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Schweizerisches Bundesblatt.

42. Jahrgang. II.

Nr. 17.

23. April 1890.

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Druck und Expedition der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern.

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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über

seine Geschäftsführung im Jahr 1889.

V, Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartements, A. Justizverwaltung.

I. Gesetzgebung.

1. Im Berichtjahre hat das B u n d e s g e s e t z ü b e r S c h u l d b e t r e i b u n g u n d K o n k u r s nach dreijähriger parla mentarischer Berathung seinen Abschluß gefunden. Die von uns mit Botschaft vom 7. Dezember 1888 (Bundesbl. 1888, IV, 1137--1242) der Bundesversammlung in den drei Nationalsprachen unterbreitete letzte Vorlage ist vom Ständerathe am 10., vom Nationalrathe am 11. April 1889 angenommen worden.

Das Gesetz wurde am 4. Mai 1889 im Bundesblatt veröffentlicht. Die Frist zur .Einreichung von Referendumsbegehren lief somit am 2. August 1889 ab. Innerhalb nützlicher Frist liefen bei der Bundeskanzlei 62,948 gültige Unterschriften ein, welche eine Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

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128 Volksabstimmung über das Gesetz anbegehrten. Die Volksabstimmung fand am 17. November 1889 statt. Wie wir Ihnen bereits mit Botschaft vom 7. Dezember v. J. (Bundesbl. J889, IV, 1094) mitzutheilen die Ehre hatten, ist das Gesetz vom Schweizervolke bei 462,238 gültigen Stimmen mit 244,317 gegen 217,921, also mit einer Mehrheit von 26,396 Stimmen angenommen worden.

Sie haben, der Stäuderath am 14., der Nationalrath am 19. Dezember 1889, von unserer Botschaft im Protokoll Vormerkung genommen.

Das Justiz- und Polizeidepartement, dem es in erster Linie obliegt, den zur Einführung des Gesetzes in die praktische Wirksamkeit -- bekanntlich tritt dasselbe am 1. Januar 1892 in Kraft -- erforderlichen Vorarbeiten seine Obsorge und Thätigkeit zu widmen, hat dieselben sofort an die Hand genommen.

Es ist jedoch zur Erzielung einer gedeihlichen Einführung des Gesetzes in den Kantonen durchaus nothwendig, daß Bund und Kantone in gemeinsamem Einverständnisse vorgehen. Der Schwerpunkt des Studiums und der Arbeit wird bei den Kantonen liegen.

Die Bundesbehörde aber stellt den Kantonen ihre Mitwirkung zur Verfügung und erbietet sich, denselben bei der Ausarbeitung der kantonalen Einführungsbestimmungen an die Hand zu gehen.

In diesem Sinn hat der Bundesrath bereits untemi 28. Januar 1890 an sämmtliche eidgenössische Stände ein Kreisschreiben gerichtet, das auch im Bundesblatt (1890, I, 220) erschienen ist.

Weitere Mittheilungen werden wir Ihnen im nächstjährigen Geschäftsberichte zu machen im Falle sein.

2. Am 28. Juni 1889 haben die beiden gesetzgebenden Räthe in endgültiger Fassung das Bundesgesetz über die M i l i t ä r s t r a f g e r i c h t s o r d n u i i g - a n g e n o m m e n . Dasselbe ist am 31. August in das Bundesblatt eingerückt worden. Ein Referendumsbegehren lief nicht ein, so daß der Bundesrath am 5. Dezember die Aufnahme des Gesetzes in die Amtliche Sammlung (n. P. II, S. I, 273) anordnen und dessen Inkrafttreten auf 1. Januar 1890 festsetzen konnte.

Die Sorge für die Vollziehung des Gesetzes fällt dem Militärdepartemente anheim.

3. Wie wir im letztjährigen Berichte voraussagten, ist der Entwurf eines Gesetzes über die z i v i l r e c h t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e de r N i e d e r g e l a s s e n e n u n d A u f e n t h a l t e r , über welchen der Nationalrath am 19. Juni 1888
unter ausschließlicher Annahme des Wohnortsprinzipes Beschluß gefaßt hatte, im Ständerathe in die entgegengesetzte Strömung gerat hen. Der Ständerath hat in seinem Beschlüsse vom 21. Juni Ib89 fast ausnahmslos dem Heimatrechte den Vorzug gegeben und in Bezug auf das Güter-

129 recht der Ehegatten das Recht des ersten ehelichen Wohnsitzes als ein unwandelbares anerkannt. Ueber die leitenden Motive gibt der sehr lesenswerthe Komtnissionalbericht vom 14. Juni 1889 (Bundesblatt III, 809--824) Aufschluß. Der Nationalrath verschob die Weiterberathung auf die Junisession von 1890 Seine Kommission beantragt in einigen Punkten (so in Betreff der Handlungsfähigkeit, für den Familienstand und das Elternrecht) Zustimmung zum Ständerathsbeschlusse, in den Hauptpunkten aber (Vormundschaftsrecht, Güterrecht der Ehegatten und Erbrecht) will sie am Nationakathsbeschlusse, d. h. am reinen Wohnsitzrechte, festhalten, in Bezug auf die erbrechtlichen Verhältnisse mit Einstimmigkeit, in den übrigen Fragen mit großer Mehrheit, wobei übrigens in Hinsicht auf das eheliehe Güterrecht zu bemerken ist, daß der Nationalrath den Eheleuten im Falle des Wohnsitzwechsels die zeitlich beschränkte ßefugniß zuerkennen will, das durch Ehevertrag oder die Gesetzgebung des ersten ehelichen Wohnsitx.es begründete Gütersystem aufrecht zu erhalten, während der Ständerath insofern von seinem Prinzip eine Ausnahme macht, als er die Rechtsstellung der Ehefrau bei einer gegen den Ehemann vorgenommenen Pfändung oder im Konkurse desselben den Gläubigern gegenüber, durch besondere Rechtsgeschäfte erworbene Rechte Dritter vorbehalten, ausschließlich dem Gesetze des Ortes unterwirft, wo die Pfändung oder der Konkurs vollzogen wird.

Wir empfehlen, in Festhaltung der Ueberzeugung, die in der bundesräthlicheri Botschaft vom 28. Mai 1887 (Bundesbl. III, 113 bis 135) Ausdruck gefunden hat und welche dahin geht, daß die Beseitigung der gegenwärtigen Rechtsunsicherheit »uf diesem Gebiete für das Land eine Wohlthat wäre, den Räthen angelegentlich, nochmals den Versuch einer Einigung zu unternehmen.

4. Es war dem Departernente wegen allzu großer anderweitiger Belastung im Berichtjahre nicht möglich, der Frage der Wiedereinbringung eines Gesetzentwurfes über das V e r b o t de r D o p p e l b e s t e u e r u n g näher zu treten.

5. Das Bundedgericht hat mit einläßlichem Begleitschreiben vom 10. Juni 1889 dem Justiz- und Polizeidepartement seine Bemerkungen und Anträge zu Dr. Hafner's Entwurf eines neuen Gesetzes über die O r g a n i s a t i o n der B u n d e s r e c h t s p f l e g e übersandt. Diese Veruehmlassung wurde
in beiden Sprachen durch den Druck vervielfältigt und auch den Mitgliedern der Bundesversammlung zugestellt.

Das Departement berief auf den 28. Oktober 1889 zur Vorberathung desselben eine Expertenkommission ein, bestehend aus

130 den Herren Ständerath Haberstich, Bundesrichter Hafner, Nationalrath Holdener, Nationalrath Keel, Bundesrichter Kopp, Nationalrath Lachenal, Obergerichtspräsident Leuenberger, Staatsrath Soldan und Regierungen) th Speiser.

In viertägiger Berathung -- vorn 28. bis 31. Oktober -- behandelte die Kommission die zwei ersten Abtheilungen des Entwurfes, nämlich die allgemeinen Bestimmungen und die Bestimmungen über die Zivilrechtspflege.

Die Fortsetzung der Kommissionalberathung fällt in das Jahr 1890. Auf der Grundlage derselben gedenkt das Departement dem Bundesrathe demnächst einen Entwurf zu unterbreiten, so daß es nach aller Voraussicht möglich sein wird, den Gegenstand in der Junisession 1890 bei der Bundesversammlung einzubringen.

6. Unsere Erwartung, daß es dem Departemente möglich sein werde, im Laufe des Jahres 1889 über den Erlaß eines Gesetzes betreffend d i e G e w ä h r d e r V i e h h a u p t m ä n g e l Bericht u n d Antrag einzureichen, ist nicht in Erfüllung gegangen.

Wie Ihnen aus dem vorjährigen Berichte noch erinnerlich sein wird, hat sich das Departement in einem Kreisschreiben vom 14.

August 1888 an sämmtliche Kantonsregierungen gewandt, um das Urlheil der öffentlichen Meinung, insbesondere in den Kreisen der Landwirthe und Viehzüchter, über die Wünschbarkeit eines einschlägigen Bundesgesetzes zu vernehmen.

Die Antworten auf die Fragen des Departements waren im Laufe des Jahres 1888 noch nicht vollständig eingegangen. Heute kann an der Hand eines vollständigen Materials Folgendes festgestellt werden : , Mit Ausnahme der Kantone Zürich und Thurgau wollen in allen Kantonen, welche sich nicht durchaus ablehnend verhalten, die in der Sache zunächst und am meisten interessirten Bevölkerungskreise von einem eidgenössischen Gesetze nur unter der Bedingung etwas wissen, daß dasselbe von aller und jeder Bestimmung der Gewährsmängel absehe und diesfalls volle Vertragsfreiheit walten lasse.

Das im Ranton Luzern schon seit 1867 bestehende System der Vertragsfreiheit hat seit 1882 sich ein stetig wachsendes Geltungsgebiet erobert. Dasselbe wird von den Kantonen, die es neu eingeführt haben, wie Bern, Waadt, Solothurn, Freiburg, Neuenburg, als eine wahre Wohlthat gepriesen und jedem auf der Grundlage des Konkordats von 1852 stehenden, d. h. einzelne Gewährsmängel fixirenden eidgenössischen Gesetze weit vorgezogen. Man will in diesen Kantonen ein eidgenössisches Gesetz beschränken auf die

131 Feststellung der Form des Währschaftsvertrages, des Verfahrens zur Ermittlung des Thatbestandes und zur Feststellung des Rechtes der Parteien (Prozeßverfahrens), der Klagverjährung und --· subsidiär -- der Gewährsfrist. Auch in der Ostschweiz (St. Gallen, Schaffhausen), wo man früher das gegenteilige System, die gesetzliche Bestimmung der Gewährsmängel, befürwortete, gewinnt das Konventionalsystem täglich mehr Freuade. Von den Kantonen, welche sich nicht prinzipiell, wie Graubünden, oder, weil sie das Bedürfniß einer einheitlichen Gesetzgebung nicht empfinden, wie Uri, Schwyz, Tessin, gegen ein Bundesgesetz über die vorwürfige Materie aussprechen , sind nur Zürich und Thurgau als solche zu nennen, welche am bisherigen gesetzlichen Systeme festhalten, und zwar namentlich aus dem Grunde, weil ihre Bauersame vielfach im Falle sich befinde, Vieh von auswärts einzuführen, wobei feste und genaue gesetzliche Bestimmungen sie gegen Betrug und Uebervortheilung seitens fremder Händler zu schützen am besten geeignet seien.

Allein diese Stimmen finden in den landwirtschaftlichen und thierärztlichen Kreisen der andern Kantone kein geneigtes Gehör.

Bei der Herbstabgeordnetenversammlung des s c h w e i z e r i s c h e n l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n Ve r e i n s am 13. Oktober 1889 in Oberburg (Kant. Bern), an welcher auf Einladung des Centralkomites des Vereins das eidgenössische Justizdepartement durch einen seiner Beamten sich vertreten ließ, machten sich die oben bezeichneten Gegensätze in entschiedenster Weise geltend.

Mit einer Zweidrittelmehrheit wurde beschlossen, es sei der Bundesbehörde zu empfehlen, in einem eidgenössischen Gesetze von jeder Bestimmung der Gewährsmängel abzusehen. Dabei wurde aber von den Rednern der Minderheit sowohl als der Mehrheit erklärt, daß die Erlassung eines Bundesgesetzes nicht dringlich sei, indem kein Nachtheil im Verzüge liege, es vielmehr wünschbar wäre, die Ansichten sich noch mehr abklären zu lassen, um vielleicht nach kurzer Zeit eine Einigung derselben zu erzielen.

Mit dieser Kundgebung steht freilich in einem unlösbaren Widerspruch die dem Bundesrathe vom schweizerischen Nationalrathe am 17. Juni 1889 ,,zu gutscheinender Berücksichtigung anläßlich der Behandlung der Frage" überwiesene P e t i t i o n des V e r b a n d e s s c h w e i z e r i s c h
e r Metzgermeister betreffend Erlaß eines eidgenössischen Gesetzes über Gewährleistung beim Viehhandel, d. d. Zürich, 12. Juni 1889. Diebe Petition verlangt, daß der Bundesrath eingeladen werde, beförderlich, d. li.

längstens binnen Jahresfrist, Bericht und Antrag über ein zu erlassendes Bundesgesetz betreffend die Gewährleistung beim Viehhandel vorzulegen und eventuell gleichzeitig eine Vorlage einzubringen.

132 Der Verband der schweizerischen Metzgermeister erklärt ausdrücklich, daß er nicht etwa einzig aus Berufsinteresse, sondern ebenso sehr aus Gründen des öffentlichen Interesses, der Hebung des Verkehrs, der Sicherheit des Handels auf einem der größten Verkehrsgebiete des Landes, diesen Antrag stelle. Das eidgenössische Justizdepartement und der Bundesrath selbst haben wiederholt die unverkennbar große Bedeutung eines einheitlichen Gesetzes in den bezeichneten Richtungen hervorgehoben. Allein ebenso wahr ist es, daß die zunächst betheiligten Kreise der Bevölkerung in ihren Ansichten über die Grundlagen der Gesetzgebung bis jetzt derart auseinandergingen, daß es den Behörden schwierig, wenn nicht geradezu unmöglich erscheinen mußte, das Richtige und Zweckmäßige zu treffen. Die Petition der Metzgermeister liefert hief'ür einen neuen Beleg : sie nennt das in siegreichem Eroberungszuge begriffene System der Vertragsfreiheit ,,eine Vorschrift, lediglich geeignet, dem gewissenlosen Handel auf Rechnung und zum Schaden des weniger gewandten Kleinbauern Thor und Thür zu öffnen".

Die h. Bundesversammlung wird uns Recht geben, wenn wir Angesichts der vorliegenden öffentlichen Kundgebungen ein weniger rasches Tempo anschlagen, als es die letzterwähnte Petition wünscht, und uns mit der Vorlegung eines einschlägigen Gesetzentwurfes nicht allzusehr beeilen.

7. Aus dem gleichen Grunde, der das Justiz- und Polizeidepartement verhinderte, über das Verbot der Doppelbesteuerung eine Vorlage zu machen, konnte dasselbe auch der Revision des Gesetzes über C i v i l s t a n d und E h e im Berichtjahre seine Aufmerksamkeit nicht zuwenden.

8. Dagegen hat sieh das Departement angelegentlich mit den gesetzgeberischen Fragen auf dem Gebiete des B u n d e s s t r afrech ts und der B u n d e s s t r a f r e c h t s p f l e g e beschäftigt.

Im Zusammenhange mit einem Entwurfe betreffend die Revision des Organisationsgesetzes über die Bu n d es r e e h tspflege werden der Bundesversammlung auf die Junisession 1890 Entwürfe von Novellen zum Bundesstrafrecht und zur Bundesstrafprozeßordnung zugehen.

Ueber das im letzten Bericht erwähnte wissenschaftliche Werk, dem wir mit Rücksicht auf die im Schooße der gesetzgebenden Räthe behandelten mehrfachen Anregungen und Vorschläge zur Vereinheitlichung des schweizerischen Strafr e c h t s die finanzielle Unterstützung des Bundes zugesichert haben

133 und dessen Redaktion dem Herrn Professor und Oberrichter Dr.

Karl Stooß in Bern anvertraut worden ist, können wir berichten, daß demnächst als erster Theil des Ganzen ein Quellenband die Presse verlassen wird, welcher in systematischer Anordnung eine Zusammenstellung der geltenden kantonalen Gesetzestexte enthält.

Der Verfasser hat sich bei seiner Arbeit von dem Bedürfnisse überzeugt, der systematisch-kritischen Darstellung des kantonalen Strafrechts eine solche Textausgabe vorangehen zu lassen, und wir haben unsere Zustimmung zur Herstellung derselben ausgesprochen.

9. Schon seit einer Reihe von Jahren wünschte unser Justizund Polizeidepartement das Amt e i n e s s t ä n d i g e n e i d g e n ö s s i s c h e n G e n e r a l a n w a l t e s wiederhergestellt zu sehen. Das Departement empfand das dringende Bedürfniß, einer besondern Beamtung das Studium der zahlreichen, in das Gebiet des Bundesstrafrechts einschlagenden Fragen zu übertragen, einer Beamtung, mit welcher es gewissermaßen die Verantwortlichkeit in Ansehung der wichtigen, dem Bundesrathe zugewiesenen einschlägigen Kompetenzen theilen könnte. Auffallenderweise war bald nach 1848, zu einer Zeit, wo fast keine das Bundesstrafrecht betreffenden Geschäfte vorkamen, dem Bundesrathe ein Generalanwalt beigegebeu worden, während die Behörde in neuerer und neuesten Zeit, bei einer bedeutenden und stetsfort wachsenden Anzahl strafrechtlicher Geschäfte, einer ständigen Staatsanwaltschaft entbehrte.

Diesem Mangel ist es, wenigstens zum Theil, zuzuschreiben, daß unsere Straf'gesetzgebung ein so wenig erfreuliches Bild darbietet.

Schon längst bedürfen die Gesetze betreffend das Bundesstrafrecht und die Bundesstrafrechtspflege, welche aus den Jahren 1851 und 1853 stammen und beide völlig veraltet sind, einer Revision ; die zahlreichen Strafbestimmungen der aus der Bundesverfassung von 1874 hervorgegangenen volkswirtschaftlichen Gesetze weisen große, durchaus ungerechtfertigte Verschiedenheiten auf. Man bemerkt bei dieser gesetzgeberischen Entwiekelung den Mangel eines Organes, welches auf dem besondern Gebiete der strafrechtlichen Bestimmungen System und Einheit herzustellen geeignet wäre.

Dem ordentlichen Personal des Justiz- und Polizeidepartementes, welches bei einer täglich zunehmenden Arbeitslast auf eine zu geringe Zahl beschränkt ist,
fehlten zur Vertiefung in das Studium unserer strafrechtlichen Bundesgesetzgebung und daher auch zur Kritik derselben, zur Darlegung ihrer Lücken und Mängel, sowohl die nöthige Zeit als die erforderliche geistige Ruhe.

Dennoch konnten wir uns nicht entschließen, die Wiederherstellung des Amtes eines ständigen Geqeralanwaltes zu beantragen, weil wir auch in diesem Falle den Widerstand zu finden befürch-

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teten, auf welchen man bei der Schaffung neuer Beamtungen stetsfort stößt. Da führten die politischen Ereignisse des Jahres 1889, welche die Unzulänglichkeit der Organisation unserer Fremdenpolizei aufdeckten, die öffentliche Meinung dazu, nahezu einstimmig einen eidgenössischen Generalanwalt zu verlangen, der die Fremdenpolizei in Beziehung auf Handlungen, welche die innere oder äußere Sicherheit der Schweiz gefährden, zu überwachen hätte.

Wir heeilten UQS, dieser Strömung, die einem von uns längst gehegten Wunsche entgegenkam, zu folgen, und legten Ihnen einen Gesetzentwurf über die Buadesanwaltschuft vor (Bundesbl. 1889, III, .627 ff.). Unser Entwurf ist von Ihnen am 28. Juni 1889 angenommen worden (Bundesbl. 1889, III, 745; A. S. n. F., II. S., I., 243).

Es wurde zwar versucht, 30,000 Unterschriften zu sammeln, um das Gesetz dem Referendum zu unterwerfen; diese Bewegung erzielte jedoch nur 23,928 gültige Unterschriften. Wir haben Ihnen hierüber am 10. Dezember 1889 (Bundes«. 1889, IV, 1099--1112) Bericht erstattet. Das Gesetz wurde infolge dessen der Volksabstimmung nicht unterbreitet und ist mit dem 15. Oktober 1889 in Kraft getreten.

Die neu geschaffene Stelle haben wir Herrn Ständerath Scherb, gewesenem Staatsanwalte des Kantons Thurgau, übertragen ; sie ist von ihm sogleich angetreten worden (Bundesbl. 1889, IV, 247).

Sie werden schon im laufenden Jahre Gelegenheit finden, die guten Dienste zu würdigen, welche' die Generalanwaltschaft auf dem Gebiete der strafrechtlichen Gesetzgebung leistet.

II. Gewährleistung von Hantonsverfassungen 1. Arn 21. Februar 1889 hat der Große Ralh des Kantons N e u e n b u r g als Verfassungsrath beschlossen, dem Art. 31 der Kantonsverfassung vom 21. November 1858 folgenden Wortlaut zu geben : ,,Wählbar ist jeder Stimmberechtigte, der das 25. Altersjahr zurückgelegt hat.

.,,Die Bekleidung eines geistlichen Amtes, sowie das Amt eines Mitgliedes des Staatsrathes und eines unmittelbaren Vertreters des Staatsrathes in den Bezirken sind mit dem Mandate eines Abgeordneten im Großen Rathe unverträglich. Des Weitem können die Beamten und Angestellten der Staatskanzlei, der Departemente des Staatsrathes und der Präfekturen nicht Mitglieder des Großen Käthes sein.

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,,Das Gesetz bestimmt die durch die Verfassung nicht vorgesehenen Fälle von Inkompatibilitäten.1-1 Das großräthliche Veifassungsdekret vom 21. Februar ist am 10. März 1889 in der Volksabstimmung mit 4225 von 4768 Stimmen angenommen worden.

Durch Bundesbeschluß vom 5. April, 1889 wurde diesem Verfassungsiiriikel die eidgenössische Gewährleistung ertheilt (A. S.

n. F. XI, 5n.

2. Durch Beschluß der Landsgemeinde dès Kantons G l a r u s vom 5. Mai 1889 wurde Art. 26 der kantonalen Verfassung vom 22. Mai 1887 im Sinne der Vermehrung der Fälle dei' geheimen Abstimmung in den Gemeinden abgeändert. Der revidirte Artikel stellt für bestimmte Wahlen in 7deu Gemeinden die g e h e i m e A b s t i m m u n g als Norm auf und gibt im Weitern den Gemeinden das Recht, das gleiche Verfahren auch für alle anderen Wahlen und Abstimmungen einzuführen. (Vergi. Botschaft vom S.Juni 1889, Bundesbl. III, 286.)

Durch Bundesheschluß vom 12. Juni 1889 haben Sie dieser Verfassungsänderung die eidgenössische Garantie ertheilt (A. S.

n. F. XI, 163).

III. Verbältnisse zu auswärtigen Staaten, a. Verträge und Konventionen.

1. Nachdem die iim 22. Juni 1888 mit der sü d a m e r i k a n i s c h e n R e p u b l i k E c u a d o r abgeschlossenen Verträge betreffend d i e g e g e n s e i t i g e A u s l i e f e r u n g v o n V e r b r e c h e r n u n d d e n V o l l z u g v o n R e q u i s i t o r i e n , sowie betreffend d i e F r e u n d s c h a f t s-, N i e d e r l a s s ù n gs- und H a n d e l s v e r h ä l t n i s s e die Ratifikation des Kongresses von Ecuador erhalten haben, sind dieselben auch, unserem Antrug mit Botschaft vom II. Juni 1889 (Bundesbl. 1889, III, 605) entsprechend, von den eidgenössischen Käthen genehmigt worden. Der Austausch der Ratifikationsurkunden fand in Paris am 13. Juli 1889 statt. Wir haben hievon 4en Kantonsregierungen mittelst Kreissehreiben Kenntniß gegeben und sie darauf aufmerksam gemacht, daß beide Vertrüge mit dem 21. Oktober 1889, als dem hundertsten Tage nach Auswechslung der Ratifikationen, in Kraft treten (Bundesbl. 1889, III, 955, und A. S. n. F. II. Serie, I. Bd., 209 und 218 ff.).

2. Am 16. November 1889 wurde mit der Regierung des U n a b h ä n g i g e n K o n g o s t a a t e s einFreu ndschafts-, Nie-

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d e r l a s s u n g s - u n d H a n d e l s v e r t r a g abgeschlossen, welcher von den eidgenössischen Käthen in der Dezembersession genehmigt worden ist. Die Vorschriften desselben sind zum größten Theile übereinstimmend mit dem entsprechenden Vertrage mit der Republik Salvador von 1883.

Indessen sieht jener noch im Artikel 15 mit Bezug auf die A u s l i e f e r u n g von V e r b r e c h e r n und den V o l l z u g von R o g a t o r i e n die Gleichberechtigung mit andern Vertragsstaalen, welche nicht Grenzstaaten sind, vor. Die Auswechslung der Ratifikationsurkunden hat am 4. Januar 1890 in Brüssel stattgefunden und wird der Vertrag den 14. April 1890 in .Kraft treten (Bundesbl. 1889, IV, 772. A."S. n. F. II. Serie, I. Bd., 426 ff.).

3. Bezüglich des A b l i e f e r u n g s v e r t r a g e s z w i s c h e n der S c h w e i z und A r g e n t i n i e n (Bundesbl. 1889, II, 711, Ziffer 5) können wir mittheilen, daß derselbe bis jetzt noch nicht dem Kongresse der argentinischen Kepublik unterbreitet worden ist.

Aus dem Grunde legten wir diesen Vertrag den eidgenössischen Käthen noch nicht vor.

4:. Bis zum Ende des Jahres 1889 ist uns noch kein Bericht seitens der a r g e n t i n i s c h e n Regierung darüber zugegangen, ob sie geneigt ist, auf das ihr im Jahre 1887 vorgelegte schweizerische Projekt zu einem F r e u n d s c h a f t s - , H a n d e l s - und N i e d e r l a s s ù n g s v e r t r a g e einzutreten (.Bundesbl. 1889, II, 711, Ziffer 6).

5. Auf unsere Anregung hin hat sich im Berichtjahre die Regierung der R e p u b l i k C h i l e bereit erklärt, auf Unterhandlungen betreffend den Abschluß eines A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g e s mit der Schweiz einzutreten. Wir haben der chilenischen Regierung vorgeschlagen, es möchten die bezüglichen Verhandlungen in Bern geführt und denselben der zwischen der Schweiz und Salvador bestehende Auslieferungsvertrag zu Grunde gelegt werden.

Eine bezügliche Rückäußerung ist bisher nicht eingelangt.

6. Die Verhandlungen betreffend den Abschluß eines A u s lieferungsvei'trages zwischen der S c h w e i z und den N i e d e r l a n d e n (Bundesbl. 1889, II, 712, ^jffer 9) konnten im Berichtjahre nicht weiter gefördert werden. Der von der niederländischen Regierung übersandte Vertragsentwurf liegt bei dem Justiz- und Polizeidepartemente zur Prüfung.
7. Der am 17. November 1888 von den Bevollmächtigten unterzeichnete neue A u s l i e f e r u n g s v er t r a g mi t 0 es t er r e i c h U n g a r n wurde mittelst Botschaft vom 30. März 1889 (Bundesbl.

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1889, I, 845) den eidgenössischen Räthen zur Ratifikation unterbreitet. Die Prüfung desselben ist jedoch einstweilen verschoben worden, da die damit zunächst beauftragte Kommission des Nationalrathes dem Wunsche Ausdruck gab, der Bundesrath möchte vor Allem untersuchen, ob es nicht geboten wäre, a l - l g e m e i n e , d a s A u s l i e f e r u n g s w e s e n b e t r e f f e n d e N o r m e n festzustellen, welche der Schweiz sowohl beim Abschlüsse bezüglicher Verträge, als auch für das Verfahren'in denjenigen Fällen, wo ein Ausliel'emngsvertrag maugelt, als Basis dienen könnten. Unser Justiz- und Polizeidepartement ist mit der Prüfung dieser Frage beschäftigt und werden wir wohl in der Lage sein, der Bundesversammlung in ihrer nächsten Session Bericht darüber zu erstatten.

8. Um einem Givilurtheile des k. k. Landgerichtes in Triest, durch welches ein seit dem Jahre 1842 schwebender Erbschaftsprozeß zum Austrage gebracht worden, im Kanton Graubünden __Vollziehung zu verschaffen, brachte die k. u. k. österreichischungarische Regierung die Frage in Anregung, ob wir nicht eine gleiche ,,Erklärung11 über d i e g e g e n s e i t i g e V o l l z i e h u n g von r e c h t s k r ä f t i g e n C iv il u r t h e ile n für den K a n t o n G r a u b ü n d e n abzugeben vermöchten, wie im Jahr 1885 für den Kanton Waadt (A. S. n. F. VIII, 83). Auf unsere Anfrage um Ermächtigung liiezu antwortete aber die Regierung von Graubünden, daß der Grüße Rath ihres Kantons einen entsprechenden Antrag der, Standeskommission abzulehnen beschlossen habe. Wir konnten daher zu dem gewünschten Uebereinkommen in der angeregten Weise nicht Hand bieten. Da wir indessen die Regelung der Frage der Vollziehbarkeit der Civilurtheile zwischen der Schweiz und Oesterreich-Ungarn als zweckmäßig und selbst nothwendig erachten, erklärten wir uns der k. u. k. Regierung gegenüber bereit zum Abschluß eines bezüglichen, für die g a n z e S c h w e i z verbindlichen Staatsvertrages, dessen Inhalt analog den Bestimmungen in den Art. 15--19 des schweizerisch-französischen Vertrages vom 15. Juni 1869 sein dürfte. Eine Rückäußerung auf dieses Anerbieten ist uns noch nicht zugekommen.

