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22.022 Botschaft zum Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben vom 4. März 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG).

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2015

P

14.4275

Wie kann die Freigabe von Open-Source-Software durch die Bundesverwaltung explizit erlaubt werden?

(N 20.3.15, Glättli)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. März 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2022-0712

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Übersicht Mit dem Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben werden die Rechtsgrundlagen für eine wirkungsvolle digitale Transformation in der Bundesverwaltung sowie für die Zusammenarbeit zwischen Behörden verschiedener Gemeinwesen und Dritten auf dem Gebiet des E-Government geschaffen.

Ausgangslage Digitale Technologien verändern nicht nur unsere Gesellschaft und unsere Kommunikationsformen, sie ermöglichen auch nie da gewesene digitale Interaktionen zwischen staatlichen Behörden sowie mit der Bevölkerung oder der Wirtschaft. Um das Potenzial der Digitalisierung bestmöglich auszuschöpfen, ist die Verwaltung gefordert, einen nächsten Schritt in der Modernisierung der Informations- und Kommunikationstechnik zu unternehmen. Die Schweiz verfügt zwar über eine effiziente und vertrauenswürdige «analog» arbeitende Verwaltung. Bevölkerung und Wirtschaft verlangen aber zunehmend auch die Möglichkeit, elektronische Kanäle zu nutzen, wie sie dies aus anderen Lebensbereichen gewohnt sind.

Unter dem Begriff «digitale Verwaltung» wird der Einsatz digitaler Technologien in der Administration verstanden. Damit wird die herkömmliche Verwaltungsführung durch neue elektronische Handlungsinstrumente bereichert. Einen bedeutenden Teilaspekt der digitalen Verwaltung bildet das E-Government. Im Vordergrund stehen hierbei die elektronische Bereitstellung von Behördenleistungen und die Digitalisierung von bestehenden Verwaltungsprozessen durch Informations- und Kommunikationstechnologien.

Um die digitale Transformation voranzutreiben, müssen dem Bund mithin die erforderlichen Rechtsgrundlagen zur Verfügung stehen, um ihm neue Handlungsoptionen auf dem Gebiet des E-Government bereitzustellen und um in Zusammenarbeit mit den Kantonen dessen Ausbreitung effizient voranzutreiben. Der vorliegende Entwurf bildet eine wesentliche Grundlage, damit der Bund und die Kantone die Entwicklungen und Herausforderungen im Bereich der digitalen Transformation gemeinsam, bedürfnisgerecht, zielorientiert und koordiniert anzugehen vermögen.

Nicht Gegenstand dieser Vorlage sind die Ergebnisse aus dem aus Vertreterinnen und Vertretern aller Staatsebenen zusammengesetzten Projekt «Digitale Verwaltung: Projekt zur Optimierung der bundesstaatlichen Steuerung und Koordination». Während im Projekt
«Digitale Verwaltung Schweiz» etappenweise eine Zielorganisation aufgebaut werden soll, die gegebenenfalls auch eine Anpassung der verfassungsrechtlichen Grundlagen notwendig macht, sollen mit dem Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG) punktuell die notwendigen und in der bestehenden verfassungsrechtlichen Ordnung möglichen Grundlagen geschaffen werden. Ob und wie weit das EMBAG als Grundlage für die Umsetzung des Projekts «Digitale Verwaltung Schweiz» dienen kann und wie es gegebenenfalls anzupassen ist, wird im Rahmen der Rechtsabklärungen bei der Umsetzung des Projektes zu analysieren sein.

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Inhalt der Vorlage Mit der Gesetzesvorlage soll die elektronische Abwicklung der Geschäftsprozesse des Bundes gefördert werden («digital first»). In der Vorlage werden Rahmenbedingungen für die Verbreitung des Einsatzes von E-Government auf Bundesebene, für die Zusammenarbeitsformen des Bundes mit anderen Gemeinwesen und Organisationen im Bereich des E-Government sowie für elektronische Behördenleistungen festgelegt.

Mit Letzterem werden Grundlagen für die gebührenfreie Lizenzweitergabe von Software (Open Source Software), für die Veröffentlichung von Daten der Verwaltung zur freien Nutzung (Open Government Data), für die Bereitstellung und Nutzung von Mitteln der Informations- und Kommunikationstechnologie von Bundesbehörden als auch für die Festlegung von Standards durch den Bund geschaffen. Des Weiteren sieht die Vorlage vor, dass Aufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten an Organisationen übertragen werden können. Ebenfalls geregelt wird der Grundsatz des automatisierten elektronischen Datenaustauschs mittels Schnittstellen sowie der Betrieb einer Interoperabilitätsplattform. Zur Förderung der digitalen Transformation der Bundesverwaltung wird ferner eine Grundlage für die Durchführung von Pilotversuchen geschaffen. Eine befristete Bestimmung sieht sodann eine Anschubfinanzierung zur Förderung dringend erforderlicher digitaler Infrastrukturen und Basisdienste für die Jahre 2024­2027 vor.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

2

1

6 6 8

2

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.3.1 Verhältnis zur Legislaturplanung 1.3.2 Verhältnis zu den Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

9 9 11 15

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Vernehmlassung zum VE-EMBAG

17 17

2.2

Vernehmlassung zur Übergangsbestimmung Artikel 16bis VEEMBAG

20

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

21

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.2 Erörterungen zu Teilgehalten der beantragten Neuregelung 4.2.1 Vereinbarungen über die Zusammenarbeit im Bereich des E-Government 4.2.2 Beteiligungen des Bundes an Organisationen 4.2.3 Übertragungen von Verwaltungsaufgaben 4.2.4 Beschaffungsrecht 4.2.5 Steuerrecht 4.2.6 Finanzierung 4.2.7 Rechtsverhältnisse 4.2.8 Open Source Software 4.2.9 Open Government Data 4.2.10 Bereitstellung und Nutzung von IKT-Mitteln von Bundesbehörden 4.2.11 Festlegung von Standards 4.3 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 4.4 Umsetzungsfragen

25 25 27

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

51

6

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.1.1 Finanzielle Auswirkungen 6.1.2 Personelle Auswirkungen 6.1.3 Andere Auswirkungen

99 99 99 101 102

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27 28 29 30 32 34 35 36 39 41 45 46 49

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6.2 6.3 7

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, die Gesellschaft und die Umwelt

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.1.1 Kompetenz zum Abschluss von Vereinbarungen im Bereich E-Government 7.1.2 Kompetenz zum Beschluss von Beteiligungen im Bereich E-Government 7.1.3 Übertragung von Verwaltungsaufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten 7.1.4 Kompetenzen für die weiteren Regelungsinhalte des Gesetzes 7.1.5 Vereinbarkeit mit Rechts- und Bundesstaat, Demokratieprinzip und Gewaltenteilung 7.1.6 Handhabung des Legalitätsprinzips bei der Regelung von Pilotversuchen 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz 7.6 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 7.7 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.8 Datenschutz

Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG) (Entwurf)

104 104 105 105 106 107 107 107 108 109 110 111 112 112 113 115 116

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Im Rahmen des Ministertreffens am 6. Oktober 2017 in Tallinn haben die 32 Länder der EU und der EFTA, darunter auch die Schweiz, eine gemeinsame Deklaration zur Förderung von E-Government unterzeichnet. Mit der «Tallinn Declaration on eGovernment»1 soll eine gemeinsame Basis gelegt werden, um die Digitalisierung der Verwaltung nicht nur national, sondern auch international voranzutreiben. Die Deklaration enthält fünf zentrale Prinzipien für E-Government und soll als Leitfaden zur Weiterentwicklung dienen. Unter anderem sollen Dienstleistungsprozesse der Verwaltung möglichst digital und möglichst allen zur Verfügung stehen. Auch soll die Dateneingabe für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zuverlässig und sicher sein und nur einmal getätigt werden müssen. Zudem wird angestrebt, dass die IT-Systeme national und international kompatibel sind.

Der digitale Wandel in den öffentlichen Verwaltungen orientiert sich an den Grundsätzen der Deklaration von Tallinn. Der mit dieser Deklaration verfolgte Ausbau der Digitalisierung in der Verwaltung bedingt in der Schweiz hinreichende gesetzliche Grundlagen, damit der Bund elektronische Mittel wirkungsvoll zur Erfüllung seiner Aufgaben einsetzen und Behördenleistungen für die Bevölkerung, Wirtschaft und Forschung digital erbringen kann (insbesondere elektronische Erledigung von Behördengängen). Der Verwaltungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen soll nachhaltig verringert werden, indem elektronische Verfahren und Dienste angeboten werden.

Klare Rechtsgrundlagen sind sodann erforderlich für die in der Schweiz angestrebte enge Zusammenarbeit des Bundes im Bereich des E-Government mit anderen Gemeinwesen, aber auch mit Organisationen. Im sich auch künftig rasch entwickelnden Feld des E-Government ist heute zwar nicht abschliessend absehbar, welche Formen der Zusammenarbeit zwischen den Gemeinwesen nötig sein werden. Mit der vorliegenden Vorlage sollen indes die gesetzlichen Grundlagen für die in Frage kommenden Formen der Zusammenarbeit auf Bundesebene geschaffen werden.

Ebenso Auslöser des vorliegenden Gesetzgebungsprojekts bildete die Gründung der eOperations Schweiz AG (nachfolgend auch «eOperations») und die beabsichtigte Beteiligung des Bundes an dieser Gesellschaft. Gestützt auf die öffentlich-rechtliche Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz 2016­

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Abrufbar unter www.efd.admin.ch > Startseite > Dokumentation > Medienmitteilungen > Schweiz unterzeichnet europäische Deklaration zu E-Government.

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20192 hat der E-Government-Steuerungsausschuss die Schweizerische Informatikkonferenz (SIK) mit dem Aufbau einer Organisation beauftragt, die die organisatorische, finanzielle und betriebliche Abwicklung von gemeinschaftlich genutzten ITLösungen über die föderalen Ebenen hinweg unterstützen kann. Der Aufbau einer gemeinsamen Organisation für Beschaffung und Betrieb von E-Government-Lösungen war eines der zentralen Anliegen im Vorfeld der E-Government-Strategie von 2016.

Die SIK hat am 20. Juni 2018 die eOperations mit einem Aktienkapital von 100 000 Franken und einer Kapitaleinlagereserve von 200 000 Franken gegründet und sämtliche 1000 Aktien zum Nennwert von 100 Franken gezeichnet. Da sich der Bund jeweils mit einem Drittel an den Betriebskosten der SIK beteiligt, hat er so in den letzten Jahren zum Aufbau des Vermögens der SIK von rund einer Million beigetragen. Er ist damit bereits heute indirekt über die SIK Mitaktionär der eOperations Schweiz AG. Der Sitz der Gesellschaft befindet sich in Bern. Zum Gründungszeitpunkt war die SIK Alleinaktionärin der Gesellschaft. Der Bund, die Kantone und die grösseren Städte wurden eingeladen, sich als Aktionäre an der eOperations zu beteiligen; der Aktienerwerb durch Private ist nicht vorgesehen. Die SIK will in der ersten Phase die Mehrheit an der eOperations halten und den interessierten Gemeinwesen vorerst eine erste Aktie abtreten. Für den Bund ist mindestens eine Aktie ­ auch für einen späteren Erwerb ­ reserviert. Stand 12. November 20203 verfügte die eOperations nebst der Hauptaktionärin SIK bereits über 86 Aktionäre (26 Kantone, 46 Städte/Gemeinden und 14 Organisationen im Besitz von Gemeinwesen).

Damit sich der Bund zwecks Zusammenarbeit im Bereich des E-Government an Organisationen (z. B. an der eOperations) beteiligen kann, ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Der Bundesrat unterstützt die Beteiligung des Bundes und hat mit Bundesratsbeschluss vom 30. Januar 2019 das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) beauftragt, unter Mitwirkung der Bundeskanzlei (BK) und des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) bzw. des Bundesamts für Justiz (BJ) dem Bundesrat einen Gesetzesentwurf mit den erforderlichen Rechtsgrundlagen zu unterbreiten, die sicherstellen sollen, dass dem Bund in allen Fällen die sachlich sinnvollsten Formen der
Zusammenarbeit im Bereich des E-Government zur Verfügung stehen.

Des Weiteren haben der Bundesrat und die Plenarversammlung der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) Anfang April 2020 ein umfassendes Projekt beschlossen: «Digitale Verwaltung: Projekt zur Optimierung der bundesstaatlichen Steuerung und Koordination». Mit ihrem gemeinsamen Entscheid wollen der Bundesrat und die KdK die Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden institutionell stärken und auf neue Grundlagen stellen. Durch die Zusammenführung von E-Government Schweiz und der Schweizerischen Informatikkonferenz (SIK) wurde eine neue Organisation «Digitale Verwaltung Schweiz» (DVS) errichtet, die seit Januar 2022 operativ ist. Die neue Organisation DVS ist paritätisch aufgebaut und wird von Bund und 2

3

BBl 2015 9637. Ab 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2021 galt die «Öffentlich-rechtliche Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz 2020», vgl. BBl 2019 8729. Seit 1. Januar 2022 gilt die «Öffentlich-rechtliche Rahmenvereinbarung über die Digitale Verwaltung Schweiz», welche der Bundesrat am 24. September 2021 genehmigt hat.

Die Angaben sind abrufbar unter: www.eoperations.ch > eoperations Schweiz > Aktionäre.

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Kantonen gemeinsam getragen und geführt. Administrativ sind der bereits eingesetzte Beauftragte DVS und die Geschäftsstelle DVS beim Generalsekretariat des EFD angesiedelt. Ihre Hauptaufgabe ist die etappenweise Schaffung einer Staatsebenen übergreifenden Organisation. Die erste Etappe bis 2022 sieht die Umsetzung einer politischen Plattform mit Standardentwicklung vor, noch ohne Kompetenzen zur Verbindlicherklärung von Standards, aber mit einem breiten Mandat und Antragsrecht.

Die zweite Etappe beinhaltet eine politische Plattform mit verbindlicher Standardsetzung etwa im Bereich Datenmanagement. Die dritte Etappe setzt eine Behörde voraus, die ein breites Mandat und entsprechende Kompetenzen hat.

Während also im Projekt «Digitale Verwaltung» etappenweise eine Zielorganisation aufgebaut werden soll, welche gegebenenfalls auch eine Anpassung der verfassungsrechtlichen Grundlagen notwendig macht, sollen im Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG) punktuell die notwendigen und in der bestehenden verfassungsrechtlichen Ordnung möglichen Grundlagen geschaffen werden.

Im März 2021 wurde sodann eine Agenda «Nationale Infrastrukturen und Basisdienste Digitale Verwaltung Schweiz» (nachfolgend «Agenda DVS») erstellt. Diese wurde in enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle von E-Government Schweiz (inkl. E-Government Koordinator Bund), der Fachstelle der SIK sowie Fachleuten von Bund, Kantonen und Gemeinden entwickelt. Mithilfe dieser Agenda DVS werden die Ambitionen im Bereich der digitalen Verwaltung von Bund und Kantonen gemeinsam festgelegt und damit Schlüsselprojekte rasch angestossen und der Aufbau der digitalen Verwaltung substanziell vorangetrieben. Die Agenda DVS wird weiter ausgearbeitet und mit konkreten Projekten verfeinert werden. Um die Schaffung von Infrastrukturen und Basisdiensten für die Abwicklung von elektronischen Prozessen zu beschleunigen, hat der Bundesrat am 11. Juni 2021 für die Finanzierung der Agenda DVS zusätzliche Mittel von insgesamt 15 Millionen Franken für die Jahre 2022 und 2023 beschlossen. Um die Finanzierung der Agenda DVS über das Jahr 2023 hinaus zu gewährleisten, soll eine Grundlage für eine Anschubfinanzierung durch den Bund geschaffen werden. Die Bestimmung ist auf die Jahre 2024 bis 2027 befristet. In der
Folge sollte die Organisation DVS etabliert und eine Anschubfinanzierung nicht mehr notwendig sein.

Weil die Finanzierung der Agenda DVS die Kantone ebenso tangiert, wurde zur nachträglich in den Vorentwurf EMBAG (VE-EMBAG) eingefügten Übergangsbestimmung vom 11. August 2021 bis 11. November 2021 ein zusätzliches Vernehmlassungsverfahren durchgeführt (vgl. Ziff. 2.2).

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Geprüft wurde vorab, die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung gestützt auf die bestehenden Rechtsgrundlagen durchzuführen. Dabei wurde festgestellt, dass Regelungslücken in verschiedenen Bereichen bestehen, welche die digitale Transformation behindern. Zunächst fehlen Bestimmungen, welche die bei der Digitalisierung zu beachtenden Grundsätze regeln. Weiter fehlen ausdrückliche Rechts-

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grundlagen für die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinwesen sowie für die finanzielle Beteiligung an Digitalisierungsprojekten. Die Zusammenarbeit über die Staatsebenen hinweg ist unter diesen Umständen nur punktuell möglich. Unklar ist mangels ausdrücklicher Regelung die Rechtslage im Hinblick auf die Freigabe von Open Source Software (OSS). Die zeitgerechte digitale Transformation würde mit den bestehenden Rechtsgrundlagen ungenügend unterstützt.

Geprüft wurde weiter, ob anstelle des Erlasses eines Gesetzes bestehende Erlasse punktuell ergänzt werden können. Dies wurde verworfen, da damit ein Gesamtbild der geltenden Bestimmungen im Bereich der Digitalisierung erschwert wird.

Die Verankerung der Open-Government-Data-Grundsätze (Open Government Data nachfolgend OGD) im Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 20044 (BGÖ) wurde im Jahr 2015 im Rahmen der Arbeiten der Arbeitsgruppe OGD Recht und im Zusammenhang mit der Erarbeitung des vorliegenden Entwurfs verworfen. Das OGDPrinzip ist zwar durchaus eng verwandt mit den Zwecken des BGÖ, da beide den allgemeinen Zugang zu Informationen bzw. Daten der Verwaltung beabsichtigen und so u. a. die Transparenz der Verwaltung fördern. Es bestehen aber auch grundsätzliche Unterschiede, die einer Verankerung von OGD im BGÖ entgegenstehen: So ist im BGÖ eine passive Informationsregelung (Hol-Prinzip) verankert, wohingegen OGD auf einer aktiven Informationsregelung (Bring-Prinzip) fussen. Zudem umfasst das BGÖ jede Information, die auf einem beliebigen Informationsträger aufgezeichnet ist, die sich im Besitz einer Behörde befindet, von der sie stammt oder der sie mitgeteilt worden ist, und die die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betrifft (Art. 5 Abs. 1 BGÖ). Als amtliche Dokumente im Sinne des BGÖ gelten auch solche, die durch einen einfachen elektronischen Vorgang aus aufgezeichneten Informationen erstellt werden können (Art. 5 Abs. 2 BGÖ). In den Anwendungsbereich von OGD fallen dagegen nur Daten, die die Verwaltungseinheiten im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben erhoben oder erstellt haben und die elektronisch gespeichert und in Sammlungen strukturiert vorliegen. Sind Daten als OGD gemäss dem vorliegenden Gesetz öffentlich zugänglich, so gilt der Anspruch auf Zugang nach dem BGÖ aber für jedermann als erfüllt (vgl. Art. 6 Abs. 3 BGÖ).

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

1.3.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

In der Botschaft vom 29. Januar 20205 zur Legislaturplanung 2019­2023 wird die Verabschiedung der Botschaft zur vorliegenden Gesetzesvorlage als erforderliche

4 5

SR 152.3 BBl 2020 1777, hier insbesondere von Interesse S. 1834.

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Massnahme zur Erreichung von Ziel 2 («Der Bund erbringt seine staatlichen Leistungen effizient und möglichst digital») angekündigt.6 Im Bundesbeschluss vom 21. September 20207 über die Legislaturplanung 2019­2023 figuriert die Verabschiedung der Botschaft zum vorliegenden Bundesgesetz8 als Massnahme 4 zur Erreichung des vorerwähnten Ziels 2.

Die Vorlage bildet zudem einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Verwirklichung der «E-Government-Strategie Schweiz 2020­2023»9, deren Umsetzung im gleichen Bundesbeschluss explizit als zu ergreifende Massnahme Erwähnung fand.

Mit dieser Massnahme wird das Ziel verfolgt, staatliche Leistungen des Bundes effizient und möglichst digital zu erbringen.

Ferner führte die Botschaft vom 29. Januar 202010 zur laufenden Legislaturplanung aus, dass mit der «E-Government-Strategie Schweiz» verschiedene Massnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden in den zentralen Handlungsfeldern «Interaktion und Partizipation», «Basisdienste und Infrastruktur», «Organisation und rechtliche Grundlagen» sowie «Vertrauen und Wissen» realisiert werden sollen.

Die bereits erfolgte Gründung der eOperations und die geplante Beteiligung des Bundes an derselben bildeten ein strategisches Projekt, das das operative Ziel verfolgt, eine gemeinsame Organisation für Beschaffung, Betrieb und Pflege gemeinschaftlicher E-Government-Lösungen aufzubauen.11 Die eOperations entspricht mit anderen Worten dem politischen Willen von Bund und Kantonen gemäss der öffentlich-rechtlichen Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz und der «E-Government-Strategie Schweiz».

Auch in der erneuerten, seit 1. Januar 2022 geltenden «Öffentlich-rechtlichen Rahmenvereinbarung über die Digitale Verwaltung Schweiz»12 ist unter den Grundsätzen vorgesehen, dass die Organisation DVS mit der eOperations zusammenarbeitet.

Um den Zweck der eOperations ­ den gemeinsamen Aufbau und Betrieb von IT-Lösungen für digitalisierte Behördenleistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden ­ realisieren zu können, liegt eine Beteiligung des Bundes an der eOperations mittels Aktienerwerb (mindestens eine Aktie zum Nennwert von 100 Franken) auf der Hand. Nachdem der Bund die Bedarfsklärung nach dem Aufbau einer Organisation für operative Fragen im E-Government überhaupt erst angestossen hat, wäre den anderen öffentlichen Gemeinwesen ein Beteiligungsverzicht des Bundes an der eOperations nicht vermittelbar.

6 7 8 9 10 11 12

Ziel 2 von Leitlinie 1; damals noch unter dem Titel «Bundesgesetz über Zusammenarbeitsformen im Bereich digitalisierter Behördenleistungen».

BBl 2020 8385, hier insbesondere von Interesse S. 8386.

Hier ebenfalls noch unter dem vormaligen Titel «Bundesgesetz über Zusammenarbeitsformen im Bereich digitalisierter Behördenleistungen».

Vgl. Ziff. 1.3.2 BBl 2020 1777 S. 1836.

Ziel 4 der operativen Ziele 2017­2019 des Schwerpunktplans.

BBl 2021 3030

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1.3.2

Verhältnis zu den Strategien des Bundesrates

E-Government-Strategie Schweiz Das strategische Projekt eOperations schaffte die Voraussetzungen für eine gemeinsam von Bund, Kantonen und Gemeinden getragene Organisation, das wiederum auf die «E-Government-Strategie Schweiz» abgestimmt ist. Der Bundesrat hat die E-Government-Strategie Schweiz 2020­2023 am 20. November 201913 verabschiedet. Im Rahmen der E-Government-Strategie werden Massnahmen für einen Kulturwandel in den öffentlichen Verwaltungen im Zeichen der Digitalisierung ins Auge gefasst. Die Strategie will mit dem Leitbild «digital first» im Geschäftsverkehr der Behörden den elektronischen Kanal als erste Wahl etablieren. Im Weiteren soll die Zusammenarbeit der Behörden intensiviert werden.

Die Schaffung von Rechtsgrundlagen zum Abschluss von Zusammenarbeitsvereinbarungen mit anderen Gemeinwesen sowie für die Bereitstellung und Nutzung von Mitteln der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) von Bundesbehörden, namentlich von Basisdiensten und E-Services, stellen (ebenfalls) Massnahmen dar, die der Regierung bei der Realisierung der E-Government-Strategie Schweiz die erforderlichen Handlungsspielräume eröffnen soll. Ihren Ursprung finden sie im Bundesratsbeschluss vom 14. November 2018, mit dem das EFD beauftragt wurde, in Zusammenarbeit mit der KdK mögliche verbindlichere Rechtsgrundlagen für die Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden im E-Government abzuklären.

Auch die Bestimmungen zur Festlegung von Standards (Art. 12 des Entwurfs des EMBAG [E-EMBAG]), zu den Schnittstellen (Art. 13 E-EMBAG) und zur Interoperabilitätsplattform (Art. 14 E-EMBAG) stehen im Einklang mit der E-GovernmentStrategie Schweiz, die vorgibt, dass Bund, Kantone und Gemeinden auf standardisierte Lösungen und offene Schnittstellen zu setzen haben (S. 9 der Strategie).

«Tallinn Declaration on eGovernment» Ziel der E-Government-Erklärung von Tallinn ist der Ausbau der Digitalisierung in der Verwaltung. Es sollen mehr digitale Verwaltungsdienstleistungen angeboten werden und die IT-Systeme der Länder sollen stärker miteinander vernetzt werden.

In Bezug auf den Betrieb von Basisdiensten und E-Services ( IKT-Mittel) haben sich die unterzeichnenden Staaten der Deklaration dazu bekannt, die grenzüberschreitende Nutzung von digitalen Behördenleistungen und Basisdiensten zu fördern. Dafür sind
interoperable Systeme notwendig. In der Schweiz, die die Deklaration am 6. Oktober 2017 unterzeichnet hat, kommt diesem Prinzip ebenfalls höchste Bedeutung zu, da ohne Anwendung von Standards und ohne Garantie der Interoperabilität effiziente und kostensparende Prozesse über die Staatsebenen hinweg nicht möglich sind.

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BBl 2019 8739

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Open Source Das ehemalige Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB14) hat die «Open Source Teil-Strategie vom 15. März 2005» als IKT-Vorgabe Bund am 5. Februar 2019 ausser Kraft gesetzt und diese durch den «Strategischen Leitfaden Open Source Software in der Bundesverwaltung vom 1. Februar 2019»15 mit empfehlendem Charakter ersetzt.

In diesem Leitfaden wird ausgeführt, dass bereits heute gewisse Bundesämter umfangreiche Software-Bestandteile als OSS freigeben. Andere Ämter seien diesbezüglich zurückhaltender, da eine klare Rechtsgrundlage dafür fehle. Mit der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung wird diese Rechtsunsicherheit behoben.

Open-Government-Data-Strategie Am 30. November 201816 hat der Bundesrat die zweite Open-Government-Data-Strategie für die Jahre 2019­2023 verabschiedet (OGD-Strategie). Ab 2020 sollen möglichst alle neuen Daten von Bundesstellen als offene, frei nutzbare und maschinell lesbare Verwaltungsdaten publiziert werden. Die Strategie ist für die Bundesverwaltung verbindlich und findet mit Artikel 10 E-EMBAG nun ihre gesetzliche Umsetzung.

Strategie für den Ausbau einer gemeinsamen Stammdatenverwaltung des Bundes Im Dezember 2018 hat der Bundesrat die Strategie für den Ausbau der gemeinsamen Stammdatenverwaltung des Bundes verabschiedet.17 Das erklärte Ziel dieser Strategie steht im Einklang mit den Zielen der erwähnten «Tallinn Declaration on eGovernment»: Mehrfach genutzte Stammdaten sollen künftig gemeinsam bewirtschaftet und allen föderalen Ebenen sowie weiteren berechtigten Kreisen zur Nutzung bereitgestellt werden. Damit soll die digitale Transformation der Behörden unterstützt werden. Die Stammdatenverwaltung ermöglicht, dass Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen der Verwaltung Daten nur einmal bekannt geben müssen («Once-onlyPrinzip»).18 Durch die gemeinsame behördliche Bewirtschaftung und Nutzung werden Fehlerquellen und Verwaltungsaufwand vermindert sowie Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen entlastet. Um die Komplexität zu verringern und die Risiken zu minimieren, hat der Bundesrat eine etappenweise Einführung der Stammdatenverwaltung beschlossen.

14

15 16 17 18

Der Bereich DTI hat seine Tätigkeit als neue Einheit der Bundeskanzlei am 1. Januar 2021 aufgenommen und die Aufgaben des früheren Informatiksteuerungsorgans des Bundes übernommen.

Abrufbar unter: www.bk.admin.ch > Digitale Transformation und IKT Lenkung > Vorgaben > Strategien und Teilstrategien > SB004 - IKT-Teilstrategie OpenSource.

BBl 2019 879 Abrufbar unter: www.bk.admin.ch > Digitale Transformation und IKT Lenkung > Vorgaben > Strategien und Teilstrategien > IKT-Teilstrategien Bund.

Vgl. dazu auch Motion 16.4011 FDP-Liberale Fraktion «Digitalisierung. Keine Doppelspurigkeiten bei der Datenerhebung», die am 13. Juni 2017 vom Parlament angenommen wurde. Darin wird verlangt, dass die öffentliche Verwaltung die Chancen der Digitalisierung nutzt und Doppelspurigkeiten in der Datenerhebung beseitigt.

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Strategische Zielsetzungen zu den in der Agenda DVS deklarierten Ambitionen In der im März 2021 erstellten Agenda DVS legen der Bund und die Kantone gemeinsame Ambitionen für die Entwicklung von Infrastrukturen und Basisdiensten für die digitale Verwaltung fest. Diese Ambitionen sollen sodann mit konkreten Projekten der Agenda DVS verwirklicht werden. Der Bund und die Kantone beschliessen gemeinsam die nächsten Schritte je Ambition.

Die fünf definierten Ambitionen lassen sich folgenden strategischen Zielsetzungen und Prinzipien zuordnen:19 Ambition ­ Digitaler Kanal zwischen Bevölkerung und Verwaltung

­ Strategie Digitale Schweiz: Politische Partizipation und E-Government ­ E-Government-Strategie Schweiz: Handlungsfeld «Interaktion und Partizipation» ­ Tallinn Declaration: Prinzip «Digital-by-default, inclusiveness and accessibility»; «Openness and transparency» ­ Leitlinien der Kantone: Prinzip «Fokus auf Kundennutzen»; «Once-Only und No-Stop Government»; «Vertrauen, Sicherheit und Datenhoheit» ­ IKT-Strategie des Bundes 2020­2023: Strat. Initiative «Kundenzentrierung»; «Once-Only Prinzip»

Ambition ­ Automati- ­ Strategie Digitale Schweiz: Politische Partizipation und sierter DatenausE-Government tausch mit der Wirt- ­ E-Government-Strategie Schweiz: Handlungsfeld schaft «Interaktion und Partizipation» ­ Tallinn Declaration: Prinzip «Digital-by-default, inclusiveness and accessibility» ­ Leitlinien der Kantone: Prinzip «Fokus auf Kundennutzen»; «Once-Only und No-Stop Government»; «Vertrauen, Sicherheit und Datenhoheit» ­ IKT-Strategie des Bundes 2020­2023: Strat. Initiative «Kundenzentrierung»; «Once-Only Prinzip»

19

«Digitale Verwaltung Schweiz, Agenda », Anhang; abrufbar unter: www.newsd.admin.ch/newsd/ message/attachments/67071.pdf.

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Ambition ­ Behörden- ­ Strategie Digitale Schweiz: Politische Partizipation und übergreifende digitale E-Government Identifikation ­ E-Government-Strategie Schweiz: Handlungsfeld «Basisdienste und Infrastruktur» ­ Tallinn Declaration: Prinzip «Trustworthiness and Security» ­ Leitlinien der Kantone: Prinzip «Vertrauen, Sicherheit und Datenhoheit» Ambition ­ Föderales Datenmanagement

­ Strategie Digitale Schweiz: Politische Partizipation und E-Government ­ E-Government-Strategie Schweiz: Handlungsfeld «Basisdienste und Infrastruktur» ­ Tallinn Declaration: Prinzip «Once-Only»; «Interoperability by default» ­ Leitlinien der Kantone: Prinzip «Once-Only und No-Stop Government» ­ IKT-Strategie des Bundes 2020­2023: Strat. Initiative «Once-Only Prinzip»

Ambition ­ Institutio- ­ Strategie Digitale Schweiz: Politische Partizipation und nelle Grundlagen E-Government für Cloud-Dienste ­ E-Government-Strategie Schweiz: Handlungsfeld in der Verwaltung «Basisdienste und Infrastruktur» ­ Tallinn Declaration: Prinzip «Trustworthiness and Security»; «Interoperability by default»; «Horizontal enabling policy steps» ­ IKT-Strategie des Bundes 2020­2023: Strat. Initiative «Hybrid Multi-Cloud»; «Neue Technologien»; «Beschaffung» ­ Bericht zur Bedarfsabklärung für eine «Swiss Cloud»: Im Rahmen des Aufbaus der Digitalen Verwaltung Schweiz (DVS) die institutionellen Grundlagen der Schweizer Verwaltung zur Nutzung von gemeinsamen Cloud-Leistungen entwickeln (Handlungsfeld 4) Die Organisation DVS steuert die Agenda sowie die Projekte, stellt die Mitwirkung aller drei Staatsebenen und wichtiger Anspruchsgruppen sicher und bereitet die Entscheidungsgrundlagen für den Bund und die Kantone vor.20

20

Bericht «Digitale Verwaltung Schweiz, Agenda », S. 4 und 7.

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1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Postulat 14.4275 Glättli Das Postulat 14.4275 Glättli «Wie kann die Freigabe von Open Source Software durch die Bundesverwaltung explizit erlaubt werden» beauftragte den Bundesrat, zu prüfen, ob das Finanzhaushaltgesetz vom 7. Oktober 200521 (FHG) dahingehend ergänzt werden müsste, dass es die Freigabe von Quellcodes durch den Bund explizit erlaubt, und gegebenenfalls die entsprechenden Anpassungen vorzuschlagen, um die OpenSource-Software-Strategie der Bundesverwaltung umsetzen zu können. In Erfüllung des Postulats veröffentlichte der Bundesrat am 22. März 201722 seinen Bericht «Freigabe von Open-Source-Software durch die Bundesverwaltung» und beantragte die Abschreibung des Postulats. Der Bericht zeigt auf, dass in der Bundesverwaltung zum damaligen Zeitpunkt nur sehr vereinzelt Bedarf zur Freigabe von Open-Source-Software (OSS) bestand. Er kommt zum Schluss, dass für den entgeltlichen Vertrieb von OSS mit Artikel 41 f. FHG bereits eine genügende rechtliche Grundlage existiert.

Dieser muss über die in Artikel 41a Absatz 1 FHG oder in einem Spezialgesetz genannten Bundesstellen erfolgen. Ob eine gesetzliche Grundlage auch für die lizenzgebührenfreie Freigabe von OSS benötigt wird, blieb umstritten. Das Postulat wurde in der Folge nicht abgeschrieben.

