243

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend Revision des am 31. März 1883 mit Oesterreich-Ungarn abgeschlossenen Uebereinkommens behufs Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen durch den Viehverkehr.

(Vom 10. Dezember 1890.)

Tit.

Das am 31. März 1883 mit Oesterreich-Ungarn abgeschlossene Uebereinkommen, auch gemeinhin ,,Viehseuchen-Konvention" genannt, enthält in Art. II folgende Bestimmung: ,,Wenn die Rinderpest oder eine andere ansteckende Thierkrankheit in dem Gebiete eines der vertragschließenden Theile ausgebrochen ist, so wird der Verkehr mit den durch die ausgebrochene Seuche gefährdeten Thieren, sowie mit den der Verschleppung der Ansteckungsstoffe verdächtigen Gegenständen aus den nicht verseuchten Gegenden in das Gebiet des anderen Theiles keinen weiteren Beschränkungen unterworfen werden, als jenen, welchen auf Grund der bestehenden und wirksam gehandhabten veterinärgesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften, nach Maßgabe der Verbreitung der ausgebrochenen Thierseuche und des Grades ihrer Bedenklichkeit, auch im eigenen Lande die aus den nicht verseuchten Gegenden desselben kommenden Thiere und Gegenstände der bezeichneten Art unterliegen. Es wird jedoch die Einfuhr solcher Thiere und Gegenstände nur über bestimmte Eintrittspunkte gegen Beibringung eines Ursprungszeugnisses und unter dem Vor-

244

behalt gestattet werden, daß dieselben durch keine verseuchten.

Gegenden transportât worden sind (es sei denn, es handle sich um Transporte vermittelst durchgehender Eisenbahnwaggons), und daß an der Grenze eine Untersuchung durch einen Thierarzt staltgefunden hat."

Die Schweiz glaubte damals, die vortreffliche viehseuchenpolizeiliche Gesetzgebung Oesterreich-Ungarns sei geeignet, die Verschleppung ansteckender Thierkrankheiten zu verhindern ; sie begab sich deßhalb durch den citirten Artikel des Rechtes, die Einfuhr von Vieh über die österreichische Grenze zu verbieten.

Diese Erwartung ging aber nicht in Erfüllung. Seit dem Inkrafttreten des Uebereinkommens, oder vielmehr seit der Eröffnung der Arlbergbahn, ist die Maul- und Klauenseuche und die ansteckende Lungenseuche nachgewiesenermaßen ö f t e r über die österreichische Grenze eingeschleppt worden, und die Maul- und Klauenseuche ist seit dorn 1. Januar 1886 bis heute nur während eines einzigen Monats (Dezember 1886) vollständig erloschen.

Es haben daran gelitten : 1886 . .

1887 . .

1888 . .

1889 . .

bis 1. Dezember 1890 . .

. 2,964 Thiere .

2,710 ,, .

5,642 ,, . 21,833 ,, . 11,830 ,,

zusammen 44,979 Thiere während 5 Jahren; davon fallen auC die Kantone an der Ostgrenze: S t . Gallen . . . . 20,174 Thiere Appenzell A. Kh. . .

4,561 ,, Appenzell I. ßh. . . 2,785 ,, Thurgau 2,105 ,, Graubünden . . .

8,729 ,, zusammen

38,354 Thiere

oder 85 °/o

der verseuchten Thiere.

Die Erfahrung zeigt eben, daß eine gute viehsanitätspolizeiliche Gesetzgebung und der gute Wille der Landesbehörden, dieselbe zu vollziehen, nicht genügen, um die Einschleppung und Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, daß hiefür a l l e samtätspolizeilichen Organe und auch die Landwirtlie und Viehhändler mitwirken müssen.

