647

# S T #

Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Gründung von Handelsmuseen.

(Vom 19. März 1889.)

Tit.

Bei Berathung des Budgets pro 1889 hat der Ständerath am 8. Dezember 1888 folgendes von Herrn Gobat vorgeschlagene Postulat angenommen: Der Bundesrath wird eingeladen, zu untersuchen : 1) ob nicht auch die kaufmännische Ausbildung im Allgemeinen und die Handelsmuseen insbesondere im Sinne des Bundesbeschlusses betreffend das gewerbliche Bildungswesen vom 27. Juni 1884 der Unterstützung des Bundes theilhaftig werden sollen; 2) ob und in welchem Maße der Bund an der Gründung von Handelsmuseen mittelst Ankauf von Gegenständen, welche an der Pariser Weltausstellung zur Ausstellung gelangen, sich betheiligen solle.

Wir beehren uns, Ihnen hiemit unsern Bericht betreffend die Frage der Handelsmuseen zu erstatten.

Betreffend die Frage der kaufmännischen Ausbildung sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen, sodaß wir Ihnen unsern Bericht über das Ergebniß derselben und unsere Anträge erst auf eine künftige Session vorlegen können.

Das Postulat, welches den Gegenstand dieses Berichtes bildet, scheint von der Meinung auszugehen, die Frage der Gründung von

648

Handelsmuseen in der Schweiz sei eine, wenigstens im Prinzipe, entschiedene, indem die Pariser Weltausstellung dazu benutzt werden will, Ankäufe für solche Institute zu machen.

Es ist richtig, daß schon seit Jahren von wirthschaftlichen Vereinen, öffentlichen Blättern und Privaten die Kreirung von Handelsmuseen besprochen wird; allein zu einem abschließenden Resultate ist diese Diskussion noch nicht gelangt und es hat die Bundesbehörde bis jetzt auch noch keinen Entscheid darüber gefaßt, ob sie solche Institute gründen oder durch Subventionen unterstützen wolle.

Von den neuesten Kundgebungen sind vorab die Verhandlungen der Sektion Bern der schweizerischen geographischen Gesellschaft und im Anschluß derselben der Ende August v. J. in Aarau abgehaltene schweizerische Geographentag zu erwähnen.

An den Verhandlungen in Bern hat die ostschweizerische geographisch-kommerzielle Gesellschaft durch ein Referat ihre Bemühungen kund gegeben und Vorschläge gemacht, nach welchen ein in Verbindung mit dem Gewerbemuseum in St. Gallen zu gründendes Handelsmuseum zunächst folgende Industrien zu berücksichtigen hätte: Buntweberei, Weißweberei und verwandte Stoffe, Stickerei, Druckerei, Seidenweberei, Bandweberei (Seide und Baumwolle).

Am Geographentag in Aarau wurde folgende Resolution gefaßt: ,,Der Geographentag erklärt: Die Gründung eines Netzes schweizerischer Handelsmuseen nach dem Vorbild der Brüsseler und Wiener Einrichtung und thunlichst unter Kombination der beiderseitigen Prinzipien ist wünschenswerth. Es sind unter Zuziehung kaufmännischer Interessenkreise bei den Bundesbehörden die nöthigen Schritte zu thun, daß der Bundesbeschluß vom 27. Juni 1884 auf das kaufmännische Bildungswesen ausgedehnt und die Handelsmuseen subventionsfähig erklärt werden. Die Pariser Ausstellung von 1889 soll zur Beschaffung eines Grundstockes für die schweizerischen Handelsmuseen benützt werden. Diese Beschlüsse sind von der Delegirtenversammlung unverzüglich auszuführen.tt Bei den Kundgebungen für Handelsmuseen werden die Institute in Brüssel und Wien stets als Vorbilder dargestellt, so auch in der Resolution des schweizerischen Geographentages. Es erscheint deshalb als angezeigt, daß wir hier einen Blick in âieselben werfen. Das Handelsmuseurn in Brüssel stellt in seinen Statuten als Zweck auf: die Fabrikanten und Kaufleute über den Gang der Geschäfte in fremden Ländern zu unterrichten und ihnen

649

zu gleicher Zeit den Handelsverkehr mit den Konsumenten und Produzenten jener Länder zu erleichtern. Dasselbe soll im Gebiete des Handels gewissermaßen den gleichen Platz einnehmen, welchen im Gebiete der Naturwissenschaften die mineralogischen, geologischen, anatomischen etc. Sammlungen innehaben. Es soll den Produzenten zur Konkurrenz waffnen und zwar nicht nur, indem ihm das in diesem oder jenem Theile der Erde vorgezogene fremde Fabrikat vor die Augen gelegt, sondern ihm auch ermöglicht wird, die Bedingungen, unter welchen das Fabrikat den Absatz findet, kennen zu lernen. Es soll ihn mit einem Worte vor schlechten Ausführungen schützen, die meistens von unvollständiger Kenntniß des Geschmackes des Konsumenten herrühren. -- Um diesen Zweck zu erreichen, soll ein Handelsmuseum überhaupt durch seine Sammlungen und sein Bureau den Fabrikanten und Kaufleuten stets alle praktischen, technischen und kommerziellen Informationen an die Hand geben, welche nöthig sind, um sie über die Absatzfähigkeit der heimischen Produkte, die Bedingungen und Mittel von Exporten, ebenso wie über die besten Bezugsquellen von Rohstoffen oder fremden Erzeugnissen zuverläßig zu belehren.

Von einem solchen Museum wird demnach erwartet, daß es Musterkollektionen der betreffenden Export- und Importgegenstände fortwährend komplet halte, alle praktischen Belehrungen über Emballage, Appretur, Versendungsweise u. s. w. biete, über die wirthschaftlichen und technischen Details des Transportes, also über die Wahl der besten Verkehrslinien, über die Art der Expedition, die Frachttarife, Zollsätze und sonstigen Spesen authentische Belehrung ertheile, endlich auch die Handlungshäuser und Finnen bezeichne und Empfehlungen oder Referenzen verschaffe, um auch dem mittleren und kleinen Gewerbetreibenden und Kaufmann die Theilnahme am Welthandel zu ermöglichen.

