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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Eisenbahn von Thun nach Konolfingen.

(Vom 8. Oktober 1890.)

Tit.

Mit Eingabe vom 2. September 1890 ist von den Herren Oberst D e s g o u t t e s in Bern und J. R i t s e h a r d , Fürsprech in Thun, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft ein Konzessionsgesuch für den Bau und Betrieb einer normalspurigen Bisenbahn von T h u n nach K o n o l f i n g e n eingebracht worden, für welche schon durch Bundesbeschluß vom 17. September 1873 (E. A. S. I, 137) eine Konzession ertheilt war, die aber später, nach mehrmaligen Verlängerungen, erlosch.

Der allgemeine Bericht führt zur Begründung des Gesuches an, daß nur das Eintreten der wirtschaftlichen Krise s. Z. die Erstellung der Linie, gleichwie die Ausführung so mancher der berechtigtsten und lebensfähigsten Unternehmungen, verhindert habe.

Die Verhältnisse seien nun derart bessere geworden, daß die Arbeiten für den Bau der Bahn, mit der bestimmten Hoffnung auf Erfolg, wieder aufgenommen werden konnten. Unter den vielen derzeitigen Eisenbahnprojekten gebe es wohl wenige, die volkswirthsehaftlich berechtigter, ja gebotener wären, als das vorliegende.

Durch Einfügung dieses Stückes werde die kürzeste Linie zwischen Luzern, dem Gotthard, der Ostschweiz und der Centralschweiz einerseits und dem Berner Oberland anderseits hergestellt. Durch Erstellung der Linie Thun-Interlaken erhalte das Oberland eine rationelle, direkte Verbindung mit Bern, durch die Linie Thun-

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Konolfingen eine solche mit Luzern. In Würdigung dieser Verhältnisse habe denn auch der Kanton Bern im Jahr 1875 für den Bau dieser letztern Linie eine Staatssubvention von Fr. 750,000 oder circa den 5. Theil der veranschlagten Bausumme, allerdings mit der Bestimmung beschlossen, daß innert 6 Jahren der Fainazausweis zu leisten sei, ansonst die Subvention hinfällig werde.

Der Werth der Linie Thun-Konolfingen für den Personen- und Waarenverkehr sei ein augenscheinlicher. Es werde in Zukunft möglich, von Luzern in 2 Stunden nach Thun und in 3 Stunden nach Interlaken zu gelangen. Die Abkürzung gegenüber der dermaligen Linie über Gümligen betrage 20 Kilometer: während über den Brünig, die Bödelibahn und per Schiff sogar 5 Stunden 35 Minuten erforderlich seien.

Von großer Bedeutung für das vorliegende Projekt sei namentlich der Waarentransport. Der Waarenverkehr von und nach der Ostschweiz, von und nach dem Gotthard werde für das g a n z e Oberland a u s s c h l i e ß l i c h dieser Linie zufallen. Sie werde das Theilstück einer Linie, welche auf kürzestem und billigstem Wege zwei große Fremdenzentren und Verkehrszonen verbinde und es falle ihr daher deren ganzer Güterverkehr konkurrenzlos zu.

Eine nicht geringere Bedeutung komme der Linie als Lokalbahn zu; sie durchziehe eine dicht bevölkerte, wohlhabende und zum Theil verkehrsreiche Gegend, stelle die Verbindung zwischen dem Oberland, bezw. Thun und dem Emmenthal wieder her und gebe den früher aus beiden Land estheilen besuchten Märkten von Thun und Langnau ihre alte Bedeutung wieder. Nach Erstellung der Linie Spiez-Erlenbaeh werde auch der Verkehr des Emmenthales mit dem Simmenthal wesentlich erleichtert. Durch den Bau der bereits konzedirten Linie Vivis-Thun endlich werde zwischen dem Genfer- und dem Vierwaldstättersee eine direkte Verbindung, von welcher die Bahn Thun-Konolfingen ein Theilstück sei, hergestellt; letztere könne also durch weitere Entwicklung des Eisenbahnnetzes, beispielsweise auch durch eine Fortsetzung Konolfingen-Burgdorf, nur gewinnen.