9. Zur Untersuchung der Frage betreffend den Abschluß eines ähnlichen Vertrages mit S p a a i e n wurden wir durch einen Fall veranlaßt, in welchem es sich um die
Vollziehung eitfes rechtskräftigen Givilurtheiles der Gerichte des Kantons Genf in Sachen eines Genfer Bürgers gegen einen in Barcelona wohnhaften Spanier handelte. Es ergab sich nämlich daß die Vollziehung eines ausländischen Urtheils in Spanien nur erzielt werden kann, wenn die Reziprozität vertraglich zugesichert ist. In Folge dessen wurde zuerst a n d e n Abschluß einer U e b e r e i n k a u f t ü b e r d i e

138 gegenseitige Vollziehung rechtskräftiger U rt h e i l e i n C i v i l - u n d H a n d e l s s a c h e n zwischen d e m Kanton Genf und Spanien gedacht, wozu uns auch der Staatsrath von Genf die Ermächtigung ertheilt hat. Nach Prüfung der Bestimmungen des spanischen Civilprozesses über die Vollziehung fremder Urtheile fanden wir jedoch, daß der Abschluß eines solchen Vertrages zwischen der g a n z e n Schweiz und Spanien möglich ist. Wir stellten daher einen entsprechenden Antrag bei der spanischen Regierung, und diese erklärte sich bereit, auf das von unserm Justiz- und Polizeidepartement ausgearbeitete Vertragsprojekt eintreten zu wollen.

10. Die Verhandlungen mit F r a n k r e i c h behufs Regulirung der in unserm letztjährigen Geschäftsberichte (Bundesbl. 1889, II, 713, Ziffer 12) erwähnten Frage betreffend die U e b e r n a h m e v o n armen, a l t e n , g e b r e c h l i c h e n o d e r a r b e i t s unfähigen I n d i v i d u e n haben keinen Fortgang genommen, indem, wie es scheint, die französische Regierung diesfalls zuerst einläßliche Vorstudien zu machen wünscht.

Inzwischen zeigt dieselbe ihr Entgegenkommen dadurch, daß sie in Fällen, welche eine Heimnahme auf Grund der Uebereinkunft von 1882, betreffend die geisteskranken und verlassenen Rinder, nicht gestatten, oder in welchen andere Umstände einer Versorgung in Frankreich entgegen stehen, den in der Schweiz wohnenden Franzosen aus dem Staatsfonds Unterstützungen, zukommen läßt.

Es kann indessen dieses Verfahren, welches sonst allgemein aufgegeben ist, nur vorübergehend Ersatz bieten für die wirkliche Uebernahme der betreffenden armen und kranken Angehörigen.

b. Spezielle Fälle internationaler Natur.

11. In einem gewissen Gegensatze zu der bisherigen Praxis der französischen Gerichte steht ein Urtheil des Seine-Gerichtes erster Instanz vom 12. Dezember 1889 betreffend die Theilung des Nachlasses des in Frankreich verstorbenen schweizerischen Angehörigen N i c o l a s J o s e p h M a r c h a n d . Gegen d i e Wittwe, welche als Universalerbin eingesetzt war, trat nämlich eine Frau Demarcy , eine Französin, als Klägerin auf mit der Behauptung, sie sei eine natürliche Tochter des Verstorbenen, und machte als solche die gesetzlichen Ansprüche au die Verlassenschaft, bestehend in Mobilien und Grundstücken, geltend. Die Wittwe Marchand
erhob indessen, gestützt a u f A r t . 5 und 11 d e s V e r t r a g e s z w i s c h e n de r S c h w e i z und F r a n k r eic h ü b e r den G e r i c h t s s t a n d vom 15. Juni 1869, die Einrede

139 der Inkompetenz der französischen Gerichte, in Anbetracht, daß der Nachlaß eines Schweizers in Frage stehe.

Das Gericht anerkannte diese Einrede als begründet und erklärte sich für inkompetent. Es ging dabei wesentlich von folgenden Erwägungen aus : a. ,,Artikel 5 des fraglichen Staatsvertrages mit der Schweiz normirt, daß jede Klage betreffend Liquidation oder Theilung einer Erbschaft voi1 dem Gerichte des Ortes geltend zu machen ist, wo die Erbschaft eröffnet worden, und zwar, wenn es sich um die Verlassenschaft eines in Frankreich verstorbenen Schweizers handelt, vor dem Gerichte seines Heimatortes.

6. ,,Die in einem Staats vertrage festgestellten Kompetenzgrundsätze sind bindender Natur und können die Parteien bei Verbandlungen über ihre Privatinieressen nicht willkürlieh von denselben abweichen. Nach Art. 11 des erwähnten Staatsvertrages haben die schweizerischen und französischen Gerichte , bei welchen eine, gemäß diesem Vertrage nicht in ihre Kompetenz fallende Klage anhängig gemacht wirdysogar die Pflicht, die Parteien von Amtes wegen, und zw;ar selbst in Abwesenheit des Beklagten, an den kompetenten Richter zu verweisen.

c. ,,Die Bestimmungen des französisch-schweizerischen Staatsvertrages lauten allgemein und absolut. Es haben auch in der That die Staaten ein Interesse daran, daß das Vermögen ihrer Angehörigen nach deren Ableben auf Grund gleichmäßiger Regeln und durch die heimatlichen Gerichte vertheilt werde. Die Worte ,,und zwar selbst in Abwesenheit des Beklagten"1, welche in Art 11 besonders hervorgehoben sind, beschränken die Anwendbarkeit der Vorschrift nicht auf den Fall der Abwesenheit des Beklagten, sondern bilden im Gegentheil, wenn beide Parteien anwesend sind, ein argumentum a fortiori für den bindenden Charakter der Kompetenzregeln.

d. ,,Die Neben- und Vorfragen, welche anschließend an die Theilungsklage aufgeworfen werden mögen und einen besondern Gerichtsstand begründen können, sind so wenig als der Grundsatz, wonach die lex rei sitse für die Theilung, Versteigerung oder Veräußerung maßgebend ist, geeignet, die für die allgemeine Erbtheilungsklage gesetzlich festgestellte Kompetenz abzuändern."1 12. Die unter der Firma ^ B a n q u e F o n c i è r e d u J u ra tt in Basel niedergelassene Aktiengesellschaft wollte, da sie ihren

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G-eschäl'tskreis auch auf Frankreich ausgedehnt hatte, zur Konstatirung ihrer in der Schweiz erfolgten Gründung bei ihrem Notar iu Paris drei Aktenstücke hinterlegen, nämlich einen Auszug ausdem Handelsregister von Basel betreffend ihre Errichtung, ein Certificat de coutume betreffend die Beweiskraft der Handelsregisterauszüge und eine Ausfertigung der Beschlüsse der Generalversammlung bezüglich der dem Direktor übertragenen Befugnisse, um bei allen künftigen Geschäftsabschlüssen in Frankreich lediglich auf dieses Depot sich berufen zu können. Es war in diesen Dokumenten jede Angabe über das Aktienkapital der Gesellschaft weggelassen worden. Der französische Einnehmer in Paris (receveur de l'enregistrement) verlangte nun aber, daß in der zu errichtenden Hinterlegungsurkunde (acte de dépôt) das Aktienkapital deklarirt und diesem entsprechend eine Eintragungsgebühr von Fr. 1. 25 °/o» entrichtet werde, zumal die genannte Bank in Frankreich regelmäßig und viele Geschäfte betreibe und deßhalb dem französischen, Fiskus gegenüber die gleichen Verbindlichkeiten zu erfüllen habe r wie die französischen anonymen Gesellschaften.

Die Banque foncière du Jura, welche uns von diesem Vorgange Kenntuiß gab, erachtete indessen die fragliche Gebührenforderung für unbegründet. Sie ging dabei von der Ansicht aus r daß diese Forderung identisch wäre mit dem Begehren der Eintragung der Statuten, d. h. des Gründungsaktes der Gesellschaft,, während diese letztere in der Schwein bereits gesetzlich bestehe.

Ein solches Ansinnen stehe im Widerspruch mit dem kaiserlichen Dekrete vom 11. Mai 1861 (vergi. Bundesbl. 1861, I, 905), wonach ,,die anonymen Gesellschaften und andere kommerzielle, industrielle oder finanzielle Associationen, welche in der schweizerischen Eidgenossenschaft von der Regierung gutgeheißen werden müssen und die diese Gulheißung wirklich verlangt haben, alle ihre Rechte in Frankreich ausüben und vor den Gerichten geltend machen können, wobei sie sich jedoch an die Gesetze dea Kaiserreichs zu halten haben*. Nachdem nun in der Schweiz an die Stelle der Gutheißung der Regierung die Erfüllung bestimmter Vorschriften des Obligationenrechts getreten, müsse die Bank auf Grund obigen Dekrets in Frankreich ohne weitere Bedingung zur Ausübung ihrer Rechte zugelassen werden. Die Bank würde durch die Entrichtung jener
Gebühr i'ür die Hinterlegung der Aktenstücke einer Besteuerung sich unterziehen müssen, welcher die französischen Gesellschaften im gleichen Fall nicht unterworfen seien. Dieselben haben ihre Statuten nur in der Eigenschaft als Gründungsakt eintragen zu lassen und somit einzig bei ihrer Konstituirung die Gebühr von Fr. 1. 25 °/oo zu bezahlen. Die Banque foncière du Jura existire aber bereits rechtsgültig in der Schweiz. Es könnte daher

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von einer Gleichstellung mit den französischen Gesellschaften nicht mehr gesprochen werden, wenn sie jene Gebühr zu entrichten hätte.

Schließlich köone auch die Lösung der Frage nicht davon abhängen, daß die Bank in Frankreich viele oder wenige Geschäfte abschließe, indem eine solche Unterscheidung willkürlich wäre. Sie ersuche deßhalb die Bundesbefaörden um entsprechende Intervention bei der französischen Regierung.

Bei der Prüfung der Angelegenheit schien uns zwar, daß die französischen Behörden die Eintragung der Statuten, beziehungsweise des Handelsregisterauszuges betreffend die Banque foncière du Jura und die Bezahlung der Gebuhr nicht aus dem Grunde verlangten, weil die französischen Gesellschaften die gleiche Formalität bei ihrer Gründung zu beobachten haben, sondern deßhalb, weil von ihnen die Statuten einer schweizerischen Gesellschaft, gleich wie die Auszüge aus dem schweizerischen Handelsregister, als ausländische Urkunden im Sinne von Art. 42 des Gesetzes vom 22. Frimaire, Jahr VIII, betrachtet werden. Allein im einen, wie im andern Falle würden durch eine derartige Praxis der fninzösischen Fiskalbehörden die durch das erwähnte kaiserliche Dekret vom 11. Mai 1861 gewährten Vortheile illusorisch gemacht, und damit faktisch auch die Gleichstellung der anonymen Gesellschaften in beiden Ländern aufgehoben. Denn es könnte diesem Dekrete keine Bedeutung mehr beigemessen werden, wenn eine schweizerische Gesellschaft in Frankreich für die bloße Konstatirung ihrer rechtlichen Existenz in der Schweiz und des Modus ihrer Vertretung nach Außen die hohe Gebühr von Fr. 1. 25 °/oo des in der Schweiz liegenden Gesellschaf'tsvermögens entrichten müßte.

Durch eine solche Forderung würde dem weitaus größten Theil der in der Schweiz bestehenden anonymen Gesellschaften von vornherein jeder Geschäftsabschluß in Frankreich verunmöglicht, während umgekehrt die französischen Gesellschaften in der Schweiz, frei und unbehindert von jeder Belästigung ihre geschäftlichen Operationen ausführen könnten. Wir suchten daher, im Interesse aller schweizerischen anonymen Gesellschaften, eine prinzipielle Entscheidung der vorwürfigen Frage zu erlangen, und beauftragten unsere Gesandtschaft in Paris, eine den Wünschen der Banque foncière du Jura entsprechende Lösung dieser Angelegenheit bei der französischen Regierung
zu befürworten.

Die bezüglichen Schritte waren vom besten Erfolge. Es entsprach der französische Generaldirektor ,,de l'Enregistrement, des Domaines et du Timbre" unserm Begehren in vollständiger Weise, indem von der genannten Bank nur die Bezahlung einer Taxe von Fr. 3. 75 für die Eintragung eines jeden der deponirten Akten-

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stücke, sowie einer Stempelgebühr, welche sich nach dem Umfang der für jene Dokumente verwendeten Papiere bestimmt, verlangt wurde.

13. Die Munizipalität der waadtländisclien Gemeinde St. Cergueä hatte die den schweizerischen Theil des D a p p e n t h a l e s bew o h n e n d e n F r a n z o s e n aufgefordert, ihre Ausweisschriften abzugeben und sich mit einer Niederlassungsbewilligung zu versehen.

Mehrere derselben kamen dieser Einladung nicht nach. Sie wurden daher,, gestützt auf das waadtländische Gesetz über die Ausländer vom 25. Mai 1867, mit einer Buße belegt. Infolge dessen beschwerten sich diese nun hierorts durch Vermittlung der französischen Botschaft, wobei sie geltend machten, daß sie infolge von Art. III des Vertrages zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend das Dappenthal vom 8. Dezember 1862 (A. S. VII, 450), durch welchen ihnen das Recht zur Beibehaltung des Wohnsitzes und der Niederlassung auf dem schweizerischen Gebiete eingeräumt worden der Pflicht enthoben seien, eine Aufenthaltsbewilligung nachzusuchen oder dieselbe periodisch erneuern zu lassen.

Wir konnten uns jedoch dieser Ansicht nicht anschließen. Der angezogene Art. III des Staatsvertrages von 1862 hatte nicht hezweckt, die Bewohner derjenigen Theile des Dappenthales, welche Frankreich und die Schweiz einander abgetreten haben, von den Formalitäten, wie sie von den Gesetzen und Verordnungen über die Fremdenpolizei in den beiden Staaten vorgeschrieben sind, zu entbinden, sondern sie nur gegen eine willkürliche Ausweisung aus dem Lande, welchem ihr Gebiet zugeschlagen wurde, im Falle der Option für ihre frühere Heimat zu schlitzen. Für die Entscheidung der vorliegenden Frage war lediglich der Niederlassungsvertrag mit Frankreich vom 23. Februar 1882 in Betracht zu ziehen. Darnach konnte aber in dem Vorgehen der Behörden von St. Gergues eine Verletzung der schweizerisch-französischen Verträge nicht erblickt werden, zumal alle Ausländer, wie auch die Schweizer anderer Kantone, in dem Kanton Waadt in Niederlassungs- und Aufenthaltsangelegenheiten gleich behandelt werden.

14. Der Staatsrath des Kantons Genf machte auf die großen Inkonvenienzen aufmerksam, welche für die öffentliche Sicherheit dadurch entstehen, daß in den an den K a n t o n G e n f ang r e n z e n d e n f r a n z ö s i s c h e n G e b i e t e n stets
eine große Anzahl v o n L a n d s t r e i c h e r n u n d a u s d e n f r a n z ö s i s c h e n G e f ä n g n i s s e n eo 11 a s s e n en S t r ä f l i n g e n sü-h aufhält, welche im Kanton Genf zahlreiche nächtliche Einbruchsdiebstähle und andere Verbrechen besehen.

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Dies veranlaßte uns, auf diplomatischem Wege die französische Regierung zu ersuchen, für Beseitigung dieser Uebelstäode und für Handhabung einer Grenzpolizei, wie sie guter Nachbarschaft entspreche, besorgt sein zu wollen.

Das französische Ministerium kam unserm Ansuchen in bereitwilligster Weise entgegen, indem es Anordnungen traf, wonach in Zukunft allen rückfälligen Verbrechern gemäß Art. 19 des bezüglichen französischen Gesetzes (loi sur les récidivistes) vom 27. Mai 1885 der Aufenthalt in den Arrondissements St. Claude, Gex, Nantua, Thonon, Bonneville und St. Julien untersagt ist.

15. In Maskara (Algerien) wurde die Konkurrenzbewerbung eines daselbst niedergelassenen Schweizers für ausgeschriebene G e m e i n d e a r b e i t e n unter Umständen unberücksichtigt gelassen, welche keinen Zweifel darüber gestatteten, daß die Eigenschaft desselben als A u s l ä n d e r der einzige Grund des Ausschlusses war.

Wir sahen uns daher veranlaßt, den zuständigen französischen Behörden in offizieller Weise zur Kenntniß zu bringen, daß in der Schweiz unter gleichen thatsächliehen Verhältnissen zwischen Schweizern und Franzosen kein Unterschied gemacht werde, und daß diese Gleichstellung der Angehörigen beider Staaten als eine selbstverständliche Folge des Niederlassungsvertrages in der Schweiz allgemein anerkannt sei und somit das Gleiche auch von Seite der französischen Verwaltungen erwartet werden dürfe.

Von den französischen Behörden wurden in Würdigung dieser Ausführungen entsprechende Anordnungen getroffen, so daß jener schweizerische Angehörige noch im Beriehtjahre an mehreren Konkurrenzaussehreibungen mit Erfolg Theil nehmen konnte.

16. Von Seite der Regierung des Kantons St. Gallen wurde uns ein Civilurtheil des Bezirksgerichts St. Gallen, durch welches J a k o b L u t z - G r a f in der französischen Kolonie Nossi-Be bei Madagaskar zur Bezahlung einer größeren Summe an die klägerische Partei in 8t. Gallen für pflichtig erklärt worden, mit dem Gesuche Übermacht, für den Vollzug dieses Urtheils auf diplomatischem Wege in Gemäßheifc des Vertrages zwischen der Schweiz und Prankreich über den Gerichtsstand und die Vollziehung von Urtheilen in Civilsachen vom 15. Juni 1869 besorgt zu sein.

Wir konnten diesem Wunsche nicht entsprechen, da die Voll ziehung eines gerichtlichen Urtheils in Frankreich
nach Art. 16 des erwähnten Staatsvertrages nur auf gerichtlichem Wege von der interessirten Partei betrieben werden kann. Als Wegleitung hiefür machten wir die Regierung von St. Gallen darauf aufmerksam, daß Bandesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

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vor Allem auf dem Urtheil die Légalisation der Unterschrift des Gerichtspräsidenten in St. Galleu durch den Obergerichtspräsidenten zu geschehen habe, welcher die Beurkundungen seitens der Staatskanzlei, des Bundeskanzlers und der französischen Botschaft zu folgen haben, wobei in die Legalisationsformel des Obergerichtes aufzunehmen wäre, daß das bei der Fällung des Urtheils beobachtete Verfahren den Prozeßformen des Kantons St. Gallen entspreche.

Sodann habe die klägerische Partei in der Kolonie Nossi-Be einen Repräsentanten zu wählen und zu dessen Gunsten eine Vollmacht auszustellen, welche von den gleichen Amtsstellen wie das Urtheil zu legalisiren sei. Diese Vollmacht wäre hierauf mit dem Urtheile und den anderen Belegen dem Bevollmächtigten zu übersenden, der nun seinerseits bei dem kompetenten Gerichte am Wohnorte des Schuldners das Exequatur für das Urtheil nachzusuchen und in der dort üblichen Form den Schuldner zu belangen hätte.

17. J. B. Monnin in Pruntrut sah sich veranlaßt, durch unsere Vermittlung die Vergütung seiner Baarauslagen von Fr. 155, welche ihm durch seine Citation als Z e u g e in e i n e r S t r a f s a c h e vor d a s k o r r e k t i o n e i l e G e r i c h t i n P a r i s entstanden waren, gestützt auf Art. 14 .des Auslieferungsvertrages mit Frankreich vom 9. Juli 1869 bei der französischen Regierung auf diplomatischem Wege nachsuchen zu lassen. Diese bewilligte indessen nach Maßgabe des frantosi seh en Kriminaltarifs von 1811, wonach als Reiseentschädigung Fr. 1. 50 per Myriameter berechnet wird, für die in Betracht kommende Entfernung von 90,5 Myriametern nur dea Betrag von Fr. 135. 75, während die Auslagen für Verköstigung u. dgl. nicht in Anschlag gebracht wurden, weil der Zeuge blos an einem Tag bei einer Verhandlung anwesend war.

18. Die drei vom Vorjahre her pendenten Fälle von Uebertretungen der schweizerisch-französischen U e b e r e i n k u n f t betreffend gleichartige B e s t i m m u n g e n ü b e r die F i s c h e r e i in den G r e n z g e w ä s s e r n (Bundesbl. 1889, II, 719) haben durch Verurtheilung der den Gerichten überwiesenen Individuen ihre Erledigung gefunden. Im Berichtjahre hat uns nur ein neuer Fall dieser Art beschäftigt. Es wurde in demselben nach bisheriger Praxis der durch die französische Botschaft übermittelte Verbalprozeß dem zuständigen
(bernischen) Richter zur Beurtheilung überwiesen, von welchem dem Fehlbaren eine Geldbuße von Fr. 20 und die Tragung der Kosten auferlegt worden ist.

19. Die kgl. italienische Gesandtschaft beschwerte sich darüber, daß entgegen den Bestimmungen des Niederlassungs Vertrages zwischen der Schweiz und Italien vom 22. Juli 1868 (A. S. IX, 706)

145 .die im K a n t o n T essin n i e d e r g e l a s s e n e n I t a l i e n e r alle vier Jahre zur E r n e u e r u n g ihrer Niederlassungsbewilligungen und Bezahlung der entsprechenden gesetzlichen Gebühren angehalten werden.

Der Staatsrath des Kantons Tessin, zur Vernehmlassung hierüber eingeladen, erachtete jenes Verfahren als zuläßig, da keine entgegenstehenden bundesräthlichen Vorschriften bestehen; zudem liege es in Anbetracht der italienischen Gesetzgebung, welche einen Verzicht auf das dortige Bürgerrecht leicht ermögliche, im öffentlichen Interesse des Kantons Tessin, in fraglicher Weise zu handeln.

Wenn der Bundesrath glaube, daß dies den internationalen Verträgen widerspreche, so müsse im Kanton Tessin das Bundesgesetz vom 10. Dezember 1849 über die Dauer und die Kosten der Niederlassungsbewilligung (A. S. I, 271), das noch Gültigkeit habe, in Anwendung gebracht und auch die Schweizer anderer Kantone verpflichtet werden, ihre Niederlassungsscheine periodisch erneuern zu lassen, womit dann jeglicher Grund zur Reklamation wegen ungleicher Behandlung wegfalle.

Wir antworteten hierauf, daß nach dem klaren Wortlaute des Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und Italien es keinem Zweifel unterliege, daß die in der Schweiz niedergelassenen Italiener Anspruch haben auf die Vortheile von Art. 45 der Bundesverfassung und die in Ausführung dieses Artikels am 6. Dezember 1875 und 31. Januar 1876 (Bundesbl. 1875, IV, 1011 und 1876, I, 245) erlassenen Kreisschreiben. In diesen letztern sei gezeigt worden, in welchen Punkten das Bundesgesetz vom 10. Dezember 1849 durch die Bundesverfassung von 1874 modifizirt worden sei. Dahin gehöre vor Allem, daß die einmal erworbene Niederlassungsbewilligung dauernd gültig sei und keiner periodischen Erneuerung bedürfe, sowie daß die für jene bezahlte Gebühr nicht noch einmal entrichtet werden müsse. Indessen verstehe sich von selbst, daß, wenn ein Ausweispapier von b e s c h r ä n k t e r Dauer vorgewiesen werde, die Niederlassung nur für die Zeit bewilligt zu werden brauche, während welcher die Legitimation Gültigkeit besitze. Ueberhaupt habe der Niedergelassene einen Anspruch auf diese Eigenschaft nur so lange, als er sich durch gehörige Papiere ausweisen könne. Es stehe daher nichts entgegen, den Inhaber einer ungültigen (abgelaufenen) Legitimation
zur Beschaffung eines neuen Papieres anzuhalten oder, wenn er dieser Aufforderung nicht nachkommen sollte, denselben auszuweisen.

Daraufhin erließ der Staatsrath des Kantons Tessin eine neue Verordnung über die Aufenthaltsgebühren der Ausländer (ordinanza concernente i ricapiti di soggiorno dei forestieri) vom 7. August

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1889, nach deren Art. l die vierjährige Erneuerung der Niederlassungsbewilligung für diejenigen Ausländer wegfällt, mit deren Staaten die Schweiz Niederlassungsverträge abgeschlossen hat.

20. Von Seite der G e n f e r Behörden wurde den Erben einer iu Versoix verstorbenen R u s s i n , welche Geschwisterkinder und Kinder von Geschwisterkindern der letztem waren, die nach dem genferischen Gesetze von 1887 für diese Verwandtschaftsgrade aufgestellte E r b s c h a f t s s t e u e r von 12, beziehungsweise 18% zur Bezahlung auferlegt.

Auf Veranlassung eines der Erbeu beschwerte sich die kaiaerl.

russische Gesandtschaft bei dem Bundesrathe gegen die Höhe jener Steuer. Sie betonte dabei namentlich, daß das genferische Gesetz von 1887 im Widerspruch stehe mit dem schweizerisch-russischen Niederlassungsvertrage von 1873, welchen das Prinzip der vollständigen gegenseitigen Reziprozität beherrsche. Durch jenes Gesetz aber seien die Russen im Kanton Genf in eine ungünstigere Stellung versetzt, als die Schweizer in Rußland, da irn letzteren Lande im gleichen Fall von der Verlassenschaft eines Schweizerbürgers nur eine Steuer von 8 °/o bezogen würde.

Der Staatsrath des Kantons Genf erklärte im Wesentlichen, daß durch die Staatsverträge der Schweiz mit dem Auslande dem Kanton Genf nicht das Recht benommen sei, seine Erbschaftssteuer beliebig zu normiren Es habe Rußland von diesem Rechte selbst Gebrauch gemacht, indem es irn Jahre 1882 seine bezüglichen Ausätze abänderte. Wollte auf das Begehren der russischen Gesandtschaft eingetreten werden, so müßte den andern Ausländern dieselbe Begünstigung gewährt werden, was zur Folge hätte, daß die meisten Fremden in Gent' besser gestellt wären, als die Einheimischen.

Andererseits würde die Anwendung der Reziprozität im Sinne der Beschwerde auch dazu führen, daß die russische Regierung in denjenigen Fällen gar keine Erbschaftssteuer von dem Nachlaß verstorbener Schweizer in Rußland beziehen dürfte, wo der Heimatkanton eine solche nicht kennt. Dies würde aber wohl von Seite der russischen Behörden nicht geschehen, weil hierdurch für ihre eigenen Angehörigen eine schlechtere Stellung geschaffen würde, als die Ausländer hätten.

Wir mußten uns, da die Gesetzgebung übei die Erbschaftssteuer nicht dem Bunde zusteht, auf die Vermittlung dieser Erwiderung des Staatsrathes
von Genf an die russische Gesandtschaft beschränken und bemerkten nur, d«ß nach unserer Ansicht das fragliche Gesetz des Kantons Genf weder allgemeine Rechtsprinzipien, noch die Grundsätze verletze, welche in dem Niederlassuugsvertrage

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zwischen der Schweiz und Rußland enthalten seien, indem nach jenem Gesetze die Russen und alle Fremden im Kanton Genf gleich behandelt werden wie die eigenen Angehörigen.

21. Der russische Fiskus verlangte für den bei e i n e r B a n k i n Rußland d e p o n i r t e n N a c h l a ß e i n e r i n i h r e r H e i m a t v e r s t o r b e n e n N e u e n b u r g e r i n v o n d e m schweizerischen Konsulate in Warschau, das diese Verlassenschaftsangelegenheit besorgte, die Bezahlung einer E r b s c h a f t s s t e u e r , sofern nicht nachgewiesen werden könne, daß die Schweiz in einem ähnlichen Falle vom Nachlasse eines Russen keine solche Steuer erhebe. Auf die bezügliche Anfrage seitens des genannten Konsulates antworteten wir, daß in der Schweiz über das Erbrecht keine einheitlichen Bestimmungen bestehen, daß vielmehr dasselbe durch die einzelnen , Kantone verschiedenartig gesetzlich geregelt ist und dementsprechend auch die Frage der Besteurung von Erbschaften. Gemäß den hierorts im Jahre 1883 gemachten Erhebungen wird in folgenden Kantonen eine Erbschaftssteuer bezogen : Zürich, Bern, Luzern, Uri, Zug, Freiburg, Solothurn, Baselstadt, Baselland, Schaffhausen, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Neuenburg und Genf; während in den Kantonen Schwyz, Obwalden, Nidwaiden, Glarus, Appenzell Außerund Jnnerrhoden, St. Gallen, Graubünden und Wallis keine solche erhoben wird. Da die in Frage stehende Erblasserin eine Angehörige des Kantons Neuenburg ist, welcher seinerseits Erbschaftsgebühren bezieht, so scheint die Entrichtung der von dem russischen Fiskus beanspruchten Steuer nicht abgelehnt werden zu können.

22. Laut Bericht der schweizerischen Gesandtschaft in Paris scheint es öfters zu geschehen, daß die Kantone bei der B e s t e l l u n g einer V o r m u n d s c h a f t für ihre Angehörigen in F r a n k r e i c h Schwierigkeiten machen. -- So halle das Justizdepartement des Kantons Baselstadt im Laufe dieses Jahres in einem Falle, wo in Paris die Mutter einer dort wohnenden Basler Familie unter Hinterlassung eines bedeutenden Vermögens gestorben war, auf das Begehren der Gesandtschaft in Paris um Bestellung eines Vormunds für ein minderjähriges Kind erklärt, es werde auf eine vormundschaftliche Aufsicht verzichtet, da im Hinblick auf die Verantwortlichkeit und im Interesse einer geordneten Verwaltung es
ungeeignet erscheine, gemäß dem Vorschlage der Gesandtschaft eine auswärts wohnhafte Person zur Führung einer baslerischen Vormundschaft zu bestellen. Zudem huldige das Vormundschaftsgesetz von Basel dem Territorialprinzipe und gebe der Gesetzgeber die Bestellung der Vormundschaft durch die Basler Behörden für auswärts wohnhafte Kantonsbürger bis zu einem gewissen Grade dem freien Ermessen

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des Waisenamtes anheim, so daß das letztere dazu von der Oberaufsichtsbehörde nicht genöthigt werden könne.