245 Namentlich letztere finden es nicht immer in ihrem Interesse, den gesetzlichen Vorschriften genau nachzuleben. Wo dieses Bestreben, die Vorschriften zu umgehen, unterstützt wird durch die Gleichgültigkeit oder sträfliche Nachläßigkeit sanitätsjioli/.eilicher Organe oder unterer Behörden, da ist den ansteckenden Krankheiten Thili 1 und Thor geöffnet, zum großen Schaden der Viehhaltung, des Verkehrs und damit des Volkswohlstandes. Diese Anklagen richten sich nicht nur gegen die vertragschließenden Nachbarländer, sondern auch gegen eigene Landesangehörige; denn eine derartige Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche, wie wir sie oben angeführt haben, wäre bei genauer Handhabung unserer viehsanitiitspolizeilichen Vorschriften einfach undenkbar. Daß die Händler großes Verschulden an der Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche tragen, ergibt sich aus dem Umstand, daß unsere Grenzlhierärzte äußerst selten im Falle sind, kranke Thiere an der Grenze zurückzuweisen, hi fast allen Fällen tritt die Krankheit erst einige Tage nach dem Eintritt über die Grenze auf, ein Beweis, daß entweder bereits infizirte Thiere aus erkrankten Beständen angekauft wurden oder daß die Ansteckung auf dem Transporte erfolgte.

Es gibt nur ein Mittel, diesseits und jenseits der Grenze eine bessere Vollziehung der beidseits als gut und vollständig 1 genügend anerkannten Viehseuchengesetzgebung zu erzielen. Dieses besteht darin, daß man die Betheiligten -- wenn nöthig -- in ihren wichtigsten Interessen trifft, d. h. wenn man den Viehverkehr zeitweilig verbietet.

Unser Bestreben war schon seit einigen Jahren darauf gerichtet, dieses Recht: die Grenze gegen die Einfuhr von Vieh aus üestorreich-Ungarn zeitweilig sperren zu können, wieder zu erlangen.

Leider waren wir genöthigt, um den Abschluß eines Handelsvertrages mit Oesterreich-Ungarn zu ermöglichen, die Erklärung abzugeben, daß wir während der Gültigkeitsdauer des Handelsvertrages d«s Uebereinkornmen nicht künden werden ; dagegen wurde uns das Eintreten auf Revisionsverhandlungen zugesichert.

Inzwischen gab die Verbreitung der Maul- und Klauenseuche in der Ostschweiz Veranlassung, daß Frankreich gegen uns Viehsperro verhängte und Italien unsern Viehexport mit einer äußerst lästigen Quarantänen^ßrogel belegte, obwohl keines der beiden Länder einen einzigen Fall von Seucheeinschieppung
aus der Schweiz nachzuweisen im Stande war.

Was die uns zugesicherte Revision des Ueberoinkommens anbetrifft, so führten schriftliche Verhandlungen nicht zürn Ziele, indem uns nur untergeordnete Vorlheile, nicht aber das Hecht der Viehspcrre eingeräumt werden wollten.

246

Bessern Erfolg hatten mündliche Verhandlungen, welche vom 20. bis 30. November 1890 in Wien staltfanden und mit welchen wir unsern dortigen Gesandten in Verbindung mit unserem Chef der Abtheilung Landwirthschaft und unserem Yiehseuohenkommissär betrauten.

Die Frucht dieser Verhandlungen ist der nachstehende revidirte Vertrag, um dessen Ratifikation wir hiemit einkomrnen.

Neben mehreren redaktionellen Verbesserungen, welche zum Tbeil durch den grundlegenden französischen Text bedingt waren, sind es hauptsächlich folgende Aenderungen, auf welche wir Sie aufmerksam machen müssen : Art. l, AI. 2. Anstatt des Grenzrayons von 75 Kilometer wurden die Länder, bezvv. die Kantone angeführt, deren Behörden beim Auftreten der Rinderpest oder der ansteckenden Luugenseuche zur Anzeige an die Behörden des Nachbarlandes verpflichtet sind.

