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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Festsetzung der Fristen für den Bau der Linien ZugWalchwyl-Goldau und Luzern-Küßnach-Immensee (sog.

nördliche Zufahrtslinien zur Gotthardbahn).

(Vom 27. Mai 18900

Tit.

Durch den Staatsvertrag vom 15. Oktober 1869 haben sich die Schweiz, das deutsche Reich und Italien vereinigt zum Bau des (Art. 1) Gotthardbahnhetzes und bestimmt, daß dasselbe auch die Linien L u z e r n - K ü ß n a c h - I m m e n s e e und Zug-St. A d r i a n G o l d a u umfassen soll. Von dem Kanton Luzern wurde die Konzession zum Bau der betreffenden Strecke am 9. Juni 1869, vom Kanton Schwyz am 30. Juni 1869 und vom Kanton Zug ani 23. Juni gleichen Jahres ertheilt. Jeder dieser Kantone verpflichtete sich zu einer Subvention an die Gotthardbahn-Gesellschaft und zwar der Kanton Luzern zu einer solchen von Fr. 1,800,000, der Kanton Schwyz zu Fr. 1,000,000 und der Kanton Zug zu Fr. 250,000.

Die in Frage kommenden Linien sollten nach dem Gotthardvertrage (Art. 3) auf die Zeit der Vollendung des großen Tunnels in Betrieb gesetzt werden.

Infolge der finanziellen Krisis, welche im Jahre 1875 über die Gotthardbahn hereinbrach, wurde zwischen den betheiligten Staaten am 12. März 1878 ein neuer Vertrag abgeschlossen, durch welchen auch die Bestimmungen des Vertrages vom 15. Oktober

902 1869 in Bezug auf die zwei eingangs genannten Linien eine wesentliche Veränderung erlitten. In Art. 3 dieses Zusatzvertrages wird nämlich bestimmt: ,,Der Bau der Linien L u z e r n -1 m m e n s e e, Z u g - A r t h und Giubiasco-Lugano wird bis zu dem Zeitpunkt verschoben, wo die Linie Immensee-Pino dem Betrieb übergeben sein wird.

,,Wenn in der Zwischenzeit die Gotthardbahn-Gesellschaft sich in der Lage befinden würde, die eine oder andere dieser Linien zu bauen, so hätte sie dem schweizerischen Bundesrath einen Finanzausweis zu leisten, welcher die für die Linie Immensee-Pino bestimmten Hülfsmittel gänzlich unberührt läßt.

,,Nach Eröffnung der Linie Immensee-Piuo soll die Gotthardbahn-Gesellschaft den Bau der drei verschobenen Linien, sobald als ihre finanzielle Lage es gestattet, an Hand nehmen und ausführen. Der schweizerische Bundesrath hat zu entscheiden, ob dieser Fall vorliegt uod in welcher Reihenfolge die fraglichen Linien in Angriff genommen werden sollen."1 Infolge der Verschiebung des Baues der beiden Linien verpflichtete sich die Gotthardbahn-Gesellschaft durch °Uebereinkunft vom 6. Oktober 1877, für die Strecke Luzern-Rothkreuz-Immensee nicht höhere Taxen zu beziehen, als sie auf der direkten Linie Luzern-Immensee erhoben würden, mit ändern Worten, für den Transport der Personen und Güter mit Bestimmung nach und von dem Gotthard, auf der Strecke Luzern-Rothkreuz-Immensee keine größere Distanz zu berechnen, als wenn die Transporte auf der direkten Linie via Küßnach bewerkstelligt werden könnten.

Schon im Jahre 1880 wurden von Seite der betheiligten Regierungen bei dem Bundesrathe Schritte gethan, welche auf den Bau der beiden Linien abzielten, und am 9. Juli 1883 erließen die gesetzgebenden Räthe das Postulat: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, zu prüfen, ob die gegenwärtige Finanzlage der Gotthardbahn es gestatte, daß sie nach Mitgabe von Art. 3 des Vertrages vom 12. März 1878 zwischen Deutschland, Italien und der Schweiz zur Ausführung der damals verschobenen Zweigbahnen angehalten werde."