Noch sei zu erwähnen, daß durch den Bau der Linie ThunKonolfingen der Waffenplatz Thun und der Gotthard eine direkte Verbindung erhalten. Daraus fließen der Unternehmung durch Beförderung von Truppen und namentlich Kriegsmaterial, Munition etc.

aus den Werkstätten in Thun nach den Befestigungen
am Gotthard bedeutende finanzielle Vortheile zu.

Während der Rentabilitätsberechnung des Projektes von 1873 eine kilometrische Einnahme von Fr. 18,000 bei Fr. 7200 BeO

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505 triebsausgaben zu Grunde gelegt wurde, wird jetzt eine Einnahme von Fr. 20,000 per Kilometer und Fr. 7500 Betriebsausgaben angenommen und dabei bemerkt, daß sich der Verkehr in den 17 Jahren, seitdem das erste Projekt aufgetaucht sei, infolge der Entwicklung der Verkehrswege bedeutend vermehrt habe, so daß sich der Ansatz, von Fr. 20,000 gegenüber Fr. 18,000 im Jahr 1S73, welcher damals als sehr bescheiden bezeichnet worden sei, wohl rechtfertigen lasse. Da die Bahn rund 15 Kilometer laug wird, ergäbe sich eine jährliche Totaleinnahme von 15 X Fr. 20.000 = Fr. 300,000, der Fr. 112,500 Betriebsausgaben, Fr. 72,250 Verzinsung dus Obligationenkapitals (Fr. 1,700,000 à 41/4 °/o), Fr. 15.000 Einlage in einen Erneuerungs- und Amortisationsfonds, zusammen an Ausgaben Fr. 199,750 gegenüberstehen, so daß noch ein jährlicher Reinertrag von Fr. 100,250 verbleibe, welcher die Verzinsung eines Aktienkapitals von Fr. 1,700,000 zu o.a. 6 °/o gestatte.

Laut dem technischen Bericht beginnt die Bahn im Bahnhof Thun im Anschluß an die schweizerische Zentralbahn, der sie ca.

300 Meter thalabwärts folgt. Das Tracé überschreitet im sogenannten Schwäbis die Aare und später die Zulg, zieht sich, gauss in der Thalsohle verbleibend, in ziemlich gerader Richtung direkt auf Heimberg zu, woselbst bei km. 8,750 die erste Station projektirt ist. Von hier aus wendet sich die Linie gegen die Dornhalde und den Haslewald, letztern vermittelst eines 300 Meter langen Tunnels unterfahrend, überschreitet am Nordende des Waldes die Rotbuchen und erreicht bei km. 6,750 die in der Nahe des Dorfes projektirte Station Brenzikofen. In ziemlich gerader Linie fortlaufen, erreicht die Bahn die bei km. 8,900 vorgesehene Station Dießbach, umfährt das Dorf gleichen Namens westlich und folgt nun fortwährend dem Laufe des Kiesenbaches, denselben öfters überschreitend, und zieht sich endlich, oberhalb Stalden die Staatsstraße kreuzend, vermittelst eines großen ßogens gegen die Station Konolfingen der Jura-Simplonbahn zu, bei km. 14,4oo von Thun.

Die Bahn erhält demnach eine Länge von ca. 14,4oo Kilometer. Die Maximalsteigung beträgt 15 %o. Als Minimalradius ist ein solcher von 250 Meter angenommen.

Die Oberban-Anlagen sollen denjenigen finderer sekundärer Normalbahnen, wie Emmentahlbahn Langenthal-Huttwyl etc., die Hochbauten denjenigen der
S. C. B. oder J.-S. entsprechen.

Die Linie werde voraussichtlich gemeinsam mit der Thunerseebahn betrieben.