Art. U, AI. 2, erhielt folgenden Zusatz: ,,Bei Verbreitung der ansteckenden Lungenseuche einerseits in Tirol, Vorariborg oder in dem Fürstenthum Liechtenstein, andererseits in den Kantonen St. Gallen, Appenzell oder Graubünden kann die Einfuhr von Thieren des Rindergeschlechtes aus diesen Gebieten verboten werdeu."1 In dem gleichen Art. II ist dann folgendes neues Alinea 4 eingeschaltet worden : ,,Wenn aus dem Gebiete eines der vertragschließenden Theile durch den Viehverkehr eine ansteckende Thierkrankheit, bezüglich welcher nach den bestehenden Thierseuchengesetzen die Verpflichtung zur Anzeige besteht, nach dem Gebiete des andern Theiles eingeschleppt worden ist, so steht letzterem das Recht zu, die Einfuhr von Thieren aller derjenigen Gattungen zeitweilig zu beschränken oder /,u verbieten, auf welche das Seuchenkontagium übertragbar ist."

Die Dauer der Gültigkeit der Gesundheits- und Ursprungszeugnisse wurde von acht auf s e c h s Tage heruntergesetzt, entsprechend der schweizerischen Vorschrift.

Auch dies ist eine wesentliche Verbesserung der Konvention.

Das revidirte Uebereinkommen tritt am 1. März Ì891 in Kraft und dauert uicht länger, als das bisherige gedauert haben würde, nämlich bis 1. März 1893. Nach dem 1. März 1892 kann dasselbe jederzeit auf 12 Monate gekündet werden.

247

Durch diese Revision haben wir endlich erreicht, was wir zum Schutze unseres Viehstaudes und zur Sicherung unserer Viehausfuhr nach Deutschland, Frankreich und Italien haben wollten und haben mußten.

Dieses Ergebniß wurde erzielt, weil die Vertreter OesterreichUngarns die Ueberzeugung gewannen, daß auf Abschluß eines neuen Uebereinkommens oder eines neuen Handelsvertrages mit der Schweiz nicht mehr gerechnet werden könne, wenn uns nicht das Recht eingeräumt wird, im Nolhfalle zeitweilig die Einfuhr von Vieh zu beschränken oder ganz zu verbieten; daß schon jetzt in Frage kommen kann, ob die Schweiz nicht das Recht hätte, gegen Oeslerreich-Ungarn Viehsperre zu verhängen, indem die bisherige Konvention in Art. II, AI. 3 sagt : ,,Solches Vieh, welches an andern ansteckenden Thierkrankheiten leidend befunden wird, o d e r in Betreff w e l c h es g e g r ü n d e t e r Verdacht v o r h a n d e n ist, daß es den K e i m der A n s t e c k u n g in sich t r ä g t , oder Thiere, welche mit unregelmäßigen Gesundheitsscheinen versehen sind, k ö n n e n e n t w e d e r z u r ü c k g e w i e s e n oder einer Quarantäne unterworfen werden etc.""

Die Maßregeln, welche unser Landwirthschaftsdepartement genöthigt war über das Vieh aus Oesterreich-Ungarn ÄU verhängen, beweisen hinlänglich, daß dasselbe i m V e r d a c h t s t e h t , den K e i m d e r A n s t e c k u n g in s i c h zu t r a g e n und daß man es folglich sammt und sonders zurückweisen dürfte.

Unsere Delegation gab ferner die Versicherung ab, die Schweiz werde nur im Nothfalle, nur aus sanitätspolizeilichen Gründen und nur zeitweilig die Grenze schließen, nie aber aus agrarprotektionistischen oder aus andern Rücksichten.

Wir glauben, wir dürfen diese Zusicherung unserer Abordnung bestätigen; denn Grenzsperren verletzen stets zahlreiche und wichtige Interessen Angehöriger beider Länder. Handel und Wandel wird gestört, ohne daß dadurch die Produktion gefördert wird.