In Wien ist das unter dem Namen ,,Orientalisches Museum11 bekannte, im Jahr 1873 in's Leben gerufene Institut, welches sowohl praktisch-gewerblichen und kommerziellen Zwecken, als wissenschaftlichen und künstlerischen Tendenzen zu dienen bestimmt war, vor einigen Jahren in ein Handelsmuseum umgewandelt worden. Dasselbe betrachtet es als eine ihm gestellte Aufgabe, mitzuarbeiten an der Förderung und Ausbreitung der Handelsbeziehungen Oesterreich-Ungarns mit dem Auslande, sowie der
an den Verkehr mit demselben sich knüpfenden industriellen Interessen. Durch Sammlungen allgemein kommerzieller Natur, sowie durch Veranstaltung und Beschaffung kunstgewerblicher und ethnographischer Kollektionen soll dieses Ziel erreicht werden. Das mit demselben verbundene Bureau soll über internationale Zoll- und Handels-

650 Verhältnisse, Frachtsätze und Verkehrseinrichtungen Auskunft geben, ferner den Verkehr mit handels- und kunstgewerblichen Anstalten, Körperschaften und Vereinen anbahnen, das Studium der volkswirthschaftlichen Entwicklung des gesammten Auslandes, sowie der Länderkunde der überseeischen Gebiete anregen. Im Wiener Museum erachtet man die Vertretung der kunstgewerblichen Richtung als unerläßlich, weil häufig das, was als Handelsartikel, als Erzeuguiß der orientalischen Hausindustrie hergebracht worden, der österreichischen Kunstindustrie und gleichzeitig der exportirenden Großindustrie als Vorbild diene.

Handelsmuseen sind in Stuttgart (mit dem Gewerbemuseum verbunden), Frankfurt, Pest etc. errichtet. Es wird die Frage der Zweckmäßigkeit und Kreirung solcher Anstalten auch in Frankreich lebhaft besprochen. Staaten, die den internationalen Verkehr durch hohe Importzölle hemmen, bestreben sich hinwieder, durch Industrie- und Gewerbeausstellungen, sodann durch Institute, wie Handelsmuseen, Exportmusterlager, Handelskammern im Auslande, Auskunftsbüreaux, Handelsagenturen u. s w., den Absatz ihrer eigenen Erzeugnisse zu fördern, -- ein Widerspruch, dessen Hebung noch in ferner Zukunft zu liegen scheint.

Um die seit Jahren in der Schweiz besprochene Frage der Kreirung eines oder mehrerer Handelsmuseen nunmehr zum Abschluß zu bringen, wie es für die Beantwortung des Postulates vom 8. Dezember vorigen Jahres als nothwendig erscheint, hat die Handelsabtheilung unseres Departements des Auswärtigen eine eingehende Untersuchung angeordnet und dabei die stets bereitwillige und zuverläßige Mitwirkung des schweizerischen Handels- und Industrievereins mit seinen über die ganze Schweiz verbreiteten Sektionen in Anspruch genommen. Das Resultat dieser Untersuchung liegt nun vor. Von den Sektionen des genannten Vereins, welche über die Frage Berichte erstattet haben, empfehlen 6 mit mehr oder weniger Bestimmtheit die Kreirung von Handelsmuseen, während 13 sich dagegen aussprechen.

In empfehlendem Sinne sprechen sich aus: I. Die .Association commerciale et industrielle genevoise. Die Schweiz sei ein bedeutendes Produktionsland. Jede Gegend habe ihre Industrien. Mehrere Industrien seien wichtig, ihnen fehlen aber neue Absatzgebiete. Diese können die Industriellen sich nicht selbst verschaffen, denn es seien große
Kapitalien nöthig ; es müssen große Reisen gemacht werden, die viel Zeit und Geld erfordern und nicht immer sofort auch den erhofften Nutzen bringen ? auf den man glaubte zählen zu dürfen. Man beschränke sich dann auf

651 kleine Versuche, die oft wegen Mangel an zuverläßiger Auskunft und an Mitteln zur weitern Verfolgung mißlingen. Diese Auskunft sollte durch Handelsmuseen beschafft werden. Dem kleinen Fabrikanten werde dadurch ermöglicht, mit den Mächtigern zu konkurriren. Handelsmuseen würden auf unsere wirtschaftliche Entwicklung einen sehr günstigen Einfluß ausüben. Es würde zweckmäßig sein, drei solche Museen zu kreiren: zwei in der deutschen, eines in der französischen Schweiz. Jedes sollte möglichst vollständig sein. Was die Kosten betrifft, so wären dieselben von der Eidgenossenschaft zu tragen, unter Mithülfe der Kantone oder Städte, wo dieselben errichtet würden.

II. Die Association des fabricants et marchands de bijouterie, joaillerie, orfèvrerie, de et à Genève schließt sich vollständig den Ansichten und Vorschlägen der Association commerciale ·et industrielle genevoise an.

III. Der Basler Handels- und Industrieverein anerkennt die Wünschbarkeit der Errichtung eines oder mehrerer Handelsmuseen in der Schweiz und erachtet eine Bundessubvention dafür als angezeigt.

Die Berechtigung zur Staatssubventionirung der Handelsmuseen als A u s - und F o r t b i l d u n g s m i t t e l läßt sich nach Ansicht dieses Vereins auf folgende Gründe zurückfuhren: 1) Das Handelsmuseum, wenn richtig alimentirt, sei geeignet, den Industriellen wie den Händler, den Handwerker wie den Arbeiter über Leistungen und -Bedürfnisse von auswärtigen Konkurrenten und Konsumenten auf dem Laufenden zu erhalten und müsse unbedingt die Wirkung haben, einerseits neue Anregungen hervor.zurufen und anderseits die sehr oft bestehenden falschen Anschauungen über die eigene Ueberlegenheit und die fremde Inferiorität zu klären.

2) Namentlich des Arbeiterstaudes wegen seien solche Museen in großen Industriezentren zweckmäßig und wünschbar, und zwar nicht nur der Anregung und Bildung in technischer Richtung wegen, sondern um den Arbeitern durch eigene Anschauung von Preis, Qualität und Vollendung fremder konkurrirender Produkte die Ueberzeugung beizubringen, daß der Konkurrenzkampf ein schwerer sei, und daß sie ihre Leistungen und Forderungen den Verhältnissen der Konkurrenz anzupassen haben.

3) Die Privatinitiative sei in der jetzigen Zeit nicht mehr ausreichend; das gehe am besten daraus hervor, daß England, welches

652 bis anhin dieser Maxime gehuldigt habe, seine frühere Ueberlegenheit, die vor 20 Jahren noch fest stand, vielfach und vielerorts verloren und heute Mühe habe, sich der früher unbekannten fremden Konkurrenz zu erwehren. Der kapitale Unterschied zwischen privaten und nationalen Bemühungen sei der, daß die erstem in der Regel nur für den kommenden Tag sorgen, und nur die letztérn auch die Zukunft und die kommenden Generationen in's Auge fassen und sich infolge dessen herbeilassen, Opfer für Zwecke zu bringen, deren Nutzen nicht in Bälde oder nicht mit Sicherheit realisirbar sei. Es müsse deßhalb die Idee der Museen auf breitester Basis an die Hand genommen, und es dürfen die Kosten nicht gescheut werden.

