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Covid-19-Pandemie: Beschaffung von Schutzmasken Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 18. Februar 2022

2022-0558

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Das Wichtigste in Kürze Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) haben am 18. Mai 2020 beschlossen, im Rahmen einer Inspektion die Massnahmen des Bundesrates und der Bundesverwaltung zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie zu überprüfen. Nach ersten Abklärungen im Jahr 2020 zur Beschaffung von Schutzmaterial entschied die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N), den Fokus ihrer Untersuchung auf die Beschaffung von Schutzmasken in der ersten Phase der Pandemie (Januar ­ Juni 2020) zu legen. Dabei wurde bald deutlich, dass die Frage nach der Angemessenheit der Preise für die beschafften Masken nicht durch die GPKN geklärt werden kann, zumal in diesem Zusammenhang auch zwei Strafverfahren laufen. Die Kommission konzentrierte sich in der Folge auf Fragen zur Beauftragung der Armeeapotheke, zum Ablauf der Maskenbeschaffung und zu Qualitätskontrollen.

Der GPK-N ist es wichtig festzuhalten, dass die zuständigen Personen im Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und insbesondere in der Armeeapotheke unter schwierigen Bedingungen und hohem Druck gearbeitet und grossen Einsatz gezeigt haben. Dass unter diesen Bedingungen Fehler passieren, ist für die Kommission nachvollziehbar. Klar ist auch, dass der Auftrag an die Armeeapotheke aufgrund von Versäumnissen in der Pandemievorsorge nötig wurde, für welche weder die Armeeapotheke noch das VBS verantwortlich sind. All dies rechtfertigt es aus Sicht der GPK-N aber nicht, dass die Probleme und Mängel bei der Maskenbeschaffung durch das VBS seither nach wie vor nicht vollständig und transparent aufgearbeitet wurden.

Fehlende Transparenz Die GPK-N stellt fest, dass die Transparenz in Bezug auf die Maskenbeschaffungen durch die Armeeapotheke nach wie vor ungenügend ist. Seit dem Sommer 2020 werden in Medien und Politik immer wieder Vorwürfe zur Beschaffung der Schutzmasken, deren Preise und Qualität aufgebracht, welche durch das VBS nur ungenügend geklärt wurden. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang ein Bericht der Internen Revision des VBS (IR VBS). Dieser hätte Transparenz schaffen sollen, enthält aber verschiedene Feststellungen und Schlussfolgerungen, die aus Sicht der Kommission nicht genügend abgestützt und nachvollziehbar sind.

Auch für die GPK-N war es schwierig,
klare Auskünfte zu den Prozessen und Abläufen bei der Maskenbeschaffung zu erhalten. Erst als die zuständige Subkommission nach verschiedenen anderen Anhörungen explizit die verantwortlichen Einkäufer der Armeeapotheke für eine Anhörung aufbot, erhielt sie die notwendigen Informationen zu den damaligen Abläufen und Herausforderungen. Und erst zu diesem Zeitpunkt legte das VBS gegenüber der Kommission erstmals offen, dass für die Qualitätskontrolle der Masken zu wenig Ressourcen eingesetzt und daher Möglichkeiten zur Mängelrüge verpasst wurden.

Die GPK-N geht davon aus, dass die laufenden Strafuntersuchungen einige weitere, noch offene Fragen zur Maskenbeschaffung, insbesondere zur Angemessenheit der Preise, klären werden. Sie fordert aber auch das VBS auf, aus der Angelegenheit die nötigen Lehren für die Zukunft zu ziehen.

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Beauftragung der Armeeapotheke Für die GPK-N ist schwer nachvollziehbar, dass der Bundesrat und das VBS die Beauftragung der Armeeapotheke mit einem so grossen und teilweise auch neuartigen Auftrag bezüglich der dafür notwendigen Ressourcen nicht von Anfang an hinterfragten bzw. der Armeeapotheke direkt zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellten. Die Kommission ist der Meinung, dass einige der Mängel bei der Maskenbeschaffung einen direkten Zusammenhang mit den fehlenden Ressourcen haben, insbesondere die lückenhaften Qualitätskontrollen (siehe unten).

Für die Zukunft ist daher aus Sicht der GPK-N zu überlegen, wie die Schweiz in einer ähnlichen Situation besser gerüstet wäre und welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, um solche «Krisenbeschaffungen» soweit wie möglich zu vermeiden.

Qualitätskontrollen Wie das VBS im Laufe der Untersuchung einräumte, wurde die Qualitätskontrolle der gelieferten Masken zu Beginn der Pandemie vernachlässigt. Dadurch wurden Möglichkeiten zur Mängelrüge und allenfalls auch Möglichkeiten, von Verträgen zurückzutreten, verpasst. Die Versäumnisse zu Beginn sind aus Sicht der GPK-N zwar problematisch, angesichts der anfänglich knappen Ressourcen der Armeeapotheke aber teilweise verständlich. Nicht nachvollziehbar ist für die GPK-N aber, dass die Kontrollen der gelieferten Waren später, d.h. im Sommer und Herbst 2020, als sich die Pandemie-Situation entspannt hatte, nicht nachgeholt wurden.

Die Qualitätskontrollen wurden auch dadurch erschwert, dass es in der Schweiz kein Labor gab, welches über eine Akkreditierung für den Test von medizinischen Masken verfügte. Da Schutzmasken in jeder Pandemie ein wichtiges Gut sein dürften, empfiehlt die GPK-N dem Bundesrat, zu prüfen, ob es zweckmässig und wirtschaftlich wäre, wenn die Schweiz über eine Stelle verfügen würde, welche für die Qualitätsprüfung von medizinischen Schutzmasken akkreditiert ist.

Schlussfolgerungen Gravierender als die Mängel bei der eigentlichen Maskenbeschaffung durch die Armeeapotheke ist aus Sicht der GPK-N, 1) dass die Schweiz ungenügend auf eine Pandemie vorbereitet war, 2) dass der Bundesrat und das VBS es bei der Auftragserteilung an die Armeeapotheke versäumt haben, dieser dafür zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen und 3) dass es das VBS und die Armeeapotheke bisher nicht geschafft
haben, für eine genügende Transparenz hinsichtlich der Maskenbeschaffung zu sorgen und seit längerem kursierende Vorwürfe und Fragen zu klären.

Die Mängel in der Pandemievorbereitung wurden vom Bundesrat erkannt, dazu laufen aktuell verschiedene Abklärungen. Die GPK-N erwartet, dass das VBS daneben auch noch grundsätzlicher prüft, welche Rolle und Aufgaben die Armeeapotheke künftig übernehmen soll. Die Kommission wird sich über diese Arbeiten und deren Ergebnisse zu gegebener Zeit informieren lassen.

Was den Aspekt der ungenügenden Transparenz betrifft, geht die GPK-N einerseits davon aus, dass die laufenden Rechtsverfahren diesbezüglich für eine Verbesserung sorgen. Andererseits erwartet sie, dass das VBS im Rahmen seiner Aufarbeitung auch diesbezüglich Lehren zieht und künftig transparenter kommuniziert.

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Bericht 1

Einleitung

Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) haben am 18. Mai 2020 beschlossen, im Rahmen einer Inspektion die Massnahmen des Bundesrates und der Bundesverwaltung zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie zu überprüfen. Um den besonderen Umständen, der Dynamik und der thematischen Breite Rechnung zu tragen, haben die GPK entschieden, die Festsetzung der Untersuchungsschwerpunkte und die Durchführung der Inspektion an ihre Subkommissionen zu delegieren.

Die Subkommission EDA/VBS der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) befasste sich in diesem Rahmen mit der Beschaffung von Schutzmaterial durch die Armeeapotheke sowie deren Rolle und Aufgaben während der Pandemie.

Sie führte dazu im Jahr 2020 erste Abklärungen durch und entschied auf dieser Basis Ende 2020, ihren Fokus im weiteren Verlauf ihrer Untersuchung auf die Beschaffung von Schutzmasken in der ersten Phase der Pandemie (Januar ­ Juni 2020) zu legen.1 Bei ihren Abklärungen konzentrierte sich die GPK-N schliesslich auf folgende Themen: Beauftragung der Armeeapotheke, konkreter Ablauf der Maskenbeschaffung durch die Armeeapotheke und Qualitätskontrolle der Masken (vgl. 3.1 und 4.1).

Die Beschaffung der nötigen Auskünfte durch die Subkommission erwies sich als schwierig und zeitaufwendig. Mehrfach erhielt die Subkommission vom Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) nur ungenügende Auskünfte oder musste wiederholt nachfragen, um die gewünschten Informationen zu erhalten.2 Auf die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen seitens der parlamentarischen Oberaufsicht wird im Kapitel zur Schaffung von Transparenz über die Beschaffungen durch das VBS eingegangen (vgl. 3.2 und 4.2).

Im Rahmen der Abklärungen wurde deutlich, dass die Frage nach der Angemessenheit der Preise, welche die Armeeapotheke für gewisse Masken bezahlte, nicht durch die GPK-N geklärt werden kann. Denn dies hätte bedingt, dass die zuständige Subkommission die zahlreichen, oft unstrukturierten Angebote selber (vor Ort) geprüft hätte.

Dieses Vorgehen hätte den Rahmen der Abklärungen gesprengt, insbesondere, weil dabei auch die Zertifikate und Qualität der Masken hätten analysiert werden müssen.

Im Zusammenhang mit dieser Frage laufen zurzeit aber zwei Strafverfahren. Die Zürcher Staatsanwaltschaft prüft,
ob der Straftatbestand der Wucher erfüllt ist; das Verfahren richtet sich gegen die Emix Trading AG. Gleichzeitig hat die Bundesanwaltschaft gestützt auf Anzeigen eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt sowie zwei namentlich angezeigte Personen aus dem VBS eröffnet, in diesem Verfahren geht es um Vorwürfe betreffend Begünstigung, Amtsmissbrauch, Ungetreue Amtsführung,

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Jahresbericht 2020 der GPK und GPDel vom 26. Jan. 2021 (BBl 2021 570, Ziff. 4.6.1).

Aufgrund der teilweise ungenügenden und verspäteten Rückmeldungen des VBS und des Sitzungsrhythmus der GPK-N wurde die Veröffentlichung des vorliegenden Berichts stark verzögert.

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Anstiftung zur ungetreuen Amtsführung, Urkundenfälschung im Amt, Bestechen und Sich bestechen lassen.