Am 29. April 1884 machte der Bundesrath den Räthen die Mittheilung, es sei von ihm die Direktion der Gotthardbahn eingeladen worden : a. die technischen Grundlagen für die Ausführung des Baues der Linien Luzern-Küßnach-Immensee und Zug-Walchwyl-Goldau dein Bundesrathe einzureichen, und

903 b. demselben das für Beschaffung der Mittel zum Bau der beiden Linien erforderliche Finanzprogramm und den Nachweis vorzulegen, daß diese Mittel gesichert seien.

Die Vollziehung dieser Schlußnahme wurde durch einen Anstand verhindert, welcher sich im Jahre 1884 mit den beiden Subventionsstaaten Deutschland und Italien erhob. Nach Eröffnung der Gotthardbahn erzeigte die vorläufige Abrechnung über die Baukosten gegenüber dem Voranschlage, auf den die Subventionen berechnet worden waren, einen Vorschuß von annähernd 5 Va Millionen Franken, über welchen die beiden Subventionsstaaten neben der Schweiz ein Verfügungsrecht in Anspruch nahmen, indem sie behaupteten, daß die auf dem Wege des Vertrages festgestellte und durch die staatlichen Subventionen geäuffnete Bausumme ausschließlich zum Ausbau der vertraglich bezeichneten Hauptlinie Immensee-Pino verwendet werden dürfe. Dieser Ausbau sei zur Zeit noch nicht vollendet, indem namentlich das zweite Geleise fehle, welches gemäß Art. I, 2 des Vertrages vom 12. März 1878 zwischen Erstfeld und Göschepen, sowie zwischen Airolo und Bodio ^im Falle des Bedürfnisses" erstellt werden müsse. Der Bundesrath erklärte seinerseits, daß diese Bedürfnißfrage nach dem Wortlaut des Vertrages allerdings nicht von der Schweiz allein zu entscheiden sei, daß aber hieraus für die beiden ändern Staaten keineswegs das Becht sich ableiten lasse, über den Baufondrest zu verfügen und damit in den innern Haushalt der Gotthardbahn sich einzumischen; die eventuelle durch alle drei Staaten festzustellende Pflicht zum Bau des zweiten Geleises sei gegenüber den beiden ändern Staaten von der Schweiz zu erfüllen und dieser stehe es daher auch allein zu, über die finanziellen Mittel zur Ausführung, soweit dieselben in den Händen der Gotthardbahn liegen, zu verfügen. Der weitläufige über diese Frage geführte Notenwechsel verschärfte den Konflikt, statt zu einer Lösung zu führen ; erst nach dreijährigen Verhandlungen wurde der Boden für eine gütliche Ausgleichung gefunden, indem die beiden mitkontrahirenden Staaten erklärten, auf das beanspruchte Verfügungsrecht betreffend die Baugelder verzichten zu wollen, insofern die Schweiz sich verpflichte, binnen bestimmter Frist für den Bau des zweiten Geleises auf den oben genannten Strecken zu sorgen.

In den im Juli 1886 abgehaltenen Konferenzen
wurde endlich eine 'Verständigung erzielt, durch welche der Bundesrath, der sich inzwischen mit der Gotthardbahn abgefunden hatte, die verlangte Verpflichtung mit einer 10jährigen Baufrist übernahm.

Es ist leicht nachzuweisen, daß die hierseitigen Interessen eine andere Erledigung nicht zuließen. Von den Bauverpflichtungen,

904 welche die Schweiz gegenüber dem Auslande in den Gotthardverträgen übernommen hatte, waren noch zwei rückständig, erstens diejenige betreffend den Bau der verschobenen Zut'ahrtslinien Luzeru-Immensee und Zug-Goldau und zweitens die Legung des zweiten Geleises. Um beiden Aufgaben gleichzeitig gerecht zu werden, besaß die Gotthardbahn damals die Mittel nicht, und dem Bundesrathe mußte es daher daran liegen, sich vorerst der lästigeren Verbindlichkeit zu entledigen, namentlich wenn dadurch zugleich den allgemeinen schweizerischen Verkehrsinteressen besser gedient war. Die Erwägungen, welche sich in dieser Beziehung geltend machten, waren folgende: Die Entscheidung über den Bau der Zufahrtslinien ist durch den unbestrittenen Wortlaut des Vertrages vom 12. März 1878 ausschließlich in die Hände des Bundesrathes gelegt. Er allein hat zu bestimmen, ob die Gesellschaft die nöthigen Mittel zum Bau besitze, und er allein hat eventuell auch festzustellen, welche der beiden Linien zuerst gebaut werden soll.

