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Berichte an

das eidg. Finanzdepartement von der durch dasselbe ernannten .kommission zur Ermittlung der Verumständungen , unter denen der gewesene Staatskassier Eggimann seine Unterschlagungen begangen, sowie behufs Einführung einer wirksameren Kassakontrole

(Vom Mai 1871.)

NB. Die Kommission war zusammengeht aus den Herren GrandJ e a n , alt Ständerath , in Chaux-de-Fonds , K a i s e r , Nationalrath, in Solothurn , und K och li n, Ständerath, in Basel.

Die Herren Grand-Jean und Köchlin haben dem Finanzdepartement einen gemeinschaftlichen Bericht erstaltet ; Herr Kaiser, welcher der Schlug simung nicht beiwohnen konnte, hat ein.en Spezialrapport eingereicht.

Die beiden Berichte folgen hienach.

.l. Bericht de le Herren Köchling und Grand-Jean.

Herr Bundesrath l Mittelst Schreiben vom 6.^ April beriefen Sie die Unterzeichneten zur Losung folgender .Aufgabe: 1. Eiue eingehende Vrüfung der Verhältnisse der eidgenossischen Staatskasse vorzunehmen, bez. das durch den frühern Staatskassier her-

beigerührte Defizit festzustellen.

2. Die Lücken und Mängel in dem jetzt bestehenden Reglemente sowohl als in der jetzigen Praxis bestmöglich festzustellen und Vorschlage zur Ausfüllung und Redressirung derselben zu machen.

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Am 13. April bei unserer ersten Zusammenkunft gaben Sie uns sodann eiulässliehe Kenntnis. von allen denjenigen Tatsachen, welche über diese Matele dem Departement sowohl als dem Bundesrathe zu.. Kenntniss gekommen waren und von den in ^ola.e derselben getroffenen Massnahmen.

Die bis dahin geschehenen Erhebungen der Untersnchungsbehorde und die sehristlichen Erklärungen von Eggimann wurden n..s zur Ver-

fügung gestellt.

Nachdem wir von diesem Akienmaterial Kenutniss genommen hatten und zur Revision der Kassabücher geschritten waren, fanden wir uns in Bälde veranlag , unsere Arbeiten bis zu dem Zeitpunkte zu vertagen, wo die Koutrolliru..g der Jahresreehnung von 1870 einerseits nnd die-

jenige der Amtstätigkeit des Eggimauu im Jahre 1871 (b^ 6. März) anderseits eine vollendete Thatsaehe sein würden. Es liegt ans der Hand, dass diese Ausgabe nicht von uns selbst besorgt werden konnte.

Die Vollendung dieser Arbeit verwerte sich bis zum l0. Mai, an wel.hem Tage wir wiederum zusammentraten, um die im April nnt......^ brochene Thätigkeit wieder auszunehmen.

Das Ergebniss derselben ist nun folgendes : Wenn , wie wir mit Sicherheit annehmen , die Kontrollirnug de...

Rechnungen sämmtlicher Zoll- und Bostkreiskassen, der Departement, der Spezialverwaltnngen , der Banken nnd Bankers, überhaupt aller in den Büchern der eidgenössischen Staatskasse erscheinenden Rechnungstellen und Korrespondenzen bis zum ...lnstrittstage des Kassiers richtig durchgeführt worden ist und der von uus am 12. Mai mit grosster Sorgfalt und bis in alle Details vorgenommene Kassasturz nicht nachträglieh noch eine unvermutete Aenderuug erleidet, so kann das Defizit der eidgeuosfiseheu Staatskasse durch Verschuldung des Eggimann nach beiliegender Ausstellung auf Fr. 560,572. 75 abgeschlossen werden.

Aus dieser .Ausstellung ist ersichtlich, dass Eggimaun sich in solgender Weise die ihm zu seinem Brivat^Transai.tionen nothigen Gelder verschaffte : ^ 1. Kreditirte er sofort seine Kasse für die ihm se.^eilen vom Deparlemente ausgestellte Zahlungsanweisung uber die Gesammtsumme der von der Eidgenossenschaft an fi^en Tagen zu leistenden Eapital.^ und Zinszahlungen, während die Liquidation dieser Zahlungen bez. VerRechnungen, soweit sie überhaupt geschah, sich über mehrere Monate erstreckte und ihm erlaubte, während dieser ^eit über bedeutende Mittel zu verfügen.

