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Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des Kollektivvertrags für die vorzeitige Pensionierung im schweizerischen Naturstein-Handwerk und in der Naturstein-Industrie vom 7. Dezember 2021

Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf Artikel 7 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 28. September 19561 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, beschliesst:

Art. 1 Die in der Beilage wiedergegebenen Bestimmungen des Kollektivvertrags für die vorzeitige Pensionierung (KVP) im schweizerischen Naturstein-Handwerk und in der Naturstein-Industrie vom 15. September 2021 werden allgemeinverbindlich erklärt.

Art. 2 Die Allgemeinverbindlicherklärung des Kollektivvertrags (KVP) gilt für die Kantone Zürich, Bern, Jura, Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Zug, Solothurn, Basel-Landschaft, Schaffhausen, Appenzell A.Rh., Appenzell I.Rh., St.Gallen, Graubünden (ausgenommen die italienischsprachigen Gebiete), Aargau, Thurgau und die Bezirke Goms, Visp, Brig, Raron und Leuk des Kantons Wallis sowie die Bezirke Sense und See des Kantons Freiburg.

1

Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des KVP gelten für alle Arbeitgeber (Betriebe und Betriebsteile), die Natursteine (z.B. Marmore, Granite, Sandsteine, Kalksteine) und/oder künstliche Steine (z.B. Quarzkomposite, Agglomarmore, grossformatige keramische Produkte, zementöse Kunststeine) produzieren, bearbeiten, verlegen, versetzen, montieren, renovieren und/oder sanieren und/oder Veredelungs-Arbeiten (z.B. Schleifen, Absäuern, Versiegeln) an verbauten Natursteinen ausführen.

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1

SR 221.215.311

2021-4094

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Ausgenommen sind: a.

reine Handelsbetriebe, reine Naturwerksteinbrüche, Schotterwerke, Pflastersteinproduzenten und Pflästerer;

b.

reine Bildhauerbetriebe.

Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des KVP gelten unabhängig der Lohn- und Anstellungsbedingungen für sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (inbegriffen Werkmeister) der in Absatz 2 aufgeführten Betriebe und Betriebsteile.

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Ausgenommen sind: a.

Lernende;

b.

kaufmännisches und technisches Personal;

c.

höhere leitende Angestellte.

Art. 3 Über den Einzug und die Verwendung der Beiträge (Art. 7 KVP) sind der Direktion für Arbeit des SECO alljährlich eine detaillierte Jahresrechnung sowie das Budget des der Jahresrechnung folgenden Jahres zuzustellen. Der Jahresrechnung sind überdies der Bericht der Revisionsstelle und weitere durch das SECO im Einzelfall verlangte Unterlagen beizulegen. Die Führung der entsprechenden Kassen muss nach den vom SECO festgelegten Weisungen erfolgen und muss über das Ende der Allgemeinverbindlicherklärung hinaus fortgesetzt werden, soweit es die Erledigung pendenter oder anderer Fälle erfordert, die in die Geltungszeit der Allgemeinverbindlicherklärung fallen. Das SECO kann weitere Auskünfte und Unterlagen zur Einsichtnahme verlangen sowie auf Kosten der Vertragsparteien Überprüfungen vornehmen lassen.

Art. 4 Die Bundesratsbeschlüsse vom 30. Juni 2008, vom 19. Februar 2015, vom 2. Mai 2017 und vom 9. Juli 20182 über die Allgemeinverbindlicherklärung des Kollektivvertrags über die vorzeitige Pensionierung im schweizerischen Marmor- und Granitgewerbe werden aufgehoben.

Art. 5 Dieser Beschluss tritt am 1. Januar 2022 in Kraft und gilt bis zum 31.Dezember 2027.

7. Dezember 2021

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Vizepräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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BBl 2008 6012; 2015 3367; 2017 3575; 2018 4541

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Beilage

Kollektivvertrag für die vorzeitige Pensionierung im schweizerischen Naturstein-Handwerk und in der Naturstein-Industrie abgeschlossen am 15. September 2021 zwischen dem Naturstein Verband Schweiz (NVS) einerseits und der Gewerkschaft Unia und der Gewerkschaft Syna anderseits

Allgemeinverbindlich erklärte Bestimmungen Art. 6

Herkunft der Geldmittel

Die Mittel zur Finanzierung der vorzeitigen Pensionierung werden grundsätzlich durch Beiträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, durch Zuwendungen Dritter sowie durch Erträgnisse des Stiftungsvermögens geäufnet.

1

2

(...)

3

(...)