Dagegen werden wir allerdings von dem uns durch den neuen Vertrag unzweideutig eingeräumten Rechte Gebrauch machen und die Viehsperre verhängen, wenn die Einschleppung ansteckender Thierkrankheiten, namentlich der Lungen- und der Maul- und Klauenseuche, nicht abnimmt. Diesen Schutz sind wir den bedrängten Landwirthen, namentlich denjenigen der Alpengegenden schuldig.

Wir sind überzeugt, daß dieses revidirte Uebereinkommen eine bessere Handhabung der sanitätspolizeilichen Vorschriften und deli-

248 wegen bessere sanitarische Zustände in den Gebieten beider vertragschließenden Theile zur Folge haben und deßhalb auch beiden Theilen zum Vortheile gereichen werde.

Wir empfehlen Ihnen die Ratifikation des vorliegenden revidirten Uebereinkommens und die Annahme nachstehenden Bundesbeschlusses.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 10. Dezember 1890.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

249

(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

die Revision des am 31. März 1883 mit OesterreichUngarn abgeschlossenen Uebereinkommens, behufs Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen durch den Viehverkehr.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 10. Dezember 1890, beschließt: 1. Die vorbehaltene Ratifikation wird der am 5. Dezember 1890 in Wien unterzeichneten Revision des am 31. März 1883 zwischen der Schweiz und Oesterreich-Ungarn abgeschlossenen Uebereinkommens behufs Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen ertheilt.

2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung des gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

250

Uebereinkommen zwischen

der Schweiz und Oesterreich-Ungarn behufs Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen durch den Viehverkehr.

(Abgeschlossen am 5. Dezember 1890.)

Der Bundesrath der Schweizerischen Eidgenossenschaft, einerseits, und Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich, König von Böhmen u. s. w. und Apostolischer König von Ungarn, angleich in Vertretung des souveränen Fürsten zu Liechtenstein, andererseits, von dem Wunsche geleitet, das zur Regelung des Verkehrs mit Thieren, Häuten, Hörnern und anderen thierischen Rohprodukten zwischen den beiderseitigen Gebieten am 31. März 1883 zu Bern abgeschlossene Uebereinkommen im Interesse der Aufrechterhaltung und weiteren Entwicklung dieses Verkehrs einer den geänderten Verhältnissen Rechnung tragenden Revision unterziehen zu lassen, haben zu diesem Zwecke Unterhandlungen eröffnen lassen und zu Bevollmächtigten ernannt: Der Bundesrath der Schweizerischen Eidgenossenschaft: Herrn A. 0. A e p l i , außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei Seiner k. und k. Majestät;

251 Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich, König von Böhmen u. s. \v. und Apostolischer König von Ungarn : Herrn Ladislaus von S z ö g y e n y - M a r i e h von MagyarSzógyén und Szolgacgyhâza, k. k. wirklichen Geheimen Ralh und Kämmerer, ersten Sektions-Chef im Ministerium des Kaiserlichen Hauses und des Aeussern, welche nach gegenseitiger Mittheilung ihrer in guter und gehöriger Form befundeneu Vollmachten die nachstehenden Artikel vereinbart und abgeschlossen haben : Artikel I.

Wenn im Gebiete eines der beiden vertragschließenden Theile die Kinderpest oder die ansteckende Lungenseuche ausbricht, wird der Regierung des anderen Theiles von dein Ausbruche und der Verbreitung derselben auf telegraphischem Wege direkt Nachricht gegeben werden.

Wenn die Rinderpest oder die ansteckende LungenSeuche einerseits in -Tirol, Vorarlberg oder dem Fiirstenthum Liechtenstein, andererseits in den Kantonen St. Gallen, Appenzell oder Graubünden erwiesenermaßen aufgetreten ist, so werden die Behörden des betreffenden Bezirkes dies allsogleii:h der zuständigen Behörde des Nachbarlandes anzeigen.