2. Kreditierte er seiue Kasse sosort snr di^ Gesammtbeträge der von audern eidgenössischen Rechnungsstelleu vorgewiesenen en blo^.. Mandate (die in der Bequemlichkeit der betrefseuden Reehnungsstellen ihren Grund

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mogen gehabt haben,, wahrend er nur einen Theil davon in baar ausbezahlte und den andern Theil, für welchen ex eine Depotquittung ausstellte, bis zur Vorweisung dieser le^tern, zur freien Verfügung hatte.

3. Debitirte er seine Kasse dagegen u i ch t s o s.o r t bei Eingang für Barzahlungen der Zoll^ und Bostkassen und versüße darüber frei wahrend des Rechnnngsmonates.

4. Venuste ex den unter seiner ausschliesslichen Direktion stehenden Eonto-Eorrent^Verkehr mit einzelnen Banken , um sich die Mittel zu verschassen, die ihm nothig waren, seinen Verlegenheiten zu begegnen.

Wir bemerken hiebei, dass wenn auch in den Kassaverhandlungen früherer Jahre solche Vorsälle, wie derjenige mit den Fr. 16,999. 60 in unserer Aufstelluug , uuseres Wissens nicht vorkommeu und die Bost von

Fr. 18,340 nachträglich pon Wallis anerkannt ist und somit eigentlich

wegfällt, dagegen doch in diesem Verkehr mit den speziell befreundeten Banken exwiesenermassen eine ganze Reihe von Transaktionen unerlaubter und verwerflicher Art vorgekommen sind, welche nicht seripturirt wurden und aus den Büchern nicht ersichtlich sind. Wir verweisen hier aus das ^ eigene Geständnis.. Eggimanns vom 6. März.

Ausser diesen 4 Buukten, die in Art. 1 zisfergemäss belegt sind, waren wir in Folge unserer Erhebuugen in der Lage, s.^b 5, 6 nnd 7 noch 3 weitere zu konstatiren.

5. Erhielt Eggimann vom ...^berkriegskommissariate, von der Verwaltung des Materiellen, der Vnlvex- und anderer Spezialverwaltuugen je nach dem Kassabestande derselben und auch wieder gegen Depositschein grosse und kleine Abschlagszahlungen ans zuweilen Monate später folgende Rechnnngsborderau^ hin. Bis zur Eingabe der le^tern verfügte ex frei über diese Beträge.

6. Kamen allgemeine Einnahmen, wie z. B. die Kapitalzinse nicht fosort zur Kenntnis. des Departements und brauchten deshalb auch nicht sofort gebucht zu werden.

7. Lagen zuweilen während längerer Zeit aus ausserordentliehen Anlässen herrührende ^onds (wie die Bariser Hilfsgelder) zu seiner

Verfügung.

Die Frage nun, wie es moglich wurde, dass solche abnorme Zustände während Jahren in der eidgenossischen Staatskasse sich unentdeckt fortschleppen konnten , werden wir mit der zweiten uns gestellten Frage über die Mittel ^ur Abhilfe vereint behandeln, und erlauben uns, so weit moglich und in Kürze un... über die mnthmassliche Zeit des Ursprunges der missbräuchlichen Handlungen Eggimann's auszuspreehen.

Um sich hier ein vollständig richtiges Urtheil bilden zu konnen , müssten noch einige Faktoren beigebracht werden , die wir trol^ aller unserer

751 Bemühungen uns nicht verschaffen konnten. Es ist das einerseits das genaue Jnventar der im Bestie von Eggimann gefundenen Werthschristen

und die Zeit des Ankaufs bez. der Subseription und anderseits die Höhe der bei Gelegenheit des Hauskaufes geleisteten Barzahlung.