Der Bundesrat beauftragte deshalb das EFD, in Zusammenarbeit mit dem EJPD, die verbliebenen offenen Fragen zu klären und die allenfalls notwendigen gesetzlichen Grundlagen auszuarbeiten.

Mit der vorliegenden Gesetzesvorlage, die klare Rechtsgrundlagen für die lizenzgebührenfreie Freigabe von OSS durch die Bundesverwaltung schafft, wird dieser Auftrag erledigt.

Motion 19.3160 Graf-Litscher Im Rahmen der von Nationalrätin Graf-Litscher eingereichten Motion 19.3160 «Einheitlicher gesetzlicher Rahmen für die Publikation und Nutzung nichtpersonenbezogener Daten und Dienste der Bundesverwaltung (Open-Government-Data-Gesetz)» wurde der Bundesrat beauftragt, in einem einheitlichen gesetzlichen Rahmen die Publikation von OGD zu regeln. Alle nichtpersonenbezogenen Daten und Dienste, die die Bundesverwaltung im Rahmen ihrer Tätigkeit produziert oder sammelt, sollen grundsätzlich publiziert und der Öffentlichkeit als freies und kostenloses Datenangebot verfügbar gemacht werden. Am 22. Mai 2019 beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion, da im Rahmen
der OGD-Strategie bereits verbindliche Rahmenbedingungen zur Umsetzung von OGD geschaffen wurden, dies u. a. zur Umsetzung der Empfehlung der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK), «langfristig einen verbindlichen, wirksamen Rahmen für offene Behördendaten zu schaffen»23. So wurde der Grundsatz der Datenpublikation («open data by default») für alle von der Bundesverwaltung 21 22 23

SR 611.0 Abrufbar unter: www.parlament.ch > Suche: 14.4275 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

Vgl. Bericht der EFK vom 24. Juli 2018 «Strategieumsetzung von Open Government Data Schweiz beim Bund», abrufbar unter www.efk.admin.ch > Publikationen > Allgemeine Kommunikation > Publikation nach Prüfnummer suchen > Prüfauftrag 17491.

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ab 2020 neu publizierten Daten festgeschrieben. Zudem wurde das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) beauftragt, zu prüfen, wie die in der Motion erwähnten sowie weitere OGD-Grundsätze optimal rechtlich verankert werden können ­ auch unter Berücksichtigung möglicher Einnahmenausfälle und ihrer Konsequenzen. Mit der vorliegenden Gesetzesvorlage, die den OGD-Grundsatz «open data by default» für die zentrale Bundesverwaltung rechtlich verankert, wird dieser Auftrag erledigt.

Die Motion wurde am 10. März 2021 zurückgezogen.

Motion 17.4246 Rikli Der Forderung der Motion 17.4246 Riklin «Fortsetzung der Open-Government-DataStrategie ab 2019», wonach nebst der Bundesverwaltung auch bundesnahe Betriebe verbindlich verpflichtet werden sollen, ihre Daten zu publizieren, wird in diesem ersten Schritt nicht nachgekommen.24 Im Rahmen der Eignerpolitik des Bundes wird aber eine Umsetzung auch für die staatsnahen Betriebe angestrebt.25 Bereits heute publizieren z. B. die Swisscom oder SBB Teile ihrer Daten als OGD.

Interpellation 21.3650 Gapany Im Zusammenhang mit den in der Gesetzvorlage vorgesehenen Bestimmungen betreffend die Anschubfinanzierung zur Förderung dringend erforderlicher digitaler Infrastrukturen und Basisdienste für die Jahre 2024­2027 (Art. 16 E-EMBAG) ist die Interpellation 21.3650 «E-Voting: Unterstützung für die Vorreiter-Kantone?» vom 7. Juni 2021 von Ständerätin Gapany zu erwähnen. Darin wird Bezug genommen auf die Absicht des Bundes, die digitale Entwicklung von Basisdiensten und Infrastrukturen mit einer Anschubfinanzierung im Rahmen der DVS zu beschleunigen. Die Interpellantin hält fest, dass die Wiederaufnahme der Versuche zur elektronischen Stimmabgabe zu den priorisierenden Projekten gehöre und wirft insbesondere die Frage auf, welche Instrumente das Bundesrecht vorsehe, die es dem Bundesrat erlauben würden, sich an den Kosten der Kantone im Zusammenhang mit der Einführung der elektronischen Stimmabgabe zu beteiligen.

Zur Interpellation 21.3650 hat der Bundesrat am 1. September 2021 Stellung genommen und dabei ausgeführt, dass dem Bund aktuell für die Mitfinanzierung von kantonalen Projektkosten zur Einführung der elektronischen Stimmabgabe zwei bestehende Instrumente zur Verfügung stünden: Die Kosten könnten über den Umsetzungsplan von E-Government Schweiz resp. die
Nachfolgeorganisation DVS sowie teilweise gestützt auf Artikel 21 des Auslandschweizergesetzes vom 26. September 201426 und Artikel 15 der Auslandschweizerverordnung vom 7. Oktober 201527 mitfinanziert werden. Über diese Instrumente habe sich der Bund bereits in der Vergangenheit an den Projektkosten beteiligt (z. B. für Entwicklungskosten der Systeme in den Pilotkantonen28). Im Weiteren führte der Bundesrat aus, dass das Projekt «Vote électronique» Teil des Umsetzungsplans 2021­2023 von E-Government Schweiz sei. Der von 24 25 26 27 28

Stellungnahme des Bundesrates vom 14. Februar 2018 zur Motion 17.4246 Riklin, abrufbar unter: www.parlament.ch > Suche: 17.4246.

OGD-Strategie, Ziff. 4.2.3.

SR 195.1 SR 195.11 Vgl. Bericht des Bundesrates zu Vote électronique, BBl 2013 5069 S. 5160 f.

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Bund und Kantonen paritätisch finanzierte Umsetzungsplan sehe für E-Voting bis 2023 jährliche Mittel von 0,25 Millionen Franken vor. Diese Mittel seien zur Mitfinanzierung der kantonalen Kosten für die Massnahmen zur Neuausrichtung eingeplant. Zur Beschleunigung des Aufbaus der digitalen Verwaltung habe der Bundesrat eine Anschubfinanzierung von zusätzlichen 15 Millionen Franken für die Jahre 2022 und 2023 zur Finanzierung der Agenda «Nationale Infrastrukturen und Basisdienste Digitale Verwaltung Schweiz» beschlossen. Ein initiales Portfolio dieser Agenda wurde im zweiten Halbjahr 2021 mit den Partnern (Kantonen und Gemeinden) erarbeitet.

Die in den Entwurf des EMBAG später integrierte Bestimmung betreffend die Anschubfinanzierung zur Förderung dringend erforderlicher digitaler Infrastrukturen und Basisdienste für die Jahre 2024­2027 (Art. 16 E-EMBAG) hatte der Bundesrat in seiner vorstehenden Stellungnahme aufgrund einer zum damaligen Zeitpunkt dazu noch laufenden Vernehmlassung noch nicht thematisiert. Die Interpellation 21.3650 wurde nach der bundesrätlichen Stellungnahme im Ständerat am 29. September 2021 als erledigt abgeschrieben.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Vernehmlassung zum VE-EMBAG

Am 11. Dezember 2020 hat der Bundesrat das VE-EMBAG sowie den erläuternden Bericht verabschiedet und das EFD beauftragt, ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. Die Vernehmlassung dauerte bis zum 25. März 2021. Insgesamt gingen beim EFD 75 Stellungnahmen ein (Kantone und KdK: 24; Parteien: 8; Verbände der Wirtschaft: 8; Organisationen und weitere interessierte Kreise: 34).

32 Vernehmlassungsteilnehmende und damit rund zwei Fünftel der Teilnehmenden begrüssten grundsätzlich die Zielsetzungen und Stossrichtungen des Vorentwurfs, wobei teilweise auch Vorbehalte angebracht wurden. 22 Vernehmlassungsteilnehmende lehnten die in aktueller Form unterbreitete Vorlage ausdrücklich ab, darunter 16 Kantone und die KdK.

Die Vorbehalte der befürwortenden Teilnehmenden konzentrierten sich hauptsächlich auf die im Vorentwurf vorgesehene Ermächtigung des Bundesrats zur Verbindlicherklärung von elektronischen Behördendiensten (Art. 12 Abs. 3 VE) und Standards (Art. 13 Abs. 2 VE) gegenüber kantonalen Behörden und ihren externen Verwaltungsträgern. Positiv gewertet wurde insbesondere das gewählte Regelungskonzept, die für den Bund gesetzlich zu klärenden Fragen im Bereich der digitalen Verwaltung in einem zentralen Erlass zusammenzuziehen und nicht punktuell in einzelnen Fachgesetzen zu regeln. Auf breiten Zuspruch sind ferner die Rechtsgrundlagen zu Open Source Software (Art. 10 VE) und Open Government Data (Art. 11 VE) gestossen. Mit Blick auf die vorgenannten umstrittenen Verbindlicherklärungen wurde vereinzelt gefordert, den Geltungsbereich des Gesetzes auf bundeseigene Digitalisierungsvorhaben zu beschränken.

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Gemäss der KdK könnten die Kantonsregierungen den Gesetzesvorentwurf zwar in weiten Teilen unterstützen. Sie begrüssten insbesondere, dass eine gesetzliche Grundlage für die Beteiligung des Bundes an der eOperations Schweiz AG geschaffen werden soll (Art. 6 VE). Aus Sicht der Kantonsregierungen sei hingegen zwingend, dass Klarheit geschaffen werde zum Verhältnis des Gesetzesvorentwurfs zum Projekt DVS, in dem Bund und Kantone Grundlagen für die Schaffung einer neuen Organisation erarbeiten. Das Gesetz sei so zu konzipieren, dass es das Projekt DVS unterstütze und nicht konkurrenziere. Für die Kantonsregierungen sei nur schwer verständlich, dass der Bund in dieser Phase des kooperativen Aufbruchs den Vorschlag für einseitige, hoheitliche Anordnungen zu Lasten der Kantone mache. In Bezug auf die verpflichtenden Vorgaben des Bundes an die Kantone (Verbindlicherklärungen) würden die Kantonsregierungen die Auffassung vertreten, dass der Bund über keine Verfassungsgrundlage verfüge, um derart weit in die Autonomie der Kantone einzugreifen. Die Herausforderungen der digitalen Transformation könnten nur erfolgreich bewältigt werden, wenn ein kooperativer Ansatz gewählt werde, der den Rahmenbedingungen des Föderalismus in der Schweiz Rechnung trage. Dazu biete das Projekt DVS die optimalen Bedingungen. Nach Realisierung der politischen Plattform mit Standardentwicklung ab dem 1. Januar 2022 könnten die politischen und rechtlichen Vorarbeiten für weitere Entwicklungsschritte an die Hand genommen werden. Vor diesem Hintergrund würden die Kantonsregierungen die verpflichtenden Vorgaben, die den Kantonen in den Artikeln 12 (Nutzung elektronischer Behördendienste) und 13 (Standards) des Gesetzesvorentwurfs gemacht werden sollen, klar ablehnen.

Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die Kantone bei der Umsetzung des Bundesrechts über einen möglichst grossen Spielraum verfügen sollten.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die vorgesehenen Ermächtigungen des Bundesrats, Verbindlicherklärungen von elektronischen Behördendiensten und Standards gegenüber Kantonen und ihren externen Verwaltungsträgern, die mit dem Vollzug von Bundesrecht betraut sind, zu erlassen, die umstrittensten Bestimmungen des Vorentwurfs darstellten. Eine vorbehaltslose und umfassende Zustimmung vermochten diese beiden Bestimmungen bei keinem
Vernehmlassungsteilnehmenden hervorzurufen.

Der überarbeitete und vorgelegte Entwurf des EMBAG trägt diesem ­ nicht nur von den Kantonen geäusserten ­ Widerstand gegenüber Verbindlicherklärungen Rechnung und verzichtet auf diese beiden Bestimmungen (Art. 12 Abs. 3 und Art. 13 Abs. 2 VE-EMBAG). Stattdessen sollen Schlüsselprojekte für eine einheitliche Regelung von elektronischen Behördenleistungen (nach neuer Terminologie: «IKTMittel») und Standards in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden im Rahmen der Organisation DVS vorangetrieben werden. Der Verzicht auf die Verbindlicherklärungen hat sodann zur Folge, dass die Verwaltungen der Kantone und die vom Bund oder von den Kantonen mit Verwaltungsaufgaben des Vollzugs von Bundesrecht betrauten Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts mangels verpflichtender, an sie adressierter Normen nicht mehr vom Geltungsbereich des Gesetzes zu erfassen sind (vgl. ursprüngliche Fassung von Art. 2 Abs. 2 VE-EMBAG und die Erläuterungen zum überarbeiteten Art. 2 E-EMBAG).

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Im Weiteren haben die Vernehmlassungsteilnehmenden im Vorentwurf folgenden Verbesserungsbedarf festgestellt (wesentlichste Kritikpunkte): ­

Die Bundesanwaltschaft regte dazu an, ihr aufgrund ihrer institutionellen Unabhängigkeit von Bundesrat und Bundesverwaltung wie den Parlamentsdiensten und den eidgenössischen Gerichten die Möglichkeit zu verschaffen, sich dem Bundesgesetz (oder Teilen davon) ebenfalls unterstellen zu lassen. Dieses Anliegen wurde im Entwurf aufgenommen (vgl. Art. 2 Abs. 3 E-EMBAG).

­

Die KdK schlug vor, die Grundsätze in Artikel 4 des Vorentwurfs um das Prinzip der Nachhaltigkeit zu ergänzen, damit dieses Prinzip bei der Entwicklung von Leistungen und Standards bzw. beim Abschluss von Vereinbarungen oder bei der Delegation von Aufgaben systematisch berücksichtigt werde. Im Entwurf werden die Bundesbehörden nun ausdrücklich verpflichtet, das Prinzip der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen (vgl. Art. 3 Abs. 3 E-EMBAG).

­

Manche Vernehmlassungsteilnehmende wünschten, den Grundsatz «digital first» (Art. 3 Abs. 1 VE-EMBAG) verbindlicher zu gestalten, während andere Teilnehmende auf damit verbundene Gefahren hinwiesen (insb. Benachteiligung von nicht digital-affinen Bevölkerungsgruppen; digitale Kluft). Der Grundsatz wurde im Entwurf dahingehend angepasst, dass die Bundesbehörden nun angehalten werden, elektronische Mittel soweit sinnvoll für ihre Interaktionen zu nutzen.

­

Bei den Übergangsbestimmungen betreffend Open Government Data (Art. 16 VE-EMBAG) forderten mehrere Vernehmlassungsteilnehmende, die vorgesehene Übergangsfrist von fünf Jahren für die öffentliche Zugänglichmachung der Daten markant zu verkürzen. Für die Gründe, weshalb diesem Begehren im Entwurf nicht gefolgt werden konnte, wird auf die Erläuterungen zu Art. 18 E-EMBAG verwiesen.

­

Insbesondere Vertreterinnen und Vertreter der digitalen Zivilgesellschaft haben ihre Enttäuschung zum Ausdruck gebracht, dass der Vorentwurf keine Bestimmungen zum Thema «Schnittstellen» vorsehe, was mit einem separaten Artikel nachzuholen sei. Dabei seien die verfügbaren Schnittstellen und deren Metadaten zu publizieren, auf einer zentralen Plattform analog OGD, oder idealerweise auf der gleichen Plattform. Diese Vorschläge wurden insofern aufgenommen, als im Entwurf neu je eine Bestimmung zu Schnittstellen (Art. 13 E-EMBAG) sowie zu einer Interoperabilitätsplattform (Art. 14 E-EMBAG) enthalten sind.

Die Stellungnahmen sowie der Ergebnisbericht sind auf der Publikationsplattform des Bundesrechts «Fedlex» aufgeschaltet.29

29

www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2021 > EFD.

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2.2

Vernehmlassung zur Übergangsbestimmung Artikel 16bis VE-EMBAG

Nach dem Vernehmlassungsverfahren zum VE-EMBAG hat sich das Bedürfnis ergeben, die Finanzierung der Agenda DVS auch über das Jahr 2023 hinaus sicherzustellen (nachdem der Bundesrat am 11. Juni 2021 für die Finanzierung der Agenda DVS bereits zusätzliche Mittel von insgesamt 15 Millionen Franken für die Jahre 2022 und 2023 beschlossen hatte). Hierzu wurde eine Übergangsbestimmung30 erarbeitet, die den Zweck verfolgt, die Rahmenbedingungen zu regeln, unter denen sich der Bund zur Anschubfinanzierung von Projekten der Agenda DVS verpflichtet. Die auf vier Jahre befristete Übergangsbestimmung wurde in das VE-EMBAG als neuer Artikel 16bis eingefügt.31 Da die Bestimmung auch eine Beteiligung der Kantone an der Anschubfinanzierung bedingt, hat der Bundesrat am 11. August 2021 den Vorentwurf der Übergangsbestimmung sowie den erläuternden Bericht verabschiedet und das EFD beauftragt, ein zusätzliches Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. Dieses dauerte vom 11. August 2021 bis 11. November 2021.

Die Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen hat ergeben, dass 33 von insgesamt 39 Vernehmlassungsteilnehmenden ­ und damit mehr als vier Fünftel der Teilnehmenden ­ den Vorentwurf der Übergangsbestimmung grundsätzlich begrüssen.

Die die Übergangsbestimmung befürwortenden Teilnehmenden setzen sich aus 23 Kantonen, drei Parteien, vier Verbänden der Wirtschaft, einem Dachverband und zwei Organisationen zusammen. Die befürwortenden Kantone bringen insbesondere vor, dass mit der gemeinsamen Finanzierung der Agenda DVS durch den Bund und die Kantone die Entwicklung dringend erforderlicher Basisdienste und Infrastrukturen, z. B. elektronische Identifizierungsdienste, vorangetrieben sowie deren Einführung bei den Gemeinwesen vorbereitet werde. Namentlich die Beteiligung der Kantone an der Festlegung der Agenda und der Finanzierung der verschiedenen Projekte werde begrüsst. Es sei davon auszugehen, dass sich bei einer gemeinsamen Finanzierung und Bereitstellung von Projekten für alle beteiligten Akteure ein erhebliches Synergiepotenzial ergebe. Aus ihrer Sicht sei das EMBAG das geeignete Gefäss, um die Anschubfinanzierung des Bundes zu regeln. Mit der vorgeschlagenen Lösung könne die Anschubfinanzierung im Sinne eines kooperativen Ansatzes rasch und pragmatisch umgesetzt werden. Ohne eine gesicherte Finanzierung würden
sich die Fortschritte bei der konkreten Umsetzung von E-Government erheblich verlangsamen.

Lediglich zwei Vernehmlassungsteilnehmende (zwei Kantone) haben sich ausdrücklich gegen den unterbreiteten Vorentwurf der Übergangsbestimmung ausgesprochen.

Beide Kantone rufen in Erinnerung, dass sie bereits in der vorangegangenen Vernehmlassung den VE-EMBAG insgesamt abgelehnt hätten. Die Hinzufügung der neuen Übergangsbestimmung ändere nichts an ihrer Haltung.

30 31

Im E-EMBAG ist die Anschubfinanzierung nicht mehr als Übergangsbestimmung formuliert.

Im E-EMBAG neu Art. 16.

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In materieller Hinsicht haben die Vernehmlassungsteilnehmenden zum Vorentwurf der Übergangsbestimmung folgende Anregungen und Kritik angebracht (wesentlichste Punkte): ­

Der zeitliche Rahmen der Anschubfinanzierung von vier Jahren (2024­2027) wurde von einigen Kantonen als zu kurz erachtet, da Digitalisierungsprojekte in der öffentlichen Verwaltung sich als sehr langwierige Vorhaben darstellen würden. Deshalb sei eine längerfristige bzw. dauerhafte Finanzierung in Betracht zu ziehen. Von anderen Teilnehmenden wurde dagegen die Befürchtung einer Verstetigung einer solchen Finanzierung geäussert, weshalb die Anschubfinanzierung auf jeden Fall nach vier Jahren zu beenden sei.

­

Fast die Hälfte der Kantone forderte, dass für den Fall, dass sich nicht alle Kantone an der Finanzierung der Agenda beteiligen, zudem die Möglichkeit vorgesehen werde, dass sich aussenstehende Kantone bei einzelnen Projekten auf einzelvertraglicher Basis nachträglich einkaufen können. Es sei angebracht, die Art und Weise der späteren Integration dieser Kantone oder die Möglichkeiten des Erwerbs der entwickelten Lösungen und insbesondere die finanziellen Modalitäten zu präzisieren (vgl. dazu die Erläuterungen in der Botschaft zu Art. 16 Abs. 2 E-EMBAG).

­

Rund ein Drittel der Kantone betonten, dass die in Absatz 4 der Übergangsbestimmung vorgesehene Kostenbeteiligung der Kantone von mindestens einem Drittel aber auch bedeute, dass die Agenda DVS Projekte umfassen müsse, an deren Umsetzung die Kantone mehrheitlich ein grosses Interesse haben.

­

Die Beteiligung des Bundes an der Anschubfinanzierung von «höchstens zwei Dritteln» wurde von einzelnen Kantonen als zu gering, zu ungenau oder als zu restriktiv eingestuft. Auch wurde die Befürchtung geäussert, dass die Art der Projektfinanzierung, wie sie gemäss dem Kostenteiler in Absatz 4 der Übergangsbestimmung vorgesehen sei, dazu führen könnte, dass die Kantone auch für reine Bundesprojekte zur Kasse gebeten würden (vgl. dazu die Erläuterungen in der Botschaft zu Art. 16 Abs. 4 E-EMBAG).

Die Stellungnahmen sowie der Ergebnisbericht sind auf der Publikationsplattform des Bundesrechts «Fedlex» aufgeschaltet.32

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Der Begriff «E-Government» steht heute als Synonym für eine moderne und effiziente Verwaltung und hat im internationalen Umfeld eine hohe Bedeutung erlangt. Sowohl auf europäischer Ebene als auch weltweit werden verschiedenste Initiativen und Konzepte für den Aus- und Aufbau einer elektronischen Verwaltung entwickelt und realisiert. Nachfolgend wird der Stand der digitalen Transformation an den Beispielen 32

www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2021 > EFD.

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von Deutschland, das wie die Schweiz vor anstehenden grossen Transformationsprozessen im E-Government-Bereich steht und vergleichbaren Rahmenbedingungen (insb. Föderalismus) ausgesetzt ist, von Österreich, das beim Wandel zur digitalen Verwaltung bereits nennenswerte Fortschritte vorzuweisen hat, und am Beispiel von Estland, eines der führenden Länder33 bei der Verwaltungsdigitalisierung, dargestellt.

Schliesslich wird ein Blick auf aktuelle Entwicklungen in der Europäischen Union geworfen.

Deutschland Das Onlinezugangsgesetz (OZG), das im August 2017 in Kraft getreten ist, hat in Deutschland den Grundstein für eine bundesweite Verwaltungsdigitalisierung gelegt.

Bis zum Jahr 2022 sollen Bund, Länder und Kommunen alle Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anbieten und diese Portale zu einem Verbund verknüpfen. Dies bedeutet, dass über 6000 Verwaltungsleistungen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene, zusammengefasst in 575 OZG-Leistungsbündeln, digitalisiert werden müssen. Darüber hinaus muss eine IT-Infrastruktur entstehen, die Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen auf einfache Art den Zugriff auf diese Leistungen ermöglicht. Bei der Umsetzung hat oberste Priorität, dass alle Digitalisierungsprozesse danach ausgerichtet sind, im Endeffekt möglichst anwenderfreundlich zu sein.

Die bundesweite Verwaltungsdigitalisierung ist relativ komplex, da Deutschland föderal organisiert ist. Jedes Land hat eigene Kompetenzen bei der Gesetzgebung und dem Vollzug. Der Föderalismus unterstützt einerseits die Vielfalt und stärkt die Autonomie der Länder, andererseits gibt es auch eine Vielzahl parallel existierender Gesetze, Leistungen und IT-Infrastrukturen. Außerdem besitzen Länder und Kommunen oft nicht die Ressourcen, Digitalisierungsvorhaben und -projekte allein und schnell zu stemmen. Dies macht ein bundesweites Digitalisierungsvorhaben, das letztendlich zu gleichwertigen Angeboten für alle Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen führen soll, extrem komplex und aufwändig. Eine umfassende Digitalisierung und Vereinheitlichung der deutschen Verwaltung kann nur im Zusammenspiel des Bundes, der 16 Bundesländer und der 11 000 Kommunen gelingen. Dafür müssen die Beteiligten auf ganz neue Art zusammenarbeiten ­ über Ressortgrenzen und Verwaltungsebenen hinweg. Das beinhaltet einen immensen
Koordinationsaufwand, für den das Bundesministerium des Innern und für Heimat verantwortlich zeichnet.34 Österreich Das E-Government-Gesetz ist das Kernstück im österreichischen E-GovernmentRecht. Am 1. März 2004 trat das Gesetz in Kraft und wurde zuletzt 2018 revidiert.

Kernelemente des E-Government in Österreich waren und sind die digitalen Projekte wie die Bürgerkarte, die als elektronischer Ausweis im Internet fungiert. In diesem Bereich wird auch die Information über das Signieren von PDF-Dokumenten mittels Handy-Signatur angeboten. Elektronische Amtsservices wie die elektronische Zahlung oder Zustellung wurden durch die Ausweismöglichkeit mittels Bürgerkarte im 33 34

UN E-Government Survey 2020.

Ausführungen des Bundesministeriums des Innern und für Heimat; abrufbar unter www.onlinezugangsgesetz.de > Grundlagen > Was ist das Onlinezugangsgesetz?

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Internet erst möglich. Diese eindeutige Identifizierung und Authentifizierung durch die Bürgerkarte erlaubt die Erzeugung einer qualifizierten elektronischen Signatur.

Damit können Anträge oder Verträge signiert werden, die sonst einer handschriftlichen Unterschrift bedürften. Die technische Umsetzung erfolgt durch Open-SourceBausteine. Abgekürzt werden sie MOA (Module für Online-Applikationen) genannt und in die jeweiligen Applikationen eingebunden. Damit können Unterschriften elektronisch geprüft, Schriftstücke elektronisch signiert und auch elektronisch zugestellt werden. Der Quellcode der MOA-Bausteine ist offengelegt. Damit sind die MOA auch für die Privatwirtschaft einsetzbar. Den Einsatz der Bürgerkarte beziehungsweise Handy-Signatur und die elektronische Zustellung gibt es in Form von frei verfügbaren Software-Bausteinen. Damit sich das zugrundeliegende Bürgerkartenkonzept auch in der Privatwirtschaft durchsetzt und verbreitet, können Unternehmen auf sogenannte Open-Source-E-Government-Bausteine zurückgreifen.

Der Online-Amtsweg über die Amtsservices wird von Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmern immer stärker genutzt. Eine große Zahl von Amtsgeschäften kann bequem von zu Hause oder vom Büro aus erledigt werden, ohne Rücksicht auf Öffnungszeiten, ohne Warte- und Anstellzeiten. Auf Portalen für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen können notwendige Informationen gefunden werden und Amtsservices rasch, unkompliziert und elektronisch mit Hilfe der Handy-Signatur genutzt werden. Das wichtigste E-Government-Portal der Finanzverwaltung «FinanzOnline» steht kostenlos rund um die Uhr zur Verfügung. Allfällige Gebühren werden elektronisch bezahlt. Die Behörde bearbeitet den elektronischen Akt im internen WorkflowSystem.

Estland Estland gilt als Vorreiter im Bereich der digitalen Verwaltung. Anfang der 1990erJahre, mit der zunehmenden politischen Unabhängigkeit von der Sowjetunion, sah Estland sich vor die Herausforderung gestellt, ein neues und funktionierendes Verwaltungssystem aufzubauen. Der politische Wille war nach der Euphorie um die Unabhängigkeit ebenso entscheidend wie die Aufgeschlossenheit für IT-Lösungen. Bereits ab 1999 bot der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern kontinuierlich neue E-Services an. Entscheidende Bausteine für den Digitalisierungserfolg waren die Entwicklung der
sogenannten X-Road 2001 und die Einführung der digitalen Identität (sog. eID) mit digitaler Unterschrift. Die X-Road ist eine technologische und organisatorische Umgebung, die einen sicheren internetbasierten Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Informationssystemen ermöglicht. Alle Register und Statistiken Estlands müssen Mitglied von X-Road sein. Heute sind über 900 Organisationen und Datenbanken vertraglich über die X-Road35 verknüpft.

Das estnische Modell rückt auch die Bürgerinnen und Bürger bewusst ins Zentrum der öffentlichen Verwaltung. Diese erhalten effiziente elektronische Dienstleistungen und erlangen zugleich die Kontrolle über ihre Daten. Sie können jederzeit einsehen, wer auf ihre Daten zugreift, und sich notfalls dagegen wehren. Die frühzeitige Verbreitung von E-Signaturen hat die Entwicklung von staatlichen und privaten OnlineDiensten in Estland stark begünstigt. 98 Prozent der Estinnen und Esten machen ihre 35

www.x-tee.ee/home

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Steuererklärung online, die Generation 60 plus beteiligt sich überdurchschnittlich stark an den landesweiten Wahlen via Mausklick. Regierung, Verwaltung, Rechtswesen, Gesundheit und Bildung funktionieren online. Viele Akten, etwa Grundbücher, gibt es nicht mehr in Papierform. Amtliche Mitteilungen erscheinen seit 1. Juli 2003 ausschliesslich online. Weit mehr als zweihundert staatliche Dienstleistungen lassen sich heute mit einem einzigen elektronischen Ausweis nutzen. Voraussetzung dafür ist eine sichere Authentifikationsmethode im Netz. 2002 hat die Regierung hierzu neue, mit einem speziellen Chip versehene Identitätskarten herausgegeben.

Entscheidend war und ist auch der enge Austausch zwischen Staat und Wirtschaft.

Einzelne Wirtschaftszweige wurden von Anfang an in die Digitalisierungsbemühungen einbezogen. Das gilt insbesondere für den Bankensektor. Mit dem 1996 eingeführten Online-Banking entstand so auch früh Vertrauen in digitale Lösungen.

Insgesamt wird die erfolgreiche Digitalisierung Estlands in der Fachliteratur auf die folgenden sieben Grundsätze zurückgeführt: die Nutzerorientierung, einen starken digitalen Identitätsnachweis, der von der Regierung ausgegeben wird (sog. eID) und als Türöffner für digitale Dienstleistungen und Behördengänge dient, die Zusammenarbeit von öffentlichem und privatem Sektor, schnelles Internet (flächendeckend auch im ländlichen Raum), politisches Leadership, kein Digitalisierungszwang sowie das Once-only-Prinzip, bei dem Daten lediglich einmal staatlich abgefragt und gespeichert werden.36 Europäische Union Mit Blick auf die Europäische Union (EU) ist aus aktuellem Anlass auf das Ende 2021 beschlossene Daten-Governance-Gesetz hinzuweisen. Die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament haben sich auf den sogenannten «Data Governance Act» geeinigt. In der EU sollen Daten künftig verstärkt dafür genutzt werden, Innovationen voranzubringen (z. B. im Medizin- oder Verkehrssektor). In der EU produzieren sowohl Unternehmen als auch Behörden und Organisationen jede Menge Daten, die in Zukunft verstärkt zum Wohl von Gesellschaft und Wirtschaft genutzt werden sollen. Zu diesem Zweck sollen die richtigen Bedingungen und ein sicheres Umfeld für einen vertrauenswürdigen Datenaustausch im Einklang mit den europäischen Werten und Grundrechten geschaffen werden. Sogenannte
Datenmarktplätze sollen als neutrale Datenvermittler dafür sorgen, dass europäische Unternehmen auf die Daten zugreifen können, die sie für innovative Anwendungen oder Produkte brauchen. Darüber hinaus will die EU mit dem neuen Gesetz auch die digitale Souveränität ihrer Bürgerinnen und Bürger stärken. Sie sollen die Kontrolle über ihre Daten behalten, auch wenn sie ihre Daten freiwillig zur Verfügung stellen.

36

Lenz/Hartleb, in: X-Road für Deutschland, Lehren aus der estnischen Verwaltungsdigitalisierung, 2021.

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4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Die beantragte Neuregelung beinhaltet vielfältige Regelungsinhalte, die den Einsatz elektronischer Mittel in der Bundesverwaltung zur Erfüllung von Behördenaufgaben zum Gegenstand haben. Die mit vorliegender Gesetzesvorlage beabsichtigte Schaffung von Rechtsgrundlagen für E-Government für den Bund verfolgt als Hauptziel, eine interne und externe Leistungsverbesserung der Bundesverwaltung zu erreichen.

a. Zum Begriff des E-Government Zu E-Government («electronic government») bestehen zahlreiche Begriffserklärungen, im Kern lassen sie sich aber vereinfacht auf die elektronische Unterstützung der Leistungserbringung der verschiedenen Staatsgewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) reduzieren. Die E-Government-Strategie des Bundes geht von folgender Definition aus:37 «E-Government bedeutet den Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in öffentlichen Verwaltungen in Verbindung mit organisatorischen Änderungen und neuen Fähigkeiten, um öffentliche Dienste und demokratische Prozesse zu verbessern und die Gestaltung und Durchführung staatlicher Politik zu erleichtern.» Mit anderen Worten beschreibt E-Government die elektronische Abwicklung von Geschäftsprozessen mittels Einsatzes von IKT für die Interaktion zwischen Behörden untereinander (auch staatsebenenübergreifend) und mit Dritten (natürlichen und juristischen Personen).38 Vorausgesetzt wird eine rechtsverbindliche Kommunikation.

Soweit im Gesetzesentwurf und in der Botschaft die Rede ist von «im Bereich des E-Government» (oder ähnliche Formulierungen), sind darunter mithin sämtliche Formen des Einsatzes von IKT zur Erfüllung behördlicher Aufgaben zu verstehen.

Der Begriff «E-Government» befindet sich indes, entsprechend der technologischen Entwicklung, in einem ständigen Wandel. Eine exakte Definition des Begriffs E-Government ist daher nicht möglich.

b. Regelungsinhalte Die Regelungsinhalte der Gesetzesvorlage bieten einerseits Grundlagen für unterschiedliche Zusammenarbeitsformen des Bundes mit Behörden verschiedener Gemeinwesen und Dritten im Bereich des E-Government und andererseits Grundlagen für den Einsatz verschiedener IKT und Infrastruktur-Elemente.

Im Einzelnen vereinigt die Vorlage folgende Neuregelungen: a.