Diese Freiheit besteht für die Erstellung des zweiten Geleises nicht; hier entscheidet einzig das ,,Bedürfniß", das von allen drei Staaten in gleicher Weise geltend gemacht werden kann; sobald dasselbe vorhanden ist und daher nicht mehr bestritten werden kann, muß es auch in seinem ganzen Umfang befriedigt, d. h. es muß das neue Geleise auf der ganzen Strecke in Angriff genommen werden. Diese Erwägung allein schon mußte den Bundesrath dazu bestimmen, auf den Vorschlag seiner Mitkontrahenten einzugehen. Schon heute ist durch die außerordentliche Verkehrssteigerung der Beweis geleistet, daß der Zeitpunkt des ,,Bedürfnisses11 in nächster Nähe liegt, und dem Verkehre ist offenbar besser damit gedient, wenn das zweite Geleise in diesem Momente schon vorhanden ist, als wenn es erst gebaut werden muß, und ebenso einleuchtend ist es, daß der Bau selbst, wenn dafür eine längere Zeit zu Gebote steht, nicht nur wesentlich wohlfeiler zu stehen kommt, sondern auch den Betrieb, wie die seitherige Erfahrung gezeigt hat, um so weniger gefährdet. Zudem erscheint die Erstellung des zweiten Geleises als eine Maßregel, welche dem gesammten in- und ausländischen Verkehr zu Gute kommt und daher auch derjenigen Bevölkerung dient, welche dem engern Interessenkreis der Zufahrtslinien angehört.

Für den Bund insbesondere hatte
die rasche Erledigung der Geleisefrage den Vortheil, daß damit den beiden Subventionsstaaten gegenüber der letzte Punkt bereinigt wurde, in dem ihnen eine direkte Einmischung in die Angelegenheiten des Baues der Gotthardbahu zustand. Wie wünschenswerth dieser Erfolg war, lehrt der Konflikt, welcher während drei Jahren in Betreff der Ver-

905 wendung der sogenannten Baufondgelder bestand und sich immer mehr zu verschärfen drohte.

Ein weiterer für den Bund überaus beachtungswerther Vortheil war der militärische. Ohne allen Zweifel bildet die Gotthardbahn in beinahe allen Kriegslagen eine wichtige Verbindungslinie, die namentlich für die Verteidigung der Südgrenze von größter Bedeutung ist. Wirksame Dienste wird diese Linie aber erst leisten, wenn wenigstens die Bergstrecke zweispurig erstellt sein wird; in dieser Gestalt aber erscheint das zweite Geleise als ein unerläßliches Komplement der im Bau befindlichen Festungswerke, deren Wertb dadurch in bedeutendem Maße erhöht wird, ohne der Eidgenossenschaft irgend welches Opfer aufzuerlegen.

Aus allen diesen Gründen konnte der Bundesrath im Jahre 1887 keinen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß dem Bau des zweiten Geleises gegenüber demjenigen der Zufahrtslinien die Priorität gehöre. Darum nahm der Bundesrath auch keinen Anstand, seinen Beschluß vom 29. April 1884, wodurch die Gotthardbahn zur Vorlage der Pläne und des Finanzausweises für die beiden Zufahrtslinien aufgefordert wurde, auf so lange zu suspendiren, bis ihre finanzielle Lage es gestatte, den Bau dieser Linien an die Hand zu nehmen.

Eine weitere Förderung dieser Angelegenheit wurde durch das Militärdepartement veranlaßt, welches mit Zuschrift vom 26. Juni 1889 auseinandersetzte, daß die für den Bau des zweiten Geleises in Aussicht genommene Baufrist von 10 Jahren den Interessen der Landesverteidigung in keiner Weise genüge, daß es vielmehr geboten sei, nicht nur den bis anhin bloß auf der Südseite des Gotthard betriebenen Bau sofort auf der Nordseite zu beginnen, sondern auch den Vollendungstermin wesentlich zu verkürzen.

Wir sprechen hier gerne die Anerkennung dafür aus, daß die Gotthardbahn-Verwaltung diesem Wunsche, der ohne wesentliche Kostenvermehrung nicht zu erfüllen war, mit aller Bereitwilligkeit entgegenkam und , die Verpflichtung übernahm, auf den beiden Strecken Erstfeld-Göschenen sowohl, als Faido-Biasca bis zum 1. Oktober 1893 das zweite Geleise fertig zu stellen. Auch dieser verdankenswerthen Erklärung gegenüber haben wir die Entschließungen des Bundes in Betreff des Baues der Zufahrtslinien unpräjudizirt vorbehalten.