Die Subkommission verlangte im Rahmen ihrer Abklärungen mehrfach schriftliche Auskünfte vom VBS und hörte die zuständigen Personen auf verschiedenen Stufen an, von den Einkäufern der Armeeapotheke über den Beschaffungskoordinator des VBS bis hin zur Departementschefin. Daneben analysierte die Subkommission auch die relevanten Entscheide und Berichte von Armee, VBS und Bundesrat (insbesondere die relevanten Beschlüsse des Bundesrates, den Beschaffungsbericht des VBS3 sowie den Bericht der Internen Revision des VBS [IR VBS] zur Maskenbeschaffung4).

Im folgenden Bericht werden zunächst im nächsten Kapitel die rechtlichen Grundlagen und wesentlichen Vorgaben für die Maskenbeschaffung in der ersten Phase der Pandemie dargelegt. Im Kapitel 3 wird beschrieben, wie die Maskenbeschaffung durch die Armeeapotheke ablief und mit welchen Massnahmen das VBS versuchte, Transparenz über die Beschaffungen herzustellen. Das vierte Kapitel enthält die Bewertung der GPK-N, einerseits zum Ablauf der Maskenbeschaffung und andererseits zu den Massnahmen zur Herstellung von Transparenz. Im abschliessenden fünften Kapitel finden sich die wesentlichen Schlussfolgerungen der Kommission.

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Rechtlicher Rahmen und Vorgaben für die Maskenbeschaffung

2.1

Rechtlicher Rahmen

Weder das Epidemiengesetz (EpG)5 noch das Landesversorgungsgesetz (LVG)6 äussern sich explizit zur Beschaffung und Bevorratung von Schutzmaterial und insbesondere Schutzmasken. Das Epidemiengesetz sieht allerdings vor, dass Bund und Kantone Vorbereitungsmassnahmen für Pandemiefälle treffen (Art. 8). Zu diesen Massnahmen gehört die Erarbeitung von Einsatz- und Notfallplänen wie den Influenza-Pandemieplan Schweiz von 2018.7 Dieser sieht vor, dass die Bevorratung von Schutzmasken nach dem Prinzip der Lastenteilung zwischen den Institutionen des Gesundheitswesens, Kantonen, Bund und Bevölkerung organisiert werden soll. Konkret bedeutet dies, dass nur ein verhältnismässig kleines Pflichtlager für FFP2/3-Masken besteht (190 000 Stück), während für Hygienemasken keine Pflichtlagerung vorgesehen ist.8 Um die Versorgung mit Hygi-

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Beschaffungsbericht des VBS vom 3. Dez. 2020.

Prüfbericht «Beschaffung von Schutzmasken» (Abklärung A 2021-11) der Internen Revision VBS vom 24. März 2021.

Bundesgesetz vom 28. Sept. 2012 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (EpG; SR 818.101).

Bundesgesetz vom 17. Juni 2016 über die wirtschaftliche Landesversorgung (LVG; SR 531).

Influenza-Pandemieplan Schweiz, Bundesamt für Gesundheit, 5. Auflage 2018.

Influenza-Pandemieplan Schweiz, Bundesamt für Gesundheit, 5. Auflage 2018; Kap. 10.1.3.

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enemasken für eine Pandemiedauer von 12 Wochen sicherzustellen, wurden Empfehlungen für Gesundheitsinstitutionen (Spitäler, Alters- und Pflegeheime, Arztpraxen, Apotheken, Spitex etc.) sowie für die Bevölkerung festgelegt. Die Umsetzung der Empfehlungen wurde den jeweiligen Institutionen überlassen.

Artikel 7 des Epidemiengesetzes sieht vor, dass der Bundesrat bei einer ausserordentlichen Lage die notwendigen Massnahmen für die Krankheitsbekämpfung anordnen kann. Gestützt auf diesen Artikel erliess der Bundesrat verschiedene Verordnungen zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie, darunter die Covid-19-Verordnung 2 vom 13. März 20209. Mit der Änderung dieser Verordnung vom 3. April 2020 (Inkrafttreten am 4. April 2020) fügte er Artikel 4f zur Beschaffung von wichtigen medizinischen Gütern ein. Dieser hält fest, dass der Bund zur Unterstützung der Versorgung von Kantonen, Gesundheitseinrichtungen, gemeinnützigen Organisationen und Dritten wichtige medizinische Güter beschaffen kann, falls der Bedarf über die normalen Kanäle nicht gedeckt werden kann (Abs. 1). Für die Beschaffung von Medizinprodukten und Schutzausrüstungen im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ist die Armeeapotheke zuständig (Abs. 3)10.

Die formelle rechtliche Grundlage für die Beschaffungen des Bundes und der Armeeapotheke wurde damit erst Anfang April 2020 geschaffen. Der Bundesrat und das BAG hatten die Armeeapotheke aber auch bereits davor beauftragt, Medizinprodukte und Schutzausrüstung zu beschaffen. Die Aufträge an die Armeeapotheke werden im nächsten Absatz beschrieben.

9 10

Verordnung 2 vom 13. März 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (AS 2020 773).

Für die Beschaffung von Arzneimitteln ist hingegen das BAG im Einvernehmen mit dem Fachbereich Heilmittel der Organisation der wirtschaftlichen Landesversorgung zuständig.

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2.2

Vorgaben und Aufträge an die Armeeapotheke11

Wie unter anderem im Beschaffungsbericht des VBS dargelegt, zeigte sich schon früh, dass die Schweiz zu Beginn der Pandemie nicht über die im Pandemieplan vorgesehenen Reserven an Schutzmaterial und -masken verfügte. Der Beauftragte des Bundesrates für den Koordinierten Sanitätsdienst (KSD)12, der gleichzeitig die Funktion als Oberfeldarzt der Armee wahrnimmt, wies den Bundesrat bereits Ende Februar auf die drohende Knappheit an Schutzmaterial und -masken hin.

Obwohl den Gesundheitseinrichtungen im Pandemieplan empfohlen wird, Material und Masken für eine Pandemiedauer von mindestens 12 Wochen zu lagern, meldeten einige Kantone bereits im März 2020 einen knappen Bestand an Schutzmasken. Auf nationaler Ebene verfügten die Armeeapotheke und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) über gewisse Reserven, welche für rund vier Wochen ausgereicht hätten.

2.2.1

Aufträge vom 12. und 18. März 2020

Der Beauftragte des Bundesrates für den KSD wurde vom Generalsekretär des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) und dem Direktor des BAG am 12. März 2020 beauftragt, die Beschaffung von Schutzmaterial und insbesondere Schutzmasken einzuleiten. Gemäss dem Beauftragten für den KSD umfasste der Auftrag die Beschaffung von je 3 Millionen Hygiene- und FFP2-Masken: dabei wurde der Kalkulationspreis13 auf Fr. 2.­ pro Hygienemaske und Fr. 10.­ pro FFP2-Maske festgelegt.

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12 13

Das VBS stellte sich im Rahmen der Verwaltungskonsultation auf den Standpunkt, dass Verhandlungen des Bundesrates und das Mitberichtsverfahren gemäss Art. 21 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG, SR 172.010) nicht öffentlich sind. Entsprechend seien die Aussagen zu den Verhandlungen im Bundesrat und zu allfälligen Mitberichten als vertrauliche Informationen zu klassifizieren und dürften nicht veröffentlicht werden. Die GPK-N hält hierzu fest, dass gemäss dem Kommentar zum RVOG (Sägesser, Thomas, 2007) der Begriff «nicht öffentlich» nicht gleichzusetzen ist mit «geheim» oder «vertraulich». Im Kommentar wird weiter ausgeführt, dass der Sinn und Zweck der Nicht-Öffentlichkeit darin liegt, dem Bundesrat eine offene Willensbildung und Konsensbildung zu ermöglichen.

Die besagte Bestimmung des RVOG bedeutet nach Ansicht der GPK aber nicht, dass die Entscheidfindung des Bundesrates im Nachgang grundsätzlich nicht untersucht werden darf. Damit die GPK die Geschäftsführung des Bundesrates überprüfen können, haben sie Zugang zu diesen Unterlagen. Sie üben bei deren Nutzung Zurückhaltung und beziehen sich nur soweit auf diese Dokumente, wie es für die Wahrnehmung ihres gesetzlichen Auftrags bzw. für die Nachvollziehbarkeit ihrer Bewertung nötig ist. Falls gewisse Informationen aus Sicht der Departemente dennoch nicht veröffentlicht werden sollten, müssen diese im Einzelfall begründen, welches übergeordnete Interesse der Veröffentlichung einer konkreten Information entgegensteht. Ein allgemeiner Verweis auf Art. 21 RVOG, wie er vom VBS vorgebracht wurde, genügt dabei nicht.

Die Aufgaben und die Organisation des KSD sind in der Verordnung vom 27. April 2005 über den Koordinierten Sanitätsdienst (VKSD, SR 501.31) geregelt.

Der Kalkulationspreis ist grundsätzlich nicht als Maximalpreis zu verstehen, sondern diente der Berechnung des benötigten Kreditrahmens. Er wurde anhand beobachteter Preise berechnet, die sich im oberen Quartil der bisherigen Marktpreise bewegten.

Die Einkäufer waren aber natürlich angehalten, nicht über diesem Preis einzukaufen.

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Gestützt auf die Liste «Bedarf Medizinprodukte / Durchhaltefähigkeit 60 Tage» vom 16. März 2020 folgte am 18. März 2020 ein weiterer Auftrag für die Beschaffung von 75 Millionen Hygienemasken zu einem kalkulatorischen Preis von Fr. 1.50 pro Hygienemaske. Mit diesem Auftrag wurde gemäss den Befragten bereits die Umsetzung des anstehenden Beschlusses des Bundesrates vom 20. März 2020 eingeleitet (vgl. 2.2.2).

2.2.2

Beschlüsse des Bundesrates vom 20. März 2020

Am 20. März 2020 entschied der Bundesrat über verschiedene Massnahmen zur Abfederung der Auswirkungen des Coronavirus auf Wirtschaft und Gesellschaft.

Im Antrag des EDI vom 17. März 202014 wird darauf hingewiesen, dass das BAG zusammen mit einer Arbeitsgruppe des Bundesstabs Bevölkerungsschutz den Bedarf an Schutzmaterial ermittelt und abgeschätzt habe. Die zuständigen Stellen (der KSD und das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung [BWL]) würden die Liste zur Beschaffung dieser Güter nutzen, dabei solle grundsätzlich alles verfügbare Material so rasch wie möglich beschafft werden. Der KSD prüfe zudem, ob für Güter, die auf dem internationalen Markt nicht mehr verfügbar seien, eine Inlandproduktion möglich sei.

