berichtjahres in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

Einem Badenser mußte die Ertheilung des Patentes verweigert werden, da in Gemäßheit von Art. 6 der Voìlziehungsverordnung vom 10. Juli 1888 Ausländern ein Ausvvanderungsagenturpatent nur unter der Bedingung ertheilt. wird, daß die Gesetzgebung des Staates, dem sie angehören, Fremden den Betrieb von Auswauderungsgeschäften nicht untersagt, und im Großherzogthurn Baden nur deutsche Reichsangehörige Ausvvanderungsgeschäf'te betreiben dürfen.

2. Die Zahl der im Dienste der 7 Auswanderungsagentureii und des Passagegeschäftes Danzas & Comp. stehenden Unteragenten belauft sich auf Ende 1889 auf 142, gegen 131 zu Ende 1888. Es hat sich sonach im Berichtjahre die Zahl der Unteragenten um 11 vermehrt. Genehmigt wurde die Anstellung von 36, abgemeldet wurden 20 Unteragenten. Die irn ßerichtjahre erfolgten Neuanmeldungen, deren Genehmigung jedoch erst im Jahre 1890 erfolgte., stimmen die Befriedigung, mit welcher wir im vorjährigen Geschäftsberichte uns über die Wirkung der eine Reduktion der Zahl der Unteragenten bezweckenden Bestimmungen des neuen Gesetzes geäußert haben, einigermaßen herab, indem es den Anschein gewinnen will, daß die beklagenswerten Verhältnisse, welche eine Folge der allzugroßeu Zahl von im Dienste der Auswanderungsagenturen stehenden Unteragenten sind und die wir in mehreren Geschäftsberichten (so insbesondere in denjenigen für die Jahre 1882 und 1886), sowie in der Botschaft über die Revision des Gesetzes vom 24. Dezember 1880 (Bundesbl. 1887, III, 201 u. ff.) einläßlich beleuchtet haben; auch unter der Herrschaft des neuen Gesetzes wiederzukehren drohen.

Die bisherigen Vorkommnisse haben deutlich gezeigt, daß einzelne Agenturen in der Wahl ihrer Unteragenten sehr sorglos zu Werke gehen und in denselben meist nicht Personen suchen, welche mit der Geschäftsführung der Auswanderung wirklich vertraut sind, sondern Personen, welche zum Auswandern aufmuntern sollen (Zuweiserj und, wie ein früherer
Unteragent in einem sehr freimüthigen Berichte dargestellt hat, in Bedrängniß gerathene Familien aufsuchen und sich ihnen als Retter in der Noth mit Auswanderungsprojekten

441

darstellen und Propagandaliteratur, in welcher bald diese bald jene überseeische Gegend als ein Eldorado gepriesen wird, unter die Leute zu bringen haben.

Die geschilderten Verhältnisse haben aber auch noch verschiedene andere Uebelstände aur Folg'e. Es kommt nämlich nicht selten vor, daß eine Agentur der andern ihre Unteragenten abspenstig zu machen sucht, daß Unteragenten aus dem Dienste einer Agentur treten und die Hauptageotur zögert, beim Departement die vorgeschriebene Abmeldung zu machen, damit dieselben verhindert werden, zu einer andern Agentur überzutreten.

Im Berichtjahre wurde auch neuerdings konstatirt, daß Unteragenten auf eigene Rechnung und ohne Vorwissen der Agentur, in deren Dienst sie standen, Speditionsverträge abgeschlossen haben; einzelne Unteragenten wurden sogar beschuldigt, für Rechnung anderer Agenturen als derjenigen, in deren Dienst sie standen, Geschäfte gemacht zu haben. Von verschiedenen Seiten sind wir auch darauf aufmerksam gemacht worden, daß in ihren Publikationen sich Unteragenten als Hauptagenten bezeichneten, bezw. die Agentur, in deren Dienst sie standen, gar nicht angaben. Wieder andere Personen wurden verzeigt, weil sie Geschäfte gemacht hatten, bevor der Bundesrath ihre Anstellung als Unteragenten genehmigt hatte u. s. w. Bald wurde die Intervention des Departements in diesen Fällen von kantonalen Behörden, bald von Hauptagenten gegen Unteragenten, bald von letztern gegen erstere angerufen. Es würde hier zu weit führen, alle die unerquicklichen Vorfälle hier aufzuführen und die Bescheide, die die Aufsichtsbehörde in dieser Richtung ertheilt hat, hier zu reproduziren.

3. Die Gesammtsumme der zu Anfang 1889 im Depot befindlichen Kautionen belief sich auf Fr. 720,750 ; zurückgezogen, beziehungsweise umgetauscht wurden Fr. 320,370 ; vermehrt wurde der Kautionsbestand um Pr. 385,670, so daß der Bestand der Kautionen zu Ende des Jahres 1889 sich auf Fr. 786,050 belief. Im Hinblick ·auf die gesteigerte Verantwortlichkeit, welche den Beamten des Auswanderungsbüreaus aus einem so bedeutenden Valorenverkehr erwächst, verhielten wir dieselben dazu, eine Amtsbürgschaft von Fr. 5000 zu leisten.

4. Von Zeit zu Zeit wurden die Agenturen und Unteragenturen einer Inspektion unterworfen. Die dabei vorgefundenen Mängel bezogen sich hauptsächlich auf die Führung der
Speditionskontrolen und die Einrichtung der Kopir- und Rechnungsbücher. Bei vielen Unteragenten wurde ein großartiger Vorrath an Propagandaliteratur neben gänzlichem Mangel an Exemplaren des Gesetzes, der

442

Vollziehungsverordnuiig und der übrigen Weisungen der Aufsichtsbehörde konstatirt. Leider ist es bei der großen Anzahl von Unteragenten kaum möglich, selbst innert mehrerer Jahre sämmtliehe Unteragenten und deren Geschäftsführung (Korrespondenzen und Bücher) einer genauen Inspektion zu unterwerfen.

III. Klagen.

Im Berichtjahre war die Zahl der Klagen, welche über Verletzung des Bundesgesetzes betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen bei uns eingereicht wurden, so bedeutend, wie noch nie seit dem Bestehen eines Auswanderungsgesetzes. Und zwar ist die Zunahme der Klagen wohl nur zum Theil dem Umstände zuzuschreiben, daß das neue Gesetz eine Anzahl schärferer Bestimmungen enthält, als das frühere; vielmehr muß dieselbe ohne Zweifel der Thaisache beigemessen werden, daß die Kenntniß von der Existenz dieses Gesetzes sowohl durch die Zunahme der Auswanderung als durch andere Umstände in immer breitere Schichten des Volkes gelangt ist, und daß das Publikum von den Wohlthaten des Gesetzes einen immer ausgiebigem Gebrauch macht. Eine ganze Anzahl von Klagen rührt allerdings auch von einem Denunziationssystem her, das einige Agenturen, nicht im Interesse einer genauen Beachtung des Gesetzes, sondern aus Gehässigkeit und Konkurrenzneid, gegen einander eingeführt haben.

Die Klagen betrafen: 1) die Spedition von Personen, die wegen vorgerückten Alters und Gebrechlichkeit arbeitsunfähig waren und deren hinlängliche Versorgung am Bestimmungsort nicht nachgewiesen war (2 Fälle); 2) die Spedition von minderjährigen Personen ohne schriftliche, amtlich beglaubigte Einwilligung der Inhaber der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt (6 Fälle) ; 3) die Spedition von minderjährigen, unter 16 Jahren alten Personen, für deren Begleitung durch zuverläßige Personen und für deren gehörige Unterkunft am Reiseziel nicht gesorgt war (l Fall); 4) die Spedition von Personen, welche nach Bestreitung ihrer Reisekosten ohne Hülfsmittel am Bestimmungsorte angelangt sein sollen (2 Fälle) ; 5) die Spedition von Personen, denen die Gesetze des Einwanderungslandes den Eintritt verbieten (5 Fälle) ;

443

6) in ihrer Mehrheit, wie bisher immer, die Spedition von Personen, welche keine Ausweisschriften über Herkunft und Bürgerrecht besaßen (26 Fälle, von denen 10 die Spedition von Schweizerbürgern, 16 diejenige von Ausländern betrafen); 7) die Spedition von militärpflichligen Schweizerbürgern, welche sich nicht ausgewiesen, daß sie die vom Staute erhaltenen Militäreffekten zurückerstattet haben (3 Fälle); 8) die Spedition von Eltern, welche unerzogene Kinder zurückgelassen hatten und mit deren Auswanderung die zuständige Armenbehörde nicht einverstanden vyar (5 Fälle); 9) die Verwendung von Personen, welche den Behörden nicht als Unteragenten angemeldet waren, zum Geschäftsbetriebe (Zuweiser u. dgl.) (15 Fälle); 10) unbefugten Betrieb von Auswanderungsgeschäften (7 Fälle); 11) unbefugte Publikationen (19 Fälle); 12) Beförderung eines Auswanderers über eine andere als die im Vertrag bezeichnete Route (2 Fälle); 13) Verletzung von Art. 11 und 21 der Vollziehungsvei Ordnung vom 10. Juli 1888 (Verbot des Herumziehens im Lande, Abschluß von Speditionsgeschäften an einem andern als dem der-Behörde verzeigten Domizil, Verleitung zur Auswanderung) (14 Fälle); 14) die Weigerung von Agenten, civilreehtliehe Ansprüche von Auswanderern zu befriedigen (7 Fälle); 15) Mangelhafte Spedition des Gepäcks von Auswanderern (2 Fälle); 16) mangelhafte Vorsorge dafür, daß die Auswanderer Geldbeträge, welche diese einem Agenten vor der Abreise übergeben hatten, am vertragsmäßigen Bestimmungsort baar und ohne Abzug ausbezahlt erhielten (l Fall) ; 17) mangelhafte Vorsorge dafür, daß Auswanderer, am Einschiffungshafen angelangt, mit derjenigen Schiffsgelegenheit verreisen konnten, welche im Vertrag genannt war, und infolge dessen unfreiwilligen Aufenthalt im Einschiffungshat'en und diesbezügliche Entschädigungsansprüche der Auswanderer (l Fall); 18) Beköstigung, Beherbergung und Behandlung auf der Reise (3 Fälle); 19) Verkehr von Agenten mit Transportgelegenheiten, die der Behörde zu begründeten Klagen Anlaß gegeben hatten (2 Fälle).

444

Es ist indessen zu beachten, daß öfters in einer und derselben Anzeige über Verletzung verschiedener Gesetzesbestimmungen Klage gefuhrt wurde und effektiv die Zahl der Klagen geringer war, als die Addition der oben aufgeführten Fälle ergäbe. Wie in frühern Jahren, beschränken .wir uns auch diesmal darauf, nur derjenigen Klagen einläßlicher Erwähnung zu thun , welche in irgend einer Beziehung besonderes Interesse bieten, oder deren Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung ist.

1. Eine Armenbehörde führte darüber Beschwerde, daß im März 1888 durch Vermittlung einer Agentur eine Person (A. B.

von Bg.) nach Amerika ausgewandert sei, ohne im Besitze von Ausweisschriften über Herkunft und Bürgerrecht gewesen zu sein.

Diese gesetzwidrige Spedition habe für die Wohnsitzgemeinde der A. B. nicht unbedeutende Lasten zur Folge, da die betreffende Person ein Kind zurückgelassen, welches auf Kosten der Wohnsitzgemeinde der Mutter erzogen werden müsse. Die Armenbehörde verlangte daher, daß die fehlbare Agentur mit einer Buße zu belegen und für allen aus dem gesetzwidrigen Verfahren entstehenden Schaden verantwortlich zu erklären sei.

Die Agentur behauptete, der Vater der betreffenden Person habe für sich und seine beiden Kinder A. und G. einen Vertrag abgeschlossen. Als Legitimation habe derselbe einen Familienheimatschein vorgewiesen.

Wir verfällten die Agentur, welche sich bereits vorher vieler Gesetzesübertretungen schuldig gemacht hatte, in eine Buße von Fr. 200, gestutzt auf folgende Erwägungen : l") In Uebereinstimmung mit dem Bundesgesetz vom 24. Dezember 1880 verbietet das Bundesgesetz vom 22. März 1888, betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen, die Beförderung von Personen, welche keine Ausweisschriften über Herkunft und Bürgerrecht besitzen. Die Thatsache, daß, seitdem die eingeklagte Handlung erfolgt ist, ein neues Bundesgesetz über die Materie erlassen worden, kann nur auf die Berechnung der Buße einen Einfluß ausüben, indem das frühere Gesetz für Zuwiderhandlungen gegen dasselbe ein Bußenmaximum von Fr. 200, das heute gültige ein solches von Fr. 1000 vorsieht.

2) Die Agentur bestreitet nicht, die A. B. nach Amerika befördert zu haben, macht indessen geltend, die gesetzlichen Ausweisschriften seien vorgewiesen worden, indem der Vater der A. B.

im Besitze eines Familienheimatscheines gewesen.

445 3) Dieser Einwand ist absolut unstichhaltig. Der Heimatschein, in dessen Besitz Vater ß. ist, kann nicht auch zugleich für volljährige Kinder desselben gelten.

2. Das Polizeidepartement des Kantons Baselstadt theilte mit, unterm 26. Oktober 1888 sei ein Württemberger G. B. nach Amerika spedirt worden, obschon derselbe anstatt der gesetzlich vorgeschriebenen Ausweise über Herkunft und Bürgerrecht blos einen Ersatzreserveschein habe vorweisen können. B. kam am 25. Oktober nach Basel in der Absicht, den Folgen einer Verurtheilung wegen eines Vergehens wider die Sittlichkeit durch die Flucht sich zu entziehen. Nachdem eine Agentur ihn wegen mangelnder Ausvveisschriften zur Spedition nicht übernehmen wollte, wandte er sich an eine andere. Dieser letztern soll, wie aus einer Déposition eines Einwohners von Basel vor dem Polizeidepartement her vorging, der Auswanderer erklärt haben, wegen schwerer Körperverletzung verurtheiit und deshalb flüchtig zu sein. Dessenungeachtet und auf den bloßen Ersatzreserveschein hin nahm ihn dann die andere Agentur zur Spedition an, ertheilte ihm jedoch noch den Rath, vorsichtshalber den Bahnzug nicht schon in Basel, sondern erst in Mönchenstein zu besteigen.

Die Agentur vertheidigte sich folgendermaßen: B. habe als Ausweis einen Ersatzreserveschein vorgewiesen ; auf demselben sei die gedruckte Notiz enthalten gewesen: ,,Dieser Schein gilt als Ausweis sowohl bei Militär- als Zivilbehörden für das In- und Ausland. ct Aus diesem Grunde habe derselbe als vollgültiger Ausweis über Herkunft und Bürgerrecht betrachtet werden dürfen.

"Daß B. gerichtlich verfolgt gewesen, habe sie nicht gewußt, und es beruhe die Angabe, daß B. ihr den Grund seiner Auswanderung mitgetheilt habe, auf Unwahrheit, wie es auch unwahr sei, daß sie dem Auswanderer gerathen, nicht in Basel, sondern in Mönchenstein den Zug zu besteigen.

Wir verfällten die Agentur in eine Buße, gestützt auf folgende Erwägungen : 1) Art. 11, Ziff. 5, des Bundesgesetzes betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen, vom 22. März 1888, verbietet den letztern die Beförderung von Personen, welche keine Ausweisschriften über Herkunft und Bürgerrecht besitzen, und macht in dieser Beziehung keinen Unterschied zwischen In- und Ausländern.

2) Der von der Agentur zur Spedition übernommene G. B.

von Th. war nicht im Besitze von Ausweisschriften über Herkunft und Bürgerrecht. Der Ersatzreserveschein kann nicht als AusweisBnndesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

30

446

schrift im Sinne des Gesetzes gelten, so wenig als für militärdienstpflichtige Schweizerbürger das Militärdienstbuchlein.