Dies.. alles festzustellen zugleich mit dem Betrage des wirklichen eigenen Vermögens Eggimann^s wird Sache der gerichtlichen Untersuchung fein.

Wir unserseits mussten uns bei dieser Sachlage darauf beschränken, durch genaue Erhebung und Vergleichung bestmöglich sestzustellen , wie lange

schon durch Reglement und Vra^is dem Staatskassiere die Möglichkeit gegeben war , in den oben bezeichneten verschiedenen Arten über eidge.nössische Fonds unkontrollirt zu versügen.

Es ergibt sich nun Folgendes : ad 1. ,,Reicht über die Amtsperiode Eggimann^s hinaus und ist von der ersten eidgenössischen Eapital- und Zinszahlung an so gehalten worden.^ ad 2. ,,Jst weniger wesentlich und wahrscheinlich erst durch die .legten grossen Militär- uud Jnternirnugsausgaben, verbunden mit den steigenden ..Bedrängnissen M^s. und Eggimann^s von Bedeutung geworden.^

ad 3. ,,Eine Vergleichung der Eopierbücher der Bundeskasse mit dem Kassabrouillon ergibt sür 1865 noch eine beinahe vollständige 11ebereinstimmnng der Daten der monatliehen Kreispost- und ZollRechnungen , der Empfangsanzeigen der Bundeskasse und der Einträge im Brouillon, während bereits Ansangs 1866 solche Abweichungen sich vorfinden, wie wir sie oben gezeichnet habend ad 4. "Der Eonto^Eorrent-Verkehr mit der Walliser- und der .Berner-Handelsbank begann 1865.^ ad. 5. ,,Ans Besragen erklärte der Buchhalter des Kommissariates, ^ass diese Art und Weise der Rechnungsbereinigung von seinem VorBänger ans ihn übertragen worden sei, also über 1865 hinausreiche.^ ad 6.

gleiche. ^

,,Anch hier war der modus procedenti von lange her der

ad 7. ,,Die außerordentlichen Gelder gehen auch in frühern Zeiten nicht durch das Eassabrouillon.^ Es kann somit von unserer Seite mit Sicherheit allein behauptet werden, dass die Möglichkeit für Eggimann, eidgenössische Fonds in seinem .......u^en zu perwenden, seit seinem Amtsantritt (1858) bestanden hat, und dass Jndizien vorhanden sind, wonach solche Verwendungen mindestens bis 1866 hinaufreicheu.

752 Wir gehen nun zu den zwei hauptsächlichen und wichtigsten funkte..

unserer Aufgabe über, nämlich :

1. Welches sind die Lücken und Mängel in der je^en Organisation und Bra^is, welche die Entdeckung der zu Tage getretenen ..^exuntreuungen erschwert bez. unmoglich gemachi.^haben^ 2. Welche Ergänzungen und Abänderungen sind zu treffen, um sur die Zukunft bestmoglieh vorzubeugeu^ und gelangen zu folgender Autwort :

ad 1. 1) Wird durch den Art. 22 des Regimentes vom 31. Dezember 1861, wonach der Staatskassier a l l e i n und unkontrollir^. über alle Einnahmen der eidgenossischen Departement uud Verwaltungen zu verfügen berechtigt erklärt wird^ diesen. Beamten eine zu grosse Eompetenz und Machtvollkommenheit ^.geschieden. Er war hier nicht nur Eassier, sondern auch Disponent uud dadurch, dass auch die sämmtli..he Korrespondenz uur durch seine Hand... ging, hatte er bis ^..r monatlichen Rechnuugssteliung unkontroliirte Verfügung über sämmtliche Fon.^s der Eidgenossenschaft.

2) Verfügte er eben so srei. in Bezng anf die bei deu Banden zu machenden. bez. gemachten Depots und die ihm bei Einzelnen zu Gebote stehenden Kredite. Die einzige Beschränkung besteht bekanntlich darin, dass der Bundesrath die Rame.. der Banden, bei welchen Depositen gemacht werden sollen und die Hohe der ledern im Allgemeinen bestimmt.