Die Gesandtschaft, mit dieser Erklärung nicht befriedigt, machte die Basler Behörden darauf aufmerksam, daß die Vormundschaft sbehörden Frankreichs gemäß Art. 10 und 11 des schweizerischfranzösischen Staatsvert rages vom 15. Juni 1869 verpflichtet sind, sich ex officio als inkompetent zu erklären, und daß daher au eine französische Vormundschaft im vorliegenden Falle nicht zu denken sei. Es würde somit, wenn die Basler Behörden auf ihrem Standpunkt verharren wollten, ein Fall der Rechtsverweigerung vorliegen. -- Diese Erörterungen hatten zur Folge, daß die Justizkommission von Baselsladt das dortige Waisenamt anwies, die betreffende Vormundschaft zu übernehmen: 23. Infolge. Ablebens eines in Pontresina (Graubünden) wohnenden ' E n g l ä n d e r s sollten dessen z w e i m i n d e r j ä h r i g e K i n d e r u n t e r V o r m u n d s c h a f t gestellt werden. Die Regierung von Graubünden wünschte, es möchten auf diplomatischem Wege die heimatlichen Behörden angefragt werden, ob s i e die Bestellung der Vormundschaft vornehmen oder diese Befugniß an die Behörden des Wohnortes delegiren wollten. Wir.sahen uns nicht veranlaßt, diesem Ansuchen zu entsprechen, da die graubündnerischen Behörden ohne Zweifel kompetent sind, die Vormundschaft anzuordnen, den Vogt zu bestellen und alle weiteren eventuell nöthigen Maßnahmen vorzunehmen, ohne hiefür einer Ermächtigung aus England zu bedürfen, zumal zwischen der Schweiz und Großbritannien ein Vertrag über das Vormundschaftswesen nicht besteht. Nach Einsetzung der Vormundschaft kann seitens der graubündnerischen Behörden von dem bezüglichen Dekrete der englischen Vormundschaftsbehörde Mittheilung gemacht werden, wodurch diese Gelegenheit erhält, allf'ällige Anträge zu stellen.

24. Durch eine neue "Instruktion für die k. k. G r e n z zollämter in ihrer Stellung als Grenzpolizeiämter in Tirol und Vorarlberg" haben die auf ausländischem Boden befindlichen österreichischen Zollbehörden die Weisung erhalten, die von ihnen polizeilich angehaltenen Reisenden nebst den etwa in Beschlag genommenen Gegenständen den kompetenten ausländischen Behörden zu übergeben. Mit Rücksicht hierauf ersuchte die k. und k.

österreichisch-ungarische Gesandtschaft, es möchten
schweizerischerseits diejenigen Amtsstellen bezeichnet werden, welche ermächtigt seien, die von den k. k. Grenzzollämtern auf den B a h n h ö f e n zu St. Margreth en und B u c h s angehaltenen Personen in Empfang zu nehmen.

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Im Anschluß an diese Mittheilung machte uns dieselbe Gesandtschaft unter Hinweis auf einen speziellen Vorfall zu Buchs aus dem Jahr 1884 auf den Umstand aufmerksam, daß den ö s t e r r e i c h i s c h e n Z o l l o r g a n e n in St. M a r g r e t h e n und Buchs seitens der st. gallischen Behörden nicht das Recht zugestanden werden wolle, auf diesen Grenzbahnhöfen p o l i z e i l i c h e F u n k t i o n e n auszuüben, obschon deren Vornahme der Schweiz gegenüber durch Art. 21 des Staatsvertrages zwischen der Schweiz, Oesterreich-Ungarn und Bayern vom 27. August 1870 betreffend die Herstellung einer Eisenbahn von Lindau über Bregenz nach St. Margarethen, sowie von Feldkirch nach Buchs (A. S. X, 380) begründet erscheine. Es möchten daher den betheiligten schweizerischen Organen auf geeignetem Wege die erforderlichen Weisungen .ertheilt werden.

Aus der erwähnten österreichischen Instruktion ging hervor, daß den k. k. Zollämtern in St. Margrethen und Buchs u. A. das Recht eingeräumt wäre, nach Oesterreich reisende Personen aus p o l i z e i l i c h e n Gründen einem eingehenden Verhör zu unterziehen und sogar auf den Leib zu visitiren, sowie österreichische Stellungsflüchtige zu verhaften und mittelst Eskorte der nächsten österreichischen Behörde zu weiterer Verfügung zuzuführen.

Da die Ausübung solcher Befugnisse auf schweizerischem Gebiete ausländischen Behörden nicht zugestanden werden kann, wurde der k. und k. Gesandtschaft erwidert, daß der Bundesrath nicht in der Lage sei, den schweizerischen Polizeiorganen auf den Greazbahnhöfen zu St. Margrethen und Buchs Anleitungen in gewünschtem Sinne zukommen zu lassen. Die Vornahme solch weitgehender polizeilicher Amtshandlungen, wie sie in der mitgetheilten Instruktion vorgesehen seien, stehe mit Art. 11 des erwähnten Staatsvertrages vom 27. August 1870 im Widerspruch, welcher bestimme, daß jeder Regierung für die auf ihrem Gebiete befindlichen Bahnstrecken die volle Landeshoheit (also auch die Ausübung der Justiz- und Polizeigewalt) unbedingt und ausschließlieh vorbehalten sei.

Der Bundesrath vertrete seinerseits die Ansicht, daß die Amtshandlungen polizeilicher Natur, deren Vornahme seitens der österreichischen Zollorgaue in den genannten^Grenzbahnhöfen als zuläßig ·erscheine, nur die Paß- und Fremdenpolizei irn engsten Sinne betreffen können. Was
insbesondere die Handhabung der Fremdenpolizei betreffe, so dürften die k. k. Grenzzollbeamten dazu berufen sein, in ihrer Eigenschaft als Polizeibeamte namentlich überall da aufzutreten, wo die Mitwirkung der österreichischen Polizei in der Natur der Sache liege, so bei der Uebergabe und Uebernahme von auszuliefernden Verbrechern oder ausgewiesenen Individuen. Ferner könne den erwähnten Beamten schweizerischerseits ohne Anstand

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die Befugniß zuerkannt werden, sicherheitsgefährliche Individuen, sowie ausgeschriebene Verbrecher innerhalb jener Bahnhöfe, polizeilich anzuhalten, immerhin unter der Voraussetzung, daß solche Individuen ohne Verzug den schweizerischen Polizeibediensteten zum Zwecke der Verhaftung übergeben werden.

Zur Uebernahme dieser Personen seien die st. gallischen Landjäger oder in deren Abwesenheit die Gemeindeämter von St. Margrethen und Buchs, -- zur Empfangnahme der allfällig saisirten Gegenstände diese Gemeindeämter, beziehungsweise die Bezirksämter Unterrheinthal und Werdenberg ermächtigt.

Der Bundesrath habe indessen bei Prüfung dieser Verhältnisse die Ueberzeugung gewonnen, daß auch der Polizeidienst auf den mehrerwähnten Eisenbahnstationen näher geregelt werden sollte, was wohl in der Weise geschehen könnte, daß die von den beiden Regierungen als maßgebend erachteten Grundsätze in der Form einer ,,Erklärung" zusammengefaßt würden.

Eine Rückäußerung hierauf ist uns von Seite der k. und k.

Regierung noch nicht zugekommen.

26. Das königlich b a y r i s c h e B e z i r k s a m t S c h o n g a u , welches von dem Polizeidepartemente des Kantons Neuenburg um Beschaffung eines -Heimatscheines ersucht wurde, verlangte, daß in d e u t s c h e r Sprache mit ihm korrespondirt werde, von der Ansicht ausgehend, es müsse der gesammte G e s c h ä f t s v e r k e h r z w i s c h e n der S c h w e i z und D e u t s c h l a n d in dieser Sprache geführt werden. Wir gaben der k. bayrischen Regierung von diesem Vorgange Kenntniß und machten dabei den Grundsatz der Gleichberechtigung der Sprachen beider Länder geltend. Diese anerkannte unsere bezügliche Reklamation ohne Weiteres als begründet und ließ den dortigen Bezirksämtern entsprechende Instruktionen zugehen (vergi. Bundesbl. 1887, II, 671, Ziff. 27).

26. Im Berichtjahre haben 104 (1888: 110) deutsche Staatsangehörige, welche aus Italien ausgewiesen w o r d e n (vergl. letztjährigen Geschäftsbericht, Bundesbl. 1889, II, 721, Ziff. 24), die Schweiz transitirt. Es beliefen sich die von Italien vergüteten Transportkosten auf Fr. 2909. 93.

Bekanntlich findet hierbei gemäß Art. VII der Erklärung zwischen der Schweiz und Italien vom 12. Januar 1885 (A. S. n.

F., VIII, 65) die Liquidirung der Kosten auf d i p l o m a t i s c h e m W e g e statt, während nach Art. Ili der Erklärung vom 25. Juli 1873 zwischen der Schweiz, dem deutschen Reiche und Italien (Bundesbl. 1873, III, 569) die Rückerstattung der Kosten für den

15t Transport und Unterhalt solcher Individuen, welche von Deutschland an Italien oder umgekehrt a u s g e l i e f e r t werden, bei der Uebergabe des Verhafteten durch den ü b e r n e h m e n d e n deutschen, bezw. italienischen Beamten an den abliefernden schweizerischen Agenten zu erfolgen hat.

27. Eine Anfrage des großherzoglich badischen Bezirksamtes Freiburg i. Br. an die Behörden des Kantons Baselstadt, ob d e r A b s c h i e b u n g von vier zu Freiburg irn Strafverhafte befindlichen I t a l i e n e r n an die Seh w ei z e r g r e n z e und deren Uebernahine ein Hinderniß entgegenstehe, beantworteten wir dahin, daß die bloße Uebersetzung dieser Individuen auf schweizerisches Gebiet nicht gestattet werden könne. Dagegen werde zu ihrem Transite durch die Schweiz und zur Uebergabe an die italienischen Behörden bereitwillig Hand geboten, wenn seitens der deutschen Behörden bezüglich Ort und Zeit der Uebernahme jener Personen an der schweizerisch-italienischen Grenze eine Verständigung mit Italien getroffen und dem Bundesrathe von dem bezüglichen Resultate Kenntniß gegehen werde unter Zusicherung der Rückerstattung der entstehenden Kosten. Es entspricht dieses Verfahren den internationalen Pflichten und insbesondere auch der Uebereinkunft zwischen dem deutschen Reiche und Italien vom 8. August 1873 betreffend die gegenseitige Unterstützung Hülfsbedürftiger (Zentralblatt für das deutsche Reich 1873, S. 281), indem dieselbe in Art. l vorschreibt, daß jeder Theil die Verpflegung der Angehörigen des andern Theiles zu bestreiten und denselben die zur Rückkehr in die Heimat erforderlichen Mittel b i s z u r G r e n z e d e s H e i m a t l a n d e s z u gewähreil habe.

28. Unser Justiz-Qind Polizeidepartement hatte während des Berichtjahres in 96 Fällen (1888 in 113, 1887 in 108) bei der Vermittlung von R e q u i s i t o r i a l i en ausländischer Behörden an schweizerische Gerichte und umgekehrt mitzuwirken. 58 derselben bezogen sich auf Civilangelegenheiten, 38 auf Strafsachen.

Von, den s c h w e i z e r i s c h e n Rogatorien wnren 7 an Belgien, 6 an Frankreich, je 5 an die Vereinigten Staaten von Amerika und die Niederlande, 4 an Großbritannien , je 2 an Deutschland und Rußland und je l an Argentinien, Brasilien, Monaco, Norwegen, Oesterreich, Portugal und Rumänien gerichlet, während andererseits
von den a u s l ä n d i s c h e n Rogatorien je 23 aus Frankreich und Spanien, 5 aus Rußland und je l aus Belgien, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Oesterreich, Rumänien und den Vereinigten Staaten von Amerika auf diplomatischem Wege zur .

Vollziehung in der Schweiz an uns gelangt sind.

152 5 der eingegangenen Rogatorien hatten am Schlüsse des Jahres ihre Erledigung noch nicht gefunden. -- Bezüglich der schweizerischen Rogatorien nach P o r t u g a l ist darauf hinzuweisen, daß die dortige Regierung die Vollziehung derselben nur einleitet, wenn diese die Beglaubigung des portugiesischen Generalkonsulates in Bern tragen. Es hat daher auf solchen Ersuchschreiben vor Allem die Légalisation der Unterschrift des requirirenden Beamten durch die kantonale Staatskanzlei stattzufinden, welcher hierauf diejenige des Bundeskanzlers und des portugiesischen Repräsentanten folgt.

29. Unsere Gesandtschaft in Wien, welcher bei der Vollziehung eines schweizerischen Requisitorials durch ein ungarisches Gerieht das bezügliche in u n g a r i s c h e r S p r a c h e a b g e f a ß t e Protokoll ohne Begleitung einer deutschen, französ i s c h e n o d e r i t a l i e n i s c h e n U e b e r s e t z u n g zugekommen war, benutzte diesen Anlaß, bei dem k. u. k. österreichisch-ungarischen Ministerium des Aeußern das Gesuch zu stellen, es möchte in Zukunft solchen und ähnlichen gerichtlichen Dokumenten, welche nicht in einer der schweizerischen Nationalsprachen abgefaßt sind, eine beglaubigte Uebersetzung beigelegt werden.

Es wurde daraufhin geantwortet, daß nach den Grundsätzen, welche für den Verkehr der ungarischen Gerichte mit denen des Auslandes im Allgemeinen gelten, ungarischen Aktenstücken von Amtes wegen nur dann TJebersetzungeu beigegeben werden, wenn es sich um ein seitens einer ungarischen an eine ausländische Behörde gerichtetes Ansuchen handelt, daß hingegen die ungarischen Behörden in Vollziehung einer auswärtigen Requisition dieser nur für den B'all eine Uebersetzung beilegen, als eine solche unter Zusicherung des Kostenersatzes ausdrücklich begehrt .wird.

30. Gemäß dem g r o ß b r i t a n n i s c h e n Gesetz 19 und 20 Victoria c. 113 vom 29. Juli 1856 kann in Civilsachen auf Ansuchen eines fremden Gerichtes die E i n v e r n a h m e v o n Z e u g e n i n d e m V e r e i n i g t e n K ö n i g r e i c h e durch d i e englischen Behörden vorgenommen werden. Von den Bestimmungen dieses Gesetzes ist im Wesentlichen Folgendes hervorzuheben.

Das Ersuchschreiben muß von dem Richter oder Gerichte, bei welchem der in Frage kommende Prozeß pendent ist, an den höchsten Gerichtshof (Queen's Bench
Division} in London gerichtet werden. Es sind in demselben die Verhältnisse, um die es sich handelt, kurz und präzis anzugeben, sowie die Namen und Adressen der einzuvernehmenden Zeugen deutlich und ausführlich zu bezeichnen. Im Weitem muß das Requisitoria! die Fragen, welche an die

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Zeugen gerichtet werden, oder die Thatsachen, über welche diese sich aussprechen sollen, enthalten. Die Unterschrift des requirirenden Beamten ist zu beglaubigen (vergl. den letztjährigen Geschäftsbericht, Bundesbl. 1889, II, 726/727). Die Vermittlung des Ersuchschreibens geschieht auf diplomatischem Wege. Bevor der Repräsentant des auswärtigen Staates in England (also für die Schweiz das Generalkonsulat in London) das Rogatorium den englischen Behörden zukommen läßt, hat er demselben ein Zeugniss des Inhaltes beizufügen, daß das kompetente Gericht in der Sache handle und diese keine politische Angelegenheit betreffe. Die Queen's Bench Division wird nach Empfang eines solchen Requisitorials einen englischen Richter oder einen anderen Beamten (z. B. auch den schweizerischen Generalkonsul oder seinen Vertreter) zur Vornahme der gewünschten Zeugenabhörungen ermächtigen. Der delegirte Richter oder Beamte kann die Zeugen zürn Erscheinen und zur Abgabe der verlangten Erklärungen, sowie zum Assertionseide zwingen. Dagegen sind dieselben nicht verpflichtet, auf Fragen zu antworten, die Anschuldigungen gegen sie, enthalten. Die Zeugen müssen für den Zeitverlust und die gehabten Auslagen sofort entschädigt werden, wie wenn sie in einem vor einem englischen Gerichte anhängigen Prozesse erschienen wären.

Dieses gleiche Verfahren kann nach dem englischen Gesetze vom 9. August 1870 (Auslieferungsakte) auch bei Requisitorien in S t r a f s a c h e n Platz greifen.

31. Das Obergericht des Kantons Thurgau hatte die Entscheidung getroffen, daß in den bei deutschen Gerichten anhängigen Strafprozessen, bei welchen es sich nur um Polizeiübertretungen handelt, die nicht unter die im Auslieferungsvertrage zwischen der Schweiz und Deutschland von 1874 aufgeführten Verbrechen fallen, die Kosten für die Vollziehung von Rogatorien von den requirirenden deutschen Behörden eingezogen w e r d e n d ü r f e n . Dem entsprechend hatte ein thurgauisches Bezirksgericht für die Insinuation von Verfügungen eines deutschen Gerichtes in Fällen betreffend Jagdvergehen und Zolldefraudation die Zustellungskosten und Portiauslagen mittelst Nachnahme erhoben.

Durch eine Reklamation seitens der deutschen Regierung auf O O dieses vertragswidrige Verfahren aufmerksam gemacht, veranlaßten wir eine .entsprechende Abänderung der erwähnten
Entscheidung des thurgauischen Obergerichtes. Die Vorschriften in den Art. 12 bis 14 des Auslieferungsvertrages mit Deutschland, welche die außerhalb der Auslieferung in Strafsachen zu leistende Rechtshülfe betreffen, beschränken sich nämlich keineswegs auf die in Art. l

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des Vertrages aufgeführten Delikte, sondern setzen voraus, daß es sich überhaupt um ein Strafverfahren, und zwar ein nicht politisches, handelt. Gemäß Art. 12, Absatz 2, des genannten Vertrages muß aber den auf Vornahme einer Untersuchungshandlung gerichteten Ersuchschreiben kostenfrei entsprochen werden. Daß hier nicht lediglich an solche Straffälle gedacht ist, in welchen eine Auslieferung beansprucht werden könnte, findet auch darin seine Bestätigung, daß die Ausführung der Rogatorien nach Art. 12 verweigert werden kann, wenn das Verfahren gegen einen, von der requirirenden Behörde noch nicht verhafteten Angehörigen des angesprochenen Landes gerichtet ist, oder wenn die Untersuchung eine Handlung zum Gegenstande hat, welche nach den Gesetzen des ersuchten Landes nicht strafbar ist. Denn in diesen beiden Ausnahmefällen würde eine Auslieferung überhaupt nicht in Frage kommen können und die Zulassung dieser Ausnahme würde gegenstandslos gewesen sein, wenn die Regel des Art. 12 in der That dahin gehen sollte, daß die Erledigung von Requisitorien nur insoweit stattzufinden hat, als auch eine Auslieferung zulässig wäre.

32. Durch einen Spezialfall wurden wir neuerdings veranlaßt, ans mit der Interpretation des A r t . 21, Abs. 2, des S t a a t s v e r t r a g e s m i t P r a n k r e i c h v o m 15. J u n i 1869 u n d d e r K o s t e n f r a g e f ü r d e n V o l l z u g v o n Rogato r i e n z u beschäftigen (vgl. den Fall Borgel-Pilet, Bundesbl. 1887, II, 670).

Es handelte sich nämlich um eine von den Pariser Gerichtsbehörden anzuordnende E x p e r t i s e über den Gesundheitszustand einer in Paris wohnenden Französin, Fräulein F é r o n , welche vor den waadtländischen Gerichten gegen die S. 0. S.-Bahngesellschaft auf Entschädigung wegen Verletzung beim Eisenbahnbetriebe geklagt hatte.

In Uebereinstimmung mit den französischen Behörden kamen wir zu der Ansicht, daß in Fällen der vorliegenden Art, wo ausschließlich Privatinteressen im Spiele liegen, eine gewisse Abschwächung des im Vertrage von 1869 aufgestellten Grundsatzes der Unentgeltlichkeit der Rechtshülfe anzuerkennen sei, zumal bei Abschluß des Vertrages jenes Prinzip kaum in einer absolut strikten Form habe aufgestellt werden wollen. Dem entsprechend deponirte die Klägerin einen Kostenvorschuß.

33. Der Instruktionsrichter zu Varese
(Italien) ersuchte den Untersuchungsrichter zu Locamo mittelst Requisitori l um Einvernahme mehrerer Personen im Kanton Tessin mit Bezug auf einen von dem i t a l i e n i s c h e n Z o l l a m t e 7. u L u ino ( I t a l i e n ) e n t d e c k t e n T a b a ksch m u g g e l .

155 Der tessinische Untersuchungsrichter, im Zweifel darüber, ob «r diesem Rogatorium Folge leisten solle oder nicht, legte uns dasselbe zur Einsicht vor.

In unserm Antwortschreiben stützten wir uns auf Art. 9 und 10 der Uebereinkunt't zwischen der Schweiz und Italien über den .Zolldienst in den internationalen Bahnhöfen Chiasso und Luino vom 15. Dezember 1882 (A. S. n. F., VII, 193), durch welche die Frage der gerichtlichen Verfolgung von Uebertretungen gegen die Zollvorschriften geregelt ist. Darnach haben allerdings die Behörden desjenigen Staates, in welchem die internationale Station liegt, auf Ersuchen der kompetenten Behörde des Staates, zu dem das Zollbüretui gehört, Zeugen und Sachverständige bei Zollübertretungen einzuvernehmen, Haussuchungen anzuordnen u. s. w.

Diese Bestimmung will aber lediglich dem Staate, welchem das auf ausländischen) Gebiete befindliche Bureau angehört, die Möglichkeit geben, die von diesem Bureau entdeckten und zu seinem Nachtheil geschehenen Zollübertretungen gerichtlich untersuchen zu können. Dali aber die Schweiz bei entdeckten Zollübertretungen in C h i a s s o (Tessin) berechtigt wäre, amtliche Erhebungen durch die italienischen Behörden auf dem Requisitionswege zu verlangen, scheint durch den Wortlaut des betreffenden Artikels ausgeschlossen zu sein, weßhalb auch Italien bei Uebertretungen von italienischen Zollvorschriften in L u i n o nicht berechtigt sein kann, die schweizerischen Gerichte in Anspruch zu nehmen. In Anbetracht dessen gaben wir die Weisung, es solle das fragliche Rogatorium dem Untersuchungsrichter zu Vacese mit dem Bemerken zurückgesandt werden, daß gemäß Art. 9 und 10 der genannten Uebereinkunft eine schweizerische Behörde zur Vollziehung desselben nicht verpflichtet sei; wenn jedoch auf demselben beharrt werden wolle, so möge es auf diplomatischem Wege an den Bundesrath übersandt werden.

3e. Die Zahl der Fälle von H e i m s c h a f f u n g e n v e r l a s s e n e r K i n d e r , G e i s t e s k r a n k e r u n d s o l c h e r Personen, welche der ö f f e n t l i c h e n Wohlthätigkeit anh e i m g e f a l l e n s i n d , belief sich im Berichtjahre auf 131 (1888: 171, 1887: 168) und betraf 152 Personen.

Die Schweiz wurde seitens des A u s l a n d e s um die Heinischaffung von 86 Personen (78 Gesuche umfassend) angegangen, nämlich von
45 verlassenen Kindern, 34 Geisteskranken und 7 Hilfsbedürftigen. Aus Frankreich liefen 71 Gesuche ein, ferner je 2 aus Deutschland, Italien und Oesterreieh und l aus den Niederlanden. Von den 86 Personen wurden 12 nicht anerkannt, 66 dagegen als schweizerische Angehörige ermittelt und übernommen;

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in 5 Fällen wurde das Heimschaffungsbegehren vor Feststellung des Heimatrechtes der betreffenden Personen zurückgezogen und 3 sind pendent geblieben.

Die S c h w e i z stellte an das Ausland 53 Heimschaffungsbegehren, und zwar 31 an Frankreich, 12 an Italien, 4 an Oesterreich und je 3 an Deutschland und Rußland. Dieselben betrafen 16 verwaiste und verlassene Kinder, 29 Geisteskranke und 21 der öffentlichen Wohlthätigkeit Anheimgefallene, zusammen 66 Personen.

Davon wurden 50 vom Ausland als Angehörige anerkannt, während bezüglich 4 Personen die Heimnahme abgelehnt worden ist; betreifend 7 Individuen standen die Erklärungen der fremden Regierungen arn Ende des Jahres noch aus. 5 Begehren wurden von den Kantonsregierungen vor Abschluß der Verhandlungen zurückgezogen.

35. Von Seite der russischen Behörden wird dem auf diplomatischem Wege gestellten Begehren um H e i m n a h m e e i n e s g e i s t e s k r a n k e n R u s s e n nicht schon nach Vorlage der nöthigen Ausweispapiere und eines Arztzeugnisses Folge gegeben, sondern erst nachdem eine förmliche Konstatirungo der Geisteskrankheit des betreffenden russischen Staatsangehörigen durch die Behörden des Ortes, wo sich derselbe aufhält, in Gegenwart eines Delegirten der kaiserlich russischen Gesandtschaft in Bern stattgefunden hat. Der Zeitpunkt für eine solche gemeinschaftliche Untersuchung kann von den Lokalbehörden mit der genannten Gesandtschaft direkt vereinbart werden.

36. Die Behörden des Kantons Thurgau stelltendas Gesuch, es möchte bei der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, die Heimnahme und Versorgung der in Arbon wohnhaften geisteskranken K a t h ari n a K e m p t e r von C h i cag o, Illinois, in einer amerikanischen Anstalt erwirkt und dabei die Zusicherung erlangt werden, daß die Stadt Chicago die bis dahin entstehenden Verpflegungskosten, sowie die Auslagen für den Heimtransport übernehme.

Wir mußten jedoch eine bezügliche diplomatische Verwendungablehnen, da eine solche nach Maßgabe früherer ähnlicher Fälle (vergi. Ullmer, staatsrechtliche Praxis II, Nr. 1231, Bundesbl. 1881, II, 657, Ziff. 12) ohne jede Aussicht auf Erfolg wäre. Insbesondere dürfte ein Ersatz der besagten Kosten in Anbetracht des allgemein geltenden und geübten Grundsatzes, daß diese nicht vom Heimatstaate zu vergüten sind,7 sondern dein Wohnorte und heimschaffenden o Staate zur Last fallen, ausgeschlossen sein. Auch kann dem Art. III des Staatsvertrages zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten

157 von Amerika vom Jahre 1850/55 kein anderer Sinn beigelegt werden als der, daß jeder der beiden Staaten verpflichtet ist, die ihm angehörigen Individuen aufzunehmen, wenn sie ihre Nationalität beibehalten haben und an die G r e n z e gebracht werden.

37. Auf Veranlassung des Staatsrathes des Kantons Tessin wurde bei der italienischen Regierung auf diplomatischem Wege die Heimnahme der in Griubiasco wohnhaften Italienerin M a r i a · C a r o l i n a B e a t r i s i n i , geb. Cugini, welche schon längere Zeit krank und mit ihrer Familie der öffentlichen Wohlthätigkeit anheimgefallen war, nachgesucht.

Das königliche Ministerium verweigerte aber die Heimschaffung der fraglichen Person, da es sich ergeben, daß dieselbe mit ihrem Ehemann und ihren Kindern zusammenlebe und ihr Zustand es gestatte, bei denselben zu verbleiben, außerdem wünsche diese Frau auch gar nicht, ihre Familie z,u verlassen. Wollte man daher ihre Heimschaffung zwangsweise durchführen, so wäre dies ein Eingriff in die persönliche Freiheit. Eine solche Maßnahme könne nur Anwendung finden, wenn sie sich vollkommen rechtfertigen lasse, oder wenn es sich um dürftige Personen handle, die von einer chronischen Krankheit befallen sind und in einem fremden Spitale verpflegt werden. Uebrigens sei es im vorliegenden Falle in erster Linie Pflicht des Ehemannes, für die Verpflegung seiner Frau zu sorgen ; wenn derselbe dieser Aufgabe nicht mehr nachzukommen vermöge, so liege es alsdann nach den zwischen der Schweiz und Italien bestehenden Uebereinkommen über die Behandlung der Hilfsbedürftigen den Lokalbehörden ob, für die fragliche Kranke in angemessener Weise zu sorgen, und könne nicht deren sofortige Heimschaff'ung Platz greifen.

38. Der in Genf außerehelich geborene K n a b e A l e x a n d e r Jos. E r n s t L i é z o z war von seiner Mutter, welche von Vaeheresse (Hoch-Savoyen) stammte, verlassen worden. Wir suchten daher bei Frankreich auf diplomatischem Wege die Heimnahme jenes Knaben nach. Die französische Regierung verweigerte aber die Anerkennung desselben, da seine am 4. Mai 1860 im Kanton Wallis geborene Mutter durch die Annexion von Savoyen an Frankreich nicht Französin geworden sei, sondern die s a r d i n i s c h e Nationalität beibehalten habe. Dieselbe habe sich nämlich nicht, wie der Vertrag betreffend den Uebergang von
Savoyen verlange, zur Zeit der Promulgation dieses Vertrages (12. Juni 1860) in jenem Lande a u f g e h a l t e n . Auch sei sie nicht in Savoy en g e b o r e n worden.

