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schweiz. Generalkonsuls in Toscana (Hrn. F ehr -Schmale von St. fallen) über das Jahr 1870.

(Vom 31. März l 871.)

An den hohen schweizerischen Bundesrath.

1. Lage im .Allgemeinen und Handelsgesetzgebung.

Toseana's Handels- uud Finanz - Lage war im verflossenen Jahre

im Aligemeinen günstig, was ich leider speziell in Betreff Livorno's nicht sagen kann.

Dieser Platz leidet immer noeh sehr schwer unter dem Drucke der Aufhebung seines Freihafens und wird Mühe haben, stch wieder auf die frühere Hohe emporzuschwingen. Mehrseitig und weitläufig wurde zwar die Aufsuchung von Ersatzquellen besprochen. sei es mittelst Ausdehnung des Schiffbaues und der Schifffahrt, sei es mittelst Einführung neuer Jndustrien; jedoch ward nur Weniges wirklieh zu Stande gebracht.

Ungeachtet der fortwährenden Plackereien der Mauth und der wiederholten Einschränkungen der Entrepots fictifs (Magazzini fidn..

ciat.j), welehe Livorno ausnahmsweise sür drei Jahre (18 68 -..-1870)

bewilligt worden waren und vorläufig bis Ende 1871 bestätigt wurden,

was die Rothwendigkeit eines General-Entrepots immer fühlbarer machte, konnte man sich noch nieht über einen schnell auszuführenden Plan verständigen, aus Besorgniss, ein kleiner Bau würde nieht genügen, ein grosser, dem Zweck entsprechender dagegen den erforderlichen starken .Kapitalien keine genügende Rente gewähren.

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365 Run kam seit dem Sommer noch das allgemein durch den Krie^ hervorgerufene Misstrauen hinzu. die Abnahme der Handelsbewegun^, des Wohlstandes, der Hausmiethen und ganz besonders des Werthes der Hanser wurde immer fühlbarer, so dass manche von diesen lezteren gerichtlich versteigert und äusserst billig verkaust wurden, da die h^pothekarisehen Zinsen nicht mehr gedeckt werden konnten.

Jm ^ache der Gesetzgebung erfolgte nichts Bemerkenswertes, und es wurden die projektirten Aenderungen des Handelsgesetzes, so wie die Errichtung eines Handelsgerichtes in Livorno noch nicht zur Ausführung gebracht.

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^rzen.^n^e der Landwirtschaft, der ^er^werke und der Industrie.

Toseana's Wai^en^Ernte war eine mittelm.^ssige, die Mais-Ernte aber und die der Hülsenfrüchte wegen der herrschenden Trockenheit nur klein.

Gleich nach der Eiusammlung stiegen die Breise in Folge de.: Kriegsbesorgnisse, deren Verwirklichung dann ein bedeutende^ Sinken hervorrief. Der Grnnd hie^n lag in den massenhaften Zufuhren, die theilweise für Marseille bestimmt waren, jedoch wegen der gestorten Versendungsmittel jenes Blatzes na^ dem Jnnern und aus Misstrauen demselben entzogen und hier gelagert wurden. Schon zu Ansang des ...Sinters ^eigte fich jedoch wieder ^rage sür dr^ng^nden Bedarf, auch aus Marseille, was die Vreise wieder hob, und Livoruo's Vorrath Ende Dezember 1870 auf eixea 200,000 Hektoliter harten Waizen für Vasta und Zwieback und ^, 100,000 ,, weichen Waiden für Brod ^edueirte.

Die ....^eidenernte war in Toseana mittelmäßig, ja beinahe gnt zu nennen, und es erfolgten gleich zu Ansang derselben verschiedene Abschlüsse ^u s^onen Vreisen .^ aber nnr zu bald hemmte der unglückliche Krieg beinahe jeden Umsatz. Auf ein baldiges Ende hoffend, bel..alfen sich viele Eigner mittelst Verpfändung der Waare, was jedoch das Sinken der Vreife nicht verhindern konnte, welche heute eirea 30 ^ unter den vorjährigen stehen.

Wenn auch die Oel-Ernte von 186^/1870 (hauptsächlich Speise-, weniger Fabril.^el) nur klein war, so lieserte sie doeh, der hohen Vreise wegen, sehr gute Ergebnisse.

