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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Vornahme einer Untersuchung über die militärische Diensttauglichkeit des schweizerischen Pferdebestandes.

(Vom 27. Mai 1890.)

Tit.

Durch Ihre Schlußnahme vom 7. Juni 1877 (A. S. n. F. III, 107) hatten Sie für die Vornahme einer Untersuchung über die militärische Diensttauglichkeit des schweizerischen Pferdebestandes einen Kredit von Fr. 50,000 bewilligt. In unserer daherigen Botschaft vorn 26. Mai gleichen Jahres war bemerkt, daß die im Jahre 1876 vorgenommene Viehzählung keine Klassifikation lieferte und auch nicht liefern konnte, aus welcher zu ersehen wäre, ob genügend diensttaugliche Pferde für die Armee vorhanden seien und ob die Zahl der Reitpferde den Bedürfnissen der Armee entspreche, während gerade solche Erhebungen eine der Hauptgrundlagen für die Vorbereitungen der Armeemobilisatio zu bilden haben.

Die Viehzählung von 1876 ergab ein Total von 100,935 Pferden, wovon auf Wallachen und Stuten von 4 bis 12 Jahren 63,700 ' Stück fielen. Nach der Zählung von 1877 waren hievon, abgesehen von den Kavalleriepferden für den Militärdienst tauglich : Offiziers- und Unteroffiziersreitpferde 5,752 Artilleriezugpferde 20,979 Armee- und Linientrainpferde 25,508 46 487 ' Total 52,239 wobei in einzelnen Divisionskreisen die Zahl der Reitpferde zwischen 200 und 1200 und die der diensttauglichen Pferde überhaupt zwischen 3800 und 11,200 variirte.

916 Auf Grundlage dieser Erhebungen erfolgte im Jahr 1884, in, Ausführung der Bestimmungen der Mobilmachungsordnung, die Répartition der für die verschiedenen Truppenkorps zu stellenden Pferde auf die Kantone, beziehungsweise Gemeinden in der Weise,, daß von den Gemeinden je ein Drittel Über die dem betreffenden Korps gesetzlich zugetheilte Zahl von Pferden zu liefern war, so .

für das Bataillon 19 statt 13, für die Batterie 180 statt 120 Pferde.

Durch letztere Bestimmung sollte ermöglicht werden, daß die Korps nur mit durchaus guter Bespannung ausrücken, während dann die überzähligen Pferde entweder auf die Liste der Ersatzpferde genommen oder, wenn untauglich, ganz entlassen werden sollten.

Seither haben sich jedoch die Verhältnisse wesentlich geändert.

Einmal ist der Pf'erdebestand seit der Zählung von 1877 numerisch und wohl auch qualitativ erheblich zurückgegangen. Numerisch, indem er nach der Viehzählung voii 1886, die überhaupt nur quantitativ vorgenommen wurde, nur noch 98,622 Pferde betrug und seither sich wahrscheinlich im gleichen Verhältniß verringert hat.

Im Weitern hat sich der Pferdebestand während den letzten Jahren nicht unerheblich verschoben. So besaß Uri im Jahr 1876 526 Pferde, im Jahr 1886 nur noch 175; im gleichen Zeitraum ist der Pferdebestand im Tessin und in Appenzell Innerrhoden um circa J /4, in Schaffhausen uni VB und in den Kantonen Aargau und Luzern um circa lh zurückgegangen. Anderseits hat sich inzwischen der Pferdebestand im Wallis um circa 1ja und in den Kantonen Zug, St. Gallen, Baselstadt und Obwalden um circa !/io vermehrt.

Nicht weniger wichtig sind die qualitativen Aenderuugen, welche seit 1877 in uuserm Pferdebestand vor sich gegangen sind.

Daß mit der Zahl auch die Qualität abgenommen, dürfte kaum zu bezweifeln sein. Die Hauptursache dieser Abnahme ist wohl in den veränderten Verkehrsverhältnissen zu suchen, indem man sich vielerorts seit der Vermehrung der Eisenbahnen nicht nur mit weniger, sondern auch mit billigern, d. h. geringern Pferden zu behelfen sucht.

Wir gehen jedenfalls nicht fehl in der Annahme, daß der Pferdebestand der Schweiz nach beiden Richtungen zurückgegangen sei. Welches aber die daherige Ziffer sei und wie sich dieselbe auf die einzelnen Kantone vertheile, darüber fehlt jeder sichere Anhaltspunkt.