·: ; II.

Nach Ansicht des Bundesrathes ist heute'die Zeit gekommen, von diesem Vorbehalte Gebrauch zu machen und auch den Bau

900 der Zufahrtslinien anzuordnen. Wir leiten die Begründung dieser Maßnahme mit einer Darstellung der volkswirlhschaftlichen Bedeutung dieser Linien ein.

a. Goldau-Walchwyl-Zug.

Die wahre Bedeutung dieser Linie ergibt sich nur, wenn von der Verbindung Z ürich-Zug-Goldau (Gotthavd) ausgegangen wird, Die Länge der h e u t i g e n , bestehenden Linie Zürich-Goldaii ist folgende: Zürich-Knonau-Zug . . 38,9 km.

Zug-Cham . . . . . 4 , 7 ,, Cham-Rothkreuz . . . 5,4 ,, Rothkreuz-Goldau. . . 16,5 ,, 65,5 km. = 67 Tarifkilometer.

Die Entfernung von Goldau über W al e h wy l nach Zürich wird betragen : Goldau-Walchwyl-Zug . 15,9 km.

Zug-Knonau-Zürich . . 38,9 ,, 54,8 km. = 55 Tarifkilometer.

Der Bau der Linie Zug-Walchwyl-Goldau bringt also dem Verkehr von Zürich nach dem Gotthard eine Abkürzung von (65,5 -- 54.8) 10,7 km. der effektiven Länge und von 11 km. in der Taxberechnung.

Der Kostenvoranschlag wird von der Bahnverwaltung mit Inbegriff des Bahnhofes Zug auf Fr. 5,600,000 und der Verlust auf dem Betriebe auf Fr. 152,000 berechnet. Die Verwaltung nimmt an, daß dieser Verlust verschwinden werde, sofern der Bau der fraglichen Linie eine Zunahme des Verkehrs von jährlich etwa 20,000 Tonnen zur Folge hätte,' eine Voraussetzung, welche, seitdem dieselbe gemacht wurde (1885), auch eingetroffen ist.

Wenn es sich um die Verbindung Zürich-Goldau handelt, so muß auch das Projekt Thalwyl-Zug zur Vergleichung herbeigezogen werden.

Die Entfernung von Zürich über K n o n a u nach Zug beträgt 38,9 km.

Die Entfernung von Zürich über T h a l w y l nach Zug beträgt 36 ,, Differenz 2,9 krn.

907 Die j e t z i g e tarifkilometrisehe Distanz Zürioh-Goldau, welche 67 km. beträgt, wird demnach durch den Bau von Zug-WalchwylGoldau um 11 und durch den Bau von Zug-Thalwyl um weitere 3, im Ganzen um 14 km. reduzirt.

Eine Vergleichurig der Bau- und Betriebskosten ergibt folgendes Kesultat : Die 12 km. betragende Abkürzung Zug-Goldau erfordert ein Baukapital von Fr. 5,600,000, welches sich durch den Betrieb mindestens verzinst, die 3 km. betragende Kürzung Thalwyl-Zug ein solches von Fr. 9,188,800.

Die von den eidgenössischen Experten aufgestellte Betriebsrechnung ergibt für diese letztere Linie folgendes Resultat: Kapitalzins Fr. 413,496 Betriebskosten ,, 375,958 Summa der Ausgaben

Fr. 789,454 ,, 642,990

Defizit

Fr. 146,464 ,, 634,809

Saldo Defizit . Fr. 165,515 . ,.

9,000

Fr. 781,273

Betriebseinnahmen Dazu : Saldo der Mindereinnahmen Ab: Ersparnisse der Nordostbahn .

Jahresertrag der Subventionen

Totaleinbuße per Jahr

* 174'515 Fr. 606,758

Von der Nordostbahn selbst wurde diese jährliche Verlustsumme, welche sich auf dem Bau und Betrieb der Linie Thalwyl-Zug ergibt, auf Fr. 792,574 geschätzt.

b. Immensee-Luzern.