Das mit dem Handelsmuseum verbundene, gut geleitete Auskunftsbüreau würde dagegen sofort von praktischem Nutzen sein, aber auch hier wäre es nichtsdestoweniger schwierig, beinahe ebenso unmöglich wie beim Handelsmuseum selbst, daß die damit verbundenen Auslagen, namentlich für den Anfang, voll und ganz wieder eingebracht werden.

IV. Der thurgauische Handels- und Gewerbeverein ist der Ansicht, es sollen mehrere Handelsmuseen gegründet werden, und zwar an den respektiven Industriezentren, z. B.

für Bijouterie, Joaillerie, Orfèvrerie etc. in Genf, für Seiden- und Baumwollweberei in Zürich, für Stickerei in St. Gallen.

Diese Handelsmuseen sollen permanente Ausstellungen sein, welche Folgendes enthalten : 1) Muster und möglichst vollständige Angaben bezüglich Artikeln, welche von Konkurrenz-Industrien fremder Länder geliefert werden, und deren Erstellung und Verkauf in den betreffenden Absatzgebieten auch unsern respektiven Industrien wünschenswerth erscheinen dürften. Der schweizerische Fabrikant soll also möglichst in die Lage versetzt werden, beurtheilen zu können, ob es für ihn sich lohnen dürfte, die Fabrikation eines neuen Artikels aufzunehmen, oder behufs Eröffnung einer neuen Absatzquelle für einen ihm schon bekannten Artikel Schritte zu thun.

2) Muster und möglichst vollständige Angaben bezüglich Erzeugnissen von jetzigen Absatzgebieten, oder eventuell möglichen Absatzgebieten unserer Industrien.

Dadurch soll dem schweizerischen Geschäftsmann Gelegenheit geboten werden, zu beurtheilen, ob es sich für ihn lohnen dürfte,

653

Beziehungen mit den betreffenden Ländern anzuknüpfen zum Zwecke des direkten Importes fraglicher Artikel. Mancher Artikel wird jetzt von der Schweiz aus an europäischen Hafenplätzen gekauft, der ebenso gut direkte importirt werden könnte. Man habe dabei nicht große Artikel wie rohe Baumwolle etc. im Auge, welche hier weniger in Betracht kommen, sondern vielmehr Kolonialwaaren, Gewürze etc., ferner Erzeugnisse, wie fremde Holzsorten, Perlmutter, Schildkrot, Häute, Elfenbein etc., welche das Gewerbe braucht. Durch einen solchen direkten Import würden die Beziehungen mit unsern Absatzgebieten wechselseitige werden, was unserem Export entschieden Vorschub leisten würde, und würden auch sonst noch verschiedene Vortheile erzielt.

3) Muster von schweizerischen Fabrikaten für don inländischen Konsum, welche vielen inländischen Konsumenten noch unbekannt sind und daher vorzugsweise aus dem Auslande bezogen werden.

Hier habe man nicht nur Fabrikate der großen Export-Industrien im Auge, sondern speziell auch solche des Gewerbes.

V. Der Börsenverein Glarus hält für die Schweiz die Errichtung von Handelsmuseen und Exportmusterlagern für ein richtigeres Mittel, die kleinen Industrien für den Export mehr zu befähigen, als die Aussendung von Handelsemissären. Hier sei dem Strebsamen Gelegenheit geboten, die Bedürfnisse entfernter Länder kennen zu lernen und sich für dieselben einzurichten. Wenn etwas Tüchtiges und Passendes erstellt werde, so sei es auch leicht, dafür einen Exporteur zu finden. Selbst die Großindustrie dürfte aus diesen Instituten noch Nutzen ziehen. Sie haben sich bis jetzt überall als segensreich erwiesen. Es werde hiebei vorläufig nur auf Belgien und Deutschland verwiesen, welche Staaten für die Errichtung von Mustermuseen, wie bekannt, bedeutende Summen ausgeben, um auf diese Weise der Export-Industrie alle möglichen Absatzgebiete zu erschließen. Man bediene sich hiebei der jeweiligen Konsuln, -welche die betreffenden Plätze studiren und bezügliche Muster sammeln, um solche mit den zu erzielenden Preisen und einem allgemeinen Bericht der kompetenten Behörde einzureichen. Diese Muster werden zweckmäßig ausgestellt und Jedermann, der sich dafür interessire, habe ein Material an Händen, welches ihm ein leicht faßliches Projekt vor Augen führe. So habe auch der ostschweiz. Stickerei-Verband in
St. Gallen, wenn auch nur mit einseitigen Mitteln arbeitend, anerkanntermaßen bereits schon befriedigende Resultate durch ein Mustermuseum erzielt. Um wie viel mehr sollte dies nicht möglich sein, wenn ein eidgenössisches Mustermuseum für alle Industriezweige errichtet würde, welches

654 den weitgehendsten Anforderungen zu entsprechen im Stande wäre.

Ebenso wie der Bund für alle volkswirtschaftlichen Bedürfnisse mit großen Summen in die Lücke trete, so würde sich derselbe bei einer solch' wichtigen Institution zweckentsprechend mit finanzieller Unterstützung einzugreifen wohl auch einverstanden erklären, zumal eben auch unsere Groß- und Kleinindustrie einen integrirenden Theil der Volkswohlfahrt bilde.

VI. Der Verein schweizerischer Woll- und Halbwoll.Industrieller würde das Entstehen solcher Institute begrüßen.

In ablehnendem Sinne sprechen sich aus : I. Die Finanz- und Handels dir ektion des Kantons Glarus.

Sie hält die Errichtung eines schweizerischen Handelsmuseums nicht für zweckentsprechend. Sie fürchtet, es würde dasselbe bald eher einem Antiquitäten-Kabinet ähnlich sehen oder, wie dies an ändern Orten gesehen werden könne, hauptsächlich nur von der LebensrnittelIndustrie benutzt werden. Sie glaubt nicht, daß z. B. die Uhrenindustrie sich einen Erfolg von einem schweizerischen Handelsmuseum verspräche, wenn dasselbe nicht in der Westschweiz Aufnahme fände, und umgekehrt werden die ostsehweizerischen Industrien urtheilen.

Unser Centralplatz, Bern, dürfe in diesem Falle als ganz ungeeignet bezeichnet werden. Zu einem einheitlichen Museum bedürfe es auch der Fachkenntniß in allen Industriebranchen. Es müsse in jeder derselben eine stetige Erneuerung und Auffrischung erfolgen.