Gemäß dem diesfalls maßgebenden Urtheile des französischen Kassationshofes vom 12. Juni 1874 werden aber bei dem Ueber-

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gang eines Landes an Frankreich, sofern über die Staatsangehörigkeit der Bewohner desselben keine besonderen Bestimmungen getroffen worden, nur diejenigen Individuen Franzosen, welche in dem abgetretenen Lande geboren sind.

Mit diesem abweisenden Bescheide konnten wir uns jedoch nicht einverstanden erklären und erneuerten unser früheres Gesuch hei der französischen Regierung. Wir machten geltend, daß schon die Großeltern und auch die Mutter des fraglichen Knaben in un-, zweideutigster Weise als Franzosen legitimirt gewesen seien durch die von dem französischen Konsulate in Genf entsprechend dem Niederlassungsvertrage ausgestellten Immatrikulationsschei und Pässe, auf Grund deren allein der Familie Liézoz der Aufenthalt in der Schweiz gewährt worden. Es ergebe, sich aus diesem Umstände zum Mindesten für die französischen Behörden die Pflicht, die Angehörigen jener Familie nach Frankreich zu übernehmen.

Daraufhin entsprach auch wirklich die französische Regierung unserem Antrage, machte jedoch den Vorbehalt, daß diese ihre Entschließung kein Präjudiz für die in der Sache aufgeworfene prinzipielle Frage bilden soll.

89. In T u n i s hatte sich das k. deutsche Konsulat eines mittellosen kranken T es si n e r s angenommen und für dessen Ver.pflegung, sowie nach seinem Ableben für dessen Bestattung gesorgt.

Als das Konsulat die Rückerstattung der bezüglichen Kosten hierseits verlangte, verweigerten die tessinischen Heimatbehörden die Bezahlung derselben, weil keine ersatzpflichtigen Verwandten vorhanden seien, die Heimatgemeinde kein Armenvermögen besitze und übrigens für Tunesien als französische Provinz der Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich von 1882 maßgebend zu sein scheine, wonach den Behörden des Wohnortes solche Kosten .zur Last fallen.

Da indeß die von Frankreich abgeschlossenen Verträge für Tunis keine Geltung haben, so ließen wir uns von denselben Erwägungen leiten, welche uns im letzten Jahre im Falle Sutorius (Bundesbl. 1889, II, 729) dazu geführt haben, den Ersatz derartiger Kosten als eine Ehrenschuld zu betrachten, deren Vergütung nicht abgelehnt werden kann, und ordneten deren Rückerstattung an.

40. Häufig ist es vorgekommen, daß österreichische S t a a t s a n g e h ö r i g e , welche wegen Armut oder aus irgend einem andern Grunde aus F r a n k r e i c h a u s g e
w i e s e n w e r -den u n d d u r c h d i e S c h w e i z i n i h r e H e i m a t r e i s e n , a n ·der französisch-schweizerischen Grenze von allen Mitteln entblößt

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angelangt sind, so daß die schweizerischen Behörden die Kosten der Weiterbeförderung dieser Personen von Delle-Boncourt bis Buchs (an der st. gallisch-österreichischen Grenze) zu tragen hatten.

Um diesem Uebelstande abzuhelfen, ist nun seitens der k. und k. österreichisch-ungarischen Gesandtschaft in Bern eine Vereinbarung mit den schweizerischen Eisenbahngesellschaften getroffen worden, wonach jene heimzuschaffenden Oesterreicher mit Gutscheinen, welche einem Souchenbuche entnommen sind, versehen werden, gegen deren nachherigen Vorweis den Bahngesellschaften seitens der genannten Gesandtschaft die halbe Fahrtaxe ersetzt wird.

41. Vom 30. September bis 3. Oktober 1889 tagte in Genf die geschäftsleitende Kommission des IV. i n t e r n a t i o n a l e n K o n g r e s s e s für G e f ä n g n i ß w e s e n (Bundesbl. 1888, II, 779), um die letzten vorbereitenden Maßnahmen für den Kongreß zu berathen, welcher am 15. J u n i 1890 i n St. P e t e r s b u r g zusammentreten wird. Als Delegirten der Schweiz zu diesem Kongreß haben wir Herrn Dr. G u i l l a u m e , Direktor des eidg. statistischen Bureau's und Sekretär jener internationalen Kommission, abgeordnet.

Mit dem fraglichen Kongresse wird eine internationale Ausstellung für Anstalten zur Versorgung und Besserung jugendlicher Verbrecher und verwahrloster Kinder verbunden werden. Es wurden die bezüglichen Anstalten in der Schweiz auf diesen Plan aufmerksam gemacht und scheint eine größere Anzahl derselben an der fraglichen Ausstellung sich betheiligen zu wollen.

IV. Civilstand und Ehe.

1. Die B e r i c h t e der k a n t o n a l en A u f s i c h t s b e h ö r d e n i n C i v i l s t a n d s s a c h e n über d i e I n s p e k t i o n e n d e r C i viis t a n d sä m te r i m J a h r e 1888 haben uns zu mannigfachen Weisungen und zu zahlreichen Erläuterungen verschiedener Artikel des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe (A. 8. n. F. I, S. 506) und des zugehörigen Réglementes (A. S. n. F. V, 8. 529) Anlaß gegeben.

In zwei Kantonen mußten wir auf beförderliche Ablieferung rückständiger Registerdoppel an die in Art. 2 des Civilstandsgesetzes vorgesehene kantonale Amtsstelle dringen. In einigen Fällen, wo aus den Berichten Verletzung gesetzlicher oder reglementarischer Vorschriften durch das Publikum oder die Civilstandsbeamten sich ergab, veranlaßten wir die kantonalen Aufsichtsbehörden zu energischem Einschreiten.

Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

11

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Zu wünschen bleibt immer noch, daß von den berichterstattenden Behörden durch Rücksichtnahme auf allfällig gemachte allgemeine Beobachtungen und besondere Erscheinungen aus dem Vollzuge de Civilstandsgesetzes "die Inspektionsberichte für die Bundesbehörden nutzbringender gestaltet werden möchten, als dies bei der gegenwärtigen Art und Weise ihrer Abfassung bis jetzt durchschnittlich der Fall gewesen ist. (Vgl. Geschäftsbericht für das Jahr 1888, Bundesbl. 1889, II, S. 731, Ziff. l.)

2. Wiederholt waren wir in der Lage, darauf aufmerksam zu machen, daß gemäß Art. 8 des Réglementes f'tir die Führung d e r Civilstandsregister A u s z ü g e a u s d i e s e n R e g i s t e r n i m S i n n e d e s Bundesgesetzes ü b e r Civilstand u n d E h e nur auf G r undla g e de r E i n t r a g u n g e n in die A-Re g i s t e r ausgestellt werden dürfen. Die B-Register können statistischen und ortsadministrativen Zwecken dienen, sollen aber, weil sie keine Originaleintragungen enthalten, zu solchen Auszügen nicht benutzt werden (vgl. Nummer 24 des ,,Handbuches für die schweizerischen Civilstandsbeamten").

3. Am 4. Februar 1889 ist der größte Theil der R e g i s t e r d'es C i v i l s t a n d sa m tes V i s a oie (Kts. Wallis) d u r c h B r a n d zerstört worden.

Auf Anfrage der Staatskanzlei des Kantons Wallis erklärten wir uns damit einverstanden, daß sowohl die Register A, als auch die Register B durch ganz genaue Kopien von den im Staatsarchiv liegenden Originalien ersetzt werden. Wir knüpften aber hieran die Bedingung, daß im Eingange und am Schlüsse eines jeden Jahrganges ausdrücklich eingeschrieben werde, es seien dieses nur Kopien von den im Staatsarchiv verwahrten Originalien. -- Hinsichtlich der Bedeutung dieser Kopien ist zu verweisen auf Nr. 8 des ,,Handbuches", wonach nur noch die in Händen der Staatskauzlei befindlichen Originalien für die durch Brand zerstörten Einträge als beweiskräftige Urkunden angesehen werden können.

4:. Ein graubündnerisches Civilstandsamt hat zur Anzeige gebrächt, daß mit Bezug auf Art. 57 des Civilstandsgesetzes, betreffend die M i t t h e i l u n g d e r Ehescheidungs-und N i c h t i g k e i t s u r t h e i l e , viele Gerichte unter W o h n o r t d e r E h e g a t t e n deren Wohnort zur Z e i t der U r t h e i l s f ä l l u n g verstehen, statt denjenigen zur Zeit der
E h e s c h l i e ß u n g .

Da jedenfalls die fraglichen Urtheile auch dem Civilstandsamte desjenigen Ortes mitzutheilen sind, wo die Ehe geschlossen und in erster Linie eingetragen wurde, so luden wir mittelst K r e i s -

161 se hr i h on v o m 13. A p r i l 1889 (Bundesbl. 1889, II, S. 129) die kantonalen Regierungen ein, ihre obersten Gerichtshöfe zum Erlasse entsprechender Instruktionen an sämmtliche kompetenten Gerichte zu veranlassen (vgl. ,,Handbuch" Nr. 226). -- Es ist dabei zu bemerken, daß eine weitere Mittheilung dieser Urtheile an das Civilstandsamt des Wohnortes der Ehegatten zur Zeit der Urtheilsfällung -- wie sie von der Regierung des Kantons Thurgau nachträglich in Vorschlag gebracht wurde -- wohl irn Interesse der Behörden am Wohnort liegt, aber mit der Beurkundung des Civilstandes als solcher nur dann in Verbindung gebracht werden kann, wenn die geschiedene oder nichtig erklärte Ehe am betreffenden Orte aus irgend einem Grunde bereits eingetragen ist.

5. Von dem nämlichen Civilstandsamte sind wir darauf aufmerksam gemacht worden, daß z u m Z w e c k e d e r V e r k ÜB d u n g von E h e v e r s p r e c h e n in den Kantonen, welche Bürger- oder Familienregister eingeführt haben, sehr oft nur Auszüge aus solchen Bürger- oder Familienregistern verabfolgt werden, während in den Art. 30 und 65 des Civilstandsgesetzes Auszüge aus den Gehurtsund eventuell Taufregistern vorgeschrieben sind.

Wir haben gegen dieses unstatthafte Verfahren das K r e i s s c h r e i b e n v o r n 7. O k t o b e r 1889 erlassen (Bundesbl. 1889, IV, S. 245) und in demselben hervorgehoben, daß die in Nr. 144 des ,,Handbuches" enthaltene Anleitung, nach welcher, wenn die Beibringung eines Geburts- oder Taufscheines unmöglich ist, die nöthigen Angaben durch Notorietätsakte beschafft werden können, als eine außergewöhnliche Maßregel nicht öfter als absolut nothwendig zur Anwendung kommen darf.

6. Ein anderes Civilstandsamt des Kantons Graubünden hat sich darüber beschwert, daß in diesem und auch in anderen Kantonen d i e G e r i c h t s b e h ö r d e n i n C i v i l p r o z e s s e n E d i t i o n der C i v i l s t a n d s r e g i s t e r in O r i g i n a l verfügen, wobei fragliehe Register Gefahren und Beschädigungen in hohem Maße ausgesetzt seien.

Auch diese Beschwerde haben wir begründet befunden und deßhalb die kantonalen Regierungen mit K r e i s s c h r e i b e n vom 7. J u n i 1889 (Bundesbl. 1889, III, S. 342) aufgefordert, den Civilstandsbeamten die W e i s u n g zu ertheilen, in Z u k u n f t solchen Editionsbegehren
keine Folge zu leisten.

Wir verwiesen dabei auf Art. 11 des Civilstandsgesetzes, nach welchem die vom Civilstandsbeamten ausgestellten und als richtig beglaubigten A u s z ü g e aus den Civilstandsregistern als ö f f e n t l i c h e U r k u n d e n gelten, welchen v o l l e B e w e i s k r a f t zukommt,

162 so lange nicht der Nachweis der Fälschung oder der Unrichtigkeit der Anzeigen und Feststellungen, auf Grund deren-die Eintragung stattgefunden hat, erbracht ist.

7. Das Regierungsstatthalteramt Sera wies eine K l a g e des Civilstandsamtes dieser Stadt gegen die Eheleute S. w e g e n e i n e r v o n d e n s e l b e n e r s t 4 J a h r e n a c h i h r e r T r a u u n g ers t a t t e t e n L e g i t i m a t i o n s a n z e i g e mit der Begründung zurück, daß nach Art. 9 des bernischen Strafverfahrens bei allen Polizeiübertretungen die öffentliche Klage infolge von Verjährung durch den Ablauf von 2 Jahren vom Tage der Begehung an erlösche.

Da das Civilstandsgesetz und auch das ,,Handbuch" ober Beginn und Lauf der Verjährung betreffend Klagen auf Grund der Art. 58 und 59 dieses Gesetzes keine direkten Bestimmungen enthält, unterbreitete die kantonale Aufsichtsbehörde uns die Frage, ob die Verjährung in solchen Fällen schon mit dem Ablaute der Anzeigefrist, oder erst mit dem Aufhören der Anzeigepflicht zu laufen beginne.

Unter Hinweis darauf, daß auch für den Entscheid dieser Frage lediglich das Bundesgesetz maßgebend sei, ertheilten wir folgende Antwort: Die in Art. 41 des Civilstandsgesetzes vorgesehene 30tägige Frist für Legitimationsanzeigen besteht im Interesse der guten Ordnung und der Kinder; deßhalb ist deren Nichtbeachtung mit Buße bedroht. Je länger die Eltern mit einer Legitimationsanzeige zögern, desto straffälliger sind dieselben. Von Bestrafung einer Unterlassung der formellen Legitimationsanzeige kann aber erst dann die Rede sein, wenn diese Unterlassung durch die nachträgliche Erklärung der Eltern bekannt wird. Die bezügliche Anzeige an den Richter ist daher vom Civilstandsbeamten jeweilen sogleich nach erfolgter Erklärung zu erstatten. H i e r a u s e r g i b t s i c h f ü r die Klag verj ä h r u n g bet r e f f e n d solche verspätete A n z e i g e n , daß die F r i s t jedenfalls nicht vom Datum der Trauung an zu b e r e c h n e n ist, sondern vom D a t u m der Anzeige an.

8. Bei Aufstellung der E h e v e r b o t e in Z i f f e r 2 von A r t . 28 des C i v i l s t a n d s g e s e t z e s ist der Gesetzgeber von der Intention geleitet worden, die E h e b i s z u m d r i t t e n G r a d e zwischen allen Personen desselben Geblütes zu unters a g e n (vgl. Kreisschreiben des
Bundesrathes vom 23. Februar 1876, Bundesbl. 1876, I, S. 444).

Wiederholte Anfragen kantonaler Behörden, ob die E h e zu gestatten sei z w i s c h e n O h e i m und H a l b n i c h t e , haben uns

163

nun KU einer prinzipiellen und zwar b e j a h e n d e n Antwort veranlaßt. Unsere Begründung ging dahin: Abgesehen davon, daß einzelne kantonale Gesetzgebungen, wie K. B. die bernische, das Verhältniß von Oheim zu Halbnichte schon als eine Verwandtschaft v i e r t e n Grades auffassen und demgemäß eine Verehelichung zwischen solchen Verwandten zulassen, ist ganz besonders auf den Umstand hinzuweisen, daß O n k e l und H a l b nichte insofern in einem gleichen Verwandtschaftsve r h a l t n iß s t e h e n w i e G e s c h w i s t e r k i n d e r , als zur B e g r ü n d u n g dieses V e r h ä l t n i s s e s e b e n f a l l s drei Heir a t e n n ö t h i g s i n d . D a n u n aber E h e n z w i s c h e n G e s c h w i s t e r k i n d e r n e r l a u b t sind (vgl. ,,Handbuch" Nr. 126 a m Ende), s o d ü r f e n H e i r a t e n i n e i n e m , d i e s e m g l e i c h artigen Verwandtschaftsverhältnisse ebenfalls gestattet werden.

9. Bei den s c h w e i z e r i s c h e n K o n s u l a t e n , welche in Anwendung von Art. 13 des Civilstandsgesetzes z u r A u s ü b u n g c i v i i s t a n d s a m t l i c h e r F u n k t i o n e n e r m ä c h t i g t worden sind (vgl. Bundesbl. 1889, II, S. 734, Ziff. 8), haben im Jahre 1889 nach den bei uns eingegangenen Registerdoppeln folgende Beurkundungen stattgefunden : in Y o k o h a m a : 2 Geburten, l Trauung und 2 Todesfälle C1888 : l Geburt) ; in M a n i l a : keine (1888: l Todesfall); ""**' in B u e n o s A i r e s : 5 Geburten, 4 Trauungen und l Todesfal! (1888: 10 Geburten und 9 Trauungen).

10. In der a r g e n t i n i s c h en Rep u bl i k ist nach Berichten unseres Konsulates zu Buenos Aires mit dem 1. April 1889 die C i v i l e h e eingeführt worden.

Wir haben anläßlich der Publikation dieser Neuerung die nach der jetzigen, dort gellenden Gesetzgebung zur Eheschließung erforderlichen Ausweisschriften im ,,Bundesblatt 11 bekannt gegeben (Bundesbl 1889, III, 3. 71). Die seither in Kraft getretenen Modifikationen sind ebenfalls im ,,Buadesblatt" veröffentlicht worden (Bundesbl. 1890, l,.S. 172).

1 1 . Bezüglich d e r V e r e h e l i c h u n g v o n b e l g i s c h e n S t a a t s a n g e h ö r i g e n i n d e r S o h w e i z ist infolge einer Uieilweisen Revision der belgischen eherechtlichen Bestimmungen durch Gesetz vom 16. August 1887 auch eioe Abänderung der bisher von der belgischen Gesandtschaft in solchen Fällen ausgestellten Erklärung (vergi. Bundesbl. 1883, IV, S. 1029) nöthig geworden.

164 Wir haben die M, b g e ä n d e r t, e und von uns für genügend erachtete E r k l ä r u n g mittelst Kreisschreiben vom 19. O k t o b e r 1889 bekannt gegeben (ßundesbl. 1889, IV, S. 295).

12. Ein Spezialfall verarilaßte uns, dem d ä n i s c h e n G e n e r a l k o n s u l a t e in G e n f die Präge zu unterbreiten, unter welchen Bedingungen eine von dänischen Staatsangehörigen in der Schweiz eingegangene Ehe in Dänemark als rechtsgültig anerkannt werde.

Die Antwort des Generalkonsulates lautete dahin, daß die in d e r S c h vv e i z z w i s c h e n z w e i d ä n i s c h e n S t a a t s a n g e h ö r i g e n oder zwischen Dänen und Ausländern gemali d e r s c h w e i z e r i s c h e n G e s e t z g e b u n g abg e s c h l o s s e n e n Ehen von der dänischen Regierung als g ü l t i g a n e r k a n n t w e r d e n u n d in D ä n e m a r k volle Gültigkeit erhalten.

13. Gegenüber den anderen S t a a t s a n g e h ö r i g e n des d e u t s c h e n R e i c h e s haben die Bürger des Großherzogthums B a d e n bis jetzt in der Schweiz insoweit eine abweichende Behandlung genossen, als sie b e i E i n g e h u n g v o n E h e n in der Regel ohne Weiteres von der Vorlage der in Art. 31 und 37 unseres Civilstandsgesetzes geforderten Bescheinigungen dispensirt wurden (vergi, das Kreisschreiben des Bundesrathes vom 12. Juni 1884, Bundesbl. 188t, III, S. 314). Hieran änderte auch die üebereinkunft nichts, "welche am 4. Juni 1886 mit Deutschland zum Zwecke einer Erleichterung der Eheschließungen der beidseitigen Angehörigen vereinbart worden ist (A. S. n. F. IX, S. 93).

Die kaiserlich deutsche Gesandtschaft hat nun darauf hingewiesen, daß die gegenüber den badischen Staatsangehörigen in Betracht gezogenen Gesichtspunkte füglich für a l l e deutschen Reichsbürger gelten dürften. Wir haben deshalb mit E r e i s s c h r e i b e n vom 2 l . D e z e m b e r 1889 (Bundesbl. 1889, IV, S. 1339) die kantonalen Regierungen, in deren Kompetenz die fragliche Dispensationsbefugniß fällt, auf diese ungleiche Behandlung aufmerksam gemacht. Gleichzeitig glaubten wir, den kantonalen Behörden im A l l g e m e i n e n bei Ausübung ihrer DispensationsbefugmlS e i n m i l d e r e s V e r f a h r e n e m p f e h l e n zu dürfen.

Selbstverständlich werden durch dieses Kreisschreiben die in unserem Geschäftsberichte für dns
Jahr 1885 (Bundesbl. 1889, II, S. 736, Ziff. 13) erwähnten ellerechtlichen Vorschriften, welche b a y e r i s c h e Staatsangehörige im Auslande zu befolgen haben, in keiner Weise berührt.

165 14. Veranlaßt durch in verschiedenen Kantonen vorgekommene und von den heimatlichen Behörden nicht als rechtsgültig anerkannte T r a u u n g e n von A n geh o r ig en d e r ö s t e r r e i c h i s c h u n g a r i s c h e n S t a a t e n , ohne B e o b a c h t u n g der materiellen Vorschriften des Eherechtes ihrer Heimat, haben wir, gleichzeitig einem bezüglichen Ansuchen der k.
15. Wir sind neuerdihgs in einem S c h e i d u n g s p r o z e s s e z w i s c h e n e n g l i s c h e n E h e g a t t e n ersucht worden, v o n der Regierung Großbritanniens) die in Art. 56 unseres Civilstandsgesetzes geforderte Erklärung über die Anerkennung .des schweizerischen Urlheiles einzuholen.

Während in einem früheren-~Falle, wo es sich um Ehebruch handelte, die verlangte Erklärung ohne Schwierigkeiten ausgestellt worden war (Bundesbl. 1889, II, 8. 735, Ziff. 10), n a h m die g r o ß b r i t a n n i s c h e R e g i e r u n g diesmal, wo die Klage auf Art. 47 unseres Gesetzes (liefe Zerrüttung des ehelichen Lehens) sich stützte, Veranlassung, die Ausstellung solcher Erklärungen imPrinzipe abzulehnen.

Zur Begründung wurde in der Hauptsache Folgendes angeführt: Es sei mit Rücksicht auf Gesetz und Prozeßordnung von Großbritannien für die Regierung bezüglich
solcher Ansuchen praktisch unmöglich, ein Mehreres zu Üiun, als über die einschlägigen theoretischen Fragen des englischen Rechtes die Ansicht der jeweiligen Kronräthe mitzutheilen. Solche von den Kronräthen abgegebene Gutachten hätten aber keine rechtliche Bedeutung und vermöchten die englischen Gerichte nicht mehr zu binden, als die Ansicht irgend

166 eines anderen juristischen Experten. Die Regierung könne folglich iu keinem Falle garantiren, von welcher Art und Tragweite allfällige Entscheide der englischen Gerichte rücksichtlich solcher, in ,,Gutachten" besprochener Fragen · sein würden. (Angelegenheit Butler.)

16. Ein B ü r g e r von I n g e n b o h l (Kts. Schwyz), welcher z u g l e i c h das s ä c h s i s c h e Bürgerrecht besitzt, war im Mai 1889 vom kgl. sächsischen Landgericht zu Flauen aus erster Ehe w e g e n b ö s l i c h e n V e r l a s s e n e g e s c h i e d e n u n d als s c h u l d i g e r T h e i l erklärt worden. Im darauffolgenden November wollte er in Außersihl eine z w e i t e E h e eingehen. Das Civilstandsamt vou Ingenbohl erhob aber infolge Weisung der kantonalen Aufsichtsbehörde von Amtes wegen E i n s p r u c h auf Grund von Art. 48 unseres Civilslandsgesetzes, nach welchem der Betreffende vor Ablauf eines Jahres nach Scheidung seiner früheren keine neue Ehe eingehen könne.

Wir erklärten diesen Einspruch für so lange begründet, als der Bräutigam sein schweizerisches Bürgerrecht und seinen schweizerischen Wohnsitz beibehalte.

17. Ein F r e i b u r g e r hatte im Jahre 1873 zu F i l l i n g es in Hochsavoyen mit einer Französin sich verheirathet, ohne beim Eheabschluß einen ihm am 24. Mai 1868 daselbst vorehelich geborenen Knaben zu legitimiren. Diese Legitimation erfolgle erst am 24. Oktober 1888, und zwar vor dem Civilstandsbeamten zu Genf. Die savoyischen Behörden weigerten sich jedoch, diese nach französischem Rechte verspätete und deßhalb ungültige Legitimation und damit die schweizerische Nationalität des fraglichen Sohnes anzuerkennen, und bedrohten denselben für den Fall, daß er seiner Stellungspflicht zum Militärdienst in Frankreich nicht nachkomme, mit gerichtlicher Verfolgung.

Unsere Intervention, welche darauf sich stützte, daß der Grundsatz der Legitimation vorehelich geborener Kinder, sowie die Ausübung dieses Rechtes mit dem Personalstande in Verbindung stehe und somit dem nationalen positiven Rechte der Eltern angehöre, veranlaßte das französische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten zu der Antwort, daß die französischen Administrativbehörden sich nicht für autorisirt hielten, eine so schwierige Frage zu entscheiden, sondern daß in Fragen des Staatsrechtes und der Nationalität einzig die gerichtlichen Behörden endgültig entscheiden könnten.

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1 8 . Eine T o c h t e r a u s W ä d e n s w e i l (Zürich) h a t t e im August 1888 im Spitale zu C a n n e s (Alpes maritimes) außerehelich ein M ä d c h e n geboren und dasselbe auf Anstiften der Hebamme (auch einer Schweizerin) u n t e r f a l s c h e m N a m e n als Kind einer Französin e i n t r a g e n l a s s e n .

Die zur Hebung dieser Fälschung nöthige, langwierige Korrespondenz führte endlich dazu, daß der Staatsauwalt hei dem Civilgerichte zu Grasse diesem Gerichte von Amtes wegen Rektifikation der fraglichen Geburtsurkunde beantragte. Diesem Antrage wurde Folge gegeben, worauf die Heimatgemeinde der Mutter für das betreffende Kind ohne Anstand einen Heimatschein ausstellte.

19. In unseren Geschäftsbericht für 1887 haben wir ein U r t h e i l d e s A p p e l l h o f e s z u R o u e n aufgenommen, durch welches die in der Schweiz ausgesprochene gänzliche Scheidung des als Schweizer naturalisirten Franzosen de B o s m e l e t , sowie dessen daselhst erfolgte zweite Verehelichung als in Frankreich gültig anerkannt worden waren (Bundesbl. 1888, II, 8. 765, Ziff. 14).

Die Seitenverwandten des de Bosmelet, welche gegen die Gültigkeit seiner zweiten Ehe und die Legitimität der aus derselben hervorgegangenen Kinder klageïid aufgetreten waren, appellirten gegen dieses Urtheil an den f r a n z ö s i s c h e n K a s s a t i o n s h o f .

D i e s e r h o b d a s U r t h e i l i n d e r T h a t a u f , v o n d e rE r wägung ausgehend, daß de Bosmelet nur deßhalb in der Schweiz sich habe naturalisiren lassen, u m d a s f r a n z ö s i s c h e G e s e t z zu u m g e h e n ; s e i n e z w e i t e Ehe s e i daher v o m f r a n z ö s i s c h e n S t a n d p u n k t e aus als nichtig zu erklären, wobei aber die z w e i t e G a t t i n in Anbetracht ihrer o f f e n b a r e n bona fides beim E h e a b s c h l u ß sammt den K i n d e r n A n s p r u c h h a b e auf die b ü r g e r l i c h e n F o l g e n e i n e r P u t a t i v eh e .

Das Civilgericht zu Amiens, vor welches die neue Verhandlung vom Kassationshofe gewiesen worden war, schloß sich dieser Anschauungsweise an und sprach die Nichtigkeit der zweiten Ehe des de Bosmelet, soweit seine Person in Frage, komme, aus. Letzterer ist demgemäß zur Zeit der gerichtlich aberkannte Gatte einer Frau, die ihrerseits durch den gleichen gerichtlichen Ausspruch
als seine legitime Frau erklärt worden ist und legitime Kinder voii ihm hat.

Wie uns nun unsere Gesandtschaft in Paris mittheilt (27. Januar 1890), hat de Bosmelet nachträglich auch in Frankreich die gänzliche Scheidung seiner ersten Ehe durch gericntliches Urtheil,

1RS

sowie überdies vom Präsidenten der Republik Wiedereinsetzung in seine früheren Rechte als Franzose erwirkt und gedenkt, seiner irregulären Stellung durch Wiederholung der Förmlichkeiten seiner zweiten Verehelichung vor einem französischen Civilstandsamte ein definitives Ende zu bereiten.

V. Handelsregister.

1. Die Anzahl der im Jahre 1889 von sämmtlichen Handelsregister-Büreaux vorgenommenen E i n t r a g u n g e n beträgt 6599.

Der Antheil des Bundes an den hiefür bezogenen G e b ü h r e n beläuft sich auf Fr. 7018. 20.

Eingetragen wurden : a. Im Hauptregister : 1866 Einzelfirmen, 545 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften, 320 Aktien-, Kommanditaktiengesellschaften schaften, 57 Vereine, 67 Zweigniederlassungen, 712 Bevollmächtigungen.

und

Genossen-

b. Im besonderen Register : 25 Personen.

Gelöscht wurden: a. Im Hauptregister : 1528 Einzelfirmen (219 wegen Konkurs), 446 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften (14 wegen Konkurs), 44 Aktien-, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften, 5 Vereine, 32 Zweigniederlassungen (2 wegen Konkurs), 499 Bevollmächtigungen.

b. Im besonderen Register: 34 Personen.

Die übrigen Eintragungen beziehen sich auf Aenderungen.

