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21.073 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Nordmazedonien vom 17. November 2021

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Nordmazedonien.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. November 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Guy Parmelin Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2021-3815

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Übersicht Weil die Bekämpfung der ungerechtfertigten Steuervermeidung multinationaler Unternehmen zu einem zentralen Anliegen der internationalen Staatengemeinschaft geworden ist, leitete die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammen mit den G20-Staaten im Jahr 2013 ein Projekt zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und -verlagerung (Base Erosion and Profit Shifting; BEPS) ein. Das Projekt mündete im Jahr 2015 in die Veröffentlichung mehrerer Berichte.

Einige dieser Berichte enthalten Vorschläge für Bestimmungen zur Anpassung der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), insbesondere solche zur Umsetzung der Mindeststandards gegen Abkommensmissbrauch und zur Verbesserung der Streitbeilegung. Mit dem Ziel, diese Anpassungen rasch und kosteneffizient umzusetzen, hat eine Gruppe von über 100 Staaten und Gebieten ­ darunter die Schweiz ­ ein multilaterales Instrument erarbeitet (BEPS-Übereinkommen). Am 7. Juni 2017 haben knapp 70 Staaten und Gebiete ­ darunter die Schweiz ­ das BEPS-Übereinkommen unterzeichneten.

Die Gespräche, die die Vertreterinnen und Vertreter der Schweiz und Nordmazedoniens über die konkreten Auswirkungen des BEPS-Übereinkommens auf das DBA zwischen den beiden Staaten (DBA-MK) führten, offenbarten, dass sie nicht in der Lage sind, sich auf den genauen Wortlaut zu einigen, wie die Bestimmungen des DBA-MK durch das BEPS-Übereinkommen angepasst werden. Aus diesem Grund wurde beschlossen, die Anpassung des DBA-MK an die abkommensbezogenen Resultate des BEPS-Projekts nicht über das BEPS-Übereinkommen, sondern über ein bilaterales Protokoll zur Änderung des DBA-MK vorzunehmen. Die Vertragsstaaten nutzten die Verhandlungen, um das DBA-MK an ihre aktuelle Abkommenspolitik anzupassen.

Das Änderungsprotokoll wurde am 19. Mai 2021 unterzeichnet. Die Kantone und die interessierten Verbände begrüssten dessen Abschluss.

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Botschaft 1

Grundzüge des Änderungsprotokolls

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Zwischen der Schweiz und Mazedonien besteht ein Abkommen vom 14. April 20001 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-MK). Das Abkommen wurde seit der Unterzeichnung nicht revidiert.

Am 7. Juni 2017 hat die Schweiz das multilaterale Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Massnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung2 (BEPS-Übereinkommen) unterzeichnet. Das BEPS-Übereinkommen enthält eine Reihe von Bestimmungen zur Anpassung bestehender Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Ein Teil dieser Bestimmungen dient der Erfüllung der in den Massnahmen 6 (Verhinderung von Abkommensmissbrauch) und 14 (Verbesserung der Wirksamkeit von Streitbeilegungsmechanismen) des Aktionsplans der OECD zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung3 (BEPSAktionsplan) gesetzten Mindeststandards.

Die Schweiz und Nordmazedonien haben die bilaterale Umsetzung des BEPSÜbereinkommens besprochen. Nordmazedonien sah sich nicht in der Lage, sich mit der Schweiz auf den genauen Wortlaut zu einigen, wie die Bestimmungen des DBAMK durch das BEPS-Übereinkommen angepasst werden sollen. Da dies eine Voraussetzung zur Anwendung des BEPS-Übereinkommens für die Schweiz ist, wurde beschlossen, die Anpassung des DBA-MK an die Resultate des BEPS-Projekts nicht über das BEPS-Übereinkommen, sondern über ein bilaterales Protokoll zur Änderung des DBA-MK (Änderungsprotokoll) vorzunehmen.