Kurz, es müsse eine innige Verbindung mit jedem Industriezweige stattfinden und es sollte die Möglichkeit geboten sein, die betheiligten Kreise auf möglichst bequeme Art Einsicht nehmen zu lassen von dem, was je Neues geboten würde.

Dieselbe redet daher sogenannten Fachmuseen das Wort, die etwa wie folgt aufzustellen wären: Bijouterie in Genf; Uhren in La Chaux-de-Fonds; Seidenbänder in Basel; Seidenstoffe \ Baumwollspinnerei und -Weberei > in Zürich; Wolle, Stroh und diverse kleinere Industrien] Buntweberei ) . 0. ^ ,, Q ,. .

Stickerei.

/> m St. Gallen.

Druckerei in Glarus.

Dabei sei man der Meinung, daß diese Museen von dea betreffenden Industriebranchen selbst gegründet, organisirt und

655 unterhalten werden sollen, selbstverständlich unter Subvention des JBundes.

II. Die Seiden-Industrie-Gesellschaft des Kantons Zürich glaubt nicht, daß ein Handelsmuseum gute, richtige Auskunft zu ertheilen im Stande wäre, noch stets die neuesten Muster beschaffen könnte, lind deswegen könne sie keinen Nutzen für ihre Industrie in der Errichtung von Handelsmuseen erkennen.

Schon eher könnte sie in der Erweiterung bestehender und der Gründung neuer Fachschulen ein Mittel sehen, das zur Förderung unserer Industrien und indirekt zur Förderung des Exportes helfen dürfte. Ohne auf den Ankauf zu dringen, möchte sie für den Fall, daß an der Weltausstellung Artikel erworben würden, ersuchen, Fachschulen damit zu bedenken. Die Muster kommen dadurch in jene Kreise, in denen ein gewisses Interesse dafür vorausgesetzt werden dürfe, und wo in Verbindung mit den Fachschulen sich am leichtesten Mittel und Wege finden lassen, um neue Gedanken zu entdecken und allfällige neue Artikel mit Erfolg aufzugreifen.

Im Uebrigen erwarte sie eine Förderung des Exporthandels nur dann, wenn diese von der Privatinitiative ausgehe, und sie könne die Aufgabe des Staates lediglich darin sehen, daß er diesbezügliche Bestrebungen unterstütze.

III. Der schweizerische Spinner-, Zwirner- und Weber-Verein antwortete, daß Handelsmuseen für die Spinnerei und Zwirnerei gar kein und für die Weberei jedenfalls nur ein sehr geringes Interesse haben könnten. Die Spinner, die Zwirner und ebenso die Weber verfertigen geradezu Alles, was man von ihnen verlange, sobald der Preis konvenire. Sie seien in der Lage, jede Garnnummer, einfach und gezwirnt, zu jedem beliebigen Gebrauche sich eignend, zu erstellen. Ganz besonders sei die Webindustrie so hoch entwickelt, daß ihr kein Muster vorgelegt werden könne, welches sie nicht sofort herzustellen im Stande wäre.

Handelsmuseen haben eine hohe Bedeutung für Länder, welche sich erst industriell entwickeln wollen. Wir Schweizer aber kennen alle Textilartikel der ganzen Welt, seien ja überall Schweizer und Schweizerhäuser, welche das Mutterland unterrichten über Bedarf und Verbrauch von Erzeugnissen jeder Art auf den entferntesten "Winkeln unseres Erdballes, und daheim sei man im Stande, Alles zu erstellen und jedem Bedarf zu genügen. Gewiß sei unsere Industrie mehr als je darauf angewiesen, Spezialitäten zu erzeugen; allein die Erzeugung derselben könne in keinem Fall durch Errichtung von Handelsmuseen gefördert werden. Die Neuheiten werden

656

in der Regel geheim gehalten, und erst nachdem sie genügend ausgebeutet worden seien, werden sie Gemeingut und kommen im Museum erst zum Vorschein, wenn darauf nichts mehr zu verdienen sei.

Angeregt von großen Exporthäusern schaffe unsere Weberei immer und immer Neues. Gewisse Standards bleiben; in den Neuheiten aber löse ein Artikel in regulärer Kontinuität den ändern ab.

Freilich komme es dann allerdings auch vor -- sei wenigstens schon vorgekommen -- daß solch' neue Muster, in der Schweiz mit viel Fleiß, Geschick und Kostenaufwand erstellt, durch unsere Exporteurs nach England wandern, wo es ihnen manchmal gelinge, große Posten eine kleine Fraktion billiger erstellen zu lassen als durch den Verfertiger des Musters. Wenn also dem schweizerischen Weber oftmals sogar für die selbst angefertigten neuen Muster die Bestellungen entgehen, wie sollte man denn von ihm erwarten dürfen, daß er Neuheiten im Handelsmuseum niederlegen werde, um sie damit gleich zum Gemeingut Aller werden zu lassen? Die Kunstweberei könnte sich nach den gemachten Erfahrungen nicht einmal dazu entschließen, an einer Ausstellung ihre neuesten Artikel zu produziren, sondern würde, wenn sie ausstellen wollte, nur mit Typen ausrücken, um mit diesen durch den Grad der Perfektion zu glänzen.

Manche Leute meinen durch Anlegung von Musterkollektionen von Waaren aus ändern Staaten, die in fremden Ländern Absatz finden, sammt den nöthigen Angaben über Herkunft, Absatz und allen damit zusammenhängenden Verhältnissen, ganz besonders dem kleinen Manne einen Dienst zu erweisen, indem ihm dadurch deiExport ebenfalls ermöglicht werde. Diese Ansicht sei eine ganz unrichtige; man leiste dadurch dem kleinen Mann keine Wohlthat, sondern man führe ihn vielmehr ins Verderben ; denn kleine Leute sollen weder konsigniren noch exportiren. Es fehle ihnen dazu gewöhnlich Alles, nicht nur das nöthige Kapital, sondern es fehlen ihnen oft auch die erforderlichen merkantilen Kenntnisse. Wie mancher kleine Fabrikant sei an den Folgen dieses Fehlgriffes zu Grunde gegangen !

Der Erlös, wenn er überhaupt hereinkomme, bleibe viel zu lange aus. Hier solle und müsse das Gesetz der Arbeitstheilung zur Anwendung kommen : der Eine sei Fabrikant und der Andere Kaufmann ; der Eine verwende seine ganze Kraft auf die Produktion und der Andere mit reichen Mitteln bringe
das Erstellte auf den Weltmarkt.

IV. Der Verein schweizerischer Maschinenindustrieller erwartet von Handelsmuseen keine Förderung der Maschinenindustrie, und diese habe demnach an einer solchen Einrichtung kein Interesse.

