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Kreisschreiben des

Bundesrathes an die Schweiz. Eisenbahn- und Dampfschiffverwaltungen, betreffend die Rückversicherung ihres Personals gegen Unfälle.

(Vom 15. November 1890.)

Tit.

Aus den in Folge des Kreisschreibens unseres Eisenbahndepartements vom 18. Februar d. J. eingelangten Akten ergibt sich, daß eine Anzahl Verwaltungen mit Unfallversicherungsgesellschaften Verträge abgeschlossen haben, durch welche die letztern sich verpflichten, für die ökonomischen Folgen von Unfällen einzustehen, und zwar besonders auch dann, wenn es sich um die gesetzliche Haftpflicht handelt. Der Bundesrath hat durchaus keinen Grund, derartige Verträge zu beanstanden, wenn dieselben wirklich bloß den Zweck haben, den Transporlanstalten den Ersatz derjenigen Entschädigungen zu sichern, welche sie zufolge gesetzlicher oder anderweitiger Verpflichtungen zu bezahlen haben können, und es ist namentlich kleinern Gesellschaften nur zu empfehlen, den nicht vorauszusehenden größern Risiken auf diese Weise zu begegnen.

Wir konstatiren auch, daß in den Verträgen die Vorschriften des Gesetzes so weit gewahrt sind, als meistens bestimmt ist, daß die Verträge nur zwischen den Transportgesellschaften einerseits und den Versicherungsgesellschaften anderseits Recht machen sollen.

Dagegen nehmen wir Anstand an den Bestimmungen, welche gleichwohl die Versicherungsgesellschaften thatsächlich den Personen gegenüber stellen, die Ansprüche aus Haftpflicht zu erheben haben, sofern den Versicherungsunternehmern zugesagt ist, daß sie nicht bloß in die gütlichen Verhandlungen mit jenen Personen sich zu mischen und dieselben zu kontroliren haben, sondern auch das Recht haben sollen, als Prozeßpartei an S t e l l e der T r a n s p o r t g e s e l l s c h a f t e n aufzutreten.

1061 Diese Bestimmungen scheinen schon wiederholt dazu geführt zu haben, daß Verunglückte oder deren Hinterlassene, welche haftpflichtrechtliche Ansprüche anmeldeten, von den Transportgesellschaften direkte an die Versicherungsunternehmuugen gewiesen worden sind, weil den letztern die Zahlung der eventuellen Entschädigungen obliege.

Wir wollen nicht behaupten, daß dieses Verfahren zum Nachtheil der forderungsberechtigten Personen führen m ü s s e ; wir halten aber dafür, daß dasselbe dem Willen der Haftpflichtgesetzgebung nicht entspricht, welche die Transportanstalten direkte für die entstandenen Nachtheile verantwortlich macht und nicht will, daß diese sich durch Ueberleitung ihrer Verpflichtungen auf dritte Personen oder Unternehmungen der Behandlung und Erledigung der Begehren und Klagen der Ansprecher entziehen können.

Wir müssen uns des Bestimmtesten gegen eine solche Tendenz aussprechen und verlangen, daß die Verwaltungen der Transportanstalten sich angelegen sein lassen, den aus der gesetzlichen Haftpflicht herrührenden Reklamationen durch eine entgegenkommende, eigene und einläßliche Prüfung jedes einzelnen Falles Rechnung zu tragen.

Im Weitern benützen wir den Anlaß, Ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten, daß, während einzelne Transportanstalten in den Fällen, wo ein Schadenersatzanspruch grundsätzlich feststeht, abor über das Quantitativ Streit herrscht, sich angelegen sein lassen, allfälligen Nothständen durch Leistung von Vorschüssen entgegenzukommen, andere durch die Verweigerung solcher Vorschüsse das Odium auf sich laden, einen unbilligen Druck auf die Anspruchsberechtigten üben zu wollen. Wir empfehlen diesen letztern Verwaltungen angelegentlich, ebenfalls jeweilen prüfen zu wollen, ob eine vorschußweise Hülfeleistung angezeigt sei, und alsdann hienach zu verfahren.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 15. November 1890.

Im Narnen des Schweiz. Bundesrathes : Der Bundespräsident:

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an die Schweiz. Eisenbahn- und Dampfschiffverwaltungen, betreffend die Rückversicherung ihres Personals gegen Unfälle.

(Vom 15. November 1890.)

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1890

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48

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22.11.1890

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1060-1061

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