3) Obwohl auch das bisherige Geschäftsgebahren der betreffenden Agentur die Annahme rechtfertigt, B. sei auf ihr Anrathen, um der Fahndung der Polizei zu entgehen, in Mönchenstein statt in Basel in den Zug gestiegen, mag dennoch, da die Klage nicht bestimmt behauptet, es sei damit die Fahndung der Polizei auf B.

erschwert worden, resp. es liege auch eine Verletzung von Art. 9, Alinea 3, des Gesetzes vor, dem Umstand eine erhebliche Bedeutung nicht beigemespen werden.

3. Das schweizerische Konsulat in Rotterdam brachte zur Anzeige, daß eine Familie, welche mit einer Auswanderungsagentur einen Reisevertrag nach Columbus (Ohio) abgeschlossen hatte und am 20. September zum Zwecke der Einschiffung in Rotterdam angekommen war, sich bei ihm darüber beklagt habe, daß sie beim dortigen Wirth für Nachtessen, Frühstück und Logis Fr. 25 habe bezahlen müssen, während dies doch im Vertrag Inbegriffen gewesen sei.

Die Agentur, gegen welche die Beschwerde gerichtet war, machte geltend : Es müsse ein Mißverständnis obgewaltet haben, sei es, daß die Schiffskompagnie ihren Auftrag nicht verstanden oder daß die Familie den Bon für Verpflegung in Rotterdam nicht gehörigen Orts abgegeben oder daß der Wirth in ungehöriger Weise die Leute habe bezahlen machen. Am meisten habe jedenfalls die geschädigte Familie selber gefehlt, daß sie die Bezahlung nicht verweigert. Dieselbe habe nun das Geld bis jetzt noch nicht zurückerhalten ; eine Ordre an die Vertreter der Agentur in New-York wäre nicht mehr zur rechten Zeit daselbst angelangt.

Man hoffe gelegentlich die genaue Adresse der Familie zu erfahren und ihr dann die Fr. 25 vestituiren zu können.

Die Autwort schien uns ungenügend. Wenu die Schiffskompagnie den Auftrag der Agentur nicht verstanden hat, oder der Wirth in ungehöriger, das will heißen unehrlicher Weise die Leute hat bezahlen machen, so hat den Verlust nicht die Familie zu tragen, sondern die Agentur. Die Kompagnie und der Wirth sind Vertreter derselben im Sinne von Art. 7 des Gesetzes. Da aber die Adresse der Reklamanten nicht bekannt war, so erschien es nicht möglich, der' Sache weitere Folge zu geben. Für die Konsulate empfiehlt es sich deßhalb, Auswanderer, welche bei ihnen Reklamationen vorzubringen im Falle-sind, zu ersuchen, ihre zukünftige Adresse zurückzulassen.

447

4. Ein Wirth in Basel führte darüber Beschwerde, daß eine Auswanderungsagentur seineu minderjährigen Sohn ohne seine Einwilligung nach Amerika befördert habe. Die beklagte Agentur behaupte zwar, daß ihr bei Abschluß des Reisevertrages eine die Unterschrift des Vaters tragende Zustimmungserklärung vorgelegt worden sei; die Erklärung aber müsse gefälscht sein, da die Abiv.ise des Sohnes vollständig ohne Wissen und Willen des Vaters erfolgt sei. Der Vater sei durch die Abreise seines Sohnes materiell sehr geschädigt worden. Er habe demselben durch beträchtlichen finanziellen Aufwand eine vorzügliche musikalische Ausbildung angedeihen lassen und es hätte derselbe durch seine musikalische Begabung und als Mitglied des größten baslerischen Musikvereins sehr viele Graste veranlaßt, die Wirthsehaft seines Vaters zu besuchen.

Außerdem sei er im Stande gewesen, das Geschäft seines hie und da leidenden Vaters selbstständig zu leiten. Der letztere verlange Bestrafung der genannten Agentur und stelle überdies eine Schadenersatzforderung von Fr. 1000.

Gestützt auf folgende Erwägungen verlauten wir die Agentur in eine Buße von Fr. 100: 1) Art. 11, Ziff. 2, des Bundesgesetzes vom 22. März 1888 betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagentureo verbietet dea letztern die Beförderung von minderjährigen oder unter Vormundschaft stehenden Personen ohne schriftliche, amtlich beglaubigte Einwilligung der Inhaber der elterlichen oder vortnundschaffclichen Gewalt.

2) Es ist erwiesen und ergibt sich zur Evidenz aus einer Vergleichung der Schriften der der Agentur vorgelegten Einwilligungserklärung und einer bei den Akten sich befindenden Zuschrift des Vaters K. an das Polisseideparternent des Kantons Baselstadt, daß die fragliehe Erklärung gefälscht ist. Gesetzt aber auch, dieselbe wäre echt, so durfte die Agentur dieselbe doch nicht als ausreichend betrachten, da ihr das Requisit der amtlichen Beglaubigung abgeht.

Das Fehlen dieses Requisites, sowie der Umstand, daß, da Vater K. am gleichen Orte wie sein Sohn und die Agentur wohnt, ersterer nicht selbst den Vertrag für seinen Sohn abgeschlossen hat, hätten die Agentur auf den Gedanken bringen sollen, daß Vater K. mit der Auswanderung "o seines Sohnes nicht einverstanden sei.

Auf die Schadenersatzforderung konnte der ßundesrath mangels Kompetenz (vergi. Art. 21 des Gesetzes) nicht eintreten.

448

5. Eine Agentur wurde verzeigt, weil sie einen tessinischen Bürger, welcher lediglich im Besitze eines Passes gewesen und sich über Abgabe seiner Militäreffekten nicht hatte ausweisen können, nach Amerika befördert hatte.

Die Agentur machte geltend, die tessinischen Auswanderer hätten in der Regel keine Heimatscheine, sondern fast ausnahmslos nur Reisepässe und diese würden von den Behörden erst in dem Augenblicke gefertigt und ausgeliefert, wenn sich der betreffende Requirent darüber ausgewiesen, daß er allfällig gefaßte Militäreffekten zurückerstattet habe. Das Dienstbüchlein selbst werde von Inhabern von Reisepässen nach dem Ausland, speziell Amerika, selten mehr vorgewiesen, da anzunehmen sei, daß der Staat nach Auslieferung des Reisepasses nach dem Ausland für seine Ansprüche gedeckt sein dürfte.

Die Agentur wurde in eine Buße von Fr. 100 verfällt, weil 1. die Untersuchung ergeben hat, daß der von der Agentur X.

zur Beförderung nach Amerika übernommene A. T. zwar eine Ausweisschrift über Herkunft und Bürgerrecht, wie solche im Kanton Tessin üblich ist, besessen, dagegen einen Ausweis über die Rückerstattung der vom Staate erhaltenen Militäreffekten der Agentur nicht vorgewiesen hat; 2. es durchaus unzuläßig ist, daß eine Agentur aus dem Umstände, daß ein auswandernder militärdienstpflichtiger Schweizerbürger Ausweisschriften über Herkunft und Bürgerrecht besitzt, schließe, daß er auch seine Militäi-effekten abgegeben habe, da die Gemeinde- oder Bezirksbehörden keineswegs verpflichtet sind, den militärdienstpflichtigen Schweizerbürgern, welche ihre Militäreffekten nicht zurückerstattet haben, solche Ausweisschriften zu verweigern.

Gesetzt aber auch, dies wäre der Fall, so dürfte sich dennoch eine Agentur nicht davon dispensirt halten, von einem solchen Bürger, der auswandern will, einen Ausweis über Rückerstattung der Militäreffekten vorweisen zu lassen, da das Bundesgesetz vom 22. März 1888 in ausdrücklicher Weise einen solchen verlangt und, wenn die Ablieferung wirklich stattgefunden hat, der Ausstellung einer Bescheinigung darüber wohl auch im Kanton Tessin nichts im Wege steht.

6. Eine Agentur wurde beschuldigt, einen Auswanderer W.

spedirt zu haben, welcher sich von seiner Familie, bestehend aus Frau und vier Kindern, in böswilliger Absicht fortmachen wollte.

In ihrer Vernehmlassung über die Anschuldigung machte die Agentur geltend:

-'

449

Der betreffende Auswanderer sei amerikanischer Staatsbürger und besitze einen gehörigen amerikanischen Bürgerbrief, auf welchen gestützt er zur Spedition angenommen worden sei. Seine Familie habe derselbe einstweilen bei Verwandten untergebracht, und er werde dieselbe nachkommen lassen, sobald er das nöthige Geld hiezu besitze. Einer Einwilligung zur Auswanderung seitens der zuständigen Armenbehörde habe W. in seiner Eigenschaft als amerikanischer Staatsbürger nicht bedurft. Sollte dessen Familie sich in großer Noth befinden und der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Last fallen, was vorläufig verneint werde, so werde der schweizerisch-amerikanische Niederlassungsvertrag zu Rath darüber gezogen werden müssen, was mit der--Familie zu geschehen habe.

Wir konnten diese Einreden nicht gelten lassen, da, angenommen auch, W. habe wirklich das amerikanische Bürgerrecht erworben, er doch, wie sich aus der Mittheilung seiner Heimatbehörde ergibt, niemals auf das Schweizerbürgerrecht Verzicht geleistet hat, und er sowie seine Familie noch zur Stunde Angehörige der bernischen Gemeinde G. und dort arraengenößig sind. Wenn daher die zurückgebliebene Familie W. verarmen würde, so müßte sie von der Armenbehörde von G. unterstützt werden, und es könnte die letztere die Uuterstützungsptlicht keineswegs ablehnen mit, der Begründung, W. und dessen Familie hätten das amerikanische Bürgerrecht erworben.

Die Agentur wurde deßhalb der Verletzung der in Art. 11, Ziff. 7 des Gesetzes enthaltenen Bestimmung schuldig erklärt und in eine Buße von Fr. 100 verfällt.

7. Eine Agentur, welche überführt worden war, entgegen sehr formellen Weisungen, mit der Agentur Jordan & Cie. in Delle geschäftliche Beziehungen 'zu unterhalten und derselben solche Auswanderer zuzuweisen, welche das Bundesgesetz den schweizerischen Agenturen zu spediren verbietet, und deren Geschäftsgebahren überhaupt viel zu wünschen übrig läßt, wurde ernstlich darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn sie nicht künftighin ihre Geschäftsführung den Anforderungen des Gesetzes, sowie den Weisungen der Behörde anpasse und die Beziehungen zur Agentur Jordan & Cie. in Delle aufgebe, der Bundesrath Anlaß nehmen würde, ihr das Patent zu entziehen.

8. Ein Unteragent wurde beschuldigt und überwiesen, auf eigene Rechnung und ohne Vor wissen der Agentur, in deren Dienst er stand, Auswanderungsgeschäfte gemacht zu haben. Die kantonale,

450 mit der Aufsicht über das Auswanderungswesen betraute Behörde fand die Einwäpde des betreffenden Unteragenten, er sei von einem anderen Unteragenten der Firma zu seinem Vorgehen ermächtigt worden und die eingeklagte Handlung habe vor dem 10. Juli 1888 stattgefunden, als ausreichend. Wir erwiderten indessen: Aus dem Umstand, daß erst in der Vollziehungsverordnung vom 10. Juli 1888 den Unteragenten explicite verboten ist, aut eigene Rechnung Auswanderungsgeschäfte zu betreiben, folgt nicht, daß es vorher denselben gestattet war, dies zu thun. Es ist selbstverständlich, daß Unteragenten, gemäß ihrer Stellung als solche zur Agentur, nur solche Speditionen ausführen dürfen, die sie auf Rechnung und mit Vorwissen der Agentur übernehmen. Führen sie Speditionen auf eigene Rechnung aus, so geriren sie sich als Agenten, wozu sie nie das Recht hatten. Hiezu kommt, daß, wenn eine gesetzwidrige Spedition von einem Unteragenten auf eigene Rechnung ausgeführt wird, nicht die Agentur dafür verantwortlich gemacht werden kann, in deren Dienst er steht, und eine Verantwortlichkeit der Unteragenten kennt das Gesetz nicht. Der betreffende Unteragent hat nicht nachgewiesen, daß er zu Speditionen auf eigene Rechnung autorisirt war, und ein Unteragent konnte eine Ermächtigung, wie sie der Angeschuldigte behauptet erhalten zu haben, offenbar nicht ertheilen.

Aus dieser Argumentation folgt, daß, wenn ein Unteragent auf eigene Rechnung und ohne Vorwissen der Agentur, in deren Dienst er steht, Auswanderungsgeschäfte betreibt, er sich einer Verletzung von Art. 19 des ßundesgesetzes vom 22. März 1888 schuldig macht und daß deßhalb zur Beurtheilung des Falles die kantonalen Gerichte kompetent sind. Der Art. 18 des Gesetzes ist nicht anwendbar, da dieser nur von den von Agenten begangenen Gesetzesübertretungen handelt.

9. Es wurde mehrfach darüber Beschwerde geführt, daß namentlich in Basel Dienstmänner und Hotelportiers auf den Bahnhöfen Auswanderungslustige abfingen und sie bestimmten Agenturen zuwiesen. Wir ertheilten auf die Beschwerde folgenden Bescheid : Es ist selbstverständlich Niemandem verwehrt, Auswanderungslustigen auf Befragen die Adressen von Auswanderungsagenturen anzugeben, eventuell sie zu solchen zu begleiten. Aber ebenso unzweifelhaft ist, daß wer des Oeftern, also in mehr oder weniger geschäftsmäßiger
Weise, auswanderungslustige Personen zu Agenturen begleitet und sich von letztern hiefür bezahlen läßt, sich einer Verletzung- von Art. 19 des Bundesgesetzes vom 22. März 1888 schuldig macht. Namentlich scheint die Annahme, es handle

451

sich bei Auskünften gedachter Art um etwas Zufälliges oder eine Gefälligkeit, dann als ausgeschlossen betrachtet werden zu müssen, wenn die Auskunftertheiler Wirthe, Portiers, Dienstmänner und dergleichen sind. Man wird kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß in solchen Fällen zwischen der Auskunft evtheilenden Person und der' betreffenden Agentur ein (mündliches) Abkommen besteht und die letztere sieh einer Verletzung von Art. 5, letztes Alinea, des zitirten Gesetzes und von Art. 20 der Vollziehungsverordnung zu diesem Gesetze schuldig macht. Der Beweis aber, daß die Auskunft ertheilende 'Person im Auftrage einer Agentur gehandelt hat, wird stets sehr schwer zu erbringen sein und nur dann als unzweifelhaft vorhanden angenommen werden können, wenn dieselbe Person Auswanderungslustige des Oeftern derselben Agentur zugewiesen hat. Viel leichter, dünkt uns, sei der Beweis für die Schuld des Zuweisers zu erbringen. Ein solcher kann auch ohne bestimmten Auftrag einer Agentur thätig sein und auf Belohnung seiner Zuweisungen spekuliren. Die Aufsicht darüber aber, daß keine Zuweiser Auswanderungsgeschäfte vermitteln, ist Sache der kantonalen Behörden, und es scheint allerdings, daß gerade in Basel eine solche Aufsicht sehr am Platz ist.