Ueber die Wege der Einschleppuug und Verbreitung der Rinderpest und ansteckenden Lungeuseuehe wird eine eingehende Erhebung gepflogen und das Ergetmiß derselben ohne Verzug den Behörden des Landes, welches von der Einschleppung der Seuche bedroht erscheint, bekannt gegeben werden.

Ueherhaupt werden die zuständigen Behörden die nüthigen Maßregeln treffen, um den Verkehr mit den von einer ansteckenden Krankheit irgend welcher Art ergriffenen oder derselben verdächtigen Thieren zu verhindern.

Jeder der beiden vertragschließende!) Theile wird in seiner offiziellen Zeitung ein Bulletin über den Stand der Thierseuchen und über die zur Verhinderungö der Verbreilung derselben angeordneten Maßregeln, sowie über deren Abänderung oder Aufhebung erscheinen lassen. Das Bulletin soll moiiiülich mindestens zweimal herausgegeben werden.

Artikel II.

Wenn die Rinderpest oder eine andere ansteckende Thierkrankheit in dem Gebiete eines der vertragschließenden Theile uusgebrochcu ist, so wird der Verkehr mit den durch die aiisgebrocherie Seuche gefährdeten Thieren, sowie mit den iler Verschleppung der Ansteckungsstoffe verdächtigen Gegenständen aus den nicht verseuchten Gegenden in das Gebiet des anderen Theiles keinen weiteren Beschränkungen unterworfen werden, als jenen, welchen auf Grund der bestehenden veteriniirgesetzlichen, Bestimmungen und Vorschriften, nach Maßgabe der Verbreitung der aiisgebrocheneu Thierseuche und des Grades ihrer Bedenklichkeit, auch im eigenen Laude die aus den nicht verseuchten Gegenden desselben kommenden Thiere und Gegenstände der bezeichneten Art unterliegen. Es wird jedoch die Einfuhr solcher Thiere und Gegenstände nur über bestimmte Eintrittspunkte gegen Beibringung eines Ursprungs-Zeugnisses und unter dem Vorbehalt gestattet werden, duß dieselben durch keine verseuchten Gegenden transportai worden sin l (es sei denn, es handle sieb um Transporte vermittelst durchgehender Eisenbahnwaggons), und daß au der Gren/.c eine Untersuchung durch einen Thierarzt stattgefunden hat.

Dabei haben die mit der Untersuchung heauftragten kompetenten Thievärzte die Berechtigung, an der Rinderpest oder der Lungenseuche krank befundenes Vieh tödten zu lassen.

Die Kadaver von Thieren, welche an der Rinderpest litten, müssen mit Haut und Haaren verscharrt werden. Thiere, in Betreff welcher gegründeter Verdacht vorhanden ist, daß sie den Keim der Rinderpest oder der ansteckenden Lungen-

253 seuelie in sich tragen, werden zurückgewiesen und sollen hievon sogleich die Behörden des Landes, aus dem die Thiere kommen, behufs Anordnung der nöthigen Vorsichtsmaßregeln verständigt werden. Bei Verbreitung der Rinderpest nahe an der Grenze kann die Einfuhr von Wiederkäuern verboten werden.

Bei Verbreitung der ansteckenden Lungenscuche einerseits in Tirol, Vorarlberg oder in dem Fürstenthum Liechtenstein, andererseits in den Kantonen St. Gallen, Appenzell oder Graubünden kann die Einfuhr von Thieren des Rindergeschlechtes aus diesen Gebieten verboten werden.

Tlnere, welche an anderen ansteckenden Thierkrankheiten leidend befunden werden, oder in Betreff welcher gegründeter Verdacht vorhanden ist, daß sie den Keim der Ansteckung in sich tragen, sowie Thiere, welche mit unregelmäßigen Ursprungs- und Gesundheits-Zeugnissen versehen sind, können entweder zurückgewiesen oder einer Quarantäne unterworfen werden, deren Dauer je nach der Natur der Krankheit, deren sie verdächtig sind, festgesetzt werden soll.