3) Werden die Kassaverhaudlungen aus fliegenden Blättern porgemerkt, wobei die laufenden Kassaeinuahmen und Ausgaben auf dem einen, die Anleihensbeweguugeu aus einem andern, die sog. KassaRepräsentanzen aus einer Reihe von Blättern und Blättcheu und ....ie Bewegung der Deposjtgelder, so wie gewisse andere Trausaktioneu, die Zug um Zug gehen, gar uirgeuds als in den Brivatnoti^en des Kassiers verzeichnet stehen.

Diese Anszeichnungen werden sodann in der Regel erst gegen Ende des Monates in das Eassabrouillou eingetragen, nnd dieses Brouillon, das überdiess noch, um das Mass voll zu machen, für die ersten Monate und bis zum Abschluß der vorhergehenden Jahresreehnung in alt^.r uud neuer Reehuung separat gesührt wird, bildet, die Mandate der Kreiskasseu ausgenommen, die Basis der Eomptabilität.

Es geht aus dem bereits Augeführten hervor, dass es dem Staatskassier bei jeweiligem Abschlnss seiner Reehunug am Ende des Mouais ein Leichtes sein musste, deu Kassasaldo dem kontrollirenden Departe^ueutsches bis ^um legten Eentime vorzuweisen , gauz abgesehen davon , dass .^iese^ ^Kassastürze in der Regel nicht am legten des Monates, sondern erst eiuige Tage später geschehen sein werden. Anderseits war es bei dieser

753 .^uchsühruug , zusammengehalten mit der vollständigen Unzulänglichkeit des Kassalol^ales, irgend einer kontrollixenden Person oder Behorde unmoglieh, selbstständig vorzugehen und aus einen beliebigen Au^enbli.^ einen Kassasturz vorzunehmen, ohne gan^ von den Angaben des Kassiers abzuhängen.

4) War der Zusammenhang und das Jneiuandergreisen der Staatekasse mit den Spezialkassen ungeregelt und unzweckmäßig.

Jmmerhin sind diess alles nur Erklärungen und keine Rechtsertiguugen. Es werden sieh die zuständigen Behorden sowohl, als aneh die Prüfungskommissionen der Räthe, hauptsächlich aber die erstern, ihre^ .Lehre daraus ^iehen müssen.

Als Mittel zur Abhilfe erlauben wir uns, Jhnen folgende Vorschlage zu unterbreiten^: 1. Der Art. 22 des Reglements über die Organisation der ^inanzverwaltnng(A.utl. Sml. Vll, .^5), wonach die Einnahmen der Departement

und Verwaltungen zur Verfügung des Staatskassiers a l l e i n gestellt sind, ift anzuheben be^. ^u modifièrent 2. Der ^taats^ssier hat in Zn^nft uicht mehr das Recht, ohne ein kontrollireudes Visnm bez. eine schriftliehe Ermächtigung des ^inanzbureau ^...el^em die Eontrollbehorde eiuverleibt würde) eine Zahlung ^u leisten.

3. Die Ein^eluuterschrist des Staatskassiers im Verkehr mit Banken und eidgenossis^hen Rechuungsstellen für Geldbezüge , Endofsements nud Quittungen bez. Em.^fangsauzeigen sällt .oeg, oder wird aus das Rothwendigste reduzirt.

Die Korrespondenz wird ins ^.inanzbürean perlegt , so dass d.^r Staatskassier keine Zahlungen mehr erhalten kann, von welcher das erstere

nicht selbstständige Kenntniss hat.

Die Art und Weise, wie diese beiden Bestimmungen am richtigsten ausgeführt werden, ist uatürlich uo.h näher zu prüfen.

4. Mandate pon Departement^., welche ans hohere Summen lauten, und sosort bezogen werden wollen, werdeu zurückgewieseu.

Abschlagszahlungen irgend einer ^lri. gehen durch die Kassaperhandlnngen.