10. Ebenfalls in Basel ist es vorgekommen, daß der Portier eines Hotels, in welchem ein Auswanderer abgestiegen war, den letztern zu bewegen suchte, daß ei- den Auswanderungs vertrag, welchen er bereits mit einer Agentur abgeschlossen, rückgängig machte und ihn mit einer anderen Agentur abschloß. Damit der Auswanderer wieder in den Besitz des Haftgeldes gelange, welches er bei der ersten Agentur hinterlegt hatte, rieth' der Portier ihm ferner an, der letztern vorzugeben, er müsse wegen plötzlich eingetretenen Ablebens eines nahen Anverwandten die Absicht, auszuwandern, verschieben. Der Auswanderer schrieb an sich selbst einen Brief, in welchem ihm der Tod seiner Mutter gemeldet wurde, präsentirte den Brief dem ersteren Agenten, welcher auf telegraphische Anfrage aus der Heimat des Auswanderers die Antwort erhielt, daß die Angabe des letztern auf Unwahrheit beruhe. Trotzdem es sich um denselben Portier handelte, welcher bereits im Jahre 1888 wegen Empfehlung der Agentur Jordan & Cie. in Delle verzeigt worden war, fand das baslerische Polizeigericht wiederum nicht, daß eine
Verletzung des Auswanderungsgesetzes vorliege. Daß solche Urtheile nicht geeignet sind, dem Unwesen der Zuweiserei und der verderblichen Propaganda zu steuern, liegt auf der Hand. Es ist nur zu bedauern, daß die Bundesbehörde über kein Mittel verfügt, gegen solche auf völliger Qnkenntniß der Intentionen des eidgenössischen Gesetzgebers beruhende Urtheile einzuschreiten.

452

11. Während in einigen Kantonen die Geschäftsführung der Agenten und Unteragenten und besonders die Inserate und anderen Veröffentlichungen derselben einer strengen Aufsicht unterworfen und unbefugter Betrieb von Auswanderungsgeschäften gebüßt werden, schenkt man anderwärts dem Auswanderungswesen so wenig Beachtung, als ob ein Bundesgesetz über die Materie gar nicht existirte, und scheint der Art. l dieses Gesetzes, welcher die kantonalen Behörden zur Mitwirkung bei der Aufsicht über die Agenten beruft, vollständig ignorirt zu werden. So ist, wie auch in frühern Jahren, eine Anzahl Klagen bei uns eingelangt, welche darauf schließen lassen, daß u. A. im Kanton Tessin Auswanderungsgeschäfte von vielen Personen betrieben werden, welche weder das Patent hiefür erhalten haben, noch im Dienste einer patentirten Agentur stehen. Da zur Bestrafung solcher Personen nicht die Bundesbehörde, sondern die kantonalen Gerichte kompetent sind, mußten wir uns darauf beschränken, die bezüglichen Klagen denselben zu überweisen. Da aber eine Bestrafung bisher noch nie erfolgt ist, so dauert begreiflicher Weise das Unwesen fort. Selbst in dem Falle, den wir im Geschäftsberichte pro 1888 (Bundesbl. 1889, II, 8. 418, Ziffer 7) besonders aufgeführt haben und in welchem die Beweise der Schuld vollständig erbracht waren, erfolgte eine Freisprechung.

12. Von einer kantonalen Behörde wurden wir angefragt, ob sich die strafrechtliche Verfolgung wegen, eines vom Gesetze verbotenen Inserates gegen den Einsender oder gegen den Zeitimgsherausgeber oder gegen beide zu richten habe. Wir erwiderten: Einzig der Herausgeber der Zeitung ist dem Gerichte zu überweisen. Die Gesetzesverletzung besteht in der Veröffentlichung, diese wird vom Herausgeber und nicht vom Einsender gemacht. Die Zeitung erscheint unter Verantwortlichkeit des Herausgebers, welcher wissen muß, welche Annoncen nicht aufgenommen werden dürfen, während die Einsendung allein kein Delikt konstituirt. Anders verhielte sich die Sache, wenn es sich um die Veröffentlichung einer Broschüre, eines Buches handelte. In einem solchen Falle geschieht die Veröffentlichung unter Verantwortlichkeit des Autors.

13. Als Ansprüche civilrechtlicher Natur stellten sich dar die Beschwerden wegen Ueberforderung, Benachtheiligung beim Geldwechsel, die Reklamationen wegen unrichtiger oder
verspäteter Aufgabe des Gepäcks, Zurückerstattung des Haftgeldes oder des ganzen Transportpreises in den Fällen, wo der Speditionsvertrag nicht zu Stande gekommen war, oder nicht zur Ausführung gelangen konnte, wegen Bestreitung von Ausgaben, welche in der Vertragssumme inbegriffen waren, vom Auswanderer aber unterwegs gemacht werden mußten, in einem Falle sogar wegen von

453 einem Unteragenten zum Schaden eines Auswanderers begangenen Betrugs und Unterschlagung. In vielen dieser Fälle handelte es sich nicht um eine Verletzung des Bundesgesetzes vom 22. Mära 1888 betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagentiiren und in den andern wäre für die Bundesbehörde eine Veranlassung zur Verhängung einer Buße (Art. 18. des Gesetzes) nur vorhanden gewesen, nachdem ein richterliches Urtheil ausgefällt worden.

Obwohl nach Art. 21, AI. l, des Gesetzes bei civilrechtlichen Ansprüchen die Gerichte des Kantons kompetent sind, in welchen der .Auswanderungsvertrag abgeschlossen worden ist, ließen wir dennnoch in den Fällen, wo es uns thunlich schien, unsere Intervention insoweit eintreten, als wir, um den Betheiligten die Unannehmlichkeiten und Kosten eines Prozesses zu ersparen, die Beilegung des Streites herbeizuführen uns bemühten. Wenn uns aber selten oder nie von Urtheilen Kenntniß gegeben wurde, welche kantonale Gerichte auf Grund der Art. 19 und 21 des Gesetzes ausgefällt haben (s. Art. 21, AI. 3), so schreiben wir dies weniger jener Intervention zu, als dem Umstand, daß die Auswanderer, welche glaubten, sich über Agenturen zu beschweren Ursache zu haben, einmal in einem überseeischen Staate angelangt, es vorziehen, den erlittenen Schaden zu tragen, als einen Prozeß anhängig zu machen, dessen Durchführung Angesichts des Umstaudes, daß die eine Partei in Amerika sich befindet und die Feststellung der Thatsachen fast unmöglich erscheint, auf die größten Schwierigkeiten stoßen muß.

Leider machen die Auswanderer auch nur selten von dem Rechte Gebrauch, das ihnen der Art. 21 des Gesetzes einräumt, und demzufolge die schweizerischen Konsuln jede Reklamation schweizerischer Auswanderer wegen Verletzung der ihnen zugesicherten Bedingungen unentgeltlich zu prüfen haben, und es muß bedauert werden, daß aus diesen Umständen nur den Agenturen Vortheile erwachsen können.

Auf das Geschäftsgebahren einzelner Agenturen und Unteragenten verbreiten übrigens die Klagen civilrechtlicher Natur vielleicht noch mehr Licht als diejenigen Anzeigen wegen Gesetzesverletzungen , welche die administrative Bundesbehörde zu behandeln kompetent ist.

14. Bndlich sind wir noch im Falle, Ihnen von den Auseinandersetzungen Kenntniß zu geben, welche wir mit einer viel bestraften, äußerst widerhaarigen
Agentur gehabt haben. Von dem irrthümJichen Glauben ausgehend, daß die gegen sie gerichteten Anzeigen von den übrigen Agenturen ausgegangen seien, brachte dieselbe in kurzer Zeit eine ganze Reihe von haltlosen Denunziationen gegen die Konkurrenzgeschäfte vor. Das Departement hat sich veranlaßt

454

gesehen, die Denunziantin auf die Unhegründetheit und Leichtfertigkeit mehrerer ihrer Anzeigen aufmerksam zu machen. Die Agentur erwiderte, daß man im Strafverfahren nicht erst auf überzeugende Beweismittel, sondern auf Indizien hin nachzuforschen und einzuschreiten pflege. Wir erwiderten, daß die kompetenten Behörden allerdings bei Vorzeigungen Erhebungen zu veranstalten haben, daß aber der Denunziant nicht davon dispensirt werden könne, bestimmte Anhaltspunkte zu geben, wenn er sich nicht dem Vorwurf der Leichtfertigkeit und der Gefahr aussetzen wolle, daß seinen Angaben kein Glaube geschenkt wird. Auf frivole Denunziationen ist keine Behörde gehalten einzutreten. In dem Falle, der zu dieser Bemerkung Veranlassung gab, war der Denunziation absolut kein Nachweis beigegeben. Die Denunziantin konnte nicht einmal genau angeben, wo der Auswanderer, welcher nach ihrem Vorgeben ohne Ausweisschriften von einer anderen Agentur zur Spedition übernommen worden sein sollte, heimatberechtigt war.

In einem andern Falle mußten wir dieselbe Agentur darauf aufmerksam machen, daß, da in Gemäßheit von Art. 7 des Gesetzes die Agenturen für die Geschäftsführung ihrer Unteragenten verantwortlich sind, die Bundesbehörde sich nicht darauf einlassen könne, Mittheilungen, welche die Agenturen der Behörde zu machen haben, von Unteragenten entgegenzunehmen. Da diese Agentur sich in ihren diesbezüglichen Korrespondenzen einer unpassenden, anmaßenden Sprache bediente, lehnte das Departement jede weitere Erörterung mit, dem Beifügen ab, daß sie gegen Bescheide des Departements an den Bundesrath, gegen Schlußnahme dieser Behörde an die Bundesversammlung vekurriren könne.

Da diese Agentur neuestens erklärt hat, ein oder mehrere gegen sie ausgefällte Bußenurtheile weiter zu ziehen, werden wir Gelegenheit haben, Ihnen über das ganze Geschäftsgebahren dieser Agentur noch nähere Mitiheilungen zu machen.

IV. Anstände bei der Auswanderung nach den Vereinigten Staaten von Amerika. Kolonisationswesen. Propaganda für die Auswanderung.

1. Unterm 23. Februar 1885 haben die Vereinigten Staaten von Amerika ein Gesetz erlassen (an act to prohibit thé importation and immigration of foreigners and aliens under contract or agreement to perform labor in thè United States, its Territories and thè District of Columbia), welches die Einwanderung von Personen verbietet, mit denen im Auslande Kontrakte für Arbeiten oder Dienste abgeschlossen worden sind, die in den Vereinigren Staaten

455

verrichtet werden sollen. Dieses Gesetz untersagt des Fernem, solchen Personen die Transportkosten vorschußweise zu bezahlen, und erklärt alle im Auslande abgeschlossenen Kontrakte gedachter Art für ungültig und sieht für das Engagiren von Ausländern eine Buße von ira Maximum 1000 Dollars vor ; die Kapitäne und Schiffsgesellsehaften, welche im Auslande engagirte Personen nach den Hafenplätzen der Vereinigten Staaten bringen, können in eine Buße von 500 Dollars verfällt werden und sind überdies gehalten , die von den amerikanischen Hafenbehörden am Landen verhinderten Personen auf ihre Kosten zurückzubefördern. Eine Ausnahme wird nur gemacht bezüglich Dienstboten, Schauspieler, Sänger, Vorleser, Arbeiter für industrielle Zweige, die in den Vereinigten Staaten noch nicht existiren, beziehungsweise deren Einführung daselbst wünschenswert!] erscheint.

Im Monat April des Benchtjahres theilte uns die Gesandtschaft in Washington mit, daß die Hafenbehörden der Vereinigten Staaten Weisung erhalten hätten, die Einwanderungsgesetze, speziell die Bestimmungen des sogenannten Kontraktarbeitsgesetzes, strenger als bis anhin zur Anwendung zu bringen. Wir gaben hievon sofort den Auswanderungsagenturen Kenntniß, indem wir denselben zugleich in Erinnerung brachten, daß Art. 11, Ziffer 4, des Bundesgesetzes betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen den letztern die Beförderung von Personen untersagt, denen die Gesetze des Einwanderungslandea den Eintritt verbieten. Wir machten die Agenturen des Fernern darauf aufmerksam, daß sie sich, im Falle, wo von ihnen beförderte Personen von den nordamerikanischen Behörden auf Grund der erwähnten Gesetze zurückspedirt würden, der Gefahr aussetzten, für die Kosten der Rückspedition aufkommen zu müssen und von uns wegen Verletzung der citirten Bestimmung des Bundesgesetzes vom 22. März 1888 gebüßt zu werden.

Um dieselbe Zeit erschien in einigen schweizerischen Blättern ein Inserat, mit welchem 500 Seidenbandweber, denen bei guter Arbeit hoher Lohn in Aussicht gestellt wurde, nach New-York gesucht wurden. Hievon scheinen die Seiden band weber der Vereinigten Staaten Kenntniß erhalten zu haben, und auf Veranlassung des dortigen Seiden weber verbandes (national fédération of sii k workers) wandten sich die Komites der Progressive Union und der knights of labor an
das schweizerische Konsulat in New-York mit der Bitte, es möchten die schweizerischen Seidenbandweber gewarnt werden, sich durch solche mißleitende Ankündigungen und trügerische Versprechungen zur Auswanderung verlocken zu lassen.

Die Seidenbandfabriken in New-York, beabsichtigten mit der ver-

456

suchten Herbeiziehung ausländischer Kräfte nur eine Lohnreduktion herbeizuführen, und würden nach Erreichung dieses Zieles die Eingewanderten entlassen. Ueberdies müßten die fremden Arbeiter gewärtigen, auf Grund des Kontraktarbeitergesetzes von den Hafenbehörden zurückspedir zu werden. Namentlich mit Rücksicht auf letztern Umstand sorgten wir für eine angemessene Verbreitung der Eingabe. Wir sahen uns auch veranlaßt, die schweizerische Gesandtschaft in Washington zu beauftragen, an zuständiger Stelle den Wunsch zu äußern, es möchte jeder Fall von Rückspedition eines Schweizers ihr zur Kenntniss gebracht werden. Mit Genugthuung können wir berichten, daß diesem Wunsche entsprochen worden ist, indem die Einwanderungskommission die Weisung erhalten hat, keine Rückweisung schweizerischer Auswanderer vorzunehmen, ohne das schweizerische Konsulat in New-York vorher davon verständigt und mit ihm die besondern Verhältnisse, die eine solche Maßregel zu erfordern scheinen könnten, in Erörterung gezogen zu haben.

Es gelangten dann auch im Berichtjahre eine Anzahl Beschwerden wegen Rückweisung von Auswanderern an uns. Diese Beschwerden richteten sich indessen weit weniger gegen die Auswanderungsagenturen, als gegen die rücksichtslose, mitunter harte Art und Weise, mit der die Einwanderungskommission in NewYork die Bestimmungen der Einwanderungsgesetze zur Anwendung brachte. Von vier zurückgewiesenen Personen wurden wir angegangen, die nöthigen Schritte zu t h u n , daß jene Kommission verhalten werde, ihnen wegen ungesetzlicher Ruckspedition die Kosten der Hin- und Rückreise, sowie den sonst erlittenen Schaden, zu ersetzen. Die Beschwerdeführer glaubten deo Nachweis leisten zu können, daß das Kontraktarbeitergesetz auf sie keine Anwendung hätte finden sollen. Die angestellte Untersuchung ergab , daß drei der Beschwerdeführer auf Grund eines andern Einwanderungsgesetzes zurückgewiesen worden waren ; die Beschwerde des vierten ist irn Berichtjahre nicht zur Erledigung gelangt, IQ einem andern Rückweisungsfalle stellte es sich, erst nachdem die schweizerische Gesandtschaft in Washington sich in sehr angelegentlicher Weise für die Betroffenen verwendet haue, heraus, daß dieselben nicht Schweix.erbürger waren. Auf Grund des Kon traktarbeitergesetzes scheinen denn auch bis jetzt keine Rückwei sungen von schweizerischen
Auswanderern stattgefunden zu haben.

Es ist dies auch aus dem Grunde begreiflich, daß, wie die Statistik der überseeischen Auswanderung aus der Schweiz deutlich zeigt, die große Masse der schweizerischen Auswanderer nicht dem

457

Fabrikarbeiterstande angehört, sondern sich hauptsächlich aus dem Kleinbauernstande rekrutirt.