Im März 2019 wurde an einer Verhandlungsrunde in Bern ein Protokollentwurf (Änderungsprotokoll) abgeschlossen. Das Änderungsprotokoll integriert zum einen die Neuheiten des BEPS-Aktionsplans und passt zum andern insbesondere die Bestimmung über den Informationsaustausch auf Ersuchen sowie die offizielle Bezeichnung der Republik von Mazedonien an, die am 12. Februar 2019 in «Republik Nordmazedonien» umbenannt wurde.

Die Kantone und die interessierten Verbände wurden über den Abschluss des Änderungsprotokolls konsultiert und haben diesen begrüsst. Das Änderungsprotokoll wurde am 19. Mai 2021 in Skopje unterzeichnet.

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SR 0.672.952.01 BBl 2018 5389 www.oecd.org > Fiscalité > Conventions fiscales > Convention multilatérale pour la mise en oeuvre des mesures relatives aux conventions fiscales pour prévenir le BEPS (keine dt. Übers. vorhanden).

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1.2

Würdigung

Das Änderungsprotokoll enthält Bestimmungen, die in das Abkommen eingeflossen wären, hätten die Schweiz und Nordmazedonien beschlossen, das DBA dem BEPSÜbereinkommen zu unterstellen. Zwischen dem Änderungsprotokoll und dem BEPSÜbereinkommen besteht somit ein inhaltlicher Zusammenhang. Darüber hinaus gibt es zwischen diesen beiden Instrumenten keine unmittelbaren Verbindungen.

Mit diesen Änderungen wird das DBA-MK die im Rahmen des BEPS-Aktionsplans gesetzten Mindeststandards in Bezug auf Doppelbesteuerungsabkommen erfüllen.

Die Schweiz als Mitgliedstaat der OECD hat sich verpflichtet, jene DBA-bezogenen Bestimmungen, die Teil eines BEPS-Mindeststandards sind, in ihre Doppelbesteuerungsabkommen zu übernehmen. Mit dem Änderungsprotokoll erfolgt ein weiterer Schritt in diese Richtung.

Ausserdem passt das Änderungsprotokoll die Bestimmung über den Informationsaustausch dem internationalen Standard zum Informationsaustausch auf Ersuchen an.

Auf Wunsch der Schweiz sieht das Änderungsprotokoll die Einführung einer Schiedsklausel vor. Das geltende Verständigungsverfahren im DBA-MK enthält keine Erfolgspflicht. Es ist also zurzeit nicht ausgeschlossen, dass es in einzelnen Fällen nicht gelingt, eine Doppelbesteuerung im Rahmen eines Verständigungsverfahrens zwischen den zuständigen Behörden der Schweiz und Nordmazedoniens zu vermeiden.

Diese Situation ist hinsichtlich der Rechtssicherheit unbefriedigend. Mit der Schiedsklausel wird dieser Mangel behoben.

Mit dem Änderungsprotokoll konnte ein ausgewogenes Ergebnis erzielt werden, das zur weiteren positiven Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Nordmazedonien beitragen wird.

2

Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Änderungsprotokolls

Art. I betreffend die Präambel des DBA-MK Mit diesem Artikel erhält das DBA-MK eine Präambel, wie sie im Rahmen der BEPSMassnahme 6 erarbeitet wurde und im BEPS-Übereinkommen in Artikel 6 Absatz 1 sowie im OECD-Musterabkommen4 enthalten ist.

Damit wird klargestellt, dass die Schweiz und Nordmazedonien nicht die Absicht haben, durch das Doppelbesteuerungsabkommen Möglichkeiten zur Nichtbesteuerung oder reduzierten Besteuerung durch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung zu schaffen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Vermeidung von sogenannt doppelter Nichtbesteuerung soll auch Zweck des DBA-MK sein. Dies gilt aber nicht generell, sondern nur dann, wenn Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung Ursache dafür sind. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es Situationen von gewollter doppelter 4

www.estv.admin.ch > Internationales Steuerrecht > Fachinformationen > Länder > Musterabkommen der OECD (nur engl. und franz. Text vorhanden).