657 V. Der bernische Verein für Handel und Industrie ist mit dem von der schweizerischen Handelskammer gefaßten Beschlüsse (vide pag. t>63 dieses Berichtes) einverstanden.

VI. Die kaufmännische Gesellschaft Zürich. Durch Handelsmuseen wolle man die Industriellen des eigenen Landes belehren, mit den Bedürfnissen und Absatzverhältnissen fremder Gegenden vertraut machen und sie anspornen, an der Deckung jener Bedürfnisse theilzunehmen. Es liege auf glatter Hand, daß die Erreichung dieses Zieles von drei Faktoren abhänge, von denen indessen die tüchtige Leitung eines solchen Instituts und die Neigung der Industriellen, sich überhaupt auf derartige Weise belehren zu lassen, hier nicht weiter in Betracht fallen. Viel wichtiger und für die Nutzbarmachung des Handelsmuseums entscheidend sei die Frage, ob die exportfähigen Industrien eines Landes noch andere und vor Allem aus bessere Mittel als das Handelsmuseum besitzen, um sich über fremde Absatzgebiete zu informiren. Es falle sofort in die Augen, daß in dieser Richtung die Verhältnisse eines altern Exportlandes, das seit mehr als einem halben Jahrhundert seine Vertretungen und Verbindungen in allen Zonen und Enden der Welt habe, wesentlich andere seien, als diejenigen eines Jüngern Industriestaates, dessen Exportindustrien die ersten Schritte aus der Treibhausluft des einheimischen, wohl verwahrten und wohl geschützten Marktes auf den Weltmarkt hinaus wagen. Und ferner leuchte es auch ein, daß selbst bei gleicher industrieller Entwicklung die Industrien desjenigen Landes der Unterstützung durch Handelsmuseen eher entrathen können, dessen Bürgern ein stärkerer Wandertrieb, die größere Leichtigkeit, fremde Länder aufzusuchen und zu beobachten, innewohne.

In dieser Hinsicht sei unsere Lage eine andere als diejenige Oesterreichs, Italiens oder auch Deutschlands. Unsere größern Exportindustrien haben das Stadium der Eatwicklung, in welchem Handelsmuseen von direktestem Nutzen für den produzirenden Industriellen wären, bereits überholt. Durch ihre Verbindungen aller Art informiren sie sich meist rascher und besser, als dies durch die Schaustellungen und Mittheilungen eines Handelsmuseums geschehen könnte, und darum sei es unthunlich und unwirthschaftlich, selbständige. Handelsmuseen als allgemein die Richtung weisende, Vorbilder liefernde Institutionen für
unsere Exportindustrien hinzustellen. Etwelcher Werth für die Orientirung und Bildung des Industriellen in einzelnen Fällen sei den Handelsmuseen trotz·dem auch für unsere Verhältnisse nicht abzusprechen, sofern dieselben sich möglichst auf der Höhe halten; und wenn nebenbei

658 tind ohne übermäßige Opfer dieser Bildungswerth nutzbar gemacht werden könne, so sei dies selbstverständlich wünschbar und erfreulieh.

Diese Lösung lasse sich finden, wenn die Handelsmuseen nicht sowohl darauf ausgehen, nur dem Tage und der jetzigen industriellen Generation zu dienen, sondern wenn sie ihre Sammlungen derart anlegen, daß dieselben ein Bild der ganzen Entwicklung eines Industriezweiges, des Werdens und Wachsens desselben und der darin vor sich gegangenen Wandlungen bieten und ein Erziehungsmittel für die kommenden industriellen Generationen sein, wollen. Für diese haben solche Sammlungen sehr bedeutenden Bildungswerth, wenn sie mit Applikationsschulen in Verbindung gebracht werden und als Anschauungs- und Lehrmittel dienen.

Und in diesem Sinne modifizirt wünscht die kaufmännische Gesellschaft allerdings, den den Handelsmuseen zu Grunde liegenden Gedanken unsern Verhältnissen anzupassen und für dieselben, nutzbar zu machen. Es hätte also der Bund die Sammlungen der industriellen und gewerblichen Bildungsanstalten in höherem Grade zu unterstützen, als dies bisher geschehen sei, und durch seine Mithülfe diesen Anstalten allmälig die Anlegung ansehnlicher, sich stets verjüngender Fachmuseen zu ermöglichen. Zu diesem Behufewären die Sammlungen, wie sie z. B. der Seidenindustrie in der Seidenwebschule in Zürich, der Stickerei in St. Gallen, der Buntweberei in Wattwyl etc. zur Verfügung stehen, zu äufnen und zu erweitern, und wenn man so Bestehendes ausbaue, so werde die Gefahr vermieden, daß der Staat aus übel angebrachter Wohlmeinenheit Waaren in einem Handelsmuseum zusammenstöpple, die Niemand betrachte und die darum schließlich als eine Grümpelsammlung vergrauen und verderben.

VII. Die kaufmännische Gesellschaft Winterthur äußert sich wie folgt: Für Industrielle haben alle Sammlungen, wie Handelsmuseen, wenig Werth; denn wer warten wollte, bis er in Museen gangbare Artikel und Preise gesehen hätte, der käme wirklich zu spät..

Und auf diesen wie auf anderen Gebieten soll man doch nicht glauben, daß wichtige Ideen, neue Schöpfungen und Erfindungenzum Gemeingut Aller gemacht werden.

Nach den von Seite der Mitglieder der Gesellschaft eingegangenen Ansichten müsse sie zu dem Antrage sich entschließen, daß von Errichtung von schweizerischen Handelsmuseen, oder einem Handelsmuseum, Umgang genommen werde.

659 Vili. Die Kommission für Handel und Gewerbe des Kantons Appenzell A. Rh. glaubt nicht, daß die Errichtung schweizerischer Handelsmuseen der Industrie so wesentliche Dienste leisten würde, welche die in Aussicht stehenden Kosten für dieselben rechtfertigten.

Es dürfte genügen, wenn der Bund v theilweise im Sinne desPostulates vom 8. Dezember abhin, einen Kredit auswürfe zur Subventionirung von Ankäufen an der Pariser Ausstellung für schon in den meisten industriellen Centren b e s t e h e n d e Museen.

IX. Der Handels- und Industrieverein Herisau hält dafür, daß ein unmittelbarer Erfolg betreffend Ausdehnung des Verkehrs einzelner Industrien durch Errichtung von Handelsmuseen nicht zu erwarten sei, da ja ein solches Museum unmöglich den einzelnen.

Fabrikanten so schnell und praktisch renseigniren könne, wie es bei den heutigen Handelsverhältnissen nöthig sei und wie solches durch gute Vertretungen an den Konsumplätzen erreicht werde.