Im Herbste des Berichtjahres ist dagegen von den Hafenbehörden zu New-York die Rückweisung mehrerer schweizerischer Auswanderer, meist alleinstehende Frauenspersonen, verfügt worden, weil die Castle-Garden-Kommission fand, der Einwanderung derselben stehe das Gesetz betreffend die Einwanderung (act to regulate immigration) vom 3. August 1882, beziehungsweise das in Ausführung von Sektion 3 desselben vom Schatzamtssekretär erlassene Zirkular an die Zollkollektoren entgegen. Zufolge diesem Zirkular sind die Letztern befugt, in den Fällen, wo zu befürchten steht, daß Einwanderer der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Last fallen könnten, die Rückspedition zu verfügen, sofern nicht eine von der zuständigen Behörde zu bestimmende Kaution geleistet wird, welche dafür Sicherheit bietet, daß die Einwanderer gedachter Art während einer Dauer von fünf Jahren den Vereinigten Staaten, «inem Einzelstaate oder einer Gemeinde nicht zur Last fallen.

Dank den Bemühungen der schweizerischen Gesandtschaft in Washington und des Konsulats in New-York, welches Verwandte oder Freunde der betroffenen Einwanderer zur Stellung der verlangten Kaution zu veranlassen wußte, ist es gelungen, in nahezu allen Fällen die Verfügung der Rückspedition rückgängig zu machen.

Nur in zwei fallen wurde die Verfügung aufrecht erhallen und, wie die Untersuchung gezeigt hat, konnte dre Anwendbarkeit des Gesetzes auf die betreffenden Personen nicht bestritten werden.

Einzelne, die Ruckspedition von Auswanderern verfügende Schlußnahmen stützten sich wesentlich darauf, daß die davon betroffenen Personen von ihren Heimatgemeinden eine Beisteuer zur Bestreitung der Reisekosten erhalten hätten, aus welchem Umstände der Schluß gezogen werden wollte, daß sie in den Vereinigten Staaten der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Last fallen würden. Wir hielten diesem Raisonnement entgegen, daß jener Beisteuer der Charakter . einer Armenunterstützung, eines Almosens nicht zukommt. Wie bekannt, besitzen die meisten Gemeinden in der Schweiz ein Gemeindeverrnögen, sei es in Liegenschaften, sei es in beweglichen Gütern, deren Erträgniß den Bürgern alljährlich in der einen oder andern Form zu Nutzen kommt. Wandert nun ein Bürger aus, so wird für die Zurückbleibenden
jener Nutzen um das Betreffuiß des Ausgewanderten größer, und iu Berücksichtigung dieses Umstandes wird wohl dem Letztern an seine Reisekosten ein Beitrag gewährt, dessen Höhe sich wohl ebenso sehr nach der Bedeutung des Genieindevermögens als nach den Verhältnissen des Auswanderers richtet. Es folgt hieraus zur Evidenz, daß jenem i Beitrag der Charakter einer gerechtfertigten Entacha-

458

digung, nicht aber der einer Unterstützung zukommt. Insbesondere kann in solchen Fällen nicht von Abschiebung lästiger Gemeindegenossen gesprochen werden. Es soll hier nicht bestritten werden, daß in frühern Jahren, so namentlich im 5. und 6. Dezennium unseres Jahrhunderts, solche Abschiebungen vorgekommen sind; aber seit dem Bestehen eines Auswanderungsgesetzes, in welches gerade mit Rücksicht auf die Vereinigten Staaten die Bestimmung in Art. 11, Ziffer 4, aufgenommen worden ist, haben dieselben nahezu des Gänzlichen aufgehört, was auch von maßgebender Seite in den Vereinigten Staaten anerkannt worden ist.

2. Noch müssen wir eines hieher gehörenden Spezialfalles Erwähnung thun. Die Gesandtschaft der Vereinigten Staaten in Bern hatte im Monat April davon Kenntniß erhalten, daß aus dem bernischen Bezirk Oberhasle eine größere Anzahl Personen nach Nordamerika zu verreisen beabsichtige, denen die Transportkosten von dritter Seite vorgeschossen worden seien. Die Gesandtschaft war der Ansicht, daß die in Rede stehenden Personen in die Klasse der ,,paupers" gehörten und von den Hafenbehörden am Betreten des Bodens der Union würden gehindert werden. Die eingeleitete Untersuchung ergab, daß es im Oberhasle und den angrenzenden Bezirken vielfach voi'kommt, daß Personen auszuwandern beabsichtigen, ohne Gelegenheit zu finden, ihre Liegenschaften, ihr Vieh und andere Objekte, die sieh nicht zur Mitnahme eignen, zu verkaufen. Unter diesen Umständen sind sie alsdann gezwungen, die Transportkosten durch ein Anleihen sieh zu verschaffen, für das dit zurückgelassenen Gegenstände haften. Zuweilen wird allerdings auch, wenn die moralischen und physischen Eigenschaften eines Auswauderungslustigen genügende Garantie zu bieten scheinen, der Transportpreis ohne Weiteres vorgeschossen. Um ,,paupers11, d. h. Personen , die der öffentlichen Wohlthätigkeit in den Vereinigten Staaten zur Last fallen würden, konnte es sich im vorliegenden Falle um so weniger handeln, als die betreffenden Personen über nicht unerhebliche Baarmittel verfügten, körperlich und geistig gesund, arbeitsfähig waren und sich zu Verwandten oder Freunden begaben, welche schon seit Jahren in der Union lebten. Wir gaben hievou der nordamerikanischen Gesandtschaft mit dem Beifügen Kenntniß , daß wir die Ueberzeugung gewonnen, daß das amerikanische
Einwanderuugsgesetz auf die fraglichen Personen nicht Anwendung finden könne, und daß wir Ursache hätten, zu vermuthen, die Denunziation rühre von einem auf die Konkurrenz neidischen Agenten her.

3. Ini März des Berichtjahres wurde in Erfahrung gebi'acht, daß im Bezirk Greyerz Anwerbungen von Auswanderern nach Argen-

459 tinien in sehr ausgedehntem Maße stattfinden und daß die engagirten Personen von den Werbern selbst spedirt werden wollten. Aus einer von den freiburgischen Behörden eingeleiteten Untersuchung ging hervor, daß in der That der argentinische Konsul Fernandez in Genf und ein Beauftragter desselben im Grejerzerlande eine große Anzahl von Landwirthen und in der Milchwirthschaft erfahrenen Personen zu engagiren gesucht hätten, welche in verschiedenen Stellungen auf den Besitzungen des Hrn. Fernaudez in der Gemeinde Bragado, Provinz Buenos Aires, Beschäftigung finden sollten. Wir ließen sowohl die Behörden des Kau tons Freiburg als die genannten Personen wissen, daß, so lauge Herr Fernandez den Vorschriften von Art. 10 des Gesetzes nicht nachgekommen, es ihm nicht gestattet sei, Personen für seine Kolonie zu engagiren, und daß überhaupt die Beförderung von Auswanderern nur den patentirten schweizerischen Agenturen gestaltet sei. Von Hrn. Fernandez wurde dann das Gesuch eingereicht, es möchte ihm die Erlaubniß ertheilt werden, im Kanton Freiburg 60 bis 70 Personen zu engagiren, welche er zur Bewirtschaftung seiner Güter und zur Einführung einer größeren Milchwirthschaft nach schweizerischem System bedürfe.

Inwieweit diesem und einigen anderen im Laufe des BerichtJahres bei uns eingereichten Gesuchen um Ertheilung der Ermächtigung, ein Kolonisationsunternehmen zu vertreten (Art. 10 des Gesetzes), entsprochen worden,, ist dem Berichte der kommissarischen Sektion zu entnehmen, welche in Gemäßheit von Art. 3, Ziff. 4, des Bundesrathsbeschlusses betreffend die Organisation des Auswanderungsbüreau (A. S. n. F. X, 754) gemeinschaftlich mit der administrativen Sektion die auf das Kolonisatienswesen sich beziehenden Geschäfte besorgt hat.

1. Im Uebrigen haben wir die Wahrnehmung gemacht, daß die Propaganda für die Auswanderung nach Argentinien ihr Unwesen weiter treibt, indem verschiedene Personen, welche sich als Besitzer von in diesem Lande gelegenen, zur Kolonisation geeigneten Ländereien ausgaben, sowohl Auswanderungslustige direkt zu engagiren, als auch Agenten zu überreden suchten, Auswanderer für sie anzuwerben und nach ihren Gütern zu befördern.

Eine sehr eifrige und in der Regel von Erfolg begleitete Propaganda wird von den sog. ,,Amerikanern" betrieben, d. h. von Personen, welche aus Amerika zum
Besuch in die alte Heimat kommen. Diese werden sehr häufig für viele Andere die Veranlaßung zur Auswanderung, sei es, daß sie den Auftrag erhalten haben, für irgend ein Unternehmen, ein Geschäft oder einen Betrieb Leute mitzubringen 7 sei es, daß ihre oft großsprecherischen Schilderungen die Auswanderungslust erregen, sei es -- der häufigste Fall -- daß sie von

460

einer Auswandevungsagentur veranlaßt werden, Leute zur Auswanderung zu ermuntern und ihr zur Spedition zuzuweisen. Dem sog.

Amerikaner wird entweder eine Kommission per Kopf oder Reduktion der eigenen Transportkosten in Aussicht geslellt.

Wir müssen gestehen, daß es uns ohne die loyale und umsichtige Mitwirkung der kantonalen Behörden unmöglich ist, diesem Unwesen zu steuern. Leider aber scheint man da und dort das Verderbliche dieser geheimen Propaganda nicht einzusehen, ja sogar als einen nicht unwillkommenen Ausweg zu betrachten, soziale Mißstände zu heben oder sich unliebsamer Elemente der Gesellschaft zu entledigen, unbekümmert darum, welches das Loos der Wegziehenden sein werde. Auch das sogenannte argentinische Informationsbüreau hat seine Thätigkeit nicht eingestellt, und selbst auswärts wohnende Agenten sudamerikanischer Staaten haben durch das Mittel von Inseraten zur Auswanderung aus der Schweiz zu stimuliren gesucht. Unter solchen Umständen darf es nicht auffallen, wenn die letztere bei uns von Jahr zu Jahr zunimmt.

Es zeigt sich in diesen Erscheinungen neuerdings die Richtigkeit des Satzes, daß die Gründe der Auswanderung ebenso sehr in dem Lande zu suchen sind, in welches ausgewandert wird, als in demjenigen, aus welchem die Auswanderer kommen, und daß unter jenen Gründen eine hervorragende Rolle die künstlichen Mittel spielen, mit welchen von einzelnen überseeischen Staaten zur Auswanderung stimulirt wird.

B. Kommissarische Sektion.

I. Begleitung von Auswandererzligen bis zum Einschiffungshafen.

1. Die Beförderung der Auswanderer vom Sammelpunkt Genf aus nach Marseille vollzieht sich in derjenigen Zeitdauer, in welcher überhaupt Züge mit Wagen III. Klasse diese Strecke zurücklegen, in Coupés mit gepolsterten Sitzen. Die Auswanderer erklärten sich zufrieden, und es sind überhaupt über die Beförderung auf dieser Bisenbahustrecke keine Klagen angebracht worden. Die Reisenden kommen in der Regel am Tage vor ihrer Einschiffung iu Marseille an und werden dort von den Agenten in zwei kleinere Gasthäuser in der Nähe des Bahnhofes zu einem mäßigen Preise untergebracht.

Die Inspektion dieser Häuser ergab ein ziemlich günstiges Resultat, und ebenso lauteten die Aussagen der dort logirenden schweizerischen Auswanderer über die Verpflegung und Behandlung günstig.

Die Wirthe besorgen in der Regel als Bevollmächtigte der betheiligten Agenten die Begleitung der Auswanderer und die Beförderung des Handgepäckes derselben zum Einschiffungsplatz.

461

Dem schweizerischen -Konsul in Marseille sind seit Jahren keinerlei Klagen seitens schweizerischer Auswanderer vorgebracht worden. Derselbe scheint bis jetzt dem Auswanderungswesen gegenüber eine mehr abwartende als aktive Stellung eingenommen zu haben, und verzichtete auch darauf, den ihn besuchenden Chef der kommissarischen Sektion des Auswanderungsbureau's zu den Behörden, in die Logierhäuser, zu der Schiffsdirektion und zur Einschiffung zu begleiten. Da es der dortige französische Auswanderungskommissär ablehnt, den Auswanderern während ihres Aufenthaltes in der Stadt und in den Logierhäusern seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, weil dieß Sache der städtischen und staatlichen Polizeioi'gane sei und eine Person für ihn sich erst von dem Momente an als Auswanderer qualifizire, wenn dieselbe die iSchiffskarte gelöst, resp. sich eingeschifft habe, so sind die Leute während ihres in der Regel 24- bis 36stündigen Aufenthaltes in Marseille sich selbst überlassen, wenn sie nicht durch einen Agenten von Genf aus begleitet werden. Nachfragen bei der Polizeibehörde haben indessen ergeben, daß dort die in anderen Seehäfen sonst gewöhnlichen Gefahren der Ausbeutung ziemlich selten vorkommen.

Die schweizerischen Auswanderer, welche über Marseille nach Südamerika reisen, benützen beinahe ausschließlich die Schiffe der ·Gesellschaft des transports maritimes, welche, von Genua auslaufend, im Zwischendeck gewöhnlich von italienischen Auswanderern schon ziemlich angefüllt in Marseille ankommen. Es erscheint daher als sehr wünscheuswerth, daß für eine anständige Einlogirung unserer Auswanderer an Bord regelmäßig Vorsorge getroffen werde. Dieß ist auch in der Anwesenheit unseres Kommissärs geschehen, indem auf seine Verwendung den allerdings nicht zahlreichen schweizerischen Auswanderern besondere Kabinen angewiesen wurden, und es haben für die Zukunft der Vertreter des französischen Auswanderungskommissärs und derjenige der Schiffsgesellschaft diesbezüglich und in Beziehung auf die Beköstigung unterwegs die besten · Zusicherungen gegeben. Allein seither vernommene Klagen haben herausgestellt, daß diese infolge der erhobenen Reklamation wiederholten Zusicherungen nicht immer eingehalten werden, bei der seit Jahren sehr starken italienischen Auswanderung auch nicht immer eingehalten werden können. Es ist daher nöthig,
diesem Punkt fortwährend gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Im Uebrigen zeigte das inspizirte Schiff im Ganzen zweckmäßige Einrichtungen, gute Ventilation, und eine Verproviantirung mit zahlreichem lebenden Vieh aller Art, frischen Gemüsen, kondensirtev Milch und dergleichen, welche den Bedürfnissen und Gewohnheiten schweizerischer Auswanderer besser entspricht, als diejenige italienischer und selbst norddeutscher Schiffe.

Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

31

462

2. Genua wurde von Marseille aus, also nicht in Begleitung von dort sich einschiffenden Auswanderern, besucht. Es geht überhaupt nur ein kleinerer Bruchtheil unserer Leute in Genua an Bord, da selbst viele Tessiner die Route über Havre vorziehen.

