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19.498 Parlamentarische Initiative Öffentliche und transparente Abstimmungen im Ständerat Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 16. November 2021

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Geschäftsreglements des Ständerates.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

16. November 2021

Im Namen der Kommission Der Präsident: Andrea Caroni

2021-3812

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Übersicht Seit der Frühjahrssession 2014 steht dem Ständerat eine elektronische Abstimmungsanlage zur Verfügung. Die elektronische Erfassung der Abstimmungen erlaubt es, Namenslisten zu publizieren, anhand von denen sich die Wählerinnen und Wähler ein Bild über das Stimmverhalten ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten machen können. Bisher werden Namenslisten aber nur veröffentlicht bei Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen, bei Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr oder, wenn mindestens zehn Ratsmitglieder dies verlangt haben.

Die Resultate einer grossen Zahl von Abstimmungen werden demnach nicht in Form einer Namensliste veröffentlicht. Viele dieser Abstimmungen ­ z. B. in der Detailberatung über wichtige Bestimmungen eines Gesetzesentwurfes ­ sind aber von mindestens so grosser sachlicher und politischer Bedeutung wie die Gesamt- und Schlussabstimmungen. Die Einschränkung der Veröffentlichung der Namenslisten ist nicht gerechtfertigt; es sollten die Resultate aller Abstimmungen in Form einer Namensliste veröffentlicht werden.

Die Einschränkung der Veröffentlichung der Namenslisten ist zudem wenig sinnvoll, weil das Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder des Ständerates heute durch die Wiedergabe der Ratsdebatten mit Videos im Internet, welche auch die Resultate auf den Abstimmungstafeln zeigen, jederzeit leicht nachvollziehbar ist.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Entwicklung bis zur Einführung des elektronischen Abstimmungssystems im Ständerat

Der Ständerat kennt wie der Nationalrat seit Bestehen des Bundesstaates den Namensaufruf bei Abstimmungen. Die erste nachweisbare namentliche Abstimmung fand bereits am 28. November 1848 statt (Abstimmung über den Sitz der Bundesbehörden). Im 19. Jahrhundert wurde auch im Ständerat gelegentlich namentlich abgestimmt. Zehn Ratsmitglieder konnten den Namensaufruf verlangen. Im 20. Jahrhundert wurden diese Begehren immer seltener gestellt; im Zeitraum von 1947 bis 2002 fand keine einzige Namensabstimmung mehr statt.1 Ab 1978 wurde im Nationalrat über die Einführung einer elektronischen Abstimmungsanlage diskutiert; mit Beginn der Frühjahrssession 1994 wurde sie in Betrieb genommen. Veröffentlicht wurden aber vorerst nur die Namenslisten der Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen und der Abstimmungen über die Dringlichkeitsklausel; ausserdem konnten 30 Ratsmitglieder schriftlich eine Namensabstimmung verlangen. Seit der Totalrevision des Geschäftsreglements des Nationalrates im Jahre 2003 waren alle Namenslisten «öffentlich einsehbar»; seit der Wintersession 2007 wurden sie im Internet publiziert. Bei der Beratung des Parlamentsgesetzes (ParlG) im Jahre 2001 hatte der Nationalrat beschlossen, dass die Stimmabgabe jedes Ratsmitgliedes in beiden Räten bei allen Abstimmungen namentlich festgehalten und öffentlich zugänglich gemacht werden soll.2 Der Ständerat lehnte diese Neuregelung aber ab ­ zweimal mit Abstimmungen unter Namensaufruf mit 26 zu 14 Stimmen bzw. mit 30 zu 13 Stimmen.3 In der Einigungskonferenz setzte sich schliesslich der Ständerat mit der Lösung durch, wonach die Regelung dieses Verfahrens im Parlamentsgesetz an die Räte delegiert wird (Art. 82 ParlG). Damit stand es dem Ständerat frei, diese Frage nach seinem Gutdünken zu lösen.

In den folgenden Jahren scheiterten im Ständerat zwei Anläufe, die Publikation der Namenslisten bei bestimmten Abstimmungen im Geschäftsreglement des Ständerates (GRS) vorzusehen.4

1

2 3 4

siehe von Wyss, Moritz: Die Namensabstimmung im Ständerat, in Häner [Hrsg.], Nachdenken über den demokratischen Staat und seine Geschichte: Beiträge für Alfred Kölz, Zürich/Basel/Genf 2013, S. 13ff.