37 38

Für den Einsatz elektronischer Mittel in der Bundesverwaltung werden Grundsätze («digital first», Koordination Bund ­ Kantone; Prinzip der Nachhaltigkeit, Zugänglichkeit, Risikomanagement/Sicherheit) definiert.

Vgl. E-Government-Strategie Schweiz vom 5. Januar 2017, S. 2.

Schnell/Ammann/Grünenfelder, Max Weber in der Digitalisierungsfalle, E-Government in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 2018, S. 6.

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39 40 41

b.

Der Bundesrat wird ermächtigt, Vereinbarungen über die Zusammenarbeit im Bereich des E-Government mit anderen schweizerischen Gemeinwesen und Organisationen sowie mit anderen Staaten abzuschliessen. Die Vereinbarungen können auch die Schaffung gemeinsamer (nationaler) Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit vorsehen.

c.

Der Bundesrat wird ermächtigt, Beteiligungen des Bundes an Organisationen bzw. Unternehmungen, die im Bereich des E-Government tätig sind, zu beschliessen.

d.

Es werden Rahmenbedingungen für die Ausrichtung von Finanzhilfen an Massnahmen zur technischen und organisatorischen Umsetzung der Zusammenarbeit im Bereich des E-Government definiert.

e.

Der Bundesrat wird ermächtigt, Aufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten beim Einsatz elektronischer Mittel, insbesondere die Durchführung von Beschaffungsverfahren, an Organisationen zu übertragen.

f.

Es werden Grundlagen geschaffen: ­ zum Einsatz und zur Freigabe von OSS in der Bundesverwaltung; ­ zur Veröffentlichung von Daten der Verwaltung zur freien Nutzung (OGD); ­ zur Bereitstellung und Nutzung von IKT-Mitteln von Bundesbehörden; ­ zu technischen, organisatorischen und prozeduralen Standards in der Bundesverwaltung; ­ zum automatisierten elektronischen Datenaustausch über Schnittstellen (Machine to Machine) zwischen den Verwaltungseinheiten des Bundes sowie zwischen diesen und den Verwaltungseinheiten, der Kantone und der Gemeinden sowie Privaten; ­ zum Betrieb einer Interoperabilitätsplattform.

g.

Um die digitale Transformation voranzutreiben und die Hürden für das Testen neuer IKT-Lösungen moderat herabzusetzen, werden Rahmenbedingungen für die Durchführung befristeter Pilotversuche definiert.

h.

Mit einer befristeten Bestimmung wird die Anschubfinanzierung zur Förderung dringend erforderlicher digitaler Infrastrukturen und Basisdienste für die Jahre 2024­2027 geregelt. Mit dieser Bestimmung soll sich der Bund bei Vorliegen der definierten Voraussetzungen verpflichten, eine befristete Anschubfinanzierung für Projekte der Agenda DVS zu gewährleisten.

i.

Schliesslich werden punktuelle Anpassungen in anderen Erlassen vorgenommen (Bundesgesetz vom 18. Juni 199939 über die Meteorologie und die Klimatologie [MetG]; Bundesstatistikgesetz vom 9. Oktober 199240 [BStatG]; Bundesgesetz vom 27. Juni 197341 über die Stempelabgaben [StG]).

SR 429.1 SR 431.01 SR 641.10

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4.2

Erörterungen zu Teilgehalten der beantragten Neuregelung

Nachfolgend werden ausgewählte Teilgehalte des Gesetzesentwurfs und die damit verbundenen Rechtsfragen näher erörtert. Die Erläuterungen zu den einzelnen Gesetzesartikeln, die unter Ziffer 5 folgen, vervollständigen diese Erörterungen.

4.2.1

Vereinbarungen über die Zusammenarbeit im Bereich des E-Government

Die Bundesverfassung (BV)42 sieht keine allgemeine Kompetenz des Bundes vor, die ihn dazu ermächtigen würde, gegenüber den Kantonen im Bereich E-Government Vorgaben zu erlassen und durchzusetzen mit dem Ziel, eine einheitliche «E-Government-Landschaft» zu schaffen. Zu beachten gilt es diesbezüglich auch, dass der Einsatz von E-Government für sich allein keine eigenständige Verwaltungsaufgabe, sondern vielmehr querschnittmässig einen Aspekt jeglicher staatlichen Tätigkeiten darstellt ­ unabhängig davon, ob diese dem Kompetenzbereich des Bundes oder der Kantone zugewiesen sind. E-Government betrifft folglich sämtliche Kompetenzen von Bund, Kantonen und Gemeinden und ist damit sowohl vertikal wie auch horizontal zu koordinieren.

E-Government funktioniert dann am besten, wenn alle Verwaltungsebenen, von der Gemeindeebene bis auf Stufe Bund, eng zusammenarbeiten. Vorhandene Anwendungen und bestehende Infrastrukturen können so gemeinsam genutzt werden, um die angestrebte Effizienz zu erreichen. Eine gute Koordination und abgestimmte Steuerung zwischen den Gemeinwesen ermöglicht den gezielten Mitteleinsatz, den Aufbau interoperabler bzw. gemeinwesenübergreifender Systeme. E-Government-Lösungen können dadurch bürgerfreundlicher ausgestaltet und kostengünstiger aufgebaut werden. So können durch gemeinsame Lösungen Skaleneffekte genutzt und Kostenvorteile geschaffen werden. Schliesslich können gemeinsame Lösungen Behördenprozesse effizienter unterstützen. Zusammenarbeit bildet mithin die Voraussetzung dafür, dass E-Government organisatorisch, finanziell und administrativ effizient abläuft.

Eine erfolgsversprechende Möglichkeit, E-Government in der Schweiz zu koordinieren und in effiziente Bahnen zu lenken, bietet insbesondere der Weg über E-Government-spezifische Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Kantonen. Auch die bisherige und gegenwärtige Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Kantonen beruht auf einer Vereinbarung,43 die sich auf die zurzeit geltende E-Government-Strategie Schweiz abstützt. Mit dem neuen Gesetz soll eine ausdrückliche Grundlage im Bundesrecht für eine auf künftigen verbindlichen Vereinbarungen basierende Zusam-

42 43

SR 101 Die erste Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit trat 2008 in Kraft. Diese wurde 2012 und 2016 leicht verändert weitergeführt. Im Hinblick auf die Legislatur 2020­2023 verabschiedeten der Bundesrat und die KdK eine leicht angepasste Version der Rahmenvereinbarung. Seit 1. Januar 2022 gilt die «Öffentlich-rechtliche Rahmenvereinbarung über die Digitale Verwaltung Schweiz».

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menarbeit im Bereich des E-Government (insbesondere zwischen Bund und Kantonen) und deren Finanzierung geschaffen werden. Soweit ein entsprechendes Bedürfnis besteht, eröffnen die Rechtsgrundlagen dem Bund auch die Möglichkeit, in den Vereinbarungen die Schaffung gemeinsamer Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit vorzusehen.

Gerade das Instrument der öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen zwischen verschiedenen Staatsebenen hat das Potenzial, E-Government zum Gelingen und zum Erfolg zu verhelfen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass Zusammenarbeitsvereinbarungen zwischen dem Bund und den Kantonen stets die verfassungsmässige Kompetenzordnung wahren müssen. Die Vereinbarungen werden auf die technische und organisatorische Umsetzung der Zusammenarbeit ausgerichtet sein und bewegen sich so im Rahmen der verfassungsmässigen Kompetenzordnung. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass gegen solche Vereinbarungen Bedenken mit Blick auf den demokratischen Rechts- und Bundesstaat und dessen Gewaltenteilung geäussert werden (dazu Ziff. 7.1.5).

Im Hinblick auf die Digitalisierung der grenzüberschreitenden Behördenzusammenarbeit kann sich ebenso ein Bedürfnis nach Zusammenarbeitsvereinbarungen mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen ergeben. Dieses Anliegen wird mit vorliegender Gesetzesvorlage ebenso aufgenommen.

4.2.2

Beteiligungen des Bundes an Organisationen

Eng verwandt mit dem Abschluss von Zusammenarbeitsvereinbarungen, insbesondere mit der dadurch bezweckten Schaffung gemeinsamer Organisationen (gemäss Art. 4 Abs. 3 E-EMBAG), ist die Thematik der Beteiligungen des Bundes an Organisationen. Mit einer entsprechenden Rechtsgrundlage im EMBAG soll der Bund in die Lage versetzt werden, sich im Bereich E-Government zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben an Organisationen beteiligen zu können. Dieses Bedürfnis hat sich nicht zuletzt durch die im Jahr 2018 erfolgte Gründung der eOperations ergeben (vgl.

Ziff. 1.1).

Die eOperations soll eine gemeinsam von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden getragene Organisation sein, die über die föderalen Ebenen hinweg als Organisationsgefäss und kompetente Dienstleisterin für die Umsetzung von IT-Kooperationen der Verwaltung auftritt. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens ist jedoch erforderlich, dass der Bund Teil der Trägerschaft wird, indem er Gesellschaftsanteile an der eOperations Schweiz AG erwirbt.

Derartige Beteiligungen an externen Organisationen können im Bereich E-Government auch in Zukunft ein Bedürfnis darstellen, weshalb dafür eine generelle ­ nicht auf eOperations beschränkte ­ Rechtsgrundlage geschaffen werden soll. In Bezug auf künftige Beteiligungen des Bundes an Organisationen ist der Bundesrat bestrebt, die Ressourcen für wenige, aber zielgerichtete Organisationen zu bündeln.

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4.2.3

Übertragungen von Verwaltungsaufgaben

Der Betrieb einer gemeinschaftlichen Organisation oder Unternehmung kann die Übertragung von Verwaltungsaufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten bedingen. Unter administrativer Hilfstätigkeit (auch «Bedarfsverwaltung» genannt) sind jene Tätigkeiten des Gemeinwesens zu verstehen, durch die es die zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben notwendigen Sachgüter und Leistungen beschafft. Konkretes Anwendungsbeispiel dieser Gesetzesnorm wäre es, die eOperations mit der Durchführung von Beschaffungsverfahren in den Bereichen IKT und IKT-Dienstleistungen zu betrauen.

Bei der Durchführung von Beschaffungsverfahren handelt es sich um eine mit hoheitlichen Befugnissen verbundene Aufgabe. Für eine Aufgabenübertragung zur Abwicklung von Vergabeverfahren ist dementsprechend auch eine Übertragung von Verfügungskompetenzen an die Organisationen (im ersten Anwendungsfall an eOperations) notwendig, wäre es doch nicht denkbar, dass die Organisationen ein Beschaffungsverfahren nach den Vorgaben des öffentlichen Beschaffungsrechts durchführen, ohne dass sie z. B. die Ausschreibung publizieren, den Zuschlag erteilen, einen Anbieter ausschliessen, einen Abbruch verfügen oder überhaupt verfahrensleitende Verfügungen erlassen könnten. Die mit der Durchführung von Vergabeverfahren betrauten Organisationen (z. B. die eOperations) müssen folglich über Verfügungskompetenzen verfügen.

Die vorliegende Gesetzesvorlage schafft die rechtlichen Voraussetzungen für eine Übertragung von Beschaffungskompetenzen an eine Organisation wie die eOperations. Ob und in welcher Form ihr tatsächlich Beschaffungsaufgaben übertragen werden sollen, ist dagegen nicht Gegenstand dieses Gesetzgebungsprojekts. Eine Übertragung müsste im Rahmen der anzuwendenden beschaffungsrechtlichen Bestimmungen und in Abstimmung mit der Beschaffungsstrategie des Bundes erfolgen.

Für die Übertragung von Aufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeit ist der Bundesrat zuständig. Dabei wird im Gesetzesentwurf offengelassen, ob die Übertragung durch Rechtssatz (Verordnung) oder Vereinbarung (im Sinne von verwaltungsrechtlichen Verträgen) erfolgen soll. Die Aufgabenübertragung ist in Fällen vorgesehen, in denen der Bund zur Verbesserung der Zusammenarbeit gestützt auf dieses Gesetz durch Vereinbarung mit anderen Gemeinwesen eine Organisation
schafft oder sich an einer solchen beteiligt. Die Durchführung eines Beschaffungsverfahrens zur Auswahl des Aufgabenträgers ist in diesem Zusammenhang nicht sachgerecht, entsprechend wird festgehalten, dass das Bundesgesetz vom 21. Juni 201944 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) bei der Auswahl nicht anwendbar ist.

Im Rahmen einer solchen Übertragung wird neben der Vereinbarkeit mit der Beschaffungsstrategie des Bundes namentlich zu prüfen sein, nach welchen Regeln eine solche Beschaffung erfolgen soll und wie sich die Übertragung auf den Leistungsbezug des Bundes auswirkt, namentlich ob der Bund ohne zusätzliches Vergabeverfahren Leistungen über die Organisation beziehen kann.

44

SR 172.056.1

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4.2.4

Beschaffungsrecht

Im Zusammenhang mit der Betrauung von Organisationen zur Durchführung von Beschaffungsverfahren sind auch kurz die beschaffungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu erhellen, die immer dann aktuell werden, wenn der Bund diese Verwaltungsaufgabe gestützt auf die beantragte Neuregelung an Organisationen zu übertragen beabsichtigt. Die vergaberechtlichen Eckpunkte werden nachstehend am Beispiel von der eOperations erläutert.

Die eOperations dient der Zusammenarbeit zwischen Gemeinwesen und wird dementsprechend keine Leistungen am Markt, d. h. für Private anbieten. Als Auftraggeber bzw. Kunden der eOperations kommen in Frage: ­

Gemeinwesen, die gleichzeitig Träger (Mitglied) der eOperations sind;

­

Gemeinwesen, die nicht Träger der eOperations sind;

­

Organisationen, die von Gemeinwesen getragen werden (z. B. Vereine, Aktiengesellschaften von Bund und Kantonen).

Gemäss einem Gutachten der Wettbewerbskommission (WEKO)45 liegt eine öffentliche Beschaffung vor, wenn zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem (privaten) Leistungserbringer ein Vertrag über die Beschaffung von Lieferungen, Bauarbeiten oder Dienstleistungen gegen einen vom Staat zu bezahlenden Preis geschlossen wird. Gewisse Leistungsflüsse, die zwischen zwei staatlichen Akteuren erfolgen, gelten beschaffungsrechtlich hingegen nicht als öffentliche Beschaffungen und sind unter gewissen Voraussetzungen als Ausnahmetatbestände vom beschaffungsrechtlichen Anwendungsbereich ausgenommen. Für das erste konkrete Anwendungsbeispiel bedeutet dies, dass ­ sofern sämtliche Kunden der eOperations gleichzeitig auch Träger der eOperations sind ­ die eOperations die einschlägigen Voraussetzungen der Quasi-in-house-Ausnahme46 erfüllen wird, sodass die Kunden (beteiligte Gemeinwesen) bei der eOperations vergaberechtsfrei Leistungen beziehen werden können.47 Die Voraussetzungen der Quasi-in-house-Ausnahme wären vorliegend auch dann noch erfüllt, wenn die eOperations mindestens 80 Prozent ihres Umsatzes ausschliesslich mit den sie kontrollierenden Trägern (Bund und Kantone) und maximal 20 Prozent ihres Umsatzes mit nicht kontrollierenden Kunden erzielen würde.

45 46

47

Gutachten vom 1. Dezember 2014 zuhanden des BJ zum Projekt eOperations Schweiz [WEKO-Gutachten], Rz 30. Recht und Politik des Wettbewerbs (RPW 2014-4 S. 785 ff.).

Als «Quasi-in-house-Ausnahme» gilt die Beschaffung eines öffentlichen Auftraggebers bei einer anderen juristischen Person, über die er alleine die Kontrolle innehat und die im Wesentlichen für ihn tätig ist (d. h. nur in geringem Mass für andere, keine Kontrolle innehabenden Kunden, welche öffentlich oder privat sein können). In der europäischen Praxis gilt ein minimaler Umsatzanteil von 80 % als erforderlich, der mit Tätigkeiten für den kontrollierenden Auftraggeber erzielt werden muss. Eine Unterart der Quasi-in-houseAusnahme ist die Beschaffung eines öffentlichen Auftraggebers bei einer anderen juristischen Person, über die er gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern die Kontrolle innehat und die im Wesentlichen für die kontrollierenden Auftraggeber tätig ist (d. h. nur in geringem Mass für andere, keine Kontrolle innehabenden Kunden, die öffentlich oder privat sein können).

Für Organisationen, die von Gemeinwesen getragen werden (z. B. Vereine, Aktiengesellschaften von Bund und Kantonen) ist allerdings darauf hinzuweisen, dass diese als öffentlich gelten müssen, was bei Aktiengesellschaften, die zwar von Gemeinwesen gehalten werden, aber auf dem Markt aktiv sind (z. B. Kantonalbanken) nicht der Fall sein dürfte.

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Anwendbares Recht in Vergabeverfahren Beteiligt sich der Bund an einer Organisation, die als Beschaffungsstelle öffentlicher Auftraggeber fungiert (wie der eOperations) und schreiben mehrere öffentliche Auftraggeber verschiedener Staatsebenen über diese Beschaffungsstelle Leistungen aus, so ist gemäss Artikel 5 Absatz 1 BöB das Recht des Gemeinwesens anwendbar, dessen Auftraggeberin den grössten Teil an der Finanzierung trägt. Überwiegt der kantonale Anteil insgesamt den Bundesanteil, so findet das BöB keine Anwendung.

Unter dem revidierten BöB sind mehrere an einer Beschaffung beteiligte Auftraggeberinnen im gegenseitigen Einvernehmen auch dazu befugt, eine gemeinsame Beschaffung dem Recht einer beteiligten Auftraggeberin zu unterstellen (Art. 5 Abs. 2 BöB).

Zudem können öffentliche oder private Unternehmen mit ausschliesslichen oder besonderen Rechten, die ihnen durch den Bund verliehen wurden, oder die Aufgaben im nationalen Interesse erbringen, künftig wählen, ob sie ihre Beschaffungen dem Recht an ihrem Sitz oder dem Bundesrecht unterstellen (Art. 5 Abs. 3 BöB).

Zu diesen Gesetzesbestimmungen wird in der Botschaft vom 15. Februar 201748 zum BöB ausgeführt, dass die darin vorgesehene Rechtswahl der beteiligten Auftraggeberinnen der optimalen Ressourcennutzung dient. Zwecks Rechtssicherheit sollte die Rechtswahl aber nicht von Fall zu Fall, sondern über eine gewisse Zeitspanne Bestand haben.

Beschaffungsrechtlicher Handlungsbedarf Ein konkreter Handlungsbedarf auf dem Gebiet des Beschaffungsrechts besteht nur in organisationsrechtlicher Hinsicht. Werden einer Organisation Beschaffungskompetenzen übertragen, ist zu klären, welche beschaffungsrechtliche Funktion dieser Organisation zukommt, welche Arten von Gütern und Dienstleistungen sie unter welchen Voraussetzungen beschaffen kann und wie die Abgrenzung und Zusammenarbeit mit den übrigen Beschaffungsorganen auszugestalten ist. Diese Regelung hat im einzelnen Anwendungsfall zu erfolgen. Ein Regelungsbedarf auf formell-gesetzlicher Stufe besteht nicht.

Auf Stufe Bund wird die Zuständigkeit der eOperations für IKT-Beschaffungen im Rahmen von Einkaufs- bzw. Betriebsgemeinschaften, bestehend aus Gemeinwesen verschiedener Staatsebenen, zu statuieren sein. Die Möglichkeiten zur Konstituierung der eOperations als neue Beschaffungsstelle reichen
von der Schaffung einer sog. weiteren Beschaffungsstelle,49 die ausschliesslich für Beschaffungen konkret bezeichneter Güter und Dienstleistungen zuständig ist, bis hin zur Erteilung von Delegationen von Beschaffungskompetenzen50. Der Entscheid, ob eine Delegation erteilt wird, obliegt ­ abhängig von der Art der erforderlichen Delegation ­ entweder der hierfür zuständigen zentralen Bundesbeschaffungsstelle oder aber der Beschaffungskonferenz des Bundes.

48 49 50

BBl 2017 1851 S. 1892.

Gemäss Art. 10 der Verordnung vom 24. Oktober 2012 über die Organisation des öffentlichen Beschaffungswesens der Bundesverwaltung (Org-VöB; SR 172.056.15).

Gemäss Art. 12 ff. Org-VöB.

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4.2.5

Steuerrecht

Im Folgenden werden die verschiedenen Steuerarten gemäss geltendem Recht kurz im Hinblick auf die steuerliche Behandlung der Organisationen dargestellt, wenn sich der Bund an diesen zwecks Zusammenarbeit beim IKT-Einsatz beteiligen würde.

Direkte Bundessteuer / Kantonale Staatssteuern Direkte Steuern (Einkommens- und Gewinnsteuer) werden sowohl vom Bund als auch von den Kantonen und Gemeinden erhoben. Da sich in diesem Bereich die Steuerhoheiten überlagern, sieht die Bundesverfassung in Artikel 129 eine Harmonisierung vor. Unter anderem gestützt auf diese Bestimmung wurden das Bundesgesetz vom 14. Dezember 199051 über die direkte Bundessteuer (DBG) und das Steuerharmonisierungsgesetz vom 14. Dezember 199052 (StHG) erlassen.

Vorliegend stellt sich die Frage der Besteuerung der sich in öffentlicher Hand befindenden gemeinsamen Organisationen und Einrichtungen. Sowohl das DBG wie auch das StHG sehen für juristische Personen, die öffentliche Zwecke verfolgen, die Befreiung von der Gewinnsteuer vor (Befreiung von der subjektiven Steuerpflicht). Dies gilt für den Gewinn, der ausschliesslich und unwiderruflich diesen Zwecken gewidmet ist (Art. 56 Bst. g DBG; Art. 23 Abs. 1 Bst f StHG). Dazu ist für jede einzelne Organisation oder Einrichtung ein Gesuch bei der zuständigen kantonalen Steuerbehörde um Steuerbefreiung einzureichen. Die materiellen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung sind die Verfolgung eines öffentlichen Zwecks (kein Erwerbs- oder Selbsthilfezweck), die Zweckgebundenheit der Mittel und der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität. Zudem sind keine oder zumindest keine übermässigen Dividenden auszuschütten. Die betreffenden Unternehmen werden nach Einschätzung der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) in der Lage sein, diese Voraussetzungen zu erfüllen. Es besteht mithin kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bei den direkten Steuern.

Mehrwertsteuer Gemeinwesen können auf unterschiedliche Art und Weise zusammenarbeiten. Eine Möglichkeit ist die Bildung und Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft. Im Mehrwertsteuerrecht sind Leistungsverhältnisse solcher Gesellschaften unter gesetzlich definierten Bedingungen von der Steuer ausgenommen. Der am 1. Januar 2018 in Kraft getretene Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 28 Buchstabe b des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 200953 (MWSTG) besagt, dass
Leistungen zwischen Gesellschaften, an denen ausschliesslich Gemeinwesen beteiligt sind, und die an diesen Gesellschaften beteiligten Gemeinwesen und deren Organisationseinheiten von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind. Gemäss Wortlaut der Bestimmung spielt es dabei keine Rolle, ob das beteiligte Gemeinwesen als Ganzes oder eine seiner Organisationseinheiten die Leistung erbringt oder empfängt.

51 52 53

SR 642.11 SR 642.14 SR 641.20

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Artikel 38 Absatz 1 der Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 200954 (MWSTV) präzisiert, dass der Begriff «Beteiligung» nicht nur direkte, sondern auch indirekte Beteiligungsverhältnisse umfasst. Leistungsverhältnisse zwischen Gesellschaften, an denen ausschliesslich Gemeinwesen beteiligt sind, und den ausschliesslich von diesen Gesellschaften direkt oder indirekt gehaltenen Gesellschaften fallen ebenfalls unter die Steuerausnahme (Art. 38 Abs. 3 MWSTV).

Hingegen gelangt die Steuerausnahme in folgenden Konstellationen nicht zur Anwendung: ­

An der gemeinsamen Gesellschaft sind nicht ausschliesslich Gemeinwesen beteiligt: Solche Fälle sind vom Anwendungsbereich der Steuerausnahme per se ausgeschlossen.

­

Es handelt sich zwar um eine Gesellschaft, an der ausschliesslich Gemeinwesen beteiligt sind, der Leistungsaustausch findet aber mit Gemeinwesen ohne Beteiligung oder mit Privaten statt: Solche Leistungsverhältnisse sind vom Anwendungsbereich der Steuerausnahme ausgeschlossen. Die Steuerausnahme gilt nur für die in Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 28 Buchstabe b MWSTG explizit erwähnten Konstellationen.

Mit dieser Regelung können Zielkonflikte zwischen der Förderung einer Zusammenarbeit unter Gemeinwesen einerseits und Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Nichtgemeinwesen andererseits begrenzt werden. Tätigkeiten, für welche die Steuerausnahme gilt, berechtigen im Übrigen nicht zur Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs.

Nach dem Gesagten besteht auch bei der Mehrwertsteuer kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

Stempelabgaben Die eidgenössischen Stempelabgaben sind Steuern auf bestimmten Vorgängen des Rechts- und Kapitalverkehrs. Ihre Erhebung knüpft an die Begründung von Beteiligungsrechten inkl. Zuschüssen (Emissionsabgabe), den Handel mit Wertschriften (Umsatzabgabe) oder an Prämienzahlungen für bestimmte Versicherungen (Abgabe auf Versicherungsprämien) an. Sie sind im Bundesgesetz über die Stempelabgaben geregelt.

Vorliegend geht es um die Emissionsabgabe; die Umsatzabgabe und die Abgabe auf Versicherungsprämien hingegen dürften vorliegend nicht relevant sein. Artikel 6 StG sieht Ausnahmen von der Abgabepflicht vor. Gemäss Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a StG sind Beteiligungsrechte bei Gesellschaften mit einem gemeinnützigen Zweck bei Erfüllen der damit verbundenen statutarischen Voraussetzungen von der Emissionsabgabe ausgenommen. Sollen Unternehmen nach dem EMBAG ebenfalls von der Entrichtung der Emissionsabgabe befreit werden, ist dies im StG explizit zu regeln.

Eine solche zusätzliche Ausnahmeregelung macht ­ in Anlehnung an die Steuerbefreiung der Gesellschaften mit einem gemeinnützigen Zweck ­ Sinn. Dementsprechend wird mit vorliegender Gesetzesvorlage vorgeschlagen, Artikel 6 Absatz 1 StG 54

SR 641.201

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mit einem neuen Buchstaben ater zu ergänzen, der Gesellschaften, die ausschliesslich in öffentlicher Hand sind und einen öffentlichen Zweck nach Artikel 1 E-EMBAG verfolgen, von der Emissionsabgabe ausnimmt.

Verrechnungssteuer Sofern keine Ausnahmetatbestände nach Artikel 5 des Verrechnungssteuergesetzes vom 13. Oktober 196555 (VStG) vorliegen, unterliegen Kapitalerträge der Verrechnungssteuer (Art. 4 VStG).

Konkret stellt sich vorliegend unter anderem die Frage, ob Leistungen von Aktiengesellschaften zum Selbstkostenpreis an ihre Aktionäre (ausschliesslich Gemeinwesen) der Verrechnungssteuer unterliegen.

1.

Leistungen an Aktionäre, die einem Drittvergleich nicht standhalten, gelten als geldwerte Leistungen und unterliegen damit der Verrechnungssteuer. Vorliegend muss davon ausgegangen werden, dass einem unbeteiligten Dritten die Leistungen nicht zum Selbstkostenpreis gewährt würden.

2.

Die Anwendung eines Meldeverfahrens richtet sich nach den Voraussetzungen von Artikel 20 VStG, die in den Artikeln 24 ff. der Verrechnungssteuerverordnung vom 19. Dezember 196656 konkretisiert werden.

3.

Sofern die Verrechnungssteuer entrichtet werden muss, richtet sich der Rückerstattungsanspruch der leistungsbegünstigten Person nach den Voraussetzungen der Artikel 21 ff. VStG und ist im Einzelfall zu prüfen.

Da das Meldeverfahren in den meisten solchen Fällen angewendet werden kann und ansonsten, d. h. falls die Entrichtung der Verrechnungssteuer notwendig ist, die volle Rückerstattung der Verrechnungssteuer möglich ist, ist aus Sicht der ESTV kein Ausnahmetatbestand notwendig.

Ausserdem muss berücksichtigt werden, dass die Verrechnungssteuer unabhängig von der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft einerseits und des Inhabers der Beteiligungsrechte andererseits erhoben wird. Die Schaffung eines zusätzlichen Ausnahmetatbestandes wäre daher steuersystematisch problematisch und würde zu einer Ungleichbehandlung von Gesellschaften führen.

Kantonale Steuern Kantonale oder auch kommunale Steuern wie Liegenschafts- oder Handänderungssteuern dürften vorliegend nicht relevant sein.

4.2.6

Finanzierung

Die angestrebte Beteiligung des Bundes an Organisationen bzw. Unternehmungen zwecks Zusammenarbeit im Bereich des E-Government soll durch den Erwerb von Gesellschaftsanteilen erfolgen. Derartige Beteiligungen haben Subventionscharakter, 55 56

SR 642.21 SR 642.211

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wenn ihnen keine direkte Gegenleistung gegenüber steht, weshalb die Grundsätze des Subventionsrechts zu wahren sind (vgl. Ziff. 7.6). Namentlich bedürfen sie einer formell-gesetzlichen Grundlage, die mit dem vorliegenden Projekt geschaffen werden soll.

Ebenso wird eine Rechtsgrundlage geschaffen für die Ausrichtung von Finanzhilfen im Bereich E-Government an: a.

die Kantone;

b.

die vom Bund oder von den Kantonen mit dem Vollzug von Bundesrecht beauftragten Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht der Bundesverwaltung oder der kantonalen Verwaltung angehören;

c.

weitere Organisationen, mit denen der Bund Zusammenarbeitsvereinbarungen (Art. 4 E-EMBAG) abschliesst oder an denen sich der Bund beteiligt.

Finanzhilfen des Bundes sollen aber nur in Frage kommen, soweit sie dem Vollzug von Bundesrecht dienlich sind.

Die Finanzierung des laufenden Betriebs der Organisation ist nur so weit Gegenstand dieser Regelung, wie sie Subventionscharakter hat. Davon zu unterscheiden ist der entgeltliche Bezug von Leistungen der Organisation durch ihre Träger. Diese richtet sich nach dem anwendbaren Vertrags- und Beschaffungsrecht.

4.2.7

Rechtsverhältnisse

Die Übertragung der Verwaltungsaufgabe im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten an Organisationen kann auf zwei Arten erfolgen, nämlich durch verwaltungsrechtlichen Vertrag oder auf dem Verordnungsweg. Im Rahmen einer konkreten Aufgabenübertragung sind verschiedene Rechtsverhältnisse zu klären, insbesondere: ­

das anwendbare Recht, namentlich das anwendbare Beschaffungsrecht;

­

die Aufsicht über die mit den Aufgaben beauftragten Organisationen;

­

die Steuerung der Organisationen.

Die Aufzählung der Rechtsbereiche ist zwar nicht abschliessend, soll aber aufzeigen, dass nicht alle Rechtsverhältnisse der Organisationen geregelt werden können, sondern nur die Aspekte, die aufgrund des Betriebs der Organisation erforderlich sind.

Nicht erfasst wird insbesondere das Recht, dem Verträge mit privaten Lieferanten oder Leistungserbringern unterstehen. Für diese gilt wie stets im öffentlichen Beschaffungsrecht das Privatrecht.

Die Regelung der genannten Rechtsverhältnisse wird sich wo immer möglich auf Verweise auf bereits bestehendes Recht beschränken. Eigenständige, auf die Situation der Organisation zugeschnittene Regelungen sind aber nicht ausgeschlossen.

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4.2.8

Open Source Software

Mit dem bereits unter Ziffer 1.1 erwähnten Beschluss vom 30. Januar 2019 hat der Bundesrat das EFD des Weiteren beauftragt, bei der Erarbeitung der Rechtsgrundlagen für die Zusammenarbeit im Bereich des E-Government auch die wesentlichen Fragen zum Einsatz und zur Freigabe von OSS (Neuentwicklungen wie auch Weiterentwicklungen) durch den Bund mit einer gesetzlichen Regelung zu klären. Die Freigabe von OSS ist daneben auch Gegenstand eines Auftrags des Bundesrats vom 22. März 2017 im Zusammenhang mit dem Postulat 14.4275 Balthasar Glättli «Freigabe von Open Source Software durch die Bundesverwaltung» (vgl. dazu Ziff. 1.4).

Das EFD wurde darin beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem EJPD (BJ) die verbleibenden offenen Rechtsfragen, die sich in Bezug auf die Freigabe von Software durch die Bundesverwaltung stellen, abzuklären und die allenfalls notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu erarbeiten. Aufgrund des engen Sachzusammenhangs sind die beiden Aufträge gemeinsam zu erfüllen.

Bedeutung von OSS Als OSS wird Software bezeichnet, deren Quellcode offengelegt wird und die von jedermann lizenzgebührenfrei benutzt, studiert, verändert, weiterentwickelt und weitergegeben werden darf. Die Verbreitung erfolgt üblicherweise mittels Lizenz, eine Lizenzgebühr wird jedoch nicht geschuldet. Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass die Weitergabe oder die Beschaffung von OSS unentgeltlich erfolgt. Kosten entstehen beispielsweise, wenn Dienstleistungen wie Beratung, Integration, Anpassungen, Schulungen, Weiterentwicklung, Betrieb, Wartung für bestimmte OSS angeboten oder eingekauft werden.

In der IT-Welt ist OSS mittlerweile etabliert. Auch der Staat setzt regelmässig OSS ein, so beispielsweise bei Serverbetriebssystemen, für die Geschäftsverwaltung in Gemeinden, als Entscheiddatenbanken von Gerichten, für die Bereitstellung von Geodaten im Internet oder bei den SBB als zentrale Plattform für die Zugsdispositionen.

OSS wird sich künftig in der Verwaltung weiter ausbreiten, namentlich im Rahmen von Beschaffungen, wo der Schwerpunkt vermehrt auf Funktionalitäten und Services liegt. Die Gründe für den Einsatz von OSS sind vielfältig: Zu nennen sind etwa die Offenheit der verwendeten Standards, die Unabhängigkeit von Lieferanten und Produkten, der Austausch mit der Community von Nutzern und Entwicklern sowie die
sich daraus ergebende Nutzung von Fortentwicklungen, die Sicherheit, die Stabilität und mögliche Kosteneinsparungen.57 OSS kann darüber hinaus die Kultur der Zusammenarbeit in der Informatik durch das Teilen von Quellcodes, durch die Kultur der offenen Kommunikation und durch die gemeinsame Weiterentwicklung fördern. Diese Prinzipien können angewendet werden, um die Zusammenarbeit in der Informatik innerhalb der Bundesverwaltung, mit den Kantonen und mit anderen öffentlichen Institutionen zu erhöhen. Damit wird die

57

Poledna/Schlauri/Schweizer, Gutachten zu den rechtlichen Voraussetzungen der Nutzung von Open Source Software in der öffentlichen Verwaltung insbesondere des Kantons Bern, vom 18. August 2016, S. 2; vgl. auch Open Source Studie Schweiz 2018 der Universität Bern vom 20. Juni 2018, insb. S. 16, abrufbar unter: www.oss-studie.ch.