Im Antrag finden sich keine Informationen oder Überlegungen zu den (personellen) Ressourcen, welche für die Beschaffungen nötig sind. Es wird auch nicht erwähnt, dass die Armeeapotheke bei der konkreten Beschaffung eine wesentliche Rolle spielen wird.

Im Antrag des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) vom 19. März 2020 werden die verschiedenen Abfederungs-Massnahmen zusammengefasst und deren Auswirkungen auf den Bundeshaushalt erläutert. Im Antrag wird erwähnt, dass zur Bekämpfung der Corona-Pandemie dringende Beschaffungen für Sanitätsmaterial durch die Armeeapotheke anstehen, namentlich Masken, Operationsschürzen, Beatmungsgeräte und Defibrillatoren. Für diese Beschaffungen werden 350 Mio. Franken veranschlagt (darin enthalten ist ein vorsorglich beantragter Betrag von 50 Mio. Franken für die Beschaffung von Impfstoffen, die damals noch nicht existierten). Aus diesem Antrag wird erstmals klar ersichtlich, dass die Armeeapotheke für die Beschaffung der Schutzmaterialien zuständig ist. Abgesehen davon finden sich im Antrag aber keine weiteren Informationen oder Überlegungen zu den (personellen) Ressourcen, welche für die Beschaffungen nötig sind.

Es gibt weder zum Antrag des EDI noch zum Antrag des EFD einen Mitbericht des VBS.

In einer Informationsnotiz des VBS vom 31. März 2020 zum Assistenzdienst der Armee zur Unterstützung der zivilen Behörden äussert sich das VBS an verschiedenen

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Bundesratsbeschluss vom 20.3.2020, Weitere Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19), gestützt auf den Antrag des EDI vom 17.3.2020 bzw. die neue Fassung des Antrags vom 19.3.2020.

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Stellen zur Armeeapotheke. Es hält dabei fest, dass die Armeeapotheke als Beschaffungsbehörde des Bundes im Auftrag des BAG einen Grossteil der schweizweit vom zivilen Gesundheitssystem benötigten medizinischen Versorgungsgüter einkauft.

Aufgrund der schwierigen Lage auf dem Weltmarkt seien diese Güter hart umkämpft.

Der Beschaffungsbereich der Armeeapotheke sei daher durch Mitarbeitende aus anderen Departementsbereichen verstärkt und ein übergreifender Einkaufskoordinator eingesetzt worden (vgl. dazu auch Kap. 3.1.1).

2.2.3

Beschluss des Bundesrates vom 3. April 2020

Auf Antrag des EDI vom 2. April 2020 beschloss der Bundesrat am 3. April 2020 eine Änderung der Covid-19 Verordnung 2 vom 13. März 202015. Mit dieser Änderung wurden verschiedene Bestimmungen betreffend die Beschaffung von Schutzmaterial eingefügt. Mit Hilfe einer Meldepflicht (Art. 4e) soll der Bestand an Schutzmaterial erhoben und, gestützt darauf, die fehlenden Güter beschafft werden. Im neuen Artikel 4f der Verordnung ist festgehalten, dass der Bund zur Unterstützung der Versorgung der Kantone, ihrer Gesundheitseinrichtungen, von gemeinnützigen Organisationen (z. B. Schweizerisches Rotes Kreuz) und von Dritten (z. B. Labors, Apotheken) selber wichtige medizinische Güter beschaffen kann, falls der Bedarf über die normalen Beschaffungskanäle nicht gedeckt werden kann.

Im Antrag des EDI ist festgehalten, dass die Armeeapotheke für die Beschaffung dieser Güter zuständig ist. In seinem Beschluss beauftragt der Bundesrat das EDI bzw.

das BAG daher, den Vollzug der Beschaffungsorganisation in Absprache mit dem VBS bzw. dem KSD zu organisieren. Das VBS hat zu diesem Geschäft keinen Mitbericht verfasst.

2.2.4

Beschluss des Bundesrates vom 8. April 2020

Am 8. April 2020 beschloss der Bundesrat auf Antrag des VBS vom 7. April 2020, im Rahmen einer Nachmeldung zum Nachtragskredit I 2020 2.1 Mrd. Franken für die dringliche Beschaffung von Sanitätsmaterial bereitzustellen (davon 700 Mio. Franken mit Vorschuss). Für die Beschaffung von Schutzmasken war dafür etwas mehr als die Hälfte der 2.1 Mrd. Franken vorgesehen.16 Im Antrag legt das VBS dar, dass die Armeeapotheke gestützt auf Artikel 4f der Covid-19-Verordnung 2 und auf der Basis der Bedarfsmeldungen des BAG zuständig ist für die Beschaffung von fehlenden medizinischen Güter, insbesondere Schutzmasken. Der Bundesrat hatte dazu am 20. März 2020 bereits einen Nachtrag zum Budget 15 16

Verordnung 2 vom 13.3.2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19), (COVID-19-Verordnung 2; AS 2020 1155).

Gemäss Beschaffungsantrag des BAG vom 4. April 2020 waren dabei rund 470 Mio.

Franken für die Beschaffung von Hygienemasken für das Gesundheitswesen und Pflegepersonal vorgesehen, weitere 495 Mio. Franken für die Beschaffung von FFP-Masken für das Pflegepersonal und 198 Mio. Franken für Masken für Berufstätige («BAG Liste 2, vgl. Beschaffungsbericht des VBS vom 3. Dez. 2020, S. 12).

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beschlossen, dem die Finanzdelegation (FinDel) anschliessend zustimmte. Damals waren die Beschaffungen auf eine Durchhaltefähigkeit von 60 Tagen ausgelegt. Da das BAG unterdessen entschieden hatte, Sanitätsmaterial für weitere vier Monate zu beschaffen, wurde ein erneuter Nachtrag notwendig.

3

Beschaffung der Schutzmasken

3.1

Ablauf der Maskenbeschaffung

Im folgenden Absatz wird die Maskenbeschaffung durch die Armeeapotheke beschrieben. Diese erfolgte gestützt auf die Covid-19 Verordnung 2 (vgl. 2.2.3).

Die Armeeapotheke hatte nicht nur den Auftrag, extrem grosse Mengen an Masken einzukaufen, sondern auch, diese möglichst schnell zu beschaffen. Die Beschaffungen unterlagen daher nicht dem geltenden Beschaffungsrecht. Das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen vom 16. Dezember 199417 sieht in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b vor, dass ein Auftrag nicht nach den Bestimmungen des Gesetzes vergeben werden muss, wenn der Schutz von Gesundheit und Leben von Mensch, Tier und Pflanzen dies erfordert18. Das EDI verwies in seinem Antrag an den Bundesrat vom 2. April 2020 zudem auf Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung vom 11. Dezember 199519 über das das öffentliche Beschaffungswesen. Dieser sieht vor, dass dringliche Beschaffungen freihändig erfolgen dürfen.

Einleitend ist weiter festzuhalten, dass die Armeeapotheke normalerweise lediglich zuständig ist für die Versorgung der Armee mit Sanitätsmaterial sowie für die Versorgung von Armee und Bundesverwaltung mit Arzneimitteln. Mit den Aufträgen des Bundesrates in der Pandemie wurde die Armeeapotheke dann zuständig für die Versorgung des ganzen Landes mit Schutzmasken und anderem Sanitätsmaterial.

3.1.1

Organisation und Ressourcen der Armeeapotheke

Wie oben erwähnt, ist die Armeeapotheke grundsätzlich zuständig für die Beschaffung von Sanitätsmaterial für den Armeebedarf und die Versorgung von Armee und

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Bundesgesetz vom 16. Dez. 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; AS 1996 508). Das BöB wurde auf den 1. Januar 2021 geändert.

Dieselben Ausnahmebestimmungen finden sich auch in der heute geltenden Fassung vom 21. Juni 2019 (Art. 10 Abs. 4 Bst. a und b; SR 172.056.1).

Verordnung vom 11. Dez. 1995 über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB; AS 1996 518). Die Verordnung wurde auf den 1. Januar 2021 geändert.

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Bundesverwaltung mit Arzneimitteln.20 Diese Aufgabe wurde vom Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) an die Armeeapotheke delegiert. Die Armeeapotheke hat dazu als einzige Organisation der Bundesverwaltung eine Grosshandelsbewilligung für Arzneimittel; sie kann diese importieren, exportieren oder selber herstellen.

Gemäss den Aussagen der befragten Personen waren die Grosshandelsbewilligung der Armeeapotheke und die Tatsache, dass die Armeeapotheke auch sonst Schutzmaterial beschafft, die beiden ausschlaggebenden Gründe, weshalb der Bundesrat die Armeeapotheke und nicht Armasuisse oder das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) mit der Beschaffung der Schutzmaterialien und insbesondere der Schutzmasken beauftragte.

In der Armeeapotheke ist der Teilbereich Einkauf zuständig für die Evaluation der Produkte am Markt und die Verhandlungen mit den Lieferanten. Die Vorgaben an die zu beschaffenden Produkte werden im Normalfall im Fachbereich Entwicklung definiert. Während der Pandemie kamen die Vorgaben für das zu beschaffende Schutzmaterial direkt vom BAG.

Der Teilbereich Einkauf der Armeeapotheke verfügte vor der Pandemie über 2.5 Stellen (zwei Einkäufer und eine Chefin, die zwei Teilbereiche führte). Die Einkäufer verfügten beide über langjährige Erfahrung im Bereich der Beschaffung von Medizinprodukten. Sie waren zu Beginn alleine zuständig für die Beschaffung der Schutzmaterialien und insbesondere auch für die Sichtung aller Angebot, die nach der Veröffentlichung der Beschaffungsliste am 20. März 2020 eingingen.21 Am 26. März 2020 setzte das VBS Brigadier Markus Näf als «Beschaffungskoordinator Corona VBS» ein. Dieser leitete die Taskforce «Beschaffungskoordination Corona VBS», koordinierte zwischen den einzelnen Departementen, den verschiedenen Einheiten im VBS und weiteren Anspruchsgruppen und rapportierte dem Chef der Armee sowie dem Generalsekretär VBS. Die Verantwortung für die einzelnen Beschaffungen lag aber weiterhin bei der Linie, d. h. dem Einkauf der Armeeapotheke. Der Koordinator hatte daher keine Bestell- und Finanzkompetenzen. Gemäss den befragten Personen sorgte sein Einsatz für eine spürbare Entlastung der Armeeapotheke und deren Einkäufer.