AB 2001 N 1352 ff.

AB 2002 S 928 und 1155 AB 2003 S 649; AB 2005 S 1205

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1.2

Einführung des elektronischen Abstimmungssystems im Ständerat

Erfolgreich war schliesslich die am 12. Dezember 2011 von Ständerat This Jenny (GL) eingereichte parlamentarische Initiative (11.490). Der Ständerat stimmte am 22. März 2013 der Änderung des GRS zu, welche die Einführung eines elektronischen Abstimmungssystems vorsah.5 Das Stimmverhalten der Ratsmitglieder bei der Abstimmung und das Resultat werden seit der Frühjahrssession 2014 auf Anzeigetafeln angezeigt. Die Ergebnisse werden aber nur dann mit Namenslisten publiziert, wenn es sich um Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen, Abstimmungen gemäss Artikel 159 Absatz 3 BV handelt oder wenn mindestens zehn Ratsmitglieder dies verlangen (Art. 44a GRS).

Die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) hatte diese Änderung in ihrem Bericht vom 25. Oktober 2012 damit begründet, dass «sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ein Bild über das Verhalten der Ratsmitglieder machen können [sollen]. Das Stimmverhalten wird dadurch auch für die Stimmenden selbst und für die übrigen Ratsmitglieder nachvollziehbar. Zudem ermöglicht eine elektronische Abstimmungsanlage eine sichere Ermittlung der Abstimmungsresultate. Dadurch können Fehler bei der Auszählung knapper Abstimmungsresultate vermieden werden».6 Dem Ständerat lag am 7. März 2013 auch ein Minderheitsantrag vor, welcher die Publikation von Namenslisten für alle Abstimmungen forderte. Die Vertreterin der Minderheit begründete dies so: «Die Minderheit wünscht, dass volle Transparenz geschaffen wird, und zwar vor allem mit folgender Begründung: Wenn wir elektronisch abstimmen, wird es optisch klar, wer nicht gestimmt hat, wer Ja gestimmt hat, wer Nein gestimmt hat und wer sich der Stimme enthalten hat. Das kann man mit einem kleinen Klick auf dem Handy fotografisch festhalten. Warum geben wir es dann nicht gleich selber in Form einer Liste bekannt? Warum machen wir dann eine Trennung, warum machen wir ein Geheimnis daraus und sagen, nur die Gesamtabstimmungen und Schlussabstimmungen würden transparent gemacht, und der Rest versickert wieder in einer geheimen Schublade? Das macht doch das Fotografieren nur noch attraktiver. Wir können das Resultat gar nicht mehr geheim halten, weil es beim elektronischen Abstimmen visuell feststellbar wird.» Ein anderes Ratsmitglied machte geltend, dass «die Einzelabstimmungen allermeist viel aussagekräftiger [sind]
als die Gesamtoder Schlussabstimmungen: Sie zeigen auf, wie ich als Vertreter eines Standes zu einem Gesetz und dessen Auswirkungen stehe».7 Die Kommissionsmehrheit hatte im Kommissionsbericht die Publikation der Namenslisten für alle Abstimmungen als nicht zweckmässig beurteilt: «Im Laufe einer langen Detailberatung werden häufig Abstimmungen vorgenommen, welche aus dem Zusammenhang gerissen nicht immer nachvollziehbar sind. Die Publikation dieser Abstimmungen würde eher Verwirrung stiften anstatt Transparenz schaffen».8

5 6 7 8

AS 2014 251 BBl 2012 9464 AB 2013 S 73 BBl 2012 9468

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Der Antrag auf Publikation der Namenslisten für alle Abstimmungen wurde mit 24 zu 18 Stimmen abgelehnt. Ein Teil der Mehrheit hätte zwar von der Sache her für den Antrag gestimmt, lehnte diesen aber aus taktischen Gründen ab, wie u. a. folgendes Votum zeigt: «Es spricht, ich gebe das als Teil der Mehrheit der Kommission offen zu, sehr vieles für den Antrag der Minderheit und für die Argumente der Minderheit.