Speziell die Stickerei-Industrie werde von Hunderten von Vertretern tagtäglich auf dem Laufenden erhalten. Das Industrie- und Gewerbemuseum in St. Gallen leiste schon ziemlich viel und doch holen unsere Industriellen die Wegleitung für die Gangbarkeit der Produkte nicht dort, sondern auf den großen Konsumplätzen Paris, London etc.

X. Der Industrieverein der Stadt St. Gatten hält Handelsmuseen in dem Rahmen, wie sie jetzt vorgeschlagen, nicht für ein Bedürfniß.

Die Fälle, wo es einem Handelsmuseum gelingen könne, einen Artikel ins Leben zu rufen, an den vorher bei uns nicht gedacht worden, werden sehr vereinzelt sein.

Da wandere man lieber durch die Straßen von Paris, suche die zahlreichen Käufer auf, welche für alle nahen und fernen Länder der Erde kaufen, und bilde sich so ein Urtheil über die Artikel, die daheim zu fabriziren seien. Wem dieses Reisen nicht möglich sei, der suche in unsern Industrie- und Gewerbemuseen aus dem reichen Material Ideen für seine Industrie, mache was Rechtes und Andere werden es gerne kaufen und verbreiten.

Das orientalische Museum in Wien sei recht reich und schön, aber spärlich besucht.

Der Handel sei lebendig -- nur das Heutige gelte, das Gestrige sei abgethan; Handelsprodukte, Waarenmuster, Preise, Bezugsquellen etc. können heute Werth haben, in einem Jahre sicher nicht mehr, ja oft in wenig Wochen nicht mehr. Das Aufbewahren

660

solcher Dinge, Jahre lang, in theuren Räumen, hätte nur noch ethnographischen Werth -- aber keinen praktischen oder Haudelswerth.

Der Handel bedürfe der Frische, täglich neuer Anregung und Nachdenkens. Geben wir unsero Industrien solche Anregungen; dazu seien berufen unsere Industrie- und Gewerbemuseen, Lesestoff und Illustrationen, Zeichnungsschulen, Webschulen etc.

Unsere Museen seien berechtigte Sammlungen; sie dienen der Industrie als Anschauungsunterricht, indem sie das Schönste und Beste aller Zeiten und Völker sammeln und dem Beschauer überlassen, daraus jeweilen das der Zeit Dienliche zu entnehmen ; nur diese Vorbilder, gut gewählt, seien Jahrhunderte lang schätzenswerthes Material.

XL Das kaufmännische Direktorium in St. Gallen äußert sich im Wesentlichen wie folgt: Man erwarte von einem Handelsmuseum, daß es Musterkollektionen der betreffenden Export- und Importgegenstände fortwährend komplet halte, alle praktischen Belehrungen über Emballage, Appretur, Versendungsweise u. s. w. biete, über die wirthschaftlichen und technischen Details des Transportes, also über die Wahl der besten Verkehrslinien, über die Art der Expedition, der Frachttarife, Zollansätze und sonstigen Spesen authentische Belehrung ertheile, endlich auch die Handlungshäuser und Firmen bezeichne und Empfehlungen oder Referenzen verschaffe, um dem mittleren und kleinern Gewerbetreibenden und K a u f m a n n die Theilnahme am Welthandel zu ermöglichen.

Es werde in erster Linie anzunehmen sein, daß den S a m m l u n g e n des Handelsmuseums nicht die gleiche Aufgabe zufallen soll, wie denjenigen der schon bestehenden Industrie- und Gewerbemuseen; daß sie also nicht dazu angelegt werden, um Geschmack und Technik von innen heraus weiter zu bilden und Studienmaterial im engern Sinne zu bieten, überhaupt als fachliche B i l d u n g s anstalten zu wirken ; sondern daß sie dem Besucher dasjenige zur Anschauung bringen sollen, was der Markt jeweilen verlange und anbiete und was der Kaufmann und der Industrielle sofort direkt verwerthen könne. Wie schwierig, ja geradezu unmöglich die Anlage solcher Sammlungen sein müßte, werde sofort einleuchten, wenn man bedenke, daß es bei halbwegs entwickeltem Exporthandel dein Interesse sowohl des hiesigen Versenders, als des auswärtigen Empfängers von Waaren in der Regel schnurstracks ent-

661 gegenlaufe, diejenigen Artikel, mit welchen sie auf dem Markte Erfolg haben, allgemein bekannt zu geben; wenn man ferner bedenke, wie rasch die Vorliebe für diese oder jene Artikel, der Geschmack an diesen oder jenen Mustern wechsle, und wie Alles, was mit Handel und Industrie zusammenhänge, sozusagen in nie unterbrochenem Wandel begriffen sei.

Es sei nicht in Abrede zu stellen, daß es unter gewissen Umständen für noch wenig entwickelte Kleinindustrien oder Gewerbe, die sich aus eigener Kraft den Weg, der in die große Straße des Welthandels führe, noch nicht zu bahnen vermochten, daß es in einzelnen Fällen auch für den Verkehr in gewissen Naturprodukten vortheilhaft sein dürfte, sich durch permanente oder zeitweise Ausstellungen einem weitern kaufenden Publikum bemerkbar und leichter zugänglich zu machen. Aber derartige Versuche von immerhin s e h r zweifelhaftem Ausgang werden wohl am besten im Anschlüsse an schon bestehende Institute gemacht oder dem Unternehmungsgeist der Interessenten überlassen, dem der Bund mit seinen Mitteln zu Hülfe kommen möge, wenn und soweit er es für gut finde. Die Großindustrie und der Großhandel bedürfen derartiger Krücken in keiner Beziehung, und was überhaupt durch die Sammlungen eines Handelsmuseums erworben und geboten werden könnte, wäre ohne Zweifel fast ohne Ausnahme für die unmittelbare Verwerthnng schon veraltet und hätte für die Beuutzer der Sammlungen nur noch den b i l d e n d e n Werth, der immer in der Erweiterung des geistigen Horizonts durch neue Anschauungen liege, aber nicht mehr, und daher in der Regel weniger, als gute Musterabonnemeuts oder sorgfältige Einkäufe eines einsichtig geleiteten Industrie- und Gewerbemuseums. B i l d e n d e r Art und nicht für unmittelbare Verwerthung geeignet, wären unbedingt auch die Ankäufe, die an der Pariser Weltausstellung gemacht werden sollten. Es sei sehr zu begrüßen, wenn die Eidgenossenschaft einen möglichst hohen Spezial-Kredit aussetze, um bei Anlaß der Ausstellung Ankäufe zu machen, aber nicht für ein neues Handelsmuseum, sondern für die bestehenden Industrie- und Gewerbemuseen, auf wohlmotivirte Vorschläge ihrer Verwaltungen.

