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schweizerischen Konsuls in St. Louis (Hrn. C. F. Mathey, von Locle) sur das Jahr 1870).

(Vom 24. Mai 1871.)

An den hohen schnitz. Bundesrath.

Tit.l Jndem ich mir hiermit erlaube, Jhnen meinen dritten Jahres-

Bericht zu überreichen, will ich gleich Anfangs bemerken, dass ieh es nicht

für nüzlich oder wünsehenswerth halte, einen detaillirten Bericht unserer Importation und Exportation zu liesern , da ein direkter Handel des Staates Missouri mit der Schweiz nieht existirt. Dagegen will ieh persuchen, die jezigen Zustände unseres Staates zu schildern, insoweit sie auf die Schweizer und namentlich auf die einwandernden Schweizer Bezug haben.

Der Haupthebel des Wohlstandes unseres Landes ist eine Vermehrung und Verbesserung unserer Kommunikationswege. Jn dieser Hinsicht sind in dem verflossenen Jahre erfreuliche Fortsehritte gemacht worden.

Für Regulirung der Flüsse wurden 600,000 Dollars perausgabt. Unsere Statistiken zeigen zwar im Vergleiche mit denen des porigen Jahres in der Tonnenzahl unserer Schisse keine Zunahme , doch glaubt man, daß dieses Verhältnis in den allzuhohen Angaben der Vergangenheit seine Erklärung findet.

Jm Eisenbahnwesen ist man ebenfalls rüstig fortgeschritten.

gende Bahnen sind jezt dem Verkehr übergeben :

Fol-

24 Missonri^acilic..

North^Missonri.

.^t. Louis and .Iron Mountain.

Atlantic and Pacilic.

I.^aiisas^acillc.

.^t. Lonis. Alton and Chicago.

Chlo and Mississippi, ...'.t. Louis and Indianapolis..

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L on i s ^ Va n d a l i .

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and

T e r r ^ H .

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Toledo-^abash and Western, Bellevill.... and ^outhern^llinois.

Rochekord^ Rock Island and .....t. Louis..

.....t. Louis and ^ont..ieastern.

Brojektirt sind: .^t. Louis I^'ort .^cot.l. airlme.

.....t. Lonls^ol..uk.

Einen ganz bedeutenden Umschwung der Verhältnisse perspricht m.....

sich von der Vollendung der Brüke über den Mississippi, von der ich in.

meinen beiden ersten Berichten gesprochen habe. Während dieses Bauwerk schon an und für sich viele jezt bestehende Hindernisse wegräumt, stehen auch noch andere werthvolle Baulichkeiten damit im engsten Znsammenhange und müssen als nothwendige Folgen des Brükenbanes .betrachtet werden. Vor .^lllem wird das Stadtviertel, welches den Terminus der Brüke aufnimmt. einer bedeutenden Veränderung entgegengehen. Dieser Stadttheil befindet sieh inmitten des Geschästverkehrs und die Grundstüke sind die thenersten der Stadt St. Lonis. Trozdem stehen dort noch viele Gebäude, die der Stadt nichts weniger als .^nm Sehmuke gereichen, und alle diese müssen jezt eleganten nnd mit allen.

Bequemlichkeiten der Reuzeit ausgestatteten Häusern Blaz machen. Sodann soll am Ausgange der Brüke ein Eentral.^Bahnhos gebaut werden, in welchem alle in St. Louis einlaufenden Bahnen zusammenkommen.

Erhebliche Kosten, die jezt sowohl der Bersonen- als auch der Güterperkehr erfordert, werden künftighin erspart bleiben. Man kann desshalb wohl mit Recht behaupten, dass der Brükenbau unserer Hauptstadt in mannigfaltigen Beziehungen neue Brospekte erosfnet.