Wenn aus dem Gebiete eines der vertragschließenden Theile durch den Viehverkehr eine ansteckende Thierkrankheit, bezüglich welcher nach den bestehenden Thierseuchengeselzen die Verpflichtung zur Anzeige besteht, nach dem Gebiete des anderen Theiles eingeschleppt worden ist, so steht letzterem das Recht zu, die Einfuhr von Thieren aller derjenigen Gattungen zeitweilig zu beschränken oder zu verbieten, auf welche das Seuchenkontagium über!ragbar ist.

Die Ursprungs- und Gesundheits-Zougnisse müssen die Bescheinigung enthalten, daß in dem Orte der Herkunft der Thiere seit 40 Tagen keine ansteckende Thierkrankheit geherrscht hat, welche in den geltenden Thierseuphengesetzen der vertragschließenden Theile zur Anzeige verpflichtet und auf die betreffende Thiergattung, für welche diese Zeugnisse ausgestellt sind, übertragbar ist.

Bundesblatt. 42. Jahrg. Bd. V.

17

254

Diese Zeugnisse müssen in deutscher Sprache ausgefertigt oder mit einer deutschen Uebersetzung versehen sein.

Die Dauer der Gültigkeit dieser Zeugnisse beträgt 6 Tage. Läuft diese Frist während des direkten Transportes ab, so müssen, dirnit die Zeugnisse weitere 6 Tage gelten, die Thiere von einem Thierarzt untersucht werden und vollkommen gesund befunden worden sein. Das Resultat dieser Untersuchung ist im Zeugniß anzugeben.

Die Regierungen der vertragschließenden Theile werden sich gegenseitig mittheilen, von wem und in welcher Form die Ursprungs- und Gesundheitszeugnisse [auszustellen sind.

Für alle Fälle ist man einverstanden, daß die Gesundheitszeugnisse mit dem Visum eines patentirten (diplomirten) Thierarztes versehen und die Uebersetzungen in glaubwürdiger Form abgefaßt sein müssen.

Artikel III.

Eisenbahnwagen, Schiffe und Schiffsräume, in welchen Pferde, Maulthiere, Esel, Rindvieh, Schafe, Ziegen, Schweine oder frische Häute befördert worden sind, müssen vor ihrer neuerlichen Verwendung im Verkehre einem Reinigungs(Desinfektions-") Verfahren unterworfen werden, wejches geeignet ist, die den Wagen, Schiffen und Schiffsräumen anhaftenden Ansteckungöstofie vollständig zu tilgen.

Rampen und Quais, von welchen aus diese Thiere verladen werden, sind nach jeder Verladung sorgfältig zu waschen und im Bedarfsfalle zu desinBziren.

Die beiden vertragenden Theile werden die im Bereiche eines Theiles vorschriftsmäßig vollzogene Desinfektion solcher Eisenbahnwagen, Schiffe und Schiffsräume als auch für den anderen Theil geltend anerkennen.

Ueber die Bedingungen und Formalitäten, unter denen diese Anerkennung erfolgt, werden sich die Regierungen der vertragschließenden Theile verständigen.

255 Artikel IV.

Der Weideverkehr aus den Gebieten des einen der vertragenden Theile nach den Gebieten des anderen ist unter nachstehenden Bedingungen gestattet: a. Die Eigenthümer der Heerden werden beim Grenzübertritte ein Verzeichniß der Thiere, welche sie auf die Weide bringen wollen, mit der Angabe der Stückzahl und der charakteristischen äußeren Merkmale derselben zur Verifizirung vorlegen.

