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zu 21.443 Parlamentarische Initiative Verordnung über das Arbeitsverhältnis der Leiterin oder des Leiters des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 27. Januar 2022 Stellungnahme des Bundesrates vom 16. Februar 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 27. Januar 20221 betreffend die parlamentarische Initiative 21.443 «Verordnung über das Arbeitsverhältnis der Leiterin oder des Leiters des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. Februar 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Mit der am 25. September 2020 vom Parlament verabschiedeten Totalrevision des Datenschutzgesetzes (nDSG)2 wird das Verfahren zur Ernennung der Leiterin oder des Leiters des Eidgenössischen Datenschutz und Öffentlichkeitsbeauftragten (die oder der Beauftragte) geändert: Während die oder der Beauftragte nach dem geltenden Recht vom Bundesrat gewählt wird und diese Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung genehmigt werden muss (Art. 26 Abs. 1 DSG), ist in Zukunft die Vereinigte Bundesversammlung das alleinige Wahlorgan (Art. 43 Abs. 1 nDSG). Damit sollen einerseits die Unabhängigkeit der oder des Beauftragten und ihre bzw. seine demokratische Legitimation gestärkt werden, sowie andererseits dem Parlament mehr Kompetenzen eingeräumt werden.

Aufgrund ihrer Stellung als Wahlorgan ist die Bundesversammlung für den Erlass der Ausführungsbestimmungen zum Arbeitsverhältnis der oder des Beauftragten zuständig. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) hat deshalb am 15. April 2021 beschlossen, diese Arbeit über eine parlamentarische Initiative an die Hand zu nehmen. Die ständerätliche Schwesterkommission stimmte der Initiative am 26. April 2021 zu.

In ihrem Bericht vom 27. Januar 2022 beantragt die SPK-N dem Nationalrat die Zustimmung zum Entwurf der Verordnung über das Arbeitsverhältnis der Leiterin oder des Leiters des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Vorlage 3) sowie zur Änderung des nDSG (Vorlage 1) und zur Änderung des Informationssicherheitsgesetzes vom 18. Dezember 20203 (ISG; Vorlage 2).

Bei den Ausführungsbestimmungen zum Arbeitsverhältnis der oder des Beauftragten folgt die SPK-N dabei dem bereits im nDSG gewählten Konzept: Das Arbeitsverhältnis der oder des Beauftragten soll sich nach dem allgemeinen Bundespersonalrecht richten, soweit spezialrechtlich nichts anderes vorgesehen wird. Abweichungen zum Bundespersonalrecht sind insbesondere dann erforderlich, wenn es die Unabhängigkeit der oder des Beauftragten (Art. 43 Abs. 4 erster Satz nDSG) oder das Verfahren der Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung verlangen. Als zuständige Stellen für die Arbeitgeberentscheide werden die Vereinigte Bundesversammlung und die Gerichtskommission bezeichnet. Weitere Einzelheiten des Arbeitsverhältnisses, welche die SPK-N im Verordnungsentwurf regelt, betreffen
unter anderem die Begründung des Arbeitsverhältnisses und die Amtsdauer, die Besoldung, den Beschäftigungsgrad, den Wohnsitz, die Entbindung vom Amtsgeheimnis, die vorläufige Einstellung im Amt und die Datenbearbeitung.

Die SPK-N stellt ausserdem fest, dass einzelne Ergänzungen des nDSG erforderlich sind. So soll insbesondere eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, welche die

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Bundesversammlung ausdrücklich zum Erlass einer Verordnung über das Arbeitsverhältnis der oder des Beauftragten ermächtigt. Des Weiteren sollen wichtige Bestimmungen (insbesondere zur beruflichen Vorsorge, zur Verwarnung, zum Ausstand und zum Übergangsrecht) auf formell-gesetzlicher Stufe geregelt werden. Gemäss der Mehrheit der SPK-N soll in Artikel 44 Absatz 4 nDSG sodann eine Entschädigung für die Beauftragte oder den Beauftragten bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich ausgeschlossen werden. Eine Minderheit (Widmer Céline, Barrile, Flach, Fluri, Glättli, Gredig, Gysin Greta, Klopfenstein Broggini, Marra, Marti Samira, Masshardt) beantragt dagegen, dass für die Beauftragte oder den Beauftragten eine Abgangsentschädigung nach dem Vorbild der Regelungen für den Bundesanwalt bzw.

die Bundesanwältin sowie die (ordentlichen bzw. hauptamtlichen) Richterinnen und Richter der erstinstanzlichen Bundesgerichte vorgesehen wird.