169 Auf 31. Dezember 1889 blieben-eingetragen : a. Im Hauptregister : 27477 4126 2720 560 547 4499

Einzeln"i-men, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften, Aktien-, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften, Vereine, Zweigniederlassungen, Bevollmächtigungen.

b. Im besonderen Register:

1908 Personen.

In vier Registerbilreaux fanden gar keine Eintragungen statt; es sind dies : Das Bureau des Kantons Appenzell I. Rh. in Appenzell ; das Bureau für den bernischen Amtsbezirk Nieder-Simmenthal in Wimmis; dasjenige für den solothurnischen Amtsschreibereibezirk Thierstein in Breitenbach, und das Bureau Biasca für den tessinischen Bezirk Riviera.

Arn meisten Eintragungen weist das Bureau Genf auf (1182).

2. Zwanzig Registerbüreaux wurden einer I n s p e k t i o n unterworfen.

3. Das B u n d e s g e s e t z , z u r E r g ä n z u n g der B e s t i m m u n g e n des O b l i g a t i o n en r echte s ü b e r das H a n d e l s r e g i s t e r , vom 11. Dezember 1888, ist am 29. Dezember 1888 durch das Bundesblatt publizirt worden. Die Einspruchsfrist lief am 29. März 1889 ab, ohne daß ein Referendumsbegehren gestellt worden ist. Das Geset/ hätte also im Laufe des Berichtjahres in Kraft und vollziehbar erklärt werden können. Das Verfahren, dem es mit Rücksicht auf die Offizial-Eintragungen ruft, macht aber eine Abänderung d e r V e r o r d n u n g ü b e r H a n d e l s r e g i s t e r und H a n d e l s a m t s b l a t t nothwendig. Das Gesetz und die revidirte Verordnung müssen, weil ineinandergreifend, mit demselben Zeitpunkte in Kraft treten. Die Vorarbeiten, die durch die Revision dieser Verordnung bedingt wurden, konnten indessen erst gegen Ende des Berichtjahres ihren Abschluß finden. Die Erledigung dieser Angelegenheit fällt daher in das Jahr 1890.

170 è, R e k u r s e waren ausnahmsweise nicht zu behandeln. Die einzige Rekursbeschwerde, welche eingereicht wurde, datirt vom 28. Dezember; sie ist im Jahr 1890 erledigt worden.

5. Die Auslegung der Bestimmungen des Obligationenrechtes über die G e s c h ä f t s fi r m e n (Titel XXXIII, Gap. II) veranlagte auch im Bericlitjahre wiederholte Anstände: a. Die Auseinandersetzungen unseres letztjährigen Geschäftsberichtes über den B e g r i f f d e r F i r m a (vergi, daselbst Ziff. 4 im Bundesbl. 1889, 11, 738) mußten verschiedenen Registerbüreaux in Erinnerung gebracht werden.

b. Betreifend die F i r m en b i l d u n g ist hierorts zu bemerkeo : ct. Die Bestimmung des Art. 867 O.-R., wonach eine Person, welche allein, ohne Betheiligung eines Kollektivgesellschafters oder Kommanditärs, ein Geschäft betreibt, nur ihren eigenen Familiennamen (bürgerlichen Namen) mit oder ohne Vornamen und sonstige Zusätze, als Firma führen darf (E i n z e I fi r m a), scheint immer noch nicht allen Registerführern bekannt zu sein.

ß . Auch hinsichtlich d e r F i r m a d e r K o l l e k t i v g e s e l l s c h a f t mußte mehrfach auf die Auseinandersetzungen in früheren Geschäftsberichten verwiesen werden : aa. So suchte eine aus drei Gesellschaftern bestehende Kollektivgesellschaft die Firma C. & J. S in das Handelsregister einzutragen. Die Unzulässigkeit einer solchen Firma ist zu wiederholten Malen nachgewiesen worden. (Vergi, den im Geschäftsbericht pro 1887 abgedruckten Rekursentscheid vom 6. Mai 1887 in Sachen ,,Grosjean freresa.)

bb. Mit Rücksicht darauf, daß eine Firma keine unwahren Angaben enthalten darf, mußte für eine aus bloß 2 Personen be stehende Gesellschaft die Firma ,,N. N. & Konsort e n ^ als unzuläßig erklärt werden.

cc. Aus demselben Grunde, und im Hinblick auf Art. 872 O.-R., konnte auch der unter der Firma ,,S ... père & filsa in Genf bestehenden Kollektivgesellschnftdie Beibehaltung dieser Firma nicht gestattet werden, als Herr ,,S ... Vatertt aus der Gesellschaft ausschied.

6. Um Firmen, welche den Vorschriften des Obligationenrechtes widersprechen, in außerschweizerischen Ländern aber nach

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dortigen Gesetzen /uläßig sind, auch nach dem 31. Dezember 1892 noch beibehalten zu können, verlegen hie und da Geschäfte ihren Hauptsitz in's Ausland, imlem sie ihr Etablissement arn bisherigen Geschäftssitz nur noch als Z w e i g n i e d e r l a s s u n g fortführen.

Der Verdacht liegt nahe, daß derartige Angaben über Verlegung des Geschäftssitzes häufig den Thatsachen nicht entsprechen und die Behörden täuschen sollen. Die Registerbehörden können daher nicht sorgfältig genug vorgehen, um jeweilen ft-steuslellen, ob die bezüglichen Erklärungen mit den thatsächliehen Verhältnissen im Einklang stehen. Das Justiz- und Polizeidepartement nahm daher in einem derartigen Falle Veranlaßung, die zuständige kantonale Aufsichtsbehörde um genauere Prüfung der Verhältnisse zu ersuchen.

Diese Behörde ließ durch einen Experten die Rechnungsführung und Korrespondenz, die Fakturen etc. des in Frage stehenden Geschäftes einläßlich prüfen. Die Untersuchung ergab die Richtigkeit der Registeranmeldung.

7. Hinsichtlich der V e r t r e t u n g s h e f u g n i s s e der Prinzipale von Kollektivgesellschaften und Einzelfirmen ist zu bemerken: a. Nach Art. 560 und 561 0 -R. kann die Vertretungsbefugniß eines Kollektivgesellschafters nur in der Weise beschränkt werden, daß ihm das Recht, für die Gesellschaft zu zeichnen, entweder gänzlich entzogen, oder daß für a l l e F ä l l e Kollektivunterschrift mehrerer Gesellschafter angeordnet wird. Der klare Wortlaut des Art. 561, 3. Lemma: ,,Vorbehalten bleibt die in das Handelsregister eingetragene Bestimmung, daß ü b e r h a u p t nur Mehrere zusammen die Firma führen können", läßt in letzterer Hinsicht keiner andern Deutung Raum. Es ist daher, was bisher bei den Registerbüreaux vielfach übersehen wurde, unzuläßig, in das Handelsregister eine Bestimmung einzutragen, daß ein Gesellschafter nur für gewisse Arten von Geschäften einzeln, für andere Geschäfte dagegen nur kollektiv mit einem andern Gesellsehafter zeichnen könne. Eine derartige Beschränkung der Vertretungsbefugniß hat gemäß Art. 561, Lemma 2, O.-R., gegenüber gutgläubigen Dritten keine rechtliche Wirkung. Aus demselben Grunde ist es auch unzuläßig, einem Gesellschafter das Recht zur Firtnafuhrung nur für den Fall der Behinderung eines andern Gesellschafters zuzugestehen.

Die Befugnisse eines Kollektivgesellschafters
können in materieller Hinsicht nicht beschränkt werden.

Daher ist auch die Anordnung unzuläßig, daß ein Gesellschafter nur in Gerneinschaft mit einem Prokuristen zeichnen dürfe. Die Befugnisse eines Prokuristen sind enger begrenzt, als diejenigen der Prinzipale (Art. 423 O.-R.). Ein Kollektivgesellschafter kann daher

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nicht auf die Befugnisse eines Prokuristen beschränkt, und seine Vertretungsrechte dürfen nicht denjenigen eines Prokuristen gleichgestellt werden.

O 6. Aus ähnlichen Gründen kann auch der Inhaber einer Einzelfirina nicht z,u Gunsten eines Prokuraträgers auf das Recht zur Führung der Firmaunterschrift verzichten. Es kann ihn allerdings Niemand hindern, dieses Recht thatsächlich nicht auszuüben. Allein ein diesbezüglicher Entschluß kann, weil unverbindlich und zu jeder Zeit ohne Weiteres widerruflich, nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Sobald ein handlungsfähiger Firmainhaber für die Firma ein Geschäft abschließt, ist er aus demselben gebunden, gleichviel, ob er vorher erklärt habe, nur der Prokurist dürfe für die Firma handeln, oder nicht.

8 . Ueber d i e U n t e r z e i c h n u n g d e r A n m e l d u n g e n zum Handelsregister waren im Berichtjahr folgende Fragen zu er-, örtern : a. Ein Kommanditär verlangte einseitig, ohne Mitwirkung der übrigen Gesellschafter, daß im Handelsregister sein Austritt aus der Gesellschaft eingetragen werde. Zur Unterstützung seines Begehrens legte er den Gesellschaftsvertrag 1 vor, aus weichern in der That hervorging, daß er berechtigt sei, auf den Zeitpunkt, in dem er seine Streichung verlangte, aus der Gesellschaft auszutreten.

Das schweizerische Haudelsregisterbüreau mußte aber dieses Begehren als unstatthaft erklären.

Gemäß Art. 592 O. R. müssen die Anmeldungen zur Eintragung der im Art. 591 unter Ziffer Ì bis 4 erwähnten Thatsachen o d e r e i n e r V e r a n d e r u n g derselben v o n a l l e n G e s e l l s c h a f t e r n persönlich vor der Registerbehörde unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden. Dasselbe bestimmt Artikel 554 hinsichtlich der Kollektivgesellschaft. Auf einseitiges Verlangen eines Gesellschafters darf deßhalb der Registerführer keine das Gesellschaftsverhältniß betreffende Eintragung vornehmen.

Wenn ein Gesellschafter, gestützt auf den Gesellschaftsvertrag, seinen Austritt aus der Gesellschaft in das Handelsregister eintragen lassen will und seine Mitgesellschafter sich weigern, dabei mitzuwirken, so muß er sie auf gerichtlichem Wege dazu zwingen.

b. Ein Notar hatte im Namen der bisherigen Mitglieder einer Kollektivgesellschaft beim zuständigen Handelsregisterbüreau die Löschung der Firma verlang!. Das Bureau verweigerte die Löschung, da die eingereichte Erklärung nur durch den Notar, nicht

173 aber von den Gesellschaftern unterzeichnet war. Das Justiz- und Polizeidepartement mußte diese Ablehnung als begründet erklären.

Die Vorschriften der Art. 554 und 592 0. R. (vide oben sub litt, a) gestatten keinen Zweifel, daß die Anmeldungen zum Handelsregister mit den Originaluuterschriften der betheiligten Personen versehen sein müssen, weßhalb bei Abgabe der bezüglichen Erklärungen eine Stellvertretung ausgeschlossen ist.

Die Unterzeichnung kann stattfinden : u. entweder vor dem Registerftthrer, im Handelsregister (Journal etc.) selbst, oder ß. auf einem besondern Schriftstück, das dem Registerführer eingereicht wird.

'o Im Falle von a ist der Registerführer die Urkundsperson, welche die Unterschriften beglaubigt (Art. 13 der Verordnung über das Handelsregister, vom 29. A u g u s t / 7 . Dezember 1882); im Falle von ß sind die Unterschriften durch eine andere, nach der kantonalen Gesetzgebung hiezu befugte, öffentliche Urkuadsperson zu beglaubigen.

Der Umstand, daß das Gesetz neben der Anmeldung bei persönlichem Erscheinen auch schriftliche Anmeldungen zuläßt, erlaubt keineswegs den Schluß, daß für die schriftlichen Anmeldungen nicht die Originaluoterschrifteu nöthig seien.

Es ist feiner wohl zu beachten, daß die Originalakten auf keinen Fall bei irgend einer andern Amtsstelle deponirt werden dürfen ; das Registerbüreau ist es, welches sie aufzubewahren hat.

9 . D i e S t r e i c h u n g e n v o n A m t e s w e g e n nöthigen uns zu folgenden Bemerkungen: a. Betreffend das Hauptregister: «. Gemäß Art. 21, Ziffer 2, der Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblatt soll eine Firma von Amtes wegen gelöscht werden, wenn ihr Geschäftsbetrieb infolge Wegzuges oder Todes des Inhabers aufgehört hat und seit diesem Zeitpunkte ein Jahr verflossen ist, ohne daß dieser selbst oder seine Rechtsnachfolger die Löschung nachgesucht haben.

- Diese Löschung von Amtes wegen ist nur ein Nothbehelf, um das Register von todten Pinnen säubern zu können. Nach den Bestimmungen des Art. 866 0. R. ist dem Firmeninhaber, beziehungsweise dessen Erben, ausdrücklich die Pflicht auferlegt, die Eintragung streichen zu lassen, wenn das Geschäft, für welches

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eine Firma eingetragen ist, aufhört. Gemäß Art. 864 0. R. können die Pflichtigen durch Ordnungsbussen hiezu gezwungen werden.

Die Löschung soll erst dann von Amtes wegen vorgenommen werden, wenn die Löschungspflichtigen aus irgend welchen Gründen (Abwesenheit etc.) nicht zur Löschung verhalten werden können.

Der RegisterfUhrer soll also nicht unthätig zuwarten und erst, wenn er erfahren, daß eine Firma seit einem Jahr thatsächlich erloschen ist, die Streichung von Amtes wegen vornehmen. Er soll vielmehr dafür sorgen, daß der Fall, wo es zur amtlichen Streichung im Sinne des Art. 21, Ziffer 2, der Verordnung kommt, äußerst selten eintritt. Zu diesem Zwecke muß er mit den Civilstandsämtern und Ortspolizeibehörden Fühlung haben.

Es ist auch selbstverständlich, daß die Vorschrift, die Löschung sei von Amtes wegen vorzunehmen, wenn seit dem Erlöschen der Firma e i n J a h r v e r f l o s s e n ist,, nicht wörtlich ausgelegt werden darf. Möglicherweise erhält der Registerführer erst n a c h Ablauf eines Jahres Kenntniß vom Erlöschen einer Firma. Er soll dieselbe dann nicht sofort streichen, sondern sich vorher vergewissern , ob keine anmeldungspflichtigen Personen im Sinne des Art. 866 0. R. vorhanden seien, von welchen die Löschung erzwungen werden kann.

Leider verfahren die wenigsten Registerführer in diesem Sinne, weßhalb die vorstehenden Erörterungen auch im Berichtjahr wieder häufig nothvvendig wurden. Anders verfahren heißt- geradezu die Trägheit der Anmeldungspflichtigen und die Nichtbeachtung des Gesetzes begünstigen ; denn für Löschungen von Amtes wegen werden keine Gebühren erhoben, die Säumigen sind also von der Entrichtung der Löschungsgebühr enthoben, während dieselbe von denjenigen Personen, welche die Streichung der Firma vorschriftsmäßig anbegehren, erlegt werden muß.

ß. Die Ausführung des Bundesgesetzes betreffend gebrannte Wasser, vom 23. Dezember 1886, hatte das Eingehen vieler Branntweinfabrikationsgeschäfte zur Folge. Die Justizdirektion des Kantons Bern warf diesfalls die Frage auf, ob nicht die Firmen dieser Geschäfte von Amtes wegen im Handelsregister gestrichen werden könnten, eventuell, ob es nicht geboten sei, einen diesbezüglichen Bundesbesehluß zu erwirken.. Das Justiz- und Polizeidepartement mußte beide Fragen verneinen.

Es ist nämlich vorab zu beachten, daß der Pflicht
zur Eintragung einer Firma ein Recht des Inhabers auf diese Firma zur Seite steht. Dieses Rechtes kann derselbe nicht ohne Weiteres beraubt werden, indem man die Firma im Handeisregister streicht.

175 Auch darf nicht übersehen werden, daß ein Firmainhaber zwar seinen bisherigen Geschäftsbetrieb aufgeben, dagegen unter derselben Firma ein anderes Geschäft eröffnen kann. In diesem Falle ist nach den geltenden Bestimmungen nicht einmal eine Anmeldung dieser Aenderung für das Handelsregister nothwendig. Der Firrnainhaber wird zwar in seinem eigenen Interesse die Anmeldung kaum unterlassen; allein ein Zwang kann diesfalls nicht geübt werden, da es sich um keine Thatsache handelt, deren Eintragung in das Handelsregister vorgeschrieben ist. Etwas Anderes dagegen ist es, wenn der Geschäftsbetrieb einer Firma gänzlich aufgehört hat. In diesem Falle liegt es im Interesse der Ordnung, daß eine Streichung erfolgt. Allein um diese Streichung bei den Branntweinbrennerei-Firmen bewirken zu können, ist keine besondere Schlußnahme nöthig. Die bestehenden Vorschriften genügen. Wenn jeglicher Geschäftsbetrieb aufgehört hat, handelt es sich um Aenderung eines thatsächlichen Verhältnisses, dessen Eintragung in das Handelsregister vorgeschrieben ist. (Art. 8G5 0. R., Absatz 2 und 4: ,,Wer unter einer Firma ein Geschäft betreibt" etc.) Das Aufhören des Geschäftsbetriebes muß deßhalb dem Registerführer angemeldet werden, und die Anmeldung ist gemäß Art. 861 O.K.

erzwingbar.

b. Betreffend das besondere Register : Gemäß Art. 28 der Verordnung über das Handelsregister können im Register B Streichungen von Amtes wegen nur erfolgen : 1) im Falle des Todes des Eingetragenen und 2) im Falle des Verlustes der Handlungsfähigkeit nach Art. 5, Lemma l und 2, des Bundesgesetzes betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit.

Verschiedene Registerführer wollten auch im Falle des Konkurses die betreffenden Personen von Amtes wegen streichen.

Allein dies ist unzuläßig. Gemäß Art. 865, Abs. l 0. R. steht jeder Person, die sich durch Verträge verpflichten kann, das Recht zu, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen. Fähig, sich durch Verträge zu verpflichten, sind aber gemäß Art. 29 0. R. alle volljährigen Personen, denen die Handlungsfähigkeit nicht entzogen ist. Dazu gehören auch die Konkursiten , da gemäß Art. 5 des Bundesgesetzes betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit die Beschränkung oder der Entzug der Handlungsfähigkeit nicht auch durch den Konkurs herbeigeführt wird.

Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

12

176

Wenn indessen die Löschung einer Person wegen Auswanderung derselben von Amtes wegen vorgenommen wurde, erhob das schweizerische Handelsregisterbüreau dagegen keinen Einspruch.

Personen, die nicht in der Schweiz wohnen, können nicht, gestützt, auf Art. 865, Abs. .1, in dem schweizerischen Handelsregister eingetragen sein.

VI. Rekurswesen.

1. Statistik.

Im Jahre 1889 waren mit Einrechnung der aus dern Vorjahre anhängig gebliebenen Fälle 154 Rekurse (1888: 149; 1887:'l28) zu behandeln, von welchen 101 ihre Erledigung fanden und 53 (darunter 45 Wirthschaftsrekurse nus dem Kanton Freiburg) als unerledigt auf das Jahr 1890 übertragen wurden.

In 71 Rekurse (1888: 96; 1887: 74) traten wir materiell nicht ein, theils weil ausschließlich die kantonalen Behörden oder das Bundesgericht für den Entscheid kompetent waren, theils weil da, wo unsere Kompetenz materiell wirklieh begründet gewesen wäre, der kanlonale Instanzenzug noch nicht erschöpft war.

Die übrigen 30 Rekurse (1888: 47; 1887: 40) betrafen dem Gegenstande nach: 13 Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit; 6 Verweigerung oder Entzug der Niederlassung; 9 Verweigerung von AusweisschriCten durch die Heimatbehörde oder Rückhaltung von solchen am letzten Wohnort; l Beeinträchtigung der Glaubens- und Gewissensfreiheit; l Vormundschaftswesen.

2 Rekurse wurden zurückgezogen und 6 dadurch erledigt, dali die kantonalen Behörden von sich aus den Rekurrenten entsprachen.

Es blieben demnach 17 Beschwerden übrig, welche materiell zu entscheiden waren (1888: 43; 1887: 32); 11 derselben wurden abgewiesen und R begründet erklärt.

Die Bundesversammlung hatte sieh im Jahre 1889 mit 6 Beschwerdeo und Rekursen gegen Entscheide aus dem Geschäftskreise des Justiz- und Polizeidepartements zu befassen (1888: 6; 1887 : 7).

In einem Falle hat sie unserh Entscheid bestätigt; in .3 Fällen wurde, gemäß unserm Antrag, Nichteintreten beschlossen. Zwei Rekurse waren am Ende des Jahres noch pendent.

177

2. Rekursgegenstände.

a. Handels- und Gewerbefreiheit, aa. Statistik.

Die Zahl der Rekurse betreffend die Handels- und Gewerbefreiheit beträgt im Berichtjahre 61 (1888: 28; 1887: 22). Ueber die Rekursgegenstände und deren Erledigung gibt die nachstehende Aufstellung Auskunft.

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fc.2<£ Wirthschaftswesen . .

Hausirwesen Metzgergewerbe (Sehlachthauszwang) Ausübung des Bandagistenherufes Holzverkauf Vereinsrecht. . . .

Verkehrsfreiheit auf Strassen und Wegen Staatliche Kontrolirung der Ankündigung von Heilmitteln durch Zeitungsanzeigen

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61

bb. Einzelne Fälle.

i. Aerztliches Berufsgebiet.

1. Der Sanitätsrath des Kantons L u z e r n erblickte in der öffentlichen Anzeige des Vertreters einer ,,H e i l a n s t a 11 fü r B r u c h l e i d ende", er sei jeden Montag zu einer bestimmten Stunde im Hotel ,,Mohren" in Luzern zu treffen, um daselbst Bruchleidenden Konsultationen zu ertheilen, das Maß für die Bänder zu nehmen und Bestellungen entgegenzunehmen, einen Uebergriff in das Gebiet des ärztlichen Berufes. Weil die Ausübung dieses Berufes irn

178 Kanton Luzern an bestimmte; Ausweise geknüpft ist, die der Vertreter der fraglichen Heilanstalt nicht beibringen konnte, untersagte das Statthalteramt Luzern auf Anzeige des Sanitätsrathes dem Vertreter der ,,Heilanstalt" die Ausübung der angekündigten Praxis und verbot zugleich weitere Publikationen der erwähnten Art.

Eine gegen diese Verfügung bei der Regierung des Kantons Luzern eingelegte Besehwerde wurde am 17. September 1888 als unbegründet abgewiesen.

Der Bundesrath, an welchen hierauf der Vertreter der ,,Heilanstalt" sich wandte, schützte die Verfügung der Kantonsbehörde durch Beschluß vom 8. Januar 1889. Die Erwägungen zu diesem Beschluße, welche darauf abstellen, daß die vom Vertreter der ,,Heilanstalt" angekündigte Thätigkeit über den Rahmen des einfachen Gewerbes hinausgehe und in das Gebiet der ärztlichen Verrichtungen hinübergreife, sind abgedruckt im Bundesblatt (1889, 1, 100 und 101).

2. Anspruch auf ein Wegrecht zur Holzabfuhr aus dem Hochgebirge.

Kantonales Straßennetz und Art. 31 der B. V.

2. In einem Streite zwischen der g r a u b ü n d n e r i s c h e n Gemeinde T a m i n s und der st. g a l l i s c h e n Oitsgemeinde V ä t t i s , in welchem die erstere als Fortsetzung des Kunkelspasses die Benützung einer im Gebiete der letztern liegenden Wegstrecke beanspruchte, hat der Bundesrath bei seinem Rekursentscheide vom 22. Januar 1889 u. A festgestellt, daß die Bundesbehörden niemals als eine Folge der vom Bunde ausgesprochenen Garantie der Handelsund Gewerbefreiheit das Recht in Anspruch genommen ha.ben, den Kantonen in Hinsicht auf die Anlage ihres Straßennetzes, die Erstellung von Straßen und Brücken u. s. w. Befehle zu ertheilen. Jeder Kanton bestimme für sich, welche Straßen öffentlich und welche nicht öffentlich seien.

In Bezug auf den von bündnerischer Seite für die Oeffnung der streitigen Wegstrecke geltend gemachten forstwirthschaftlichen Gesichtspunkte wurde vom Bundesrathe anerkannt, daß eine Hemmung der Holzabfuhr auf die Bewirthschat'tung der Waldungen eine ungünstige Rückwirkung ausüben müsse; es sei aber nicht außer Acht zu lassen, daß das Bundesgesetz über die Forstpolizei im Hochgebirge die privatrechtlichen Verhältnisse heachte und berücksichtige, weßhalb Tamins vom forstwirthschaftlichen Gesichtspunkte aus für seine Holzsehläge auf dem Kunkels höchstens einen Anspruch auf Anweisung eines Abfuhrweges gegen vollen Schadenersatz an den Eigenthumer des Bodens ableiten könne.

179

Unser Beschluß ist in extenso abgedruckt im Bundesbl.

I, 164--172.

1889,

3. Metzgergewerbe.

Schlachthauszwang.

3. Das allgemeine Reglement für das S c h l a c h t h a u s der S t a d t G e n f und die Metzgereien der Stadt und ihres Weichbildes von 1876 bestimmt in Art. 8: ,,II est défendu d'abattre aucune pièce de bétail dans la ville de Genève. Il est défendu d'abatlre aucune pièce de bétail dans la banlieue, ailleurs que dans l'abattoir public de la ville de Genève, sans une autorisation spéciale du Conseil d'Etat."

Am l. November 1887 hat der Staatsrath dem Art. 8 folgenden Absatz 2 beigefügt : ,,II est défendu aux bouchers et charcutiers établis dans la ville de Genève et dans la banlieue d'abattre aucune pièce de bétail ailleurs que dans l'abattoir public de la ville de Genève, sans une autorisation spéciale du Conseil d'Etat.

Sont réservées et maintenues les dispositions de l'arrêté du Conseil d'Etat du 6 avril 1877 en ce qui concerne les bouchers de la commune de Plainpalais."

Im Namen von 57 Metzgermeistern wurde von Hrn. Advokat Gentet in Genf gegen den letzterwähnten Beschluß des Staatsrathes am 29. Juni 1889 beim Bundesrathe wegen Verletzung der Handelsund Gewerbefreiheit Rekurs erhoben.

Zum Beweise der Behauptung, daß eine Verfassungsverletzung vorliege, führen die Rekurrenten an, daß ihnen die bundesrechtliche Praxis bezüglich des Schlachthauszwanges wohl bekannt sei, daß aber der slaatsräthliche Beschluß darüber hinausgehe; denn: 1) Um die aus dem erwähnten Beschlüsse sich ergebenden Unzukömmlichkeiten und die hohen Gebühren des öffentlichen Schlachthauses zu vermeiden, seien viele Metzger genöthigt, ihr Vieh außerhalb des Kantons schlachten zu lassen.

2) Es sei ihnen nicht gestattet, Fleisch von Vieh, das im Kanton, aber anderswo als im öffentlichen Schlachthaus geschlachtet worden, zu verkaufen, es wäre denn, da.ß das Vieh im Auftrag und für Rechnung eines nicht in der Stadt Genf etablirlen Metzgers geschlachtet wurde.

3) Da die Stadt Genf auf diese Weise ein wahres Vorrecht erlangt habe, so seien die in Genf etablirten Metzger genöthigt, ihr für das Schlachten des Viehes im öffentlichen Schlachthause Taxen zu bezahlen, die sie als übertrieben betrachten.

180

Der in Rede stehende Beschluß beruhe nicht auf sanitätspolizeilichen Gründen, sondern sei lediglich zu dem Zwecke erlassen worden, der Stadt Genf einen Ersatz für den Wegfall des Oktroi zu verschaffen.

Der Staatsrath des Kantons Genf, zur Vernehmlassung eingeladen, stellte in seinei Zuschrift vom 23. Juli 1889 den Antrag auf Abweisung des Rekurses, und zwar wesentlich darauf gestützt, daß die angefochtene Bestimmung gerade im Interesse der öffentlichen Gesundheit und infolge eines von Herrn Dr. Vincent, Direktor des Gesundheitsamtes in Genf, abgegebenen moti virten Gutachtens erlassen worden sei. So lange das Oktroi bestanden habe, hätte kein Stück Fleisch ohne eine Bescheinigung des Fleischschauers in die Stadt Genf eingeführt werden können. Jetzt aber sei eine wirksame Kontrole nur dann möglich, wenn man die Metzger verpflichte, das Vieh in den dazu bestimmten Lokalen zu schlachten.

Für das Fleisch von außerhalb des Kantons geschlachtetem Vieh seien keine besonderen Maßregeln nöthig, denn dasselbe werde ja an der Grenze untersucht.

Wir haben unterm 8. August 1889 den Rekurs als unbegründet abgewiesen, in Erwägung: 1) daß, wie die Rekurrenten selbst zugeben, das Verbot, Vieh anderswo als in einem dazu bestimmten Lokal zu sehlachten, der bundesrechtlichen Praxis nicht widerspricht (Bundesbl. 1883, II, 869; 1884, II, 752; 1888, III, 975; 1889, II, 752); 2) daß allerdings die Bestimmung, welche den Metzgern der Stadt Genf und des Weichbildes selbst die Benutzung von in andern Theilen des Kantons gelegenen Schlachthäusern untersagt, für jene ein Hemmniß bildet, das für die Metzger oder Private anderer Gemeinden des Kantons nicht besteht, daß aber die sanitätspolizeilichen Rücksichten, welche die Regierung des Kantons Genf anruft, vollkommen genügen, um ein solches Hemmuiß zu rechtfertigen ; 3) daß die Schlachtgebühren, selbst wenn sie für die Stadt Genf eine große Einnahmsquelle bilden würden, nichts Anderes wären, als eine jener Steuern über den Betrieb von Handel oder Gewerbe, welche sub litt, e des revidirten Art. 31 der Bundesverfassung speziell vorbehalten sind; 4) daß ein Beweis dafür, daß infolge jener Gebühren das Metzgergewerbe in der Stadt Genf unmöglich oder nicht genug lohnend sei, von den Rekurrenten nicht geleistet worden ist, und daß diese nicht einmal behauptet haben, sie hätten unter der Konkurrenz der auswärts wohnenden, jenen Taxen nicht unterworfeneu Metzger irgendwie zu leiden.