Hingegen habe ich auch die doch sehr emotionsgeladenen Debatten der vergangenen Sessionen im Hinterkopf. Es ist mir ein echtes Anliegen, auch zu jenen Mitgliedern in diesem Rat, die Skepsis und Vorbehalte haben, eine Brücke zu schlagen. Diesen Vorbehalten sollten wir meiner Meinung nach Rechnung tragen, denn wir kennen das Mehrheitsverhältnis des letzten Mals. [...] Aus diesem Grund werde ich als Befürworterin der vollen Transparenz hier gleichwohl mit der Mehrheit stimmen: für einen kleinen Schritt zwar, aber, so hoffe ich, für einen Schritt, für den die Zeit nun wirklich reif ist und der unserem Rat guttun wird».9

1.3

Parlamentarische Initiativen 17.432 (SPK-S) und 15.436 (Geissbühler)

Am 14. April 2016 gab die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) der von Nationalrätin Andrea Geissbühler eingereichten parlamentarischen Initiative 15.436 («Namenslisten bei allen Abstimmungen im Ständerat») mit 18 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung Folge. Die SPK-S lehnte diese Initiative erstmals am 21. Juni 2016 ab. Nachdem der Nationalrat der Initiative in der Differenzbereinigung vom 28. Februar 2017 ohne Gegenantrag Folge gegeben hatte, lehnte die SPK-S die Initiative am 31. März 2017 zum zweiten Mal ab.

Die SPK-S befürwortete zwar das Initiativanliegen, wollte es aber auf einem anderen, einfacheren Weg erreichen. Da die Initiative Geissbühler aus dem Nationalrat stammte, hätte sie zwangsläufig eine Änderung des ParlG zur Folge gehabt. Die SPKS erachtete jedoch eine Änderung des GRS für die direktere Lösung.

Die SPK-S reichte deshalb am 31. März 2017 eine eigene Initiative ein (17.432), mittels welcher die Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse in Form einer Namensliste ins GRS aufgenommen werden sollte.10 Das Büro des Ständerates unterbreitete der SPK-S am 13. Juni 2017 einen Mitbericht, in dem es sich gegen die vorgesehene Änderung des GRS aussprach. Es betrachtete die Transparenz der ständerätlichen Abstimmungen bereits als gewährleistet. Die Veröffentlichung der Namenslisten erlaube vor allem den politischen Beobachterinnen und Beobachtern Abstimmungsprofile der Ratsmitglieder zu erstellen, welche aber oft nur eine sehr schematische Analyse darstellten und nicht die Gründe der Ratsmitglieder für ihr Abstimmungsverhalten berücksichtigten.

Die SPK-S nahm den Entwurf zur Änderung des GRS an ihrer Sitzung vom 20. Juni 2017 dennoch mit 10 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung an. Der Ständerat lehnte

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AB 2013 S 74 Bericht der SPK-S, BBl 2017 5861

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das Eintreten auf die Vorlage in der Herbstsession 2017 allerdings mit 27 zu 17 Stimmen bei 1 Enthaltung ab.11

1.4

Entstehung der Vorlage

Die SPK-S gab am 2. Februar 2021 mit 9 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung der von Ständerat Thomas Minder (SH) eingereichten parlamentarischen Initiative 19.498 Folge. Diese Initiative übernimmt die Initiative 17.432 und verlangt, im GRS festzuschreiben, dass die Abstimmungsergebnisse in Form einer Namensliste veröffentlicht werden. Das Büro des Ständerates hat an seiner Sitzung vom 12. November 2021 vom Erlassentwurf Kenntnis genommen. Die SPK-S verabschiedete den vorliegenden Entwurf an ihrer Sitzung vom 16. November 2021 mit 7 zu 6 Stimmen. Die Kommissionsminderheit (Jositsch, Bauer, Engler, Fässler Daniel, Müller Damian) beantragt, auf die Vorlage nicht einzutreten.

2

Begründung der Vorlage

Die im Kommissionsbericht zur Initiative 17.432 aufgeführten Argumente gelten nach wie vor: 1.