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digitale Souveränität gestärkt und Abhängigkeiten von Software-Herstellern können reduziert werden.

Trotz dieser Vorzüge bleibt zu beachten, dass trotz dem Einsatz von OSS im Bund proprietäre Software weiterhin dort eingesetzt werden wird, wo diese als geeigneter erscheint. Proprietäre Software und OSS sollen so eingesetzt werden, dass im jeweiligen Bedarfsfall die beste Lösung gefunden wird.

Nachstehend ist zu klären, ob eine Rechtsgrundlage notwendig ist, damit der Bund Software, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben entwickelt oder entwickeln lässt (einschliesslich Weiterentwicklungen), anderen Gemeinwesen und auch weiteren Interessentinnen und Interessenten zur Verfügung stellen kann.

Freigabe von OSS durch den Bund Die Freigabe von OSS kann in unterschiedlichem Zusammenhang erfolgen. Die Motivation für die Freigabe kann entsprechend vielfältig sein. Für die Bundesverwaltung ist die Freigabe von OSS namentlich in drei Konstellationen erwünscht: ­

Soweit der Bund Software für die Erfüllung seiner Aufgaben entwickelt, kann es in seinem Interesse liegen, dass andere Gemeinwesen oder Private die Software nutzen, damit die Aufgabenerfüllung der öffentlichen Hand, namentlich die Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Aufgabenerfüllung, erleichtert wird.

­

Sowohl bei der Nutzung bestehender OSS als auch bei Eigenentwicklungen des Bundes kann die Freigabe des Codes zur Bildung einer Entwickler-Community führen oder beitragen, welche die Software weiterentwickelt. Dies kann im Interesse der Bundesverwaltung liegen, wenn dadurch die Qualität der Software verbessert wird oder neue Funktionen geschaffen werden.

­

In Fällen, in denen der Bund bestehende OSS nutzt und weiterentwickelt, kann sich ein Interesse an der Freigabe aus der dem Bund eingeräumten Lizenz ergeben.

Laut dem in Erfüllung des Postulats 14.4275 Glättli ergangenen Bericht des Bundesrats (vgl. Ziff. 1.4) bestehen für den entgeltlichen Vertrieb von Software mit den Artikeln 41 f. FHG bereits Rechtsgrundlagen. Der entgeltliche Software-Vertrieb muss über die in Artikel 41a Absatz 1 FHG oder in einem Spezialgesetz genannten Bundesstellen erfolgen.

Aus Sicht des Bundes stellt sich allerdings die Frage, ob die lizenzgebührenfreie Weitergabe von Software einer gesetzlichen Grundlage bedarf.

Aufgrund des Prinzips der staatsfreien Wirtschaftsordnung darf eine Verwaltungseinheit gewerbliche Leistungen gegenüber Dritten nur erbringen, soweit ein Gesetz sie hierzu ermächtigt (Art. 41 FHG). Klärungsbedarf besteht somit hinsichtlich der Frage, ob die lizenzgebührenfreie Weitergabe von Software eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt oder nicht. Bejaht man die Frage, so gelten die Einschränkungen gemäss dem Grundsatz der staatsfreien Wirtschaftsordnung, nach dem eine wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes voraussetzt, dass die Tätigkeit im öffentlichen Interesse liegt, eine formell-gesetzliche Grundlage besteht, verhältnismässig ist und der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität gewahrt bleibt. Wird die lizenzgebührenfreie Weitergabe von 37 / 116

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OSS nicht als wirtschaftliche Tätigkeit qualifiziert, so kann sie als Nebenprodukt der administrativen Hilfstätigkeit betrachtet werden. Diese bedarf keiner gesonderten gesetzlichen Grundlage, da sie von der gesetzlichen Grundlage der unterstützten Verwaltungsaufgabe immer ebenfalls abgedeckt ist.

Notwendigkeit einer formell-gesetzlichen Grundlage Ob die lizenzgebührenfreie Freigabe von OSS einer formell-gesetzlichen Grundlage bedarf, ist umstritten.

­

Das ISB hat bei Prof. Dr. iur. Georg Müller und Dr. iur. Stefan Vogel ein Gutachten in Auftrag gegeben, das Aufschluss darüber geben soll, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die Bundesverwaltung OSSLösungen weitergeben darf. In diesem Gutachten vertreten die Autoren die Meinung, jegliches Erbringen marktfähiger Leistungen an Dritte sei als wirtschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren. Die Gewinnabsicht oder Entgeltlichkeit sei zwar typisch, aber nicht begriffswesentlich. Die kostenlose staatliche Softwareabgabe an Dritte führe zu einer Wettbewerbsverzerrung. Entsprechend sei dafür eine gesetzliche Grundlage erforderlich.

­

Im Gegensatz dazu sind die Gutachter Prof. Dr. iur. Tomas Poledna, Prof. Dr.

Simon Schlauri und MLaw Samuel Schweizer der Ansicht, allein das unentgeltliche Zurverfügungstellen des Quellcodes sei in den meisten Fällen keine marktfähige Leistung. Dazu brauche es vielmehr komplementäre Dienstleistungen wie Integration, Wartung, Support und IT-Sicherheit, um den Code auch nutzen zu können. Ausserdem sei die Motivation für die Veröffentlichung von Software unter einer OSS-Lizenz entscheidend: Liege diese darin, die verwendete Software als Betriebsmittel zu verbessern, so handle es sich um die Beschaffung von Ressourcen und damit um Bedarfsverwaltung, die mittelbar der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe diene. Im Übrigen sei das OSS-Nutzungsmodell in der Wirtschaft verbreitet und solange wettbewerbsneutral, als der Staat OSS so nutze und weitergebe, wie dies auch die Privaten tun würden. Eine formell-gesetzliche Grundlage sei nur in absoluten Ausnahmefällen notwendig, nämlich dann, wenn das OSS-Angebot der öffentlichen Hand zu schweren faktischen Beschränkungen der Wirtschaftsfreiheit führe oder ohne jeden sachlichen Zusammenhang zur Tätigkeit der Verwaltungseinheit entwickelt und veröffentlicht würde (vgl. dazu den unter Ziff. 1.4 erwähnten Bericht).

Die Frage, ob eine formell-gesetzliche Grundlage notwendig ist, kann vorliegend indessen offenbleiben. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass eine solche entbehrlich ist, wirkt sich die unsichere Rechtslage hemmend auf den Einsatz und die Freigabe von OSS aus. Die Schaffung einer formell-gesetzlichen Grundlage ist damit zumindest angezeigt, um Rechtssicherheit zu schaffen und der Bundesverwaltung die für eine zeitgemäss IT-Führung notwendige Freiheit im Umgang mit OSS zu verschaffen.

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Vorgesehene Regelung zur Freigabe von OSS Mit der vorgeschlagenen Rechtsgrundlage soll den Bundesbehörden ermöglicht werden, Software, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben entwickeln oder entwickeln lassen, für Interessenten als OSS freizugeben. Dies bedeutet, dass der Quellcode offengelegt wird und jedermann berechtigt ist, die Lizenz gebührenfrei zu benutzen, zu studieren und weiterzugeben. Die Software soll immer dann als OSS freigegeben werden, wenn dies möglich und sinnvoll ist. Die Behörde, welche eine Software entwickelt, entscheidet nach pflichtgemässem Ermessen, in welchen Fällen eine Freigabe angezeigt ist.

Wird die Entwicklung und die anschliessende Freigabe von OSS ins Auge gefasst, stellt sich die Frage, ob dies Auswirkungen auf Beschaffungen im Hinblick auf die zu erstellende Software hat. Es gilt der Grundsatz, dass die öffentliche Hand grundsätzlich nach freiem (wenn auch pflichtgemässem) Ermessen entscheidet, ob sie Güter und Dienstleistungen, die sie zur Erfüllung der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben benötigt, selber herstellt oder am Markt beschafft (sog. «Make or buy»-Entscheid).

Dieser Grundsatz wird durch die beabsichtigte Freigabe von OSS nicht eingeschränkt.

Wo aber im Rahmen einer (Weiter-)Entwicklung Software Dritter verwendet wird, kann die Freigabe durch Rechte Dritter beschränkt oder verunmöglicht werden. Wird eine OSS-Freigabe von Software beabsichtigt, die auf Software Dritter basiert, ist bereits frühzeitig darauf zu achten, dass die notwendigen Rechte an der verwendeten Software vorliegen. Dies kann namentlich dadurch gewährleistet werden, dass in einem Beschaffungsverfahren die für das betreffende Projekt relevanten Merkmale von OSS als Eignungs- oder Zuschlagskriterium definiert wird.

Fazit zur OSS-Thematik In der Gesetzesvorlage wird eine Bestimmung unterbreitet, welche die dem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden anhält, wenn es möglich und sinnvoll ist und die Rechte Dritter gewahrt werden, den Quellcode von Software, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben entwickeln oder entwickeln lassen, offenzulegen. In Bezug auf die entgeltliche Weitergabe von OSS besteht im FHG bereits eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Diese muss über die in Artikel 41a Absatz 1 FHG oder in einem Spezialgesetz genannten Bundesstellen erfolgen.

4.2.9

Open Government Data

Im Rahmen des E-Government soll mit den technologischen Entwicklungen auch die chancengleiche und selbstständige Teilhabe aller an der Politik gefördert werden.58 Diesem Anliegen lässt sich insbesondere mit OGD Rechnung tragen. OGD sind ein entscheidender Beitrag zum E-Government und zu einer zukunftsorientierten Schweiz.

Die Verwaltung erhebt und bearbeitet bei ihrer täglichen Arbeit zahlreiche Daten, die für alle Interessierten zu gleichen rechtlichen und vergleichbar niederschwelligen 58

OGD-Strategie, BBl 2019 879 S. 880.

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technischen Bedingungen unentgeltlich zugänglich sein sollen, sofern kein überwiegendes legitimes Schutzinteresse besteht. Diese Daten sind ein wesentlicher Beitrag an die politische Diskussion, indem sie die Transparenz und Partizipation fördern, die Verantwortlichkeit stärken und zur Steigerung der Wertschöpfung (höhere Effizienz der Verwaltung, Ermöglichung von Innovation, Realisierung neuer Geschäftsmodelle) sowie auch zur Umsetzung der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung59 beitragen. Das Angebot einer freien Nutzung von menschlich sowie maschinell bearbeitbaren Verwaltungsdaten wird so zu einem Teil der transparenten, wirtschaftlichen und medienbruchfreien elektronischen Behordenleistungen für Bevölkerung, Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft und ist eine Voraussetzung für eine Öffentlichkeit, in der auf der Grundlage frei zugänglicher Informationen politische Lösungen entwickelt werden und die Wertschöpfung gesteigert wird.

In der vom Bundesrat am 30. November 2018 verabschiedeten OGD-Strategie ­ bereits die zweite Strategie nach 2014­2018 ­ wird die strategische Leitlinie «open data by default» postuliert, der zufolge Daten, die von der öffentlichen Hand produziert oder in Auftrag gegeben werden, unter Vorbehalt entgegenstehender rechtlicher Vorschriften grundsätzlich als OGD betrachtet und soweit technisch und rechtlich möglich ab 2020 von den Dateneignern in maschinenlesbarer Form publiziert werden sollen. Die so veröffentlichten Daten sollen auf einer zentralen Plattform für offene Verwaltungsdaten in der Schweiz («opendata.swiss») referenziert werden. Im Auftrag des Bundesrats hat das Eidgenössische Departement des Innern EDI (Generalsekretariat / Bundesamt für Statistik [BFS]) in Zusammenarbeit mit den betroffenen Ämtern geprüft, welche rechtsetzenden Arbeiten notwendig sind, um der Strategie und insbesondere der kostenlosen Nutzung heute kostenpflichtiger Daten Geltung zu verschaffen. Der vorliegende Entwurf von Artikel 10 EMBAG ist das Resultat dieser Prüfung.

Als OGD werden Verwaltungsdaten bezeichnet, die aufgrund ihres Nutzens zur freien Weiterverwendung allgemein zugänglich gemacht werden sollen. Es handelt sich dabei um eine kostenlose Dienstleistung des Bundes, die analog zur OSS als elektronische Behördenleistung des Bundes im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b E-EMBAG
identifiziert werden kann. Die rechtliche Verankerung der OGD-Grundsätze im vorliegenden Gesetz liegt deshalb auf der Hand.

OGD soll keine neue eigenständige Verwaltungsaufgabe sein, sondern als Nebentätigkeit von den Verwaltungseinheiten erledigt werden können. Dennoch zeigen die Erfahrungen gewisser Kantone und anderer Staaten mit OGD, dass die Umsetzung mit Aufwand verbunden ist. Deshalb soll einerseits die Umsetzung etappenweise erfolgen und so den Verwaltungseinheiten ermöglichen, den Aufwand intern so weit als möglich zu kompensieren. Andererseits fallen Daten, die nur mit einem unverhältnismässigen Aufwand nach den Grundsätzen von OGD zur Verfügung gestellt werden könnten, gar nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Auch sollen die Verwaltungseinheiten weiterhin für spezielle, kundenspezifische Daten-Dienstleitungen (gestützt auf Art 46a Abs. 1 des Regierungs- und Veraltungsorganisationsgesetzes vom

59

Abrufbar unter: www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung > Internationale Zusammenarbeit.

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21. März 199760 [RVOG]) Gebühren für die Abdeckung des Zusatzaufwands erheben können.

Der Begriff Daten wird in einem breiten Sinne verstanden, um der strategischen Leitlinie «open data by default», die ins Gesetz übertragen werden soll, gerecht zu werden.

Es handelt sich um alle isolierten oder isolierbaren Einheiten, die maschinell bearbeitet und analysiert werden können. Dabei handelt es sich beispielsweise um intentional hergestellte Daten (z. B. Statistiken, Finanzdaten, Registerdaten), um Messdaten (z. B. Wetterdaten, gewisse Geodaten, Verkehrsmessungen), aber auch um andere Informationen, die als Daten behandelt werden können, wie Listen (z. B. Krankenkassenprämien, verbotene Substanzen, Güter, die nicht ausgeführt werden dürfen), strukturierte oder unstrukturierte Texte (z. B. Archiv- oder Bibliothekskataloge, Rechtstexte) oder auch Multimediaproduktionen (digitale Bild-, Ton- oder Videodokumente mitsamt ihren Metadaten). Aufgrund der Schwierigkeit, die betroffenen Daten für alle Verwaltungseinheiten passend in einer Querschnittsbestimmung positiv zu definieren, wird der Ansatz verfolgt, dass grundsätzlich alle Daten nach den Grundsätzen von OGD zu publizieren sind, ausser sie fallen in eine der klar definierten Ausschlusskategorien. Die allgemeine Einschränkung der Publikationspflicht auf Daten, die bereits elektronisch und in Sammlungen strukturiert vorliegen, ist nicht primär in der (qualitativen) Schwierigkeit der Definition der betroffenen Daten begründet. Sie ist vielmehr in quantitativer Hinsicht erforderlich, um die Umsetzung von OGD als Nebenaufgabe, also ohne zusätzliche Mittel, überhaupt zu ermöglichen.

4.2.10

Bereitstellung und Nutzung von IKT-Mitteln von Bundesbehörden

Ebenfalls zu den Anwendungsfeldern für den Einsatz elektronischer Mittel zählt die Bereitstellung und Nutzung von IKT-Mitteln61 von Bundesbehörden. Unter den IKTMitteln sind hauptsächlich Basisdienste und E-Services zu verstehen.

Ein Basisdienst ist ein elektronischer Dienst, der eine gemeinsame, übergreifende Grundlage für andere, darauf aufbauende Behördenleistungen, die sog. E-Services, bildet. Basisdienste können für verschiedenste Prozesse immer gleich angewendet werden und sind keiner einzelnen Verwaltungsaufgabe direkt zugeordnet. Sie selbst schaffen noch keinen konkreten Wert bei der Verwaltungseinheit, die den Dienst einsetzt, oder beim Privaten, der ihn nutzt, sondern ermöglichen erst die Umsetzung einer konkreten E-Government-Lösung in Form eines E-Services. Eine Abgrenzung der beiden Arten von IKT-Mitteln erweist sich indessen nicht immer als einfach.

Basisdienste umfassen namentlich zentrale Dienste in den nachfolgenden Bereichen: ­

60 61

Identitäts- und Zugangsmanagements, z. B. elektronische Identitätsdienste, die die Verwendung der E-ID ermöglichen, oder die Plattform für den siche-

SR 172.010 Der im Vernehmlassungsverfahren verwendete Begriff «elektronische Behördendienste» wurde durch «IKT-Mittel» ersetzt.

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ren Austausch («sedex»), damit der Zugang zu Behördenleistungen sichergestellt werden kann. Auch Portale, die Zugang zu spezifischen Behördendiensten ermöglichen, sind vom Begriff der Basisdienste erfasst.

­

Geteilte Verzeichnisse, z. B. behördenübergreifende Stammdatenverwaltung, Register, nationale Adressdienste (NAD) für den innerbehördlichen Austausch.

Auf dem Wege der Verwirklichung befindet sich der NAD, der als Basisdienst konzipiert ist.62 Mit dem NAD sollen die öffentlichen Verwaltungen von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie Dritte im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben künftig auf die gemeldete Wohnadresse der Einwohnerinnen und Einwohner der ganzen Schweiz zugreifen können. Administrative Prozesse können damit vereinfacht und öffentliche Aufgaben effizienter wahrgenommen werden. Für diesen Basisdienst mussten spezifische Rechtsgrundlagen geschaffen werden, da er die Rechtsstellung der Bürgerinnen und Bürger namentlich in Bezug auf den Datenschutz berührt (vgl. Art. 11 Abs. 5 E-EMBAG).

Der Aufbau von Basisdiensten wird in der Schweiz konsequent fortgesetzt. Ziel der aktuellen E-Government-Strategie ist es, die wichtigsten Basisdienste wie eine staatlich anerkannte elektronische Identität zu etablieren.

Die Abwicklung der Geschäftsprozesse erfolgt durch spezifische E-GovernmentAnwendungen, die E-Services, auch E-Government-Services genannt. Darunter werden sämtliche Angebote und Dienste verstanden, die eine durchgängige elektronische Interaktion unter öffentlichen Organen sowie zwischen diesen und Dritten (Bevölkerung und Wirtschaft) mit rechtsverbindlicher Wirkung ermöglichen. Ihnen liegen in der Regel ein oder mehrere Basisdienste zu Grunde. Dabei sind nicht nur solche gemeint, die den natürlichen Personen oder den Unternehmen direkt von Nutzen sind bzw. von diesen direkt wahrgenommen werden. Es können auch rein verwaltungsinterne Dienste sein.63 Konkretes und bereits in Betrieb stehendes Anwendungsbeispiel eines E-Services in Form eines Zugangsportals für Behördenleistungen bildet der Online-Schalter «EasyGov.swiss» für Unternehmen. Mit der Lancierung dieses Zugangsportals erfolgte im November 2017 im Rahmen der E-Government-Strategie Schweiz ein weiterer Schritt hin zu einer digitalen und nutzerorientierten Verwaltung. Der Online-Schalter EasyGov.swiss nutzt die Möglichkeiten der Digitalisierung und vereinfacht den Austausch zwischen Unternehmen und Behörden. Damit können die Unternehmen diverse Behördengänge effizient und sicher auf einer einzigen Online-Plattform abwickeln. Die sichere und zuverlässige Plattform ermöglicht das elektronische Abwickeln von Bewilligungs-, Antrags- und Meldeverfahren an einem Ort. Darüber hinaus erleichtert
die Plattform die Orientierung, da sie bei einem konkreten Anliegen aufzeigt, welche Behördengänge in diesem Zusammenhang sonst noch nötig sind. Das alles spart bei den Unternehmen Zeit und Geld und vereinfacht den Datenaustausch innerhalb der Verwaltung.

62

63

Die Vernehmlassungsfrist zum neuen Adressdienstgesetz (ADG) lief bis 22. November 2019. Die Botschaft zum Entwurf des ADG soll Anfang 2022 vom Bundesrat verabschiedet werden.

Bericht zum St. Galler Gesetz über E-Government, S. 26.

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Als weiteres Beispiel eines E-Services kann «eUmzugCH» genannt werden, ein Service, der die elektronische Meldung und Abwicklung des Umzugs zum Ziel hat.64 Weitere laufende Projekte betreffen z. B. den Signaturvalidator für Behörden-Dokumente.

Die nachfolgende Abbildung stellt Basisdienste («Basic infrastructure/Service») und E-Services («Solutions/Services) gegenüber:

Quelle: E-Government Schweiz.

Zu einer reibungslosen Zusammenarbeit zwischen Einwohnerinnen und Einwohnern, Unternehmen und Verwaltung gehören insbesondere Basisdienste, die eine effiziente Interaktion zwischen verschiedenen Akteuren ermöglichen. Erfahrungen aus dem Ausland haben gezeigt, dass der Betrieb von Basisdiensten entscheidend für eine erfolgreiche Ausbreitung und gute Etablierung von E-Government ist. Bereits im E-Government-Benchmark-Bericht der EU 201865 wurde deutlich hervorgehoben, 64

65

Bund, Kantone und Gemeinden haben im Rahmen des Projekts «eUmzugCH» eine Lösung erarbeitet, die den Meldeprozess neu gestaltet. Diese soll schweizweit eingeführt werden.

Die Europäische Kommission untersucht in der Studie «E-Government-Benchmark» den Fortschritt in der Digitalisierung der Verwaltung. Über jeweils zwei Jahre lässt sie dafür in acht Ereignissen aus dem privaten und geschäftlichen Umfeld die Erfüllung der Hauptindikatoren «Nutzerfreundlichkeit», «Transparenz», «grenzüberschreitende Mobilität für die Bevölkerung und die Unternehmen» sowie «Basisdienste» überprüfen. Die Studie von 2018 ist abrufbar unter: www.egovernment.ch/de/dokumentation/controll/.

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dass die Schweiz einen Nachholbedarf bei der Bereitstellung von Basisdiensten aufweise. Basisdienste wie die elektronische Identität für eine sichere, staatlich anerkannte Identifikation, der elektronische Empfang und Versand von Dokumenten oder gemeinsame Datenregister für einen automatischen Abgleich bereits vorhandener Daten würden die Nutzung von Online-Diensten der Behörden entscheidend vereinfachen. Im Benchmark-Bericht der EU vom 23. September 202066 wurde der Schweiz zwar eine zwischenzeitliche Verbesserung attestiert, dennoch habe die Schweiz noch bei den Basisdiensten aufzuholen. Der aktuellste Benchmark-Bericht vom 12. November 202167 bescheinigt der Schweiz eine Steigerung der Gesamtleistung, gleichwohl befindet sich die Schweiz auf Rang 32 von 36. Wenn es um den Einsatz von Basisdiensten geht, ist die Mehrheit der europäischen Länder deutlich weiter fortgeschritten als die Schweiz (CH 34 %; EU 65,2 %). Im Bereich der Transparenz von E-Services entwickelt sich die Schweiz kontinuierlich weiter (+3,5 %) und nähert sich dem Benchmark-Durchschnitt (CH 43,8 %; EU 64,3 %). Die Studien der EU zeigen, dass Staaten, die über gut ausgebaute Basisdienste verfügen, im E-Government führend sind. Zudem sind sie grundlegend für eine nutzerfreundliche und effiziente Abwicklung von elektronischen Prozessen.

Mit Blick auf diese Erkenntnisse wird in der Gesetzesvorlage vorgesehen, dass die Bundeskanzlei die benötigten IKT-Mittel für die dem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden verbindlich bezeichnen kann. Für den Vollzug von Bundesrecht durch die Kantone sowie bei der Erfüllung ausschliesslich kantonaler oder kommunaler Aufgaben soll dem Bund zudem ermöglicht werden, IKT-Mittel, die er zur Erfüllung von Bundesaufgaben ohnehin betreibt, auch für die Kantone und Gemeinden zwecks Erfüllung ihrer Aufgaben gegen Entgelt zu betreiben.

Auf die im Vorentwurf enthaltene Ermächtigung des Bundesrats, sowohl die Behörden der Kantone als auch ihre externen Verwaltungsträger zur Verwendung bestimmter IKT-Mittel (elektronischer Behördendienste) zu verpflichten, wurde im Entwurf verzichtet. Stattdessen wird im Rahmen der inzwischen aufgebauten Organisation DVS eine Verbesserung der Zusammenarbeit und eine Harmonisierung von Standards mit einem kooperativen Ansatz angestrebt (vgl. dazu Ziff. 2.1). Dies bringt einerseits
den Vorteil, dass die kooperativ bestimmten Standards bei Kantonen und Gemeinden eine höhere Akzeptanz geniessen dürften, andererseits können die Standards so auch für Bereiche ausserhalb des Vollzugs von Bundesrecht definiert werden und so eine bessere Harmonisierung bewirken.

Da als Adressaten von Verbindlicherklärungen nur noch Verwaltungseinheiten der zentralen und die dem Gesetz unterstellten Einheiten der dezentralen Bundesverwaltung in Frage kommen, ist die Ermächtigung zur Erklärung von verbindlichen IKTMitteln (und auch Standards nach Art. 12 E-EMBAG) im Einklang mit dem aktuellen 66

67

Die Studie umfasst nebst der Schweiz alle 27 EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Norwegen, Serbien, Montenegro, die Türkei, das Vereinigte Königreich, Albanien und Nordmazedonien. Erneut schneiden Malta, Estland, Österreich und Lettland in der Gesamtbewertung der Erhebung am besten ab. Mit einer Gesamtleistung von 54 % (2018: 47 %) befindet sich die Schweiz auf Rang 29 von 36. Die Studie von 2020 ist abrufbar unter: www.egovernment.ch > Aktuelles > E-Government-Benchmark der EU 2020.

Abrufbar unter: www.egovernment.ch > Aktuelles > E-Government-Benchmark der EU 2021.

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Gouvernanzmodell für die IKT-Lenkung in der Bundesverwaltung der Bundeskanzlei zuzuweisen. Die Zuständigkeit innerhalb der Bundeskanzlei wird auf Verordnungsstufe zu bestimmen sein. Die Kompetenz wäre aktuell dem Bereich Digitale Transformation und IKT-Lenkung der Bundeskanzlei (Bereich DTI) zuzuweisen.

4.2.11

Festlegung von Standards

Standards ermöglichen Interoperabilität, erleichtern die Zusammenarbeit, vereinfachen technische Lösungen, reduzieren Kosten und schaffen Transparenz.

Bei der Erarbeitung von E-Government-Leistungen orientiert sich der Bund grundsätzlich an international etablierten offenen Standards. Mit der Erarbeitung von Standards beschäftigt sich unter anderem der gemeinnützige Verein eCH68. Mitglieder von eCH sind Bund, Kantone, Gemeinden, Unternehmen, Hochschulen, Verbände und Privatpersonen. Der Verein eCH entwickelt technische Zusammenarbeits- und Verfahrensstandards, Datenmodelle, Format- und Datendefinitionen sowie Hilfsmittel und Musterlösungen. Die verabschiedeten Standards von eCH haben den Status von Empfehlungen. Der Bund hat eCH-Standards, welche die Bundesverwaltung betreffen, in seinen Standardisierungsprozess übernommen. Zudem haben sich Bund, Kantone und Gemeinden bereits mit der Rahmenvereinbarung zur E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz 2016­2019 verpflichtet, die nationalen Standards des Vereins eCH in der Regel für verbindlich zu erklären. Die aktuelle geltende «Öffentlich-rechtliche Rahmenvereinbarung über die Digitale Verwaltung Schweiz» führt diese Vernetzung mit dem Verein eCH fort, indem die Organisation DVS insbesondere mit der Aufgabe betraut wurde, die Standardisierung und Harmonisierung von technischen und fachlichen Prozessen in Zusammenarbeit mit dem Verein eCH sowie die Interoperabilität und die gemeinsamen Nutzung von technischen Lösungen durch mehrere Verwaltungsstellen zu fördern (Ziff. 4.2 Abs. 1 Bst. c der Rahmenvereinbarung).

Ferner beschäftigen sich auch andere Institutionen wie die EU national wie international mit Standards zum Datenaustausch. So wird die Schengen/Dublin-Zusammenarbeit laufend weiterentwickelt, modernisiert und an neue Gegebenheiten angepasst. Es ist unverzichtbar, dass alle beteiligten Staaten die gleichen Regelungen und Standards mittragen und anwenden. Der Datenaustausch erfolgt über nationale Zentralstellen, die SIRENE-Büros. Diese sorgen rund um die Uhr für eine standardisierte, schnelle und professionelle Fallbearbeitung. Der automatische Informationsaustausch wird mit Hilfe von globalen Standards sichergestellt.

Gemäss der E-Government-Strategie Schweiz setzen Bund, Kantone und Gemeinden auf standardisierte Lösungen und offene
Schnittstellen. Sie ermöglichen so eine nachhaltige, kostensparende Digitalisierung von Verwaltungsleistungen und -prozessen und die durchgängige Übermittlung von Daten zwischen Behörden aller Staatsebenen.

Um diesem Vorhaben zumindest in der zentralen Bundesverwaltung nachzukommen, beinhaltet die Gesetzesvorlage eine Bestimmung, die die Bundeskanzlei ermächtigt, 68

www.ech.ch

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Standards für die dem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden verbindlich zu erklären, wobei sie sich an international etablierten offenen Standards zu orientieren hat.

Verwaltungseinheiten der dezentralen Bundesverwaltung können vom Bundesrat dieser Bestimmung unterstellt werden, soweit andere Bundesgesetze nichts anderes vorsehen (Art. 2 Abs. 2 E-EMBAG).

Wie bei der Nutzung von IKT-Mitteln (damals unter der Terminologie «elektronische Behördendienste») wurde nach der Vernehmlassung auch bei der ursprünglichen Bestimmung zu den Standards (Art. 13 VE-EMBAG) davon abgesehen, an Verbindlicherklärungen von Standards durch den Bund gegenüber den Kantonen sowie ihren externen Trägern von Verwaltungsaufgaben festzuhalten (vgl. dazu Ziff. 2.1).

4.3

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Bei der Beurteilung, ob die Bedeutung der Aufgaben und der Aufwand in einem vertretbaren Verhältnis zueinanderstehen, steht im Vordergrund zunächst die Überlegung, wie sich die digitale Transformation der Bundesverwaltung bei einer Nulloption, also bei der Beibehaltung des Status quo, entwickeln würde. Ganz generell lässt sich dazu festhalten, dass es dem Bund diesfalls in Ermangelung entsprechender Rechtsgrundlagen verwehrt bliebe, die sich zusehends aufdrängenden Entwicklungsschritte im Bereich des E-Government zu verwirklichen. Ebenso wäre die für eine erfolgreiche digitale Transformation der Verwaltungen allseits unbestritten nötige Zusammenarbeit über alle föderalen Ebenen erheblich erschwert. Auch vermöchte die Schweiz ihren Zusagen aus der Tallinn-Erklärung nicht nachzukommen. In Bezug auf die vorgesehene Anschubfinanzierung an Projekte der Agenda DVS müsste mangels sichergestellter Finanzierung damit gerechnet werden, dass die Projekte der Agenda DVS nicht oder nur in reduziertem Umfang (mit unklaren Finanzierungsanteilen seitens des Bundes und der Kantone) umgesetzt werden könnten. Angesichts der überragenden Bedeutung eines ausgereiften Angebots an Basisdiensten und den dazu erforderlichen Infrastrukturen würden dadurch die angepeilten Fortschritte bei der digitalen Transformation insgesamt beträchtlich ins Stocken geraten. Dabei darf nicht vergessen gehen, dass der Ausbau der Basisdienste in Schweiz bereits jetzt schon klar hinter dem europäischen Durchschnitt zurückliegt, insbesondere an der Schnittstelle zu den Bürgerinnen und Bürger.69 Bereits diese soeben genannten Nachteile offenbaren deutlich, dass die Nulloption im Kontext der Digitalisierung von Behördenaufgaben und -diensten keine gangbare Option für den Bund sein kann.

Der Bund verfügt gegenwärtig über keine rechtlichen Grundlagen, die es ihm unter Wahrung des Legalitätsprinzips ermöglichen, sich im Bereich E-Government zum Zweck der Zusammenarbeit an anderen Organisationen oder Unternehmen zu beteiligen. Die beabsichtigte Beteiligung des Bundes an eOperations hat den diesbezüglichen gesetzgeberischen Handlungsbedarf offenbart. Da auch künftige Beteiligungen 69

Vgl. EU eGovernment Benchmark 2020, abrufbar unter: https://digital-strategy.ec.

europa.eu > Library > eGovernment Benchmark 2020: eGovernment that works for the people.

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des Bundes an anderen Organisationen zu Kooperationszwecken im E-GovernmentBereich nicht auszuschliessen sind, soll eine generell-abstrakte Norm für derartige Beteiligungen geschaffen werden. In diesem Kontext soll der Bund auch ermächtigt werden, Verwaltungsaufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten an Organisationen und Unternehmen zu übertragen. Mit einer weiteren Gesetzesbestimmung soll der Bund in die Lage versetzt werden, Vereinbarungen über die Zusammenarbeit im E-Government-Bereich mit den Kantonen, anderen Staaten und Organisationen abzuschliessen und damit im Bedarfsfall auch die Schaffung gemeinsamer Organisationen vorzusehen. Mit dieser weit gefassten Grundlage soll dem Bundesrat bei der Zusammenarbeit mit den Gemeinwesen aller Staatsebenen die Möglichkeit gegeben werden, die für den jeweiligen Zweck günstigste Kooperationsform zu nutzen.

Die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für diese unterschiedlichen Zusammenarbeitsformen im Bereich des E-Government (Vereinbarungen, Beteiligungen, Aufgabenübertragungen) bringt keine wesentlichen Kosten mit sich und schafft für sich allein auch keinen quantifizierbaren Nutzen. Es ist aber davon auszugehen, dass damit erhebliche künftige Einsparungen ermöglicht und notwendige Entwicklungsschübe bei der digitalen Transformation der öffentlichen Verwaltungen initiiert werden. Die Wirksamkeit von Zusammenarbeitsprojekten wird im Einzelfall von den entscheidkompetenten Behörden anhand einer Kosten-Nutzen-Abschätzung zu beurteilen sein.