Art. 7

Beiträge

Der Beitrag der Arbeitnehmer beträgt 1,4 % des massgeblichen Lohnes. Der Beitrag wird monatlich vom Lohn abgezogen.

1

2

Der Beitrag des Arbeitgebers beträgt 1,8 % des massgeblichen Lohnes.

3

Der AHV-pflichtige Lohn gilt als massgeblicher Lohn.

Art. 8

Modalitäten und Erhebung

Der Arbeitgeber schuldet der Stiftung Naturstein oder deren Inkassoorganen die gesamten Beiträge von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

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2

(...)

Art. 10 1

Änderungen der Beiträge und/oder der Leistungen

(...)

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Sind unaufschiebbare Massnahmen zur Sicherung der finanziellen Mittel notwendig, kann der Stiftungsrat die Einführung hinauszögern oder die Leistungen kürzen. Er informiert die Vertragsparteien umgehend.

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(...)

Art. 11

Grundsatz

Es werden Leistungen erbracht, welche drei Jahre vor dem ordentlichen AHV-Alter die Pensionierung ermöglichen und deren Konsequenzen finanziell abfedern.

Art. 12

Art der Leistungen

Es werden ausschliesslich die folgenden Leistungen erbracht: a.

Überbrückungsrenten;

b.

Ersatz von Altersgutschriften BVG;

c.

Ersatzleistungen im Härtefall.

Art. 13

Überbrückungsrente

Der Arbeitnehmende kann eine Überbrückungsrente beanspruchen, wenn er kumulativ 1

a.

nicht mehr als 3 Jahre vom ordentlichen Rücktrittsalter der AHV entfernt ist;

b.

während mindestens 20 Jahren in einem Betrieb gemäss dem Geltungsbereich des KVP gearbeitet hat, wobei davon vor Leistungsbezug mindestens während 10 Jahren ohne Unterbruch;

c.

die Erwerbstätigkeit unter Vorbehalt von Artikel 14 definitiv aufgibt.

Erfüllt der Arbeitnehmer die Anstellungsvoraussetzungen (Abs. 1 Bst. b dieses Artikels) nicht ganz, kann er seinen Anspruch auf eine anteilmässig reduzierte Überbrückungsrente geltend machen, wenn er während mindestens 10 Jahren innerhalb der letzten 20 Jahre in einem dem KVP unterstellten Betrieb gearbeitet hat, wobei er vor dem Leistungsbezug ununterbrochen während 10 Jahren gearbeitet haben muss.

2

Art. 14

Erlaubte Tätigkeiten

Dem Leistungsempfänger im Sinne dieses KVP sind jegliche Tätigkeiten für Dritte untersagt, welche unter den Anwendungsbereich des vorliegenden KVP fallen.

1

Ohne Kürzung der Überbrückungsrente kann er eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit mit einem maximalen Jahreseinkommen von 7200.­ Franken ausüben.

2

Der Versicherte, welcher eine reduzierte Rente oder eine Teilrente bezieht, kann eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, sofern die Gesamtheit seines Einkommens den Betrag der maximalen Überbrückungsrente mit Zuschlag des in Absatz 2 genannten Betrages nicht übersteigt.

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Art. 15

Ordentliche Überbrückungsrente

Die ordentliche Überbrückungsrente besteht aus: 75 % des vertraglich vereinbarten, durchschnittlichen Jahreslohnes ohne Zulagen, Überstundenentschädigung, etc. (Rentenbasislohn).

1

Die Überbrückungsrente darf jedoch die folgenden Schwellen nicht unter- oder überschreiten: 2

3

a.

75 % des Rentenbasislohnes, jedoch mindestens 3500.­ Franken pro Monat.

b.

75 % des Rentenbasislohnes, jedoch höchstens 4500.­ Franken pro Monat.

(...)

Art. 16

Gekürzte Überbrückungsrente

Wer die Voraussetzungen von Artikel 13 Absatz 2 erfüllt, erhält eine um 1/20 pro fehlendem Jahr gekürzte Überbrückungsrente.

1

Bei Personen, die wegen einer saisonalen Anstellung, wegen verschiedener Funktionen im Betrieb gemäss Geltungsbereich KVP pro Kalenderjahr eine dem KVP unterstellte Tätigkeit von weniger als 100 % leisten und bei teilzeitangestellten Personen werden die Leistungen gekürzt. Die Summe aller vorangehenden Leistungen, diejenigen der Kasse eingeschlossen, darf jedoch die Höchstrente, auf die der Arbeitnehmer bei einer 100 %-Anstellung einen Anspruch hätte, nicht übersteigen. Die Kasse ist befugt, die Leistungen entsprechend zu kürzen.