Für die Würdigung der Distanzverhältnisse kommt bei dieser Linie der Ausgangspunkt Basel hauptsächlich in Betracht. Bekanntlich wurde der Bau immensee-Luzern zu einer Zeit (1869) vertraglich als Theil dei- Gotthardbahn bezeichnet, als von der später konzedirteu und gebauten Aargauischen Südbahn (Aarau-Immensee) noch keine Rede war.

Nach den eigenen Angaben der Gotthardbahn sind die maßgebenden Distanzen, wenn die kürzeste aller bis jetzt projektirten Linien zu Grunde gelegt wird, folgende:

908 Basel-Aarau-Immensee .

Basel- Sentimatt(Luzern)Immensee . . . .

107,203 km. = 108 Tarif kilometer

Differenz zu Gunsten der neu zu bauenden Linie

107

,,

l Tarifkilometer*)

Die Kosten dieser Linie werden von der Gotthardbahn auf Fr. 9,900,000 berechnet, wobei der Bahnhof Sentimatt mit Fr. 820,000 Inbegriffen ist. · Die nur 2--3 km. längere Linie über Lerchenbühl ist zu Fr. 6,000,000 veranschlagt.

Für den Betrieb wird ein Ausfall von Fr. 42,349 vorgesehen, aber angenommen, daß er sich durch den vermehrten Verkehr bald ausgleichen werde.

Für die künftige Instradirung wird von der Gotthardbahn vorausgesetzt, ,,daß der über Basel nach und von dem Gotthard gehende Personenverkehr über die neue Linie geleitet werde*1 und daß auch ,,im Güterverkehr ausschließlich die kürzeste Route instradire". Es ist nicht nothwendig, heute schon auf diese Fragen einzutreten, deren Lösung, soweit sie der Bundesbehörde zusteht, vorbehalten bleibt; dagegen finden wir es am Platze, wenigstens einen den Personenverkehr betreffenden Punkt jetzt schon zu berühren. Soll nämlich der von und nach der Zentral-, Bern-Luzernund Nordostbahn über die Station Sentimatt nach und von Immeusee transitirende Personenverkehr von Sentimatt über den Bahnhof Luzern geleitet werden, so ergibt sich für den Hin- und Rückweg zwischen Luzern und Sentimatt eine Distanzvermehrung von 3--4 km.

und somit trotz der durch die neue Linie beabsichtigten Kürzung eine Differenz von 2--3 km. zu Ungunsten der kürzesten Linie Basel-Sentimatt-Meggen-Immensee gegenüber Basel-Aarau-Immensee.

Diese Darstellung führt, wenn das gesammte schweizerische Verkehrsinteresse und nicht bloß die Konkurrenzverhältnisse zwischen einzelnen Bahngesellschaften in's Auge gefaßt werden, zu folgenden Schlüssen : Von den beiden in Frage stehenden Linien bietet einzig diejenige von Zug über Walchwyl nach Goldau einen nennenswerthen volkswirtschaftlichen Vortheil, insofern dadurch der ganze von und *) Nach der Bechnung des technischen Inspektorates des Eisenbahndepartementes ergehen sich folgende Zahlen : Basel-Aarau-Immensee 107,2<* km. (108 Tarif kilometer) Basel-Sentimatt-Meggen-Immensee . 108,5os km. (109 Tarifkilometer) Danach wäre der Weg von Basel über die neue Linie Luzern-Immensee um l Tarifkilometer länger als die bestehende über Aarau nach Immensee.

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nach Zurich über den Gotthard gehende Verkehr einen um 11 km.

kürzeren Weg als den heute bestehenden erhält. Würden die Taxen der jetzigen Linie Zürich-Rothkreuz-Immensee nach der Distanz dei neuen Linie berechnet, d. h. um 11 km. gekürzt, wozu die betreffenden Bahnen infolge ihrer weiter gehenden Verpflichtungen verhalten werden könnten, so fällt der Güterverkehr außer Betracht und es reduzirt sich der Vortheil des Baues der neuen Linien auf ·einen dem Personenverkehr zu gut kommenden Zeitgewinn von durchschnittlich 20 Minuten, welchem der Aufwand eines Baukapitals von Fr. 5,600,000 gegenüber steht.