^Die beinahe beendigte 1870/1871^ Ernte berechtigte nach Quantität und Qualität zu den schonsten Hoffnungen, die aber am Vorabend der Ernte durch die Witterungsverhältnisse zerstort wurden. Rnr alte

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.Leu.te^ erinnern sieh .e .u es so schiechten Winters, mit eirea drei Mosten beinahe unanfhorlichen Regen, Hagel und Sturmwinde, nebst zwe^ali^m starkem Schnee und Frost. An .den schwerbeladenen Bäumen wurden viele Aeste zerschmettert nud der grosste Theil der noch nicht gan^ reifen Frucht zu Boden geworfen, ohne gleich ausgelesen werden zu kounen. Man. berechnet den Verlust ^u ./.^ des gehoffte... Total-.^uantnms . noch grosser ist aber der Schaden in Bezng ....us^die Qualität. ^ Die Ergebnisse der Viehzucht waren gut und lieferten bei hohen preisen auch im verflossenen Jahre befriedigende Resultate.

Unter den Gutsbesitzern Toseana's .herrschte im Allgemeinen Wohlstand, obwohl man über die sehr. hohen und immer^noch zunehmenden

Abgaben klagt.

Ju der in Europa einzig dastehenden, änsserst reichen Borar.-ErBeugung des Grasen . L a r d e r e i l in Bomeranee bei Volterra war keine Veränderung bemerkbar , uud eiues der zwei bisher wenig beachteten Eo^eurren^Etablissemente erlangte dieses Jal..r auch eine ziemliche Be..

deutung. England monopolisirt, wie früher, das ganze Produkt der zwei Haupterzeuger, wesshalb sich die Schweiz nur .Kleinigkeiten davon mit Mühe verschaffen konnte.

Die Marmor. Ausfuhr behielt die frühere grosse Bedeutung, bis die^ Kriegserklärung im Juli die wichtigen ^.lbzugsa^ellen nach Frankreich und Belgien ganz perschioss.

beinahe alle Bergwerke Toseana's hatten einen nur sehr kümmerlichen Bestand, ja selbst das bis vor kurzem sehr ergiebige Knpserbei.gwerk von Monteeatini lieferte einen nur mittelmässigen Ertrag, ^nd auch ^nr Hebung der beinahe unersehopflichen .^usbente des vortress.^ lichen Eisenerzes der Jnsel Elba wurde seitens der Regierung noch niehts gethan.

Das Eisenwerk Masson bei Siena bleibt in fortwährendem Gedeihen, wogegen die Schmelzosen Perseveranza in piombino zur Erstel^ung von Stahl nach Vessmers System und des ^Metallo Eleuro Bo.^.^a benannten gehärteten Eisens, hauptsächlich zu ^riegsprojeetilen bestimmt, obwohl ziemlieh besehästigt, doch nicht recht vorwärts kommen.

Die Wersten des Etablissements Orlando in Livorno, ^ur Er^ stellung und Reparirung grosser eiserner und holzener Schiffe ^(mit trockenem Dock^, waren immer in Thätigkeit und versehasften vielen Menschen Arbe.t, während der gewohnliche Holzschiffbau eher stockte.

Die^ Seidenfabrikation, so wie die ehemals sehr bedeutende der florentiner Strohhüte, sind nahezu versallen; vermindert ist auch jene der. Korallen, welche bisher viele hundert Personen belästigte und

367 mehrere Millionen Liren eintrug, und zwar nicht nur wegen d^r Selten. heit und des hohen Preises des Rohstoffes, sondern auch darum, weil die hiesigen Arbeiter hoherü Lohn verlangten als di^ neapolitanischen, welche dadurch einen ^orsprung gewannen.

Die inländische Baumwoll-Webere.^, Färberei und Druckerei , so ^wie die Wollfabrikation , blieben in fortschreitendem Gedeihen, die Einfuhr fremder Fabrikate ^ sehr beeinträchtigend. Männerhüte, nebst mehreren andern pariser Artikeln würden im legten Semester so gut wie moglich hier nachgeahmt, was den Grund zu mancher kleinen Jndnstrie legen dürste.

Jmmer fühlbarer wird die Verminderung der Einfuhr von ^ englischem Baumwollengarn, weil die hiesigen Weber mit jedem Jahr mehr neapolitanische Garne verwenden.

^. 4. 5. Eiu^ und ^lu^fuhr im ^l.l.^weiuen.. ^erwehrun.^ und Verminderung der fchweizerifchen Ei.^ und ...lu.^fuhr.

Jm Jahr 1870 sind in^i.^xno's Hafen eingelaufen :

5634^ Schiffe, Tonnengehalt. 942,120, Mannschaft 74,963,. beiRahezu ^ebensoviel sind ausgelaufen, was gegen 1869 eine Verminderung von 96 Skiffen und 2198 Mann Schiffs-

.nahe ^ Dampfer.

volk, dagegen eine Vermehrung im Tonnengehalt von 19,583 Tonnen ausweist.