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Nichtbesteuerung gibt. Dazu zählt beispielsweise die Besteuerung von Dividenden an Gesellschaften des gleichen Konzerns. Die doppelte Nichtbesteuerung verhindert in solchen Situationen ungewollte wirtschaftliche Mehrfachbelastungen.

Die Aufnahme dieser Bestimmung ist notwendig, um den im Rahmen von Massnahme 6 des BEPS-Aktionsplans gesetzten Mindeststandard zu erfüllen.

Art. II betreffend Artikel 3 DBA-MK (Allgemeine Begriffsbestimmungen) Die Ausdrücke «Schweiz» und «Mazedonien» sowie «zuständige Behörde» der Schweiz werden aktualisiert.

Art. III betreffend Artikel 7 DBA-MK (Unternehmensgewinne) Artikel 7 zu den Unternehmensgewinnen wird durch die aktualisierte Fassung im OECD-Musterabkommen ersetzt. Mit dieser Bestimmung wird der sogenannte Authorized OECD Approach, kurz AOA, übernommen. Betriebsstätten werden demnach weitgehend wie unabhängige Unternehmen behandelt. Die Gewinnzuteilung richtet sich nach den für verbundene Unternehmen entwickelten Verrechnungspreisgrundsätzen. Der Gesamterfolg des Unternehmens wird demnach nicht mehr auf seine Teile aufgeteilt. Stattdessen wird der Erfolg jedes Unternehmensteils ermittelt. Die Kombination der Erfolge der Unternehmensteile entspricht schliesslich dem Gesamterfolg des Unternehmens. Es ist nach diesem Ansatz beispielsweise möglich, dass eine Betriebsstätte einen Gewinn erzielt, während das Gesamtunternehmen einen Verlust schreibt oder umgekehrt.

Gemäss dem Mindeststandard aus Massnahme 14 des BEPS-Aktionsplans «Verbesserung der Wirksamkeit von Streitbeilegungsmechanismen» sollen Länder nach Möglichkeit den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens in ihre Steuerabkommen mit folgendem Wortlaut aufnehmen: «Die Verständigungsregelung ist ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten durchzuführen». Ist dies einem Land nicht möglich, sollte es andere Bestimmungen zur Beschränkung der Frist für eine Berichtigung nach Artikel 7 Absatz 2 oder Artikel 9 Absatz 1 des OECD-Musterabkommens in seine Abkommen aufnehmen, um spätere Berichtigungen zu vermeiden, die nicht mehr Gegenstand einer Entlastung aufgrund des Verständigungsverfahrens sein können. Die Bestimmungen sind im Kommentar zur aktualisierten Fassung des OECD-Musterabkommens vom November 2017 enthalten. Staaten, die den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz
2 übernehmen, müssen keine solchen Bestimmungen in ihre Abkommen aufnehmen.

Da das DBA-MK den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 der schweizerischen Abkommenspolitik entsprechend nicht enthält, sieht Artikel 7 Absatz 4 DBA-MK vor, dass der Betriebsstätte eines Unternehmens eines der Vertragsstaaten zurechenbare Gewinne nach Ablauf einer Frist von fünf Jahren ab dem Ende des Steuerjahrs, in dem die Gewinne der Betriebsstätte zurechenbar gewesen wären, nicht mehr berichtigt werden können. In Bezug auf die verbundenen Unternehmen ist bereits eine analoge Bestimmung in Artikel 9 Absatz 3 DBA-MK vorgesehen.

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Art. IV betreffend Artikel 9 DBA-MK (Verbundene Unternehmen) Artikel 9 wird an die aktualisierte Fassung im OECD-Musterabkommen angepasst und in Absatz 3 mit dem Begriff «grobe Fahrlässigkeit» ergänzt.