Die Logierverhältnisse waren bisher in Genua noch äußerst primitiv, und erst in neuester Zeit haben die provinzialen und städtischen Behörden infolge des neuen italienischen Auswanderungsgesetzes auf Abstellung der Uebelstände Bedacht genommen, indem für eine passende Unterkunft unter staatlicher Aufsicht in ehemaligen Klosterräumen gesorgt und auch Nichtitalienern zugänglich gehalten werden soll. Immerhin wurden schweizerische Auswanderer bis zu ihrer Einschiffung gewöhnlich in einem Gasthause in der Nähe des Hafens einlogirt, und waren so doch wenigstens unter schützendem Dach, während ihre italienischen Gefährten oft mehrere Tage und Nächte lang zu Tausenden unter freiem Himmel die Einschiffung abwarten mußten. Das dortige schweizerische Konsulat gab sich alle Mühe, unseren Kommissär bei den Behörden und den Direktionen verschiedener Schiffsgesellschaften und auf einigen Schiffen persönlich einzuführen. Leider ergab es sich, daß die Schiffe in sehr wichtigen Beziehungen den Gesetzen der meisten andern europäischen und einzelner amerikanischen Seestaaten nicht entsprechen, und selbst neugebaute Dampfer sind mehr für einen Massentransport, als für zweckmäßige Einlogirung von Auswanderern eingerichtet, und es muß sich in naher Zukunft zeigen, ob und in wie weit die neue Gesetzgebung auch auf die Verbesserung dieser Einrichtungen einen günstigen Einfluß auszuüben vermöge.

3. Havre ist fortwährend der von unseren Auswanderern am meisten benützte Einschiffungshafen, und es haben mit Rücksicht hierauf im Berichtjahr dort zwei Besuche des Chefs der kommissarischen Sektion stattgefunden. Zunächst bedürfen die Transportverhältnisse auf dieser Route einiger Erörterungen: Wie schon früher, so hat'auch vom Frühjahr bis zum Herbst des letzten Jahres die Société générale transatlantique meistenteils von Basel aus über Delle und einige Male von Bern aus über Pontarlier ihre für die Beförderung von Auswanderern sehr zweckmäßig eingerichteten Extrazüge zirkuliren lassen, welche direkt bis in den Hafen führen, und von denen aus die Auswanderer, nachdem sie im Landungsschuppen
ein Frühstück eingenommen und die sanitarische Untersuchung passirt haben, sofort an Bord gehen können.

Diese etwa 22 Stunden dauernde Reise ist zwar ermüdend, aber sie hat namentlich für Familien den sehr hoch anzuschlagenden Vortheil, daß dieselben nirgends umsteigen müssen, im Innern der Wagen freiere Bewegung und zweckmäßige Einrichtungen für

*

463

die Lagerung des gewöhnlich voluminösen Gepäcks zui Verfügung haben, aus dem mitfahrenden Büffetwagen warme und kalte Speisen in guter Qualität und zu billigen Preisen beziehen können, und vor der Gefahr von Verspätungen in Paris oder Havre, sowie vor Ausbeutung an diesen Orten bewahrt bleiben. Diejenigen Auswanderer dagegen, welche von Basel aus auf die Benützung der fahrplangemäßen Züge angewiesen sind, haben zwar in Paris zirka 12 Stunden Zeit zu einer Ruhepause, dafür aber auch zwei Nächte Eisenbahufahrt in engen, oft überfüllten, für die Lagerung des Gepäckes ungenügend eingerichteten Coupés III. Klasse, und die Ermüdung wird dadurch kaum geringer. Diese Wahrnehmungen und die darüber vernommenen Klagen hatten Unterhandlungen zur Folge, deren hoffentlich befriedigender Abschluß aber nicht mehr iu das ßerichtjahr fällt.

Die Logierverhältnisse für" diejenigen Auswanderer, welche in Havre übernachten müssen, sind befriedigend. Unser dortige Konsul, dur sich der Auswanderer mit anerkennenswertem Eifer annimmt, besucht die beiden von ihnen frequentirten Gasthäuser von Zeit zu Zeit, und wohnt auch sehr oft den Einschiffungen bei, um allfällige Beschwerden entgegenzunehmen, und, soweit es die Verhältnisse gestatten, auf eine zweckmäßige Unterkunft der Auswanderer im Zwischendeck hinzuwirken. Der dortige französische Auswanderungskommissär, so wie die Direktionen der Schiffsgesellschaften und die Schiffsofflziere lassen es nicht an Zusicherungen für gute Behandlung während der Seefahrt fehlen ; es zeigt auch die Zuvorkommenheit, mit welcher unsere Abgeordneten von denselben empfangen werden, daß es ihnen wenigstens an dem guten Willen dazu nicht gebricht, abgesehen davon, daß schon die Konkurrenzverhältnisse sehr wesentlich und immer mehr dazu beitragen, die mit einer Seereise im Zwischendeck unvermeidlich verbundenen Unannehmlichkeiten auf ein möglichst geringes Maß zu reduziren.

Freilich sind die Einrichtungen der von Havre auslaufenden Schiffe für die Beförderung von Auswanderern noch sehr verschiedet!.

Während diejenigen der Compagnie générale transatlantique, welche die Ueberfahrt nach New-York vermitteln, durchweg befriedigen, zeigen die nach Südamerika fahrenden Schiffe der Compagnie des Chargeurs réunis bedeutend geringere Raumverhältnisse, unter denen eine bequeme Lagerung der Reisenden
und eine durchgreifende Ordnung schwieriger zu handhaben sind. So sind auch die Ventilationseinrichtungen und die für die Reise vorgeschriebenen Desinfektionen der Schiffsräume nach Zahl und Mitteln verschieden; bei allen gehen sie zwar über die Minimalforderungen der von 1860 dalirenden französischen Gesetzgebung und die etwas später erschienenen Réglemente hinaus, halten aber bei den Chargeurs réunis

464

nicht durchweg Schritt mit den Forderungen einer seither fortgeschrittenen Hygiene. Besser entspricht derselben die Verproviantirung, deren Wirkung auf die tägliche Ernährungsweise der Passagiere III. Klasse freilich erst auf der Reise beobachtet werden kann.

Aehnlich verhält es sich mit den Spitaleinrichtungen auf den Schiffen und der Krankenpflege; Aerzte und Apotheken fehlen auf keinem derselben, allein deren Anwendung erfährt nur, wer die Reise mitmacht und die Gelegenheit wahrnimmt, sie zu beobachten.

Es stellt sich daher als eine eben so nothwendige, wie in vielen Fällen wohllhätige Sache heraus, daß eine Anzahl schweizerischer Kaufleute, welche überseeische Reisen unternehmen, und selbst einzelne Auswanderer sich bereit zeigten, während der Reise alle jene Verhältnisse zu beobachten, unter Umständen für Mitreisende mit einem bei der Schiffsleitung angebrachten guten Wort zu interveniren, und in besonderen Fällen die gemachten Wahrnehmungen der kommissarischen Sektion des Auswanderungsbüreau zur Kenntniß zu bringen. Diese Anordnung ist einzelnen Mitgliedern von Schiffsdirektionen nicht unbekannt; sie erklärten sich damit sehr einverstanden, indem es ihnen selbst nur angenehm sein könne, darin ein weiteres Mittel zur Kontrolirung des Benehmens ihrer zahlreichen Angestellten zu begrüßen.

II. Reklamationen.

1. Mehrere in Nordamerika niedergelassene Schweizer, welche auf der Rückreise von einem Besuche in der alten Heimat am 12. Oktober in Havre das der Compagnie générale transatlantique gehörende Schiff ,,Gascogne" bestiegen, beschwerten sich nach ihrer Landung in New-York in einem an die kommissarische Sektion gerichteten Schreiben Über die üble Behandlung, welche den schweizerischen und anderen Auswanderern, und namentlich auch Kranken während der Reise zu Theil geworden sei, sowie über mangelhafte Trennung der Geschlechter, auf dem Schiff herrschende Unreinlichkeit und andere Ungebührlichkeiten. Die hierauf angeordnete, theilweise durch den Konsul in Havre geleitete Untersuchung ergab kein die Beschwerde bestätigendes Resultat. Vielmehr stellte sich dabei die Thatsache heraus, daß zwei der Beschwerdeführer unmittelbar vender Landung in New-York noch eine Zufriedenheitsadresse an die Schiffsleitung unterzeichnet hatten. Auch ging von einem in Nordamerika wohnhaften angesehenen schweizerischen
Kaufmann, deidie gleiche Fahrt mitgemacht hatte und von unserem Auswanderungskommissariat vorher urn Mittheilung der auf der Reise zu machenden Wahrnehmungen angegangen worden war, ein Bericht

465 ein, wonach derselbe trotz seinen Besuchen im Zwischendeck und der Umfrage'bei einer Anzahl von Auswanderern während der ganzen Reise nichts habe vernehmen können, was auf Unordnungen der gerügten Art oder auf Unzufriedenheit der Auswanderer hätte schließen lassen.

2. Bei Anlaß von Nachfragen über das gegenwärtige Befinden von Freiburger Ausgewanderten, welche sich im Frühjahr in eine hierseits genehmigte Kolonie nach Argentinien begeben hatten, vernahm man, daß sich diese Leute in Briefen an ihre Angehörigen bitter darüber beklagten, sie hätten auf ihrer durch die Compagnie dos transports maritimes in Marseille vermittelten Seereise mit Italienern und Arabern zusammen gedrängt leben müssen, und seien unterschiedslos und gleichzeitig mit diesen beköstigt «·orden. Da eine förmliche Beschwerde nicht vorlag, begnügte sich das Kommissariat mit einer direkten schriftlichen Mittlieilung an die Direktion det Schiffsgesellschaft und mit der Empfehlung an dieselbe, den schweizerischen Auswanderern stets die wünschenswerthe Berücksichtigung angedeihen zu lassen, was denn auch in einer in sehr verbindlichem Tone gehaltenen Antwort neuerdings zugesichert wurde.

III. Die Schweiz. Konsulate, HUIfsgesellschaften und Privaten im Auslande.

1. Unsere Konsularbeaniten in den überseeischen Einwanderungsländern waren schon gegen Ende des Vorjahres eingeladen worden, über die für Schweiz. Auswanderer in Betracht fallenden Verhältnisse in ihren Bezirken einläßliche Mittheilungen zu machen.

Ein Theil derselben entsprach dieser Einladung in sehr befriedigender Weise und vervollständigte seither diese Mittheilungen durch fortwährende Nachträge ; andere begnügten sieh mit einer mehr allgemein gehaltenen Darstellung, und die Konsulate, resp. Viaekonsulate in Melbourne, Montreal, Cordoba, Traiguen und Leopoldina antworteten trotz den an sie ergangenen Mahnungen nicht.

Der Schweiz. Gesandtschaft in Washington, dem Konsulat in NewYork und demjenigen in Buenos-Aires fiel noch die besondere Aufgabe zu, ihr Gutachten darüber abzugeben, ob und in welcher Weise besser als bisher tur die in New-York und Buenos-Aires landenden Schweiz. Auswanderer im Sinne des Art. 22 des Gesetzes gesorgt werden könnte, wo sich diesbezüglich längst ein sehr fühlbarer Mangel gezeigt hatte. Anfänglich schienen die an beiden Orten hiefiir erforderlichen Opfer so beträchtlich, daß der Verwirklichung einer so wohlbegrtindeten Absicht unübersteigliche Hindernisse im

466 Wege zu stehen schienen. Schließlich ergab sich aber vorläufig für New-York eine einfache und verhältnißthäßig wenig kostspielige Lösung, indem ein gut empfohlener, zu dem beabsichtigten Zweck sehr geeigneter Büreauangestellter des Konsuls mit der Aufgabe betraut wurde, bei der Landung von Schweizern im Castle-Garden regelmäßig anwesend zu seiu uud sich denselben mit Auskunft und Rath zur Verfügung zu halten. Die Wirksamkeit dieses Beamten des Konsulates hat sich denn auch in der kurzen Zeit seines Bestehens in vorteilhafter Weise fühlbar gemacht. So war es beispielsweise schon in einer Anzahl von Fällen beanstandeter Landung Schweiz. Auswanderer seiner rechtzeitigen Intervention zu verdanken, daß die mit der Vollziehung der Einwanderungsgesetze beauftragte und zu einer strengen Handhabung derselben sehr geneigte Behörde eine gerechtere und mildere Praxis eintreten ließ und den meisten Beanstandungen keine weitere Folge gab. In Buenos-Aires dagegen liegen die Verhältnisse aus mehrfachen Gründen erheblich schwieriger, und das angestrebte Ziel konnte bis zum Jahresschluß noch nicht erreicht werden. Es ist dieß um so mehr zu bedauern, als die gegenwärtig in Argentinien vor sich gehende großartige Entwicklung eine zuverläßige Berathung unserer sich stets inehrenden Auswanderer und eine intensive Vertretung unserer dortigen Angehörigen überhaupt immer Wünschenswerther macht.

Infolge eingegangener Auskunttsbegehren über solche Länder, welche für uns nicht zu den gewöhnlichen Einwanderungsländeru gehören, mußten auch die Konsulate in Yokohama, Manila, Rußland und in Rumänien, sowie unsere Gesandtschaft in Wien um zweckdienliche Mittheilungen angegangen werden. Sie entsprachen der hierseitigen Einladung in kürzester Frist und in einer Weise, welche eine zuverläßige Beantwortung von Auskunftsbegehren ermöglicht.

2. Die zahlreichen und meistenteils auch sehr thätigeu Hülfsgesellschaften in den Einwanderungsländern erfüllen, ohne mit dem Auswanderungskommissaiiat in näherer Verbindung zu stehen, neben der Aufgabe gegenseitiger Unterstützung auch den Zweck, daß sie sich in verschiedener Weise, theils durch wohlthätige Anstalten, Arbeitsnachweisungen u. dgl., vielfach auch durch direkte Naturaloder Geldgaben armen Einwanderern durch Berathung hülfreich erweisen. Sodann erfreute sich das Auswanderungskommissariat
einer großen Zahl von Mittheilungen, die es von erfahrenen und zuverläßigen Privatpersonen aus den Binwanderungsländern erhielt, und -womit es die auf amtlichem Wege eingegangenen Informationen vervollständigen konnte. In verdankenswerthester Weise haben sich auch viele derselben bereit erklärt, allfällig an sie empfohlene Zuwanderer mit Rath und That zu unterstützen.

467

IV. Vereine und Private im Inland. -- Vorträge.

Die Anknüpfung und Unterhaltung von Verbindungen des Kommissariates mit inländischen Vereinen und Privaten hat nach der Organisation des Auswanderungsbureau vom 18. September 1888 den Zweck, die leichtsinnige Auswanderung zu verhüten, auf eine Unterstützung dürftiger, zur zielbewußten Auswanderung entschlossener Personen und Familien hinzuwirken, und eventuell durch öffentliche Vorträge das Volk über die Ziele des Kommissariates und über die unerläßlichen Vorbedingungen für die Auswauderung und andere verwandte Punkte zu belehren. Die Centralkommission der Schweiz, gemeinnützigen Gesellschaft betonte in ihrem Jahresbericht die Nothwendigkeit, daß die Gesellschaft dem Schutz der schweizerischen Auswanderer ihre Aufmerksamkeit zuwende, und erklärte sich neuerdings bereit, dem Kommissariat im gegebenen Falle an die Hand zu gehen, soweit es in ihren Kräften stehe. Der Centralvorstand der Schweiz. Grütlivereine ließ seinem, gegen Ende des vorigen Jahres an die Sektionen erlassenen Zirkular ein Plakat folgen, mit der Weisung, dieses in allen Vereinslokalen an geeigneter Stelle anzuschlagen. In demselben werden die Mitglieder ersucht, allfällige in ihrer Umgebung vorhandene Auswanderungskandidaten, seien diese Mitglieder oder nicht, auf die Zwecke des Kommissariates und auf die Nothwendigkeit aufmerksam zu machen, bei demselben unter Darstellung ihrer persönlichen und familiären Verhältuisse, Absichten und Wünsche vor einem definitiven Entschluß Auskunft und Rath nachzusuchen, und nach ihrer Ankunft am Bestimmungsorte über die auf der Reise gemachten Wahrnehmungen, sowie üher die dort thatsächlich vorgefundenen Verhältnisse dem Centralvorstand oder dem Auswanderungskommissariat einen summarischen Bericht zu erstatten. Der Erfolg dieser Maßregel machte sich sofort dadurch fühlbar, daß bald von Mitgliedern und Nichtmitgliedern der Grütlivereine und unter Berufung auf den Inhalt des erwähnten Plakates eine erhebliche Anzahl von Auskunftsbegehren einging. -- Auch einzelne Schweiz, geographische Gesellschaften haben dem Kommissariate wesentliche Dienste geleistet, indem sie demselben werthvolle Aufschlüsse über einzelne Einwanderungsländer zugehen ließen, und in ähnlicher Weise hat eine Anzahl von Schweiz. Privaten, welche entweder früher selbst während längerer
Zeit im Auslande gewohnt hatten, oder mit zuverläßigen ^Personen in überseeischen Ländern Verbindungen unterhalten, dazu beigetragen, die Informationen des Bureaus zu vervollständigen.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese speziellen Zweige humanitärer Vereinsthätigkeit noch einer bedeutenden Entwicklung

468

fähig sind, und daß dadurch für das Wirken des Kommissariates allmälig eine breitere Grundlage im Volke geschaffen werden kann.