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21

Das VBS wies in seiner Stellungnahme zum vorliegenden Bericht darauf hin, dass die Armeeapotheke in der normalen Lage Medizinprodukte und nicht per se «Schutzmaterial» beschaffe: «Viele der Produkte, welche in der Covid-19-Pandemie zum Einsatz kommen (z. B. FFP2-Atemschutzmasken, Ganzkörperschutzanzüge oder Schutzbrillen), sind keine Medizinprodukte, sondern persönliche Schutzausrüstungen (PSA). Diese fallen damit nicht in den normalen Zuständigkeitsbereich der Armeeapotheke. Medizinische Gesichtsmasken (Hygienemasken gemäss der Norm EN 14683) gelten allerdings als Medizinprodukte. Deshalb verfügt die Armeeapotheke über gewisse Erfahrungen in der Beschaffung von Hygienemasken und hatte bereits vor der Pandemie Kontakte zu Lieferanten.» Gemäss Vertretern der Armeeapotheke begann die Armeeapotheke gestützt auf eine Lagebeurteilung des Oberfeldarztes im Januar 2020 mit der Beschaffung von FFP2Schutzmasken. Diese waren damals ausschliesslich für den Einsatz in den Medizinischen Zentren der Armee und den Sanitätsformationen gedacht.

Diese Liste führte die zu beschaffenden Güter und die Armeeapotheke als zuständige Stelle auf und war eigentlich zur Veröffentlichung vorgesehen.

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Im Nachgang zur Einsetzung des Beschaffungskoordinators wurde die Armeeapotheke für das Triagieren der Angebote zudem mit drei Milizangehörigen des Sanitätslogistikbataillons verstärkt. Ab April wurde der Einkauf Armeeapotheke dann mit sechs Einkäufern von Armasuisse verstärkt. Diese hatten aber nicht die nötigen Kenntnisse für die Pandemiebeschaffungen, sie kümmerten sich aber um das Tagesgeschäft und sorgten so für eine Entlastung.

Insgesamt wurden Ende März 2020 also verschiedene Massnahmen zur Entlastung der Armeeapotheke getroffen. Allerdings gaben die Einkäufer der Armeeapotheke auch an, dass der Höhepunkt bei den Beschaffungen in der 1. Welle am 29. März 2020 erreicht worden sei, nachher habe sich die Situation bereits wieder stabilisiert.22 Exkurs: Neuunterstellung der Armeeapotheke während der Pandemie Wie im Jahresbericht 2020 der GPK festgehalten23, liess sich die Subkommission EDA/VBS schon im Jahr 2020 über die Gründe für die organisatorische Neuansiedlung der Armeeapotheke mitten in der Krise bzw. ersten Phase der Pandemie informieren. Die Armeeapotheke wurde 2018 von der Logistikbasis der Armee (LBA) in den Armeestab verschoben, bevor sie am 18. Mai 2020 erneut der LBA unterstellt wurde.

Die befragten Personen aus dem VBS räumten ein, dass der Grund für die 2018 erfolgte Verschiebung der Armeeapotheke in den Armeestab aus personellen Gründen bzw. aufgrund von persönlichen Konflikten beschlossen wurde, «sachlich und fachlich» habe es für die Neuunterstellung nie einen Grund gegeben.

Eine Rückführung der Armeeapotheke in die LBA hätte man sowieso prüfen müssen, dieser Prozess sei dann durch die Covid-19-Krise bzw. die Beauftragung der Armeeapotheke mit der Beschaffung von Schutzmaterialien beschleunigt worden.

Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Armeeapotheke nicht auf diese Beschaffungsvolumina ausgerichtet war. Erschwerend hinzugekommen sei aber auch, dass ein Teil der Leitung der Armeeapotheke aufgrund gesundheitlicher Bedenken von Zuhause aus arbeitete und dass sich in der Krise zeigte, dass der Bereich der Armeeapotheke, welcher für die Versorgung mit medizinischen Gütern zuständig war, über ungenügende Prozesse verfügte. In der Armeeapotheke gibt es zwei Teile: Der «Apothekerteil», zu dem die Produktion pharmazeutischer Güter gehört, und der «Logistikteil», welcher
zuständig ist für die Versorgung der Armee mit pharmazeutischen und medizinischen Gütern. Letzterer wurde gemäss den Befragten in den letzten Jahren vernachlässigt und es zeigte sich, dass dieser für eine Mobilmachung in einer Krisensituation nicht gewappnet war.

Der Chef der Armee beschloss daraufhin in Absprache mit der Departementsführung des VBS, die Armeeapotheke ab dem 18. Mai 2020 wieder in die LBA einzugliedern. Gemäss VBS wurden mit dieser Rückführung die Logistikprozesse in der

22

23

Das VBS weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass diese Aussagen nicht den Aussagen im Beschaffungsbericht entsprechen. Gemäss diesem Bericht, welcher sich auf die damaligen Informationen an den Bundesrat und des Lagebulletins der Sanität stützt, war die Situation bis Mitte Mai 2020 angespannt.

Jahresbericht 2020 der GPK und GPDel vom 26. Jan. 2021 (BBl 2021 570, Ziff. 4.6.1).

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Armeeapotheke gestärkt und auch viele der festgestellten Beschaffungsprobleme gelöst.

3.1.2

Beschaffungsentscheide

In der normalen Lage beschafft die Armeeapotheke hauptsächlich am Schweizer Markt, bei Stammlieferanten und deutlich kleinere Mengen. Auf internationale Beschaffungen war sie gemäss den angehörten Personen nicht vorbereitet. Ebenso verhält es sich mit dem Beschaffungsvolumen. Zur Veranschaulichung: Der Jahresbedarf an Hygienemasken der Armee liegt bei 200 000 bis 300 000 Stück. Mit den Aufträgen vom 20. März 2020 und vom 8. April 2020 wurde von der Armeeapotheke hingegen die Beschaffung von 75 Mio.24 und 400 Mio.25 Hygienemasken gefordert.

Die Beschaffungen sollten zudem «möglichst schnell» erfolgen. Zum Vergleich: Normalerweise dauert eine Beschaffung einer solchen Menge gemäss den Einkäufern der Armeeapotheke rund ein Jahr.

Wie bereits oben erwähnt, oblag die Evaluation der Angebote dem Teilbereich Einkauf der Armeeapotheke. Die zuständigen Personen (drei Personen, 2.5 Stellenprozente) der Armeeapotheke sortierten die Angebote zu Beginn nach Qualität (man beschaffte nur zertifizierte Masken), Menge (möglichst grosse Mengen wurden bevorzugt), Verfügbarkeit und Lieferort (die Masken mussten sofort verfügbar sein und die Lieferung in die Schweiz vom Anbieter sichergestellt werden). Dabei zeigte sich schnell, dass eine grosse Zahl der Angebote gar nicht in Frage kam, da sie die Anforderungen an die Qualität und Zertifizierung nicht erfüllten. Die angebotenen Mengen waren zudem oft nur sehr kurzfristig verfügbar, so dass innerhalb von wenigen Stunden entschieden werden musste. Ebenso kam es regelmässig vor, dass Masken verfügbar waren, es aber an Liefer- bzw. Transportmöglichkeiten in die Schweiz fehlte.

Aufgrund der vielen unstrukturierten Angebote erstellte die Armeeapotheke dann einen Fragebogen für die Anbieter. Nach der Einsetzung des Beschaffungskoordinators erarbeitete die Armeeapotheke als Sofortmassnahme einen Prozess zur Strukturierung der Angebote und schuf dann in einem weiteren Schritt eine Beschaffungsplattform, welche eine standardisierte Bearbeitung der Angebote erlaubte.

Neben der ersten Prüfung der Angebote durch den Einkauf (kommerzielle Prüfung) wurden die Angebote in einer zweiten Phase durch den Teilbereich Entwicklung geprüft.26 Der Entscheid über die Annahme oder Ablehnung eines Angebots wurde vom Chef des Bereichs Medizinprodukte und -technik getroffen. Die rechtsgültigen
Bestellungen wurden vom Oberfeldarzt als Chef der Organisationseinheit Sanität (vor der Rückführung der Armeeapotheke in die LBA die vorgesetzte Stelle der 24 25 26

BAG-Liste 1 (Stand vom 17.3.2020), vgl. Beschaffungsbericht des VBS vom 3. Dez. 2020, S. 11.

BAG-Liste 2 (Stand vom 4.4.2020), vgl. Beschaffungsbericht des VBS vom 3. Dez. 2020, S. 12.

Dabei wurden aufgrund der Dringlichkeit lediglich die Zertifikate bzw. Unterlagen zur Zertifizierung geprüft. Zusätzlich wurden Stichproben der gelieferten Masken im Labor Spiez geprüft.

13 / 28

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Armeeapotheke) und vom Chef des Bereichs Logistik der Armeeapotheke unterschrieben, ausser einer Bestellung vom Chef Armeeapotheke (i.V.) und vom Chef des Bereichs Logistik der Armeeapotheke.

Die Einkäufer der Armeeapotheke gaben an, dass bis zum Bundesratsbeschluss vom 20. März 2020 in der Armeeapotheke relativ wenig Angebote eingingen, bis zu diesem Zeitpunkt habe man die Situation gut bewältigen können. Gemäss dem Beschaffungsbericht des VBS vom 3. Dezember 2020 hat die Armeeapotheke in der Woche vom 23.­29. März dann aber mehrere hundert Angebote erhalten.

Was die Kalkulationspreise (und in der Realität auch Maximalpreise27) der zu beschaffenden Masken betrifft, wurden diese gemeinsam vom BAG, der Armeeapotheke und der Taskforce Beschaffungskoordination Corona VBS festgelegt. Die Preise wurden auf der Basis der damals beobachteten Marktpreise bestimmt, mit dem Ziel, dass man auch bei sich weiter verschärfenden Marktbedingungen noch Einkäufe tätigen kann. Sie waren nicht zur Veröffentlichung bestimmt, wurden aber am Osterwochenende 2020 durch eine Indiskretion publiziert. Ob diese Veröffentlichung einen Einfluss auf die angebotenen Preise hatte, kann angesichts der Volatilität des Marktes aus Sicht des VBS und der befragten Personen nicht abschliessend geklärt werden, sie dürfte die Verhandlungsposition der Armeeapotheke aber sicher eher geschwächt haben.