Die ^iemlieh stationär gebliebene Bewegung der .^chifffahrt war hauptsächlich den grossen Dampfern zuzuschreiben, welche diesen Hafen regelmäßig anlaufen, nur einen Theil der Ladung hier loschend und wieder einnehmend.

Die Statistik der General-Mauthdirektion des Königreichs erscheint immer sehr verspätet. Erst im Deeember 1870 bekamen wir in einem starken Bande jene von 1869, die ohne Zweisel durch den fchweizexischen Minister eingesandt worden ist, wesshalb ich jede Bemerkung unterlassen ^u dürsen glaube.

Es erscheinen aus Deutschland, ganz besonders aus dem Gebiete der Druckwaaren, neue Genres und Artikel, wie z. B. bedruckte und gestickte halb- und ganz wollene Shawls und Kopstücher mit und ohne fransen, Stosse in Stücken für den Gebrauch jedes Standes, sowie des Artikels Jndiennes, sür helle und dunkle Frauenkleider, welche in gan^ Jtallen einen bedeutenden Absatz finden und in der ^ehweiz gewiss mit gleichem Erfolge fabrizirt werden könnten.

Die halb- und ganz wollenen Kleiderstoffe fur Männer haben auch dieses Jahr guten Absatz gesunden. Elasti.^nes für ^chuheinsätze waren ebenfalls Bieder ein begehrter Artikel.

^ Jn seidenen Bändern eoneurrirt die Schweiz erfolgreich mit den einheimischen und französischen Fabrikaten. Dagegen fanden Schirm^ stoffe mehr Absatz ^wegen den billigern Preisen und den kleinern Zufuhren aus Frankreich.

Der Vexfchleiss unserer Uhren und Bijouterien verminderte steh dieses Jahr abermals, wie es die missliche Lage des Blaues erwarten liess. Jn Florenz und dem übrigen Toseana soll dagegen das Gefehäst regelmäßig und ziemlich gut gegangen sein.

Von Schweizerkäsen hatten wir regelmäßige und nicht unbedeutende Zufuhren, und nicht mehr, wie ehemals, an so gar viele allzu schwane Käufer -- em Uebelstand, den ich mehrmals rügen musste.

8. Eisenbahnen und ..^erkehr.^we^e.

Aus diesem Gebiete geschah sehr wenig Erhebliches.

Rach der Annexion Roms hiess es, die dritte Linie von hier und von Florenz nach Rom, über Empoli^Siena^Orvieto, solle in .kurzem beendigt werden. Dies dürfte sieh aber verzögern aus Mangel an Mitteln und an besonderm Jnteresse der Gesellschast der römischen Bahnen, der diese .Linie angehort, und welche auch die zwei anderen Linien nach Rom im Betriebe hat.

Die Gesellschaft hofst, endlich in diesem Jahr ans den finanziellen Bedrängnissen herauszukommen, welche ihr nieht einmal erlaubten, das nothigste bewegliehe Material in gehörigem Stande zu erhalten.

Die in meinem letzten Bericht erwähnte, Seitens der Gesellschast der römischen Bahnen materiell bereits ersolgte Abtretung der Hauptlinie ^loren^Pistoja^Lueea^Pisa^pezia an die Gesellschaft Alta ltali.^ verbunden mit einer finanziellen Rachhülse Seitens der Regierung, war auf dem Punkte zn seheiteru, weil die Kammern, naeh dem Besehlusse der Verlegung der Hauptstadt nach Rom, die eingegangenen Opser nieht mehr nothig glaubend, etwas schwerere Bedingungen auferlegten, die von den Aktionären erst am 27. Deeember 1870, der zwingenden Rothwendigkeit wegen, angenommen wurden. Man hofst nun aus Besserung, klagt aber allgemein und mit Recht über den Dienst, sowie über den allzuhäufigen Mangel an Waggons für den Waarentransport.

Die dureh die Regierung unterstützte Dampsbootlinie von Genua über Livorno^Reapel..Messina und den Snezkanal nach Ostindien setzt ihre periodischen Fahrten mit zunehmendem Erfolge fort.

369 9. Banken.

10. .^in..^ und ^i.^ontofu^.

Zu den bisher bestandenen Banken sind keine nennenswerten neuen hinzugekommen, und die bereits angekündigte Liquidation dex Caisse nationale d'Escompte de Toscane hier und in Florenz mit zehn Millionen Kapital wurde beendigt, erheischte aber ziemliche Opfer von Seite der Aktionäre.