Die Kosten für die betriebstüchtige Erstellung der Bahn und Beschaffung des Betriebsmaterials etc. werden auf Fr. 3,390,000,

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oder Fr. 235,417 per Kilometer, veranschlagt, welche zur Hälfte durch ein Hypothekar-Anleihen und zur Hälfte durch Aktien aufgebracht werden sollen und sich folgendermaßen vertheilen: 1. Verwaltung und Kapitalbeschaffung . . . . Fr. 200,000 2. Projektverfassung und Bauleitung ,, 100,000 3. Grunderwerb ,, 340,000 4. Unterbau ,, 1,300,000 5. Oberbau ,, 560,000 6. Hochbauten ,, 270,000 7. Telegraph, Signal, Abschlüsse etc ^ 35,000 8. Rollmaterial ,, 350,000 9. Mobiliar und Gerätschaften ,, 35,000 10. Unvorhergesehenes ,, 200,000 Total

Fr. 3,390,000

Die zur Vernehmlassung eingeladene Regierung von Bern, sowie das Iniüativkomite des früheren Projektes und die interessirten Gemeinden erheben gegen die Konzessionsertheilung keine Einwendungen.

Die vorgeschriebenen konferenziellen Verhandlungen fanden am 7. Oktober statt.

Wir beantragen Ihnen Entsprechung des Konzessionsgesuches, und zwar unter den Bedingungen der frühern, als ,,Normalkonzesion"' bezeichneten Konzession vom 17. September 1873, immerhin unter Annahme der in den neuern Konzessionsakten regelmäßig aufgenommenen Aenderungen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 8. Oktober

1890.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes : Der Bundespräsident:

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

ßundesbeschluß betreffend

Konzession einer Eisenbahn von Thun nach Konolfingen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Herren Oberst Desgouttes und Fürsprech Ritschard, vom 2./3. September 1890; 2. einer Botschaft des Bundesrathes. vom 8. Oktober 1890, beschließt: Den Herren Oberst D e s g o u t t e s in Bern und Fürsprech J. R i t s c h a r d in Thun, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von T h u n nach K o n o l f i n g e n unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen ertheilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der ßundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, ertheilt.

Art. 3. Der Sitz der Gesellschaft ist in Bern.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

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Art. 5. Binnen einer Frist von 18 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrathe die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anra Anfang mit den Erdarbeiten für die Erotellun«; der Bahn zu maehen.

Art. 6. Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten im gerechnet, ist die ganze konzessionirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Der Bundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit oder die Bedürfnisse des Betriebes geboten ist.

Art. 8.

Die Bahn wird normalspurig und eingeleisig erstellt.

Art. 9. Gegenstände vou wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. \v., sind Eigenthum des Kantons Bern und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theileu der Bahn, der Stationen und des Materials »u gestatten, sowie das zur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen und die unentgeltliche Benutzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen worden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens vier Mal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum andern und unter Anhalt bei allen Stationen erfolgen.

Personenzüge haben mit einer mittlern Geschwindigkeit -von mindestens 30 Kilometern in einer Zeitstunde zu fahren. Eine geringere Fahrgeschwindigkeit darf nur infolge besonderer Bewilligung des Bundesrathes zur Anwendung gelangen.

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Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglemeut der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Aenderungen nöthig findet, können dieselben nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Bundesrathes eingeführt werden.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach amerikanischem System mit drei Klassen aufstellen. In der Regel sind allen Personenzügen Wagen aller Klassen beizugebeu ; Ausnahmen kann nur der Bundesrath gewähren. Die sogenannten gemischten Züge mögen ohne Wagen erster Klasse kursiren.

Die Gesellschaft hat stets ihr Möglichstes zu thun, damit alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Auf Verlangen des Bundesrathes sind auch mit Waareuzügen Personen zu befördern. In diesem Falle findet die Vorschrift von Art. 12, Absatz 2, keine Anwendung.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : in der ersten Wagenklasse 10 Rappen, in der zweiten Wagenklasse 7 Rappen, in der dritten Wagenklasse 5 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Die Taxen für die mit Waarenzügen beförderten Personen sollen um mindestens 20 % niedriger gestellt werden.

Für Kinder unter 3 Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in allen Wagenklassen zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepäoks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Für Hin- und Rückfahrt sind die Personen taxen mindestens 20 % niedriger anzusetzen, als für einfache und einmalige Fahrten.

Für Abonnementsbillets zu einer mindestens 12maligeu Benutzung der gleichen Bahnstrecke für Hin- und Rückfahrt während drei Monaten wird die Gesellschaft einen weitern Rabatt bewilligen.