Hinsichtlich des Auskunftsbüreau, welches mit Haudelsmuseen zu verbinden wäre und den Mittlern und Kleinen die Theilnahme am Welthandel ermöglichen sollte, bemerkt das genannte
Direktorium : Was von Zol l Verhältnissen, Gesetzgebung, Konsular- und ändern Fachberichten und Verfügungen jeder Art auf dem Gebiete von Handel und Industrie dem Kaufmann und Fabrikanten zu wissen nöthig sei, das solle ihm eine tüchtig geleitete amtliche Bundesblatt. 41. Jahrg. Bd. I.

44

662 Publikation bieten, und das Direktorium freue sich, sagen zu dürfen, daß unser Schweizerisches Handelsamtsblatt verständige Anforderungen in dieser Richtung Jahr für Jahr mehr befriedige. Auch die vor Kurzem eingeführte amtliche Statistik über die schweizerische Ein- und Ausfuhr sei für den denkenden Kaufmann und Industriellen von großem Werthe und in guten Händen, wenn auch immerhin noch vervollkommnungsfähig. Es sei auch an das schweizerische Posthandbuch zu erinnern. Was könnte denn in allen diesen Beziehungen ein Handelsmuseum mehr und Besseres leisten?

An Auskunft ferner über die verschiedenen Verkehrslinien und -Gelegenheiten und deren Vortheile lassen es die Herren Spediteure wahrlich nicht fehlen; die allmälige Beseitigung der Uebelstände aber, unter welchen der Handelsstand auf dem Gebiete des Transportwesens noch leide, sei nicht von einem Auskunftsbüreau oder Handelsmuseum, sondern von dem schweizerischen Eisenbahndepartement zu erhoffen. An Ankündigungen endlich, Empfehlungen, Mustersendungen, kurz an Reklame jeder Art werde in neuester Zeit wohl eher zu viel, als zu wenig gethan. Da sorge jeder Einzelne ausgiebigst dafür, daß seine Waare und seine Leistungen nicht im Dunkeln bleiben. Die P r ü f u n g aber alles Dargebotenen werde und müsse Sache des einzelnen Interessenten bleiben, und kein noch so großartig organisirtes Handelsmuseum oder Auskunftsbüreau könnte und wollte jemals die Verantwortlichkeit einer eigenen Beurtheilung übernehmen.

Es sei keine Ueberhebung, wenn das Direktorium seine Ueberzeugung dahin ausspreche, daß die Schweiz in der sorgfältigen Pflege der in neuerer Zeit gegründeten fachlichen Bildungsanstalten, in einer einsichtigen Gesetzgebung und in einer verständigen und festen Handels- und Zollpolitik die einzig r i c h t i g e n , n ö t h i g e n und m ö g l i c h e n Hülfsmittel zur Förderung ihres Handels und ihrer Industrie besitze und alles Uebrige ruhig der freien Selbstthätigkeit ihrer Volkskraft überlassen dürfe.

XII. Die Société industrielle et commerciale du Canton de Vaud ist der Ansicht, daß die Handelsmuseen einen praktischen Nutzen nicht hätten. Die Resultate solcher würden in keinem Verhältnisse zu den großen Kosten stehen.

XIII. Die Société intercantonale des Industries-du Jura spricht sich ebenfalls im ablehnenden Sinne aus. Die Eidgenossenschaft
möge vielmehr ihre Subventionen den gewerblichen Bildungsanstalten zuwenden, die diejenigen Muster sich verschaffen werden, die zu ihrem Zwecke nothwendig und nützlich seien.

663

Dies sind die Ergebnisse der in den Sektionen des schweizerischen Handels- und Industrievereins vorgenommenen Untersuchungen.

Was das häufig als Vorbild hervorgehobene Handelsmuseum in Brüssel betrifft, so haben wir schon früher über dasselbe nähere Erkundigungen eingezogen. Das Resultat derselben ist im Handelsamtsblatt vom 12. April 1887 publizirt worden und mag an diuser, Stelle wiederholt werden. Dasselbe lautet : Dieses Institut scheint in Belgien selbst nicht allgemein so geschätzt zu sein, wie im Aus-' land und speziell in der Schweiz, wo es seit einiger Zeit häufig zur Nachahmung empfohlen wird. Kompetente belgische Kauf'leute und Fabrikanten haben erklärt, daß der Luxus der Einrichtung außer Verhältniß zu deren Nutzen stehe, ja daß das Museum für sie geradezu werthlos und überflüssig sei. Wenn ein Kaufmann oder Industrieller über ein entferntes Absatzgebiet Aufschluß wünsche, ziehe er vor, Jemand dahin zu senden, um an Ort und Stelle Studien machen zu lassen, oder er wende sich an eine dort etablirte Vertrauensperson. Die im Museum ausgestellten Gegenstände seien für den Handel nicht neu, also werthlos, und bestünden zudem vorwiegend aus Produkten, die aus fernen Gebieten importirt werden können, Kokosnüsse, Straußenfedern u. dgl., wogegen man viel zu wenig Muster von neuen europäischen Exportartikeln finde. Der Hauptnutzen des Museums bestehe in den Mittheilungen, welche es über Transporttaxen und Zolltarife zu machen im Falle sei. -- Solche Urtheile über das belgische Handelsmuseum sind übrigens wiederholt auch im belgischen Parlamente zu Tage getreten und scheinen zu beweisen, daß man sich davor hüten muß, Alles, was das Ausland macht, für gut und nachahmenswert!! zu halten.

Der Vorort des schweizerischen Handels- und Industrievereins erachtete es der Wichtigkeit der Angelegenheit für angemessen, noch die schweizerische Handelskammer zu konsultiren.

Nach einläßlicher Diskussion hat diese in ihrer Sitzung vom 9. Februar abhin sich damit einverstanden erklärt, daß der Bund die etwaige Gründung von Handelsmuseen nach Maßgabe des Bundesbeschlusses vom 18. Dezember 1884 (betreffend Vertretung der schweizerischen wirtschaftlichen und kommerziellen Interessen im Auslande) unterstütze, daß er aber namentlich auf die Subveutionirung der Industrie- und Gewerbemuseen, sowie der Sammlung von Fachschulen bedacht sein und ihnen die in Paris durch kompetente Leute zu erwerbenden Ausstellungsgegenstände zuwenden möge.