11

Die Anwendung des elektronischen Abstimmungssystems führt dazu, dass das Stimmverhalten jedes Ratsmitglieds bei jeder Abstimmung nicht nur wie früher unmittelbar während der Abstimmung öffentlich wird, sondern auch nachträglich festgehalten und ausgewertet werden kann. In der Ratsdebatte im März 2013 ging man noch davon aus, dass zu diesem Zweck jedermann während der Abstimmung von der Tribüne aus den Rat fotografieren kann. Heute ist es tatsächlich noch viel einfacher: Jedermann kann auf dem Bildschirm seines Computers, Laptops oder Smartphones die Videoübertragung einer Ratsdebatte betrachten und die Übertragung anhalten, sobald die Abstimmungsresultate auf der Abstimmungstafel erscheinen, um selbst eine Namensliste zu erstellen ­ was allerdings einigen Aufwand erfordert. In dieser Situation erscheint es als Schikane gegenüber den interessierten Personen, dass diese Namenslisten nicht vom Abstimmungssystem selbst produziert werden, obwohl dies die heutigen technischen Möglichkeiten ohne weiteres erlauben.

Die Änderung des Reglements führt allerdings nicht notwendigerweise auch zu einer über die blosse Publikation hinausgehenden Aufbereitung der Namenslisten in einer Abstimmungsdatenbank im Internet mit entsprechenden Suchmöglichkeiten, so wie es heute für die Abstimmungen im Nationalrat gemacht wird. Eine Erweiterung dieser Datenbank auf die Abstimmungen im Ständerat würde technische Anpassungen voraussetzen und müsste vom Büro des Ständerates genehmigt werden.

AB 2017 S 574 ff.

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2.

Die heute getroffene Auswahl der veröffentlichten Namenslisten folgt rein formalen rechtlichen Kriterien, welche der sachlichen und politischen Bedeutung der Abstimmungen nicht gerecht werden. Einzelne Abstimmungen während der Detailberatung eines Gesetzesentwurfes sind für die Öffentlichkeit häufig von mindestens so grossem Interesse wie Gesamt- oder Schlussabstimmungen. Über zahlreiche Beratungsgegenstände des Rates gibt es gar keine Gesamt- oder Schlussabstimmungen: Auch Abstimmungen über Vorstösse oder über die Vorprüfung von parlamentarischen Initiativen oder Standesinitiativen können für die Öffentlichkeit von Interesse sein.

3.

Die positiven Erfahrungen nach dem 2013 unternommenen ersten Schritt rechtfertigen es, nun den zweiten Schritt folgen zu lassen. Vor dem ersten Schritt wurde befürchtet, dass dadurch die spezifische Diskussions- und Entscheidungskultur des Ständerates gefährdet wird. Diese Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Es stellt sich die Frage, ob der zweite Schritt mehr als die logische Weiterführung ist und einen qualitativ neuen Stellenwert hat, der die Befürchtungen nun wirklich rechtfertigt. Die Kommission ist überzeugt, dass die in dieser Beziehung beim ersten Schritt gemachten Überlegungen nach wie vor gelten: «Die spezifische Entscheidungskultur des Ständerates, wonach das einzelne Mitglied nach Auseinandersetzung mit der Argumentation seiner Ratskollegen und Ratskolleginnen unabhängig von Pressionen der Fraktion oder von Interessengruppen seinen Entscheid fällt, stellt ein wichtiges Element des schweizerischen Zweikammersystems dar. Befürchtungen, wonach die Publikation von Namenslisten diese Kultur zerstören könnte, sind deshalb ernst zu nehmen. Allerdings ist die Kultur des Ständerats durch die ausgeprägten Diskussionsmöglichkeiten in den Kommissionen und im Ratsplenum sowie durch das Selbstverständnis der Ratsmitglieder geprägt und nicht durch die Nichtpublikation des Stimmverhaltens. Aufgrund der intensiven Diskussionskultur im Ständerat, wonach das Wort jederzeit allen Ratsmitgliedern zusteht, ist es den Ratsmitgliedern möglich, ihre Entscheide im Rat zu begründen, so dass auch ein differenziertes Stimmverhalten für Aussenstehende nachvollziehbar ist».12

Mit der Reglementsänderung wird einer Empfehlung der GRECO (Staatengruppe des Europarates gegen Korruption) Folge geleistet. Die GRECO empfiehlt in ihrem am 15. März 2017 veröffentlichten «Evaluationsbericht Schweiz» verschiedene Massnahmen für eine Verbesserung der Transparenz der Arbeiten des Parlaments; u. a.

wird empfohlen, «eine Erhöhung der Transparenz für [...] die Abstimmungen im Ständerat zu prüfen».13 Die GRECO hält in ihrem ersten Konformitätsbericht vom 13. Juni 2019 fest, dass diese Empfehlung im Rahmen der parlamentarischen Initiative 17.432 «Gegenstand einer sachgerechten, vertieften und umfassend dokumentierten Prüfung» war. Sie bedauert jedoch, «dass die anderen vorgeschlagenen Massnahmen, d. h. die Erhöhung der Transparenz für die Abstimmungen [...] im Ständerat