Der Beschaffungskoordinator des VBS hielt gegenüber der zuständigen Subkommission auch klar fest, dass man in der Krisensituation Ende März 2020 einen Beschaffungsauftrag hatte, gemäss dem die Sicherstellung der Versorgung wichtiger war als der Preis. Sofern die Qualität stimmte, seien daher für den Zuschlag nicht der Preis, sondern in erster Linie die Lieferfrist und der Lieferort entscheidend gewesen.

Nachdem sich die Situation am Beschaffungsmarkt im April leicht entspannte, erstellte die Armeeapotheke in Zusammenarbeit mit dem Verband Swiss MedTech eine webbasierte Beschaffungsplattform. Auf dieser publiziert die Armeeapotheke ab Anfang Mai ihre Marktanfragen für Medizinprodukte, allfällige Anbieter können darauf gestützt Angebote einreichen. Die Angebote müssen dabei in strukturierter Form erfolgen, damit diese rasch und einfach verglichen werden können.

27

Vgl. Fussnote 13

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Fokus: Bestellungen bei der Firma Emix Trading AG In Medien und Öffentlichkeit gaben insbesondere die Beschaffungen von FFP2Masken bei der Firma Emix Trading AG bzw. deren Preise zu reden.

Beschaffungen bei der Emix Trading AG Zeitpunkt

Menge

Stückpreis

Genauere Bezeichnung

1

2.­ 8.3.2020

50 000

8.90 CHF FFP2-Schutzmaske TE YIN

2

16.­22.3.2020

400 000

9.90 CHF FFP2-Schutzmaske TE YIN

3

16.­22.3.2020

460 060

9.50 CHF FFP2-Schutzmaske TE YIN

4

23.­29.3.2020 10 459 000

0.85 CHF OP-Maske Typ II 90X180MM

5

23.­29.3.2020

8.50 CHF FFP2-Schutzmaske TE YIN

582 500

Quelle: Beschaffungsbericht des VBS vom 3. Dez. 2020

Die erste Maskenbestellung bei Emix wurde noch über das Budget der Armee finanziert. Die übrigen Beschaffungen erfolgten dann auf der Basis des Beschaffungsauftrags des Bundesrates und zulasten des Covid-19-Kredits.

Die zweite und dritte Bestellung bei Emix wurden beide am 17. März 2020 getätigt, offenbar schon in Antizipation des Auftrags des Bundesrates vom 20. März 2020. Die Bestellungen basieren dabei auf Offerten von Emix vom 4. März (Bestellung 2) und vom 17. März (Bestellung 3), mit vereinbarter Lieferung am 24. März (Bestellung 2) und 31. März (Bestellung 3). Der wesentliche Grund für die Berücksichtigung dieser Angebote war gemäss allen Befragten, dass die Emix die Masken sehr schnell und direkt in die Schweiz bzw. die Lager der Armeeapotheke liefern konnte. Die Firma sei zum damaligen Zeitpunkt die einzige gewesen, welche rasch grosse Mengen an Atemschutzmasken habe liefern können. Zudem sei Emix bereit gewesen, ohne Anzahlung und gegen Rechnung zu liefern, die Bezahlung musste erst nach Liefereingang und Qualitätsprüfung erfolgen.

Die GPK-N erkundigte sich mehrmals beim VBS, welche anderen Angebote für FFP2-Schutzmasken zum Zeitpunkt der Bestellung bei Emix vorlagen. Das VBS hielt dazu fest, dass Emix zu diesem Zeitpunkt die einzige Firma gewesen sei, die rasch grosse Mengen in die Schweiz liefern konnte. Mehr als ein Jahr und mehrere tausend Angebote später könne nicht mehr rekonstruiert werden, welche anderen Angebote zum Zeitpunkt der Bestellungen bei Emix vorlagen.

Ob man zum damaligen Zeitpunkt eine vollständige Übersicht hatte und alle vorliegenden Offerten sichten konnte, ist nicht ganz klar und es liegen dazu teilweise widersprüchliche Aussagen vor. Das VBS gab an, dass es zu Beginn der Krise derart viele unstrukturierte Angebote gab, dass heute nicht mehr alles rekonstruiert werden könne. Gemäss den Einkäufern der Armeeapotheke hingegen erhielt man bis zum 20. März 2020 nur wenige Angebote und habe die Situation gut meistern können. Das spricht dafür, dass die Armeeapotheke in dieser Zeit auch tatsächlich alle Offerten prüfen und vergleichen konnte. Ebenfalls dafür spricht auch der relativ lange Zeitraum zwischen dem Angebot von Emix vom 4. März und der 15 / 28

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Bestellung vom 17. März 2020 (Bestellung 2). Umgekehrt gaben die Einkäufer der Armeeapotheke aber auch an, dass nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden kann, dass es auch bessere Angebote gab, denn man habe so viele Angebote erhalten.

Das VBS hielt fest, dass die Armeeapotheke vor der Pandemie keine Geschäftskontakte zu Emix hatte. Die Emix habe Kontakt mit Armasuisse aufgenommen, diese leitete dann den Kontakt an die Armeeapotheke weiter. Die Einkäufer der Armeeapotheke gaben zudem an, dass sie weder im Fall Emix noch in einem anderen Fall einer Einflussnahme oder Druck von oben ausgesetzt waren, um eine bestimmte Firma zu berücksichtigen bzw. eine Bestellung auszulösen. Der Beschaffungskoordinator des VBS war gemäss eigenen Angaben in die Beschaffungen bei Emix nicht involviert, da er damals noch gar nicht in dieser Funktion war.

3.1.3

Kontrolle Wareneingang und Qualität

Die Armeeapotheke bzw. der Fachbereich Entwicklung prüfte im Vorfeld der Bestellung jeweils die Dokumentenlage zum jeweiligen Produkt (Zertifikate, Prüfberichte etc.). Für die Kontrollen nach der Anlieferung der Produkte und Masken ist dann auch wieder der Fachbereich Entwicklung zuständig. Dabei wurden gemäss der gängigen «Good Distribution Practice» Stichprobenkontrollen durchgeführt und geprüft, ob die Lieferung und die gelieferte Menge der Bestellung entspricht. Zudem wurde von jedem gelieferten Maskentyp eine Maske entnommen, um die Qualität zu prüfen.

Dabei stellten sich gemäss den befragten Personen zwei wesentliche Herausforderungen: Die grossen Mengen und die Prüfung der Maskenqualität.

­

Mengen: Die Armeeapotheke verfügte nicht über die Infrastruktur, um eine solche Menge an Waren zu kontrollieren und einzulagern. Daher wurde schon früh externer Lagerraum bei der Firma Planzer in Pratteln und Bern dazu gemietet; diese prüfte den Wareneingang mengenmässig. Abgesehen von der Prüfung der Mengen oblag die weitere Kontrolle aber weiterhin der Armeeapotheke, welche täglich einen Mitarbeitenden in die dazugemieteten Lager schickte. Dieser machte vor Ort Stichprobenkontrollen. Dabei ging es vor allem darum, zu prüfen, ob die Ware unbeschädigt war und ob sich auch in allen Kisten einer Palette dasselbe, bestellte Material befand. Aufgrund der grossen Mengen ­ gemäss dem Beschaffungskoordinator wurden rund 18 000 Paletten Material geliefert ­ war dies aber nicht in dem Umfang möglich, der eigentlich erforderlich gewesen wäre.

­

Prüfung der Maskenqualität: In der Schweiz gab und gibt es keine Stelle, welche akkreditierte Prüfungen für FFP- und Hygienemasken durchführen kann.

Weil Prüfungen im Ausland nicht möglich waren und es unmöglich ist, in wenigen Wochen ein akkreditiertes Prüfverfahren einzuführen, entwickelte das Labor Spiez ein behelfsmässiges Ad-hoc-Verfahren. Dieses hatte zum Ziel, offensichtliche Qualitätsmängel festzustellen und zu prüfen, ob die Masken überhaupt eine Schutzwirkung aufweisen. Die Filterleistung der Masken wurde mit Hilfe eines Vergleichs mit einer im Haus verfügbaren Referenz

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geprüft, das Labor konnte mit seinen verfügbaren Mitteln aber nicht feststellen, ob die Filterleistung tatsächlich auch den Normanforderungen für Hygiene- oder FFP-Masken entspricht. Das Labor wies daher auch immer darauf hin, dass es sich bei seinen Prüfungen nicht um akkreditierte, sondern um behelfsmässige Prüfungen handelte.

Die geschilderten Umstände führten gemäss den befragten Personen letztlich dazu, dass die angelieferten Waren und Masken nicht genügend kontrolliert werden konnten. Dies bestätigte der Prüfbericht der IR VBS. Dieser hielt fest, dass nur sehr wenige formale Mängelrügen ausgestellt wurden, was darauf hindeute, dass den gängigen Qualitätsbestrebungen nicht vollumfänglich nachgekommen wurde.28 Sowohl die Vertreter der Armeeapotheke als auch die Departementsleitung räumten gegenüber der zuständigen Subkommission ein, dass man im Nachhinein betrachtet zu wenig Ressourcen für die Qualitätskontrolle eingesetzt und es dadurch verpasst habe, rechtzeitig Mängelrügen anzubringen.29 Soweit die Stichproben Mängel aufgezeigt hatten, habe man von den Lieferanten verlangt, die Mängel zu beheben.

Fokus: Maskenaustausch durch die Firma Emix Am 8. März 2021 teilte das VBS mit, dass die Armee ein Kulanzangebot der Firma Emix angenommen habe, wonach diese sämtliche noch bei der Armeeapotheke eingelagerten FFP2-und KN95-Masken freiwillig und kostenlos durch frische FFP2-Masken austauscht. Die Armee konnte mit dem Tausch die Zahl der eingelagerten Masken, die bis Ende 2022 ihr Ablaufdatum erreichen, vermindern. In der Mitteilung wurde ausserdem festgehalten, dass die ursprünglich gelieferten Masken bei ihrer Lieferung «von einem bundeseigenen, nicht akkreditierten Labor überprüft und für brauchbar befunden» wurden. Aufgrund des Austausches verzichte die Armee auf eine weitere Prüfung der Masken.

Der Austausch warf in Medien, Öffentlichkeit und in der GPK-N einige Fragen auf. Insbesondere stellte sich die Frage, ob die teuer eingekauften Masken qualitativ tatsächlich genügten und, falls nicht, ob die Armeeapotheke aufgrund der ungenügenden Qualität nicht hätte vom Verkauf zurücktreten und ihre Zahlung zurückfordern sollen.