Eine mögliche ­ hier aber nicht näher geprüfte ­ Alternative zum Abschluss von Vereinbarungen zwischen schweizerischen Gemeinwesen sowie zur Übertragung von Aufgaben und Kompetenzen auf gemeinsame Organe wäre die Möglichkeit, die entsprechenden Aufgaben dem Bund zu übertragen (näher dazu siehe Ziff. 7.1.5).

Mit einer rechtsatzmässigen Regelung zum Einsatz und zur Freigabe von OSS im Bund sollen sodann die rechtlichen Unsicherheiten überwunden werden, die bestehen, soweit der Bund OSS lizenzgebührenfrei weitergibt. Die lizenzgebührenfreie Freigabe von OSS verursacht keine wesentlichen Kosten. Gegebenenfalls ist mit einem geringfügigen Wegfall von Gebühreneinnahmen zu rechnen. Diesen Mindereinnahmen stehen positive Auswirkungen durch die Verbesserung der Zusammenarbeit namentlich mit den Kantonen gegenüber. Zudem
wird der Bund von Weiterentwicklungen durch die OSS-Community profitieren können. Soweit der Bund zusätzlich Support-Leistungen erbringt, hat er dafür im Regelfall ein kostendeckendes Entgelt zu erheben.

Die vorgeschlagene Rechtsgrundlage für OGD verwirklicht die strategische Leitlinie «open data by default», um die anvisierte Open-Data-Kultur in allen Verwaltungseinheiten homogen umsetzen zu können. Damit schafft sie Rechtssicherheit, indem sie der Bundesverwaltung die explizite gesetzliche Grundlage für die Umsetzung des OGD-Prinzips verschafft (Legalitätsprinzip in der Leistungsverwaltung). Die Umsetzung der OGD-Grundsätze soll keine eigenständige Verwaltungsaufgabe sein und so weit möglich mit den bestehenden Ressourcen erfolgen. Ganz ohne Aufwand wird die Umsetzung aber nicht möglich sein. Aufgrund des Ausfalls von Gebühren wird es auch zu Mindereinnahmen für den Bund kommen. Letztere fallen jedoch gemäss der Querschnittsprüfung durch die EFK relativ gering aus und können im Vergleich zum erwarteten volkswirtschaftlichen Mehrwert vernachlässigt werden. Zudem wird der erforderliche Aufwand (Initial- und laufender) durch eine etappenweise Umsetzung 47 / 116

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sowie die Einschränkung auf Daten, die ohne bedeutende zusätzliche Mittel OGDmässig aufbereitet werden können, limitiert und kann so intern besser kompensiert werden.

Die Bereitstellung und Nutzung von IKT-Mitteln von Bundesbehörden sowie die Festlegung von Standards durch den Bund sind weitere Instrumente, die die Digitalisierung der Verwaltung fördern bzw. sogar von fundamentaler Bedeutung für das Gelingen einer funktionstüchtigen «E-Government-Landschaft» in der Schweiz sind.

Die Entwicklung und der Betrieb von IKT-Mitteln, insbesondere von Basisdiensten und E-Services, wird zweifellos Kosten verursachen. Diese können zurzeit nicht abgeschätzt werden, müssten aber jeweils im Einzelfall beziffert werden. Soweit IKT-Mittel für die Kantone betrieben und diesen zur Verfügung gestellt werden, sollen die damit verbundenen Kosten entsprechend des Nutzungsvolumens auf die Kantone überwälzt werden. Der Entwurf sieht auch vor, dass der Bund im Bereich EGovernment Finanzhilfen ausrichten kann, soweit dies dem Vollzug von Bundesrecht dienlich ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass auch ausserhalb der Bundesverwaltung stehende Finanzhilfe-Empfänger Leistungen im Bereich des E-Government erbringen, die den Vollzug von Bundesrecht unterstützen.

Damit die Systeme von verschiedenen Verwaltungseinheiten in einem durchgängigen Prozess miteinander zusammenarbeiten können, braucht es eine hohe Standardisierung. Mit Standards kann die historisch gewachsene Flut proprietärer Schnittstellen der verschiedenen Verwaltungsstellen horizontal als auch vertikal auf eine einheitliche Basis gestellt werden. Ohne Standardisierung vermag ein Produkt oder ein Dienst im modernen Zeitalter seine Funktion nicht oder nicht optimal zu erfüllen, weil in technologisierten Sektoren einheitliche Standards Voraussetzung für eine wirksame und wirtschaftliche Aufgabenerfüllung darstellen. Die verbindliche Festlegung von Standards für die Bundesverwaltung wird keine nennenswerten Kosten verursachen.

Verbindlicherklärungen können zwar im Einzelfall einen Initialaufwand verursachen, durch die verbesserte Interoperabilität sollten diesen Kosten jedoch Einsparungen gegenüberstehen, die diesen Initialaufwand übersteigen.

Das durch das BFS umzusetzende Programm «Nationale Datenbewirtschaftung» (NaDB), inklusive der dazu aufzubauenden
und zu betreibenden Interoperabilitätsplattform I14Y-IOP, führt von 2021 bis 2023 zu einem finanziellen Mehrbedarf für den Personalaufwand und für IKT-Projekt- und Betriebsausgaben von insgesamt 11,3 Millionen Franken bzw. 20 Vollzeitstellen. Der zusätzliche Bedarf an finanziellen Mitteln ab 2023 wird aufgrund der bis dahin gemachten Erfahrungen noch zu beziffern sein.

Die Finanzierung von Pilotversuchen wird in einer Verordnung des Bundesrats zu konkretisieren sein. Dabei sollen die Pilotversuche primär aus den dem Bereich DTI zentral zugeteilten Mitteln nach Artikel 33 der Verordnung vom 25. November 202070 über die Koordination der digitalen Transformation und die IKT-Lenkung in der Bundesverwaltung (VDTI) finanziert werden.

70

SR 172.010.58

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Die Anschubfinanzierung von Projekten zum Ausbau der Basisdienst-Landschaft in der Schweiz ist sodann ein vortreffliches Mittel, um einem Hintertreffen der schweizerischen Verwaltungen im europäischen E-Government-Vergleich entgegenzuwirken. Mit der gemeinsamen Finanzierung der Agenda DVS durch den Bund und die Kantone wird ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen und effizienten digitalen Transformation unternommen. Dadurch wird die Entwicklung dringend erforderlicher Basisdienste und Infrastrukturen vorangetrieben sowie deren Einführung bei den Gemeinwesen vorbereitet. Infrastrukturen und Basisdienste sind grundlegend für eine nutzerfreundliche und effiziente Abwicklung von elektronischen Prozessen. Im Vordergrund steht dabei die Bereitstellung von gemeinsamen Infrastrukturen und Basisdiensten beispielsweise für die Identitäts- und Zugriffsverwaltung, für den elektronischen Empfang und den Versand von Dokumenten oder für die Nutzung und die Verwaltung von Daten. Die Projekte der Agenda DVS verfolgen mithin zentrale Bestrebungen von Bund und Kantonen, denen im Hinblick auf die Verwirklichung einer digitalen Verwaltung eine fundamentale Bedeutung zukommt. Von den Ergebnissen der Projekte werden alle Staatsebenen profitieren, indem sie über ein ausgebautes Angebot an Basisdiensten und bessere Infrastrukturen verfügen werden. Die Verwirklichung dieser Vorteile bedingt indes die Teilnahme aller bzw. einer Grosszahl der Kantone an der Agenda DVS. Verschiedene Basisdienste sind im Sinne der Erklärung von Tallinn bereits etabliert (z. B. sichere Datenübermittlungsplattform Sedex, SignaturValidator), andere befinden sich im Aufbau (z. B. gemeinsame Stammdatenverwaltung, nationale Adressdienste) oder in Vorbereitung (z. B. elektronische Identifizierungsdienste). Durch die Skalierbarkeit von Lösungen kann zudem ein wesentlich höherer Nutzen erzielt werden, als dies der Fall wäre, wenn der Bund und die einzelnen Kantone jeweils eigene Lösungen bei den Basisdiensten verfolgen würden. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht und liegt es im Interesse des Bundes, die Projekte der Agenda DVS mit der Gewährleistung eines Finanzierungsanteils von maximal zwei Dritteln an den Gesamtkosten zu unterstützen. Es versteht sich von selbst, dass die digitale Transformation namhafter finanzieller Mittel auf allen
Staatsebenen bedarf. Der Aufwand für die Umsetzung der Agenda wird für die nächsten Jahre auf 200 bis 300 Millionen Franken geschätzt. Zur Deckung des noch konkret zu eruierenden Finanzbedarfs des Bundes wird der Bundesrat der Bundesversammlung einen Zahlungsrahmen von vier Jahren beantragen. Die Wirksamkeit der einzelnen Projekte der Agenda DVS wird im Einzelfall von den zuständigen Behörden anhand einer Kosten-Nutzen-Abschätzung zu beurteilen sein.

4.4

Umsetzungsfragen

Um dem aktuellen gesetzgeberischen Handlungsbedarf gerecht zu werden, sieht die vorgeschlagene Lösung den Erlass eines eigenständigen «Bundesgesetzes über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben» vor. Der Titel des Erlasses ist offen formuliert, um auch künftigen gesetzgeberischen Anliegen im weiten und laufend wachsenden Einsatzbereich der elektronischen Mittel namentlich auf dem Gebiet des E-Government bzw. der digitalen Verwaltung ein spezifisches und kohärentes Erlasswerk zur Verfügung zu stellen. Das vorgeschlagene Bundesgesetz

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bereichert dabei die bestehenden Bestimmungen zur analogen Verwaltungsführung nach Massgabe des RVOG mit zusätzlichen digitalen Handlungsformen.

Im Rahmen der Vorarbeiten wurde geprüft, ob die neuen Regelungen zu Zusammenarbeitsformen im Bereich digitalisierter Behördenleistungen statt in einem eigenständigen Gesetz in einen bestehenden Erlass (u. a. das RVOG) oder im Sinne eines Mantelerlasses in verschiedene Bundesgesetze eingefügt werden könnten. Ein solches Vorgehen wurde schliesslich aber verworfen, einerseits, weil die in Frage kommenden Erlasse einen anderen Geltungsbereich haben, und andererseits, weil die neuen Bestimmungen zur digitalen Modernisierung der Verwaltung nicht auf die ganze Rechtsordnung verstreut werden sollen. Ein eigenständiges Bundesgesetz bietet für künftige Rechtsergänzungen im Bereich des Einsatzes elektronischer Mittel zwecks Erfüllung von Behördenaufgaben, die fraglos noch kommen werden, ein spezifisches Erlassgefäss, in dem die Einheit der Materie gewahrt bleibt.

Hinsichtlich des Geltungsbereichs des E-EMBAG gilt es festzuhalten, dass sich dieser auf die zentrale Bundesverwaltung erstreckt. Eine Erweiterung des Geltungsbereichs kommt in Frage, wenn der Bundesrat Verwaltungseinheiten der dezentralen Bundesverwaltung diesem Gesetz oder Teilen davon unterstellt (Art. 2 Abs. 2 EEMBAG). Eine Unterstellung durch den Bundesrat ist aber nur möglich, soweit andere Bundesgesetze nichts anderes vorsehen. Die Parlamentsdienste, die eidgenössischen Gerichte und die Bundesanwaltschaft sodann sollen sich diesem Gesetz oder Teilen davon durch Vereinbarung mit dem Bundesrat unterstellen können (Art. 2 Abs. 3 E-EMBAG).

Eine Präzisierung der im E-EMBAG enthaltenen Gesetzesbestimmungen auf Stufe Verordnung ist einerseits bei der Regelung zur Interoperabilitätsplattform (Art. 14 E-EMBAG) und andererseits bei der Durchführung von Pilotversuchen (Art. 15 E-EMBAG) erforderlich. Die Einzelheiten dazu wird der Bundesrat zu regeln haben. Die Detailregelung zum Betrieb der Interoperabilitätsplattform wird der Bundesrat in der zu revidierenden Statistikerhebungsverordnung vom 30. Juni 199371 vornehmen. Diese Verordnung soll in der Tat künftig aufgrund der neuen Aufgaben des BFS nicht mehr nur den strikten Bereich der Datenbearbeitung zu statistischen Zwecken regeln, sondern darüber hinaus
auch das neue Rollenmodell aus dem NaDB zur Harmonisierung und Standardisierung sämtlicher Daten des Bundes näher umschreiben. Diese Harmonisierung und Standardisierung ist eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der Mehrfachnutzung und des Prinzips «once only», sowohl im Rahmen des Bereichs der öffentlichen Statistik wie auch in allen anderen Bereichen der Bundesverwaltung.

Im Weiteren wird der Bundesrat für den Abschluss von Vereinbarungen im Bereich des E-Government (vgl. Art. 4 Abs. 4 E-EMBAG) sowie zum Beschluss von Beteiligungen des Bundes an Organisationen (vgl. Art. 5 Abs. 2 E-EMBAG) als zuständig erklärt. Bei den Übertragungen von Aufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeit kann der Bundesrat als Aufgabenträger eine Organisation bezeichnen, die durch Vereinbarung nach Artikel 4 E-EMBAG geschaffen wurde oder an der sich der Bund nach Artikel 5 E-EMBAG beteiligt. Die Aufgabenübertragung selbst kann mit

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SR 431.012.1

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einer bundesrätlichen Verordnung oder mittels Vereinbarung zwischen dem Bundesrat und dem Aufgabenträger erfolgen (vgl. Art. 8 Abs. 1 E-EMBAG).

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Die Regelungsinhalte des Entwurfs zum neuen Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (E-EMBAG) sind unter den vorstehenden Ziffern 4.1 bis 4.4 beschrieben und begründet. Der folgende Kommentar zu den einzelnen Artikeln ist deshalb knappgehalten.

Artikel 1

Zweck

Artikel 1 beschreibt den Zweck des Gesetzes, ohne konkrete Rechte oder Pflichten festzuhalten. Dieser Artikel ist programmatischer und nicht normativer Natur.

Das E-EMBAG setzt sich dem Gesetzestitel entsprechend zum Hauptziel, für den Bund hinreichende Rechtsgrundlagen für die Verwendung elektronischer Mittel zur Erfüllung seiner Aufgaben zu schaffen. Im Vordergrund steht die Regelung verbindlicherer Zusammenarbeitsformen des Bundes mit anderen Gemeinwesen, anderen Staaten und nationalen wie auch internationalen Organisationen (Bst. a). Namentlich die künftigen E-Government-spezifischen Vereinbarungen des Bundes mit den Kantonen werden so auf eine stabile rechtliche Basis gestellt. Neben der Kooperationsmöglichkeit über Vereinbarungen (Art. 4 E-EMBAG) stehen hierbei ferner die Option der Beteiligung des Bundes an Organisationen (Art. 5 E-EMBAG) wie auch die Übertragung von Aufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeit beim Einsatz elektronischer Mittel an Organisationen (Art. 8 E-EMBAG) im Fokus. In diesem Zusammenhang ist die in Artikel 3 Absatz 2 E-EMBAG statuierte Verpflichtung des Bundes zur Abstimmung seiner Tätigkeiten im Bereich des E-Government mit jenen der Kantone hervorzuheben, die koordinierte Zusammenarbeitsformen zwischen dem Bund und den Kantonen vorantreiben soll. Als Ausfluss dieser Kooperationsformen sollen die an der Zusammenarbeit beteiligten Partner von effizienten elektronischen Dienstleistungen (z. B. staatsebenenübergreifenden Beschaffungen entsprechender Dienste über Beschaffungskooperationen) profitieren können, die die elektronische Abwicklung bestehender Verwaltungsprozesse durch IKT vereinfachen sollen.

Als zweite Stossrichtung bezweckt das E-EMBAG die Schaffung eines vorteilhaften (Rechts-)Umfelds für den Ausbau und die Weiterentwicklung des Einsatzes von elektronischen Mitteln zur Unterstützung der Erfüllung von Behördenaufgaben. Der technische Fortschritt ermöglicht neue Kommunikations- und Interaktionswege, sodass in immer mehr Bereichen eine durchgängige elektronische Zusammenarbeit unter öffentlichen Organen sowie zwischen diesen und Dritten mit rechtsverbindlicher Wirkung ermöglicht wird. Der Hauptvorteil von E-Government für Bevölkerung und Unternehmen liegt darin, dass sämtliche Interaktionen mit öffentlichen Verwaltungen und Organisationen vereinfacht,
beschleunigt und transparenter ausgestaltet werden.

Mit dem Gesetzesvorhaben sollen die Grundlagen geschaffen werden, damit die elektronische Bereitstellung von Behördenleistungen vereinfacht, verbessert, ausgebaut und weiterentwickelt wird. Die elektronischen Behördenleistungen sollen durchgän-

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giger, schneller und günstiger angeboten werden. Ziel ist die administrative Entlastung der Behörden aller Staatsebenen und die Effizienzsteigerung von Prozessen.

Hierzu muss die Kooperation zwischen allen Staatsebenen unter Einbezug der Wirtschaft und weiteren Betroffenen durchgängig funktionieren.

Der angestrebte Zuwachs an E-Government-Dienstleistungen steht im Kontext mit dem (Programm-)Artikel 3 E-EMBAG, mit dem den diesem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden aufgetragen wird, die elektronischen Mittel zur Abwicklung ihrer Geschäftsprozesse zu nutzen. Die elektronischen Dienstleistungen, von denen die Wirtschaft und die Bevölkerung Nutzen ziehen sollen können, setzen sich aus dem Einsatz bzw. Betrieb von OSS, OGD, IKT-Mitteln, Schnittstellen und einer Interoperabilitätsplattform zusammen.

Artikel 2

Geltungsbereich

Absätze 1 und 2 Die Bestimmungen des E-EMBAG gelten für die zentrale Bundesverwaltung.

Für Verwaltungseinheiten der dezentralen Bundesverwaltung gilt das Gesetz nur, wenn der Bundesrat sie dem Gesetz oder Teilen davon unterstellt. Die Befugnis zur Unterstellung von Verwaltungseinheiten wird dem Bundesrat mit Absatz 2 zugewiesen. Sollte der Bundesrat eine Unterstellung einzelner dezentraler Verwaltungseinheiten für zweckmässig erachten, würde er dies in einer Verordnung regeln. Eine Unterstellung findet aber dort ihre Grenzen, wo Bestimmungen in anderen Bundesgesetzen (z. B. in bundesgesetzlichen Organisationserlassen) einer Unterstellung entgegenstehen. Die Zugehörigkeit zur zentralen und dezentralen Bundesverwaltung wird in den Artikeln 7 und 8 der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 199872 geregelt.

Aus Organisationserlassen von dezentralen Verwaltungseinheiten kann sich insbesondere ergeben, dass aufgrund der Autonomie der Verwaltungseinheiten das EMBAG oder einzelne Bestimmungen davon nicht zur Anwendung gelangen. Ob dies der Fall ist, wird nicht in allen Fällen einfach zu klären sein. Dies wird im Einzelfall auf dem Wege der Auslegung zu beantworten sein.

Wegen der Vielfalt der verschiedenen Autonomiebereiche ist es des Weiteren nicht sinnvoll, auch die mit öffentlichen Aufgaben betrauten Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung (im Sinne von Art. 2 Abs. 4 RVOG) vom Geltungsbereich des Gesetzes zu erfassen. Bei diesen Organisationen sind allenfalls erforderliche Bestimmungen zum Einsatz elektronischer Mittel im Zusammenhang mit dem Angebot elektronischer Behördenleistungen spezialgesetzlich vorzusehen.

Aufgrund des Verzichts auf die im Vorentwurf vorgesehenen Ermächtigungen des Bundesrats, Verbindlicherklärungen von elektronischen Behördendiensten (im Entwurf neu «IKT-Mittel») und Standards gegenüber Kantonen und externen Verwaltungsträgern, die mit dem Vollzug von Bundesrecht betraut sind, zu erlassen, fallen die Verwaltungen der Kantone und die vom Bund oder von den Kantonen mit Ver-

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waltungsaufgaben des Vollzugs von Bundesrecht betrauten Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts nicht mehr unter den Geltungsbereich des Gesetzesentwurfs. Die Kantone und die externen Verwaltungsträger sind aber in einzelnen Bestimmungen als Subventionsempfänger (Finanzhilfen sowie Anschubfinanzierung für Projekte der Agenda DVS) und als Kooperationspartner im Rahmen von Vereinbarungen (Art. 4 E-EMBAG) vorgesehen. Ferner können ihnen vom Bund IKT-Mittel entgeltlich zur Verfügung gestellt werden (Art. 11 Abs. 3 und 4 E-EMBAG).

In Bezug auf die Umsetzung des OGD-Prinzips wird der ODG-Strategie gefolgt, die die OGD-Prinzipien lediglich für die zentrale Bundesverwaltung für verbindlich erklärt und insbesondere keine Erweiterung des Geltungsbereichs durch gesetzlichen Zwang auf staatsnahe Betriebe oder Private anstrebt. Eine Umsetzung der Strategie in der dezentralen Bundesverwaltung sowie in staatsnahen Unternehmen wird aber langfristig durchaus angestrebt. Die dezentralen Verwaltungseinheiten haben immerhin die Option, dem Bundesrat eine Unterstellung unter die OGD-Bestimmung zu beantragen und sich damit schon jetzt gestützt auf Artikel 2 Absatz 2 E-EMBAG freiwillig zu unterstellen.

Absatz 3 Dem Gesetz nicht unterstellt werden die Bundesversammlung, die eidgenössischen Gerichte sowie die Bundesanwaltschaft, um deren Verwaltungsautonomie Rechnung zu tragen. Zu erwähnen ist hier insbesondere das in Entstehung begriffene Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ)73, das als Spezialerlass im Justizbereich den allgemeinen Regelungen des EMBAG vorgehen wird (vgl. Art. 2 Abs. 4 E-EMBAG). Das BEKJ sieht eine von den Kantonen und vom Bund getragene Plattform für den elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehr vor («E-Justice»). Das damit verbundene Projekt «Justitia 4.0» der Schweizer Gerichte bezweckt die Digitalisierung der zentralen Geschäftsprozesse der Justiz.

Der gesetzgebenden (vertreten durch die Parlamentsdienste) und den rechtsprechenden Instanzen des Bundes sowie der Bundesanwaltschaft wird mit Absatz 3 aber auf freiwilliger Basis ermöglicht, sich durch Vereinbarung mit dem Bundesrat dem Gesetz oder ausgewählten Bestimmungen des Gesetzes zu unterstellen. Eine Teilunterstellung könnte für diese Normadressaten namentlich
hinsichtlich der Bestimmungen zur Bereitstellung und Nutzung von IKT-Mitteln von Bundesbehörden (Art. 11 E-EMBAG), zur Verbindlicherklärung von Standards (Art. 12 E-EMBAG) oder zu den Pilotversuchen (Art. 15 E-EMBAG) von Interesse sein.

Der Bundesrat entscheidet nach pflichtgemässem Ermessen, ihm unterbreiteten (Teil-)Unterstellungsangeboten im Einzelfall zuzustimmen und mittels Vereinbarung die Unterstellung zu verankern oder sie abzulehnen (z.B., weil ein konkretes Angebot zur Teilunterstellung keinen Mehrwert generiert). Soweit sich Unterstellungen auf Beschaffungsfragen auswirken, sollten vor dem Abschluss einer Unterstellungsvereinbarung die Beschaffungsstellen des Bundes angehört und über die betreffenden Abschlüsse rechtzeitig informiert werden.

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Absatz 4 Im Sinne einer Kollisionsregel hält dieser Absatz fest, dass Normen in anderen Bundeserlassen, die dem EMBAG widersprechen, diesem vorgehen. So sind hier insbesondere die Bestimmungen des neuen Datenschutzgesetzes vom 25. September 202074 (DSG) zu erwähnen, die auch im Anwendungsbereich des EMBAG massgebend sind.

Artikel 3

Grundsätze

Absatz 1 Mit dem erstgenannten Grundsatz werden die diesem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden ausdrücklich angehalten, soweit sinnvoll elektronische Mittel für ihre Interaktionen zu nutzen. Dadurch ergeben sich Chancen für die Beschleunigung und Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit sowie für die Erhöhung der Partizipation.

Hierbei hat der Bund jedoch sicherzustellen, dass ein einfacher und sicherer Zugang zu den elektronischen Behördenleistungen des Bundes gewährleistet ist. Insgesamt wird damit das vom Bundesrat verabschiedete Leitbild «digital first» in der Bundesgesetzgebung verankert75.

Mit «digital first» wird dem Bund vorgegeben, zukünftig bei der Bereitstellung von Informationen und Diensten den digitalen Kanal zu priorisieren. Um den Wandel hin zur digitalen Verwaltung zu erreichen, hat der Bund den elektronischen Kanal zukünftig so attraktiv zu gestalten, dass dieser für die Bevölkerung und die Wirtschaft zur ersten Wahl wird: Der Bund bietet seine Informationen und Dienste soweit sinnvoll grundsätzlich elektronisch an, wo immer möglich adaptiert für mobile Geräte. Er verbessert den Zugang zu seinem elektronischen Leistungsangebot, stellt dessen Barrierefreiheit sicher und setzt auf durchgängig elektronische Prozesse. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird dabei gewahrt.

Absatz 2 Aus der Optik der Bundesverfassung kann E-Government nicht zu jenen Staatsaufgaben gezählt werden, die nach Massgabe der verfassungsrechtlichen Zuteilungskriterien der einen oder anderen Staatsebene oder der einen oder anderen Staatsgewalt zur Erfüllung zugewiesen sind. Bereits aufgrund dessen wird offensichtlich, dass ein gemeinwesenübergreifendes E-Government in vielen Fällen ein gemeinschaftliches Zusammenwirken erfordert. Mit den heutigen elektronischen Möglichkeiten besteht ein viel stärkeres Bedürfnis nach Standardisierung und Zentralisierung von Daten, Prozessen usw., als es früher für ein gutes Zusammenwirken verschiedener Akteure nötig war.

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SR 235.1 Das Leitbild «digital first» wurde vom Bundesrat im Rahmen der Gutheissung der Eckwerte für die E-Government-Strategie Schweiz ab 2020­2023 am 14. November 2018 angenommen. Abrufbar unter: www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/ 59197.pdf.

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Damit die Bevölkerung, die Wirtschaft und die öffentliche Hand von den aktuellen Vorzügen des E-Government sowie noch kommenden Entwicklungen in diesem Bereich bestmöglich profitieren können, ist eine enge und auf einander abgestimmte Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Kantonen unerlässlich. Um die Ausbreitung von E-Government zu unterstützen, muss der Bund die diesbezüglichen Bedürfnisse der Kantone hinreichend berücksichtigen, ihre Autonomie wahren, sie unterstützen und seine Strategien, wo nötig, mit denjenigen der Kantone koordinieren.

Gerade in Bereichen, in denen die Kantone Bundesrecht umsetzen und dabei elektronische Mittel einsetzen, hat der Bund den kantonalen Besonderheiten Rechnung zu tragen und den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit zu belassen (Art. 46 Abs. 3 BV).

Die Aufgaben auf dem Gebiet des E-Government erfordern immer stärker gemeinsame Lösungsansätze. Mit dem vorgeschlagenen Absatz 2 werden die Bundesbehörden bei der Realisierung von E-Government-Vorhaben, die die Kantone tangieren, zur Koordination mit den Behörden der Kantone verpflichtet. Es handelt sich hierbei um eine Konkretisierung der in Artikel 44 Absatz 1 und 2 BV verankerten Pflicht von Bund und Kantonen zum Zusammenwirken, zur gegenseitigen Unterstützung und zur Rücksichtnahme. Eine entsprechende Pflicht der kantonalen Behörden wäre ­ soweit sie sich nicht bereits aus Artikel 44 BV ergibt ­ im kantonalen Recht vorzusehen. Die verfassungsmässige Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen darf aber trotz gegenseitiger Verpflichtungen nicht unterlaufen werden.

Aus der Koordinationsverpflichtung nach Artikel 3 Absatz 2 können keine gegenseitigen finanziellen Unterstützungsleistungen abgeleitet werden.

Absätze 3­5 Mit einem weiteren Grundsatz werden die Bundesbehörden verpflichtet, beim Einsatz elektronischer Mittel das Prinzip der Nachhaltigkeit zu wahren. Dabei sind soziale, ökologische und ökonomische Belange immer wieder neu gegeneinander abzuwägen und in ein vernünftiges Verhältnis zu bringen. Ökologisch nachhaltiges Handeln bezieht sich vor allem auf die Schonung und durchdachte Nutzung der Ressourcen. Bei der ökonomischen Nachhaltigkeit geht es generell darum, dass die Gesellschaft nicht nur hinsichtlich der Ressourcennutzung, sondern auch wirtschaftlich nicht über ihre Verhältnisse leben
soll. Beim sozialen Aspekt der Nachhaltigkeit ist das Kernthema die Verantwortung gegenüber Mitmenschen. Eine nachhaltige Gesellschaft ist dann gegeben, wenn es möglichst wenig soziale Spannungen und Konflikte gibt.

Die Priorisierung der digitalen Interaktion gegenüber analogen Angeboten birgt gerade beim sozialen Aspekt der Nachhaltigkeit Gefahren in sich, namentlich die Gefahr, dass Teilen der Bevölkerung die Nutzung elektronischer Behördenleistungen verwehrt bleibt (z. B. wegen sprachlichen Hürden oder anderen Barrieren) oder dass die bei der Nutzung digitaler Angebote zirkulierenden Daten ungenügend vor dem Zugriff unberechtigter Dritter gesichert sind.

Um derartigen Gefahren vorzubeugen, werden die dem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden ausdrücklich verpflichtet, bei der Digitalisierung von Behördenleistungen die Bedürfnisse der Bevölkerung immer im Fokus zu behalten. So haben sie namentlich die Barrierefreiheit und einen nichtdiskriminierenden Zugang zu ihrem Leistungsangebot sicherzustellen. Ebenso ist vorderhand zu anerkennen, dass nicht 55 / 116

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die gesamte Bevölkerung über elektronische Kanäle zu erreichen ist und dass es teils Vorbehalte gegenüber dem Einsatz elektronischer Mittel für wichtige Dinge wie Behördenkontakte gibt. Um eine rechtsungleiche oder gar diskriminierende Behandlung bestimmter Bevölkerungsgruppen zu vermeiden, ist es somit trotz der Priorisierung elektronischer Kanäle je nach Konstellation erforderlich, weiterhin auch analoge Kanäle offen zu halten. Aktuell kann als Faustregel dienen, dass im Kontakt mit Unternehmen die Nutzung elektronischer Kanäle obligatorisch vorgesehen werden kann, nicht aber für Behördenkontakte der Bevölkerung im Allgemeinen.

Weiter haben die Behörden insbesondere die Risiken für den Datenschutz und die Informationssicherheit, für die Sicherheit (z. B. Cyberattacken) sowie die Verfügbarkeit von Daten und Diensten zu berücksichtigen, woraus sich ­ bei festgestelltem Handlungsbedarf ­ auch die Handlungspflicht ergibt, die Risiken so weit wie möglich und angemessen zu reduzieren. Die Massnahmen zur Gewährleistung der Informationssicherheit richten sich nach dem neuen Informationssicherheitsgesetz vom 20. Dezember 202076. Sie haben zu gewährleisten, dass die Informationssicherheit und der Schutz der Privatsphäre bei der Konzeption von Behördendiensten sowie der IKT der öffentlichen Verwaltung berücksichtigt werden, indem ein risikobasierter Ansatz verfolgt wird und Lösungen auf dem neuesten Stand der Technik eingesetzt werden. Bei entsprechenden Projekten ist vom verantwortlichen Organ vorgängig eine Risikofolgenabschätzung nach Artikel 22 f. DSG vorzunehmen, aus der unter anderem hervorgeht, wer die datenschutzrechtlichen Restrisiken trägt. Falls die Risiken als zu hoch eingeschätzt werden, muss vom Vorhaben abgesehen werden.

Weiterhin ist zu beachten, dass die Bestimmungen des DSG für die Bekanntgabe von Personendaten eine gesetzliche Grundlage im Sinne von Artikel 36 Absatz 1 DSG voraussetzen.

Artikel 4

Abschluss von Vereinbarungen

Absatz 1 Absatz 1 verschafft dem Bund die Rechtsgrundlage für den Abschluss von Vereinbarungen, die die technische und organisatorische Umsetzung einer Zusammenarbeit im Bereich des E-Government zum Gegenstand haben. Die Einschränkung auf die «technische und organisatorische Umsetzung» bringt dabei zum Ausdruck, dass mit der vorliegenden, sehr allgemeinen Bestimmung nicht die Grundlage für eine inhaltliche Regelung der Zusammenarbeit an sich gelegt werden kann, sondern nur für die Umsetzung einer Zusammenarbeit, die anderswo ihre rechtlichen Grundlagen findet (z. B.

für gemeinsame Beschaffungen im BöB und im kantonalen Beschaffungsrecht). So ginge insbesondere eine Vereinbarung, die die beteiligten Gemeinwesen verbindlich zur Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen, etwa bei der gemeinsamen Beschaffung bestimmter Güter, verpflichtet, über diesen Rahmen hinaus. Dafür wären spezifischere Gesetzesgrundlagen erforderlich. Hingegen könnte gestützt auf die vorliegende Bestimmung eine Vereinbarung darüber geschlossen werden, wie gemeinsame Beschaffungen auf technischer und organisatorischer Ebene abzuwickeln sind. Dabei

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können die Vereinbarungen vom geltenden (z. B. Beschaffungs-)Recht nicht abweichen. Aus den spezifischeren Gesetzesgrundlagen ergibt sich in der Regel die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit mit allen weiteren Pflichten nach dem DSG.

Entsprechende Vereinbarungen sind gestützt auf diese Bestimmung zudem nur zulässig, wenn der Bund beim jeweiligen Vorhaben in Erfüllung seiner materiell-rechtlichen Aufgaben und in Umsetzung der Grundsätze gemäss Artikel 3 E-EMBAG handelt. Eine Zusammenarbeitsvereinbarung setzt mithin voraus, dass es sich um eine in einem Sachgesetz kompetenzkonform umschriebene öffentliche Bundesaufgabe handelt und in Bezug auf diese Aufgabe die Geschäftsprozesse elektronisch abgewickelt werden sollen. Das Spektrum an Zusammenarbeitspartnern erstreckt sich dabei auf alle inländischen Gemeinwesen und von diesen gemeinsam geschaffene Organisationen (vgl. dazu aber Abs. 4, der auch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge regelt).

Die in Absatz 1 Buchstaben a und b aufgeführten Bereiche der Zusammenarbeit dienen als Beispiele, in denen föderale Kooperationen vordringlich anzustreben sind. Die Aufzählung ist nicht abschliessend.