Art. V betreffend Artikel 13 DBA-MK (Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen) Der neue Absatz 4 sieht entsprechend der schweizerischen Abkommenspolitik wie in anderen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz vor, dass die Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an einer Gesellschaft, deren Wert zu über 50 Prozent direkt oder indirekt aus unbeweglichem Vermögen in einem Vertragsstaat stammen, in diesem besteuert werden können. Davon ausgenommen sind Gewinne aus der Veräusserung von börsenkotierten Aktien sowie von Anteilen an einer Gesellschaft, deren Wert zu mehr als 50 Prozent aus unbeweglichem Vermögen besteht, in welchem das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ausübt. In diesen beiden Fällen können die Gewinne nur im Ansässigkeitsstaat der veräussernden Person besteuert werden. Seitens der Schweiz wurde im Artikel über die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23 Abs. 2 Bst. a) festgehalten, dass die Schweiz die Freistellung nur gewährt, wenn die Besteuerung in Nordmazedonien nachgewiesen wurde.

Art. VI betreffend Artikel 14 DBA-MK (Selbstständige Arbeit) Mit der Anpassung wird klargestellt, dass Artikel 14 nur für natürliche Personen gilt.

Art. VII betreffend Artikel 23 DBA-MK (Vermeidung der Doppelbesteuerung) Entsprechend ihrer Abkommenspolitik behält sich die Schweiz mit der Ergänzung von Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a das Recht vor, Kapitalgewinne aus dem Verkauf von Anteilen an Immobiliengesellschaften zu besteuern, wenn diese Gewinne in Nordmazedonien nicht tatsächlich besteuert wurden.

Der neue Absatz 3 Buchstabe c ergänzt die Bestimmung, die die Art der Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat festlegt, durch eine Bestimmung, die die Nichtbesteuerung oder reduzierte Besteuerung in Fällen von Qualifikationskonflikten vermeiden soll.

Demnach muss die Schweiz als Ansässigkeitsstaat einer Person, die zur Nutzung von Einkünften oder von Vermögen aus Nordmazedonien berechtigt ist, die gemäss DBAMK in Nordmazedonien besteuert werden dürfen, diese Einkünfte oder dieses Vermögen dann nicht von der Besteuerung ausnehmen, wenn Nordmazedonien keine ­ oder
bei Dividenden und Zinsen eine bloss reduzierte ­ Besteuerung der Einkünfte vornimmt, weil Nordmazedonien der Auffassung ist, es sei durch das DBA-MK zur Befreiung oder zu einer reduzierten Besteuerung verpflichtet. Ein Beispiel dafür wäre, dass Nordmazedonien als Quellenstaat ein Einkommen einer in der Schweiz ansässigen Person als Kapitalgewinn behandelt, während die Schweiz als Ansässigkeitsstaat von einem Einkommen aus in Nordmazedonien ausgeübter unselbstständiger Erwerbstätigkeit ausgeht. Ohne die neue Bestimmung würde die Schweiz das Einkommen von der Besteuerung ausnehmen, obwohl Nordmazedonien aufgrund seiner steuerlichen Qualifikation des Einkommens das Besteuerungsrecht ausschliesslich in der Schweiz sieht (Art. 13 Abs. 5 DBA-MK) und deshalb nicht besteuert. Nach der neuen 6 / 12

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Bestimmung ist die Schweiz dagegen nicht mehr zur Freistellung verpflichtet (Art. 23 Abs. 2 Bst. a DBA-MK), sondern kann das Einkommen als Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit besteuern.

Die Bestimmung verhindert eine ungewollte doppelte Nichtbesteuerung infolge unterschiedlicher Auffassung von Sachverhalten oder unterschiedlicher Auslegung von Begriffen des DBA-MK durch die Schweiz und Nordmazedonien. Die Bestimmung ist im OECD-Musterabkommen (Art. 23a Abs. 4) enthalten. Sie ist nicht Teil eines Mindeststandards des BEPS-Aktionsplans.