Daher wird es, nachdem einzelne Vereine mehr allgemein schweizerischen Charakters in Thätigkeit gezogen worden sind, eine Aufgabe der nächsten Zukunft sein, auch bei kantonalen, später wohl auch lokalen Vereinen mit verwandten humanitären Zwecken eine nähere Verbindung zu suchen.

Infolge einer erhaltenen Mitthe.ilung, daß sich bei vielen Stickern in der Ostschweiz wegen der in ihrer Industrie eingetretenen Krisis die Neigung zur Auswanderung rege mache, und mit Rücksicht auf den Wunsch dieser Arbeiter, über gewisse Auswanderungsziele nähere Auskunft zu bekommen, wurde in Goldach vor einer zahlreichen Zuhörerschaft ein öffentlicher Vortrag über die nothwendigcn Voraussetzungen für eine gedeihliche Auswanderung und über einzelne Einwanderungsländer gehalten. Demselben folgten später ein Vortrag in der geographischen Gesellschaft in Bern über die Kolonisation in Algerien, und ein solcher in der kommerziell-geographischen Gesellschaft in St. Gallen über die Aufgaben des eidgenössischen Auswanderungskommissariates und deren Lösung.

V. Begutachtung von Kolonisationsunternehmungen.

1. Im Frühjahr reichte uns Herr Fernandez, Konsul der argentinischen Republik in Genf, ein Schreiben ein mit der Mittheilung, daß er auf seinen 350 Quadratkilometer haltenden, bei Bragado in der argentinischen Provinz Buenos-Aires gelegenen Ländereien eine Kolonie anzulegen und vorzugsweise mit Auswanderern schweizerischer Herkunft zu besiedeln beabsichtige. In erster Linie handle es sich darum, das für den Betrieb einer großen Musterfarm erforderliche Personal, 50 bis 70 Personen, anzustellen : später aber werde er einzelnen schweizerischen Familien, welche sich auf seinen Gütern ansiedeln wollen, Land in Pacht, eventuell in Halbpacht geben.

Die Erkundigungen über die Person des Herrn Fernandez lauteten sehr günstig, und der Umstand, daß er bereits für bedeutende Summen Schweizervieh und Utensilien für den Betrieb einer großen Käserei angekauft hatte, ließ über den Ernst seiner Absichten keinen Zweifel aufkommen. Die Aufschlüsse, die er über seine Ländereien mündlich und schriftlich gab, erstreckten sich auf die bisherige theilweise Besiedelung, die Beschaffenheit und die künftige Bewirthschaftung des Bodens, die noch zu ergänzenden baulichen und anderen Einrichtungen, die \7erkehrsgelegenheiten, Schulen, Kirchen, das Trinkwasser, die klimatischen und sanitarischen Verhältnisse, Abwesenheit jeder Ueberschwemmungsgefahr u. dgl. Den Arbeit«-

469

lohn stellte er im Minimum auf jährlich Fr. 700 nebst Wohnung und Beköstigung fest, welcher aber, je nach den Leistungen, bis auf Fr. 2000 und 1 mehr ansteigen könne. In Beziehung auf die Kündungsfrist, auf sein Verhalten bei akuter oder vorübergehender Krankheit von Dienstboten unterzog er sich den Bestimmungen des eidgenössischen Obligationenrechtes: in Fällen chronischer Erkrankung, vollständiger Arbeitsunfähigkeit oder höherer Gewalt, welche die Heimkehr eines Angestellten erforderlich machen, geschieht, wenn dem Angestellten die Mittel dazu fehlen, die Heimbeförderung auf Kosten des Eigenthümers, und Dürftige werden von der Verpflichtung, die Kosten der ersten Seereise zurückzuerstatten, entbunden. .Für die getreue Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen wurde eine Baarkaution von Fr. 10,000 auf die Dauer von 18 Monaten bei einem schweizerischen Geldinstitut hinterlegt.

Die ertheilten Aufschlüsse erschienen uns als genügend und die Bedingungen als annehmbar. Herr Fernanden machte aber vorläufig nur theilweisen Gebrauch von der erhaltenen Erlaubniß, 50 bis 70 Personen in seine Kolonie befördern zu lassen, indem er° für den Anfang nur etwa 30 Personen in seinen Dienst nahm. Erst im Herbst ließ er mit den gleichen Verpflichtungen und unter Leistung einer weiteren Kautionssumme zirka 50 Personen nachfolgen, und wir hatten um so weniger Grund, diesem Vorgehen entgegenzutreten, als die noch rechtzeitig eingezogenen Erkundigungen über das Schicksal und das Befinden der im Frühjahr in jene Kolonie Gezogenen durchaus günstig lauteten.

2. Ein ähnliches Gesuch, ein Kolonisationsunternehrnen in der Schweiz vertreten zu dürfen, stellte im Spätsommer Herr Soto y Calvo aus Buenos-Aires. Die darüber theils schriftlich, theils mündlich ertheilten Aufschlüsse besagen im Wesentlichen Folgendes: Herr Soto besitzt irn Distrikt Ramai lo, im Nordosten der Provinz Buenos-Aires, ein langgestrecktes, mehrere Quadratmeilen umfassendes Stück Land, das mit der östlichen schmalen Seite au den Paranâstrom stößt und in der Mitte von der von Buenos-Aires nach Rosario führenden Bisenbahn durchschnitten- wird. Am östlichen Ende seiner Ländereien beabsichtigt er, eine große Farm zu gründen, von dem westlichen Theile dagegen 640 Hektaren in Loosen von je 20 Hektaren nach und nach an schweizerische Kolonisten zum Preise von
100 Pesos und unter annehmbaren, von diesen selbst zu bestimmenden Amortisationsbedingungen zu verkaufen oder, je nach Wunsch der Ansiedler, in Pacht oder Halbpacht zu geben. Der dazwischen liegende Theil bleibt einstweilen als Weideboden verfügbar. Der Boden ist nachweisbar sehr frucht-

470

bar; durch einen Theil jener 640 Hektaren zieht sich ein auch im Sommer nicht versiegender Bach, und überall findet sich wenige Meter tief unter der Oberfläche gutes Trinkwasser. Ueberschwemmungsgefahr ist nicht vorhanden. Den Verkehr erleichtert die Nähe der Eisenbahn und des Paranä, sowie eine quer durch die Ländereien gehende Landstraße. Kirchen, Schulen und Spitaleinrichtungen sind in nicht allzu großer Entfernung vorhanden, und sobald die natürlichen Vorbedingungen dazu vorhanden sein werden, wird schon von Gesetzes wegen eine eigene Schule errichtet. Die klimatischen und sanitarischen Verhältnisse sind die nämlichen, wie in den benachbarten blühenden Kolonien ; endemische Krankheiten, Fieber u. dgl. kommen nicht vor. Soweit den Kolonisten nicht günstigere Bedingungen angeboten werden, kommt das Gesetz der Provinz Buenos-Aires über die Errichtung von Ackerbauzentren, vom 22. November 1887, zur Anwendung. Einige Wohngebäude befinden sich bereits auf dem Terrain, andere würden für die Kolonisten oder nach Wunsch von diesen selbst erstellt, und die An» Siedler würden nöthigenfalls bis zur ersten normalen Ernte allmälig zu amortisirende Vorschüsse erhalten, ohne dadurch in ein Abhängigkeitsverhältniß zu gerathen. Für die getreue Erfüllung seiner Verpflichtungen offerirt Herr Soto eine Kaution bis auf Fr. 500 per .Kopf auf die Dauer eines Jahres.

Wir konnten uns auch über diese Aufschlüsse befriedigt erklären und ermächtigten das Departement des Auswärtigen zur Feststellung der Spezialverträge auf Grund der angebotenen Bedingungen. Da Herr Soto noch länger andauernde Vorarbeiten auszuführen hat, so fallt die Erledigung dieser Angelegenheit nicht mehr in das Berichtjahr.

3. Die in Buenos-Aires unter dem Namen ,,La Agricultora"' bestehende Gesellschaft beabsichtigt, in der argentinischen Provinz Entre-Rios eine große Kolonie anzulegen, und suchte durch einen nach Basel entsandten Vertreter die Bewilligung nach, ihr Unternehmen auch in der Schweiz vertreten zu dürfen. Die Aufschlüsse über die Bodenbeschaffenheit, die klimatischen und anderen natürlichen Verhältnisse erwiesen sieh als günstig, dagegen erschienen einige der für die Kolonisten anerbotenen Bedingungen als unannehmbar, weil sie nicht hinlängliche Gewähr für deren Selbstständigkeit und für ein gedeihliches Fortkommen derselben darboten,
und es wurde daher auf das Gesuch nicht weiter eingetreten.

e. Der schweizerische Konsul in Montevideo theilte bei Anlaß eines längeren Aufenthaltes in der Schweiz dem Departemente mit, daß ihn der Ackerbauminister der Republik Uruguay ersucht habe,

471

hierorts die Geneigtheit jener Regierung kundzugeben, schweizerischen Einwanderern besondere Garantien für die Anlage einer größeren Kolonie in Uruguay zu bieten. In der Folge aber trat das Ministerium vom Amte zurück, und wenn auch seither der Präsident der Republik unserem Konsul eklärte, daß die vom früheren Ackerbauminister ausgesprochenen Gesinnungen fortdauern, so bleibt doch abzuwarten, ob die einer Verwirklichung des Projektes noch entgegenstehenden Schwierigkeiten in absehbarer Zeit gehoben werden können.

VI. Ertheilung von Auskunft, Rath und Empfehlungen an Auswanderer.

Es gierigen ungefähr 300 Auskunftsbegehren ein, wovon etwa die Hälfte für Familien, eine Anzahl im Auftrage von mehreren Freunden, und eines für eine organisirte Genossenschaft von 8 Personen, denen sich später noch einige andere anschlössen. Mehrere dieser Begehren kamen von im Ausland lebenden Schweizern.

Der Berul'sstellung nach waren es in der Mehrzahl Landwirthschaft treibende Personen, etwa der vierte Theil bestand aus Handwerkern, die übrigen waren Kaufleute, Ingenieure, Gelehrte, Aerzte und Zahnärzte, Lehrer, Geistliche u. A. Die Auskunftsbegehren bezogen stich theils auf die gewöhnlicheren Einwanderungsländer in Nordamerika, Südamerika und Australien, theils aber auch auf Zentralamerika, Haiti, Equador, Peru, Paraguay, Uruguay, Venezuela, Algier, Tunis, Transvaal, Senegambien, Liberia, Neu-Seeland, NeuCaledonien, Japan, Manila, Singapore und einzelne osteuropäische Länder. Gegen 40 Begehren bezogen sich ohne nähere Bestimmung auf Nordamerika oder Südamerika oder beide zusammen, oder waren Anfragen über die besten Auswanderungsziele überhaupt.

Solche zu allgemein gehaltene Begehren mußten selbstversländlich unter Hinweisung auf die Notwendigkeit näherer Angaben über die Absichten, Wünsche und besonderen Verhältnisse zur Vervollständigung zurückgewiesen werden. Einzelne Auswanderer fragten nach Gegenden, wo einzelne Kulturen, wie diejenigen von Gemüsen, Wein, Tabak, Ramie, Zucker, Baumwolle, Kaifee, Cacao, oder dann die Bienenzucht, die Milchwirthschaft und Käserei mit Erfolg betrieben werden könnten; zwei erkundigten sich nach den australischen und südafrikanischen Goldfeldern.

Es fehlte auch nicht an Gesuchen um Verabfolgung von Broschüren u. dgl. über bestimmte Auswanderungsziele. Das Kommissariat verweigerte
es aber in allen Fällen, Drucksachen zum Zweck der Orientirung für Auswanderer auszugeben, mit der Motivirung, daß es sich unmöglich für den ganzen Inhalt der einschlägigen 7

O

&

472

Literatur verantwortlich machen könne, und benützte regelmäßig den Anlaß, vor dem Vertrauen in die massenhaft importirte Spekulationsliteratur eindringlich zu warnen. Aus einer Anzahl von Anfragen ergab sich deutlich die, wenn auch sehr natürliche, doch oft bestrittene Thatsache, daß bei der Lektüre solcher Schrifteu leider nur wenige Auswanderer objektiv und kritisch genug verfahren, wohl aber zu den schon vorhandenen falschen Vorstellungen wo möglich noch verhängnißvollere hinzufügen, und von einmal gefaßten schönen, aber leeren Illusionen nur schwer mehr abzubringen sind.

Viele Auswanderer, besonders unter denen, welche sich nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika wenden, haben drüben Verwandte oder Freunde, mit denen sie über ihr Auswanderungsprojekt korrespondirt haben, und in vollkommenem, leider nicht immer berechtigtem Vertrauen auf die dadurch erhaltene Belehrung es in der Regel für überflüssig erachten, sich weiter Raths zu erholen. Andere betrachten die Auswanderung überhaupt nicht als eine so ernste Sache, als daß es dazu besonderer Berathung uud umfassender Vorbereitung bedürfte. Das häufige Vorhandensein solcher Anschauungen tritt besonders deutlich zu Tage, wenn man während der Begleitung von Auswandererzügen und, soweit hiefür noch Zeit bleibt, vor der Einschiffung Umfrage hält nach den Bestimmungsorten, oder nach der Art des Erwerbes, den die einzelnen Auswanderer jenseits des Meeres zu suchen gedenken. Aus den Antworten zeigt sich dann oft, daß immer noch viele Leute gänzlich rath- und planlos und dem blinden Schicksal vertrauend den Schritt in's Unbekannte thun, aber auch sehr häufig, daß den Betreffenden von der Existenz einer kommissarischen Abtheilung des Auswanderungsbüreau's nichts bekannt war, und daß dieselben von keiner Seite darauf aufmerksam gemaoht worden waren. Es liegt hierin ein deutlicher Fingerzeig für die Gemeindebehörden und für Alle, denen das Wohl ihrer scheidenden Mitmenschen am Herzen liegt, in jedem einzelnen in ihrer Gemeinde vorkommenden Falle von Auswanderung vorzusorgen, daß die guten Absichten des Gesetzes soweit immer möglich ihre Verwirklichung finden können.

Es ist nothwendig, daß sich in den breiten Volksschichten, aus denen sich die Auswanderung größtentheils rekrutirt,' allmälig eine Tradition bilde, vermöge welcher diejenigen, welche
fortziehen wollen, wenigstens in ihrer Mehrzahl von selber auf den Gedanken kommen, ihr folgenschweres Projekt nicht auszuführen, bevor sie sich gehörig über das, was sie damit unternehmen, unterrichtet haben.

Nur ein kleiner Bruchtheil der Auskunftsbegehren konnte auf mündlichem Wege erledigt werden ; die meisten giengen schriftlich

473

ein, und wurden auch in einläßlicher Weise schriftlich beantwortet.