181 4. Hausirhandel.

A. Schließt der Besitz eines G e s c h ä f t s d o m i z i l s in einem K a n t o n die A u f l e g u n g einer Patent t axe in demselben für A u f s u c h u n g von Bestellungen bei Nichtgewerbegenossen aus?

4. Herr R u d o l f S t a u f f e r , Tuchfabrikant im M u r g e n t h a l ( A a r g a u ) , der in L a n g en t h a ï für den Detailhandel ein Geschäftsdomizil besitzt, hat beim ßundesrathe Beschwerde erhoben gegen einen Entscheid der Regierung des Kantons B e r n vom 23. März 1889, durch welchen derselbe angehalten wurde, für Aufsuchung vou Bestellungen bei Nichtgewerbegenossen im Kanton Bern eine monatliche Patentgebühr von Fr. 60 zu bezahlen. Er behauptete, durch diese ihm neben der ordentlichen Staats- und Gemeindesteuer im Kantou Bern auferlegte Gebühr werde ihm die Aufsuchung von Bestellungen verunmöglicht, indem er die Konkurrenz mit den im Kanton Bern wohnenden Gewerbetreibenden, die von der Patentgebühr befreit seien, nicht ausauhalten vermöge.

"Wir haben die Beschwerde am 17. September 1889 abgewiesen, wesentlich auf die Thatsache abstellend, daß der Rekurrent in Langenthal nur fiir sein Platzgeschäft, ohne Einrechnung des Ertrages, den er aus den von ihm im Kanton Bern aufgesuchten Bestellungen erzielt, mit der ordentlichen Staats- und Gemeindesteuer belegt ist, und daraus folgernd, daß unter diesen Umständen gegen "die Höhe der Patentgebühr vom Standpunkte des Art. 31 der Bundesverfassung aus nichts mehr eingewendet werden könne.

Unsere Erwägungen finden sich im Bundesblatt .1889, IV, S. 86.

B. Inwiefern kann eine M a r k t o r d n u n g den Handel mit Marktwaareo auf gewisse Plätze des Marktortes und auf die Kaufläden beschränken?

5 . D e r G e m e i n d e r a t h v o n G l a r u s erließ a m 30. Juni 1889 eine M a r k t o r d n u n g für Glarus, welche am 4. Juli 1889 vom Regierungsrathe mit Ausnahme des § 6 genehmigt wurde.

§ 6 des semeinderäthlichen Erlasses lautet : ,,Die in" dieser Marktordnung aufgeführten Waaren dürfen einzig und allein auf den dafür bezeichneten Plätzen und in denjenigen Handlungen, welche mit diesen Artikeln verkehren, in den betreffenden Kaufläden, verkauft werden. a

182 Der Regierungsrath des Kantons Glarus verlangte, daß § 6 folgendermallen lauten solle: ,,Das Hausiren von Haus zu Haus mit den in dieser Marktordnung aufgeführten Lebensrnitteln etc. ist an den beiden Markttagen während der Marktzeit gänzlich verboten".

Dagegen beschwerte sich der Gemeinderath beim Bundesrathe mit der Erklärung : Die fragliche Bestimmung bezwecke bloß, ,,dem Unfug des Hausirens, dem täglichen Wandern der zahllosen Händler von Haus zu Haus, ihrem Hangen an allen Glocken zur Qual der Hausbewohner den Riegel zu schieben.11 Der Regierungsrath bestritt dem Gemeinderathe von Glarus auf Grund des kantonalen Verfassungsrechtes formell die Kompetenz zum Erlaß einer Marktordnung. In zweiter Linie -- eventuell -- bezeichnete er den angefochtenen § 6 der Marktordnung als einen Verstoß gegen Art. 31 der Bundesverfassung; denn, sagt der Regierungsrath, ,,nicht nur wäre (durch die Vorschrift des § 6) der Hausirverkehr mit den betreffenden Waaren während des ganzen Jahres in der Gemeinde Glarus verunmöglicht, sondern es läge ja in der Willkür des Gemeinderathes, alle beliebigen Handelsartikel unter die zwei ,,etc. etc.'1 von § l der Marktordnung zu subsumiren und derart das Hausirgewerbe in der Gemeinde thatsächlich total lahmzulegen". Der angeführte § l der Marktordnung lautet nämlich wie folgt: ,,In der Gemeinde Glarus wird ein Wochen-, eventuell täglicher Markt errichtet. Derselbe hat den Zweck, den Verkehr zwischen Verkäufer und Käufer zu erleichtern, und unifaßt den Verkauf von Vieh, Gemüse, Früchten, Pflanzen, Blumen, Fleisch, Geflügel, Fischen, Wildprct, Eiern, Butter, Käse etc. ete.u .

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Neben dem bundesrechtlichen (Grundsätze der Handels- und Gewerbefreiheit wurde vom Regierungsrathe auch der Standpunkt hervorgehoben, den die Glarner Verfassung und Gesetzgebung in Bezug auf Handel und Gewerbe einnehmen. Darnach ist nicht bloß die E'reiheit von Handel und Gewerbe auch kantonal verfassungsrechtlich garantirt, sondern es wird geradezu -- durch das Gesetz vom 26. November 1879 über das Patentwesen -- das Hausirwesen gesetzlich normirt.

Wir haben sowohl über die Frage, ob der Gemeinderath von Glarus zur Aufstellung einer Marktordnung kompetent sei, als über diejenige der Vereinbarkeit der Marktordnung vom 30. Juni 1889 mit dem kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrechte, als nicht in die Zuständigkeit des Bundesrathes fallend, uns jeder Meinungsäußerung enthalten und -- den Parteien gegenüber -- auch in

183 Hinsicht nuf die Frage, ob § 6 der fraglichen Marktordnung in der gemeinderäthlichen Fassung mit Art. 31 der Bundesverfassung vereinbar, uns nicht ausgesprochen, da nicht festgestellt sei, daß wir es mit einer nach kantonalem Rechte vollziehbaren Verordnung zu thun haben.

Der h. Bundesversammlung gegenüber stehen wir indessen nicht an, zu erklären, daß, sofern die verfassungsmäßig gewährleistete Freiheit des Handels grundsätzlich auch dem Hausirhandel zu Gute kommen soll, eine Bestimmung, wie der gedachte '§ 6 der Grlarner Marktordnung, nicht zu Recht bestehen kann.

b. Niederlassungsrecht.

aa. Verweigerung der Niederlassung.

6. Der Regierungsrath des Kantons A p p e n z e l l A. R h.

verweigerte einem Gottlieb Weiersmüller. Schreiner, von Suhr (Aargau), die Niederlassung unter Berufung auf den Umstand, daß derselbe infolge gerichtlichen Urtheils nicht im Besitze der bürgerlichen Rechte und Ehren sei.

Weiersmüller wandte sich mit einer .Beschwerde an den Bundesrnth.

Die Akten ergaben, daß Weiersmüller allerdings wegen Unterschlagung in seinem Geltsta^e vom Bezirksgerichte Aarau zu drei Wochen Gefangenschaft verurtheilt worden war, seiner bürgerlichen Ehren und Rechte indessen nicht dieses Vergehens wegen durch strafgerichtliches Urlheil entkleidet, sondern nach den Bestimmungen der aargauischen Staatsverfassung infolge des Geltstages ipso jure verlustig geworden ist.

Auf Grund dieses Thatbestandes wurde der Rekurs am 29. Januar 1889 begründet erklärt und die Regierung von Appenzell Außerrhoden eingeladen, dem Weiersmüller die Niederlassung zu bewilligen. (Bundesbl. 1889, I, 261.)

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bb. Entzug der Niederlassung.

7. Unterm 17. Dezember 1888 hatten wir den Rekurs der E h e l e u t e B ü c h e r von E s c h o l z m a 11, « ohnhaft im Reußthal zu Littau, Kant. L u z e r n , mit der Erwägung abgewiesen, daß nach feststehender hundesrechtlicher Praxis der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte infolge strafgerichtlichen Urtheils auch dann als ein verfassungsmäßiger Grund des Entzuges der Niederlassung angerufen werden könne, wenn die Niederlassung nach dem

184

Erlaß des Urtheils bewilligt worden war. (Bundesbl. 1883, II, 851 ; 1889, I, 236-238.)

Die Eheleute Bucher zogen die Beschwerde vor das Forum der Bundesversammlung, wurden aber mit derselben -- vom Nationalrath am 2., vom Ständerath am 6. April 1889 -- abgewiesen.

8 Durch Beschluß vom 25. Januar 1889 haben wir in Sachen des Kasimir D i t z l e r K ö n i g , voti Dornach (Solothurn), wohnhaft in Rheinfelden (Aargau), den Rekurs gegen eine Ausweisungsverfügung abgewiesen, welche die aargauische Regierung wegen Inanspruchnahme der öffentlichen Wohlthätigkeit durch die Familie Ditzler getroffen hatte (Bundesbl. 1889, I, 800.)

An die Bundesversammlung weitergezogen, wurde der Rekurs am 2. April 1889 vom Nationalrath als begründet erklärt.

Die ständeräthliehe Kommission verlangte eine Vervollständigung der Akten, insbesondere darüber, in welchem Maße die Familie Ditzler in Rheinfelden dem Bettel sich ergeben habe, und welche rechtliche Verpflichtung der Gremeinderath von Dornach mit seiner Erklärung, er werde der Familie Ditzler über den bisherigen monatlichen Betrag von Fr. 29 hinaus uöthigenfalls noch weitere angemessene Untersttitzungen verabfolgen, übernehmen wolle.

Nachdem die Akten in diesen Richtungen ergänzt worden, wies der Ständerath am 20. Dezember 1889, in Bestätigung des Bundesrathsbeschlusses, den Rekurs ab. Der Nationalrnth verschob gleichen Tages die Behandlung des Geschäftes auf die Junisession 1890.

9 Der Frau Adeline Elisabeth B e r c h t o l d geb. Z ü l l i g von Bußwyl, Bern, wurde vom Justiz- und Polizeidepartement des Kantons G e n f und durch bestätigenden Beschluß des ötaatsrathes die Niederlassung entzogen, weil sie in Genf am 21. Dezember 1881 vom Friedensrichter zu 6 Tagen Arrest und 100 Franken Buße und am 2. August 1883 vom Zuchtpolizeigericht zu 2 Monaten Gefängniß und 100 Franken Buße, in Lausanne am 2. M:ii 1883 vom Polizeigericht ,z« l Monat Gefängniß und 100 Pranken Buße, verurtheilt worden war, Alles wegen Widerhaudlung gegen das zwischen den Kantonen Bern, Freiburg, Wandt, Wallis, Neueuburg und Genf zum Schutze junger Leute in der Fremde im Mai 1875 abgeschlossene Konkordat.

Wir haben einen Namens der Frau B. von Hrn. Fürsprecher Eugen von Jenner in Bern eingereichten Rekurs am 13. September 1889 als begründet erklärt, gestützt auf folgende Motive:

185 1. Das Konkordat vom Mai 1875 zum Schutze junger Leute ia der Fremde hat den Charakter eines für die Kantone, welche demselben beigetveten sind, geltenden Polizeigesetzes. Seine Bestimmungen sind polizeilicher Natur und die Kantone waren sich wohl bewußt, daß sie damit nicht strafrechtliche Satzungen aufstellten; in Art. 7 werden darum die Vorschriften der kantonalen Strafgesetzbücher gegen Verletzung der Familienpflichten und Verleitung zur Ausschweifung geradezu vorbehalten. Uebertretungen des Konkordates stellen sich demnach als einfache Polizeiübertretungen dar.

2. Die Rekurrentin ist im Kanton Waadt ein Mal und im Kanton Genf zwei Mal wegen Uebertretung des Konkordates bestraft worden. Ihre Bestrafungen qualifiziren sieh als polizeigerichtliche. Ueberdies wird von den Genferbehörden ihr ein schlechter Leumund zugeschrieben. Worauf sich derselbe gründet, ist indessen aus den Akten nicht ersichtlich.

3. Der Bundesrath hat allerdings wiederholt den Satz aufgestellt, daß er sich bezüglich der Qualifikation einer strafbaren Handlung als ,,schweres Vergehen" im Sinne des Art. 45 der Bundesverfassung sein freies Ermessen vorbehalte; er ist auch im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Sittlichkeit so weit gegangen, kantonalbehördliche Ausweisungsbeschlüsse mit Art. 45 der Bundesverfassung vereinbar zu erklären, welche sieh auf mehrere Strafurtheile, die der Niederlassang vorausgegangen, in Verbindung mit einer einzigen neuen Verurtheilung, ja in Verbindung mit bloßer sittenwidriger Aufführung am Niederlassungsorte gründeten.

Allein niemals hat der Bundesrath zugegeben, daß Polizei: Übertretungen, mochten dieselben noch so zahlreich sein, mit einer e i n m a l i g e n Bestrafung wegen eines schweren Vergehens kotnbinirt oder sogar nur einfache Polizeiübertretungen zusam na engestell t werden dürfen, urn auf diese Weise zur Begründung des Entzuges der Niederlassung wiederholte Bestrafungen zu konstntiren oder vielmehr zu ersetzen. (Zu vergi. Bundesbl. 1881, II, 671; 1883, III, 28 und 31; 1883, IV. 739; 1885, II, 688.)

4. Da im Rekursfalle keine einzige strufgerichtliche Verurtheilung wegen schwerer Vergehen vorliegt, so ist, dem Wortlaut des Art. 45 der Bundesverfassung wie der bundesrechtlichen Praxis gemäß, die Voraussetzung eines zuläßigen Entzuges der Niederlassung nicht gegeben.
c. Konfessionelle Verhältnisse.

10. M a r i a h i l f k i r c h o in L u z e r n . Wie wir in unserm Geschäftsberichte für 1887 mittheilten (Bundesbl. 1888, II, 796),

186

hat die Bundesversammlung in der Rekursangelegenheit betreffend die Mitbenutzung der Mariahilfkirehe in Luzern durch die dortige Christkathoiische Genossenschaft (Bundesbl. 1886, I, 959 ff.; 1887, II, 698 ff.) am 27. April 1887 beschlossen was folgt: ,,1. Der Rekurs der Regierung von Luzern (sc. gegen den Bundesrathsbeschluß vom 23. Januar 1885 [Bundesbl. 1885, I, 209 ff.]) wird, soweit er sich auf der Anwendung von Art. 50, Abs. 2, der Bundesverfassung bezieht, als unbegründet erklärt.

,,2. Durch diese Schlußnahme soll die Frage, ob die Regierung von Luzern berechtigt sei, kraft des ihr nach Mitgabe der Sonderungsurkunde vom 4. November 1800 zustehenden Aufsiehtsrechtes die Mitbenutzung der Mariahilfkirche durch die Christkatholiken zu verbieten, nicht vorgegriffen sein.11 Mit Eingabe vom 2S./27. November 1888 stellte der Vorstand der Christkatholischen Genossenschaft Luzern Namens dieser Genossenschaft das Begehren : ,, Der Bundesrath wolle die am 20. Februar 0 1885 auf VerItmgen des Luzerner Regierungsrathes ausgesprochene Sistirung des Vollzuges des stadträthlichen Beschlusses vom 1. Januar 1884 (hetreffend die der Christkatholischen Genossenschaft Luzern unter Vorbehalt der Zustimmung des Regierungsrathes bewilligte Benutzung der M a r i a h i l f k i r e h e in Luzern zur Abhaltung eines regelmäßigen Gottesdienstes und zur Vornahme von Kultushandlungen) aufheben, und, falls der Bundesrath der Meinung sein sollte, der gegen seinea Entscheid vom 23. Januar 1885 gerichtete Rekurs sei seitens der Bundesversammlung noch nicht vollständig erledigt, dessen sofortige Erledigung herbeiführen und inzwischen die ohnehin seit fast vier Jahren andauernde Sistirung des stndträthliehen Beschlusses aufheben." 1 Hierüber faßten \vir unterm 8. Januar 1889 folgenden Beschluß (Buudesbl. 1889, I, 83 ff.) : ,,l. Auf das Begehren der Christkatholischen Genossenschaft ' Luzern betreffend die Aufhebung der bundesräthlichen Suspensionsverfügung vom 20. Februar 1885 kann, weil dasselbe gegenstandlos ist, nicht eingetreten werden.

,,2. Dem eventuellen weitem Begehren der genannten Genossenschaft, betreffend die Erledigung des Rekurses der Luzerner Regierung gegen den Bundesrathsbesehluß vom 23. Januar 1885 in Sachen der Mariahilfkirche, ist keine Folge zu geben, da diese Rekursangelegenheit durch den Bundesbeschluß vom 27. April 1887 erledigt worden ist.u

187 Arn 10. Januar 1889 hat darauf der luzernische Regierungsrath beschlossen, der Stadtrath von Luzern sei angewiesen, nicht zu dulden, daß ohne besondere regierungsräthliche Bewilligung ein altkatholisoher oder ein anderer vom hochw. Bischof von Basel nicht adniittirter Geistlicher in der Marialiilfkirche geistliche Verrichtungen ausübe.

Mit Eingabe vom 24. Januar 1889 hat der Stadtrath von Luzern gegen diesen Regierungsbeschluß den Rekurs an den Bundesrath ergriffen.

Am 30. Januar -1889 erhob auch der Vorstand der Christkatholischen Genossenschaft Luzern Namens und ira Auftrag dieser letztern beim Bundesrath Beschwerde über deu Regierungsbeschluß vom 10. Januar.

"Wir haben durch Beschluß vom 25. März 1889 die beiden Rekurse, theils wegen Unbegründetheit, 'theils wgen materieller Inkompetenz des Bundesrathes, abgewiesen (Bundesbl. 1889, II, 105 ff.).

Sowohl der Stadtrath von Luzern als die Christkatholische Genossenschaft Luzern ergriffen gegen unsern Beschluß den Rekurs an die Bundesversammlung.

Vom Nationalrath, dem die Priorität der Behandlung zusteht, wurde der Gegenstand am 14. Dezember 1889 auf die nächste Session verschoben; als Motiv der Verschiebung wurde angeführt, daß infolge einer Beschwerde des Stadtrathes das Bundesgericht den luzernischen Regierungsbeschluß vom kantonalverfassuugsrechtlichen Gesichtspunkte aus zu prüfen habe und daß es sich empfehle, die bundesgerichtliche Entscheidung abzuwarten, bevor die administrativen Bundesbehörden sich mit der Sache weiter befassen.

d. Kantonale Wahlen.

Tessinei" Angelegenheit.

11. Wir haben über die Vorgänge, welche den t e s s i n i s c h e n G r o ß r a t h s w a h l e n vom 3. M ä r z 1889 vorausgingen, dieselben begleiteten und ihnen nachfolgten, sowie über die rechtlichen Verhältnisse, welche für die ßeurtheilnng dieser Vorgänge und der zahlreichen Wahlbeschwerden nach unserer Ansicht von maßgebender Bedeutung sind, der h. Bundesversammlung bereits so genau und vollständig Bericht erstattet, daß wir hier statt jeder weitern Berichterstattung blos auf den Inhalt der betreffenden Aktenstücke verweisen können.

188 Durch unsere Botschaft vom 25. März 1889 (Bundesbl. 1889, I, 901--911) und eine derselben beigelegte Akt.ensiunmhing (S. 912 -- 1089; 1090--1093 a a. 0.) ist, Ihnen zur Kenntniß gebracht worden, daß und durch welche Vorkommnisse wir genölhigt wurden, im Kanton Te^sin ein e i d g e n ö s s i s c h e s K o m m i s s a r i a t aufzustellen u n d e i n e b e w a f f n e t e e i d g e n ö s s i s c h e I n t e r v e n t i o n anzuordnen (Schlußnahmen vom 4. und 7. Mär/,), dui-ch e i n e n e i d g e n ö s s i s c h e n D e l e g i r t e n a n O r t u n d Stelle selbst die den S t i i n r n r e c h t s r e k u r a e n zu Grunde liegenden Verhältnisse untersuchen /.u lassen (Schlußnahmen vom 2. und 7. Märe) und zur Ermittlung der Vergehen, ' welche Ursache oder Folge der mit den Großrathswahlen vom 3. März iu Beziehung stehenden Vorgänge sind, sowie der Urheber dieser Handlungen e i n e e i d g e n ö s s i s c h e s t r a f r e c h t l i c h e U n t e r s u chu n g zu eröffnen (Sclilußnahmen vom 7. und 25. März).

Wir waren in der glücklichen Lage, gestützt auf ein Schreiben des eidgenössischen Kommissärs vom 28. März, schon am 30. März das Kommissariat aufheben zu können, so daß wir von Ihnen keine Weisung über Fortdauer des Kommissariats und der militärischen Besetzung; verlangen mußten, sondern uns darauf beschränken konnten, Ihnen die Genehmigung der zur Verhütung von Ordnungsstörungen im Kanton Tessin getroffenen Maßnahmen zu beantragen.

Entgegen dem mit Memorial vom 29. März an Sie gerichteten Begehren des Staatsraths haben Sie am 12. April 1889 im Hinblick auf die Artikel 16, 85, .Ziff. 7 und 9, und 102, Ziff. 10 und 11, der Bundesverfassung beschlossen : ,,1. Die vom Bundesrathe angeordnete Aufstellung eines eidgenössischen Kommissariates und die bewaffnete Intervention im Kanton Tessin, sowie die Wieideraufhebung dieser Maßnahmen werden genehmigt.

,,2. Der Bundesrath wird eingeladen, der Bundesversammlung in ihrer nächsten Session über die mit der Intervention zusammenhängenden FVagen der Stirnmreehtsrekurse und der stral'richterlichen Untersuchungen Bericht zu erstatten."

Der Bericht der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission, welche die obenstehende Fassung des Bundesbeschlusses beantragt hatte, findet sich im Bundesblatte 1889, II, 317; derjenige der Minderheit der Kommission, deren
Antrag auf Nichtgenehmigung der vom Bundesrathe angeordneten Intervention im Kanton Tessin lautete, im Buudesbl. 1889, I, 1094.

Am 29. April 1889 sind beim Bundesrathe zwei die Tessiner Angelegenheit betreffende Zuschriften aus Lausanne eingelaufen, die

189 eine unterzeichnet, vom Herrn Bundesgerichtspräsidenten, die andere von Herrn Bundesrichter Roguin.

Durch die erstere wurde angezeigt, daß der Staatsrath des Kantons Tessin mit Eingabe vom 16. März, dem Bundesgerichte zugekommen am 26. April 1889, gegen die Verfügungen des Bundesrathes betreffend die Vorgänge im Kanton Tessin beim Bundesgerichte den staatsrechtlichen Kompetenzkonflikt erhoben und damit das Gesuch verbunden habe, es möchten auf dem Wege einer provisorischen Verfügung des Bundesgenchtspräsidenten die angehobenen eidgenössischen Strafuntersuchungen im Kanton Tessin bis zur Entscheidung des Kompetenzkoufliktes eingestellt und die Anhebung neuer Untersuchungen bis zum nämlichen Zeitpunkte untersagt werden. Der Bundesgerichtspräsident setzte dem Bundesrathe zur Einreichung allfälliger Gegenbemerkungen Frist bis zum 11. Mai an.

Durch die andere Zuschrift wurden wir benachrichtigt, daß Hr. Bundesrichter Roguin mit der Instruktion des vom tessinischen Staatsrathe erhobenen staatsrechtlichen Kompetenzstreites beauftragt sei und daß er zur Einreichung allfälliger Gegenbemerkungen dem Bundesrathe Frist bis zum 12. Juni ansetze.

Am 10. Mai haben wir dem Bundesgerichtspräsidenten unsere Gegenbemerkungen gegen das Begehren des Staatsrathes um provisorische Einstellung der Strafuntersuehungen eingesandt. Die Verfügung des Bundesgerichtspräsidenten erfolgte am 14. Mai im Sinne der Abweisung des Einstellungsbegehrens.

Am 7. Juni ging unsere Antwort auf das Memorial des Staatsrathes betreffend den Kompetenzkonflikt an das Bundesgericht ab.

Gleichen Tages übermittelten wir Ihnen einen Bericht über die mit der eidgenössischen Intervention zusammenhängenden Fragen der Stimmrechtsrekurse und der strafgerichtlichen Untersuchungen, dem wir als Beilagen anschlössen : 1) Den Bericht des Bundesdelegirten über die Beschwerden betreffend die tessinischen Großrathswahlen vom 3. März 1889,' und die Rechtsschriften des Bundesrathes in Sachen des Kompetenzkonfliktes. (Bundesblatt 1889, III, 361--583.)

Nachdem unsere Antwort am 7. Juni dem Bundesgerichte zugekommen war, erhielten wir am 13. August mit Schreiben des Vize-Präsidenten des Bundesgerichts vom 12. jenes Monats die Repliksehril't des tessinischen Staatsrathes, welche freilich das Datum des 6. Juli trägt, allein bei dem Bundesgeriehte mehr als
einen Monat später erst eingelangt ist. Der Vize-Präsident des Bundesgerichts setzte une zur Duplik Frist bis zum 9. September. Wir hielten auch diesmal wieder den Termin ein, indem wir unsere

190 Duplik am 7 September nach Lausanne abgehen ließen. (Bundesblatt 1889, IV, 37--53.)

Damit war der Schrifteuwechsel zwischen den Parteien in der Kompetenzkonfliktsache geschlossen.

Weder für die Antwort noch für die Duplik ist vom Bundesrathe an das Bundesgericht oder dessen lustruktionsrichter in Beäug auf die Terminansetzung irgend welches Begehren gestellt worden.

Am 15. Dezember 1889 fand in Lugano eine Volksversammlung von 500 Mann statt, welche beschloß, es sei vom Bundesrathe zu verlangen, daß er die Bundesversammlung auf das Frühjahr 1890 einberufe, um die Tessiner Angelegenheit zu erledigen. Wir wurden durch telegraphische Mittheilung des Versammlungspräsidenten Advokat Battaglini, sowie durch ein Schreiben der Munizipalität von Lugano und ein solches des Hrn. Nationalrath de Stoppani von diesem Begehren in Kenntniß gesetzt. Die Bundeskanzlei antwortete in unserm Auftrag den Patenten mit Schreiben vom 18. Dezember unter Hinweis auf den Stand der vor Bundesgericht anhängigen Kompetenzstreitigkeit, daß der bundesgerichtliche Entscheid abzuwarten sei, bevor die Tessiner Angelegenheit in irgend einer Form wieder vor die politischen Räthö der Eidgenossenschaft gebracht werden könne. (Bundesblatt 1889, IV, 1176--1177.)

Uebrigens hatte schon am 16. Dezember der Nationalrath auf eine Frühjahrssession verzichtet und der Ständerath stimmte ihm am 19. Dezember bei.

B. Polizeiverwaltung.

I. Auslieferung TOD Verbrechern und Angeschuldigten.

1. Die Zahl der Ausliefert!ngsaagelegenheiten hat sich im Jahre 1889 gegenüber dem Vorjahre etwas vermindert. Von Seite der S c h w e i z wurden bei auswärtigen Staaten 97 Auslieferungen nachgesucht gegen 118 im Vorjahre; die Zahl der Auslieferungsbegehren a u s w ä r t i g e r S t a a t e n bei der Schweiz ist von 177 auf 146 im Berichtjahre zurückgegangen, was hauptsächlich auf die Abnahme der von Frankreich eingelangten Begehren zurückzuführen ist.

191 Im Einzelnen vertheilten sich die von Seite a u s w ä r t i g e r S t a a t e n bei der Schweiz gestellten Auslieferungsbegehren folgendermaßen : Deutschland 58 Italien 40 Frankreich 38 Oesterreich 6 Belgien 2 Rußland l Luxemburg l Davon konnten 113 bewilligt werden, in 20 Fällen blieben die reklamirten Individuen unentdeckt, in 2 Fällen wurde die Auslieferung verweigert, 6 Begehren wurden zurückgezogen und 5 Fälle sind noch pendent.

V o n d e n s e i t e n s d e r S c h w e i z gestellten Auslieferungsbegehren gingen an: " Frankreich . . . . . . . . 6 0 Deutschland 26 Italien 3 Oesterreich 3 Großbrilannien 2 Belgien , . .

l 2 Personen mußten in verschiedenen Staaten zu gleicher Zeit verfolgt werden.

In 59 dieser Fälle erfolgte die Bewilligung der Auslieferung, in 13 blieben die Nachforschungen erfolglos, in 4 wurde die Auslieferung verweigert, 14 Begehren wurden zurückgezogen, 7 Fälle sind noch unerledigt.

2. Von 6 Verfolgten wurde in diesem Jahre gegen ihre Auslieferung m i t 'der Erklärung protestirt, d a ß s i e u n s e h u l d i g s e i e n . Gemäß der bisherigen Praxis haben wir diese Einrede nicht als Einsprache gegen die Anwendbarkeit des betreffenden Staatsvertrages im Sinne von Art. 58 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege behandelt, sondern diese Fälle ohne Ueberweisung an das JJundesgericht von uns aus durch Bewilligung der Auslieferung erledigt, da jeweils die formellen Vorschriften der Verträge erfüllt waren und die Beurtheilung der Schuld oder Unschuld lediglich dem kompetenten Richter des requirirenden Staates zusteht.

ßundesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

13

192 Ebenso haben wir die Auslieferung eines Italieners bewilligt, welcher sich dem Auslieferungsbegehren mit der Einrede widersetzte, er habe sein Domizil in M a i l a n d gehabt, während er in B u s t o A r s i z i o verurtheilt worden, indem diese Einrede auf die Anwendbarkeit des Auslieferungsvertrages zwischen der Schweiz und Italien von 1868 keinen Einfluß haben konnte, weil beide Städte in Italien liegen und somit der Gerichtsstand der That jedenfalls sich in diesem Staate befand (Fall Lualdi).