Absatz 2 Die Vereinbarungen haben die wesentlichen Punkte der Zusammenarbeit und die rechtlichen Belange zu regeln. So gibt Absatz 2 in Bezug auf den Inhalt der Vereinbarung vor, welche Regelungsinhalte eine Vereinbarung vorzusehen hat, sofern sie im konkreten Anwendungsfall auch erforderlich sind. Es sind dies die Zuständigkeiten, die Organisation, die Finanzierung und das auf Nebenfragen zur Umsetzung der Zusammenarbeit anwendbare Recht, insbesondere in den Bereichen des Datenschutzes (vgl. dazu Erläuterungen zu Abs. 5) und der Informationssicherheit, der Öffentlichkeit der Verwaltung, des Personalrechts und der Archivierung. Zu regeln sind gegebenenfalls auch Fragen der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit und der Aufsichtszuständigkeit.

Da Zusammenarbeitsvereinbarungen auf die technische und organisatorische Umsetzung der Zusammenarbeit beschränkt sind, handelt es sich bei der Regelung zum anwendbaren Recht stets um Nebenfragen zur Umsetzung der Zusammenarbeit. Eine Regelung zum anwendbaren Recht der Öffentlichkeit der Verwaltung betrifft demzufolge nur die Umsetzung der Vereinbarung. Die Tätigkeit der Bundesbehörde zum Abschluss der Vereinbarung
untersteht dagegen stets dem BGÖ.

Absatz 3 Während die Absätze 1 und 2 eine Zusammenarbeit des Bundes mit Dritten ermöglichen, ohne dass dazu eigens eine rechtsfähige Organisation oder Einrichtung zu schaffen ist (gegebenenfalls führt eine solche Zusammenarbeit zu einer einfachen Gesellschaft im Sinne von Artikel 530 ff. des Obligationenrechts77, mithin zu einem relativ losen Verbund von Partnern gleicher Interessen ohne Rechtspersönlichkeit), wird mit Absatz 3 klargestellt, dass eine Vereinbarung auch die Schaffung einer gemeinsamen z. B. vom Bund und den Kantonen getragenen und mit Rechtspersönlichkeit ausge-

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statteten Organisation beinhalten kann. Wird von Bund und Kantonen ein gemeinsamer Aufgabenträger geschaffen, ist dieser entweder dem Recht des Bundes oder eines beteiligten Kantons zu unterstellen.

Absatz 4 Der Bundesrat ist für den Abschluss von Vereinbarungen mit den Kantonen und nationalen Organisationen zuständig. Als Beispiel genannt sei die öffentlich-rechtliche Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz 2020.

Der Abschluss von Vereinbarungen durch Exekutivbehörden führt naturgemäss dazu, dass dadurch Kompetenzen von der Legislative zur Exekutive verschoben werden. Es ist bei den Vereinbarungen besonders darauf zu achten, dass die in der Bundesverfassung verankerten Kompetenzen von Bund und Kantonen nicht untergraben und die demokratischen Mitbestimmungsrechte so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.

Bei Vereinbarungen des Bundes mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen über die Zusammenarbeit im Bereich E-Government handelt es sich um völkerrechtliche Verträge. Gemäss Artikel 54 BV besitzt der Bund eine umfassende Staatsvertragskompetenz, die auch die innerstaatlich in den Kompetenzbereich der Kantone fallenden Sachgebiete umfasst. Den Kantonen steht allerdings ein Mitspracherecht an aussenpolitischen Entscheiden zu, sofern ihr Zuständigkeitsbereich oder ihre wesentlichen Interessen davon betroffen sind (Art. 55 BV).

Gemäss Artikel 184 Absatz 1 und 2 BV ist die Vertretung im völkerrechtlichen Verkehr Sache des Bundesrats, wobei er die Mitwirkungsrechte der Bundesversammlung zu wahren hat (Art. 184 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Satz sowie Art. 166 Abs. 1 BV).

Die Unterzeichnung erfolgt demnach grundsätzlich unter Vorbehalt der Genehmigung durch die Bundesversammlung und der nachfolgenden Ratifikation.

Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht besteht gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV sowie Artikel 7a Absatz 1 RVOG nur aufgrund eines Gesetzes oder völkerrechtlichen Vertrags.78 Ebenfalls selbstständig abschliessen kann der Bundesrat völkerrechtliche Verträge von beschränkter Tragweite. Was als völkerrechtlicher Vertrag von beschränkter Tragweite gilt oder nicht, ist in Artikel 7a Absatz 3 und 4 RVOG geregelt.

Die in Artikel 4 Absatz 4 E-EMBAG statuierte Vertragsabschlusskompetenz des Bundesrats ist sachlich begrenzt auf den Bereich des E-Government. Mit
dieser Gesetzesbestimmung wird der Bundesrat ausdrücklich ermächtigt, auf diesem Sachgebiet selbstständig Verträge mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen abzuschliessen, ohne dass sie unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Bundesversammlung stünden. Gemäss Artikel 48a Absatz 1 zweiter Satz RVOG kann der Bundesrat die Zuständigkeit zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge von beschränkter Tragweite auch an ein Bundesamt delegieren.

Besonders zu beachten ist, dass die Abschlusskompetenz des Bundesrats nach der vorliegenden Bestimmung nur so weit geht, wie in der betreffenden Vereinbarung ausschliesslich die Modalitäten der elektronischen Unterstützung der Erfüllung der 78

Vgl. auch Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG), SR 171.10.

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anderswo im Bundesrecht kompetenzgemäss geregelten Staatsaufgaben geregelt werden, insbesondere die Harmonisierung oder Vergemeinschaftung von Entwicklung, Beschaffung, Betrieb oder Wartung von IKT-Mitteln. Gestützt auf diese Bestimmung können hingegen keine verbindlichen Verpflichtungen zur Zusammenarbeit und keine Regeln über die Staatsaufgaben an sich geschaffen werden oder gar über die Rechte und Pflichten Privater.

Ausgeschlossen bleibt ferner, dass der Bundesrat gestützt auf Absatz 3 selbstständig mit dem Ausland die Gründung internationaler Organisationen oder den Beitritt zu solchen vereinbart (vgl. Art. 7a Abs. 4 i. V. m. Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 2 BV). Aus diesem Grund ist die Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge auf die Gegenstände nach den Absätzen 1 und 2 beschränkt.

Für weiterführende Informationen zur Kompetenz des Bundesrats, Vereinbarungen im Bereich E-Government abzuschliessen, wird auf die rechtlichen Aspekte unter Ziffer 7.1.1 verwiesen.

Absatz 5 Vereinbarungen nach Artikel 4 E-EMBAG sind nur zulässig, soweit die zu deren Umsetzung erforderlichen Rechtsgrundlagen bereits anderweitig vorhanden sind. So soll sich beispielsweise die Bearbeitung von Personendaten nach den geltenden Datenschutzbestimmungen richten und nicht in abweichender Weise im Rahmen einer Vereinbarung geregelt werden. Die an der Vereinbarung beteiligten Parteien sollen sich auf das anwendbare Recht, im hier beispielhaft genannten Zusammenhang auf das zur Anwendung gelangende Datenschutzrecht, im Rahmen der Vereinbarung einigen.

Artikel 5

Beteiligungen des Bundes an Organisationen

Absatz 1 Dieser Artikel bietet dem Bund die Rechtsgrundlage für Beteiligungsvorhaben im Geltungsbereich von Artikel 4 Absatz 1. Eine solche Beteiligung muss stets der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben der Bundesbehörden dienen.

Der Bund kann bei Beteiligungen je nachdem nur darüber entscheiden, ob er sich an einer (in der Regel bereits bestehenden) Organisation beteiligen will, ohne dabei die Rechtsverhältnisse bezüglich Organisation, Finanzierung oder des anwendbaren Rechts gestalten zu können. Zu denken ist beispielsweise an den Erwerb von Aktien einer im Anwendungsbereich des Gesetzes tätigen Gesellschaft.

Die Tätigkeit der Bundesbehörde zum Beschluss einer Beteiligung untersteht dem BGÖ.

Für weiterführende Informationen wird auf Ziffer 4.2.2 verwiesen.

Absatz 2 Zuständig für den Beschluss einer Beteiligung ist der Bundesrat.

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Artikel 6

Kostentragung bei Vereinbarungen und Organisationen

Die Regelung zur anteilmässigen Kostenverteilung unter den an einer Vereinbarung gemäss Artikel 4 oder an einer Organisation gemäss Artikel 5 partizipierenden Parteien stützt sich auf das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz gemäss Artikel 43a Absatz 2 und 3 BV. Gemäss diesem Prinzip muss sich im Rahmen einer staatlichen Aufgabe der Kreis der Nutzniesser mit demjenigen der Kostenträger und der Entscheidungsträger decken. Dementsprechend haben die an einer Zusammenarbeitsvereinbarung oder an einer Organisation beteiligten Vertragsparteien nach Mass der Nutzung der jeweiligen Leistungen die anfallenden Kosten zu tragen.

Der Bund kann nur Vereinbarungen abschliessen und sich an Organisationen beteiligen, wenn beim jeweiligen Vorhaben die anteilmässige Kostentragung nach Massgabe der Nutzung vorgesehen ist.

Diese Bestimmung dient auch als bundesrechtliche Finanzierungsgrundlage für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen an Organisationen und für eine allfällige Ausstattung der Organisationen mit den erforderlichen Mitteln. Die anteilmässige Kostentragung stellt gleichzeitig klar, dass nebst der Beteiligung an einer Organisation und einer allfälligen Kapitalausstattung weitere Subventionen von Seiten des Bundes nur im Rahmen von Artikel 7 möglich sind.

Artikel 7

Finanzhilfen

Absatz 1 Massnahmen im Bereich E-Government, die von einem Gemeinwesen oder einer Organisation für einen bestimmten Zweck umgesetzt werden, können in vielen Fällen Ergebnisse bringen, die mit verhältnismässig geringem Aufwand so angepasst werden, dass sie auch von anderen Gemeinwesen, namentlich vom Bund, genutzt werden können. Solche Projekte Dritter können im Interesse des Bundes liegen, zum Beispiel, wenn sie die Verbesserung der Interoperabilität zum Gegenstand haben. Artikel 7 E-EMBAG gibt dem Bund eine Grundlage, um solche Massnahmen zu finanzieren. Hierzu kann der Bundesrat auf Verordnungsstufe Finanzhilfen vorsehen.

Im Hinblick auf die verfassungsmässige Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen sollen solche Finanzhilfen nur möglich sein, soweit dies dem Vollzug von Bundesrecht dient. Unter diesen Voraussetzungen sind Finanzhilfen möglich an Kantone und an die vom Bund oder von den Kantonen mit dem Vollzug von Bundesrecht beauftragten Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht der Bundesverwaltung oder der kantonalen Verwaltung angehören. Als Empfänger von Finanzhilfen kommen schliesslich weitere Organisationen in Frage, die mit dem Bund Vereinbarungen nach Artikel 4 abschliessen oder an denen sich der Bund nach Artikel 4 oder 5 beteiligt. Mit letztgenannter Konstellation ist der Fall gemeint, in dem sich der Bund an einer gemeinsam mit den Kantonen geschaffenen Organisation im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 beteiligt. So könnte beispielsweise eine gemeinsame Organisation von Bund und Kantonen zur Koordination und Steuerung der digitalen Verwaltung (d. h. eine mögliche künftige Etappe im laufenden Projekt DVS) mit eigener Rechtspersönlichkeit Finanzhilfen erhalten.

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Bei der Ausgestaltung der Finanzhilfen hat der Bundesrat die Grundsätze des Subventionsrechts (Art. 7 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199079 [SuG]) zu beachten. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass die Subventionsempfänger im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Eigenleistungen erbringen und die zumutbaren Selbsthilfemassnahmen ausschöpfen.

Die Finanzhilfen haben sich im Rahmen der bewilligten Kredite zu bewegen.

Absatz 2 Der Bundesrat regelt den Umfang der zu leistenden Finanzhilfen, die Art der Beiträge (A-fonds-perdu-Beitrag, Darlehen, Defizitgarantien etc.) sowie die vom Empfänger zu erfüllenden Anforderungen und zu erbringenden Leistungen. Gegebenenfalls sind auch Aspekte des Datenschutzes und der Informationssicherheit zu regeln.

Insbesondere bei der Förderung mehrjähriger Programme wird es angezeigt sein, mit den Kantonen Programmvereinbarungen im Sinne von Artikel 20a SuG abzuschliessen. Darin sind die gemeinsam zu erreichenden strategischen Programmziele und die Beitragsleistung des Bundes festzulegen. Ferner sind, im Einvernehmen mit der EFK, die Einzelheiten der Finanzaufsicht zu regeln.

Artikel 8

Übertragung von Aufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeit

Absatz 1 Mit diesem Absatz bzw. generell mit Artikel 8 wird die für die Übertragung von Aufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten erforderliche formell-gesetzliche Grundlage geschaffen. Die Kompetenz des Bundesrats ist in diesem Bereich auf Aufgabenübertragungen beim Einsatz elektronischer Mittel beschränkt. Die Erfüllung administrativer Hilfstätigkeiten durch die Bundesverwaltung selber bedarf grundsätzlich keiner gesonderten gesetzlichen Regelung, weil sie in den gesetzlichen Grundlagen der jeweiligen Hauptaufgaben stillschweigend vorausgesetzt wird. Trotzdem umfasst sie auch eigentliche Verwaltungsaufgaben, deren Übertragung an Organisationen und Personen ausserhalb der Bundesverwaltung im Gesetz selber vorzusehen ist (Art. 178 Abs. 3 BV). Dies gilt insbesondere für die Durchführung von Beschaffungsverfahren. Die Aufgabenerfüllung eines Aufgabenträgers untersteht dem Öffentlichkeitsprinzip, wobei beim Übertragungsakt zu regeln ist, ob das BGÖ oder kantonales Öffentlichkeitsrecht zur Anwendung gelangt. Die Tätigkeit der Bundesbehörde zur Übertragung von Aufgaben untersteht indessen stets dem BGÖ.

Der Bundesrat hat die Wahlfreiheit, die Übertragung von Verwaltungsaufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten mittels verwaltungsrechtlicher Verträge oder auf dem Verordnungsweg vorzunehmen. Dabei ist es selbstverständlich, dass die für die Übertragung nötigen Rechtsakte die in der Bundesverfassung verankerten Kompetenzen von Bund und Kantonen nicht untergraben dürfen. Bei der Übertragung sind die wesentlichen Punkte und die rechtlichen Belange gemäss Absatz 1 Buchsta-

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ben a­c im Übertragungsakt zu regeln. Hinsichtlich der im Übertragungsakt zu regelnden Inhalte wird auf Ziffer 4.2.7 und betreffend die Aufsicht auf Ziffer 6.1.3 («Andere Auswirkungen») verwiesen.

Soweit die Übertragung von Aufgaben eine Bearbeitung von Personendaten durch den Aufgabenträger bedingt, sind die Regeln von Artikel 9 DSG zu beachten.

Absatz 2 Die Durchführung von Beschaffungsverfahren kann an eine Organisation übertragen werden, die durch Vereinbarungen im Sinne von Artikel 4 geschaffen werden oder an denen sich der Bund nach Artikel 5 beteiligt (vgl. auch Abs. 4). Es ist beschaffungsrechtlich von entscheidender Bedeutung, dass der Bund Träger dieser Organisation ist, wenn die Aufgabe zur Durchführung von Beschaffungsverfahren an eine Organisation übertragen werden soll. Ist er nicht an der Organisation beteiligt, an die diese Aufgabe übertragen wird, kann er nicht von der beschaffungsrechtlichen Ausnahme des Quasi-in-house-Privilegs profitieren.80 Damit der Bund von diesem Privileg Gebrauch machen kann, ist gleichzeitig ausgeschlossen, dass sich Private an der Organisation beteiligen können und dass die Organisation Leistungen am Markt für Private erbringt (vgl. dazu Ziff. 4.2.4).

Zusammenfassend müssen bei der Übertragung der Zuständigkeit zur Durchführung von Beschaffungen an Organisationen des öffentlichen oder privaten Rechts (Aufgabenträger) folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Bund vom Quasi-inhouse-Privileg profitieren kann: ­

Beteiligung des Bundes an der Organisation (Kontroll- und Tätigkeitserfordernis);

­

keine Beteiligung von Privaten an der Organisation;

­

keine Leistungserbringung der Organisation für Private.

Die mit der Übertragung von Beschaffungsaufgaben an Organisationen verbundene Schaffung einer zentralen Einkaufs- und allenfalls Betriebs- oder Verteilorganisation des Bundes mit Kantonen und Gemeinden führt zu einer Stärkung der Einkaufsmacht der öffentlichen Hand. Dabei besteht die Gefahr, dass das Potenzial des Missbrauchs dieser Einkaufsmacht steigt. Die mit Beschaffungsaufgaben betrauten Organisationen (z. B. eOperations) sind deshalb gehalten, bei Ausübung ihrer Tätigkeit die in der Schweiz anerkannten Grundsätze zur Förderung des Wettbewerbs im Interesse einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung und zur Nichtdiskriminierung der in der Schweiz zugelassenen Anbieter und Anbieterinnen zu beachten (vgl. Art. 1 des Kartellgesetzes vom 6. Oktober 199581; Art. 2, 6 und 11 BöB; Art. IV des Revidierten Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen von Marrakesch82).

80

81 82

Denkbar wäre, dass eine Organisation, an der der Bund nicht beteiligt ist, unter das In-State-Privileg (Art. 10 Abs. 3 Bst. b BöB) fallen würde. Die Voraussetzungen des In-State-Privilegs sind aber weniger klar umrissen, weshalb sich daraus Rechtsunsicherheiten ergeben würden (vgl. WEKO-Gutachten. Recht und Politik des Wettbewerbs (RPW 2014-4 S. 785 ff.).

SR 251 SR 0.632.231.422

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Soweit die Übertragung von Aufgaben eine Bearbeitung von Personendaten durch den Aufgabenträger bedingt, sind die Regeln von Artikel 9 DSG zu beachten.

Absatz 3 Soweit für die Erfüllung einer ausgelagerten Aufgabe erforderlich ­ namentlich bei der Aufgabe zur Durchführung von Beschaffungsverfahren ­ kann der Bundesrat auch Verfügungskompetenzen an die Organisationen übertragen.

Absatz 4 Die Übertragung einer öffentlichen Aufgabe gilt nach Artikel 9 BöB als öffentlicher Auftrag, wenn der Anbieterin dadurch ausschliessliche oder besondere Rechte zukommen, die sie im öffentlichen Interesse wahrnimmt, und ihr dafür direkt oder indirekt ein Entgelt oder eine Abgeltung zukommt. Spezialgesetzliche Bestimmungen gehen vor. Die Übertragung von Beschaffungsaufgaben und den damit verbundenen Verfügungskompetenzen gilt damit als öffentliche Beschaffung. Für die Bezeichnung des Aufgabenträgers sieht das EMBAG eine spezialgesetzliche Regelung vor. Die Übertragung von Aufgaben nach diesem Gesetz dient der Zusammenarbeit mit anderen schweizerischen Gemeinwesen und Organisationen im Bereich des E-Government. Zu diesem Zweck kann der Bund durch Vereinbarung mit anderen Gemeinwesen Organisationen mit eigenen Rechtspersönlichkeiten schaffen oder sich an solchen beteiligen. Im Sinne einer spezialgesetzlichen Regelung zu Artikel 9 BöB soll der Bundesrat diese Organisationen als Aufgabenträger bezeichnen können, ohne dass dafür ein Beschaffungsverfahren nach dem BöB durchgeführt werden muss. Dies ist konform mit dem Beschaffungsrecht, da nach Absatz 2 die Voraussetzungen des Quasi-in-house-Privilegs einzuhalten sind.

Artikel 9

Open Source Software

Absätze 1 und 2 OSS zeichnet sich im Wesentlichen durch folgende Merkmale aus:83 ­

Eine unbeschränkte und kostenlose Weiterverbreitung der Software ist gestattet.

­

Der Quellcode der Software muss zugänglich sein.

­

Veränderungen der Software und deren Weiterverbreitung müssen im Grundsatz zulässig sein.

­

Die Einräumung der Rechte darf nicht weiter eingeschränkt werden; so dürfen keine Personen oder Personengruppen von der Nutzung ausgeschlossen werden und keine Einsatzbereiche ausgeschlossen werden, insbesondere die kommerzielle Nutzung.

Der entscheidende Unterschied zur Closed Source Software besteht damit in der umfassenden Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte am Quellcode, die das freie Kopieren, Bearbeiten, Untersuchen und Verbreiten der Software ermöglichen.

83

Zum Ganzen: Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rechtliche Rahmenbedingungen der Freien Software, 4. Auflage, Rz. 2 ff. und 39 f.

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Das erste oben aufgeführte Merkmal bringt es im Übrigen nicht mit sich, dass OSS vollständig kostenlos angeboten werden muss. Nicht zulässig sind einzig Lizenzgebühren; zulässig sind dagegen beispielsweise Kopiergebühren.

Mit der vorliegenden Bestimmung soll es den dem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden ermöglicht werden, Software, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben entwickeln oder entwickeln lassen, lizenzgebührenfrei als OSS zur Verfügung zu stellen. Software soll immer dann als OSS zur Verfügung gestellt werden, wenn dies möglich und sinnvoll ist und die Rechte Dritter gewahrt werden.

Die Verpflichtung zur Freigabe von OSS gilt damit nicht schrankenlos. Zum einen wird sie auf Software beschränkt, die von Bundesbehörden selbst entwickelt wird oder die sie von Dritten entwickeln lassen. Software Dritter, die unverändert erworben wird, ist dagegen nicht erfasst. Bei solchen Softwareprodukten dürfte eine Weitergabe bereits ausscheiden, weil die Behörde die für eine Freigabe notwendigen Rechte nicht besitzt. Weiter gilt die Pflicht zur Freigabe als OSS nur dort, wo dies möglich und sinnvoll erscheint. Eine Freigabe kann beispielsweise ausscheiden, wenn dafür nötige Rechte Dritter nicht zu angemessenen Bedingungen erworben werden können, Geheimhaltungsgründe dagegensprechen oder wenn die Freigabe mit einem hohen technischen oder finanziellen Aufwand verbunden wäre.

Auch mit diesen Einschränkungen bleibt für die Freigabe von OSS ein grosser Anwendungsbereich. Softwareentwicklungen von Bundesbehörden verwenden in vielen Fällen OSS Dritter, die sie weiterentwickeln. In solchen Fällen ist die Freigabe des weiterentwickelten Softwarecodes oft notwendig oder zumindest sinnvoll. Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll dafür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Diese soll aber weiterhin den Bundesbehörden die notwendige Flexibilität beim Entscheid über den Einsatz und die Freigabe von OSS ermöglichen.

Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Freigabe gegeben sind, besteht ein erheblicher Spielraum, der von der Behörde nach pflichtgemässem Ermessen auszufüllen ist.

Wird davon ausgegangen, dass die lizenzgebührenfreie Weitergabe von Software eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, gelten die Einschränkungen gemäss der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für
eine privat organisierte Wirtschaftsordnung.

Demnach setzt eine wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes voraus, dass eine formellgesetzliche Grundlage besteht, die Tätigkeit im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität gewahrt bleibt. Die Voraussetzung der gesetzlichen Grundlage wird mit der vorgeschlagenen Gesetzesnorm erfüllt.

Die wesentlichen Anwendungsfälle für eine Freigabe von OSS liegen im öffentlichen Interesse: ­

Ist die Freigabe von Weiterentwicklungen vorbestehender OSS aufgrund der dieser zugrundeliegenden Lizenz notwendig, ist sie eine Bedingung, die der Bund akzeptieren muss. Das öffentliche Interesse ist diesfalls in der Ermöglichung effizienter Beschaffungen zu sehen.

­

Soweit die Freigabe von spezifischen Eigenentwicklungen erfolgt, damit andere Gemeinwesen öffentliche Aufgaben erfüllen können, ergibt sich das öffentliche Interesse aus der dadurch ermöglichten effizienten Unterstützung

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von Staatsaufgaben. Der Einsatz eines OSS-Lizenzmodells kann auch bei der Zusammenarbeit zwischen Gemeinwesen günstig sein, weil der Einsatz bekannter, verbreiteter OSS-Lizenzen viele rechtliche Fragen unkompliziert und im Paket regelt. Dies gilt umso mehr, als typischerweise private Unternehmen beigezogen werden, die ihrerseits ein besonders grosses Interesse an der damit einhergehenden Klarheit und Sicherheit der Rechtsverhältnisse haben. Die Bildung von Closed Communities unter Gemeinwesen müsste demgegenüber stets neu verhandelt und geregelt werden und könnte dementsprechend einen grösseren Abwicklungsaufwand auslösen.

­

Schliesslich kann ein öffentliches Interesse darin bestehen, durch die Teilnahme an einer Entwicklergemeinschaft oder deren Gründung qualitativ bessere Software zu erhalten.

Im Grundsatz ist von einem Interesse der Öffentlichkeit und der Verwaltung auszugehen; ob ein solches besteht, kann zudem oft erst anhand des veröffentlichten Codes überhaupt eruiert werden.

Ob die Freigabe von OSS verhältnismässig ist, muss im einzelnen Anwendungsfall geprüft werden.

Die Freigabe von OSS durch die dem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie jene durch Private (vgl. dazu auch Abs. 4, wonach möglichst international etablierte Lizenzen zu verwenden sind). Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität ist damit gewahrt.

Die Freigabe von Software bzw. des Quellcodes scheidet selbstverständlich aus, soweit dies durch Immaterialgüterrechte Dritter ausgeschlossen ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Bund Software Dritter unter einer Lizenz erwirbt, die eine Freigabe nicht zulässt. Um keine Rechtsunsicherheit zu schaffen, ist daher klarzustellen, dass Immaterialgüterrechte Dritter zu wahren sind. Soll in einem Informatikprojekt, in dem eine Freigabe von OSS vorgesehen wird, Software Dritter verwendet werden, muss der Bund im Besitz der entsprechenden Lizenzen sein. Soweit es dabei lediglich um eine gebührenfreie Nutzung von OSS-Lizenzen geht, können diese ohne Durchführung eines Beschaffungsverfahrens erworben werden. In vielen Fällen handelt es sich aber um Software von Anbietern, die zusammen mit entgeltlichen Leistungen in einem Vergabeverfahren beschafft wird. Hier wird es Sache der Bedarfsstelle sein, bereits bei der Umschreibung des Beschaffungsobjekts die notwendigen Kriterien zu definieren, damit die nötigen Rechte erworben werden. Dabei sind die Vorgaben des Beschaffungsrechts zu beachten.

Absatz 3 Das Verhältnis des Bundes als Inhaber der Rechte zu den Nutzern hat keinen hoheitlichen Charakter. Er tritt gegenüber den Nutzern in der Regel auf wie ein Privater. Die Bedingungen für die Nutzung von OSS werden zwischen Privaten regelmässig im Rahmen von Lizenzvereinbarungen festgehalten. Es scheint daher zweckmässig, die Rechtsbeziehungen im Zusammenhang mit der Lizenzgewährung ebenfalls dem Zivilrecht zuzuweisen, soweit keine abweichenden Bestimmungen vorliegen. Dies steht im Einklang damit, dass der Staat auch kostenpflichtige Leistungen Privater grundsätzlich mit privatrechtlichen Verträgen beschafft. Bei der ­ typischen ­ Kombination 65 / 116

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der Nutzung von OSS mit der Beschaffung kostenpflichtiger Leistungen ist somit eine einheitliche Unterstellung der Rechtsverhältnisse unter die Privatrechtsordnung gewährleistet. Folgerichtig unterstehen Streitigkeiten zwischen den Lizenzparteien dem Zivilrecht; dies im Unterschied zur ansonsten in vielen Punkten vergleichbaren Regelung zu OGD (siehe unten). Weiterhin uneingeschränkt öffentlich-rechtlich geregelt bleibt hingegen die Willensbildung der Behörden.

Der Abschluss der einzelnen Lizenzvereinbarungen hat einen rechtsgeschäftlichen Charakter. Die Zuständigkeit richtet sich nach der zugrundeliegenden Verwaltungsaufgabe. Gemäss Artikel 49 Absatz 3 RVOG regeln die Direktorinnen und Direktoren der Gruppen und Ämter sowie die Generalsekretärinnen und Generalsekretäre für ihren Bereich die Unterschriftsberechtigungen.

Absatz 4 Im OSS-Bereich bestehen verschiedene etablierte Lizenzmodelle, welche die notwendigen Fragen regeln. Damit die Verwaltung möglichst flexibel auf Entwicklungen in diesem Bereich reagieren kann, wird darauf verzichtet, bestimmte Lizenzmodelle oder den Inhalt der Lizenzvereinbarungen abschliessend vorzuschreiben. Vielmehr soll sich die zuständige Behörde soweit möglich und sinnvoll an international etablierten Lizenztexten orientieren.

Da der Bund durch die Erteilung der Lizenzen keine Lizenzgebühreneinnahmen anstrebt, rechtfertigt es sich, vertragliche Haftungsansprüche, soweit zulässig, auszuschliessen. Ein weitgehender Haftungsausschluss ist in den etablierten Lizenzmodellen üblich. Nicht ausgeschlossen werden kann hingegen die öffentlich-rechtliche Staatshaftung des Bundes. Die verfassungsrechtliche Vorgabe von Artikel 146 BV sieht eine Staatshaftung für widerrechtliches Verhalten vor. Soweit kein widerrechtliches Verhalten eines Bundesbediensteten bei der Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit vorliegt, greift die Haftung nicht. Damit sind insbesondere Ausfälle staatlicher IKT-Lösungen grundsätzlich von der Staatshaftung ausgenommen, denn einen ausfallfreien Betrieb von OSS werden die gesetzlichen Grundlagen nicht garantieren.

Eine Haftung des Bundes bei einem Ausfall von OSS ist kaum denkbar, kann aber nicht vollständig ausgeschlossen werden. Soweit der Ausfall also nicht als widerrechtlich einzustufen ist, erscheint es sachgerecht, das Ausfallrisiko den OSS-Nutzern
aufzuerlegen. Bei Datenverlusten oder -verfälschungen dagegen müsste im Einzelfall geprüft werden, ob der Verlust bzw. die Verfälschung auf ein widerrechtliches Verhalten zurückzuführen ist.

Absätze 5 und 6 Die Freigabe von OSS allein ist für den Lizenznehmer in vielen Fällen ohne zusätzliche Dienstleistungen, namentlich für die Integration, die Wartung, die Gewährleistung der Informationssicherheit und den Support, nicht hilfreich. Solche Dienstleistungen dürften in der Regel als gewerbliche Leistungen der Verwaltung zu qualifizieren sein. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine privat organisierte Wirtschaftsordnung darf eine Verwaltungseinheit gewerbliche Leistungen gegenüber Dritten nur erbringen, soweit ein Gesetz sie hierzu ermächtigt.

Ferner setzt eine wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes voraus, dass Sie im öffentlichen

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Interesse liegt, verhältnismässig ist und der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität gewahrt bleibt.

Absatz 5 schafft in eng umschriebenen Fällen die nötige formell-gesetzliche Grundlage. Das Erbringen zusätzlicher Dienstleistungen soll nur zulässig sein, wenn dies direkt oder indirekt der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient. Dies kann beispielsweise in folgenden Fällen bejaht werden: ­

Die Nutzung der OSS durch Dritte verbessert die Zusammenarbeit mit dem Bund, beispielsweise indem andere Gemeinwesen Informatiklösungen verwenden, die auf der vom Bund zur Verfügung gestellten Software basieren.

­

Durch die Verbreitung der OSS bildet sich eine Entwickler-Community, welche die Software weiterentwickelt und ihre Qualität verbessert.

Die Bestimmung trägt zudem dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz Rechnung.

Dienstleistungen sollen nur möglich sein, wenn sie mit verhältnismässigem Aufwand erbracht werden können. Der für den Bund entstehende Zusatzaufwand muss demnach in einem angemessenen Verhältnis zum damit verfolgten öffentlichen Interesse stehen. Aus dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz folgt auch, dass die Dienstleistungen im Vergleich zur ursprünglichen Verwaltungsaufgabe lediglich ein untergeordnetes Ausmass haben dürfen.

Schliesslich soll die Wettbewerbsneutralität durch das Erfordernis eines kostendeckenden Entgelts gewährleistet werden.

Der Bund kann jedoch ein Interesse daran haben, mit dem Erbringen von Dienstleistungen den Einsatz von OSS zu fördern, auch wenn kein Entgelt verlangt werden kann oder soll. In Ausnahmefällen soll das zuständige Departement deshalb auf die Erhebung eines Entgelts verzichten können. Voraussetzung ist aber, dass dadurch die Privatwirtschaft nicht konkurrenziert wird. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn eine bestimmte Dienstleistung auf dem Markt von Privaten gar nicht angeboten wird.

Artikel 10

Open Government Data

OGD sind ein entscheidender Beitrag zum E-Government und zu einer zukunftsorientierten Schweiz. Mit dieser Feststellung hat der Bundesrat am 30. November 2018 die neue OGD-Strategie gutgeheissen, mit dem Hauptziel der Einführung des Prinzips «open data by default». Daten, die von der öffentlichen Hand produziert werden oder deren Produktion von ihr in Auftrag gegeben wird, sollen unter Vorbehalt entgegenstehender rechtlicher Vorschriften grundsätzlich als OGD betrachtet und soweit technisch und rechtlich möglich ab 2020 von den Dateneignern in maschinenlesbarer Form publiziert werden. Der Begriff der Daten wurde weit und der Begriff der Verwaltungsdaten nach ihrer funktionalen Herkunft ausgelegt, ohne aber positiv zu definieren, was genau darunterfällt: Daten: Daten sind isolierte oder isolierbare Einheiten, die maschinell bearbeitet und analysiert werden können. Dabei handelt es sich beispielsweise um systematisch und intentional hergestellte Daten (z. B. Statistiken, Finanzdaten, Registerdaten), um Messdaten (z. B. Wetterdaten, Geodaten, Verkehrsmessungen), aber auch um andere Informationen, die als Daten behandelt werden können, wie Listen (z. B. Krankenkas-

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senprämien, verbotene Substanzen, Güter, die nicht ausgeführt werden dürfen), strukturierte oder unstrukturierte Texte (z. B. Archiv- oder Bibliothekskataloge, Rechtstexte) oder auch Multimediaproduktionen (digitale Bild-, Ton- oder Videodokumente mitsamt ihren Metadaten). Nicht als Daten im Sinne dieser Strategie gelten Ad-hocZusammenstellungen, Listen etc. zum persönlichen Gebrauch.