Ein Rechtsgutachten, welches die Armee im Februar 2021 in Auftrag gab und welches der zuständigen Subkommission vorgelegt wurde, zeigt, dass die Experten von einem solchen
Vorgehen abrieten. Ihrer Ansicht nach waren die Voraussetzungen für die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen infolge Willensmängel (Irrtum, absichtliche Täuschung), Übervorteilung, Sachmängel oder

28 29

Bericht der Internen Revision VBS vom 24.3.2021: Prüfbericht «Beschaffung von Schutzmasken», Abklärung A 2021-11, S. 14.

Das VBS hielt in seiner Stellungnahme zum vorliegenden Bericht Folgendes fest: «Stichprobenkontrollen wurden soweit möglich vorgenommen und laufend ausgebaut.

Nur bei den ersten Lieferungen fanden diese noch nicht systematisch statt. Bei den Beschaffungen der Armeeapotheke wurden die Qualitätskontrollen bereits im Werk in China durch SGS [Société Générale de Surveillance SA, Firma aus Genf] durchgeführt.»

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Falscherfüllung nicht gegeben bzw. die Chance auf Erfolg eines solchen Verfahrens sehr gering.

In ihrer Beurteilung hielten sie auch fest, dass es «mehr als fraglich» sei, ob die Armeeapotheke aufgrund der fehlenden Qualitätsprüfungen nicht ihre «Prüf- und Rügeobliegenheiten [...] verletzt und somit ihre diesbezüglichen Gewährleistungsansprüche verwirkt hat, sodass entsprechende Mängel nicht geltend gemacht werden können».

Die befragten Personen gaben an, dass man auch aufgrund dieser Einschätzung zum Schluss gekommen sei, dem Angebot von Emix vom Januar 2021, die Masken aus Kulanz und gratis auszutauschen, zuzustimmen.

Mit dem Austausch der Masken wäre es unmöglich gewesen, die Qualität der ursprünglich gelieferten Masken von Emix nachträglich zu prüfen. Weil die Zürcher Staatsanwaltschaft aufgrund einer Anzeige ein Verfahren gegen Emix wegen Wucher einleitete und in diesem Zusammenhang im März 2021 eine vorläufige Beschlagnahmung der Masken, die hätten ausgetauscht werden sollen, anordnete, ist nun aber doch noch möglich, dass die Masken auf deren Qualität hin geprüft werden.

3.2

Transparenz über die Beschaffungen

Während der Fokus in der ersten Phase der Pandemie vor allem auf der Frage lag, weshalb die Schweiz nicht über die nötigen Reserven an Schutzmasken verfügte, kam bald danach auch die Frage auf, ob die Beschaffung der Schutzmasken rechtmässig, zweckmässig und wirtschaftlich abgelaufen sei. In verschiedenen Medienberichten wurden Vorwürfe geäussert, beispielsweise bezüglich mutmasslich überrissener Preise, mangelhafter Qualität oder gefälschten Zertifikaten.

Um die Beschaffung der medizinischen Güter und insbesondere Schutzmasken durch die Armeeapotheke öffentlich transparent und nachvollziehbar darzustellen, veröffentlichte das VBS am 3. Dezember 2020 einen Bericht über diese Beschaffungen in der ersten Phase der Pandemie.30 Dieser erläuterte den Auftrag der Armeeapotheke, die Beschaffungsstrategie des Bundes und stellte sowohl die Gesundheitslage in der Schweiz wie auch die Entwicklung des internationalen Markts für Schutzgüter dar. Er enthielt insbesondere auch einen Überblick über die einzelnen Bestellungen und deren Preise.

Weil auch nach Erscheinen dieses Berichts weiter Vorwürfe zur Maskenbeschaffung erhoben wurden, wollte das VBS gemäss dem Generalsekretär des VBS «absolute Transparenz» herstellen. Deshalb beauftragte die Vorsteherin des VBS am 26. Januar 2021 die IR VBS mit einer Prüfung zur Maskenbeschaffung. Diese sollte die Prozesse

30

Bericht der Taskforce Beschaffungskoordination Corona VBS vom 3. Dez. 2020: Beschaffungsbericht ­ Beschaffung wichtiger medizinischer Güter COVID-19-Verordnung 2, Anhang 4. Der Bericht berücksichtigte Bestellungen bis zum 30. Juni 2020 resp. Zahlungen und Transaktionen bis Ende August 2020.

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in der Armeeapotheke prüfen und beurteilen, ob der Preis der erworbenen Schutzmasken marktgerecht war, ob die Qualität der Schutzmasken den gängigen Standards entsprach und ob die vereinbarten Lieferkonditionen eingehalten wurden. Der entsprechende Prüfbericht vom 24. März 202131 wurde am 22. April 2021 publiziert. Dieser identifiziert zwar einige kleinere Mängel im Prozess und formuliert verschiedene Empfehlungen zur Prüfung der Qualität, zur Einhaltung der Kompetenzordnung und zu den Kontrollen im Einkaufsprozess. Insgesamt sei der Auftrag des Bundesrates aber erfüllt worden und es bestünden «starke Anzeichen», dass «das VBS die Hygiene- und Atemschutzmasken zu Marktpreisen eingekauft hat». Die Beschaffungen seien nach den «Grundsätzen der Sparsamkeit» erfolgt; der «Wucher- und Übervorteilungsvorwurf» könne aber «nur durch ein Gericht abschliessend entkräftet werden». Für die Bewertung stützte sich die IR VBS auf Dokumente, Befragungen der Verantwortlichen für die Beschaffungen und Begehungen in Lagerräumlichkeiten.

Zudem wurden «fünf Stichproben von Maskenbeschaffungen» analysiert.32 Da aus Sicht der zuständigen Subkommission der GPK-N trotz zweier Anhörungen im August 2020 und Februar 2021 und trotz dieser Berichte immer noch wichtige Fragen offen waren, gelangte sie in der Folge noch einmal mit schriftlichen Fragen ans VBS. Da auch diese Antworten teilweise zu wenig klare Informationen enthielten, entschied sich die Subkommission dazu, im Juni 2021 die direkt zuständigen Einkäufer der Armeeapotheke und die Vorsteherin des VBS als politische Verantwortliche anzuhören. Diese Informationsbeschaffung war insgesamt unüblich ressourcenintensiv, die relevanten Informationen wurden teilweise erst nach mehrmaligem Nachfordern geliefert (vgl. unten, Abs. 4.2).

4

Würdigung der GPK-N

Die GPK-N möchte einleitend festhalten, dass das VBS bzw. die Armeeapotheke den Auftrag des Bundesrates, genügend Schutzmaterial und -masken zu beschaffen, erfüllt hat. Die zuständigen Personen, insbesondere die Einkäufer der Armeeapotheke, haben dabei unter schwierigen Bedingungen und hohem Druck gearbeitet und grossen Einsatz gezeigt. Dass unter diesen Bedingungen auch Fehler passieren, ist für die GPKN nachvollziehbar. Vorauszuschicken ist auch, dass der Auftrag an die Armeeapotheke vor allem aufgrund von Versäumnissen in der Pandemievorsorge nötig wurde, für welche weder die Armeeapotheke noch das VBS verantwortlich sind (vgl. unten, Abs. 5).

All dies ist zu berücksichtigen, es rechtfertigt aber aus Sicht der GPK-N nicht, dass die Fehler und Mängel im Nachhinein bisher teilweise noch nicht vollständig und transparent aufgearbeitet wurden.

31 32

Bericht der Internen Revision VBS vom 24. März 2021: Prüfbericht «Beschaffung von Schutzmasken», Abklärung A 2021-11.

Aus dem Bericht geht nicht hervor, um welche konkreten Beschaffungen es sich dabei handelte.

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4.1

Ablauf der Maskenbeschaffung

Aus Sicht der GPK-N gibt es insbesondere zwei Kritikpunkte, die bisher nicht vollständig aufgearbeitet wurden. Diese betreffen die Beauftragung der Armeeapotheke und die Qualitätskontrollen.

4.1.1

Auftrag an die Armeeapotheke

Aus Sicht der GPK-N ist nicht nachvollziehbar, dass der Bundesrat die Armeeapotheke mit der Beschaffung der Schutzgüter und Schutzmasken beauftragt hat, ohne dass ihm Angaben dazu vorlagen, ob die Armeeapotheke diesen Auftrag angemessen wahrnehmen kann bzw. die nötigen Ressourcen dafür hatte. Die Auswertung der Anträge und Beschlüsse des Bundesrates vom März und April 2020 zeigen, dass dieser keine Überlegungen dazu anstellte, was die Beschaffungen für die Armeeapotheke und deren Ressourcen bedeuteten. Dabei wäre aus Sicht der Kommission durchaus schon zu diesem Zeitpunkt absehbar gewesen, dass die Strukturen, Prozesse und Ressourcen der Armeeapotheke nicht auf die Beschaffung von solch grossen Volumen ausgelegt waren. Letztendlich konnte die Armeeapotheke den Beschaffungsauftrag zwar erfüllen, dank der grossen Anstrengung der zuständigen Personen, und in einer zweiten Phase auch dank den zusätzlichen Ressourcen, welche das VBS der Armeeapotheke aufgrund der deutlichen Überlastung zur Verfügung stellte. Das Departement reagierte Ende März u. a. mit der Einsetzung eines Beschaffungskoordinators, was aus Sicht der GPK-N eine sinnvolle Massnahme darstellte, die aber etwas spät kam.33 Denn gemäss den befragten Personen entspannte sich die Lage bereits ab Anfang April 2020 wieder.

Dass das VBS die Beauftragung der Armeeapotheke mit solch einem grossen und teilweise auch neuartigen Auftrag bezüglich der dafür notwendigen Ressourcen hingegen nicht früher hinterfragte, ist schwer nachvollziehbar.

Die GPK-N ist auch der Meinung, dass einige der Vorwürfe und Mängel einen direkten Zusammenhang mit den fehlenden Ressourcen haben. Dazu gehören die lückenhaften Qualitätskontrollen sowie die fehlende Dokumentation und Übersicht über die in der Anfangsphase erhaltenen Angebote. Mit einer angemessenen Ressourcenausstattung wäre besser gewährleistet gewesen, dass die Armeeapotheke aus den erhaltenen Angeboten die besten gewählt hätte. Die fehlende Dokumentation und Übersicht über die in der Anfangsphase erhaltenen Angebote erschweren heute die Rekonstruktion der Vorgänge und damit auch die Klärung der Frage, ob es zum Zeitpunkt der Bestellung von Emix andere, bessere Angebote gegeben hatte.