Dagegen wurden in zwei Fällen w i r k l i c h e E i n s p r a chengegen die A n w e n d b a r k e i t de r b e t r e f f e n d e n S t a a t s v e r t r ä g e erhoben. Dei- Entscheid kam daher gemäß dem erwähnten Art. 58 dem Bundesgerichte zu. Dasselbe bewilligte die Auslieferung des einen der Angeklagten, während es im andern Falle die erhobenen Einreden guthieß. In dem Jahresberichte des Bundesgerichtes werden hierüber die nähern Nachweise zu finden sein.

3. Mit Bezug auf 4 Franzosen, 2 Deutsche und l Oesterreicher, welche wegen gemeiner Verbrechen verfolgt wurden und gleichzeitig auch der D e s e r t i o n sich schuldig gemacht hatten, wurde die Auslieferung nur unter der Bedingung bewilligt, daß diese Individuen wegen Fahnenflucht weder strafrechtlich verfolgt, noch beurtheilt werden dürfen.

Ein Deutscher, welcher sich neben andern Delikten auch des H a u s f r i e d e n s b r u c h e s schuldig gemacht hatte, wurde nur unter dem Vorbehalte au Deutschland ausgeliefert, ' daß er dort wegen dieses Vergehens nicht bestraft werde.

Ein entsprechender Vorbehalt wurde auch bei der Auslieferung dreier Franzosen hinzugefügt, welche neben andern strafbaren Handlungen wegen E u t w e i c h u n g a u s d e m G e f ä n g n i s s e , B e i h ü l f e h i e z u und S c h m u g g e l s in ihrem Heimatstaate verfolgt wurden, da der Auslieferuugsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich vom 9. Juli 1869 die Auslieferung wegen dieser Vergehen nicht vorsieht.

4. Eine in Frankreich wohnhafte Freiburgerin, N a n n e t t e Rara u s, hatte sich des Deliktes der E n t f ü h r u n g M i n d e r j ä h r i g e r dadurch schuldig gemacht, daß sie, obwohl infolge einer zweiten Heirat nach freiburgischeai Recht von der elterlichen Gewalt über ihre Kinder erster Ehe ausgeschlossen, eines derselben, die 12jährige Emilie
Collomb, ohne Vorwissen des Vormundes in St. Aubin, Kantons Freiburg, abholte und mit sich nach Frankreich nahm. Trotzdem in einem ganz ähnlichen Falle (Gränicher) kurz

193 vorher die französische Regierung die Auslieferung bewilligt hatte, \vies sie das gegen Nannette Ramus gestellte Auslieferungsbegehren ab, weil nach französischem Recht Frau Ramus ihre elterliche Gewalt nicht völlig verloren habe und überdieß die herrschende Ansicht der französischen Jurisprudenz dahin gehe, eine Entführung durch den Vater oder die Mutter des Kindes, sei die rechtliche Stellung dieser Personen, welche sie wolle, könne niemals eine strafbare Handlung bilden. Der oben erwähnte entgegengesetzte Entscheid sei auf einen Irrthum zurückzuführen, während die Behandlung des Falles Ramus einer konstanten Praxis entspreche.

Der Staatsrath von Freiburg beharrte demgemäß nicht weiter auf dem Auslieferungsbegehren, dagegen beschloß er, Anordnungen zu treffen, damit auf dem Wege der Civilklage die Rückkehr des Mädchens zu seinem gesetzmäßigen Vormund erzielt werde.

5. Gegen einen im Kanton Bern auf direktes Ansuchen der französischen Behörden verhafteten Elsäßer, Namens N o n n e n in a c h e r , wurde von der französischen Botschaft ein Auslieferungsbegehren gestellt, welchem als Beleg ein H a f t b e f e h l aus dem Jahre 1887 -beigegeben war. Aus nachträglich eingeholten Informationen ergab sich, daß Nonnenmaeher im Jahre 1888 wegen des im Haftbefehl erwähnten Diebstahles zunächst contumacialiter und nachher auch im kontradiktorischen Verfahren v e r u r t h e i l t worden war.

Die bernische Regierung glaubte daher, es sollten die französischen Behörden zur Vorlage der Urtheile veranlaßt werden, indem der im Stadium der Voruntersuchung erlassene Haftbefehl infolge der späteren Verurtheilung ein gegenstandsloses Aktenstück geworden sei und jedenfalls nicht mehr als ein gültiger Beleg im Sinne von Art. 6 des Auslieferuagsvertrages mit Frankreich vorn 9. Juli 1869 gelten könne.

Wir hielten dagegen die Einforderung der Urtheile für überflüssig, da nach allgemein geübter Praxis auch dann eia gehöriger Haftbefehl genügt, wenn ein rechtskräftiges Urtheil vorhanden ist, und nach dem erwähnten Art. 6 als Auslieferungsbelege erklärt sind, e n t w e d e r ein verurtheilendes Erkenntniß, o d e r ein gehöriger Verhaftsbefehl, o d e r endlich eine jede andere Urkunde, die einem solchen Haftbefehle gleichsteht und zugleich die Natur und Schwere des Verbrechens angibt.

6. Die königl. belgische
Gesandtschaft hatte gegen einen gewissen, ÌQ Pruntrut wohnhaften M e r c i e r , welcher in Belgien wegen V e r t r a u e n s r n i ß b r a u c h e s verurtheilt worden war, ein

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Auslieferungsbegehrea gestellt. Da Mercier beweisen konnte, daß er Schweizer und Bürger des Kantons Bern sei, so fragte es sich, ob die bernischen Behörden eventuell im Falle wären, die s t r a f r e c h t l i c h e V e r f o l g u n g wegen des in Belgien begangenen Vergehens einzuleiten.

ö In ihrer Vernehmlassung wies die bernische Regierung zunächst darauf hin, daß es zur Anhebung eines Strafverfahrens vor Allem einer K l a g e des V e r l e t z t e n bedürfe, indem eine Verfolgung solcher strafbaren Handlungen, welche außerhalb des Gebietes des Kantons Bern begangen werden, von Amtes wegen nur im Falle von Tödtung, Mißhandlung mit tödtlichem Ausgang, Kindsmord und Kindesaussetzung stattfinde. Im Fernern fügte sie bei, es erscheine nach den eingereichten Belegen zweifelhaft, ob -- auch wenn eine Klage des Verletzten vorläge -- eine strafrechtliche Verfolgung des Mercier durch die bernischen Gerichte zuläßig wäre, indem das dem Verurtheilten zur Last gelegte Delikt nach den einschlägigen bernischen Gesetzen nicht zu denjenigen strafbaren Handlungen gehöre, welche, wenn außerhalb des bernischen Gebietes begangen, im Kanton Bern strafrechtlich verfolgt werden könnten.

Infolge dieser Ausführungen sah sich die belgische Gesandtschaft veranlaßt, von weiteren Schritten in dieser Angelegenheit Umgang zu nehmen.

7. Die Regierung des Kantons Solothurn ersuchte uns, bei den deutschen Behörden dahin zu wirken, daß eine in D e u t s c h l a n d in Haft befindliche E m m a Hof er nach Verbüßung ihrer Strafe der Polizeidirektion von Solothurn zugeführt werde. Die Hofer war nämlich im Kanton Solothurn wegen Diebstahls und Betrugs verurtheilt worden, hatte sich jedoch dem Strafvollzuge durch die Flucht entzogen. -- Wir mußten obiges Gesuch dahin beantworten, daß eine, derartige polizeiliche Zuführung uur auf Grund des schweizerisch-deutschen A u s l i e f e r u n g s V e r t r a g e s vom 27. Januar 1874 stattfinden könne; es sei daher an den solothurnischen Behörden, vorerst zu prüfen, ob im Sinne dieses Vertrages die der Emma Hofer zur Last gelegten Handlungen sich als Auslieferungsdelikte qualiflziren, und bejahenden Falls eine deiin Art. 7 des Vertrages erwähnten Urkunden, die den dortigen Vorschriften voll und ganz entspreche, einzusenden.

8. Anläßlich eines Spezialfalles ( G r a f ) bot sich Gelegenheit
die Frage einer nähern Prüfung zu unterziehen, ob nach e n g l i s c h e m Rechte eine v e r h e i r a t h è te S c h w e i z e r i n Strafklage gegen ihren E h e m a n n erheben könne, welcher seiner Ehefrau

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gehörige Vermögensgegenstände veräußert und mit dem Erlös das Weite gesucht hatte. Auf Grund des englischen Gesetzes ,,Married women's property act 1882", Art. 12, gelangte unser Generalkonsulat in London zu dem Resultat, es sei obige Frage unter der doppelten Bedingung zu bejahen, daß erstens die veräußerten Vermögensgegenstände der Ehefrau a l l e i n gehörten, und zweitens der Ehemann in betrügerischer Weise in den Besitz derselben sich gesetzt habe, und zwar, als er oder u n m i t t e l b a r b e v o r er seine Frau verließ.

9. Anders ist nach dem Auslieferungsvertrag mit Prankreich vom 9. Juli 1869 die Stellung des von seiner Ehefrau bestohlenen f r a n z ö s i s c h e n Ehemannes. Frau H u g n y aus Frankreich war mit ihrem Liebhaber G a u t h i e r , unter Mitnahme verschiedener Vermögensgegenstände ihres Mannes, nach Neuenburg geflohen.

Unser Justiz- und Polizeidepartement konnte auf bezügliche Anfrage hin nur die Verhaftung des Gauthier gestatten, da der Ehebruch nach dem genannten Vertrage kein Auslieferungsdelikt ist und der französische Code pénal, Art. 380, den Diebstahl unter Ehegatten straflos läßt und nur mitschuldige dritte Personen bestraft.

10. Bei dem Polizeidepartemente von B a s e l s t a d t stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons A a r g a u das Begehren um Auslieferung einer F r a n z ö s i n Nameus L o u i s e B e n g o l d , welche von D e u t s c h l a n d wegen Diebstahls nach Basel ausgeliefert «·orden war und dann, auch in Rheinfelden wegen Diebstahls verfolgt wurde. Da die Auslieferung nach Aargau in dem seiner Zeit an, die deutsche Regierung gerichteten Auslieferungsbegehren nicht vorgesehen war, so stellte das Polizeidepartement Basel die Anfrage, ob dem Begehren der aargauischeu Behörden stattgegeben werden könne. Unser Justiz- und Polizeidepartement nahm keinen Anstand, sich in bejahendem Sirine auszusprechen, in Anbetracht, daß nach Art. 4 des Auslieferungsvertrages mit Deutschland die Auslieferung an Aargau nur dann ausgeschlossen wäre, wenn die Bengold dort eines Verbrechens angeklagt würde, das im Vertrage nicht vorgesehen wäre, der Diebstahl sei aber in Art. l, Ziff. 11, des Vertrages ausdrücklich erwähnt.

11. Auf unser Gesuch ist von d e u t s c h e u S t a a t e n gegen 6, von F r a n k r e i c h gegen 2 und von I t a l i e n gegen 3 ihrer
Staatsangehörigen die B e u r t h e i l u n g und B e s t r a f u n g in der Heimat für solche Verbrechen und Vergehen übernommen worden, deren die Verfolgten in der" Schweiz sich schuldig gemacht hatten, für welche, sie aber infolge ihrer Flucht hierorts nicht bestraft wer-

196 den konnten. Einer der Angeklagten wurde in seinem Heimatstaate nicht aufgefunden, 6 dagegen sind dort gerichtlich abgeurtheilt worden; bezüglich 4 war das Strafverfahren am Ende des Berichtjahres noch nicht abgeschlossen; in einem Falle wurde es infolge Rückzuges der Kluge eingestellt.

12. Anderseits gingen uns von der f r a n z ö s i s c h e n B o t s c h a f t 2 Gesuche zu um s t r a f r e c h t l i c h e V e r f o l g u n g zweier Schweizer, welche sich nach Begehung strafbarer Handlungen in Frankreich in ihren Heimatkanton geflüchtet hatten. Der eine der Verfolgten ( A g u e t ) wurde durch die Gerichte des Kantons Waadt wegen Diebstahls zu sechsmonatlicher Einsperrung verurtheilt, nachdem die französische Botschaft auf bezügliche Anfrage erklärt hatte, in ihrem Gesuche um Einleitung der strafrechtlichen Verfolgung eei ,,implicite" die Zusicherung enthalten, daß der Betreffende . nach seiner im Kanton Waadt erfolgten Beurtheilung wegen derselben Handlung in Frankreich nicht mehr verfolgt werde.

Im andern Falle handelte es sich um einen in Versailles wegen Vertrauensmißbrauches in contumaciam verurtheilten Freiburger Namens D o u s s e . Bei Uebermittlung der Akten an den Staatsrath des Kantons Freiburg gaben wir dieser Behörde von der irn oben erwähnten Falle durch die französische Botschaft abgegebenen Erklärung Kenntniß. Der freiburgische Staatsanwalt glaubte jedoch, eine formelle Zusicherung verlangen zu sollen, wonach in casu die französischen Behörden das freiburgische Urtheil anerkennen und auf den Vollzug des Versailler Contumazurtheils verzichten würden, ansonst die freiburgischen Gerichte gemäß dem Grundsatze ,,non bis in idem"1 jedes Eintreten auf die Sache ablehnen müßten. Eine derartige Erklärung war aber nicht erhältlich ; die französische Botschaft führte nämlich aus, es sei nach der gegenwärtig in Frankreich geltenden Strafgesetzgebung den dortigen Gerichtsbehörden unter gar keinen Umständen gestattet, auf die strafrechtliche Verfolgung eines auf französischem Gebiete begangenen Deliktes zu verzichten.

In einem solchen Falle bleibe somit der Ausländer, auch nach rechtskräftiger Beurtheilung am Gerichtsstande der Heimat, in Frankreich einer ferneren Verfolgung ausgesetzt, und zwar ganz besonders dann, wenn dort gegen ihn ein verurtheilendes Contumacialerkenntniß, ein
Ueberweisung.°urtheil der Anklagekarnmer oder eine Ueberweisungsverfügung des Untersuchungsrichters vorliegen, Erlasse, deren Wirkung durch keine Verwaltungsmaßregel gehemmt werden könne. -- Die abweichende Behandlung des oben erwähnten Falles Aguet erkläre sich daraus, daß gegen dieses Individuum noch keine der soeben genannten gerichtlichen Verfügungen vor-

197 gelegen habe, und daß es daher angesichts des Urtheils der waadtländischen Gerichte möglich gewesen sei, die Untersuchung in Frankreich zu sistiren.

Von zwei ähnlichen, seitens der i t a l i e n i s c h e n G e s a n d t schaft eingereichten Gesuchen führte keines zu einem Urtheil, indem die Inkulpaten in ihren Heimatkantonen nicht gefunden wurden.

II. Bundesstrafrecht.

13. Unserm Justiz- und Polizeidepartemente sind im Berichtjahre 46 neue Fälle von G e f ä h r d u n g e n des E i s e n b a h n b e t r i e b e s zur Prüfung und Behandlung überwiesen worden.

Bei 10 derselben mußte von einer Ueberweisung an die Gerichte abgesehen werden, weil die Voraussetzungen von Art. 67 des Bundesstrafrechtes nicht vorlagen. Außerdem konnte in 3 Fällen eine gerichtliche Verfolgung nicht stattfinden, da die Thäter das zwölfte Altersjahr noch nicht erreicht hatten (Art. 30 des Bundesstrafrechtes). Die übrigen 33 Fälle (1888: 42, 1887: 55) haben wir gemäß Art. 74 des Buudesstrafrechtes an die kantonalen Gerichte zur Untersuchung und Beurtheilung überwiesen. Infolge dessen lagen im Jahre 1889, einschließlieh der aus dem Vorjahre pendent gebliebenen Eisenbahngefährdungen, 50 Fälle in gerichtlicher Behandlung. Davon sind 42 erledigt worden, 8 blieben pendent.

In 2 Fällen machten wir von dem Rechte der Appellation Gebrauch, nämlich : a. Gegen eine Sistirungsverfügung der Untersuchungskommission des Bezirkes Siders (Wallis), da einzig das kantonale Strafvecht und nicht auch, wie Art. 74 des Bundesstrafrechtes ausdrücklich vorschreibt, die Bestimmungen dieses Gesetzes in Betracht gezogen worden sind. Die fragliche Verfügung wurde aufgehoben und erfolgte daraufhin durch das korre.ktionelle Gericht zu Siders die Verurtheilung des Beschuldigten gemäß Art. 67 des Bundesstrafrechtes.

b. Gegen einen Entscheid des Bezirksgerichtes Zürich, welches den Angeklagten wegen f a h r l ä s s i g e r Eisenbahngefährdung nur zu einer Gefängnißstrafe von i Tag verurtheilt hat, ohne demselben zugleich gemäß Art. 67, lit. b, des Bundesstrafrechtes eine Geldbuße aufzuerlegen ; auch erschien überhaupt die Strafe für die in Betracht kommende grobe Nachläßigkeit des Schuldigen zu ge-

198 ring. Das Obergericht des Kantons Zürich erhöhte die Strafe auf 8 Tage Gefängniß und Fr. 50 Geldbuße.

Die Urtheile aus früheren Jahren sind sämmtliche vollzogen.

lé. An G e f ä h r d u n g e n des T r a m w a y b e t r i e b e s hatten wir in diesem Jahre 2 Fälle aus Zürich, l aus Geuf und l aus dem Kanton Waadt den kantonalen Gerichten zu überweisen.

Sie fanden alle ihre Erledigung durch Verurtheilung der Schuldigen zu kleineren Strafen.

Außerdem beschäftigte uns eine Gefährdung des P o s t b e t r i e b es. In der Nähe von B e r n wurde am 16. Mai die nach Schwarzenburg fahrende Post durch einen, eine steile Anhöhe plötzlich herabrollenden Wagen einer erheblichen Gefahr ausgesetzt.

Die bernischen Gerichte haben den Schuldigen, welcher versäumt hatte, die Spann Vorrichtung des Wagens anzuziehen, auf Grund von Art. 67, lit. b, des Bundesstrafrechtes zu 2 Tagen Gefängniß und Fr. 5 Buße vurartheilt..

15. Die Rechnungen über die Untersuchung^- und Gerichtskosten, welche von Seite der kantonalen Behörden zur Liquidation durch die Bundeskasse gemäß Art. 20 des Bundesgesetzes über die Kosten der Bundesrechtspflege vom 25. Juni 1880 vorgelegt werden, enthalten öfters auch G e b ü h r e n f ü r S t e m p e l n n g d e r A k t e n .

Diese gehören aber offenbar nicht zu den ,,Prozeßkosten11, welche nach dem genannten Art. 20 im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Verurtheilten oder der Freisprechung des Angeklagten von der Bundeskasse zu vergüten sind. Der Stempel ist ein Ausfluß der Fiskalgesetzgebung der Kantone, also eine Art Steuer, welcher der . Bund nicht unterworfen ist. Wir müssen daher die Vergütung solcher Ansätze ablehnen.

16. Von Seite der luzernischen Behörden wurden zwei Sistirungsverfügungen des Statthalteramtes Sursee betreffend Eisenbahnunfälle, welche keinen Grund zu einer gerichtlichen Behandlung boten, mit dem Ersuchen um E r s a t z der e r g a n g e n e n K o s t e n d u r c h d i e B u n d e s k a s s e unserm Justiz- u n d P o lizeidepartemente Übermacht.

Dieses lehnte jedoch das gestellte Begehren ab, da nach Artikel 20 des Bundesgesetzes über die Kosten der Bundesrechtspflege vom 25. Juni 1880 nur in denjenigen Strafprozessen die Kosten aus der Bundeskasse zu vergüten sind, welche gemäß den dort genannten Bundesgesetzen von den kantonalen Gerichten untersucht und erledigt worden sind. Dies war indessen in jenen beiden

199 Fällen nicht geschehen und konnte auch nicht stattfinden, weil die Unfälle von Niemand verschuldet waren und daher die Feststellung des Gerichtsstandes durch-den Bundesrath im Sinne von Art. 74 des Bundesstrafrechtes nicht hätte erfolgen können. Es handelte sich um Vorgänge, die zwar von den Polizeibehörden nicht ignorirt werden durften, die aber lediglich nach den kantonalen Vorschriften r/,a behandeln waren. Es hatte somit auch der Kanton die diesfälligen Kosten zu tragen.

1 7 . Wegen B e s c h ä d i g u n g v o n T e l e g r a p h e n - , beziehungsweise T e l e p h o n l i n i e n haben wir zwei Fälle an die bernischen und einen an die aargauischen Gerichte überwiesen.

Infolge dessen wurden im Ganzen 7 Knaben irn Alter von 13 bis 16 Jahren auf Grund von Art. 66 des Bundesstrafrechtes zu Gefängnißstrafen von je 2 Tagen und zu Geldbußen von Fr. 5--30 verurtheilt.

In einem weitern ähnlichen Falle mußten wir mit Rücksicht auf das jugendliche Alter der Thäter (Art. 30 des Bundesstrafrechtes) von der Uebenveisung an die Gerichte Umgang nehmen, veranlagten dagegen, daß die Schuldigen eine ernstliche Ermahnung erhielten.

1 8 . Zwei Fälle betreffend F ä l s c h u n g v o n M i l i t ä r d i e n s t b u c h lei n haben wir den Gerichten des Kantons Bern zur Beurtheilung zugewiesen.

In dem einen wurde J o h. F r i e d r. Z ü r c h e r von Trubschachen von dem Amtsgerichte zu Thun in Anwendung von Art. 61 des Bundesstrafrechtes zu 60 Tagen Gefängniß und Fr. 10 Buße verurtheilt.

Der andere Fall beireffend einen .)oh. K ä m p f von Sigriswyl hat noch nicht seine gerichtliche Erledigung gefunden.

Durch das Inkrafttreten (am i. Januar 1890) der neuen schweizerischen Militärstrafgerichtsordnung vom 28. Juni 1889 (A. S. n. F., II. Serie, I, 273) ändert sich das Verfahren in derartigen Fällen, wenn die Fälschungen von m i l i t ä r p f l i c h t i g e n Schweizerbürgern begangen werden. Solche Personen sind nämlich gemäß Art. l, Ziffer 5, des neuen Gesetzes auch außerhalb des Dienstes hinsichtlich ihrer dienstlichen Pflichten der M i l i t ä r s t r a f g e r i c h t s b a r k e i t unterworfen (Art. 3). Es hat dabei nach Art. 110, Ziffer 4, desselben Gesetzes das eidgenössische Militärdepartement die Einleitung der Voruntersuchung zu verfügen und die Akten zur weitern Behandlung des Falles dem Untersuchungsrichter des zuständigen Divisionsgerichtes zuzustellen.

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19. Bei der Prüfung der Unterschriften zur UnleiStützung des R e f e r e n d u m s b e g e h r e n s betreffend das Bundesgesetz üboidie Bundesamvaltschaft vom 28 Juni 1889 ergab sich, daß m e h r e r e R e i h e n v o n U n t e r s c h r i f t e n , i m Widersprüche mit Art. 5, Abs. 2, des Bundesgesetzes betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse vom 17. Juni 1874 ( A . S . n . F . I , 116) v o n d e r g l e i c h e n H a n d a u f d i e Listen geschrieben worden waren.

Nach der von uns anläßlich eines frühern Falles (Bundesblatt 1879, II, 632) adoptirten Ansicht kommen zur Beurtheilung einer solchen strafbaren Handlung nicht die kriminalrechtlichen Bestimmungen über das gemeine Verbrechen des Betruges oder der Fälschung zur Anwendung, sondern diejenigen eines Vergehens gegen die verfassungsmäßige Ordnung (Wahlbetrug, Art. 49, litt, a, des Bundesstrafrechtes). Wir nahmen jedoch von einer bezüglichen Strafverfolgung Umgang und beschränkten uns auf die Streichung der betreffenden ungültigen Unterschriften.

20. In einer Straf'uutersuchung gegen G. E. C h â t e l a i n und K o n s o r t e n in Biel, bei welcher es sich u. A. um Fälschung der im Bundesgesetze vom 17. Juni 1886 betreffend den Handel mit Gold- und Silberabfällen (A. S. n. F. IX, 266) vorgesehenen und in der bezüglichen Vollziehungsverordnung vom 29. Oktober 1886 (A. S. n. F. IX, 291) näher normirten Urkunden (Legitimationskarte , Vorweisungsschein , Bordereau) handelte, wurden die Fragen aufgeworfen, ob diese Dokumente als ,,Bundesakten"' im Sinne von Art. 61 des Bundesstrafrechtes anzusehen seien, und ob die Anordnung des weitern gerichtlichen Verfahrens in dieser Angelegenheit dem Bundesrathe zustehe.

Wir sprachen uns in verneinendem Sinne aus, indem wir davon ausgingen, daß die Personen, welchen die Souchenregister geliefert werden und welche sodann die Bordereaux weiter abgeben, P r i v a t p e r s o n e n sind, die lediglieh für Ausübung ihres Gewerbes an eidgenössische Vorschriften gebunden sind. Auch die Chefs der Kontrolbüreaux, welche den Verkäufern von Gold- und Silberahfällen die Vorweisungsscheine und Legitimationskarten verabfolgen, sind k e i n e eidgenössischen Beamten, indem sie von den Kantonen gewählt werden. Die Urkunden, welche diese Personen ausstellen, sind daher keine Bundesakten; sie
werden nicht von Bundesbehörden oder -Beamten errichtet.

Uebrigens unterstellt Art. 6 des Bundesgesetzes über den Handel mit Gold- und Silberabfälleu j e d e Widerhandlung gegen das Gesetz der Beurtheilung der zuständigen kantonalen Gerichte, und

201 Art. 7, Absatz 2, desselben Gesetzes behält ausdrücklich die strafrechtlichen Bestimmungen der Kantone über Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Hehlerei und Gehülfensehaft vor. Die Bundesgerichtsbarkeit erschien demnach im vorliegenden Falle nicht begründet.

III. Lotterie und verbotene Spiele.

21. Seit mehreren Jahren hatte die K u r h a u s g e s e l l s c h a f t von I n t e r l a k e n in dem als Restaurant und Unterhaltungslokal benutzten Kursaalgebäude das sog. R ö ß l i s p i e l ßeu des petits chevaux) betreiben lassen. Gestützt auf §§ l und 5 des bernischen Gesetzes über das Spielen vom 27. Mai 1869, wonach in öffentlichen Wirthschaften alle Spiele um Geld oder Geldeswerth, bei welchen der Gewinn bloß vom Zufall abhängt (Hazardspiele), mit, Ausnahme der Spiele um Eß- und Trinkwaaren, verboten und Widerhandlungen nicht nur für die Spielenden, sondern auch für Wirthe und Platzgeber mit Strafe bedroht sind, wurden die Mitglieder des Verwaltungsrathes der genannten Gesellschaft am 9. Februar 1889 von der Polizeikammer des Kantons Bern zu je Fr. 5 Buße veruvtheilt. Ferner wurde Konfiskation der Spielgeräthe verfügt und den Verurtheilten die Tragung der Kosten auferlegt.

22. Von zuverläßiger Seite ging uns die Mittheilung -/.u, daß ' in verschiedenen Ländern, namentlich in B e l g i e n , gewerbsmäßig A n l e i h e n s l o o s e unter Vorspiegelung von angeblich großartigen, thatsächlich abei1 sehr geringen Gewinnchancen, bedeutend ü b e r ihrem wahren Weilhe gegen Ratenzahlungen verkauft werden, wobei die Annullirung des Verkaufes stipulirt wird für den Fall, daß der Käufei- einen Zahlungstermin versäumt. Da derartige Agenturen, welche überdieß öfters von sehr wenig vertrauenswürdigen Individuen geleitet sind, ihr Gewerbe auch auf die Schweiz ausdehnen, so sahen wir uns veranlaßt, eine bezügliche W a r n u n g im Bundesblatte (1889, I, 265 und 308) zu veröffentlichen.

IV. Fremdenpolizei.

23. Das schweizerische Konsulat in Warschau hat uns auf die Unannehmlichkeiten aufmerksam gemacht, deaen sich d i e n a c h R u ß l a n d r e i s e n d e n P e r s o n e n dadurch aussetzen, daß sie die in jenem Lande bezüglich der Reisepässe geltenden Vorschriften aus Unkenntniß nicht beobachten. Wir brachten daher sämmtlichen kantonalen Staatskanzleien mittelst Kreisschreiben

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(Bundesbl. 1889, III, 939) die Bekanntmachung der Bundeskanzlei vom 15. Februar 1877 (Bundesbl. 1877, I, 246) und unser Kreissehreiben vom 25. März 1880 (Bundesbl. 1880, II, 231) in Erinnerung und forderten sie auf, die fraglichen Personen bei der Ausstellung von Pässen nach Rußland auf folgende Bestimmungen aufmerksam zu inachen: 1) Daß jeder Reisepaß nach Rußland das Visum der kaiserlich russischen Gesandtschaft in Bern und die Unterschrift des Inhabers tragen müsse ; : 2) daß sich jeder Paßinhaber innerhalb einer Frist von 6 Monateii, vom Uebersohreiten der Grenze an gerechnet, eine russische Aufenthaltsbewilligung verschaffen müsse, ansonst er für jeden Tag Verspätung einer Strafe von 15 Kopeken unterliege ; 3) daß die russischen Aüfenthaltsbewilligungen nur für 12 Monate gültig seien und regelmäßig erneuert werden müssen.

Gleichzeitig verwiesen wir noch auf unser Kreisschreiben vom 5. März 1886 (Bundesbl. 1886, I, 310) betreffend die besonderen Bestimmungen hinsichtlich der Israeliten, welche sich nach Rußland begeben wollen.

24. Mit Rücksicht auf Art. III des Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und Dänemark vom 10. Februar 1875 (Amtl.