5. Die Zins- und Kapitalzahluugeu der Eidgenossenschaft werden nicht mehr anticipando gebucht.

6. Die Funktionen des eidgenössischen Staatskassiers werden auf die wirklichen Kassamanipulationen beschränkt. Er hat zu diesem Behufe über alle Eingänge. und .^lusgänge irgend welcher Art in einem fortlausenden , zusammenhängenden Kassabrouillon chronologisch Bnch zu

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führen und täglich sein Kassajournal daraus zu formixen. Alle ..^iroposten fallen in die übrige Eomptabilität, deren ex enthoben wird. Die Titelverwaltung kann ihm ebenfalls abgenommen werden.

7. Die Eomptabilität wird dem neuen Zustande entsprechend umgeändert be^. die nothigen neuen Eonti eröffnet, und durch Vermehrung des Bersonals sowohl als durch die richtige Ausführung des Art. 18 des Regimentes eine effektive Kontrolle ermöglicht.

8. Das ^okal der eidgenössischen Staatskasse wird entsprechend er....eitert und die Kontrolle mit derselben in Verbindung gebracht.

..). Jn diesem Falle werden dann die Spezialkassen des Kriegskommissariates und der Verwaltung des Materiellen mit der Eentralkafse verschmolzen und diesen Stellen nur die nöthige Handkasse gelassen.

10. Die direkten Verrechnungen der Kreispostkassen mit auswärtigen Postämtern fallen weg.

11. Die Kassaverifikationen find in Zukunft nicht mehr an bestimmten Tagen, fondern jeweilen unversehens vorzunehmen.

Diess , Herr Bundesrath , sind in kurzen Zügen diejenigen Mas..regeln, welche die Unterzeichneten als geeignet erachten, um ähnliche Unterschleife wie diejenigen, welche je^t vorliegen, theilweise unmöglich zu machen oder theilweise zu erschweren. Die immer in erster Linie in .Betracht kommende Ehrlichkeit des Beamten können sie natürlich nicht ersehen ; allein dazu können sie, wenn gehörig durchgeführt, jedenfalls dienen, dass ein von Hause aus sonst ehrlicher Beamter nicht in VexBuchung geführt, sondern vor dem Straucheln bewahrt werde.

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Genehmigen Sie bei diesem Anlasse die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Basel, den 24. Mai 1871.

..^chliu, Ständerath, für sich und Hrn. ^ran^ean.

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Bericht

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^errn

K ^ .

Unsere Ausgabe war nach den vom Finanzdepartemente ausgesprocheuen Wünschen eine .doppelte, und es wird desshalb der gegenwärtige Berieht in zwei Theile zerfallen : 1. über den Stand der Kassa und die daherigen Skriptnren oder Büchereintragungen ., 2 über unsere Vorschlage, eine strengere Kontrole zu erzweken, insbesondere über die Ausfüllung von Luken oder Abänderungen in den bestehenden Reglementen.

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.Nachdem wir zunächst am 13. April nach einer kurzen Konferenz mit dem Ehef des Finanzdepartementes, Hrn. Bundesrath E e r é s o l e , worin er uns über den entdekten Maneo in der eidg. Staatskassa, über die Verhandlungen des Departements mit dem gewesenen Staatskassier

Eggimann, über dessen Verhaftung, über die Verfügungen und Schlussnahmen des Bundesrathes Kenntniss gegeben und gleichzeitig die bezüg-

lichen Dokumente, sowie im Allgemeinen sämmtliche Bücher und Kontrolen des Departements uns zur Verfügung gestellt hat, von den vorhandenen Schriftüken u. s. w. Kenntniss genommen und uns über unsere Ausgabe verständigt hatten, so nahmen wir den folgenden Tag, 14. April , eine Kassaverifikation vor. Unsere Zweke waren dabei folgende : a. Feststellung des Kassastandes, beziehungsweise des Maneos, b. von den Manipulationen des Kassiers, um die Defizits, beziehungsweise seine Veruntreuungen den Angen der Verwaltung zu verdeken, Kenntniss zu nehmen.

c. in Erfahrung ^u bringen , von welchem Zeitpunkte an die Veruntreuungen begonnen.