33

Das VBS hielt in seiner Stellungnahme fest, es sei sich der hohen Belastung der Armeeapotheke bewusst gewesen und habe dieser daher rasch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Armasuisse und Angehörige der Armee zugewiesen. Zudem habe es einen Beschaffungskoordinator eingesetzt und die Beschaffungen der Armeeapotheke seien über mehrere Monate durch rund acht Personen der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) «begleitet» worden.

Aus Sicht der GPK-N kam diese Unterstützung aber zu spät, zudem hatten zumindest die Mitarbeitenden der EFK wohl nicht den Auftrag, die Armeeapotheke zu unterstützen, sondern deren Beschaffungen zu kontrollieren.

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Für die GPK-N stellt sich ausserdem die grundsätzliche Frage, weshalb der Auftrag für die Beschaffung von Schutzmaterial vollumfänglich an die Armeeapotheke ging.

Denn diese war neben der Beschaffung der Schutzmasken gleichzeitig auch zuständig für die Beschaffung von diversen weiteren Schutzgütern wie Desinfektionsmittel, Einweghandschuhe, OP-Schürzen, Beatmungsgeräte, Testkits und Labormaterial und sogar Impfstoffe. Dass dieser Auftrag (allein) an die Armeeapotheke ging, begründeten die befragten Personen und das VBS damit, dass die Armeeapotheke als einzige Bundesstelle über eine Grosshandelslizenz für Arzneimittel verfügte. Schutzmasken und viele andere der erwähnten Produkte, welche die Armeeapotheke in der Pandemie beschaffen musste, sind aber keine Arzneimittel34, sondern Sanitätsmaterial. Sie hätten daher grundsätzlich auch durch eine andere Beschaffungsstelle des Bundes, konkret durch Armasuisse oder das BBL, beschafft werden können. Für die GPK-N war die Beauftragung der Armeeapotheke daher nicht zwingend und es wäre zu überlegen gewesen, ob man die Beschaffungen auf verschiedene Stellen verteilt, oder, wie oben erwähnt, der Armeeapotheke Unterstützung zuweist.

Für die Zukunft ist daher aus Sicht der GPK-N zu überlegen, welche Vorkehrungen und Strukturen nötig sind, dass die Schweiz in einer ähnlichen Situation besser gerüstet wäre und in einer Krise schnell die nötigen Güter ­ ob Schutzmaterial, Arzneimittel oder andere notwendige Güter, z. B. Güter des täglichen Bedarfs ­ beschaffen kann, soweit nicht vorsorglich Reserven gebildet wurden. Dabei kann es natürlich nicht die Lösung sein, die Strukturen der zuständigen Stellen dauerhaft auf mögliche Krisensituationen mit speziellen Belastungen auszurichten. Vielmehr wäre zu prüfen, wie die Beschaffungsstellen des Bundes, d.h. die Armeeapotheke, Armasuisse und das BBL, bei einer Krise gemeinsam und in Abstimmung mit der Organisation der wirtschaftlichen Landesversorgung die Beschaffung von knappen, notwendigen Gütern organisieren können. Es stellt sich auch die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die zuständigen Stellen sich in Krisen rasch einen Marktüberblick verschaffen und strukturierte Angebote einfordern und vergleichen können. Eine mögliche Lösung dafür ist aus Sicht der Kommission eine Beschaffungsplattform, wie sie von
der Armeeapotheke und dem Verband Swiss MedTech entwickelt wurde (vgl. 3.1.2) Neben Überlegungen für die künftige Abwicklung von Beschaffungen in einer Krise sollte der Bundesrat auch prüfen, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, um solche «Krisenbeschaffungen» soweit wie möglich zu vermeiden, z. B. durch die Einrichtung von Pflichtlagern für gewisse Güter.

Die GPK-N stellt fest, dass die Mängel im Bereich der Pandemievorbereitung und damit verbunden der Vorräte an Schutzmaterial vom Bundesrat erkannt wurden. Im Bericht der Bundeskanzlei vom 11. Dezember 2020 zur Auswertung des Krisenma-

34

Arzneimittel sind gemäss Art. 4 Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes vom 15. Dez. 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21) «Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs, die zur medizinischen Einwirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus bestimmt sind oder angepriesen werden, insbesondere zur Erkennung, Verhütung oder Behandlung von Krankheiten, Verletzungen und Behinderungen».

21 / 28

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nagements des Bundes werden diesbezüglich Empfehlungen und Aufträge formuliert.35 Die GPK-N erwartet, dass bei dieser Überprüfung und im Rahmen der VBSinternen Aufarbeitung der Pandemie die nötigen Lehren gezogen werden im Hinblick auf die Vorratshaltung kritischer Güter und auf die künftige Rolle der Armeeapotheke bei Beschaffungen in Krisensituationen (und deren Ressourcenausstattung). Die Kommission wird die Erkenntnisse aus den Prüfaufträgen des Bundesrates abwarten und danach entscheiden, ob sie weiteren Handlungsbedarf für die Oberaufsicht sieht.

4.1.2

Neuunterstellung der Armeeapotheke

Im Zusammenhang mit dem Auftrag an die Armeeapotheke gibt es einen weiteren Kritikpunkt, der aus Sicht der GPK-N thematisiert werden muss. Es handelt sich dabei um die Aufsicht über die Armeeapotheke und deren Neuunterstellung mitten in der Krise, vom Armeestab zurück in die LBA. Die Neuunterstellung war aus Sicht der GPK-N wohl nötig und sinnvoll. Sie hat gemäss den Befragten auch dazu geführt, dass gewisse Probleme, insbesondere im Bereich Logistik, behoben wurden und die Armeeapotheke heute auch besser gerüstet ist für Krisensituationen.

Bedenklich findet die Kommission aber, dass die Probleme in der Armeeapotheke offenbar lange unentdeckt blieben. Für die Kommission ist nicht verständlich, dass die Vernachlässigung des Bereichs Logistik bzw. dessen Ausmass in der Armeeapotheke den vorgesetzten Stellen, namentlich dem Armeestab und der LBA36, der Armeeführung und dem VBS nicht bekannt war und diesbezüglich keine Massnahmen eingeleitet wurden. Gemäss den befragten Personen hatte es zwar im logistischen Teil schon früher Probleme gegeben, die aber immer gelöst werden konnten. Daher habe man das Ausmass der Probleme erst in der Krise festgestellt.

Die GPK-N befasste sich im Rahmen ihrer Abklärungen zu den Ereignissen um den Oberfeldarzt 2018 mit der Überführung der Armeeapotheke von der LBA in den Armeestab. Sie stufte diese damals grundsätzlich als zweckmässige Sofortmassnahme ein, forderte das VBS aber auch auf, die Strukturen mittelfristig gründlich zu überprüfen und Massnahmen einzuleiten37. Im Rückblick zeigt sich nun, dass diese Reorganisation, die allein aus personellen Gründen vollzogen wurde und sich nicht auch sachlich begründen lässt, keine zweckmässige Massnahme darstellt.

35 36 37

Bericht der Bundeskanzlei vom 11. Dez. 2020, Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie (1. Phase / Februar bis August 2020).

Die Armeeapotheke gehörte bis 2018 zur LBA und die Probleme haben mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits zu dieser Zeit bestanden.

Ereignisse rund um den Oberfeldarzt der Armee, Bericht der GPK-N vom 12. Okt. 2018 (BBl 2019 1296).

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4.1.3

Qualitätskontrollen

Wie in Kapitel 3.1.3 beschrieben, wurde die Kontrolle der Qualität der gelieferten Masken vernachlässigt. Dadurch wurden Möglichkeiten zur Mängelrüge und allenfalls auch Möglichkeiten, von Verträgen zurückzutreten, verpasst (bspw. im Fall Emix).

Angesichts der grossen Mengen an Masken und der beschränkten Ressourcen der Armeeapotheke im Frühling 2020 sind die ungenügenden Kontrollen aus Sicht der GPK-N zwar problematisch, aber bis zu einem gewissen Grad auch verständlich. Erschwerend hinzu kam die Tatsache, dass es in der Schweiz keine akkreditierte Stelle für die Qualitätsprüfung der Masken gab. Für die GPK-N ist aber nicht nachvollziehbar, dass die Kontrollen der gelieferten Waren später, d.h. im Sommer und Herbst 2020, als sich die Pandemie-Situation entspannt hatte, nicht nachgeholt wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich gemäss den befragten Personen auch die Lage am Beschaffungsmarkt entspannt und die Kontrollen hätten nachgeholt bzw. intensiviert werden sollen.

Im Zusammenhang mit Fragen zur Maskenqualität stellt sich für die GPK-N ausserdem die Frage, ob die Schweiz nicht über ein akkreditiertes Labor für den Test von medizinischen Masken verfügen sollte. Schutzmasken dürften in jeder Pandemie ein wichtiges Gut sein und die Schweiz sollte in der Lage sein, deren Qualität selber zu prüfen. Eine Möglichkeit dafür wäre, dass sich die Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) oder das Labor Spiez für solche Tests akkreditieren lässt.

Denkbar wäre aber auch eine privatwirtschaftliche Lösung.

Empfehlung: Die GPK-N bittet den Bundesrat, zu prüfen, ob es zweckmässig und wirtschaftlich wäre, wenn die Schweiz über eine Stelle verfügen würde, welche für die Qualitätsprüfung von medizinischen Schutzmasken akkreditiert ist.

4.2

Transparenz über die Beschaffungen

Aus Sicht der GPK-N hat es das VBS bis heute versäumt, genügende Transparenz über die Maskenbeschaffungen herzustellen und Fehler offen einzugestehen. Dies ist bedauerlich, denn damit liegt der Fokus bis heute auf der Vergangenheit und insbesondere auf Fragen zu Preisen und Qualität der Masken statt auf den Lehren, die für die Zukunft gezogen werden müssen.

Aufarbeitung der Frage nach der Angemessenheit der bezahlten Preise Seit dem Sommer 2020 werden in Medien und Politik immer wieder Vorwürfe in Bezug auf gewisse Maskenbestellungen und deren Preise, konkret bei den Aufträgen an die Firma Emix, geäussert. Diese Vorwürfe sind aus Sicht der GPK-N bis heute nicht genügend geklärt bzw. das VBS hat es versäumt, hierzu eine genügende Trans-

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parenz zu schaffen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Bericht der IR VBS. In diesem finden sich verschiedene Schlussfolgerungen, welche aus Sicht der Kommission nicht genügend abgestützt und nachvollziehbar sind.