In vielen Fällen hatten solche Antworten noch weitere Korrespondenzen mit den Gesuchstellern, oft auch mit Konsulaten und Privaten im Auslande zur Folge, besonders wenn es sich darum handelte, Auswanderern mit ganz spezieller Berufsriehtung in ihrer neuen Heimat eine möglichst gedeihliche Stellung zu sichern. Die ertheilte Auskunft erstreckte sich in der Regel auf alle für die Gesuchsteller speziell in Betracht fallenden Verhältnisse, einzelne gesetzliche Bestimmungen der von ihnen bezeichneten Einwanderungsländer, auf Belehrungen über den Schutz gegen klimatische Einflüsse, über die Nothwendigkeit, sich in die neue Lebenslage einzuarbeiten, über die Zielpuukte, welche für die Betreffenden am Bestimmungsort anzustreben sind, die Reise und die mehrfachen dabei zu 'beobachtenden Vorsichtsmaßregeln, die daherigen approximativen Kosten, die dem Reiseziel möglichst anzupassende Ausrüstung mit Geldmitteln, Kleidern, Werkzeugen u. dgl., und auf die Mahnung, das Auswanderungsprojekt an der Hand der gegebenen Mittheilungen nochmals wohl zu überlegen und dabei namentlich auch die persönlichen Gesundheitsverhältnisse in Betracht zu ziehen.

· Die .Empfehlungen, wo sie verlangt wurden, oder wo sie dem Kommissariat besonders erforderlich schienen, wurden in der Regel nur auf Vorweisung eines amtlichen Leumundszeugnisses hin ausgestellt, theils an schweizerische Konsulate, theils an Private, und in Italien, in denen eine besondere Rücksichtnahme auf die Verhältnisse der Auswanderer während der Seereise wünschenswert!!

war, auch an Schiffsgesellschaften, von denen zwei eine solche Berücksichtigung speziell Empfohlener mündlich zugesichert hatten.

VII. Verschiedenes.

1. Mehrmals erhielt die kommissarische Sektion theils durch Privatmittheilungen, theils durch die Presse davon Kenntniß, daß Anwerbungen von Arbeitern und Kolonisten nach überseeischen Gegenden, welche wenigstens zur Zeit noch nicht als Auswanderungsziel empfohlen werden können, sich bemerkbar machen. Zur Verhütung von Unglück wurde dann in öffentlichen Vorträgen, oder durch Mittheilungen an die einheimische Presse das Publikum davor gewarnt, auf derartige Verlockungen einzugehen.

2. In der Voraussetzung, daß die kommissarische Abtheilung des Auswanderungs-Büreau^s am ehesten in der Lage sei, über den unbekannt gewordenen Aufenthalt und das Befinden von früher

474

Ausgewanderten Nachforschungen anstellen zu lassen und daherige Berichte erhältlich zu machen, wandten sich eine Anzahl von Gemeindebehörden und Privatpersonen mit dahin zielenden Gesuchen an dieselbe. Es wurde jedesmal bereitwilligst entsprochen.

3. Von einem Journalisten in Genf wurde dem Departement unter Beifügung eines Prospektus mitgetheilt, daß er ein Journal mit dem Titel ,,rEmigranta henius/ugeben beabsichtige, sobald ihm einige der dabei interessirten Regierungen ihre Unterslütung zugesichert haben würden. Das Journal habe den Zweck, unsere Landsleute zu verhindern, ziellos und ohne genaue Kennlniß des künftigen Wohnlandes und der Lebensverhältnisse desselben auszuwandern und das Opfer trügerischer Versprechungen zu werden; die von ihm zu veröffentlichenden Dokumente würden von den Regierungen geliefert. Es werde alle den Auswanderern sieh bietenden Hülfsquellen und alle Vortheile, welche die Regierungen ihnen gewähren, aufzählen, und ebenso die Grundeigentümer, die Industriellen und Handelsleute, die Verkehrsgelegenheiten, Nachfragen und Angebote jener fernen Gegenden etc.

Es wurde hierauf erwidert, daß sich das Departement nicht in der Lage befinde, sich irgendwie über das Projekt auszusprechen, sondern sich damit begnügen müsse, auf die Bestimmungen in Art. 8 und 24 des Bundesgesetzes betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen, vom 22. März 1888, und auf die Ausführungsbestimmungen zu demselben zu verweisen, welche diejenigen Fälle bezeichnen, in denen die Behörden genöthigt sind, gegen die Presse in Auswanderungsangelegenheiten einzuschreiten ; sowie auf die Thatsache, daß ein von dem erwähnten Bundesgesutz gefordertes offizielles Bureau bereits in Funktion getreten sei, das u. A. auch die Aufgabe habe, Auswanderern auf gestelltes Begehren Auskunft, Rath und Empfehlungen zu ertheilen.

e. Unter den zahlreichen internationalen Kongressen, welche während der Weltausstellung in Paris abgehalten wurden, befand sich ein solcher zur Besprechung des Auswandei-ungswesens, speziell der Frage über die Stellung des Staates zu demselben in den Ausund Einwanderungsländern. Wir glaubten der zu diesem Kongreß erhaltenen Einladung keine Folge geben zu sollen, da die Stellung der Schweiz zu der vorwürfigen Frage durch ein neues Gesetz geordnet ist.

475

IV, Abtheilung.

Amt für geistiges Eigenthum.

Personal.

Der Andrang der Patentgesuche, deren Zahl auf das Doppelte der vorgesehenen Ziffer stieg, steigerte in entsprechendem Umfang die in den verschiedenen Dienstzweigen des Erfindungsschutzes zu bewältigenden Arbeiten : Kasse, Registratur, Prüfung der Akten, Korrespondenzen; Entgegennahme, Verpackung, Magazinirung und Spedition der Patentschriften etc.

Zudem hat die Ausführung des am 1. Juni 1889 in Kraft getretenen Bundesgesetzes betreffend die gewerblichen Muster und Modelle zur Vermehrung der geschäftlichen Obliegenheiten beigetragen.

Wenn das Amt ungeachtet der aus diesen verschiedenen Ursachen entstandenen Ausdehnung der ihm zufallenden Geschäfte seinen Dienst mit Zuziehung von nur drei neuen Hülfsangestellteo regelmäßig abwickeln konnte, so ist dieß der Thatsache zu verdanken, daß man stetsfort bemüht war, in den verschiedenen Abr theilungen der Verwaltung eine einfache und praktische Arbeitseihtheilung durchzuführen.

1. Erfindungsschutz.

Nachdem das Bundesgesetz betreffend die Erfindungspatente nunmehr seit 13 Va Monaten in Anwendung steht, kann aus dem Eifer, mit welchem Industrie und Gewerbe sich unter den Schutz des Gesetzes stellten, ersehen werden, daß dasselbe einem tiefempfundenen Bedürfnisse entspricht.

Die Vollziehung des Gesetzes ist auf keine eigentlichen Schwierigkeiten gestoßen. Was die die Materie beschlagenden administrativen Verfügungen anbelangt, so hat die Erfahrung zu zwei Abänderungen derselben geführt.

Die Erste besteht in dem Bundesrathsbeschluß vom 6. März 1889, welcher dem Art. 2 des Bundesrathsbesehlusses vom 26. Oktober 1888, betreffend die Leistung des Beweises, daß das Modell einer patentirbaren Erfindung existire, einen Zusatz beifügt. Die

476

« Schwierigkeit, in gewissen Fällen die Substanzen oder die Kombination der Substanzen z.u erkennen, aus welchen sieh der Erfindungsgegenstand zusammensetzt, hat der Notwendigkeit gerufen, für die Modelle der Erfindungen dieser Kategorie die bleibende Hinterlegung obligatorisch zu erklären.

Die zweite Aenderung besteht in der unterm 24. Juni 1889 vorgenommenen Revision der Vollziehungsverordnung vom 12. Oktober 1888.

Die bezüglichen Abänderungen bezwecken hauptsächlich, denjenigen Patentgesuchen, die von allen erforderlichen Aktenstücken, Taxen etc. begleitet sind, die Priorität vom Datum der Hinterlegung an zu sichern. Gemäß den zuerst aufgestellten reglementarischen Verfügungen trat die Priorität erst mit dem Zeitpunkt ein, wo alle Belegstücke bis in's kleinste Detail richtig gestellt waren; da beinahe die Hälfte der Gesuche Unregelmäßigkeiten verschiedener Art aufwiesen, waren infolge jener Bestimmungen die Interessen der Erfinder oft ernstlich gefährdet.

Diese T.hatsache veranlaßte die Verwaltung, ihr Augenmerk ·auf zuläßige Abänderungen der Vollziehungsverordnung zu richten ; auch befaßte sich das Syndikat schweizerischer Patentanwälte mit der Angelegenheit und reichte dem schweizerischen Departemente des Auswärtigen ein bezügliches Memorandum eia. Durch eine Revision wurde den verschiedenen, als berechtigt anerkannten Wünschen Rechnung getragen; immerhin ist zu bemerken, daß die Revision eine Vermehrung der Verwaltungsarbeiten mit sich brachte, denn auf dieselbe hin stieg die Anzahl der nicht in Ordnung befindlichen Gesuche von der Hälfte auf nahezu drei Viertheile sämmtlicher Hinterlegungen.

Das Amt für geistiges Eigenthum machte anderseits die Erfahrung, daß die den Gesuchen beigegebenen Zeichnungen in Umfang und Maßstab ihrer Ausführung oft weit über das zum Verständniß der Erfindung nothwendige Maß hinausgingen. Da diese Zeichnungen in den unter der Benennung ,,Patentschriften"1 veröffentlichten Beschreibungen reproduzirt werden müssen, so erwuchs aus dem angeführten Umstand oft eine ungerechtfertigte Vermehrung der Publikationskosten. Die Revision der Vollziehungsverordiiiing gestattet nun dem Amte, die Patentbevverber zur Reduktion der Zeichnungen anzuhalten, ohne deren Interessen zu gefährd en.

Dadurch wurden, seit die Revision in Kraft getreten ist, die Vervielfältigungskosten
erheblich gemindert. Auch sonst hat sich das Amt stetsfort bemüht, durch Einschränkung der Ausgaben baldmöglichst das Gleichgewicht zwischen diesen und den Einnahmen herzustellen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird dieses Resultat mit ·dem Jahr 1890 erreicht werden. Von da an darf infolge des Ein-

477

ganges der progressiven Jahresgebühren für die in Kraft bleibenden Patente auf Einnahmenüberschüsse gerechnet werden.

Im Uebrigen haben sich weder hei Handhabung des Gesetzes, noch bei Anwendung der Voliziehungsverordnung betreffend die Erfind ungspntente ernstliche Anstände gezeigt.

Viele Eifmder haben sich ohne Zweifel noch nicht ganz mit den Gesetzesvorschriften vertraut gemacht, namentlich nicht mit denjenigen, welche einheitlichen Charakter der Erfindung und Darstellbarkeit derselben durch ein Modell ausbedingen.

Aus der Thatsache, daß trotz der zahlreichen Abänderungen der Beschreibungen, die das Amt zu verlangen für nöthig fand, und trotz der Zurückweisung von 32 Patentgesuchen bis Ende 1889 ein einziger Rekursfall bei dein schweizerischen Departement des Auswärtigen anhängig gemacht worden ist, folgt, daß sich die Erfinder den aus den Gesetzesvorschriften gezogenen Konsequenzen in der großen Mehrzahl willig unterziehen. Es ist übrigens vorauszusehen, daß die Geschäftspraxis mehr und mehr Verständniß finden und infolge dessen das Gesetz sich binnen verhältnißmäßig kurzer Zeit vollkommen einleben wird.

Es wurden irn Ganzen 57 konfidentielle Anzeigen im Sinne von Art. 17 des Gesetzes erlassen. Es steht jedoch außer Zweifel, daß diese Anzahl nicht die Summe der Fälle darstellt, in welchen der Erlaß einer solchen angezeigt gewesen wäre; allein die Arbeitsüberhäufung des technischen Personals verhinderte die sachbezüglichen, nothwendigen Nachforschungen im wünschbaren Umfange.

Nachstehend folgen einige statistische Angaben, welche auf die Geschäftsführung in Sachen Hes Erfindungsschutzes während der Periode vom 15. November 1888 bis 31. Dezember 1889 Bezug haben.

Die Anzahl der Gesuche nm provisorische, definitive und ZusaU-Patente und um Zeugnisse zeitweiligen Schutzes bei Ausstellungen belief sich auf 1951.

Hievon sind bis 31. Dezember 1889 32 Gesuche zurückgewiesen und 47 zurückgezogen worden; 1652 Gesuche wurden angenommen; 220 konnten nicht vollständig erledigt worden.

Im Ganzen sind 1650 Palente eingetragen worden, nämlich: 605 provisorische, 1001 definitive Patente und 44 Zusatzpatente; überdieß wurden 2 Zeugnisse zeitweiligen Schutzes bei Ausstellungen ertheilt.

Für 249 Patente sind die zweiten Jahresgebühren -einbezahlt worden.

Baudesblatt.

42. Jahrg. Bd. II.

32

478

Es sind im Ganzen 4 Löschungen vorgenommen worden (alle zufolge Verzichtleistung); die Anzahl der Abtretungen eingetragener Patente beläuft sich auf 20, diejenige der Lizenzerteilungen auf 7, diejenige der Verpfändungen auf 4.

Bei 123 Patentgesuchen wurde der Genuß der Vergünstigung des Artikels 32 des Gesetzes angerufen, welcher solchen Erfindungen, die schon in einem fremden, mit der Schweiz im Reziprozitätsvertrage stehenden Staate patentirt wurden, zur gültigen Patentirung in der Schweiz einen Termin von 7 Monaten einräumt.

In 9 Fällen wurde, nach Art. 8 des Gesetzes, Stundung der drei ersten Jahresgebühren bis zum Beginn des vierten Jahres anbegehrt und bewilligt.

Durch Unregelmäßigkeiten ia Betreff der Eingaben wurden nahezu 1200 sachbezügliche Mittheilungen an die Patentbewerber bedingt.

Durch die vom Amt hiefür gewonnenen Experten sind 73 Modellvergleichungen auswärts vorgenommen worden.

Das Amt war in 63 Fällen in der Lage, den Beweis der Existenz eines Modelles verneinen und zurückweisen zu müssen.

Die Einreichung von Photographien, welche die beanspruchten Theile nur unvollkommen oder auch gar nicht erkennen ließen, bildet die beinahe ausschließliche Ursache dieser Zurückweisungen.

Vertheilung nach Ländern der vom '15. November Ì888 bis 31. Dezember Ì889 ertheilten Erfindungspatente.

(Total 1650, wovon 1606 Hauptpatente und 44 Zusatzpatente.)

Schweiz Ausland wovon : Deutschland . . . .

Frankreich . . . .

Oesterreich-Ungarn .

England Vereinigte Staaten v o n Nordamerika . . .

Belgien Italien

714 = 43 °/o 936 = 57 °/o 444 202 86 77 48 22 18

Dänemark Spanien . . . . . .

Schweden und Norwegen Rußland Luxemburg . . . .

Niederlande . . . .

Portugal Japan

15 7 7 6 l l l l

479

Die Sammlung dei- Jahrespublikationen des eidg. Amtes für geistiges Eigenthum umfaßt außer den vorstehenden statistischen Angaben und einem Auszug über Einnahmen und Ausgaben des Amtes, wie dieselben in der Staatsrechnung aufgeführt sind, folgende Verzeichnisse: 1. Ein Nummernverzeichniß der ertheilteo Pateute mit den beigesetzten Nummern der betreffenden Erfindungsklassen ; 2. einen Katalog der ertheilten Patente, nach Klassen geordnet; 3. eia alphabetisches Namensverzeiehniß der Patentinhaber.