Offene Daten (Open Data) meint sodann Daten, die frei, ohne wesentliche rechtliche, finanzielle oder technische Einschränkungen, genutzt, verarbeitet, ausgewertet und weitergegeben werden dürfen. Rechtlich muss die kostenfreie Nutzung und Weiterverarbeitung der Daten gewährleistet sein; technische Offenheit betont, dass offene Daten maschinell bearbeitbar sein müssen.

Verwaltungsdaten (Government Data) definiert Daten nach ihrer funktionalen Herkunft. Nicht nur Behörden aller Staatsgewalten und aller föderalen Ebenen sind die Produzenten und Eigner; dazu können auch Daten von staatsnahen Betrieben oder von Dritten einschliesslich Privater gezählt werden, die staatliche Aufgaben wahrnehmen.

Verwaltungsdaten sind letztlich alle Daten, die in Erfüllung einer staatlichen Aufgabe erstellt, erhoben oder gesammelt werden; dazu gehören namentlich auch Daten aus Gedächtnisinstitutionen (Museen, Archiven, Bibliotheken). Nicht dazu gehören Daten von öffentlich finanzierter Forschung, die grundsätzlich aber auch als offene Daten behandelt werden können.

Der Artikel zu OGD im EMBAG soll die Strategie und namentlich das Prinzip von «open data by default» langfristig verankern. Um diesem Grundsatz die volle Tragweite einzuräumen, sollen die Begriffe der offenen Verwaltungsdaten auch im Gesetz nicht präziser definiert werden. Sowohl die rechtlichen, wie auch die technischen Voraussetzungen können von Verwaltungseinheit zu Verwaltungseinheit stark variieren.

Aus diesem Grund soll der Entscheid über die konkrete Abgrenzung von Verwaltungsdaten, die als OGD zu veröffentlichen sind, und solchen, die aus bestimmten Gründen (siehe nachfolgend zu Abs. 2 Bst. c) nicht als OGD publiziert werden können, an den Bundesrat delegiert werden. Diese Delegation der Rechtsetzungsbefugnis an den Bundesrat ist vorliegend möglich und erforderlich, da es sich nicht um eine grundlegende Regelung handelt. Zudem ist sie auf ein bestimmtes Sachgebiet
beschränkt und die Grundzüge der Materie werden in Artikel 10 definiert. Die technischen Voraussetzungen für die Publikation von Daten können sich rasch verändern.

Die rechtlichen Grundlagen müssen entsprechend rasch angepasst werden können, um den geänderten Gegebenheiten Rechnung tragen zu können. Das ist mit einer detaillierten Regelung auf Stufe Bundesgesetz nicht möglich. Der Bundesrat soll somit insbesondere für grosse Datenproduzenten wie das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz), das Bundesamt für Landestopografie (Swisstopo) oder das BFS konkrete Abgrenzungskriterien gemäss Absatz 2 Buchstabe c auf Stufe Verordnung regeln.

Absatz 1 Absatz 1 setzt den Grundsatz «open data by default» um, wie er in der OGD-Strategie postuliert wird. Daten, die von Verwaltungseinheiten der zentralen Bundesverwaltung beschafft und generiert werden, sollen grundsätzlich als OGD betrachtet und soweit technisch und rechtlich möglich von den Dateneignern zur freien Weiterverwendung

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publiziert und auf der Plattform «opendata.swiss» referenziert werden. Das ermöglicht eine einfache Nutzung sowohl durch Dritte wie durch Behörden, die nicht nur Datenlieferanten, sondern auch Datennutzende sind.

Die datenproduzierenden Einheiten sollen in diesem Sinne jeweils zu Beginn einer «Datenproduktion» prüfen, ob diese in den Anwendungsbereich von OGD fällt und gegebenenfalls die Daten von Anfang an in der erforderlichen Form erheben oder erstellen («open by design»).

Da OGD grundsätzlich keine eigenständige Verwaltungsaufgabe sein soll, sollen die Verwaltungseinheiten gestützt auf diesen Artikel keine neuen zusätzlichen Daten beschaffen oder generieren und aufbereiten müssen. Vielmehr sollen ohnehin beschaffte und generierte Daten, die einen Mehrwert für die Gesellschaft, die Umwelt und die Wirtschaft darstellen, zur freien Weiterverwendung zur Verfügung gestellt werden.

Aus diesem Grund schränkt Absatz 1 den Anwendungsbereich von OGD auf Daten ein, die bei den Verwaltungseinheiten bereits elektronisch gespeichert sind und die in Sammlungen strukturiert vorliegen. Ohne diese Einschränkung wären auch Daten nach den OGD-Grundsätzen zu veröffentlichen, die jeweils zuerst digitalisiert bzw.

elektronisch und strukturiert gespeichert werden müssten, was nur mit grossem Zusatzaufwand zu bewerkstelligen wäre und kaum mehr als Nebenaufgabe bewältigt werden könnte. Aufgrund der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung in der Bundesverwaltung ist aber davon auszugehen, dass mittel- bis langfristig ein Grossteil der Verwaltungsdaten elektronisch gespeichert wird und folglich bald nur noch ein marginaler Teil von Daten aus diesem Grund vom OGD-Grundsatz «open data by default» ausgenommen sein wird. Diese Digitalisierung wird namentlich in zahlreichen Projekten des Bundes adressiert, wie in der Strategie «Digitale Schweiz», in den Projekten und Programmen E-Government, «Gemeinsame Stammdatenverwaltung Bund», «Digitale Verwaltung» oder der Umsetzung des Once-only-Prinzips.

Der Gesetzeswortlaut «Daten, die sie zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe beschaffen oder generieren» stellt sodann klar, dass nur ohnehin und systematisch anfallende Daten als OGD bekannt gemacht werden müssen. Kundenspezifische Dienstleistungen hingegen fallen nicht unter den OGD-Grundsatz und können weiterhin
gebührenpflichtig erbracht werden. Damit können unter anderem kostenintensive Aufbereitungen von Daten zu Publikationszwecken vermieden bzw. Gebühreneinnahmen für solche Aufbereitungen beibehalten werden. Ebenso werden aufgrund dieser Präzisierung Daten vom OGD-Grundsatz gemäss Absatz 1 ausgenommen, die Verwaltungseinheiten gestützt auf internationale Vereinbarungen von ausländischen Behörden und Institutionen erhalten. Bei solchen Daten fehlt es typischerweise am Kriterium des «Beschaffens oder Generierens» sowie am Dateneigentum («ihre Daten»), da sie im Rahmen von grenzüberschreitenden Kooperationsabkommen ausgetauscht werden und oft nicht ins Eigentum der jeweiligen Verwaltungseinheit übergehen. Ein typisches Beispiel stellen Wetterdaten aus dem Ausland dar, die die MeteoSchweiz gestützt auf eine Vereinbarung mit ausländischen Behörden austauscht, um ihren gesetzlichen Auftrag in guter Qualität erfüllen zu können.

Schliesslich werden spezialgesetzlich vorgeschriebene Quellenangaben als einzige Einschränkung zur freien Weiterverwendung direkt in Absatz 1 aufgenommen. Sie schränken den OGD-Grundsatz nur marginal ein und stellen keine diskriminierende Hürde dar. Zudem dienen sie der Transparenz. Der Verweis auf spezialgesetzliche 69 / 116

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Vorschriften ist materieller Art. Die Pflicht zur Quellenangabe kann folglich auch auf Verordnungsstufe verankert sein, es braucht kein Gesetz im formellen Sinn.

Absatz 2 Während Absatz 1 den Grundsatz «open data by default» verankert, so wie er in der OGD-Strategie festgelegt wurde, definiert Absatz 2 die Ausnahmen, die einer Veröffentlichung gemäss diesem Grundsatz entgegenstehen: Buchstabe a Es liegt auf der Hand, dass spezialgesetzlich geregelte Veröffentlichungsverbote nicht durch Artikel 10 E-EMBAG als Querschnittsregelung unterlaufen und ihrer Bedeutung entleert werden können. In Spezialgesetzen vorgesehene Verbote oder Einschränkungen, Daten zu veröffentlichen oder nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zugänglich zu machen, entsprechen jeweils dem konkreten Schutzbedarf der betroffenen Daten, der im Rahmen einer Interessenabwägung als grösser beurteilt wurde als das Interesse der Allgemeinheit auf Publikation der Daten. Solche Datensätze sind folglich vom OGD-Anwendungsbereich und der entsprechenden Veröffentlichungspflicht auszuschliessen. Dazu gehören als eine der wichtigsten Kategorien die Personendaten. Sie sind gemäss den Grundsätzen des DSG zu bearbeiten. Sie unterliegen erhöhten Schutzanforderungen und können in aller Regel nicht öffentlich zugänglich gemacht werden. Sie sollen deshalb vom Grundsatz «open data by default» ausgenommen werden. Eine Veröffentlichung von Personendaten als OGD ist folglich nur möglich, wenn eine spezialgesetzliche Bestimmung dies ausdrücklich vorsieht und insbesondere die Fragen der Anonymisierung, der Gefahr der Re-Identifikation, der Verantwortlichkeiten und der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Grundsätze regelt (Datenschutz-Folgenabschätzung). Auch Daten juristischer Personen werden nach wie vor speziellen Bekanntgaberegeln unterstellt (Art. 57s RVOG).

Insbesondere ist für die Bekanntgabe jeweils eine gesetzliche Grundlage erforderlich, die nicht durch Artikel 10 gegeben ist. Folglich sind auch Daten juristischer Personen vom Grundsatz nach Absatz 1 ausgenommen.

Buchstabe b Nebst Personendaten gibt es noch weitere Datenkategorien, die konkreten Veröffentlichungsvoraussetzungen unterstellt sind. So ist der Zugang zu Daten in amtlichen Registern jeweils in spezifischen gesetzlichen Grundlagen geregelt, wie zum Beispiel der Handelsregisterverordnung
vom 17. Oktober 200784, der Grundbuchverordnung vom 23. September 201185, der Verordnung vom 9. Juni 201786 über das Gebäudeund Wohnungsregister oder die Verordnung vom 30. Juni 199387 über das Betriebsund Unternehmensregister. Diese bereichsspezifischen Verordnungen wurden unter Berücksichtigung der konkreten Umstände, wie der Vertraulichkeit der Daten und des jeweiligen Bedarfs an Zugang dazu, erlassen und sollen nicht durch eine allgemeine Querschnittsregelung umgangen werden. Ebenfalls von der Veröffentlichungspflicht gemäss Absatz 1 auszunehmen sind Daten, die die Bundesverwaltung in Erfüllung 84 85 86 87

SR 221.411 SR 211.432.1 SR 431.841 SR 431.903

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ihrer Aufgaben von den Kantonen bezieht und die gestützt auf kantonales Recht strengeren Bekanntgaberegeln unterliegen. Einzelne Kantone haben sich im Vernehmlassungsverfahren klar dagegen ausgesprochen, dass der Bund Daten, die er zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben bei den Kantonen erhebt, ohne Zustimmung Letzterer gegebenenfalls als OGD publizieren kann. Dies insbesondere dann, wenn eine klare kantonale Datenpolitik vorliegt, die teilweise strengere Vorschriften über die Bekanntgabe von Daten definiert, als dies beim Bund der Fall ist. Die Veröffentlichung solcher Daten als OGD durch den Bund würde die kantonalen Bestimmungen über die Bekanntgabe von Daten in Frage stellen und in Bereichen, die in der Kompetenz der Kantone liegen, die föderale Kompetenz- und Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen missachten. Absatz 2 Buchstabe b wurde deshalb dahingehend präzisiert, dass auch kantonale Erlasse einer Publikation von Daten durch eine Verwaltungseinheit des Bundes entgegenstehen können, auch wenn diese Verwaltungseinheit die Daten in Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erhoben hat. Es wird in der Verantwortung der Kantone liegen, der betroffenen Bundesverwaltungsstelle mitzuteilen, dass die übermittelten Daten speziellen Bekanntgaberegeln unterliegen und folglich nicht als OGD veröffentlicht werden dürfen. Die Einzelheiten werden in den Ausführungsbestimmungen zu regeln sein. Anzustreben ist eine Regelung, die eine möglichst automatisierte Übermittlung dieser Information ermöglicht. Dem Anliegen von Opendata.ch, der Bund müsse die alleinige Entscheidung über die Öffnung der Daten fällen können, kann mithin nicht umfassend nachgekommen werden.

Die Liste der Rechtsgrundlagen in Buchstabe b ist nicht abschliessend formuliert und kann grundsätzlich auch noch weitere gesetzliche Grundlagen umfassen. Der Gesetzgeber ist jedoch angehalten, sich an dem in Absatz 1 statuierten Grundsatz «open data by default» zu orientieren und weitere Ausnahmeregelungen nur restriktiv und nach entsprechend sorgfältig erfolgter Interessenabwägung zuzulassen. So bestehen beispielsweise im Bereich der Geoinformation bereits spezialrechtliche Regelungen für den Zugang zu und die Nutzung von amtlichen Geodaten, die Artikel 10 EMBAG vorgehen, den OGD-Grundsatz aber ebenfalls verankern.

Buchstabe c Die Veröffentlichung
der Daten als OGD soll in den überwiegenden Fällen eine Nebentätigkeit sein und so weit möglich mit internen Mitteln, insbesondere bestehenden Budgetmitteln und Personenressourcen, umgesetzt werden können.

Dies ist nicht möglich, wenn die Daten, die zwar grundsätzlich elektronisch vorhanden sind, zunächst mit unverhältnismässigem Aufwand aufbereitet werden müssen oder die Zurverfügungstellung technisch nur mit unverhältnismässigen Mitteln realisiert werden kann. Deshalb besteht eine Veröffentlichungspflicht gemäss Absatz 1 nur dann, wenn die Aufbereitung oder Zurverfügungstellung dieser Daten keine bedeutenden zusätzlichen Mittel erfordert.

Unter die vorliegend massgebenden Aufbereitungsarbeiten fällt insbesondere das Umstellen auf ein maschinenlesbares oder ein nicht proprietäres Format. Was die Zurverfügungstellung anbelangt, kann diese vor allem bei sehr grossen Datensätzen technisch problematisch sein und eine Ausnahme vom OGD-Grundsatz rechtfertigen.

Demgemäss müssen Daten, die grundsätzlich als OGD zu publizieren wären, dann

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nicht gemäss Absatz 1 veröffentlicht werden, wenn die technische Zurverfügungstellung nur mit unverhältnismässigen Mitteln möglich ist. Die Abgrenzung zwischen verhältnismässig und unverhältnismässig grossen zusätzlichen Mitteln für einzelne spezifische Datensätze ist aufgrund der äusserst grossen und heterogenen Datenvielfalt in der Bundesverwaltung und der sich dynamisch verändernden technischen Ausgangslage unterschiedlich. Sie bemisst sich im Einzelfall und u. a. auch im Hinblick auf die Wertschöpfung.

Absatz 3 Eine einheitliche, detaillierte Regelung der gemäss Absatz 2 Buchstabe c von OGD auszunehmenden Daten auf Stufe Bundesgesetz ist folglich nicht zielführend. Eine solche würde zu einem starren Regulierungskonzept führen, das dynamische technische Entwicklungen im Gebiet allenfalls nicht adäquat reflektieren könnte. Aus diesem Grund wird auf Gesetzesstufe lediglich der Grundsatz dieses Ausnahmegrunds verankert. Eine bei Bedarf erforderliche Spezifizierung und genauere Abgrenzung soll der Bundesrat auf Verordnungsstufe den konkreten Umständen entsprechend regeln.

Dies wird insbesondere bei Verwaltungseinheiten, zu deren Kernaufgabe die Datenproduktion gehört, erforderlich sein. Solche grossen Datenproduzenten, wie namentlich die MeteoSchweiz, die Swisstopo, das Bundesamt für Umwelt oder das BFS, werden durch OGD vor grosse Herausforderungen gestellt, weil der Anspruch, OGD nicht als eigenständige Verwaltungsaufgabe, sondern als Nebentätigkeit umzusetzen, in einem Spannungsverhältnis zur Kernaufgabe der Datenproduktion steht. Die OGDStrategie verfolgt aber die Absicht, den Grundsatz «open data by default» für die ganze Bundesverwaltung gleich umzusetzen. Sie ist bei diesen grossen Datenproduzenten zudem von besonderem Interesse. Aus diesem Grund sollen für grosse Datenproduzenten auf Gesetzesstufe keine spezifischen Ausnahmen geregelt, sondern nur das wichtige und grundlegende Prinzip von «open data by default» verankert werden.

Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Transparenz wird es aber vor allem für die grossen Datenproduzenten erforderlich sein, dass der Bundesrat in den spezialrechtlichen Ausführungsbestimmungen näher definiert, welche Daten gestützt auf Absatz 2 Buchstabe c über die in Artikel 18 Absatz 1 E-EMBAG vorgesehene Übergangsfrist von 5 Jahren hinaus von der
Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind. Er wird dies gemäss den in Buchstabe c definierten Grundzügen sowie unter Berücksichtigung der zum Teil bereits bestehenden Verpflichtungen regeln müssen, die Daten in benützergerechter Form zu veröffentlichen (vgl. Art. 18 Abs. 1 des Bundesstatistikgesetz vom 9. Oktober 199288 [BStatG]; Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 199989 über die Meteorologie und Klimatologie [MetG]). Im Zeitalter der Digitalisierung und der zahlreichen Digitalisierungsprojekte der Bundesverwaltung (eGov, DVS, u. w.) wird die benützergerechte Form ebenfalls Anpassungen erforderlich machen, die mit den Anpassungen gestützt auf Artikel 10 E-EMBAG Hand in Hand erfolgen können.

Dagegen ist die übermässige Nutzung der OGD-Datenvermittlungsplattformen und die entsprechende Belastung durch potenziell hohe Datendownloads weder ein objektives OGD-Kriterium ­ wie zum Beispiel die Qualitätsstandards «aktuell», «freies 88 89

SR 431.01 SR 429.1

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Format» und «maschinenlesbar» ­ noch ein Daten-inhärenter, objektiver Ausschlussgrund, Daten als OGD zu veröffentlichen. Dennoch kann eine übermässige Beanspruchung der OGD-Plattformen technische Probleme verursachen, insbesondere das Lahmlegen des Servers aufgrund viel zu vieler Abfragen. Da das Risiko und der potenzielle Schaden nicht bei allen Verwaltungseinheiten gleich sind, muss es den verschiedenen Fachbereichen überlassen sein, bei Bedarf in ihren spezialrechtlichen Rechtsgrundlagen Nutzungsbedingungen zu formulieren, wie das z. B. bereits in der Geoinformationsverordnung vom 21. Mai 200890 erfolgt ist (Art. 28a Abs. 3).

Absatz 4 Absatz 4 entspricht Absatz 2 aus der Vernehmlassungsversion. Der Absatz wurde aus Gründen der Gesetzgebungslogik verschoben. Ein wichtiger Zweck von OGD besteht darin, einen Mehrwert für die Wirtschaft, Forschung und Zivilbevölkerung zu begründen und so Wertschöpfung zu generieren. Um dieses Ziel erreichen zu können, müssen die Daten in bestimmten Modalitäten veröffentlicht und frei, d. h. ohne wesentliche rechtliche, finanzielle oder technische Einschränkungen, genutzt, verarbeitet, ausgewertet und weiterverwendet werden können. Absatz 4 legt diese OGDspezifischen Modalitäten (Qualitätsstandards) fest: Die Bekanntmachung von OGDDatenbeständen muss zeitnah, in maschinenlesbarer Form und in einem offenen Format erfolgen und die Weiterverarbeitung der so publizierten Datenbestände muss kostenfrei und ohne rechtliche Einschränkungen erlaubt sein. Die Kostenfreiheit ist ein grundlegendes Merkmal von OGD, weshalb dieser Grundsatz hier im Gesetz ausdrücklich festgehalten wird und Artikel 46a RVOG vorgeht. Technische Offenheit bedeutet, dass die Daten direkt zugänglich und maschinell bearbeitbar sein müssen.

Absatz 5 Absatz 5 hat zum Zweck, Abgrenzungsprobleme zum Archivierungsgesetz vom 26. Juni 199891 (BGA) abzuwenden. Werden OGD-Datensätze, die gemäss Absatz 1 als OGD publiziert wurden, gestützt auf das BGA archiviert, ändert in der Regel der Ort der Speicherung der Daten: Archivwürdige Daten der zentralen Bundesverwaltung sind dem Bundesarchiv (BAR) zur Archivierung abzuliefern (Art. 4 Abs. 1 BGA) und sind aufgrund des Verbots der parallelen Archivierung bei der zuständigen Verwaltungseinheit folglich nicht mehr vorhanden. Diese kann die Daten entsprechend nicht
mehr als OGD zugänglich machen. Ebenfalls geändert wird der Zweck: OGDDaten sollen möglichst aktuell sein, um eine Wertschöpfung insbesondere in der Wirtschaft generieren zu können. Sie sind ein wesentlicher Beitrag an die politische Diskussion und dienen als Grundlage für neue Geschäftsideen (Datenwirtschaft).92 Die Archivierung leistet dagegen primär einen Beitrag zur Rechtssicherheit sowie zur kontinuierlichen und rationellen Verwaltungsführung. Die öffentlichen Archive erfüllen ein wesentliches Anliegen jedes demokratischen Rechtsstaates, indem sie staatliches Handeln dokumentieren und so für alle Bürgerinnen und Bürger überprüfbar machen. Sie sind das kollektive Gedächtnis unseres Staates und belegen die Entstehung

90 91 92

SR 510.620 SR 152.1 Vgl. OGD-Strategie 2019­2023.

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und Entwicklung unserer individuellen und kollektiven Freiheiten und Rechte. Archive bilden die Infrastruktur, die es Bürgerinnen und Bürgern, Forscherinnen und Forschern ermöglicht, Einsicht in vergangene staatliche und gesellschaftliche Vorgänge zu gewinnen, Geschichte zu schreiben (vgl. Botschaft zum BGA93). Diese Zweckänderung führt dazu, dass archivierte Daten in der Regel keinem OGDBedürfnis mehr entsprechen und ihr Zugang nach den Grundsätzen des BGA (Holprinzip) den bestehenden Bedürfnissen in der Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft ausreichend Rechnung trägt. Es wäre für das Bundesarchiv aus Ressourcengründen (technische und personelle) auch gar nicht möglich, alle zur Archivierung erhaltenen OGD-Datensätze auch weiterhin als OGD zu publizieren. Damit aber zumindest die Möglichkeit besteht, in begründeten Fällen auch Archivdaten als OGD zur Verfügung stellen zu können, sieht Absatz 3 dies explizit vor (Erfordernis der gesetzlichen Grundlage in der Leistungsverwaltung). Begründete Fälle können insbesondere vorliegen in Bezug auf Datensätze, die sehr häufig beim BAR zur Einsicht angefordert werden oder die trotz Archivierung immer noch einen engen Bezug zur Aktualität haben. Das BAR entscheidet in Absprache mit der zuständigen Verwaltungsstelle über eine allfällige Publikation solcher Archivdatensätze als OGD. Die Ausschlussgründe gemäss Absatz 2 gelten auch für archivierte Daten.

Archivieren Verwaltungsstellen ihre Daten selbstständig nach den Vorschriften des BGA, gibt es zwar keinen eigentlichen Ortswechsel. Die Zweckänderung ist aber dieselbe: mangels Aktualität besteht in der Regel kein Bedürfnis mehr, diese Daten als OGD zur Verfügung zu stellen. Sie müssen entsprechend nicht mehr als OGD zugänglich gemacht werden. Die Zugänglichkeit von Daten wird ab dem Zeitpunkt ihrer Archivierung gemäss den Bestimmungen des BGA sichergestellt.

Absatz 6 Mit der Publikation von OGD gemäss Absatz 1 besteht in haftungsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich das Risiko, dass Bürgerinnen und Bürger der Richtigkeit der publizierten Daten vertrauen, aufgrund dessen Dispositionen treffen, aber wegen fehlerhafter Daten dann einen Schaden erleiden.

Haftungsansprüche gestützt auf den Vertrauensgrundsatz setzen voraus, dass die Bürgerin oder der Bürger berechtigterweise der Vertrauensgrundlage vertraut hat. Dies
kann bei der Publikation von Daten der Bundesverwaltung durchaus der Fall sein, schliesslich sind die Bundesbehörden verpflichtet, die erhobenen und erstellten Daten auf ihre Richtigkeit zu prüfen.

Im Rahmen von Artikel 10 bzw. von OGD soll diese Vertrauensgrundlage aber nicht garantiert werden, insbesondere, weil aufgrund der Pflicht zur zeitnahen Publikation nicht immer genügend Zeit zur Überprüfung der Richtigkeit der Daten vorhanden ist.

Absatz 6 hält deshalb fest, dass eigens zum Zwecke der Veröffentlichung keine zusätzliche Pflicht besteht, die Daten auf ihre Richtigkeit, Vollständigkeit oder weitere Qualitätsanforderungen zu überprüfen. Dies steht im Einklang mit dem verfolgten Zweck von OGD, nämlich einen Mehrwert für die Gesellschaft, Umwelt, Wirtschaft und Wissenschaft zu generieren. Dies ist auch mit nicht vollständigen oder nicht allen

93

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Qualitätsanforderungen entsprechenden Daten durchaus möglich. Zudem ist vorgesehen, dass die vorhandenen Qualitätsstandards auf der I14Y-IOP jeweils referenziert werden und mithin auch für OGD bekannt sind. Sind für eine bestimmte Aufgabe korrekte, vollständige und allen Qualitätsanforderungen entsprechende Daten unabdingbar, besteht nach wie vor die Möglichkeit, im Rahmen der massgebenden rechtlichen Grundlagen die erforderlichen Daten individuell zu erhalten. Absatz 5 befreit die Verwaltungseinheiten nicht von der Verpflichtung, die Daten im Rahmen der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben und der geltenden rechtlichen Grundlagen auf ihre Richtigkeit, Vollständigkeit, Plausibilität und andere spezialrechtliche Qualitätsanforderungen hin zu prüfen. Die Haftung des Bundes gemäss dem Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 195894 (VG) wird damit ebenfalls nicht wegbedungen.

Sollte eine spezialrechtliche Bestimmung die Publikation von Personendaten als OGD vorsehen, sind in Bezug auf die Richtigkeit der so publizierten Daten ebenfalls die spezialrechtlichen Anforderungen sowie Artikel 6 Absatz 5 DSG zu beachten.

Absatz 7 Bei OGD handelt es sich um eine aktive und in einer bestimmten Form zu erfolgende Information der Öffentlichkeit durch die Bundesbehörden (Bringprinzip), die insbesondere auf die konkrete Weiterverwendung dieser veröffentlichten Daten und Informationen durch die Öffentlichkeit ausgerichtet ist, um so Wertschöpfung zu generieren. Ein Rechtsanspruch auf Veröffentlichung von Daten gemäss den OGDGrundsätzen würde deshalb quer in der Landschaft stehen und wird entsprechend explizit ausgenommen. Ein Anspruch auf individuellen Zugang zu amtlichen Dokumenten besteht aber nach wie vor gestützt auf das BGÖ, das ­ im Gegensatz zu OGD ­ eben gerade einen Anspruch auf passive Information des Einzelnen auf dessen Verlangen sicherstellt (Holprinzip).

Artikel 11

Bereitstellung und Nutzung von IKT-Mitteln von Bundesbehörden

Absatz 1 Diese Bestimmung bezweckt, Interoperabilität beim Einsatz von IKT-Mitteln bei den dem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden zu schaffen. Für ausführliche Informationen zu den IKT-Mitteln wird auf Ziffer 4.2.10 verwiesen.

Die Befugnis des Bundes IKT-Mittel zur Erfüllung seiner Aufgaben einzusetzen, ergibt sich implizit aus seiner sachlichen Zuständigkeit im betreffenden Aufgabengebiet. Ebenso wird der Einsatz der jeweils passenden Arbeitsmittel durch die Behörden in der jeweiligen gesetzlichen Regelung ihrer (Haupt-)Aufgaben stillschweigend vorausgesetzt.

Mit Absatz 1 wird die Bundeskanzlei als zuständig erklärt, die zentrale Bereitstellung bestimmter, von Bundesbehörden betriebenen IKT-Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben für alle dem Gesetz unterstellten Bundesbehörden anzuordnen.

Die Zuständigkeit der Bundeskanzlei entspricht der bereits heute auf Verordnungsstufe festgelegten Kompetenzordnung: In der Bundeskanzlei wurde der Bereich DTI

94

SR 170.32

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geschaffen. Dieser übernimmt insbesondere die hauptsächlichen Aufgaben des bisherigen ISB, das aufgelöst wurde. Die primären Aufgaben des neuen Bereichs DTI liegen bei der Strategie, bei der Unternehmensarchitektur und bei der Führung des DTIPortfolios (vgl. Art. 17 Abs. 2 Bst. f VDTI). Ziel ist eine departementsübergreifende Gesamtsicht und eine Bündelung der Anstrengungen der verschiedenen Einheiten der Bundesverwaltung.

Absatz 2 Der zweite Absatz verschafft der Bundeskanzlei eine Rechtsgrundlage, die dem EMBAG unterstehenden Bundesbehörden im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Aufgaben verbindlich anzuweisen, bestimmte IKT-Mittel, insbesondere Basisdienste und E-Services, zu nutzen.

Zu den dem EMBAG unterstehenden Bundesbehörden gehören auch dezentrale Verwaltungseinheiten, soweit sie vom Bundesrat dem Gesetz unterstellt worden sind. Sie können von der Bundeskanzlei zur Nutzung bezeichneter IKT-Mittel nur verpflichtet werden, wenn keine anderen gesetzlichen Bestimmungen einer Unterstellung entgegenstehen (vgl. Art. 2 Abs. 2 E-EMBAG). Ob der Organisationserlass einer dezentralen Verwaltungseinheit eine Autonomie der Aufgabenerfüllung vorsieht, die einer Unterstellung entgegensteht, wird nicht in allen Fällen einfach zu klären sein. Dies wird im Einzelfall auf dem Weg der Auslegung zu beantworten sein.

Nicht erfasst von Verbindlicherklärungen zur Nutzung bezeichneter IKT-Mittel sind Behörden der Kantone sowie die vom Bund oder von den Kantonen mit dem Vollzug von Bundesrecht betrauten Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht der Bundesverwaltung oder der kantonalen Verwaltung angehören (vgl. aber die Möglichkeit zur Zurverfügungstellung von IKT-Mitteln an die Kantone in Abs. 3).

Den Betrieb der IKT-Mittel kann der Bund selber sicherstellen oder Dritte damit beauftragen. Da es sich beim Betrieb von IKT-Mittel lediglich um einen Aspekt der Bedarfsverwaltung (administrative Hilfstätigkeit) handelt, bedarf der Beizug Dritter zur Ausführung der Arbeiten keiner ausdrücklichen Rechtsgrundlage.

Die vorliegende, allgemeine Rechtsgrundlage zur Verbindlicherklärung von IKTMitteln schliesst nicht aus, dass in Spezialgesetzen weitere, bereits konkretisierte IKT-Mittel, beispielsweise Basisdienste und E-Services, eingeführt werden. In diesem Kontext ist die als E-Service
konzipierte zentrale elektronische Plattform zur Abwicklung von Kontakten zwischen Unternehmen und Behörden unter dem Namen «EasyGov.swiss» zu erwähnen, die im zurzeit in Erarbeitung befindlichen Unternehmensentlastungsgesetz95 eine eigene gesetzliche Grundlage finden wird. Diese spezialgesetzliche Grundlage wie auch künftige spezialgesetzliche Einführungen von derartigen Diensten werden mit der allgemeinen Bestimmung des EMBAG abzustimmen sein. Zwingend erforderlich ist eine weitergehende gesetzliche Regelung dort, wo die Rechtsstellung Privater betroffen ist (Abs. 5). Das bedeutet nicht zuletzt, dass verschiedene prominente Beispiele von Diensten des Bundes, die unter Ziffer 4.2.10 95

In Umsetzung der Motion 16.3388 Sollberger, Entwurf für ein Bundesgesetz über die Reduktion der Regelungsdichte und den Abbau der administrativen Belastung für Unternehmen.

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erwähnt werden (E-ID, NAD, E-Voting, E-Health, E-Umzug), sich nicht oder jedenfalls nicht allein auf die vorliegende Bestimmung stützen lassen, sondern weitere gesetzliche Grundlagen benötigen. Die vorliegende Bestimmung ist, jedenfalls was ihre Anwendung losgelöst von spezifischeren Regelungen betrifft, auf weniger inhaltlich und stärker technisch geprägte IKT-Mittel ausgerichtet, die die Erfüllung der Behördenaufgaben, etwa die Bearbeitung von Personendaten, weniger prägen, z. B.: ­

Systeme zur sicheren Übermittlung oder Speicherung von Daten;

­

Systeme zur Identifikation und Zugangsverwaltung (IAM: Identity and Access Management);

­

Hilfsmittel für effiziente und rechtskonforme Beschaffungen;

­

Controlling-Instrumente;

­

Instrumente zur Projektplanung und -abwicklung;

­

Hilfsmittel zur gemeinsamen Verwaltung von Metadaten zu den Daten, die in Erfüllung gesetzlicher Aufgaben bearbeitet und strukturiert ausgetauscht werden müssen.

Absatz 3 Es ist durchaus denkbar, dass der Bund IKT-Mittel zur Erfüllung von Bundesaufgaben betreibt, die Verwendung dieser IKT-Mittel aber auch den Kantonen, den Gemeinden und den externen kantonalen Verwaltungsträgern zur Erfüllung ihrer Aufgaben ­ sei es für den Vollzug von Bundesrecht oder für den Vollzug von kantonalem Recht ­ von Nutzen wäre. In solchen Konstellationen soll es den dem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden ermöglicht werden, den Vorgenannten die IKT-Mittel auch zwecks Erfüllung ihrer Aufgaben gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen (zur Kostenaufteilung siehe Abs. 4). Damit kann eine vertikale Zusammenarbeit bei der Bereitstellung von IKT-Mitteln realisiert werden. Es wäre weder wirtschaftlich noch effizient, wenn jeder Kanton bei über alle Staatsebenen einsetzbaren IKT-Mitteln selbstständig tätig würde.

Bei der Zurverfügungstellung von IKT-Mitteln ist allerdings nach ihrem Einsatzbereich zu unterscheiden: Stellen die dem EMBAG unterstehenden Bundesbehörden den Kantonen, ihren Gemeinden und ihren externen Verwaltungsträgern IKT-Mittel ausschliesslich für den Vollzug von Bundesrecht zur Verfügung, so ist die Zurverfügungstellung voraussetzungslos möglich.