Art. 16. Arme, welche als solche durch Zeugniß zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimiren, sind zur Hälfte der Per-

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sonentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Polizeistellen sind auch Arrestanten mit der Eisenbahn zu spediren. Der Bundesrath wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 17. Für den Transport von Vieh mit Waarenzügen dürfen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden: Per Stück und per Kilometer für: Pferde, Maulthiere und über ein Jahr alte Fohlen 16 Rp.; Stiere, Ochsen, Kühe, Rinder, Esel und kleine Fohlen 8 Rp.; Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde 3 Rp.

Für die Ladung ganzer Transportwagen sind die Taxen um mindestens 20 °/o zu ermäßigen.

Art. 18. Im Tarif für den Transport von Waaren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über 2 Rappen, die niedrigste nicht über l Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt.

Die der Landwirthschaft und Industrie hauptsächlich zudienenden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Bisen, Salz, Steine, DUngungsmittel u. s. w., in Wagenladungen sollen möglichst niedrig taxirt werden.

Für den Transport von baarem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklarirtem Werthe soll die Taxe so berechnet werden, daß für 1000 Fr. per Kilometer höchstens l Rappen zu bezahlen ist.

Wenn Vieh und Waaren in Eilfracht transportirt werden sollen, so darf die Taxe für Vieh um 40 °/o und diejenige für Waaren um 100 °/o des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Traglasten mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besondern Wagen, mit den Personenzügen transportirt und am Bestimmungsort sogleich wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waaren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen besondere Taxen festzusetzen.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 40 Rappen festgesetzt werden.

511 Art. 19. Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hillscnfrüchten, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigem Spezialtarif einzuführen, dessen Bedingungen vom Bundesrathe nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 20. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchtheile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet. In Betreff des Gewichtes gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm. Das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchtheil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Werthsendungen repräsentiren Bruchtheile von Fr. 500 volle Fr. 500. Ist die genaue Ziffer der ao berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest theilbare Zahl, so darf eine Abrundung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

Art. 21. Die in den Artikeln 15, 17 und 18 aufgestellten Taxbestimmungen besehlagen bloß den Transport von Station zu Station.

Die Waaren sind von den Aufgebern an die Stationsladplätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Auf den Hauptstationen hat jedoch die Gesellschaft von sich aus die gehörigen Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, beziehungsweise des Adressaten zu treffen. Das Auf- und Abladen der Waaren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hievon sind nur unter Zustimmung des Buudesrathes zuläßig für einzelne Klassen von Wagenladuügsgütern, für lebende Thiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 22. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 23. Die sämintlichen Réglemente und Tarife sind mindestens sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nach einander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zuläßige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesf'alls eine Verständigung zwischen dem Bundesrathe und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

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Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so -kann der Bundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Aeuffiiung eines genügenden Erneuerungs- und Reservefonds -/M sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungbkasse einzurichten, oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes.

Art. 26. Für oie G-eltendinachung des Rückkaufsrechtes des Bundes, oder, wenn er davon keinen Gebrauch maehen sollte, des Kantons Beru, gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1915 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes >ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntniß '/AI geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Riiekkäufer Eigeuthümer der ,Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Xugehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn sammt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung des Erneuerung«- uud Reservefonds daxu nicht ausreichen, so ist ein verhältnißmäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug /AI bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1930 rechtskräftig wird, den 25fachen Werth des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notiflzirt wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf ·/.wischen dem 1. Mai 1930 und 1. Mai 1945 erfolgt, den 22 1 /2faeheu Werth; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1945 uud dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Werth des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug des Betrages des Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die dureh diesen Akt kouaedirte Eisenbahnuiiternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht uud Berechnung gezogen werden.

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d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesummten Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch' letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Ruckkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichts.

Art. 27. Hat der Kanton Bern den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 26 definirt worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie Letzterer dies von der konzessionirten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 28. Der Bundesrath ist mit dem Vollzüge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Eisenbahn von Thun nach Konolfingen. (Vom 8. Oktober 1890.)

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11.10.1890

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