Art. VIII betreffend Artikel 25 DBA-MK (Verständigungsverfahren) Dieser Artikel sieht zum einen eine Anpassung von Artikel 25 Absatz 1 DBA-MK vor, der die Ersuchen um ein Verständigungsverfahren regelt. Insbesondere geht es um die Frage, bei welcher der beiden zuständigen Behörden die Einleitung eines Verständigungsverfahrens zu beantragen ist.

Unter der geltenden Bestimmung muss sich eine Person, wenn sie der Auffassung ist, dass Massnahmen eines Vertragsstaats oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer Besteuerung führen oder führen werden, die dem DBA-MK nicht entspricht, an die zuständige Behörde des Vertragsstaats wenden, in dem sie ansässig ist.

Mit der Anpassung von Artikel 25 Absatz 1 DBA-MK wird eine Person bei der Wahl der zuständigen Behörde für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nicht mehr eingeschränkt. Sie kann sich in Zukunft an die zuständige Behörde des Vertragsstaats ihrer Wahl wenden, wie dies der aktuellen Fassung des OECD-Musterabkommens entspricht.

Zum andern wird Artikel 25 des Abkommens mit zwei neuen Absätzen (Abs. 5 und 6) ergänzt. Damit wird eine Schiedsklausel in das DBA-MK aufgenommen. Das in der Schiedsklausel enthaltene Verfahren ist für die zuständigen Behörden obligatorisch: Gelingt es ihnen im Rahmen eines Verständigungsverfahren nicht, innerhalb von drei Jahren eine Verständigungslösung zu erzielen, so kann die steuerpflichtige Person schriftlich beantragen, dass ihr Fall einem Schiedsverfahren zugeführt wird. Der Zugang zu einem Schiedsverfahren ist indessen nicht möglich, wenn in Bezug auf die zu regelnde Frage in der Schweiz oder in Nordmazedonien bereits eine Gerichtsentscheidung ergangen ist.

Der Schiedsspruch ist für die Vertragsstaaten endgültig und verbindlich. Die zuständigen Behörden sind
verpflichtet, diesen in einer Verständigungsvereinbarung umzusetzen. Lehnt eine unmittelbar von dem Fall betroffene Person die Verständigungsregelung, durch die der Schiedsspruch umgesetzt wird, aber ab, zum Beispiel, weil die betreffende Person sich entschliesst, den Streitfall durch ein Gericht entscheiden zu lassen, so fällt die Verbindlichkeit dahin. Mit einem solchen Mechanismus kann den Interessen der Steuerpflichtigen, die einer Doppelbesteuerung unterliegen, Rechnung getragen und die Rechtssicherheit gewährleistet werden.

Der neue Absatz 6 von Artikel 25 DBA-MK widmet sich der Vertraulichkeit. Um sicherzustellen, dass das Schiedsverfahren sein Ziel erreicht, ohne die Vertraulichkeit

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des Verständigungsverfahrens zu verletzen, sieht dieser Absatz vor, dass für die Mitglieder der Schiedsstelle die in Artikel 26 Absatz 2 DBA-MK enthaltenen Vorschriften in Bezug auf Vertraulichkeit gelten.

Die Schiedsklausel im DBA-MK entspricht der Fassung im OECD-Musterabkommen (Art. 25 Abs. 5). Zwar verfügt auch das BEPS-Übereinkommen über eine Schiedsklausel (Teil VI). Jene Schiedsklausel ist aber sehr detailliert. Die Verhandlungsdelegationen der Schweiz und Nordmazedoniens waren sich einig, dass eine solch detaillierte Bestimmung dem Schiedsverfahren in formeller Hinsicht ein unangemessenes Gewicht im DBA-MK verliehen hätte. Deshalb wurde beschlossen, die Fassung nach dem OECD-Musterabkommen und nicht diejenige nach dem BEPS-Übereinkommen ins DBA-MK aufzunehmen. Fragen zur konkreten Ausgestaltung des Verfahrens werden in einer Verständigungsvereinbarung zwischen den zuständigen Behörden der beiden Staaten geregelt.