Dank diesen Zusammenstellungen wird man sich durch Nachschlagen prompten und sichern Aufschluß über die in der Schweiz patentirten Erfindungen verschaffen können.

2. Gewerbliche Muster und Modelle.

Das Bundesgesetz betreffend die gewerblichen Muster uod Modelle, dessen Annahme von den Käthen am 21. Dezember 1888 beschlossen wurde, trat nach gänzlich unbenutzt gebliebener Einspruchsfrist am 1. Juni 1889 in Kraft.

Wir haben am 24. Mai 1889 eine Vollziehungsverordnung zu diesem Gesetz erlassen.

Wenn hinsichtlich der Erfindungspalente die Voranschläge um Vieles überholt wurden, so war dies bezüglich der Muster und Modelle nicht der Fall. Die verhältnißrnäßig geringe Anzahl von 1353 Mustern oder Modellen hat ihren Grund unzweifelhaft in zwei Hauptursachen. Erstens in der noch mangelhaften Entwicklung der einheimischen Kunstgewerbe, welche gerade durch den Muster und Modellsrhutz, sowie durch die dem gewerblichen Unterrichtswesen gewidmete Aufmunterung jeder Art gefördert werden soll ; zweitens aber in dem Umstand, daß der ostschweizerische Stickereiverband in seinem Schooße einen Musterschute organisirt hat.

Wir können thatsächlich die Zurückhaltung unserer Industriellen keinen anderen Ursachen zuschreiben, sind ja doch die zu erfüllenden Formalitäten äußerst einfach und die zu leistenden Taxen verhältnißmäßig unbedeutend. Diejenige für die erste Periode von zwei Jahren beträgt nur Fr. 10 für eine Hinterlegung, welche 50 Muster oder Modelle umfassen kann, so daß in diesem Fall der einjährige Schutz für ein Muster oder ein Modell nur 10 Rp.

kostet.

480

Es sind vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 1889 910 Muster und 443 Modelle, zusammen 78 Hinterlegungen bildend, eingetragen worden.

Ueberdies sind im Laufe des Jahres auf Grund der französischschweizerischen Konvention vom 23. Februar 1883 21 französische Muster und Modelle hinterlegt worden.

Um zu vermeiden, daß der Schutz für Objekte an begehrt werde, die ihrer Natur nach in die Kategorie der Erfindungen gehören, ist in zweifelhaften Fällen von den Hinterlegern die Unterzeichnung einer Erklärung verlangt worden, laut welcher der beanspruchte Schutz sich nur auf die spezielle Form, beziehungsweise auf das spezielle Aussehen der betreffenden Gegenstande beziehen darf.

Gewisse Erzeugnisse, die früher als Kunstwerke registrili wurden, werden gemäß dem Wortlaut des Gesetzes betreffend gewerbliche Muster und Modelle seit Inkrafttreten des letztern als Muster oder Modelle betrachtet und behandelt.

Indessen berührt das Gebiet der gewerblichen Muster und Modelle in seinen Grenzen nicht nur die Gebiete der Erfindungen einerseits und der Kunstwerke anderseits, sondern es gibt auch Fälle, wo die Entscheidung schwierig ist, ob der vorgewiesene Gegenstand in die Kategorie der Muster und Modelle, oder aber in diejenige der Fabrik- und Handelsmarken falle. Dies ist z. B.

der Fall, wenn es sich um Hinterlegung von Etiketten handelt, welche mehr oder weniger künstlerisch ausgeschmückt sind.

3. Handels- und Fabrikmarken.

Im Laufe des Berichtjahres wurden 380 schweizerische und 93 ausländische Marken eingetragen. Aus der beigegebenen Tabelle ist die Vertheilung nach Gewerben und Ländern ersichtlich.

Die Gesammtzahl der bis Ende 1889 eingetragenen Marken beläuft sich auf 4511, wovon 2910 schweizerischen und 1601 ausländischen Ursprungs.

Mit der zunehmenden Anzahl der Hinterlegungen vergrößert sich auch die Aufgabe des Amtes, die Anmelder neuer Marken auf die allfällige Aehnlichkeit der letztern mit schon eingetragenen aufmerksam zu machen.

Während im Jahr 1888 44 diesbezügliche konfldentielle Mittheilungen erlassen wurden, waren dieselben im Jahre 1889 in

Zu Seite 480.

Statistik der bis Ende 1889 vollzogenen Eintragungen von Fa brik und Handelsmarken.

Frankreich.

Schweiz.

Industriezweig.

Ende 1888.

1

7 \ . Bodenprodukte .

.

.

.

.

.

.

.

.

44 2 . Milch, Milchprodukte, Kunstbutter .

.

.

.

.

3 . Teigwaarea, Konfiserie, Konserven .

.

.

.

.

67 4. Chocolade, Cacao, Kaffee, Kaffeesurrogate, Thee, Kolonialwaaren .

.

.

.

.

.

.

.

.

146 104 5. Wein, Bier, anderweitige Spirituosen; Brennereiprodukte 6. Pharmazeutische Produkte, med. Präparate, Verbandstoffe 115 7 . Chemische Produkte, Anilinfarben .

.

.

.

.

77 8. Mineralfarben, Firniß, Lack, Wichse .

.

29 74 9. Waschlauge, Seifen, Kerzen, Parfümerien, Oele, Fettwaaren .

1 0 . Explosivstoffe, Munition, Zündwaaren .

.

.

.

.

17 1 1 . Tabak, Cigarren, Artikel f ü r Raucher .

.

.

.

. 334 1 2 . Spinnerei, Zwirnerei, Seilerei .

.

.

.

.

. 100 1 3 . Weberei, Zeugdruck .

.

.

.

.

.

.

. 101 1 4 . Stickerei, Posamenterie, Litzen, Mercerie .

.

.

.

28 15. Tricoterie, Bonneterie, Crepe-Unterkleider, Lingerie, Konfektion, Schirme .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

29 12 16. Stroh-, Roßhaar-, Bürsten waaren; Hüte, Kämme .

22 17. Leder-, Schuh-, Kautschukwaaren; Reiseartikel 18. Papierwaaren, Büreaumaterial, Buchdruckerei, andere Verviel46 fältigungsverfahren .

.

26 19. Baumaterialien, Keramik, Glaswaaren, Asphalt 14 20. Roh- und Halbrohmetalle 21. Metallwaaren, Werkzeuge, Waffen, Messerschmiedwaaren 68 22. Maschinen, Maschinentheile, elektrische Apparate, wissenschaft27 liche Instrumente .

.

.

.

.

.

.

.

.

2 3 . Uhren, Uhrenbestandtheile ; Gravirarbeiten .

.

.

. 974 24 24. Musikdosen, Musikinstrumente .

.

.

.

.

.

2 5 . Edelstein- u n d Edelmetallverarbeitung .

.

.

.

. 17 28 26. Verschiedenes .

.

.

.

.

.

Total

Deutschland.

GrossSchweden.

britaimien.

Italien.

Niederlande.

Belgien.

Ver. Staaten von NordAmerika.

OesterreieliUngarn.

Spanien.

Brasilien.

Ende 1889. Ende 1889. Ende 1889. Ende 1889. Ende 1889. Ende 1889. Ende 1889. Ende 1889. Ende 1889. Ende 1889. Ende 1889.

1889. 1888.

1888.

1888.

1888.

1888.

1888.

1888.

1)88.

1888.

1888.

1888.

2

1

8 10

30

3

22 20 21 220 10 151 16 2 8 20 5 5 15 12 63 2 1 7 57 30 3 88 21 17 3 2 36 2

53 15 30 26 4 24 3 45 6 5 13

8 3 2

15 6 8

1

5 2 3 4

15 27 4 22

1 1

5 161

12 10 18 4 31

6

1

1

19 6 3 1

4 3

2

1

1 10 45 6 5 7

2

2 3

1 3

7 5

2

1

7 3

2

1

2530 380 859 49 290 23

- l _ 7

--

n

--

i

1

--

1

3

--

1

-- --

2 -- 10 1

--

--

1

--

1

--

-- --

2

--

·--

--

1

2

3 --

--

11

6

2 287

1

3

--

--

3

--

--

--

--

--

--

--

--

--

i

1 1

14

.--

2

7 -- 1 33 ]·»

1

6 t

1

--

2 5 3 9 20

3 --

4

2 3 1 2 1 -- 1 -i

1

3 2 2

2 l_

--

9 85 7 7

1 1

1

--

--

-

-- 1 9

-- 1

--

2

1

1 1 2

--

-- --

1

--

--

3

16

--

10

-- 1

21

-- --

--

--

2

3

-- 1 l

1889.

9 44 126

2 9 13

224 358 357 132 44 169 31 - 427 282 131 71

28 23 29 11 20 17 4 62 4 24 . 4

58 20 34

i · ; 1 ;

12 1 -5 !

' 2 l 7 3 4 6

--

7 168

--

62 1004 42 28 66

--"

4038

473

1

--

Ende 1888.

74 59 61 125

1

--

Total.

~9i 1 1 1

481 66 Fällen nölhig ; ferner wurden auf Ansuchen hin in 70 Fällen vorgelegte Markenprojekte begutachtet. Da gemäß Art. 12 des betreffenden Gesetzes die Eintragung auf Gefahr des Anmeldenden vorgenommen wird und ferner nicht das Amt, sondern die Gerichte endgültig über die eine unbefugte Nachahmung implizirende Aehnlichkeit von Marken zu entscheiden haben, so wurde jeweilen ausdrücklich betont, daß das Amt sich aller Verantwortlichkeit für die Folgen, die aus diesen Mitteilungen abgeleitet werden könnten, entschlage.

In Ausübung von Art. 13 des Gesetzes wurden einzelne Marken zurückgewiesen, welche sieh entweder 'aus öffentlichen Wappen oder ausschließlich aus Worten zusammensetzten. In Fällen, wo die angemeldeten Marken zwar, als Ganzes betrachtet, nicht unter die Bestimmungen des Art. 4 des Gesetzes zu fallen schienen, wo aber diese Bestimmungen auf die wesentlichen Bestandteile derselben anwendbar erscheinen konnten, oder in andern Fällen, wo die Marke sich als eine die Waare von verschiedenen Seiten umschließende Etiquette, beziehungsweise Hülle, oder endlich als Nachbildung der Waare selbst darstellte, wurden, unter Betonung der Unverbindlichkeit für das Amt, behufs thunlichster Wahrung der Intentionen des Gesetzes an die Anmeldenden jeweilen sachbezügliche konfidentielle Schreiben gerichtet.

Gleicherweise wurde vorgegangen, wenn für die Uhren oder Bijouteriebranche angemeldete Marken Aehnliohkeit mit, den amtlichen Stempelzeiuhen für Gold- und Silberkontrole aufzuweisen schienen. Es wurde dabei der Hinterleger auf Art. 8 des betreffenden Gesetzes aufmerksam gemacht, welches dem Bundesrath die Befiigniß zuerkennt, den Gebrauch von Warenzeichen, welche geeignet sind, mit den amtlichen Steinpelzeichen verwechselt zu werden, zu untersagen.

Das Amt kam wieder mehrfach in den Fall, Ansuchen um Rechtsgutachten über die A n w e n d u n g des Gesetzes als mit seiner Kompetenz unverträglich, sowie Reklamationen wegen erfolgter Eintragung von Nachahmungen eingetragener Marken unter Hinweis auf die Verantwortlichkeit des Hinterlegers zurückzuweisen.

Es präzisirte ferner zu wiederholten Malen seinen Standpunkt dahin, daß es als gesetzlich geschützte Marke nur den Abdruck des vom Hinterleger eingereichten Cliché betrachte, wie er bei der amtlichen Veröffentlichung zur Eintragung gelange, nicht aber die eventuell mehr oder weniger davon abweichende Abbildung, wie sie vom Hinterleger auf den Amneldungsformularen angebracht wird.

482 Ein Postulat des Ständerathes, dati v t vom 5. Dezember 1888, beauftragte uns mit der Prüfung der Frage, ob die Revision des Gesetzes betreffend den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken oder eventuell der Erlaß eines Spezialgesetzes angezeigt sei. Bericht und Anträge hierüber worden von uns verlangt.

Unsere Studien hinsichtlich der Marken und der Unterdrückung falscher Ursprungsangabeu dauerten das Jahr hindurch und waren mit Schluß desselben noch nicht beendet.

4. Schutz des literarischen und künstlerischen Eigenthums.

Es wurden 9 obligatorische und 72 fakultative Einschreibungen vorgenommen.

Die Einschreibung eines brasilianischen Werkes wurde verweigert, weil der Gesuclisteller nicht im Falle WH r, nachzuweisen, daß Brasilien zu Gunsten schweizerischer Autoren Gegenrecht biete.

Das mit 1. Juni erfolgte Inkrafttreten des Gesetzes betreffend die gewerblichen Muster und Modelle veranlaßte eine Prüfung der unterscheidenden Merkmale zwischen solchen und Kunstwerken ; dieselben wurden darin gefunden, daß als K u n s t w e r k e Schaustücke zu betrachten seien, bei welchen ein Gebrauchszweck, wenn auch nicht, ausgeschlossen, doch von untergeordneter Bedeutung erscheine, wogegen unter den Begriff der g e w e r b l i c h e n M u s t e r und M o d e l l e alle dekorativ ausgestatteten Gebrauchsgegenstände fallen.

Von diesem Standpunkt ausgehend wurden die bisher auf Gtfahr des Anmeldenden vollzogenen Einschreibungen von StickereiUmrahmungen, Wandkalendern etc. sistirt und der Behandlung als gewerbliche Muster und Modelle zugewiesen.

Wieder mußten Anfragen über die Berechtigung von Entschädigungsansprüchen ausländischer Urheber musikalischer Werke dahin beantwortet werden, daß durch die internationale Union vom 9. September 1886 die früheren, von der Schweiz mit Deutschland, Frankreich, Belgien und Italien abgeschlossenen Spezialverträgo nicht aufgehoben worden seien, sondern bis nach deren Kündigung zu Recht bestehen, daß aber die Würdigung dieser Ansprüche deu Gerichten zustehe.

Wir haben das internationale Bureau für den Schutz des literarischen und künstlerischen Eigenthums ersucht, die Präge zu prüfen, ob es nicht angezeigt erscheine, die obenerwähnten Speziai-

483

vertrage zu kündigen. In einer ausführlichen Begutachtung, welche speziell den unterm 25. April 1867 zwischen der Schweiz und Belgien abgeschlossenen Vertrag im Auge hatte, sprach sich genanntes Bureau dahin aus, es sei wünschbar, alle diejenigen Verträge, welche gegenüber der internationalen Uebereinkunft vom 9. September 1886 dem Urheber keine weitergehenden Vortheile einräumen, zu kündigen. In diese Kategorie entfällt insbesondere der erwähnte schweizerisch-belgische Vertrag.

Dieser Anschauung beipflichtend, haben wir den schweizerischen Generalkonsul in Brüssel beauftragt, der Regierung, bei welcher er akkreditirt ist, die Kündigung dieses Vertrages zu überreichen.

Nachdem dies geschehen, wird der im Jahre 1867 mit Belgien abgeschlossene Staatsvertrag betreffend Literatur und Kunst vom 7. Mai 1890 an außer Wirksamkeit treten.

Mit Note vom 30. Mai hat uns die französische Gesandtschaft den Beitritt des Fürstenthums Monaco zur internationalen Uebereinkunft vom 9. September 1886 mitgetheilt; hiervon wurde den Verbandstaaten Mittheilung gemacht.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 23. April

1890.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

L. Rnchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1889.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1890

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

19

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

03.05.1890

Date Data Seite

381-483

Page Pagina Ref. No

10 014 769

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.