Die Pferdequoten, wie sie
irn Jahre 1884 auf Grund der Zählung von 1877 den einzelnen Kantonen auferlegt wurden, sind daher heute kaum mehr richtig, und ihre fernere Aufrechthaltung würde zu einer ungleichen und ungerechten Belastung des Landes

917 führen, unter der schließlich auch die militärischen Interessen leiden müßten, indem ein zu stark belasteter Kanton unmöglich so gute Pferde stellen kann, wie ein weniger belasteter, bei dem die Auswahl größer ist.

Zu diesen Verhältnissen kommt, daß durch die seitherigen Aenderungen in der Organisation eine nicht unwesentliche Vermehrung des Pferdebedarfs für die Armee eingetreten ist.

Durch das Bundesgesetz betreffend die Fuhrwerke der Infanterie, vom 22. Juni 1889, wird die Zahl der Zugpferde per Bataillon um 7 erhöht, und es erhöht sich dadurch auch die Zahl der von den Gemeinden zu stellenden Pferde um 2376 Stück. In gleicher Weise ist eine Vermehrung des Pferdebedarfs eingetreten infolge der Errichtung der fünften Brückeneinheiten bei den Pontonnierkompagnien und der Anschaffung neuer Geräthschaftsvvagen für die Verwaltungskompagnien.

Nachdem sodann die Verwendung der Landwehr eine andere geworden, als sie in der Organisation von 1874 vorgesehen war, und seither für die Infanterie und die Genietruppen, und einen Theil der Artillerie ordentliche Wiederholungskurse eingeführt worden sind, mußte auch auf die Beschaffung der Korpsausrüstung sowohl' für diese als für die übrigen Einheiten der Landwehr Rücksicht genommen werden. Dieses ist geschehen, und es ist z. B. das Material für die Parkkolonnen, die Verwaltungskompagnien und die neu organisirten Ambulancen der Landwehr komplet, für andere nahezu vollständig vorhanden.

Wie in unserer Botschaft vom 26. Mai 1877, auf die wir im Uebrigen zu verweisen uns erlauben, bemerkt ist, bedarf die Armee nach der Organisation von 1874 im Ganzen 29,700 Pferde. Dabei ist jedoch nichts in Rechnung gezogen für den. Ersatz der in einem Feldzuge abgehenden Pferde, der sich erfahrungsgemäß sehr hoch beläuft. Ebenso ist noch keine Rücksicht genommen auf die Bedürfnisse des Territorial- und Etappendienstes. Es ist nun nicht möglich, das nach obigen Andeutungen sich ergebende Mehr von Zugpferden nach den Erhebungen der Zählung von 1877 auf die Gemeinden zu vertheilen, indem sich, wie schon erwähnt, der Pferdebestand während der letzten 13 Jahre in den verschiedenen Theilen unseres Landes sehr erheblich verändert hat, abgesehen davon, daß auch die Quote der Ersatzpferde gegen früher erhöht werden muß. Bei dem notorischen Pferdemangel unseres Landes werden wir
daher, sofern es nicht möglich ist, die fortwährend sich steigernden Anforderungen der einzelnen Waffen zu reduziren, wohl dazu kommen müssen, die Pferdevertheilung auf die Ge-

918 meinden so einzurichten, daß von denselben der ganze diensttaugliche Pferdebestand des Landes betroffen wird, indem dieser, approximativ zur Hälfte des Gesammtbestandes oder circa 50,000 Pferde berechnet, den Bedürfnissen der Armee an Offiziers-, Truppen- und Ersatzpferden zu entsprechen vermag.

Eine neue Pferdezählung erscheint uns daher als eine der dringendsten Maßregeln der Kriegsvorbereitungen, und es wäre sehr erwünscht, wenn dieselbe noch in diesem Jahre stattfinden könnte, um die davon abhängige neue Vertheilung der Pferde auf die Gemeinden und die ebenfalls davon abhängige Revision der Mobilmachungsverordnung rechtzeitig an die Hand nehmen zu können.