2

Bezieht ein Versicherter Leistungen der Kranken-, Unfall- oder Invalidenversicherung, hat er lediglich für die verbleibende Arbeitsfähigkeit einen Anspruch auf Leistungen wegen vorzeitiger Pensionierung.

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Art. 17

Subsidiarität

Die Überbrückungsrenten können gekürzt werden, wenn sie mit anderen vertraglichen oder gesetzlichen Leistungen zusammenkommen. (...)

Art. 18

Ausgleich der BVG-Altersgutschriften

Die Stiftung Naturstein (Art. 22) übernimmt während der Zeitspanne der Rentenauszahlung die Beiträge an die Vorsorgeeinrichtung. Dieser Betrag darf 10 % des für die Bestimmung der Übergangsrente für die vorzeitige Pensionierung massgeblichen Rentenbasislohnes nicht überschreiten und ebenfalls nicht höher als 10 % des von der Vorsorgeeinrichtung versicherten Einkommens sein.

Art. 19

Beibehaltung des Anschlusses zur beruflichen Vorsorgeeinrichtung

Der Rentenberechtigte hat der Stiftung anzugeben, ob er in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung verbleiben kann oder ob er sich bei der Auffangeinrichtung BVG weiterversichert.

1

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Die unterstellten Betriebe unternehmen alles Zumutbare, dass der Leistungsbezüger als externes Mitglied der Vorsorgeeinrichtung versichert bleiben kann. Die Vertragsparteien unterstützen sie in diesen Bestrebungen.

2

Art. 20

Ersatzleistungen im Härtefall

Der Stiftungsrat kann den Arbeitnehmern im Härtefall Ersatzleistungen zu sprechen, welche unfreiwillig und auf endgültige Weise aus dem Natursteingewerbe ausgeschieden sind (z.B. bei Konkurs des Arbeitgebers, Kündigung, Arbeitsunfähigkeitsentscheid der SUVA oder des Versicherers bei Ausfall im Krankheitsfall).

1

Die Ausrichtung der Härtefallersatzleistung schliesst jede weitere Leistung der Stiftung Naturstein aus.

2

Art. 21

Gesuchsverfahren und Kontrolle

Zum Erhalt der Leistungen hat der Anspruchsberechtigte ein Gesuch zu stellen und seine Berechtigung glaubhaft zu machen.

1

Leistungen, welche von der Stiftung Naturstein ausbezahlt worden sind, ohne dass dazu ein Anspruch nach vorliegendem Kollektivvertrag bestanden hat, sind zurückzuerstatten.

2

3

(...)

Art. 22

Stiftung Naturstein

Die Parteien vereinbaren die gemeinsame Durchführung im Sinne von Artikel 357b Obligationenrecht.

1

Sie gründen zu diesem Zweck eine Stiftung (nachfolgend Stiftung Naturstein genannt) mit dem Zweck, den vorliegenden KVP zu vollziehen und vollziehen zu lassen und übertragen ihr alle dazu notwendigen Rechte.

2

Die Stiftung Naturstein kann Kontroll- und Inkassoaktivitäten Dritten übertragen, namentlich der paritätischen Kommission, welche für die Kontrolle des GAV Naturstein-Handwerk und Naturstein-Industrie gebildet wurde.

3

4

(...)

Art. 23

Stiftungsrat (Stiftung Naturstein)

1 Der Stiftungsrat ist für die Verwaltung verantwortlich.

2 Dem Stiftungsrat obliegt die Verantwortung für die Kontrolltätigkeiten. Er kann diese Kontrolle fachkundigen Gremien übertragen.

3

(...)

4

(...)

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Art. 24

Sanktionen im Falle der Verletzung des Kollektivvertrages

Verletzungen von Pflichten aus diesem Kollektivvertrag können durch die Vollzugsorgane mit Konventionalstrafen von bis zu 20 000.­ Franken geahndet werden.

Absatz 2 bleibt vorbehalten.

1

Vertragsverletzungen, die darin bestehen, dass keine oder ungenügende Beiträge abgerechnet wurden, können mit einer Konventionalstrafe bis zur doppelten Höhe der fehlenden Beiträge geahndet werden.

2

3

Die Fehlbaren tragen die Kontroll- und Verfahrenskosten.

Die Bezahlung der Konventionalstrafe entbindet in keinem Fall von der Pflicht zur Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen.

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Die Konventionalstrafen dienen der Kostendeckung.

Art. 25

Zuständigkeit

Für Auslegungsfragen des KVP ist die Paritätische Kommission Naturstein-Handwerk und Naturstein-Industrie zuständig.

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2

(...)

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