Art. IX zu Art. 26 DBA-MK (Informationsaustausch) Mit dem Änderungsprotokoll wird der bisherige Artikel durch eine neue Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem internationalen Standard ersetzt. Die nachfolgenden Ausführungen gehen lediglich auf einzelne Punkte in Artikel 26 DBA-MK sowie der dazugehörigen Protokollbestimmung (Ziff. 4) ein.

Wie in den Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz mit diversen anderen Staaten sowie im OECD-Musterabkommen gilt die Bestimmung über den Informationsaustausch für sämtliche Steuern.

Die Bestimmungen von Artikel 26 werden in Ziffer 4 des Protokolls zum Abkommen (Art. XI Abs. 3 des Änderungsprotokolls) konkretisiert. Diese Bestimmung regelt im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Bst. b). Notwendig ist insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person (diese Information kann sich aus sämtlichen Elementen ergeben, die eine Identifikation ermöglichen) sowie, soweit bekannt, Name und Adresse der Person (z. B. eine Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet.

Ebenso hält das Protokoll zum Abkommen fest, dass diese Voraussetzungen nicht formalistisch ausgelegt werden dürfen (Bst. c).

Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören auch Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe
von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Die Schweiz kann nach dem DBA-MK solchen Ersuchen Folge leisten. Mit detaillierten Angaben zur Gruppe der Steuerpflichtigen, die es dem ersuchten Staat ermöglichen, die konkret betroffenen Personen zu bestimmen, kommt der ersuchende Staat dem Erfordernis der Identifikation der vom Ersuchen betroffenen steuerpflichtigen Personen nach (Bst. b).

Eine solche Auslegung gebietet die Auslegungsklausel (Bst. c i.V.m. Bst. b), die die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines möglichst weitgehenden Informationsaustauschs verpflichtet, ohne dass fishing expeditions zuzulassen sind. Die prozeduralen Voraussetzungen für die Beantwortung

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von Gruppenersuchen sind im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 20125 geregelt.

Artikel 26 DBA-MK sieht den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor.

Die neue Klausel findet auf die Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgenden Kalenderjahrs beginnen.

Art. X zu Art 27a DBA-MK (Anspruch auf Vorteile) Mit Artikel 27a wird eine Missbrauchsklausel eingeführt, die auf dem hauptsächlichen Zweck einer Gestaltung oder Transaktion abstellt. Aufgrund dieser Klausel werden die Vorteile des DBA-MK nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion war; es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser Vorteile in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des DBA-MK steht.

Diese Missbrauchsklausel ist zwar neu, sie entspricht aber in ihren Grundzügen den Missbrauchsklauseln, die die Schweiz bis 2017 in einer Vielzahl ihrer Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat. Anders ist indessen, dass die Missbrauchsklausel nicht auf bestimmte Arten von Einkünften wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren beschränkt ist. Vielmehr findet sie in Bezug auf sämtliche Bestimmungen des Abkommens Anwendung. Alle Abkommensvorteile unterliegen damit dem Vorbehalt einer missbräuchlichen Inanspruchnahme.

Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Missbrauchsklausel gegenüber jenen, wie sie in vielen jüngeren Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz enthalten sind, noch in einem weiteren Punkt. So ist nach dem Text der Klausel Missbrauch nicht auf Situationen beschränkt, bei denen der Hauptzweck der entsprechenden Gestaltung oder Transkation im Erlangen der Abkommensvorteile lag. Vielmehr besteht Missbrauch auch dann, wenn bloss einer der Hauptzwecke dafür verantwortlich war. Vom Resultat her besteht indessen keine Differenz. Denn der zweite Teil der Missbrauchsklausel sieht vor, dass die Abkommensvorteile dennoch gewährt werden, wenn dies im Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Dies sollte grundsätzlich dann der Fall sein, wenn das Erlangen der entsprechenden Abkommensvorteile nicht der Hauptzweck der Gestaltung oder Transaktion war.

Diese Missbrauchsklausel wurde im Rahmen der
BEPS-Massnahme 6 entwickelt. Sie ist im OECD-Musterabkommen (Art. 29 Abs. 9) enthalten. Um dem im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 gesetzten Mindeststandard Genüge zu tun, reicht die Aufnahme der Missbrauchsklausel in die Doppelbesteuerungsabkommen. Es bedarf in einem solchen Fall keiner weiteren Missbrauchsbestimmung.

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SR 651.1

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Art. XII (Inkrafttreten) Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls finden Anwendung auf Steuerjahre, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Kalenderjahrs beginnen. Dies gilt auch für die Bestimmungen zum Informationsaustausch.

Artikel VIII betreffend die Einleitung von Verständigungsverfahren; die Schiedsklausel findet hingegen ungeachtet der Steuerperiode, auf die sich die Sache bezieht, vom Tag des Inkrafttretens des Änderungsprotokolls an Anwendung.

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Finanzielle Auswirkungen

Das Änderungsprotokoll sieht keine Änderung der Zuteilung der Besteuerungsrechte zwischen der Schweiz und Nordmazedonien vor. Es enthält hauptsächlich Bestimmungen, mit denen die missbräuchliche Inanspruchnahme des DBA-MK verhindert und das Verständigungsverfahren zur Streitbeilegung im Falle einer Doppelbesteuerung verbessert werden soll. Das Protokoll hat demnach keine namhaften Auswirkungen auf die Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden. Das geänderte DBA-MK kann im Rahmen der bestehenden personellen Ressourcen umgesetzt werden.

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Rechtliche Aspekte

Verfassungsgrundlage für das Änderungsprotokoll zum DBA-MK ist Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) 6, der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung der Abkommen zuständig, mit Ausnahme derjenigen, deren Abschluss durch ein Bundesgesetz oder einen völkerrechtlichen Vertrag in die Kompetenz des Bundesrates fällt (siehe auch Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19977). Im vorliegenden Fall ermächtigt kein Bundesgesetz und kein völkerrechtlicher Vertrag den Bundesrat zum Abschluss eines Vertrags wie das Änderungsprotokoll zum DBA-MK. Somit liegt die Zuständigkeit für dessen Genehmigung beim Parlament.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen dem fakultativen Referendum völkerrechtliche Verträge, die unter anderem wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20028 (ParlG) gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.

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SR 101 SR 172.010 SR 171.10

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Das Änderungsprotokoll zum DBA-MK enthält Bestimmungen, die den Schweizer Behörden Pflichten auferlegen und diesen sowie (natürlichen und juristischen) Personen Rechte verleihen. Es enthält somit wichtige rechtssetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Änderungsprotokolls zum DBA-MK ist daher dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

5

Vernehmlassungsverfahren

Das Änderungsprotokoll zum DBA-MK untersteht gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem fakultativen Referendum. Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20059 (VlG) würde beim Änderungsprotokoll demnach im Prinzip ein Vernehmlassungsverfahren stattfinden.

Im Februar 2020 wurde eine Orientierung durchgeführt. Dabei wurden den Kantonen und den vom Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen betroffenen Kreisen Erläuterungen vorgelegt. Das Änderungsprotokoll zum DBA-MK wurde positiv und ohne Einwände aufgenommen. Die Positionen der interessierten Kreise sind entsprechend bekannt und belegt. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG wurde somit auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet.

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SR 172.061

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