Für die Linie Luzern-Meggen-Immensee steht die Sache viel bedenklicher : Hier sind zwei verschiedene Zonen zu unterscheiden ; erstens diejenige, welche heute durch die Aargauische Sudbahn und die Zentralbahn von und nach dem Gotthard bedient wird, und sodann die Zone, welche der Linie Bern-Luzern und der Brünigbahn angehört. Für den Verkehr dieser letzteren Zone entsteht durch den Bau der direkten Linie von Luzern nach Immensee gegenüber
Hätte unter solchen Verhältnissen der Bund freie Hand, so würde es fraglich sein, ob er die bescheidenen Vortheile der Linie
Zug-Walchwyl-Goldau mit der Vermehrung des Baukapitals um Fr. 5,600,000 erkaufen lassen wolle, aber unter keinen Umständen könnte er es zugeben, bei der eben dargestellten Sachlage für die neue Linie Luzern-Immensee die Ausgabe von annähernd 10 Millionen zu bewilligen, ohne sich dem begründeten Vorwurf auszuBtmdesblatt. 42. Jahrg. Bd. II.

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910 setzen, die Interessen der Gotthardbahn und des Rückkaufes, sowie die einfachsten Regeln einer gesunden Staatswirthschaft wissentlich und gröblich zu verletzen. Leider besteht für den Bund diese Freiheit der Aktion nicht mehr, sondern er befindet sich in einer Zwangslage, welche durch die frühere Eisenbahnsouveränität der Kantone geschaffen worden ist. Die bei der Gotthardbahn betheiligten Kantone befanden sich in der Lage, die zur Ausführung dieser Verkehrslinie nöthigen Konzessionen an gut scheinende Bedingungen zu knüpfen, und haben im Fernern ihre Subventionen in der Voraussetzung bezahlt, daß das Gotthardnetz in dem durch die internationalen Verträge vorgeschriebenen Umfang ausgeführt werde.

Die Erfüllung dieser Verträge hat der Bund sowohl den beiden Subventionsstaaten als den schweizerischen, durch die Kantone repräsentirten Ansprüchen gegenüber vertraglich übernommen und er ist daher auch verpflichtet, die beiden noch rückständigen Zufahrtslinien zu bauen, sobald die Bedingungen erfüllt sind, von denen der Vertrag diesen Bau abhängig macht. Die rechtliche Stellung des Bundes unterscheidet sich also wesentlich von derjenigen, die er gegenüber dem Konzessionsbegehren Thalwyl-Zug einnimmt. In diesem Falle hat der Bund lediglich als Staat zu handeln, ohne in der Wahrung der öffentlichen Interessen irgendwie beschränkt zu sein, indem der zwischen dem Komite und der Nordostbahn bestehende Vertrag die Eidgenossenschaft in keiner Weise bindet Zum Bau der Gotthardzufahrten dagegen ist der Bund vertragsgemäß verpflichtet, und er kann sich der Erfüllung dieser Verpflichtung nicht entziehen, wie sehr auch Gründe- des öffentlichen Wohles dagegen sprechen mögen. Er kann daher auch zwischen den beiden Zufahrtslinien keinen Unterschied machen, sondern muß beide durch die Gotthardbahn erstellen lassen, sobald die Voraussetzungen des Vertrages vorliegen. Es sind folgende : 1) Nach Eröffnung der Linie Immensee-Piuo soll die Gotthardbahn den Bau der verschobenen Linien an die Hand nehmen, sobald ihre finanzielle Lage es gestattet.

2) Der Bundesrath hat zu entscheiden, ob dieser Fall vorliegt und in welcher Reihenfolge die fraglichen Linien in Angriff genommen werden sollen.

Diese beiden Bedingungen können von vornherein als erfüllt bezeichnet werden, indem die Gotthardbahn erklärt, sowohl beide Linien
gleichzeitig bauen zu wollen, als auch die hiefür nöthigen Mittel zu besitzen.

Was diesen letztern Punkt anbelangt, so hat die Verwaltung den Finanzausweis für beide Linien schon im Jahre 1885 geleistet

911 Aus den oben angeführten Gründen wurde aber damals dieser Angelegenheit keine weitere Folge gegeben, sondern der Gotthardbahn an der Stelle des Linienbaues die Verpflichtung zur Erstellung des zweiten Geleises auferlegt, der sie sich unter der Voraussetzung unterzog, daß ihr für den Ausweis betreffend die Zufahrtslinien eine entsprechende FristverlängeruDg gewährt werde. Bei dem damaligen Stand der finanziellen Verhältnisse der Gotthardbahn war diese Voraussetzung durchaus gerechtfertigt, und es suspendirte infolge dessen der ßundesrath den Finanzausweis für die beiden Linien, ,,bis die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft den Bau derselben gestatten1'. Seither haben sich diese Verhältnisse so gestaltet, daß die Gotthardbahn im Stande ist, neben dem Bau des zweiten Geleises auch denjenigen der beiden Linien an die Hand zu nehmen und durchzuführen. Da auch die Verwaltung sich zu dieser Anschauung bekennt, so ist dieselbe nicht weiter zu begründen.