Die italienische Rationalbank, mit dem Haupts^ in Florenz, trachtet immersort, A.lles an sich zu ziehen, und wird in Kurzem auch in Livorno eine Filiale errichten. Sie gab ^ 180 Jahresdividende per .Aktie von ^ 1000, die jetzt aus^ 2340 stehen, und hielt den Diseonto auf Wechseln mit drei Unterschristen vom 12. August bis zum 21. September aus 6 ^ (sonst immer auf 5 ^/o) und den Ziu- für Vorschüsse aus Depositen vom 12. August bis 21. September ans 71/2^.., sonst auf 6 ^.

Die toseanische Rationalbank , mit den Hanptsitzen in Florenz und in Livorno, zahlte sür 1870 eine Dividende von ^ 144 für jede

alte Aktie von .^ 1000. deren jetziger Werth, wie nachstehend ist, hielt

das ganze Jahr den Diseonto sür Wechsel bis vier Monat mit bloss zwei Untersehristen aus 5 ^/o, den Zins für Vorschüsse auf 6 ^/e, vom 12. August bis zum 21. September aber erstern aus 6 ^, letztern auf 71/2 ^.

Jn der Unmöglichkeit. die srüher schon als bestimmt angenommene Fusion mit der italienischen Rationalbank zu verwirkliehen, erlangte diese Bank unterm 18. August 1870 von der Regierung die Ver^ längerung der Eoneession bi^ zum 31. Deeember 1889, die Vollmacht, neue Filialen zn errichten, das Grundkapital von 10 Millionen auf 50 Millionen zu erhohen und die Emission ihrer Bankscheine in dem frühern Verhältnisse zu vermehren.

Der obere Administrationsrath beschloss am 22. Oetober 1870, die Kapitalvermehrung vorläufig auf 30 Millionen zu beschränken, und zwar, nebst dem alten Kapital von 10 Millionen Liren nur 5 Millionen sogleich oder aus nahe Termine, die übrigen 15 Millionen aber erst später, nach Bedürfniss, einzufordern gegen 30,000 neue Aktien von ^ 1000 Rominalwerth, auf welchen den alten 10,000 Aktien vom

10. bis 2.). Deeember 1870 der statutarische Vorzug eingeräumt wurde.

.Dieselben wurden

^m Werthe v o n .

auch alle eingezeichnet und für

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je^e alte Aktie,

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. ^ 2200

nebst ratenweisex Einzahlung von zwei neuen, im Rominal-

werth von ^ 1000 in .

mnhin s ü r . . .

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. ,, 2000 . ^ 4200

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erhielt man drei neue Aktien, di.. damals auf £ 1400--1420 standen, deren jetziger Werth aber nur £ 1360 per Stück beträgt, natürlich unter Abzug der noch nicht eingezahlten Raten.

Bei privaten war Geld beinahe immer zu eirea 1/2 % unter obigen Banksätzen zu finden ., Livorno's finanzielle .Lage. blieb gut und Erlitt selbst während des Krieges nu.... unbedeutende Störungen.

Das Gold-Agio schwankte, vom Januar bis März, fischen 3 und 31/2 %, vom April bis Juni zwischen 21/2 und 2, vom Juli bis September zwischen 21/2 und 10, vom Oktober bis Deeembex zwischen 51/2 und 5 , und steht heute aus 51/2o % also im Allgemeinen niedriger als es die politische Lage und jene der italienischen Finanzen erwarten liessen.

Schweizergesellschaften.

Der schweizerische Wohlthätigl.eitsverein in Livorno verfolgt mit Beharrlichkeit und Nutzen seinen Zweck. Jn Florenz steht er wie bisher mit der evangelischen Gemeinde in Verbindung.

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Berichte über die Rinderpest.

(Fortsezung.)

Bericht des Schweizerischen Konsulats in Mülhausen vom

14. September 1871.

Die Rinderpest ist neu ausgebroehen in den Ortschaften Orbey, Labaroche, Bennwyhr, Jngersheim, im Thal von Sultzmatt, besonders

im Gemeindsbezirk Hattstadt, sämmtlieh im Elsass gelegen.

Behufs Anordnung der nothigen Massregeln ist deutscherseits Herr ..Professor Müller von Berlin an Ort und Stelle beordert worden.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des schweiz. Generalkonsuls in Toscana (Hrn. Fehr-Schmöle von St. Gallen) über das Jahr 1870. (Vom 31. März 1871.)

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Jahr

1871

Année Anno Band

3

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37

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.09.1871

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364-370

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10 007 012

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