Die beiden lezten Vunkte stehen mit einander im Zusammenhang; dem Leztern legten wir desshalb einen Werth bei, weil darin Finger-

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75^ zeige enthalten sein mochten , wie der Beamte se.ne Veruntreuungen verdekt hat.

Die K a ss a v e r i fi k a t i o n hat uns das ^..nächst vorbestelle Ziel nicht erreichen lassen. Obschon wir den thatsächlichen Kassabestaud inventarisiren konnten , was aber wegen sogenannten Kassarepräsentanzen nicht leicht war , so war die Eruirung des Rustaudes , welchen die Kassa nachweisen sollte . doch nur annähernd moglich, und ^war ans dem Grunde, weil ein e i n h e i t l i c h e s Kassajournal, in welches alle Kassabeweguugen eingetragen werden, nicht besteht, vielmehr war zur Ansmittlnng des Tatbestandes nothwendig : 1. ..Verifikation und Vergleichung des Kassabronillons für die Verwaltn..gsrechuung von 1870 ;

2. Verifikation und Vergleichung des Kassabrouillous für die Verwaltungsrech..ung von 1871 ; 3. Verifikation und Vergleichung einer .Liste über die Einzahlungen auf das eidg. Anleihen von 1871.

4. Verifikation und Vergleichung von Kafsarepräsenta..zen , indem einerseits geleistet Aus^ahluugen der Kassa, andrerseits Einsahlungen, wie Rükvergütu.igeu u. dgl., die als Depots behandelt wurden, nicht gebucht waren.

Troz dieser ^pezialisir....g wurden und werden die vorhandenen Gelder nur in e i n e r Kassa ausbewahrt, der vierte Bunkt, sowie theil weise der dritte, der ledere aber auch in der Richtig der Verzinsung und Rükzahluug der altern Anleihen , gaben die Mittel an die Hand, um die bei 1 und 2 vorkommenden Deuils zu verheimlichen.

^bsehon wir an der ^ortse^ung unserer Arbeit den Abschluß der Rechnung von^1870 verlangten, um die Rührung von 2 Kassabronillons zu beseitigen ^..nd um aus den ^.lbschlusssl^.iptnren, insbesondere der

Spezialverwaltnngen, weitere Anhaltspunkte für die Ausmitllnng des

Soll der Kassa zu erhalten , so konnten wir im Weitern doch thätig sein, um auszumitteln, auf welche Weise es dem Beamten gelingen konnte, seine Veruntreuungen zu verheimlichen.

Dass der Abgang eines einheitlichen Kassajonrnals das wese.^tlichste Mittel war, ist selbstverständlich , wir werden aber darüber in dem zweiten Theile des Berichtes sprechen. Jn Folge Abwesenheit eines kausmännischen Kassajonrnals konnte der Beamte, theilweise n...eh seinen eigenen Geständnissen, über solgende Mittel verfügen: 1. über den Betrag ^er oder des Mandates sür die Verzinsung und

Rü^ahlung des eidg. .^luleiheus. Dieser Betrag, obwohl ange-

wiesen und iu Ausgabe gebracht, wurde den Zal^nngsstellen doch nicht sofort seinen. ganzen Umfange nach ausgerichtet .

757 2. über den Betrag der Mandate, die ..n eine Verwaltung einen Vorschuss bezwekten , so weit dieser Vorschuss zwar ganz angewiesen, aber nicht gan^ erhoben wurde. (Beispieles Mandat der Militärverwaltung vom 23. ^ebruar 1871 von Fr. 995,000); .3. über den Betrag von Rükzahlungen , die theilweise auf ^r. 2 sieh stüzten, theilweise auch sonst erfolgten, die aber erst eingetragen wurden und werden, wenn die erforderlichen Abrechnungen und Belege eingegangen waren , was ost Wo.hen auf sich warten liess ; 4. über den Betrag von Zahlungen der Vost- und Zollkassen , die allerdings periodisch eingehen, aber nicht immer sofort gebucht werden und zur Kenntniss des ^inan^departements erst mit dem Einlangen der Monatsrechuuugen gelaugen , 5. über den Betrag sämmtlicher Einnahmen, welche der Staatskassa von irgend welcher Seite her gemacht wurden, aber zur Kenntniss des Finauzdepartemeutes nieht oder durch das Kassabrouillon gelangen, d. h. wenn ste eingetragen werden.