Für die Zukunft dürfte vielleicht die Prüfung der Frage angezeigt sein, ob es nicht möglich wäre, anläßlich der periodisch wiederkehrenden Viehzählungen die Zählung des Pferdebeslaades in Bezug auf seine militärische Diensttauglichkeit vorzunehmen, beziehungsweise diese beiden Zählungen mit, einander zu verbinden.

In fast allen europäischen Staaten werden die Pferdezählungen im Hinblick auf den militärischen Standpunkt angeordnet und zwar erfolgen diese Operationen in sehr nahe aufeinander folgenden Epochen, in einzelnen Ländern selbst alle Jahre. Es zeigt dieses wohl zur Genüge, welch hohen Werth diese Staaten solchen Zählungen beimessen. Uebrigens interessirt eine militärische Pferdezählung in hohem Grade auch die Landwirtschaft und die Nationalökonomie, indem sie erlaubt, die gegenwärtige Qualität der Pferde unseres Landes festzustellen und gleichzeitig ihre Eignung und ihren Werth als Militäi-pferde zu taxiren. Sie wird uns ferner auch darüber Aufklärung verschaffen, ob die Kosten, welche die Landwirthschaft mit dem Ankauf fremder Hengste hatte, mit den erzielten Resultaten einigermaßen in Uebereinstimmung stehen und ob sie dem Lande diejenigen Verbesserungen zu leisten vermögen, welche insbesondere für die Schaffung eines Pferdes ,,à deux mains" erwartet werden.

Für die für dieses Jahr vorgeschlagene Pferdezählung beabsichtigen wir in analoger Weise wie 1877 vorzugehen.

In jedem Divisionskreise wird die erforderliche Anzahl Kommissionen bestellt, jede bestehend aus einem Offizier der Kavallerie oder Artillerie und einem Pferdearzt.

Die Kantonsregierungen haben die Gemeindebehörden anzuweisen, die in ihrer Gemeinde vorfindlichen
Pferde vorführen zu lassen. Die Kommission begibt sich von Gemeinde zu Gemeinde.

In vielen Fällen wird es auch angehen, die Pferde von mehreren Gemeinden zugleich vorführen zu lassen.

919 Um die Pferdeeigenthümer in ihren Arbeiten möglichst wenig zu beeinträchtigen, soll die projektirte Zählung im Spätherbst zur' Ausführung gelangen.

Die Kommissionen erhalten eine genaue Instruktion, damit die Zählung im ganzen Lande vollständig gleich und auf der nämlichen Basis beruhend durchgeführt wird.

Die Zahlung soll in der Weise vereinfacht werden, daß die in Händen von Kavalleristen des Auszuges befindlichen Bundespferde, weil bereits genau bekannt und kontrolirt, nicht wieder aufgenommen, und bei den übrigen Pferden, außer 'deren Klassifikation als Reit- oder Zugpferde, beziehungsweise Saumthiere, nur Erhebungen über das Alter, die Höhe und die Rasse gemacht, weitere Angaben über das Signalement dagegen weggelassen werden sollen.

Die Kosten betreffend, so nehmen wir für die diesjährigen Erhebungen die gleiche Summe wie im Jahr 1877, nämlich einen Betrag von Fr. 50,000 in Aussicht.

Wir empfehlen Ihnen den nachstehenden Beschlusses-Eatwurf zur gefälligen Annahme und benutzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 27. Mai 1890.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

L. Rnchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

die Vornahme einer Untersuchung Über die militärische Diensttauglichkeit des schweizerischen Pferdebestandes.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h aft, nach Einsichtnahme einer Botschaft des Bundesrathes vom 27. Mai 1890, beschließt: Art. 1. Im Laufe des Jahres 1890 ist eine Erhebung über den Stand der militärdiensttauglichen Pferde des Landes vorzunehmen, wobei die Kantone und Gemeindebehörden mitzuwirken haben und die Pferdeeigenthümer verpflichtet sind, ihre Pferde vorzuführen.

i 'Art. 2. Zu diesem Zwecke wird dem Bundesrathe ein Kredit von Fr. 50,000 eröffnet.

Art. 3. Dieser Beschluß tritt als nicht allgemein verbindlicher Natur sofort in Kraft.

Der Bundesrath wird mit der Vollziehung desselben beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Vornahme einer Untersuchung über die militärische Diensttauglichkeit des schweizerischen Pferdebestandes. (Vom 27. Mai 1890.)

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31.05.1890

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