Im ISG führt die Mehrheit der SPK-N schliesslich eine Ausnahme der oder des Beauftragten von der Personensicherheitsprüfung ein. Eine Minderheit (Addor, Bircher, Buffat, Glarner, Marchesi, Rutz Gregor, Steinemann) ist jedoch der Ansicht, dass für die Beauftragte oder den Beauftragten wie bis anhin eine solche Prüfung durchzuführen ist.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat stimmt dem Bericht und den Erlassentwürfen (Vorlagen 13) der SPK-N zu, mit Ausnahme der Fassung der Mehrheit zu Artikel 44 Absatz 4 nDSG betreffend den Ausschluss der Entschädigung bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Wie die Minderheit der SPK-N ist der Bundesrat der Ansicht, dass für die Beauftragte oder den Beauftragten eine Abgangsentschädigung analog zur Regelung für den Bundesanwalt bzw. die Bundesanwältin sowie die erstinstanzlichen Bundesrichterinnen und -richter vorzusehen ist. Fehlt die Möglichkeit einer Abgangsentschädigung, kann dies die Unabhängigkeit der oder des Beauftragten beeinträchtigen. Sie oder er sollte nicht wegen der finanziellen Konsequenzen einer Nichtwiederwahl in ihrer bzw. seiner Aufsichtstätigkeit beeinflusst werden. Ausserdem wird die oder der Beauftragte durch den Ausschluss der Abgangsentschädigung nicht nur gegenüber anderen von der Vereinigten Bundesversammlung gewählten Personen, sondern auch gegenüber anderen hochrangigen Funktionen der Bundesverwaltung (wie z.B. Amtsdirektorinnen und Amtsdirektoren) schlechter gestellt. Für eine solche Ungleichbehandlung fehlen nach der Ansicht des Bundesrates sachliche Gründe. Die Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht ist auch in den Rechtsakten der EU und des Europarates von zentraler Bedeutung (vgl. dazu insbesondere Art. 15 Abs. 5 des von der Schweiz zu ratifizierenden modernisierten Übereinkommens des Europarates SEV 108 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten4

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Protokoll vom 10. Oktober 2018 zur Änderung des Übereinkommens vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten.

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sowie Art. 42 der Schengen-relevanten Richtlinie [EU] 2016/6805). Zwar enthalten diese Rechtsakte keine konkreten Vorschriften zur Abgangsentschädigung. Gleichwohl könnte sich der Ausschluss der Abgangsentschädigung für die Beauftragte oder den Beauftragten mit Blick auf die entsprechenden völker- und europarechtlichen Vorgaben für die Schweiz an die Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht als problematisch erweisen. Dies gilt umso mehr als in der Schweiz für andere mit Unabhängigkeit ausgestattete Ämter (wie z.B. für den Bundesanwalt oder die Bundesanwältin sowie die Bundesrichterinnen und Bundesrichter) eine Abgangsentschädigung vorgesehen ist.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Eintreten auf die Vorlagen 13 der SPK-N.

Bei Vorlage 1 beantragt der Bundesrat, dem Antrag der Minderheit (Widmer Céline, Barrile, Flach, Fluri, Glättli, Gredig, Gysin Greta, Klopfenstein Broggini, Marra, Marti Samira, Masshardt) zu Artikel 44 Absatz 4 nDSG zuzustimmen.

Bei Vorlage 2 beantragt der Bundesrat, dem Antrag der Mehrheit der SPK-N zu Artikel 29 Absatz 4 Buchstabe ebis ISG zu folgen.

Im Übrigen beantragt der Bundesrat Zustimmung zu den Erlassentwürfen der SPK-N.

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Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89.