664

Hiermit übereinstimmend lautet das vom Vororte des Ogenannten Vereins uns erstattete Gutachten, welches wir unserm Berichte beilegen. -- Im wirthschaftlichen Leben eines Staates ist der Exporthandel unstreitig von eminenter Bedeutung und es ist Aufgabe des Staates, Mittel und Wege ausfindig /u machen, wie derselbe gefördert und Hemmnisse, die ihm entgegenstehen, beseitigt werden können. Es geschieht dies bereits auf mannigfache Weise, wie das kaufmännische Direktorium in St. Gallen in seinem Berichte anerkennend hervorhebt.

Wie aus den ausatiglieli mitgethöilten Belichten hervorgeht, sind in kompetenten Kreisen die Ansichten darüber, ob Handelsmuseen geeignet seien, im Verhältnisse der bei zweckmäßiger Einrichtung unvermeidlich mit denselben verbundenen Kosten auch zu nützen, divergirend. Unter allen Umständen und abgesehen von den divergirenden Ansichten über Notwendigkeit und Nützlichkeit erscheint es nicht als angezeigt, daß vom Bunde auf seine Kosten und offiziell solche Institute in's Leben gerufen werden.

Es ist bisher als Grundsatz beobachtet worden, daß der Staat nur da und nur insoweit in's wirthschaftliehe Leben eingreife, als die Kräfte der Privaten nicht zureichen. An dem bisherigen Verfahren festhaltend, glauben wir, daß der Bund nicht offizielle Handelsmuseen gründen soll, daß er aber, wenn Gruppen von Industrien oder Gewerben solche Museen für ihren luteressenkreis in's Leben rufen wollen, sie unterstütze, wenn sieh nach vorgenommener Untersuchung herausstellt, daß sie wirklich im allgemeinen Interesse des Landes liegen.

Es ist sowohl von der Handelskammer als auch von verschiedenen Sektionen des Handels- und Lidustrievereins betont worden, daß die Unterstützung des Bundes namentlich den bestehenden Industrie- und Gewerbeschulen, sowie den gewerblichen Fachschulen zugewendet und daß die Pariser Ausstellung zu Anschaffungen für dieselben benutzt werden mochte.

Wir sind deshalb in der Lage, auch hierüber unsere Ansichten mitzutheilen.

Zunächst erinnern wir daran, daß ^die Muster-, Modell- und Lehrmittelsammlungen, die Gewerbe- und Industrie-Museen"- gemäß Art. 2 und l des Bundesbeschlusses vom 27. Juni 1884 betreffend die gewerbliche und industrielle Berufsbildung zu denjenigen Anstalten gehören, welche Beiträge aus der Bundeskasse erhalten.

Es geschah die Ausrichtung solcher Beitrage denn auch seit In-

665

krafttreten jenes Bundesbeschlusses in ausgiebigem Maße, so daß es den Sammlungen ermöglicht war, die jeweilen sich bietenden günstigen Gelegenheiten zu Ankäufen auszunützen.

Wir wollen hier wiederholen, was wir bereits in einem ändern Berichte gesagt, daß nämlich die Ausgaben des Bundes für die gewerblichen und industriellen Bildungsanstalten seit 1884 bis 1889 Fr. 1,386,957. 92 betragen und zwar: Fr.

p r o 1884 .

.

.

44,559. 8 8 1885 .

.

. 171,376. 67 1886 .

.

. 220,012. 63 1887 .

.

. 259,981. 99 1888 .

.

. 319,026. 75 blidgetirt 1889 .

.

. 372,000. -- 1,386,957. 92 Auch in den ihre Subventionsbegehren pro 1889 begleitenden Budgets haben sie sich hinreichend vorgesehen, um Anschaffungen an der Pariser Weltausstellung, welche ihre Direktoren zu diesem Zweck besuchen werden, zu machen. Die für, Anschaffungen im Jahre 1889 vom Bunde verlangte Summe beläuft sich einzig für diejenige Kategorie von Anstalten, um die es sich hier handelt, auf ungefähr Franken 55,000, während sie aus ändern Mitteln noch weitere Fr. 65,000 ebenfalls für Anschaffungen zu verwenden in Aussicht genommen haben. Es repräsentirt dies eine Gesammtsumme von beiläufig Fr. 120,000, welche unseres Erachtens genügen wird. Sollte die eine oder andere besonders günstige Gelegenheit sich zeigen, um etwas Außerordentliches an der Weltausstellung anzukaufen, wofür die vorhandenen Mittel nicht hinreichen, so mögen sich die Interessenten mit einem besonderen Gesuch an die Bundesbehörden wenden, welche nicht ermangeln werden, es zu prüfen und eventuell ausnahmsweise Zuschüsse zu machen, oder, falls das Budget nicht ausreichen sollte, Nachtragskredite au verlangen resp.

zu bewilligen.

Zu den schon vorhandenen beträchtlichen Mitteln aber von vornherein noch weitere auszuwerfen, können wir nicht befürworten.

Ein solches Vorgehen würde leicht zu deren Verausgabung à tout prix, zu Verschleuderung führen, wovon weder Industrie noch Gewerbe Nutzen hätten. Schon jetzt konnte hie und da eine Tendenz zur Aufstapelung möglichst vieler Gegenstände beobachtet werden, welche um so schädlicher ist, als mehrere unserer Museen mit so großen räumlichen Einschränkungen zu kämpfen haben, daß weitere Anschaffungen zum Theil sistirt werden müssen und ihre rationelle Entwicklung in Frage gestellt ist.

666

Das Ergebniß der Untersuchung führt uns zu folgenden Anträgen : 1) Die Gründung von Handelsmuseen ist der Privatthätigkeit zu überlassen. Der Bundesbeschluß vom 18. Dezember 1884 findet auch auf die Gründung solcher Institute analoge Anwendung. Demnach kann Handelsmuseen, die zur allgemeinen Förderung des schweizerischen Handels ins Leben gerufen werden, auf gestelltes Ansuchen finanzielle oder anderweitige Unterstützung bewilligt werden, wenn dieselben sich nach der von den Bundesbehörden vorzunehmenden Prüfung als nützlich und nothwendig herausstellen.

2) Sollten nicht vorgesehene Ankäufe an der Pariser Ausstellung für bestehende Industrie- und Gewerbemuseen oder Fachschulen gemacht werden wollen, und die vorhandenen Mittel nicht hinreichen, so wird die Bundesbehörde nachträgliche Subventionsgesuche, die zu solchen Ankäufen an sie gelangen, prüfen und, wenn sich die Gesuche als begründet herausstellen, Zuschüsse zu den bereits pro 1889 bewilligten Subventionen machen.

Wir benutzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 19. März

1889.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

>»<>·

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Gründung von Handelsmuseen. (Vom 19. März 1889.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1889

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

12

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.03.1889

Date Data Seite

647-666

Page Pagina Ref. No

10 014 305

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.