Allein abgesehen davon , dass auf diese Weise der ^taatskassier über grosse unkontrollirte Beträge persügen kann , so hat si.h aus der Untersuchung ergeben, dass ein .^heil dex Kassabewegnngen nicht gebucht worden, wie z. B. oben die Depots (Rr.^2 und 3), aber auch ein

Theil des Verkehres mit Banken, wo allerdings Zug um Zug, Werth

gegen Werth , transigirt wurde , man eine ^pur davon auch hochftens ^ei den sogenannten Kassarepräsentanzen bemerken konnte. Es mu^ diese Unterlassung zum Wenigsten als ein grober sormelter Verstoss signalisirt werden, und die sogenannten Kassarepräsentanzen sind mit Misstrauen zu betrachten.

So viel bezüglich unserer Wahrnehmungen bei unserer ersten Zusammenkunft.

Bei uuserer ^weiten Verifikation vom 11. Mai war allerdings die Rechnung von 1870 abgeschlossen und mauehes in anderer Ordnung; immerhin fehlte noeh immer der Gedanke eines für Verhandlung im Soll und Haben darstellenden Kassajournal.es. Ro.^ immer musste sieh der Kassier-Adjunkt mit Mandaten, Kassarepräsentanzen, Bleistift..ufzeichnungen n. s. w. behelfen. Tro^dem bin ich der Ansicht, dass das mit Hülfe der Darstellungen des Finan^departements ausgestellte Ver^eiehniss richtig und der Kassamaneo aus Fr. 560,572. 75 beziffert werden kann.

758 H.

Den zweiten Theil unseres Berichtes lassen wir in zwei Unter^abtheilungen zerfallen, von denen

1) die eine die Bundeskassa für sich, 2) die andere, deren Beziehungen zu den verschiedenen Verwaltungen, sowie zu den Zoll- und Kreispostkassen bespricht.

1.

Die gute Führung der Kassa und die Kontrole derselben erheischen folgende Massregeln : a. Die K a s s a i stv o n d e r K o m p t a b i l i t ä t d u r c h a u s z u t r e n n e n , d. h. jene hat sich mit dieser, ausser, was ihre eigenen Eingange und Ausginge betrifft, nicht zu befassen.

Was diese aber betrifft, so hat sie dieselben sofort einzutragen, und zwar vor der Eingangsbeseheinignng und vor der Auszahlung.

h. D a s K a s s a j o u r n a l , das über diese Eingänge und Auszahlungen anzugeben hat, ist genau zu führen, und zwar für alle Kassabewegungen, ob dieselben auf alte oder neue Rechnung gehören, ob sie Depots seien, ob Rimessenkäufe u. s. w.

Au der Komptabilität ist es, die Ausscheidungen und Rechnungsstellungen zu machen.

Dieses kann sehr gut geschehen ; es erfordert hiesür die gehorig^

Vorsicht sür die Kassasül..rung. Sie enthält zu Anfang der Linie, in

den Ein- und Ausgängen die summarische Angabe des Eonto , der erkannt oder belastet wird, und zwar sind es die Eonti, die im Hauptbuche geführt werden.

Mit einem solchen Kassajournal ist es möglich, sogar tägliche Kassabordereanx^ zu machen . ein grosser Theil des Kassabestandes wird nämlich selten berührt; das Bordereau des einen Tages kann diesen Theil gerade wie am vorigen Tage nachtragen.

Das R u b r i k e n b u ch soll desshalb nicht unterdrükt werden ; es leistet sür die Reehnuugsstellung gehörige Dienste, allein e... kann ein Kassajonrnal, das vom Stand der Kassa Zeugniss geben soll, nicht ersezen.

c. V o m K a s s a j o u r n a l s i n d a l l e E i n t r a g u n g e n , w e l c h e d i e K a s s a nicht b e r ü h r e n , f e r n z u halten.