Samml. n. P. I, 667), wonach jeder Bürger des einen der beiden Staaten, welcher sich im andern niederlassen will, g e h ö r i g e H e i m a t s c h r i f t e n beizubringen liât, efsuchte uns die königl.

Regierung von Dänemark urn Aufschluß darüber, w e l c h e F o r m s o l c h e A u s w e i s e h a b e n m ü s s e n , damit sie von den schweizerischen Behörden als genügend anerkannt werden.

Wir erwiderten, daß hierseits unter den in jenem Artikel vorgesehenen ,,Heimatschriften"' solche amtliche Dokumente verstanden werden, durch welche das Heimatrecht des betreffenden Individuums von den Behörden seines Landes in unzweideutiger Weise beurkundet wird, was durch die Erklärung geschehe, daß der Träger der Urkunde Angehöriger des fraglichen Staates sei und als solcher jederzeit daselbst wieder aufgenommen werde. Als ein solcher Ausweis könne nicht nur der in der Schweiz übliche Heimatschein dienen, sondern auch jedes andere Dokument, wodurch die Nationalität des Inhabers bewiesen werde, also auch ein Paß, sofern durch denselben die Identität des Inhabers, sowie seine Staatsangehörigkeit außer allen Zweifel gestellt, sei.

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25. In Fällen von L e i c h e n t r a n s p o r t e n aus d e r S c h.w ei z n a c h F r a n k v e i c h kommt es häufig vor, daß die entsprechenden Gesuche um Bewilligung an die Präfektur des Doubsdépartements gerichtet werden. Gemäß Art 4, § 2, des Dekretes vom 27. April 1889 ist jedoch in Frankreich die Ausstellung von Leichenpässen Sache des Ministers des Innern. Daher haben Diejenigen, welche die Leiche einer irn Auslande verstorbenen Person nach Frankreich überführen lassen wollen, sich d i r e k t an das dortige Ministerium des Innern zu wenden.

V. Werbung.

26. Der im letzten Geschäftsberichte (Bundesbl. 1889, II, 781) genannte J a k o b K a m b e r von Hauenstein, welcher vom Schwurgerichte des Kantons Solothurn wegen Uebertretung des Werbeverbots verurtheilt worden war, stellte das Gesuch um Erlaß der Strafen auf dem Wege der Begnadigung. Wir beantragten der Bundesversammlung, das Begehren abzuweisen (Bundesbl. 1889, III, 318); diese reduzirte indessen die Gefängnißstrafe von 2 Monaten auf 7 Tage, während der übrige Theil des Unheils in Kraft geblieben ist.

Kamber, sowie die andern im letzten Jahre wegen des gleichen Delikts verurtheilten Individuen haben ihre Strafen abgebüßt.

Neue bezügliche Strafurtheile sind im Berichtjahre nicht eingelangt.

VI. Politische Polizei, 27. Die wichtigste Thatsache des Jahres 1889 auf diesem Gebiete i s t d i e W i e d e r h e r s t e l l u n g d e s A m t e s d e s s t ä n d i g e n e i d g e n ö s s i s c h e n G e n e r a l a n w a l t es, von welcher wir schon im Abschnitt ,,Gesetzgebung* gesprochen haben. Infolge eines Antrages der ständeräthlichen Kommission erhielt Art. 3, AI. 2, des betreffenden Gesetzes vom 28. Juni 1889 folgende Fassung: ,,Er (der Generalanwalt) überwacht die Fremdenpolizei in Beziehung auf Handlungen, welche die innere oder äußere Sicherheit der Schweiz gefährden, sowie die bezüglichen Untersuchungen, und unterbreitet dem Buudesrath auf Anwendung des Art. 70 der ßundesfassung gehende Anträge." Man darf daher erwarten, daß dieses neue Institut die Aufsicht über diejenigen Ausländer, deren Anwesenheit auf schweizerischem Gebiete eine Gefahr für unser Land hervorrufen kann, nicht bloß einheitlicher und thafckräftiger

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gestalten, sondern gleichzeitig auch Diejenigen einigermaßen beruhigen werde, welche bei Anwendung von Art. 70 der Bundesverfassung das Eingreifen der Gerichtsbehörden ungern vermissen.

28. Auch im Jahre 1889 ist unser Justiz- und Polizeidepartement mit Geschäften aus dem Gebiete der politischen Polizei sehr überhäuft gewesen. Die wichtigern Vorgänge werden hier kurz erwähnt.

Am 6. März 1889 waren 2 russische Studenten, J a k o b ßrj'nstein und A l e x a n d e r Detnbsky, im Peterstobel bei Z ü r i c h mit Versuchen der Füllung und Verwendung von metallenen Hohlkugeln, die in ihrem Auftrage von einer Gießerei und einem Mechaniker in Zürich hergestellt worden waren, be" sehäftigt, als plötzlich eine dieser Kugeln zersprang und die Beiden gefährlich verletzte. Brynstein ist 2 Tage nachher seinen Wunden erlegen, während Dembsky nach längerer ärztlicher Behandlung im Spital geheilt werden konnte. Eine lange dauernde Untersuchung hat im Allgemeinen herausgestellt, daß die beiden Genannten einer terroristischen Richtung der russischen Nihilisten angehörten und daß sie unter den slavischen Studirenden am eidgenössischen Polytechnikum und an der zürcherischen Universität mehrere Parteigänger zählten. Indeß ging das Schlußresultat der Untersuchung dahin, daß ein Komplott zum Zwecke des Angriffes gegen einen bestehenden Staat nicht anzunehmen war. Vielmehr wurde festgestellt, daß Brynstein und Demhsky erst Versuche machten, um irgend einen Sprengstoff und die Umstände seiner Verwendung zu ermitteln, ohne aber noch einen bestimmten Plan für die Verwendung der von ihnen herzustellenden Bomben zu haben. Durch die Expertise eines Sachverständigen wurde als sichere Thatsache.

konstatirt, daß das von den Genannten verwendete Nitroglyzerin durchaus mangelhaft war; insbesondere sprach der Experte dahin sich aus, daß Brynstein und Dembsky ein Produkt hergestellt haben, das nur für sie selbst habe nachtheilig sein können. Die betreffende Bombe sei auch in der That mit großer Gewalt wiederholt gegen einen Felsen geworfen worden, ohne zu explodireii, während nachher schon die Wärme der Hand genügt habe, um sie zum Platzen zu bringen. Man mußte daher erkennen, daß Brynstein und Dembsky erst im Stadium unsiehern Pröbelns sich befunden haben, während es dennoch keinem Zweifel unterliegen konnte, daß diese Versuche den
Zweck hatten, die Kampfmittel der russischen terroristischen Partei mit einer neuen Waffe zu vermehren.

Von der gerichtlichen Verfolgung dieser Angelegenheit wurde Umgang genommen. Sie fand ihre Erledigung durch Beschluß vom 7. Mai 1889, womit, gestützt auf Art. 70 der Bundesverfassung,

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Alexander Dembsky und 12 andere Studireude vom eidgenössischen Polytechnikum aus dem Gebiete der Schweiz ausgewiesen wurden (Bundesbl. 1889, II, 925).

29. Noch bevor die Untersuchung betreifend die Vorgänge im Peterstobel beendigt war, sahen wir uns veranlaßt, ebenfalls gestützt auf Art. 70 dei' Bundesverfassung, zwei weitere Ausweisungsdekrete zu erlassen.

Das eine derselben, vom 30. April 1889, betraf den Polizeiinspektor A u g u s t W o h l g ' e ' m u t h aus Mülhausen, das andere, vom 3. Mai des gleichen Jahres, den mit ihm in Beziehung gestandenen Schneider Bal th as a r A n t o n L u t z von Forst (Bayern), wohnhaft gewesen in Basel. Diese beiden Dekrete sind abgedruckt im Bundesbl. 1889, II, 685 und 686. Dasjenige vom 30. April hat am gleichen Tage infolge telegraphischer Anordnung seine Vollziehung gefunden, dasjenige vorn 3. Mai dagegen erst etwa 14 Tage später, indem Lutz zur Ordnung seiner Privatverhältnisse entsprechende Fristverlängerung erhielt.

An die Vorgänge, welche mit diesen beiden Ausweisungsdekreten in .Verbindung standen, knüpfte sich die Interpellation von Herrn Nationalrath Künzli und Genossen, welche in der Sitzung des Nationalrathes vom 21. Juni 1889 eröffnet und von Herrn Bundesrath Droz beantwortet wurde (Bundesbl. 1889, III, 651).

30. Ungeachtet seit dem Ausweisungsdekrete vom 18. April 1888 (Bundesbl. 1888, II, 423) aller Grund zu der Annahme vorlag, daß die R e d a k t i o n und der V e r l a g des ,, S o z i a l d e m o k r a t 1 1 nach London verlegt worden, tauchte noch immer die Behauptung auf, er werde in Zürich gedruckt und von dort aus in großer Anzahl nach Deutschland eingeschmuggelt. Die Regierung des Kantons Zürich ist daher einem auch von uns gehegten Wunsche entgegengekommen, als sie mit Schreiben vom 27. Juni 1889 die Einladung an uns richtete, es möchten die dieser Behauptung zu Grunde liegenden Thatsachen noch einrnal gründlich untersucht werden.

Zu gleicher Zeit erschien in der zu Zürich herausgegebenen ,,Arbeiterstimme'1 (Nr. 52 vom 29. Juni) eine Proklamation, unterzeichnet von dem ,,L a n d e^s a u s s c h u ß d e r d e u t s c h e n S o z i a l i s t e n in der S c h w e i z " an ,,unsere deutschen Parteiund Gesinnungsgenossen und an die Bevölkerung der Schweiz"1.

Dieser Landesausschuß glaubte, in unberufener Weise in der damaligen politischen
Differenz zwischen der Schweiz und Deutschland ein Wort mitreden zu sollen. Es war daher von Interesse, die Existenz dieses Landesausschusses der deutschen Sozialisten in der Schweiz und dessen Organisation und Ziele näher kennen zu lernen.

206 Diese und andere Vorgänge, die sich zeitlich und sachlich nahe lagen, veranlaßten uns, durch einen speziellen Delegirten in der Person des Herrn Dr. Trachsler, Sekretärs unseres Justiz- und Polizeidepartementes, an Ort und Stelle Erhebungen vornehmen zu lassen.

Das Resultat war ein durchaus beruhigendes. Wenn der Londoner "Sozialdemokrat" wirklich jetzt noch in zahlreichen Exemplaren nach Deutschland kommt, so geschieht dieses nicht von der Schweiz aus, sondern auf andern Wegen, und was die Existenz und Organisation des sogenannten Landesausschusses der deutschen Sozialisten betrifft, so hat sich ergeben, daß diese Organisation nichts Beunruhigendes bietet.

31. Am 17., 18. und 25. August ist an mehreren Orten in der Schweiz heimlich ein in deutscher und französischer Spruche redigirtes Imprimat vertheilt worden, betitelt: ,, M a n i f e s t d e r S c h w e i z e r i s c h e n Anarchisten" und unterzeichnet ,,die schweizerischen Anarchisten von Basel, Freiburg, Aarau, Locle, Rorschach, Neuenburg, St. Gallen, Bern, Chaux-de-Fonds, Zürich, Lausanne, St. Immerthal, Genf, Lugano, Winterthur, Biet, Glarus und Luzern, im August 1889.a -- Die Unterzeichner adressirten sich an die ,,Arbeiter" und forderten sie zur Aufsicht auf gegen ,,unsere Regierungsbande" (eigene Uebersetzung der Verfasser), welche die letzten Vorgänge benutzen werde, um nicht allein die deutschen Spitzel auszuweisen, sondern auch die Sozialisten und insbesondere die Anarchisten anderer Länder. Mau müsse sich auf Maßregeln gefaßt machen, welche nicht allein die zu uns geflüchteten Sozialisten treffen werden, sondern auch die schweizerischen Anarchisten etc. ; Unser Justiz- und Polizeidepartement säumte nicht, sofort eine polizeiliche Untersuchung gegen die Urheber und Verbreiter dieses Manifestes zu eröffnen. Es konnte bald ermittelt werden, daß dasselbe in der Schweiz entstanden, aber in Paris gedruckt worden ist und in großen Massen eingeschmuggelt wurde. Es ist auch bald gelungen, den Haupturheber und einige der thätigsten Verbreiter des Manifestes zu entdecken und: zur Haft, zu bringen. Infolge dessen eröffneten wir am 30. August 1889, in Anwendung der entsprechenden Vorschriften des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874, gegen die Urheber und Verbreiter des Manifestes eine strafrechtliche
Untersuchung und ernannten Herrn Josef Stockmar, Mitglied des schweizerischen Nationalrathes und Chef der Polizeidirektion des Kantons Bern, zum Generalanwalt ad hoc (Bundesbl. 1889, III, 1171). Nachdem die Untersuchung durch den Untersuchungsrichter für die romanische Schweiz noch ergänzt worden war, erklärten wir uns am 22. Oktober gemäß

207 dem übereinstimmenden Antrage des Generalanwaltes und des Untersuchungsrichters damit einverstanden, daß gegen A l b e r t N i c o l e t in Chaux-de-Fonds als Urheber des Manifestes, und gegen F e l i x N i k i a u s D a r b e l l a y , wohnhaft in Lausanne, und F e r d i n a n d H an zi in Basel als Gehülfen, der Anklage weitere Folge gegeben werde (Bundesbl. 1889, IV, 298). Die Kriminalkammer des Bundesgerichtes genehmigte den diesfälligen Antrag des Generalanwaltes. Die Bundesassisen des I. eidgenössischen Kreises sprachen indessen mit Urtheil vom 20. Dezember 1889 die Angeklagten frei, jedoch ohne denselben eine Entschädigung zu gewähren.

Im Laufe dieser Untersuchung hat es sich ergeben, daß d r e i A u s l ä n d e r , sämmtlich Deutsche, ihren Aufenthalt in der Schweiz benutzt haben, um für die revolutionären Ideen der anarchistischen Partei in aufreizender Weise zu agitiren. Auf den Antrag des Untersuchungsrichters und des Generalanwaltes nahmen wir von der gerichtlichen Verfolgung dieser drei Ausländer Umgang, verfügten aber am 16. Oktober 1889, gestützt auf Art. 70 der Bundesverfassung, deren Ausweisung aus der Schweiz (Bundesblatt 1889, IV, 270), Es ergibt sich aus dem Gesagten, daß die Urheber des Anarchistenmanif'estes auf einen größeren Anhang pochten, als sie in Wahrheit haben. In den zahlreichen schweizerischen Ortschaften, in denen sie ihre Zeugen aufgerufen, ist nirgends etwas Gefahrdrohendes ermittelt worden. Diese Thatsache wird auch durch Herrn Generalanwalt Stockmar bestätigt, indem er in seinem Schlußberichte wie folgt sich ausspricht: ,,Die Thatsache ist nunmehr festgestellt, daß der Anarchismus in der Schweiz nur durch eine beschränkte Anzahl vereinzelter, mit keiner Partei in Verbindung,stehender Individuen vertreten ist, deren Lehre und Handlungsweise sogar von den eifrigsten Sozialisten entschieden mißbilligt werden. Diese Letztern wollen ihre Ansprüche auf gesetzlichem Boden verfolgen, während die Anarchisten darauf ausgehen, alle unsere staatlichen Einrichtungen von Grund aus zu zerstören, ohne sich indessen darüber klar zu sein, was für eine gesellschaftliche Ordnung sie an die Stelle setzen wollen. Ihre Anzahl ist unbedeutend. Bis jetzt haben sie sieh auf die Theorie beschränkt, ohne die ,,Propaganda der That u , welche von ihren Organen unaufhörlich gepredigt wird,
zu verwirklichen. Ihr Auftreten vor den Geschwornen war dasjenige harmloser Großthuer, ein Bindruck, welcher ohne Zweifel zu ihrer Freisprechung nicht wenig beigetragen hat. Indessen sind ihre Lehren und Aufreizungen unter gewissen Umständen geeignet, eine ernstliche Gefahr zu bilden, und die Behörden haben daher die Pflicht, das Fortschreiten dieser Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

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208 moralischen Seuche, deren Entwicklung durch eine volkswirtschaftliche Krisis unfehlbar befördert würde, .zu beobachten."

32. In dem gleichen Schlußberichte hat Herr Generalanwalt Stockmar auch auf die Mängel der bisherigen O r g a n i s a t i o n d e r F remdenpol i z e i , sowie auf die Notwendigkeit der R e v i s i o n d e s B u n d e s s t r a f r e c h tes aufmerksam gemacht.

lieber den ersteren Punkt spricht er sich aus, wie folgt: ,,Dadurch, daß sich die Untersuchung gleichzeitig auf mehrere Kantone erstrecken mußte, hat sich gezeigt, wie mißlich es ist, daß die Fremdenkontrole auf dem ganzen Staatsgebiet nicht nach einheitlichen Grundsätzen ausgeübt wird, daß ein regelmäßiger Austausch von Mittheilungen fehlt, und insbesondere daß die einschlägigen Erhebungen nicht -- wenn auch nicht geradezu zentral!sirt -- so doch Wenigstens in einer Weise gesammelt werden, welche eine unmittelbare Benutzung derselben durch alle betheiligten Amtsstellen gestatten würde. Die von mir im Laufe der Untersuchung an das Departement übermittelten Berichte und Aktenstücke enthalten in dieser Hinsicht lehrreiche Beispiele. Es ist Sache der Bundesanwaltschaft, die Initiative zu dieser Reform zu ergreifen, zu welcher die Kantonsregierungen gewiß bereitwillig Hand bieten werden, da es sich ja ira Grunde um ein öffentliches Interesse ersten Ranges handelt und diese Verhältnisse der Hauptsache nach ohne Verletzung des Principes der Kantonalsouveränität geregelt werden können."

Was die Revision des Bundesstrafrechts betrifft, so ist die dringende Notwendigkeit derselben durch diese Untersuchung abermals auf das Eklatanteste bewiesen worden. Herr Generalanwalt Stockmar läßt sich hierüber folgendermaßen vernehmen : ,,Die Fassung derjenigen Artikel des Bundesstrafrechts, welche die Verbrechen und Vergehen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und die innere Sicherheit betreifen (zweiter Abschnitt, Titel III), entspricht den gegenwärtigen Bedürfnissen offenbar nicht mehr.

Da mit der Ausdehnung der Kompetenzen des Bundes eine Vermehrung der bezüglichen Vergehen voraussichtlich Hand in Hand gehen wird, so ist zu befürchten, daß die Bundesbehörden gegenüber Angriffen, welche) die öffentliche Sicherheit ernstlich zu gefährden geeignet sind, wehrlos dastehen werden. Die durch die Geschwornen angenommene Auslegung, sowie
auch die Rechtsprechung der Kriminalkammer des Bundesgerichts machen die Artikel 46 und 48 zu todten Buchstaben, so daß die Umgehung dieser Bestimmungen zu einem Kinderspiel wird.

209 yBer Anarchistenprozeß hat das Bedürfniß einer Aenderuug, beziehungsweise Ergänzung des Bundesstrafrechts nach verschiedenen Richtungen hin sehr fühlbar gemacht. Will man darauf bei der in Vorbereitung befindlichen Revision Rücksicht nehmen, so wäre meines Erachtens erforderlich : 1) eine Abänderung der Art. 45 und 46 in dem Sinne, daß die Handlungen, welche als Verbrechen und Vergehen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und die innere Sicherheit zu betrachten sind, genau und ausdrücklich bezeichnet werden, anstatt bloß die Zusammenrottung und den Aufruhr ganz allgemein zu erwähnen; 2) die Aufnahme des Vergehens der Drohung gegen die Bundesbehörden in diese Aufzählung; 3) eine Abänderung von Art. 69 mit Bezug auf die Abstufung der Verantwortlichkeit, für welche der Grad der wirklichen Theiinahme an der Ausführung der strafbaren Handlung als Maßstab zu gelten hätte."

33. Der Schneider F r a n z T r o p p m a n n von Flöß (Bayern), welcher mit Bundesrathsbeschluß vom 14. September 1888 (Bundesblatt 1888, IV, 114) wegen anarchistischer Umtriebe aus dem Gebiete der Eidgenossenschaft ausgewiesen worden, war im BerichtJahre in die Schweiz zurückgekehrt und wurde bei Porte du Seex von der Walliser Polizei arretirt. Wir überwiesen dieses Individuum wegen Uebertretung der Landesverweisung im Sinne von Art. 63, litt, a, des Bundesstrafrechtes den Gerichten des Kantons Wallis zur Beurtheilung (Bundesbl. 1889, III, 1173).

Troppmann wurde demzufolge von dem Strafgerichte für den Bezirk Monthey zu einer Geldbuße von Fr. 200 und einem Monat Gefängniß verurtheilt. Nach Abbüßung dieser Strafen ist er bei 8t. Gingolph über die Grenze geschafft worden.

VII. Heimatrecht.

3e. In 69 Fällen hatte sich unser Justiz- und Polizeidepartement mit Untersuchungen betreffend F e s t s t e l l u n g des H e i m a t r e c h t e s von Familien oder einzelnen Individuen (im Ganzen über 150 Personen) zu beschäftigen; außerdem setzte die Behandlung der zahlreichen Fälle von H e i m s c h a f f u n g e n Geisteskranker, verlassener Kinder und anderer hilfsbedürftiger Personen (vgl. unter ,,spezielle Fälle internationaler Natur a Nr. 34) jeweils ein genaues Studium der Heimatrechtsfragen voraus. Wenn übrigens das Departement mit Bürgerrechtsangelegenheiten der Zahl nach nicht

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ganz so stark belastet war, wie im Vorjahre, so erforderten doch im Berichtjahre Sichrere der behandelten Geschäfte ausgedehnte Erhebungen und weitläufige Korrespondenzen behufs Beschaffung oder Ergänzung des unerläßlichen Beweismaterials. Außerdem haben die älteren Untersuchungen wiederum thunlichste Förderung gefunden; einige derselben sind dem Abschlüsse nahe gebracht worden.

15 von den obigen Untersuchungen betrafen solche Personen, deren s c h w e i z e r i s c h e s Heimatrecht streitig geworden war; 8 davon fanden ihre Erledigung dadurch, daß die in Betracht fallenden 11 Personen auf Grund des gesammelten Beweismaterials von den betreffenden Kantonen freiwillig anerkannt wurden. In fünf Fällen erfolgten Ablehnungen. Bei zwei Personen wurde die Durchführung des förmlichen Heimatlosenverfahrens nothweudig, auf Grund dessen; wir dieselben durch motivirte Entscheide dem Kanton Genf zur Einbürgerung zusprachen.

Gegen unserrl Beschluß vom 22. Dezember 1888, wodurch wir den Staatsrath des Kantons Tessin verpflichteten, die Brüder T o g n o l a einzubürgern, hat derselbe den Rekurs an das Bundesgericht ergriffen, nachträglich aber die Einstellung des Prozesses verlangt, um diese Angelegenheit vorerst der Bundesversammlung vorzulegen.

Wir haben Ihnen die bezüglichen Akten bereits mit Schreiben vom 18. Dezember 1889 (Bundesbl. 1890, I, 1) unterbreitet. Unser Beschluß betreffend die Einbürgerung der Gebrüder Tognola und der Rekurs des Tessirjer Staatsrathes an die Bundesversammlung finden sich im Bundesblatt 1890, I, 7 und 18, publiait.

35. In 14 Fällen (einschließlich der vom letzten Jahre pendenten) waren behufs Anerkennung des a u s l ä n d i s c h e n Heimatrechtes d i p l o m a t i s c h e V e r h a n d l u n g e n mit dem deutschen Reiche, Italien und Frankreich nöthig. Sechs derselben erledigten sich durch Anerkennung der betreffenden (13) Personen, in 3 Fällen (4 Personen) blieben unsere Bemühungen erfolglos. 5 Fälle hatten am Ende des Jahtes ihre Erledigung noch nicht gefunden.

36. Häufig werden von den kantonalen Behörden die Vorschriften betreffend die Feststellung des H e i m a t r e c h t e s d e u t s c h e r 3 t aia t s a u g e h ö r i g e r in der S c h w e i z nicht in gehöriger Weifee beobachtet. Nach dem Zusatzprotokolle von 1881 zu dem Niederlassungsvertrage zwischen der Schweiz
und Deutschland (A. $. n. F. VI, 273) sind nämlich zu dem besagten Zwecke von den Kantonen vor Allem d i r e k t e Schritte bei den kompetenten deutscheu Behörden zu thun. Die in den beiden Ländern hiefür zuständigen Amtsstellen sind in dem Protokoll genau festgestellt. In der Schweiz sind fast ausschließlich die kantonalen Po-

211 lizeidirektione zu Erklärungen über die Staatsangehörigkeit und zur Ertheilung von Anerkenntnissen befugt, während in Norddeutschland in der Regel die Regierungen der einzelnen Provinzen und in Süddeutschland die Bezirks- oder Kreisämter die kompetenten Behörden bilden; dagegen gelten als solche nicht, mit Ausnahme der Magistrate einiger größerer deutscher Städte, die G e m e i n d e b e h Ord e n , und kann daher auch eine Korrespondenz mit diesen niemals zu einem Erfolge führen. Erst wenn durch die Verhandlungen zwischen den zuständigen Behörden das gewünschte Resultat nicht erzielt werden konnte, soll eine d i p l o m a t i s c h e Intervention eintreten.

37. Die in Aesch, Kantons Baselland, wohnhafte E l i s a b e t h D o b e l i wurde im Jahre 1826 als eheliche Tochter eines Franzosen geboren, welcher in Burgfelden, Elsaß, heimatberechtigt war.

Nachdem ihr Vater gestorben und ihre Mutter sich m Aesch (Baselland) mit einem dortigen Bürger wieder verheirathet hatte, hielt sie sich an diesem Orte vom Jahre 1834 bis 1865 ununterbrochen auf. Um diese Zeit begab sie sich nach Freiburg (in der Schweiz), wo sie sich durch einen Immatrikulationsak der französischen Botschaft in Bern legitimirte. Später siedelte sie nach Frankreich über, kehrte aber 1885 nach der Schweiz zurück. Von dieser Zeit hinweg konnte sie jedoch keine Ausweisschriften mehr beibringen.

Sie hatte nämlich ihre französische Nationalität durch den Uebergang von Elsaß-Lothringen an Deutschland verloren, da sie unterlassen hatte, für Frankreich zu optiren. Auch deutsche Schriften waren für sie nicht erhältlich, indem die deutschen Behörden geltend machten, sie habe infolge ihrer mehr als 10jährigen Abwesenheit aus dem deutschen Reichsgebiete ihre dortige Staatsangehörigkeit eingebüßt. Infolge dessen glaubte die E. Döbeli, Anspruch auf die Eigenschaft als schweizerische Heimatlose zu haben, und stellte das Gesuch um Einbürgerung im Kanton Baselland, wo sie den größten Theil ihres Lebens zugebracht habe und nunmehr wiederum wohne.

Wir konnten indeß diesem Ansuchen nicht entsprechen, da die fragliche Person gemäß den Bestimmungen des Frankfurter Friedens von 1871 deutsche Staatsangehörige geworden war, ein anderweitiges Bürgerrecht aber nicht erworben hatte, und daher gemäß Art. 7 des Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz
und dem deutschen Reiche vom Jahre 1876 in Deutschland wieder aufgenommen werden muß. Der Petentin blieb nichts Anderes übrig, als entweder nach Deutschland zurückzukehren und die deutsche Nationalität neuerdings zu erwerben, oder aber diejenigen

212 Bedingungen zu erfüllen, welche die Regierung ihres Aufenthaltskantons an die Duldung ihres Aufenthaltes knüpfen würde (z. B.

Hinterlegung einer Kaution), oder endlich in der Schweiz nach Maßgabe des Bundesgesetzes vom 3. Juli 1876 sich naturalisiren zu lassen.

; 38. Der im Kanton Appenzell A. Rh. seit den 1860er Jahren wohnhafte Schuster A n t o n P e s e r hatte seine Staatsangehörigkeit stets mit badischen Heimatscheinen legitimirt. Auch seine Frau, eine Appenzellerin, mit welcher er sich im Jahre 1871 verheirathet hatte, war in dieselben aufgenommen worden, dagegen nicht ein mit dieser vorehelich erzeugter Sohn. Die Heimatscheine des Feser wurden regelmäßig erneuert, zuletzt noch in den Jahren 1881 und 1883. Im Jahre 1888 aber verweigerten die badischen Behörden plötzlich eine fernere Erneuerung, angeblich weil Feser schon im Jahr 1873 die Entlassung aus dem badischen Staatsverhande nachgesucht und erhalten habe.

Gestutzt auf diese Thatsache erklärte das badische Staatsministerium, daß feser nur auf Grund einer allfälligen Wiederaufnahme in den badischen Staatsverband neue Heimatschriften erhalten könne. Dagegen 'anerkannte das Ministerium, daß die badischen Behörden der Schweiz gegenüber verpflichtet seien, den Feser und seine Ehefrau auf Verlangen, so lange diese nicht Angehörige eines andern Staates geworden, nach Maßgabe von Art. 7 des Niederlassungsvertrages 'zwischen der Schweiz und Deutschland vom 27. April 1876, frls vormalige badische Staatsangehörige aufzunehmen.

Hinsichtlich des vorehelichen Sohnes erklärte aber das badische Staatsministerium, daß derselbe nie Badenser gewesen sei, da nach einer o vorgelegten i Urkunde seine förmliche Anerkennung durch seine Eltern erst ip Februar 1889 stattgefunden habe, zu einer Zeit, wo der Vatei' Feser die badische Staatsangehörigkeit längst verloren gehabt, sie also nicht mehr auf seinen Sohn habe übertragen können.

; Der Letztere ijvurde in der Folge unter dem Mädchennamen seiner Mutter in deren Heimatgemeinde Schwellbrunn anerkannt und eingebürgert. !

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Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1889.

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17

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.04.1890

Date Data Seite

127-212

Page Pagina Ref. No

10 014 759

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