12 13

Bericht der SPK vom 25. Oktober 2012, BBl 2012 9468 GRECO, Bericht vierte Evaluationsrunde Schweiz (Prävention von Korruption bei Mitgliedern von Parlamenten, Gerichten und Staatsanwaltschaften), verabschiedet am 2.12.2016 und veröffentlicht am 15.3.2017, S. 66 (Empfehlung i)

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(zweiter Teil der Empfehlung), vom Schweizer Parlament nicht angenommen» wurden. Letztlich kommt sie aber zum Schluss, dass «die Empfehlung dennoch als vollständig umgesetzt zu betrachten» ist, da sie «entsprechend den Kriterien der GRECO geprüft» wurde.14

3

Argumentation der Minderheit

Die Minderheit (Jositsch, Bauer, Engler, Fässler Daniel, Müller Damian) ist der Ansicht, dass sich die heutige Lösung, wonach nur in bestimmten Fällen Namenslisten der Abstimmungsergebnisse publiziert werden, bewährt hat. Indem Namenslisten der Ergebnisse der Gesamt- und Schlussabstimmungen veröffentlicht werden, wird das Verhalten der Ratsmitglieder zu einer Vorlage als Ganzes festgehalten. Würden hingegen Namenslisten zu allen Abstimmungen publiziert, so sei das der Übersicht nicht dienlich. Wer sich für ein konkretes Geschäft interessiert, kann dieses mittels Videoaufzeichnung verfolgen, wobei durch die elektronische Abstimmungsanlage das Abstimmungsverhalten der Ratsmitglieder transparent wird. Die Aufbereitung der Abstimmungsergebnisse mit Namenslisten diene demgegenüber nicht den interessierten Bürgerinnen und Bürgern, sondern primär der «Vermessung» der Ratsmitglieder durch Politbeobachterinnen und ­beobachter. Die Ergebnisse dieser Analyse würden oft in einer schematischen Form präsentiert, die es nicht erlaube, die Gründe für das Abstimmungsverhalten nachzuvollziehen.

Die Minderheit befürchtet zudem, dass mit der Publikation der Namenslisten aller Abstimmungen der parteipolitische Druck auf die Mitglieder des Ständerates wächst.

Dies würde jedoch der spezifischen Kultur des Ständerates, welche weniger von parteipolitischen Auseinandersetzungen, sondern viel mehr von parteiübergreifender Kompromisssuche geprägt ist, schaden.

4

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art. 44a Abs. 4 und 7 In Absatz 4 wird die Aufzählung der Typen von Abstimmungen gestrichen, deren Resultate in Form von Namenslisten veröffentlicht wird. Damit wird klar, dass die Resultate von allen Abstimmungen in Form von Namenslisten veröffentlicht werden.

Gemäss Absatz 7 konnte das Büro die nicht veröffentlichten Abstimmungsergebnisse für eine wissenschaftliche Auswertung zur Verfügung stellen. Da neu alle Abstimmungsergebnisse veröffentlicht werden, wird diese Bestimmung gegenstandslos und kann aufgehoben werden.

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GRECO, vierte Evaluationsrunde, Konformitätsbericht über die Schweiz, verabschiedet am 22.3.2019 und veröffentlicht am 13.6.2019, S. 4

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die vorgeschlagene Änderung des GRS hat keine erheblichen finanziellen oder personellen Auswirkungen.

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Rechtliche Grundlagen

6.1

Gesetzmässigkeit

Artikel 82 ParlG sieht vor, dass die Ratsreglemente regeln, in welchen Fällen das Abstimmungsergebnis in Form einer Namensliste veröffentlicht wird.

6.2

Erlassform

Artikel 36 ParlG gibt dem Ständerat die Kompetenz, «ein Geschäftsreglement mit den Ausführungsbestimmungen über seine Organisation und sein Verfahren» zu erlassen.

Zur Erlassform des Geschäftsreglements als Spezialfall einer Verordnung der Bundesversammlung gemäss Artikel 163 Absatz 1 BV siehe Ziffer 5 des Berichts der SPK vom 31. März 2003 zur Totalrevision des GRS15.

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