Was die anzusetzenden Fristen für die Vorlage der Baupläne und für die Bauvollendung der Linien. Zug-Goldau und LuzernImmensee anbelangt, so ist Folgendes anzuführen: Vorerst gehen wir mit der Direktion der Gotthardbahn einig (Schreiben derselben vom 2. Mai 1890), daß für beide Linien die nämlichen Fristen festgesetzt werden sollen. Nach den vorliegenden Plänen der Bahndirektion sind die für die Bauzeit maßgebenden Hauptobjekte, der 540 m. lange Tunnel in der Stadt Zug und der 637 m. lange Museggtunnel in Luzern, in Bezug auf die muthmaßliche Dauer der Ausführung ungefähr auf die gleiche Linie zu stellen.

Auch mit Rücksicht auf die Natur des Terrains in den offenen Strecken, auf die vielen Kunstbauten der Zugerlinie und auf die namentlich beim Anschluß in Zug und bei demjenigen in Luzern noch vorzunehmenden Planergänzuagen etc. ließe sich eine wesentlich verschiedene Bemessung der Baufristen der beiden Linien nicht wohl begründen.

Die Annahme gleicher Termine wird Seitens der Bahndirektion damit motivirt, daß es zweckmäßig erscheine, seiner Zeit den Betriebsanschlußpunkt von Rothkreuz für beide Linien gleichzeitig verlegen zu können. Obwohl einer suceessiven Verlegung kein absolutes materielles Hinderniß im Wege stehen würde, so muß immerhin zugegeben werden, daß die gleichzeitige oder fast gleichzeitige Verlegung praktische Vortheile für den
Betriebsdienst der Gotthardbahn und für den Reisendenverkehr bieten wird, indem sonst während einer gewissen Zwischenperiode ein Theil des Verkehrs zwei Anschlußbahnhöfe mit entsprechendem Aufenthalte, Zeitverlust etc. passiren müßte.

912 Die Frist zum Einreichen etwaiger Planänderungen oder Ergänzungen beantragen wir auf 1. Oktober 1890 festzusetzen. Bis dahin können die s. Z. von der Bahndirektion eingereichten Baupläne soweit nöthig revidirt, bezw. ergänzt werden, um den seither auf dem Terrain eingetretenen Aenderungen Rechnung zu tragen.

Weiter sollte es dann möglich werden, bis spätestens 1. Januar 1891 mit den Tunnel- und Erdarbeiten anzufangen und bis spätestens 1. Oktober 1893 den Bau zu vollenden, resp. auf beiden Linien den Bahnbetrieb zu eröffnen.

Die Annahme von ungefähr 3 Jahren als eigentliche Bauzeit entspricht ziemlich dem Vorschlag der Gotthardbahndirektion, welche hiefür 3 Jahre vorsieht und unsere Anträge entfernen sich von den Vorschlägen der letztern im Wesentlichen nur in Bezug auf die Frist zur Revision bezw. Ergänzung der schon vorliegenden Baupläne (3 bis 4 Monate statt mindestens ein Jahr). Diese Kürzung rechtfertigt sich aber in Betracht des relativ einfachen Charakters der in mäßigem Umfang erforderlichen und auf einzelne Theilstrecken sich konzentrirenden Planänderungen und Ergänzungen.

Der Hauptvorschlag der Direktion der Gotthardbahn sieht für die Vorlage der Baupläne eine Frist von 4 Monaten n a c h b u n d e s r ä t h l i c h e r G e n e h m i g u n g des von der Centralbahn vorzulegenden P r o j e k t e s f ü r d e n U m b a u d e s B a h n h o f s L u z e r n vor.