6. Die Rückkehr der Thiere in das Gebiet ihrer Herkunft wird nur nach erfolgter Eonstatirung ihrer Identität bewilligt.

Wenn jedoch während der Weidezeit eine für die betreffende Thiergattung ansteckende Krankheit unter einem Theile der Heerden, oder auch nur an einem weniger aïs 20 Kilometer von diesem Weideplatz entfernten Orte oder auf jener Straße, auf welcher die Rückkehr der Heerde zur Grenzstation erfolgen soll, ausbricht, so ist die Rückkehr des Viehes nach dem Gebiete des anderen Theiles untersagt, sofern nicht zwingende Verhältnisse (Futtermangel, schlechte Witterung u. s. w.) eine Ausnahme erheischen.

In solchen Fällen darf die Rückkehr der von der Seuche noch nicht ergriffenen Thiere nur unter Anwendung von durch die Regierungen der vertragschließenden Theile zur Verhinderung der Seuchenverschleppung vereinbarten Sicherungsmaßregeln erfolgen.

Artikel V.

Die Bewohner von nicht mehr als 5 Kilometer von der Grenze entfernt liegenden Ortschaften können die Grenze in beiden Richtungen zu jeder Stunde mit ihren eigenen, an den Pflug oder an ein Fuhrwerk gespannten Thieren überschreiten, jedoch nur zum Zwecke landwirtschaftlicher Arbeiten oder in Ausübung ihres Gewerbes und unter Beobachtung der bestehenden Zollvorschriften.

256 Diese Vergünstiguog kann Seitens der vertragschließenden Theile von der Erfüllung folgender Bedingungen abhängig gemacht werden: a. Jedes Gespann, welches die Grenze zu landwirtschaftlicher Arbeit oder im Gewerbebetrieb überschreitet, muß mit einem Zeugnisse des Ortsvorstandes der Gemeinde versehen sein, in welcher sich der Stall befindet.

Dieses Zeugniß muß den Namen des Eigeuthümers oder des Führers des Gespannes, die Beschreibung der Thiere und die Angabe des Umkreises (in Kilometern) des Grenzgebietes, in welchem das Gespann zu arbeiten bestimmt ist, enthalten.

b. Ueberdies ist beim Austritt wie bei der Rückkehr ein Zeugniß des Ortsvorstandes derjenigen Grenzgemeinde erforderlieh, aus welcher das Gespann kommt, und im Falle des Durchzuges durch das Gebiet einer anderen Gemeinde auch eine Bescheinigung der letzteren, womit bestätigt wird, daß die betreffende Gemeinde vollkommen frei von jeder Thierseuche ist, und daß auch in einem Umkreise von 10 Kilometern die Rinderpest, und Lungenseuche nicht vorkommt. Dieses Zeugniß muß alle 6 Tage erneuert werden.

Artikel VI.

Das gegenwärtige Uehereinkommen soll arn 1. März 1891 in Kraft treten und während der hierauf folgenden 2 Jahre in Geltung bleiben. Falls keiner der vertragenden Theile 12 Monate vor Ablauf der bezeichneten Periode seine Absicht, die Geltung dieses Uebereinkommens aufhören zu lassen, kundgegeben haben sollte, wird dasselbe bis zuin Ablaufe eines Jahres vom Tage ab in Wirksamkeit bleiben, an welchem der eine oder der andere der vertragenden Theile es gekündigt haben wird.

257

Artikel VII.

Die Ratifikationen des gegenwärtigen Uebereiokoramens sollen so bald als möglich, spätestens aber am 28. Februar 1891, in Wien ausgewechselt werden.

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten das Uebereinkommen in doppelter Ausfertigung unterzeichnet und ihre Siegel beigedrückt.

So geschehen zu W i e n , am 5. Dezember 1890.

(L. S.) A. 0. Aepli.

(L. S.) Szögyeny.


Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend Revision des am 31.

März 1883 mit Oesterreich-Ungarn abgeschlossenen Uebereinkommens behufs Verhinderung der Ausbreitung von Thierseuchen durch den Viehverkehr. (Vom 10.

Dezember 1890.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1890

Année Anno Band

5

Volume Volume Heft

51

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.12.1890

Date Data Seite

243-257

Page Pagina Ref. No

10 015 062

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.