Hiesür ist ein eigenes Journal zu führen, in welchem die Zahlung^ austräge von einer Kassa an eine andere, mit Ausnahme der Hauptkassa, nachzutragen sind. Es ist dieses als G i r o - J o u r n a l zu bezeichnen.

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759

.......

d. Wahrend in den uns vorgelegten Vorschlagen des Finanzfekretars vorzugsweise die richtige Verausgabung nnd die Kontrole der Ausgaben berüksiehtigt ist, legen wir unsrerseits ein eben so grosses Gewicht a u f d i e r i c h t i g e V e r z e i h u n g d e r E i n n a h m e n .

Um dieses zu erreichen, halten wir das S y s t e m der D o p p e l s i g n a t u r für zwekmässig, d. h. jede Quittung oder Empfangsanzeige hat das Visum des Kontroleurs des Finanzdepartements zu tragen, womit eben verbunden ist, dass die Kassabuchung eine doppelte ist: durch den Kassier und durch den Kontroleur, lezteres zu Handen der

Komptabilität.

Damit dieses ohne grosse Verumständungen erreicht werden kann, ist es erforderlich, die Kontrole an die Seite der Kassa zu perlegen, dieser somit ein Zimmer mehr zuzuweisen.

Um das System der Kontrole noch zu erweitern, insbesondere für alle Zweige der Bundesverwaltung lungen dem Finanzdepartement avisirt sein müssen.

so weit gehen und die Znsendung der Bordereau^ Departement zu verlangen.

ist vorzuschreiben, , dass alle ZahMan kann sogar an das Finanz-

Selbstverständlich ist es, dass alle Rechnungsanszüge, z. B. von Banken oder andern Korrespondenten, an das Finanzdepartement gelangen müssen und nicht an die Kasse.

2.

Wenn wir die Kassa von der Komptab.lität ganz entlastet haben, und sie eine Kassa sein lassen wollen, so glauben wir, dass sie aber die g a n z e K a s s a f ü h r u n g der Bundesadministration enthalten und dass die Kassasührung der Materialverwalung und des Kriegskommissariats aus ein Minimum zu reduziren sei.

Demgemäss sind auch die Mandate auszustellen. Was Routine und Bequemlichkeit eingeführt haben mit den Monats- und Gesammtmandaten, muss verworfen werden. Die eidg. Staatskassa soll die Zahlungsstelle für alle Gläubiger und .Lieferanten der Eidgenossensehast sein.

Die einzige Ausnahme, die uns nicht nur zulässig, sondern auch

^wekmässig seheint, ist der A n l e i h e n s d i e n ft. Dass die Staatskassa aueh der Banquier der Eidgenossenschaft sein soll, ist zu viel verlangt. Die Kommission, welche die Eidgenossenschaft diesssalls etwa.

bezahlen muss, wird durch die Kontrole reichlich aufgewogen.

Mit

Bezug aus die Anleihen machen wir

auch den Vorschlag,

dass das diessfällige Verzeichne der emittirten Obligationen etwas umständlicher geführt werden sollte.

Gegen die Kontrole der zurükbezahlten

760 Obligationen und der Eonpons haben wir nich^ einzuwenden . allein die Erzeignng der einzelnen Titel sollte anders sein. Mit ....dern Worten: wir halten eine andere Eiurichtnng des ^rand livre d.^ la d e t t e publique de la Conkédé...aIion für zwekmassig.

Was die nicht im Bundesstze befindlichen fassen betrifft, so ist ^s erforderlich, dass dieselben nicht bloss dem eidg. Staatskassier, sondern auch dem Finanzdepartement unterstellt werden. .^.ass auch bei denselben die ^ontrole eine wirksame sein und dass die .^x e i s ... o st^.

und .^ r e i s z o l l d i r e k t o r e n eine .^lrt Aussicht haben sollen , versteht sich sast von selbst.

Eine besondere Aussicht und .^ontrole verlangen die B o s t m a n d a t e .

S o l o t h u x n , im Mai 1.^7.l.

S. ^ai^r, Bankdirektor.

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1871

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01.07.1871

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748-760

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