Ehe ich von der Spezialbesehreibung der Stadt St. .Lonis zu .^erjenigen des Staates übergehe, will ich noch einen Blik auf den Ehaxakter ihrer Bürger werfen, so weit lezterer Bezug auf öffentliche AnGelegenheiten hat. Wie ich schon in meinem ersten Bericht fagte, war Missouri vor dem lezten Kriege ein Sklavenstaat, die Sklavenherren waren Herren der Situation. Jhnen lag weniger daran, das Wohl und den Fortschritt des Ganzen zu heben, als selbst mit mogliehst wenig Anstrengung ein möglichst glänzendes Leben zu führen. Darin

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wurden sie von der durch die Ratnr so begünstigten Lage der Stadt St. Lonis unterstüzt .^ öffentlichen Angelegenheiten wurde nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Andere Städte boten ihre ganze Energie auf, um auf künstlichem Wege das zu schaffen , womit St. Louis von der .^atur beschenkt worden war, und viele fingen an zu zweifeln, ob

St. Louis im Stande sein würde, seinen Ruf als erste Stadt des

Westens ausrecht zu erhalten.

Aber aueh der öffentliche Geist in St. Louis änderte sich nach dem Kriege. Viele, die während desselben ihr ganzes ..^ermogen verloren hatten, arbeiteten mit grosser Anstrengung daran, ihre frühere Stellung wieder zu gewinnen. Das allgemeine Gesez von Angebot und Rachsrage brachte rührige, tüchtige .Leute hieher und damit eine wohlthuende Konkurrenz aller Kapazitäten. Wenn auch noch jezt St. Louis ein konservativer Eharakter nicht abgesprochen werden kann, so besteht derselbe doch eher in einer vortheilhasten Auszeiehnung vor den Rivalen, als in irgend etwas Anderem. Denn während konservative Unternehmen gewöhnlieh mit soliden Jdeen verbunden fiud, werden gewagte Spekulationen meistens von ^olehen unternommen, die nicht viel zu verlieren haben, und die desshalb einen wenig wünschenswertheu Theil der Gesellschast ausmachen. Der Ruf und der Glaube an die Solidität der Kausmannschast von St. Louis ist ein ausgezeichneter. Die von ihr vorgenommene Klassifikation unserer Bro^dukte hat sich überall als unbedingt zuverlässig erwiesen. Die Konsumenten haben gefunden, dass sie in^ St. Louis volles Gewicht bekommen, dass die Waaren den Broben entsprechen und dass andere Städte , die sieh durch die niedrigsten Breise Kundschaft erwerben wollen, auch selbst bei diesen Breisen bedeutend Brofit zu machen verstehen. Hier haben in dem legten Jahre wenige Häuser mehr als die Dekung ihrer Ausgaben erzielt, aber kein Fallissement von Bedeutung ist vorgekommen.

Während diese bedächtige Solidität der Einwohnersehast von St. Louis im Ein^ und Verkauf von Lebensmitteln und täglichen Bedürsnissen eine segensreiche Wirkung übte, hat ^sie doch eine Verzögerung in der Entwikelung unferes Hauptreichthums, unserer Mineralschäze, zur Folge gehabt. Obwohl im Vergleiche mit den verflossenen Jahren in der lezten Zeit erstaunenswerthe Fortschritte auch in dieser Beziehung gemacht wurden, so ist doch nur ein äusserst kleiner ..^heil unseres Mineralxeichthums zur Ausbeutung gelangt. Wie gross die Ausdehnung unserer Erz- und Kohlenlager ist, habe ich schon in meinen frühern Berichten erwähnt, und in nicht zu langer Zeit hoffe ich auch von grossartigen Unternehmungen auf diesem Gebiete sprechen zu können, von denen jezt mehrere in Vorbereitung sind. Eine Ursache des langsamen Fortschrittes in Gewinnung
und Verarbeitung unserer Erze ist in dem Mangel an wissenschaftlich gebildeten Bergleuten zu suchen. Doch auch darin können wir auf baldige Abhülfe rechnen. Unsere Universität in St. Louis

26 (^^hh^ton I^nverslty,, die schon jezt eine Reihe von tüchtigen ..^....^ fessoren besizt, wird mit einem Kostenaufwande von 400,000 Dollar pergrossert. Dieses Geld wird aussehliesslieh aus einen Anbau und dessen Ausstattung für Fächer der Technik verwendet. Für die Einrichtung und den Lehrgang werden in Manchem die deutschen .Anstalten, hauptsächlich aber das Züricher Bol^techniknm zum Muster genommen und, nach den Lehrkrästen der jezt bestehenden Fakultäten zu urtheilen, konnen wir auch in dieser Hinsieht erwarten, in Amerika bald den ersten Rang einzunehmen.