Bedauerlich ist dabei vor allem, dass sich die IR VBS bei der Beantwortung der Frage, ob die bezahlten Preise marktgerecht waren, lediglich auf allgemeine Aussagen zur Marktsituation und einen Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stützt und die Preise damit «plausibilisiert». Die GPKN hätte stattdessen erwartet, dass vor Ort bei der Armeeapotheke geprüft wird, welche anderen Angebote effektiv vorlagen und zu welchen Preisen. Stattdessen enthält der Absatz «Feststellungen» insgesamt wenig konkrete Fakten zur Situation in der Schweiz.

Die Kommission ist der Ansicht, dass der Bericht methodisch ungenügend ist. Gemäss den geltenden Standards müssen Revisoren ihre Schlussfolgerungen auf geeignete Analysen stützen und ausreichende, zuverlässige und relevante Informationen aufzeichnen, um die Revisionsergebnisse und Schlussfolgerungen zu begründen.38 Im Bericht fehlt aber teilweise eine klare und nachvollziehbare Darstellung des Sachverhalts.39 Zudem finden sich verschiedentlich Schlussfolgerungen, die nicht genügend abgestützt und nachvollziehbar sind.40 Im Übrigen erachtet die GPK-N die Zitate am Beginn und Ende des Berichts als unangemessen für einen unabhängigen Prüfbericht.

Das Ziel des VBS, mit dem Bericht Transparenz zu schaffen und die verschiedenen Vorwürfe auf Mängel bei den Maskenbeschaffungen nachhaltig zu entkräften, wurde damit nicht erreicht.41 Die GPK-N ist der Ansicht, dass insbesondere die Frage nach der Angemessenheit der Preise weder vom Bericht der IR VBS noch durch andere Auskünfte und Unterlagen klar und nachvollziehbar geklärt wird. Ebenso ist nach wie vor unklar, ob der Armeeapotheke zum Zeitpunkt der Auftragserteilung an Emix noch andere, bessere Angebote vorlagen. Die GPK-N hofft daher, dass diese Fragen im Rahmen der nun laufenden Rechtsverfahren geklärt werden.

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Internationale Standards für die berufliche Praxis der Internen Revision 2017, Standards 2320 und 2330. Die Standards diese können abgerufen werden unter: www.iias.ch > Publikationen > International Standards 2017 (Stand: 17. Sept. 2021).

So fehlt im Bericht der IR VBS beispielsweise in Ziff. 6 zur internen Kontrolle im Prozess der Maskenbeschaffung eine genaue Beschreibung der Kompetenzordnung und der vorgesehenen Abläufe. Weiter wird festgehalten, dass die Armeeapotheke vom standardisierten Prozess abweichen musste, ohne dies näher zu begründen.

Eine Beurteilung, die zu wenig belegt und nachvollziehbar ist, findet sich beispielsweise in Ziff. 8 des Berichts der IR VBS zur Qualität der Masken: Dort ist festgehalten, dass die Armeeapotheke «erhebliche Bestrebungen» vorgenommen hatte, um das Qualitätsmanagement sicherzustellen. In der Darstellung des Sachverhalts finden sich aber vor allem allgemeine Aussagen zur Situation bezüglich der Qualität und Qualitätsprobleme bei Schutzmasken. Konkrete Aussagen dazu, wie die Qualität geprüft wurde bzw. welche Vorkehrungen die Armeeapotheke getroffen hatte, fehlen hingegen weitgehend (mit Ausnahme der Beauftragung des Labors Spiez).

Das VBS wendete im Rahmen der Verwaltungskonsultation ein, dass die Nachvollziehbarkeit des Berichts der IR VBS in einer umfassenden Prüfdokumentation sichergestellt sei. Die GPK-N ist aber klar der Ansicht, dass ein Prüfbericht in sich selber auch nachvollziehbar sein muss, insbesondere, wenn dieser das Ziel hat, Transparenz für die Öffentlichkeit zu schaffen.

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Unklare Auskünfte und spätes Eingeständnis von Fehlern Für die GPK-N gestaltete es sich als schwierig, klare Auskünfte zu den Prozessen, Abläufen und Schwierigkeiten in der Armeeapotheke zu erhalten und sich ein Bild darüber zu verschaffen, insbesondere in der ganz frühen Phase der Pandemie vor dem formellen Auftrag des Bundesrates an die Armeeapotheke vom 20. März 2020. Die vom VBS für die ersten Anhörungen delegierten Personen konnten zu dieser Phase und zur «Arbeit an der Front» wesentliche Fragen nicht beantworten. Erst als die zuständige Subkommission im Juni 2021 explizit die verantwortlichen Einkäufer der Armeeapotheke für eine Anhörung aufbot, erhielt sie konkretere Informationen und einen vertieften Einblick in die Beschaffungen und die damalige Situation.

Im Rahmen dieser Anhörungen und bei der darauffolgenden Anhörung der Departementsspitze des VBS wurde gegenüber der Kommission erstmals offengelegt, dass für die Qualitätskontrolle der Masken zu wenig Ressourcen eingesetzt und daher Möglichkeiten zur Mängelrüge verpasst wurden. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Armee erst im Februar 2021 ein Rechtsgutachten in Auftrag gab, welches prüfen sollte, ob der Bund vom Vertrag mit Emix aufgrund von Qualitätsmängeln oder Täuschung zurücktreten kann. Die GPK-N ist der Ansicht, dass eine solche Frage bereits früher und unabhängig vom Fall Emix hätte geklärt werden sollen, denn es gab schon im Herbst 2020 Vorwürfe, dass einige der in der Eile beschafften Masken teilweise von ungenügender Qualität seien.

Die GPK-N findet es bedauerlich, dass das VBS die Mängel bei den Qualitätskontrollen der Masken und deren Konsequenzen gegenüber der Kommission erst nach mehrmaligem Nachfragen und unter einem gewissen Druck eingeräumt hat. In Medien und Öffentlichkeit wurden diese Fehler bisher nicht transparent gemacht. Dass solche Fehler unter den speziellen Umständen passieren können, ist aus Sicht der GPK-N nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar und zu bemängeln ist aber, wenn diese nicht eingestanden werden. Die Kommission hätte diesbezüglich vom VBS eine aktive und transparente Kommunikation erwartet, zusammen mit Hinweisen auf die Lehren, welche aus den Versäumnissen gezogen wurden.

Lehren für die Zukunft Die GPK-N bedauert, dass es das VBS versäumt hat, wirkliche Transparenz über
die Maskenbeschaffungen herzustellen. Die Kommission geht aber davon aus, dass die laufenden Strafuntersuchungen noch einige Fragen, insbesondere zur Angemessenheit der Preise, klären werden. Sie sieht daher keinen Nutzen darin, das VBS aufzufordern, die Vergangenheit im Detail aufzuarbeiten. Die GPK-N fordert das Departement aber auf, aus der Angelegenheit die nötigen Lehren für die Zukunft zu ziehen und dafür zu sorgen, dass Berichte der IR VBS in sich nachvollziehbar sind. Sie hat vorgesehen, sich im kommenden Jahr über die Rolle und Arbeitsweise der IR VBS informieren zu lassen.

5

Schlussfolgerungen

Die GPK-N hat bei ihren Abklärungen zur Maskenbeschaffung gewisse Mängel festgestellt, vor allem in Bezug auf die Qualitätskontrolle der Masken. Die Mängel sind 25 / 28

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aufgrund der speziellen Situation und dem hohen Druck, unter dem die Armeeapotheke stand, zumindest teilweise nachvollziehbar.

Gravierender als die Versäumnisse bei der eigentlichen Maskenbeschaffung der Armee wiegen folgende drei Aspekte: 1.

Die Schweiz war auf eine Pandemie ungenügend vorbereitet, u. a. auch, weil die Empfehlungen des Pandemieplans bezüglich Vorräten an Schutzmaterial von den Kantonen und Gesundheitseinrichtungen nicht umgesetzt wurden und keine umfassende Kontrolle vorgenommen wurde.

2.

Bundesrat und VBS haben es bei der Auftragserteilung an die Armeeapotheke versäumt, dieser gleichzeitig Unterstützung bzw. zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

3.

Das VBS und die Armeeapotheke haben es bisher nicht geschafft, für eine genügende Transparenz hinsichtlich der Maskenbeschaffung zu sorgen und seit längerem kursierende Vorwürfe und Fragen zu klären.

Die Mängel in der Pandemievorbereitung und Fragen zur Bevorratung an Schutzmaterial wurden vom Bundesrat erkannt, dazu laufen aktuell verschiedene Abklärungen (vgl. Kap. 4.1.1). Die GPK-N geht davon aus, dass das VBS daneben auch noch grundsätzlicher prüft, welche Rolle und Aufgaben die Armeeapotheke künftig übernehmen soll. Die Kommission wird sich über diese Arbeiten und deren Ergebnisse zu gegebener Zeit informieren lassen.

Was den Aspekt der ungenügenden Transparenz betrifft, geht die GPK-N einerseits davon aus, dass die laufenden Rechtsverfahren diesbezüglich für eine Verbesserung sorgen. Andererseits erwartet sie, dass das VBS im Rahmen seiner Aufarbeitung auch diesbezüglich Lehren zieht und künftig transparenter kommuniziert.

6

Weiteres Vorgehen

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, bis spätestens am 18. Mai 2022 zu den obigen Ausführungen und Forderungen Stellung zu nehmen.

18. Februar 2022

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Die Präsidentin: Prisca Birrer-Heimo Die Sekretärin: Beatrice Meli Andres Der Präsident der Subkommission EDA/VBS: Nicolo Paganini Die Sekretärin der Subkommission EDA/VBS: Céline Andereggen

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Abkürzungsverzeichnis Armasuisse BABS BAG BBL BöB BWL EDI EFD EFK Empa EpG FinDel GPK GPK-N HMG IR VBS KSD LBA LVG OECD PSA RVOG VBS VKSD VöB

Bundesamt für Rüstung Bundesamt für Bevölkerungsschutz Bundesamts für Gesundheit Bundesamt für Bauten und Logistik Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (AS 1996 508) Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössische Finanzkontrolle Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Bundesgesetz vom 28. September 2012 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, SR 818.101) Finanzdelegation der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, SR 812.21) Interne Revision VBS Koordinierter Sanitätsdienst Logistikbasis der Armee Bundesgesetz vom 17. Juni 2016 über die wirtschaftliche Landesversorgung (Landesversorgungsgesetz, SR 531) Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Persönliche Schutzausrüstungen Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010) Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Verordnung vom 27. April 2005 über den Koordinierten Sanitätsdienst (SR 501.31) Verordnung vom 11. Dezember 1995 über das öffentliche Beschaffungswesen (AS 1996 518)

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