Nun liegt aber kein eigentliches Bedürfniß vor, die beiden Fragen, von denen die eine die Gotthardbahn, die andere in erster Linie die Centralbahn berührt, mit einander zu verquicken. Im Gegentheil löst sich die schon so lange der Entscheidung harrende Frage der nördlichen Zufahrten zur Gotthardbahn natürlich einfacher und sicherer, wenn man diese Lösung nicht wieder mit der Erledigung einer ändern an sich schon gewisse Schwierigkeiten bietonden Frage, wie derjenigen des Bahnhofs Luzern, verknüpft. Zwar besteht wohl ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Umbau des Bahnhofs Luzern und der einmündenden Linie der Gotthardbahn, allein derselbe ist kein unmittelbarer. Denn nach den vorliegenden Plänen zweigt die Bahnlinie Luzern-Imrnensee nicht direkt vom Bahnhof Luzern ab, sondern erst von einem zirka 1,3 km. (von Bahnhofmitte) entfernt liegenden Punkte der Bahn Luzern-Olten, jenseits des Gütschtunnels. Die Gotthardbahnzüge müssen
also nach wie vor diesen Tunnel passiren, um io den Bahnhof Luzern einfahren zu können. Ob die Gotthardzüge die Reuß auf der jetzigen Brücke der Nordostbahn oder auf einer neuen Brücke, etwas weiter flußaufwärts, überschreiten, hängt nicht von der Gestaltung des Bahn-

913 hofs Luzern ab. Man könnte sonst mit gleichem Rechte das Verhältniß umkehren und verlangen, daß mit dem Bahnhofprojekt zugewartet werde bis nach Genehmigung der Baupläne für LuzernImmensee.

Die beiden Baufragen müssen vielmehr n e b e n e i n a n d e r und jede für s i c h behandelt und gelöst werden. Der Bauplan für die im Luzerner ,,Untergrund"1 abzweigende Bahn Luzern-Immensee kann ebenso gut in 3 bis 4 Monaten, von heute an, revidirt, abgeschlossen und vorgelegt werden, als 4 Monate nach der Genehmigung des Projektes für die Erweiterung des Bahnhofs Luzern, welcher in einem ganz ändern Stadttheil, auf der ändern Seite des Gütschtunnels, liegt.

Für den Fall der Genehmigung des nachfolgenden Bundesbeschlusses und der in Art. l festgesetzten Fristen, beantragen wir, diese gleichen Fristen in den Bundesbeschluß betreffend Konzession einer Eisenbahn von Thalweil über Sihlbrücke nach Zug einzusetzen und den bezüglichen Art. 5 jener bei der Bundesversammlung noch anhängigen Vorlage dementsprechend abzuändern.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 27. Mai 1890.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, D e r B u n d e sp r ä s i d e n t :

L. Ruchonnet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Hin gier.

914 (Entwurf)

Bundes besehluß betreffend

Fristansetzung für den Bau der Linien Zug-Walchwyl-Goldau und Luzern-Küßnach-Immensee (sog.

nördliche Zufahrtslinien der Gotthardbahn).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 27. Mai 1890, beschließt: 1. Für den Bau der auf Konzessionen der Kantone Zug, vom 23. Juni 1869 (E. A. S. a. F. VI, 142 ff.), Schwyz, vom 30. Juni 1869 [ib. VI, 169 ff.), und Luzern, vom 9. Juni 1869 (ib. VI, 129 ff.), genehmigt durch Bunaesbeschlüsse vom 22. Oktober 1869, beruhenden Linien Z u g - W a l c h w y l G o l d a u und L u z e r n - K ü ß n a c h - I m m e n s e e ( sog.

nördliche Zufahrtslinien der Gotthardbahn) werden die Fristen neu angesetzt, wie folgt : a. Bis zum 1. Oktober 1890 sind allfällige Ergänzungen oder Aenderungen an den bereits im Jahre 1886 eingereichten Bauplänen und ein neuer Finanzausvveis dem Bundesrathe vorzulegen.

b. Bis zum 1. Januar 1891 ist mit den Tunnel- und Erdarbeiten zu beginnen.

c. Bis zum 1. Oktober 1893 sind beide Linien zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

2. Der Bundesrath ist mit dem Vollzuge dieses Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Festsetzung der Fristen für den Bau der Linien Zug-Walchwyl-Goldau und Luzern-Küßnach-Immensee (sog.

nördliche Zufahrtslinien zur Gotthardbahn). (Vom 27. Mai 1890.)

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31.05.1890

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