Wie im Bergbau, so strebt man auch in allen andern Gewerben nach Fortschritt, und von allen Seiten wird das Gemeinwohl auf die liberalste Weise unterstüzt. Es würde mich zu weit führen, wollte ich jedes einzelne Fach besprechen, und doch konnte ich in beinahe jedem ne^.nenswexthe Verbesserungen aufzählen.

Roch muss ich unter den gemeinnüzigen Unternehmungen unserer in St. Louis stattgefundenen jährlichen Ausstellung Erwähnung thun, die viel dazu beiträgt, ..Konsumenten und Fabrikanten zusammenzuführen.

Durch Energie und Ausdauer haben es die Leiter dieses Unternehmens verstanden, die Gunst des Bublikums zu gewinnen, und weder Mühe noch Geld ist gespart worden, nm den Ausstellungsplaz und die dort abgehaltenen Festlichkeiten zn den anziehendsten zu machen.

Das Angeführte wird genügend zeigen, dass wir mit den Zuständen unseres Staates wohl zufrieden sein konnen, und der Einwanderer wird daraus ersehen, dass es einem fleissigen und mit Kenntnissen ausgerüsteten Manne nicht an Gelegenheit fehlt, seine Zeit ^u verwerthen und ein sorgenfreies Leben zu führen. Wer aber glaubt, hier schnell und ohne besondere Anstrengung ein reicher Mann werden zu konnen, wird sich sehr täuschen. Jm Gegentheil mnss er sich Anfangs selbst aus noeh mehr Schwierigkeiten gesasst machen, als er jemals in der Heimat gesunden hat, da ihm in den meisten Fällen die Unkenntniss der Sprache und der Landesgebräuehe eine E.^traarbeit ausbürden , die Vielen recht schwer sällt. Ferner kann ich nicht unterlassen, zu erwähnen, dass fast täglich Leute ohne jegliche Mittel hierher kommen , die bei mir einen unerschopfliehen Unterstüzungssond sür Alle, die einen solchen beanspruchen wollen, zu finden hossen. Da mir ein solcher aber nie übertragen wurde, muss ich zu meinem Bedauern
erklären, dass ieh zwar mit Freuden Bereit sei, meinen Landsleuten überall mit Rath und ......hat an die Hand ^u .^ehen, dass ich mich aber ausser Stande befände, einen so grossen Theil derselben mit Existenz.. und Reisemitteln zu versehen. Jeh konnte Beispiele ansühren. dass ost .Leute ihre Verwandten herzloser Weise hierher geschikt haben, wo sie ohne Mittet und mit den Verhältnissen unbekannt, nnsähig, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, mir ausgebildet

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werden und dann in dem Glauben befangen sind, dass der Konsul nur da^u angestel.lt sei, für sie zu sorgen. Auch die hier ansässigen Schwerer werden von ihren einwandernden .Landsleuten stark in Anspruch genommen und verdienen grosse Anerkennung für die aufopfernden .^estrebungen, mit denen sie stets bereit stnd, Anforderungen zu Unterstüzungsbeiträgen zu entsprechen. Um dies besser und vollkommener bewerkstelligen zu konnen, ist gegenwärtig im hiesigen Grütliverein der Vorsehlag gestellt worden, einen Fond zu bilden, um auf systematische Weise allen schweizerischen Bedürftigen an die Hand zu gehen, ein Komite zu ernennen, um die Umstände der Bittsteller näher zu untersuchen, überhaupt Alles zu thun, um eine segensreiche Wirkung zu erzielen. Mit Stolz werden dann die Schweizer auf ihren ,,Grütliverein^ bliken, wenn nicht nur gesellige Zweke, sondern auch wohlthätige damit

verknüpft sind. Zur Geselligkeit unte.: den Landsleuten trägt der ..IIel^

vetia Club.^ viel bei, in dem Jeder Gelegenheit hat, nach des Tages Sorgen und Mühen in angenehmer und belehrender Weise sich zu erholen und neue Kräfte und Erfahrungen für das kommende Tagwerk zu sammeln.

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Bericht des schweizerischen Konsuls in St. Louis (Hrn. C. F. Mathey, von Locle) für das Jahr 1870). (Vom 24. Mai 1871.)

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05.08.1871

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