Sollen indes die IKT-Mittel für den Vollzug von kantonalem Recht in Anspruch genommen werden, so ist eine Zurverfügungstellung nur unter den drei in Absatz 3 genannten Voraussetzungen (Bst. a­c) möglich. Die Befugnis des Bundes zum Betrieb zugunsten der Kantone wirft die Frage auf, ob der Bund IKT-Mittel den Kantonen auch für diejenigen Staatstätigkeiten zur Verfügung stellen darf, die nicht unter eine Bundeskompetenz fallen. Da die Zuständigkeit für die Bedarfsverwaltung grundsätzlich der Zuständigkeit in der Hauptsache folgt, ist jedes Gemeinwesen selber dafür zuständig, seinen eigenen Bedarf zu decken und die dafür nötigen Regeln zu erlassen.

Daraus könnte man schliessen, dass es dem Bund verwehrt wäre, den Kantonen IKTMittel für die Erfüllung von Aufgaben ausserhalb von Bundeskompetenz zur Verfügung zu stellen. Diese strenge Betrachtung überzeugt jedoch nicht, denn gleichzeitig 77 / 116

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verpflichtet die Verfassung Bund und Kantone dazu, einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen und zusammenzuarbeiten (Art. 44 Abs. 1 BV). Ferner schulden sie einander Beistand (Art. 44 Abs. 2 BV). Hinzu kommt, dass die Bundesbehörden, sofern sie sich auf die mit dieser Vorlage geschaffenen gesetzlichen Grundlagen stützen, in Randbereichen auch gewerbliche Dienstleistungen erbringen dürfen, ohne damit den Grundsatz der staatsfreien Wirtschaft zu verletzen (vgl. Art. 41 und 41a FHG). Dies setzt insbesondere voraus, dass die gewerblichen Leistungen mit den Hauptaufgaben in einem engen Zusammenhang stehen, die Erfüllung der Hauptaufgaben nicht beeinträchtigen und keine bedeutenden zusätzlichen sachlichen und personellen Mittel erfordern (Art. 41a Abs. 2 FHG). Soweit diese Anforderungen im Einzelfall erfüllt sind, macht es für den praktischen Betrieb von IKT-Mitteln keinen wesentlichen Unterschied, ob die Kantone die IKT-Mittel nur beim Vollzug von Bundesrecht oder auch im Bereich ausschliesslich kantonaler Zuständigkeiten nutzen.

Umso mehr muss es zulässig sein, dass der Bund die IKT-Mittel den anderen Gemeinwesen zur Verfügung stellt. Die für die Zurverfügungstellung der IKT-Mittel erforderliche gesetzliche Grundlage wird mit der vorliegenden Bestimmung geschaffen.

Ein Angebot an Private, zu ihren Gunsten IKT-Mittel zu betreiben, ist hingegen nicht vorgesehen. Als Empfänger einer solchen Leistung des Bundes kommen mithin nebst den Kantonen und Gemeinden auch die mit der Erfüllung kantonaler Aufgaben betrauten Organisationen ausserhalb der kantonalen Verwaltung in Frage. Eine Beschränkung auf die kantonalen und kommunalen Verwaltungen wäre nicht zu rechtfertigen, da jeder Kanton gestützt auf seine Organisationsautonomie selbst entscheiden kann, welche auslagerungsfähigen Verwaltungsaufgaben er auf externe Dritte überträgt.

Absatz 4 Aus dem Betrieb von IKT-Mitteln durch den Bund haben die Kantone diejenigen Kosten zu tragen, die ihnen zugerechnet werden können (Prinzip der fiskalischen Äquivalenz gemäss Art. 43a Abs. 2 und 3 BV). Die Zurechnung richtet sich nach der Nutzung der IKT-Mittel durch die Kantone, ihre Gemeinden und ihre externen Verwaltungsträger. Die Kostentragung der Kantone erstreckt sich damit auf die anteilmässigen Kosten für die Bereitstellung und Nutzung der IKT-Mittel,
einerseits für den Vollzug von Bundesrecht und andererseits für den Vollzug kantonalen Rechts (Abs. 3). Die Bemessung des Beitrags der Kantone wird der Bundesrat regeln.

Stellen dem Gesetz unterstellte dezentrale Verwaltungseinheiten IKT-Mittel im Sinne von Absatz 3 zur Verfügung, stösst die Kompetenz des Bundesrats zur Beitragsbemessung dort an ihre Grenzen, wo Autonomiebestimmungen der dezentralen Einheiten einer solchen Bemessung entgegenstehen. Diesfalls können die dezentralen Verwaltungseinheiten die Beitragsbemessung selbstständig regeln.

Die Kostenaufteilung innerhalb der Kantone (im Verhältnis zu ihren Gemeinden sowie zu ihren externen Verwaltungsträgern) haben die Kantone zu regeln.

Absatz 5 Wenn die Nutzung von IKT-Mitteln zusätzliche rechtliche Grundlagen erfordert, ist sie nur zulässig, wenn diese Grundlagen bereits vorliegen.

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Sollte durch die Nutzung von IKT-Mitteln insbesondere die Rechtsstellung Privater tangiert werden, ist für einen derartigen Eingriff eine ausreichende gesetzliche Grundlage zwingend erforderlich.

Im Vordergrund steht dabei die Möglichkeit einer Persönlichkeitsverletzung durch das Bearbeiten von Personendaten. Das DSG sieht in seinem Artikel 34 Absatz 1 vor, dass Organe des Bundes Personendaten bearbeiten dürfen, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Das EMBAG selbst kann nicht als gesetzliche Grundlage für die Datenbearbeitung herangezogen werden. Für die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten sowie bei einem Profiling wird ein Gesetz im formellen Sinn verlangt. Gleiches gilt, wenn der Bearbeitungszweck oder die Art und Weise der Datenbearbeitung zu einem schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person führen können (Art. 34 Abs. 2 DSG). Jedoch sind auch verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmungen beispielsweise gemäss dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196896 zu berücksichtigen. Dereinst wird zu prüfen sein, ob und in welchem Umfang solche verwaltungsverfahrensrechtlichen Erlasse zur Umsetzung des Einsatzes elektronischer Mittel anzupassen sind.

Artikel 12

Standards

Absatz 1 Standards erlauben die weitgehende Automatisierung von Meldungen an Fremdsysteme sowie den periodischen Abgleich der verschiedenen Datenbanken. Sie erleichtern die Zusammenarbeit, vereinfachen technische Lösungen, reduzieren Kosten, ermöglichen Interoperabilität und schaffen Transparenz.

Die für Verbindlicherklärungen von Standards erforderliche Rechtsgrundlage auf Bundesebene wird mit Artikel 12 geschaffen, wobei Absatz 1 als Adressaten der Erklärungen die dem Gesetz unterstehenden Bundesbehörden gemäss Artikel 2 E-EMBAG vorsieht. Für die Verbindlicherklärungen ist ­ aus den gleichen Gründen wie bei den IKT-Mitteln (Art. 11 Abs. 1 und 2 E-EMBAG) ­ die Bundeskanzlei zuständig. Sie hat sich bei ihrer Wahl der Standards an international etablierten offenen Standards und eCH-Standards zu orientieren. Offen sind Standards, die von der Öffentlichkeit uneingeschränkt geprüft und von jedermann verwendet werden können.

Sie werden unabhängig von bestimmten Anbietern entwickelt und stehen allen Anwendern zur Nutzung offen. Sie ermöglichen es, Daten, Prozesse und Methoden frei und ohne Veränderungen mit anderen zu teilen. Durch die Nutzung offener Standards wird die Herstellerabhängigkeit verringert und werden Barrieren gegen die Interoperabilität vermieden.

Die als verbindlich erklärten Standards sollen in der Bundesverwaltung die Zusammenarbeit verschiedener Systeme in einem durchgängigen Prozess unterstützen und somit gewährleisten, dass durch einheitliche Standards koordinierte und medienbruchfreie Informationen bearbeitet und transferiert werden können (Interoperabilität durch Standardlösungen). Spezifische Fachanwendungen der Verwaltungseinheiten sind ausnahmsweise nicht an diese Standards gebunden, wenn eine Zusammenarbeit mit anderen Systemen fachlich und technisch als nicht sinnvoll erscheint.

96

SR 172.021

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Nicht erfasst von Verbindlicherklärungen von Standards sind Behörden der Kantone sowie die vom Bund oder von den Kantonen mit dem Vollzug von Bundesrecht betrauten Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht der Bundesverwaltung oder der kantonalen Verwaltung angehören. Um aber auch im Verhältnis zu den Behörden der Kantone und zu den externen Verwaltungsträgern des Bundes und der Kantone Fortschritte auf dem Gebiet der Standardisierung zu erzielen, wird die Organisation DVS als politische Plattform (politische Plattform mit Standardentwicklung) die Entwicklung von Standards fördern.

Absatz 2 Die Erläuterungen zu Artikel 11 Absatz 5 im Zusammenhang mit der Nutzung von IKT-Mitteln gelten sinngemäss für die Festlegung von Standards.

Artikel 13

Schnittstellen

Die Artikel 13 und 14 betreffend Schnittstellen und die Interoperabilitätsplattform I14Y-IOP wurden aufgrund der Rückmeldungen bzw. Forderungen aus dem Vernehmlassungsverfahren neu in den Gesetzesentwurf aufgenommen. Insbesondere im Bereich der Digitalisierung aktive Vernehmlassungsteilnehmer haben entsprechende Bestimmungen im EMBAG gefordert, um damit eine klare und nachhaltige Grundsatzregelung auf Ebene Bund zu verankern. So soll im Sinne einer laufenden Optimierung der Verwaltung mit dem Aufbau und Betrieb weniger einfacher Schnittstellen für institutionenübergreifende Datennutzung die Grundlage für moderne und straffe Wertschöpfungsprozesse geschaffen werden. Der automatisierte elektronische Datenaustausch über Schnittstellen muss durch die Bundesbehörden gemäss Artikel 13 nunmehr sichergestellt sein. Das Rechtsgleichheitsgebot bedeutet jedoch für sämtliche Behörden, dass insbesondere im Kontakt mit der breiten Bevölkerung nach wie vor auch analoge Kommunikationswege ermöglicht werden müssen. Der Artikel soll somit lediglich die Verwaltungseinheiten verpflichten, die Digitalisierung voranzutreiben, nicht aber sämtliche Dienste ausschliesslich über Schnittstellen anzubieten.

Der Aufbau und Betrieb von Schnittstellen ist dort zu unterlassen, wo spezialrechtliche Gesetzes- oder Verordnungsbestimmungen dies ausschliessen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Gesetzesbestimmung ein persönliches Vorsprechen verlangt. Zudem ist von elektronischen Schnittstellen abzusehen, wenn überwiegende Gründe entgegenstehen. Darunter fallen insbesondere Aspekte der Datensicherheit und der Wirtschaftlichkeit: Die Bundesverwaltung ist gestützt auf die Artikel 5 Absatz 2 BV («Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein») und Artikel 43a Absatz 5 BV («Staatliche Aufgaben müssen bedarfsgerecht und wirtschaftlich erfüllt werden») sowie Artikel 3 Absatz 3 RVOG in jedem Fall verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln.

Artikel 13 stellt dagegen keine allgemeine Rechtsgrundlage für die Datenbekanntgabe über eine Schnittstelle dar. Namentlich bei der Bekanntgabe von Personendaten sind nach wie vor die Bestimmungen im Sacherlass betreffend Art des Datenflusses (insbesondere manuelle oder automatische Auslösung des Datentransfers), Empfängerkreis und die zulässigen Bearbeitungszwecke massgebend.

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Artikel 14

Interoperabilitätsplattform

Die neue Interoperabilitätsplattform I14Y-IOP, die das BFS im Auftrag des Bundesrats im Rahmen des NaDB aufgebaut hat und nun kontinuierlich auffüllt, ist das zentrale Instrument zur Umsetzung der Grundsätze des Once-Only und der Mehrfachnutzung der Daten. Auf dieser Plattform sollen die Metadaten aller Verwaltungsdaten des Bundes referenziert werden, damit an ein und demselben Ort ein vollständiger Überblick über sämtliche Daten vorliegt. Grundsätzlich braucht es für dieses Instrument keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage auf Stufe Bundesgesetz. Soweit es um die Datenbewirtschaftung ausschliesslich auf Stufe Bund geht, hat der Bund eine inhärente Kompetenz, diese zu organisieren. Die zentrale Bedeutung dieser Plattform legt aber deren Verankerung in einem Bundesgesetz nahe, um nachhaltig Transparenz und Rechtssicherheit zu schaffen. Die Plattform soll zudem auch den Kantonen und Gemeinden offenstehen sowie den in Artikel 2 Absatz 2 genannten Stellen, die sich freiwillig dem Gesetz oder einzelnen Bestimmungen unterstellen können.

Die Plattform I14Y-IOP wird bereits bestehende Plattformen nicht duplizieren oder gar ersetzen. Vielmehr werden Letztere auf der I14Y-IOP einfach vernetzt. Die I14Y ist in diesem Sinne die Mutter aller Plattformen, die ein Inhaltsverzeichnis der Metadaten aller vorhandener Daten des Bundes, der vorhandenen Schnittstellen und der elektronisch verfügbaren Dienstleistungen der dem Gesetz unterstellten Behörden zur Verfügung stellt. Die Metadaten werden entweder direkt referenziert oder durch die Verlinkung mit einem Metadatenverzeichnis auf einer anderen Plattform zugänglich gemacht.

Absatz 1 Das Verzeichnis umfasst die Metadaten (Beschreibung) aller elektronisch vorhandener Daten beim Bund sowie die Angabe, welche Verwaltungseinheit für die Daten verantwortlich ist. Durch die direkte Anbindung der bereits existierenden Plattform «opendata.swiss» ist auch gleich ein zentraler und präziser Überblick über die vorhandenen offenen Verwaltungsdaten und deren Eigenheiten und Qualität möglich.

Die OGD können sodann über einen spezifischen Zugang, den die zuständige Verwaltungseinheit, die die Daten beschafft oder generiert hat, verwaltet, zur Verfügung gestellt werden.

Die I14Y-IOP ist somit die Referenz für Datensammlungen der Schweizer Verwaltung. Sie dokumentiert diese
öffentlich, enthält jedoch selber keine eigentlichen Datensätze. Dank Angaben zu den Datenhaltern und den technischen Schnittstellen (APIs) erleichtert sie aber dennoch merklich den Datenaustausch mit und innerhalb der Verwaltung. Für die Übermittlung und die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bleiben die zuständigen Stellen verantwortlich. Es werden somit auf der I14Y-IOP auch Datensätze beschrieben, deren Zugang beschränkt ist. Für die Mehrfachverwendung der Daten geben Qualitätsindikatoren Hinweise über deren Potenzial. So werden doppelte Erhebungen vermieden und Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen sowie die Verwaltung entlastet. Die dokumentierten Datensätze und Nomenklaturen auf der I14Y werden laufend erweitert. Daten, die als OGD zugänglich sind, werden auf der I14Y-IOP ebenfalls als solche gekennzeichnet. Die Verlinkung der Plattform «opendata.swiss» mit der I14Y-IOP erlaubt in diesem Fall auch einen direkten Zugriff auf diese Daten. Der Begriff «zugänglich» in Absatz 1 umfasst somit 81 / 116

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sowohl das blosse Referenzieren von Daten, mit dem Zweck deren Existenz, Qualität und die verantwortliche Stelle zu kennen, wie auch die Möglichkeit, Daten gegebenenfalls über die Plattform direkt abzurufen. Ein direkter Zugriff auf Daten, die nicht als OGD zugänglich sind, ist in keinem Fall möglich. Folglich sind keine Ausnahmen für besonderen Schutzbestimmungen unterliegende Daten erforderlich.

Die I14Y-IOP soll schliesslich auch sicherstellen, dass nebst dem Verzeichnis aller Verwaltungsdaten des Bundes auch sämtliche elektronisch verfügbaren Leistungen der Behörden, Fachapplikationen und Fachanwendungen an ein und demselben Ort referenziert werden. Andernfalls könnte der Zweck der Plattform, zentral über sämtliche beim Bund elektronisch vorhandenen Daten, Schnittstellen und elektronisch verfügbaren Leistungen von Behörden zu informieren, sowie die beabsichtigte Erleichterung des Datenaustauschs zwischen Verwaltungsstellen zur Entlastung insbesondere der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft nicht erreicht werden. Die I14Y-IOP stellt folglich ein Inhaltsverzeichnis aller elektronisch vorhandener Daten, elektronischer Schnittstellen und Applikationen dar. Die Daten bzw. Metadaten und Schnittstellen/Applikationen werden auf der Plattform nicht dupliziert oder sogar ersetzt, sondern lediglich referenziert oder verlinkt.

Absatz 2 Die Übersicht über die elektronisch verfügbaren Leistungen von Behörden und die Fachapplikationen liegt gemäss dem neuen Lenkungsmodell der digitalen Verwaltung im Verantwortungsbereich der Bundeskanzlei, namentlich dem Bereich DTI, die Verantwortung über die Referenzierung der Metadaten aller elektronisch vorhandener Daten sowie die Regelung der Form dieser Metadaten liegt beim BFS. So hat der Bundesrat am 25. November 2020 den Bericht «Programm Nationale Datenbewirtschaftung: Prozesse, Rollen und Verantwortlichkeiten zur Führung und Steuerung der Interoperabilitäts-Plattform» gutgeheissen. Gemäss diesem Bericht (Ziff. 4.2) treibt der Schweizerische Datenverwalter «Swiss Data Steward» (SDS) die Interoperabilität bezüglich der Daten und Metadaten zwischen den Datenquellen, den Registern und den Datenbezügern voran und entwickelt Instrumente und Werkzeuge für die Harmonisierung und Standardisierung der Daten, stellt die Koordination der Standardisierungs- und
Harmonisierungsaufgaben zwischen den beteiligten Stellen sicher und unterstützt die gemeinsame Modellierung der Metadaten. Die Rolle des SDS ist im BFS angesiedelt und wird operativ durch die Interoperabilitätsstelle wahrgenommen. Dieses neu einzuführende Rollenmodell wird vom Bundesrat auf Verordnungsstufe im Detail geregelt werden, voraussichtlich in der total revidierten Statistikerhebungsverordnung, die zurzeit noch in Arbeit ist.

Aufgrund dieser aufgeteilten Kompetenz ist die Koordination zwischen dem BFS und der Bundeskanzlei in Sachen Form der Metadaten folglich zwingend erforderlich. Die Definition der Form von Metadaten erfolgt zudem jeweils in enger Absprache mit den zuständigen Verwaltungseinheiten.

Der Inhalt von Metadaten wie z. B. Zeitstempel oder Qualitätsanforderungen ist sodann eine grundsätzliche Frage und muss vom Bundesrat geregelt werden. Er wird dies in der neuen Verordnung regeln, die auch das neue Rollenmodell aus dem NaDB regeln wird.

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Bereits existierende und gut etablierte Regelungen zum Inhalt und zur Form von Metadaten sollen aber auch im Rahmen des neuen Rollenmodells Gültigkeit behalten und entsprechend übernommen werden. Dies ist insbesondere der Fall im Bereich der Geoinformation.

Absatz 3 Den Kantonen und Gemeinden soll die Plattform ebenfalls zur Verfügung stehen, sie sind aber nicht verpflichtet, ihre Verwaltungsdaten dort zu referenzieren. Eine allfällige Nutzung der Plattform kann über eine Leistungsvereinbarung gemäss Artikel 4 oder mittels Verordnung des Bundesrats erfolgen und hat ­ da es sich dabei um die Nutzung von IKT-Mitteln handelt ­ die Voraussetzungen für die Zurverfügungstellung von IKT-Mitteln an die Kantone gemäss Artikel 11 Absatz 3 und 4 zu wahren.

Es wird keine Verbindung mit der interkantonalen Plattform Justitia 4.0 erfolgen.

Diese Austausch-Plattform für Justizakten wird durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft geführt, die gestützt auf eine Vereinbarung der Kantone gegründet wurde.

Sie stellt somit keine Bundesaufgabe dar. Zudem wurden die Registerverwaltung (Strafregister, Handelsregister, Zivilstandsregister usw.), die aussergerichtlichen Verfahrensschritte bei Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren sowie die Verwaltungsverfahren bei Bund und Kantonen ausdrücklich vom Projekt Justitia 4.0 ausgeschlossen.

Die konkreten Qualitätsanforderungen an die Plattform, wie Aktualisierungsrhythmus, Verantwortlichkeiten für die Nachführung, Servicezeiten, usw., werden vom Bundesrat in der Verordnung festgelegt. Auch die konkreten Zugriffsmöglichkeiten auf die Schnittstellen sollen durch den Bundesrat im Detail geregelt werden. Auch wenn sämtliche Schnittstellen auf der Interoperabilitätsplattform zu referenzieren sind, sollen nicht alle öffentlich zugänglich sein. Der Bundesrat wird insbesondere regeln müssen, welche Schnittstellen öffentlich zugänglich gemacht werden können und welche nicht.

Artikel 15

Pilotversuche

Die Digitalisierung spielt in beinahe sämtlichen Lebensbereichen eine immer wichtigere Rolle. Das gilt besonders auch für die Leistungen der Bundesverwaltung, die zunehmend digital erbracht werden. Wie dieses Gesetz bereits in Artikel 1 darlegt, soll die digitale Transformation beschleunigt werden. Einen schnelleren Fortschritt bei der Digitalisierung der Verwaltung erfordert deshalb frühe und rasche praktische Erfahrungen sowie Strukturen, die prozessbegleitendes Lernen ermöglichen und einen laufenden Austausch zwischen Rechtsetzung und technischen Erfahrungen gewährleisten. Dazu sollen die Vorgaben betreffend Regelungsstufe und Regelungsinhalt für Pilotversuche moderat gesenkt werden und dafür kompensierend ein klarer Rahmen definiert werden, in welchem diese Pilotversuche umgesetzt werden können. Der vorliegende Artikel bildet einen Rahmen für dieses parallele Vorgehen.

Artikel 15 stellt eine Konkretisierung von Artikel 8 Absatz 2 RVOG dar, der festhält, dass der Bundesrat die Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Bundesverwaltung fördert.

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Bei den Pilotversuchen steht die Prozessinnovation im Vordergrund und nicht das Testen gänzlich neuer Technologien, wobei sich Technologie- und Prozessinnovation gegenseitig bedingen oder vorantreiben können.

Der Begriff «Pilotversuche» ist bereits in anderen Bundesgesetzen etabliert (Art. 8a des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 195197; Art. 68quater des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195998 über die Invalidenversicherung; Art. 98 der Verordnung vom 17. Januar 196199 über die Invalidenversicherung und Art. 17 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 13. Dezember 2002100).

Bei Pilotversuchen nach der vorliegenden Bestimmung können im Allgemeinen zwei Phasen unterschieden werden: ­

Proof of Concept (PoC): Pilotversuche einer ersten Stufe (kleiner Kreis, z. B.

Beschränkung auf max. 100 interne Mitarbeitende resp. nur mit wenigen ausgewählten Firmen);

­

Pilotversuche im eigentlichen Sinn: zweite Stufe mit erweitertem Kreis, z. B.

max. 1000 (bundesexterne) freiwillige Personen resp. max. 50 Firmen.

Diese Phasen, allfällige Abgrenzungen und besondere Anforderungen sind durch den Bundesrat in einer Vollzugserordnung zur vorliegenden Bestimmung (vgl. Erläuterungen zu Abs. 8) zu regeln.

Wichtiger Zweck von Pilotversuchen nach der hier vorgeschlagenen Regelung ist es, die Entwicklung einer neuen technischen Lösung und die parallele Entwicklung der Rechtsgrundlagen aufeinander abzustimmen. Ein iteratives Vorgehen, mitschreitend zur technischen Entwicklung, kann insbesondere den sogenannten «agilen» Entwicklungsmethoden Rechnung tragen, die sich im IT-Bereich mehr und mehr durchsetzen.

Ziel ist es nicht nur, innovative technische Lösungen umzusetzen, sondern auch, Klarheit über die erforderlichen Rechtsgrundlagen zu erlangen.

Versuche, die sich im Rahmen von vorhandenen Rechtsgrundlagen bewegen oder der Umsetzungsvorbereitung für bereits erlassene bzw. bestehende Rechtsgrundlagen dienen, können selbstverständlich weiterhin durch die zuständigen Stellen in eigener Zuständigkeit durchgeführt werden. Sie sollen durch die vorliegende Regelung, die auf besonders dringende und innovative Projekte ausgerichtet ist, nicht ausgeschlossen werden.

Absatz 1 Grundsätzlich soll jede Verwaltungseinheit die Möglichkeit haben Pilotversuche durchzuführen, wenn die Voraussetzungen nach den Buchstaben a­g erfüllt sind: Buchstabe a Wie einleitend bereits ausgeführt, sind Pilotversuche nach dieser Bestimmung in ein Rechtsetzungsvorhaben eingebettet, sei es, dass Rechtsgrundlagen, die bisher nicht

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SR 812.121 SR 831.20 SR 831.201 SR 151.3

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bestehen, neu zu schaffen sind, sei es, dass bestehende Rechtsgrundlagen angepasst werden müssen.

Buchstabe b Zweck des vorliegenden Artikels ist es, die digitale Transformation voranzutreiben und die Hürden für ein Testen neuer IKT-Lösungen moderat herabzusetzen, damit komplexere IKT-Lösungen innert möglichst kurzer Frist entwickelt, getestet und gegebenenfalls eingeführt werden können. Explizit soll nicht ausgeschlossen werden, dass Pilotversuche sich als nicht erfolgreich erweisen und nicht in einen ordentlichen Betrieb überführt werden. Es ist das Ziel, möglichst früh die Lehren und Konsequenzen zu ziehen, wenn sich eine Anwendung, Technologie oder ein neu konzipierter Prozess nicht bewährt.

Buchstabe c Zugriffe auf produktive Daten mit Personenbezügen im Rahmen von Pilotversuchen stellen immer ein Risiko dar, und es sollte deshalb immer wie folgt vorgegangen werden: Zuerst muss geprüft werden, ob ein Pilotversuch ohne produktive Daten resp. mit Test- oder anonymisierten Daten zu den gleichen Erkenntnissen führt. Dies auch deshalb, weil bei den hier geregelten Pilotversuchen technologische und prozessbezogene Innovationen im Vordergrund stehen und nicht die Personendatenbearbeitung (vgl.

Erläuterungen zu Bst. d). Erst wenn dieser erste Prüfschritt negativ ausfällt, soll ein Pilotversuch mit reduzierten Anforderungen gemäss Absatz 3 möglich sein.

Materiell müssen die rechtlichen Vorgaben in den Bereichen des Datenschutzes, des Informationsschutzes und der IKT-Sicherheit im Rahmen des Pilotversuchs insgesamt gewährleistet sein. Werden im Rahmen von Pilotversuchen Personendaten bearbeitet, müssen die datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden. Zu beachten sind insb. die Grundsätze der Zweckbindung und der Verhältnismässigkeit nach Artikel 6 Absätze 2 und 3 DSG; zu allfälligen Abweichungen vgl. die Erläuterungen zu Absatz 3. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen im Rahmen eines eingeschränkten Pilotbetriebs, an dem ein kleiner Personenkreis teilnimmt, nicht gleich zu bemessen sind, wie die Anforderungen im späteren Vollbetrieb.

Nicht auf die vorliegende Bestimmung abzustützen sind Pilotversuche, bei denen besonders schützenswerte Personendaten bearbeitet werden, ein Profiling durchgeführt wird oder der Zweck oder die Art und Weise der Bearbeitung von Personendaten
aus anderen Gründen zu einem schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Personen führen kann. In diesen Fällen kommt Artikel 35 DSG zur Anwendung. Absatz 2 enthält diesbezüglich einen ausdrücklichen Vorbehalt.

In Bezug auf die IKT-Sicherheit müssen die Voraussetzungen des IKT-Grundschutzes der Bundesverwaltung eingehalten werden und gegebenenfalls die nötigen Massnahmen zum Schutze der betroffenen Daten getroffen werden. Diesbezüglich kann im Rahmen der Verordnung des Bundesrats konkretisiert werden, welche Minimalvorgaben gelten (betreffend Datensicherheit vgl. auch Art. 12 Abs. 1 Bst. d und g der Cyberrisikenverordnung vom 27. Mai 2020101).

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SR 120.73

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Die Kontrolle dieser Vorgaben hat im Rahmen des Aufsichtsdispositivs (vgl. Abs. 5 und 7) zu erfolgen.

Buchstabe d Pilotversuche im Sinne dieses Artikels sind dort angezeigt, wo die angestrebte technische Innovation grossen Nutzen insbesondere für Wirtschaft oder Bevölkerung bringen wird oder erhebliche Gewinne an Effizienz und Effektivität bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben anstrebt und die Umsetzung daher prioritär erfolgen soll. Denkbar ist auch, dass innovative technische Lösungen mit Blick auf die Schaffung oder Umsetzung gesetzlicher Grundlagen angestrebt wird. In solchen Szenarien besteht typischerweise auch eine gewisse Dringlichkeit. Dies kann der Fall sein, wenn technische Lösungen sich dem Ende des Lebenszyklus annähern und erneuert werden müssen (wobei dies möglichst frühzeitig erkannt werden sollte) oder wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit der durch einen Prozess verursachte Aufwand insbesondere für Regelungsadressaten erheblich gesenkt werden kann.

Buchstabe e Eine weitere Voraussetzung für Pilotversuche ist, dass die Risiken der einzusetzenden Technologie und ihrer Nutzung bekannt und mit erprobten Mitteln beherrschbar sind.

Unter dieser Formulierung sind sowohl Risiken für Private, etwa hinsichtlich Grundrechts- und Persönlichkeitsschutz, finanzieller Einbussen oder der Sicherheit ihrer Informatiksysteme, als auch für die Informations- und Informatiksicherheit des Bundes zu verstehen.

Diese Voraussetzung kann insbesondere erfüllt sein, wenn die Technologie in der Bundesverwaltung bereits eingesetzt wird, ohne dass besondere Probleme auftreten oder wenn es sich um Standardkomponenten handelt.

Buchstabe f Diese Bestimmung ist eine Konkretisierung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes: Werden Personendaten bearbeitet, so ist der Kreis der Betroffenen möglichst klein zu halten. Eine systematische Implementation einer Bearbeitung für breite Kreise von Betroffenen würde namentlich ausschliessen, dass man sich auf eine Einwilligung der Betroffenen stützen kann (vgl. nachstehende Erläuterung zu Bst. g).

Wie weit der Kreis der betroffenen Personen für die Einwilligung als Rechtfertigungsmöglichkeit gezogen werden soll, muss in jedem Einzelfall beurteilt und transparent begründet werden, insb. zuhanden der Aufsichtsbehörden (vgl. Erläuterungen zu Abs. 5 unten).

Buchstabe g Diese
Bestimmung entspricht dem «Zwei-Phasen-Modell» (vgl. oben). In der Phase PoC soll es möglich sein, Tests mit wenigen freiwilligen, vorzugsweise verwaltungsinternen Nutzenden durchzuführen. Auch in der Phase «Pilotversuch im engeren Sinn» soll auf die Einwilligung von Betroffenen abgestellt werden, um eine Anwendung mit einem grösseren Kreis von Nutzenden zu testen.

Vor der Einwilligung sind die betroffenen Personen angemessen über die Verwendung ihrer Daten im Rahmen eines Pilotversuchs zu informieren. Die Informationspflicht und der Inhalt richten sich analog nach Artikel 19 DSG. Die Voraussetzungen 86 / 116

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der Einwilligung sind in Artikel 6 Absätze 6 und 7 sowie Artikel 34 Absatz 4 Buchstabe b DSG geregelt.

Soll ein Pilotversuch durchgeführt werden, bei dem Personendaten bearbeitet werden und ist es nicht möglich, die Einwilligung der Betroffenen einzuholen, so ist die vorliegende Bestimmung nicht anwendbar. Hingegen kann geprüft werden, ob ein Vorgehen nach Artikel 35 DSG zulässig ist (vgl. nachstehende Erläuterungen zu Abs. 2).

Absatz 2 Soll ein Versuchsbetrieb im Bereich von Artikel 34 Absatz 2 nDSG durchgeführt werden, so müssen die Voraussetzungen für die Durchführung von Pilotversuchen nach Art. 35 nDSG erfüllt sein. Das gilt für die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten, bei Profilings oder wenn der Bearbeitungszweck oder die Art und Weise der Datenbearbeitung zu einem schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person führen können (Art. 34 Abs. 2 Bst. a­c DSG). Artikel 15 E-EMBAG gilt für Pilotversuche, die nicht unter Artikel 35 DSG fallen. Damit wird Artikel 35 DSG sinnvoll ergänzt, denn wenn ein Pilotversuch keine erhöhten Datenschutzrisiken mit sich bringt, müssen konsequenterweise erst recht Pilotversuche möglich sein.

Bei den hier geregelten Pilotversuchen stehen die technologische und prozessbezogene Innovation im Vordergrund. Die Bestimmung strebt an, diesbezüglich gewisse Vorgaben insbesondere an die Normstufe und Normdichte von Rechtsgrundlagen insbesondere im Bereich des Datenschutzes während der Dauer des Versuchs angemessen zu senken. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, festzuhalten, dass neben den in Absatz 1 Buchstabe c aufgezählten Bereichen keine weiteren wichtigen Rechtsgüter tangiert werden. Für Grundrechtseingriffe in anderen Bereichen als demjenigen des Datenschutzes (etwa Eingriffe in die körperliche Integrität oder Beschränkungen der Bewegungsfreiheit) erlaubt die vorliegende Bestimmung keine Erleichterungen.

Absatz 3 Um den Aufwand für Pilotversuche möglichst kleinzuhalten und um im Sinne des eingangs beschriebenen iterativen und parallelen Vorgehens bei der Entwicklung der technischen Lösung sowie der Rechtsgrundlagen die nötige Flexibilität zu schaffen, sollen von gesetzlichen Vorgaben in den Bereichen des Datenschutzes, des Informationsschutzes und der IKT-Sicherheit abgewichen werden können. Das sieht analog auch Artikel
35 DSG für die datenschutzrechtlichen Vorgaben an die Normstufe vor.

So sollen z. B. für die Phase PoC die Anforderungen an die Informatiksicherheit gesenkt werden können oder aufgrund des kleinen Anwendungskreises, z. B. auf interne Mitarbeitende beschränkt, soll auf eine vollständige Schutzbedarfsanalyse vorerst verzichtet werden dürfen.

Ebenso können beispielsweise in einem Pilotversuch dort, wo durch Gesetz oder Verordnung bestimmte Datenschutzmassnahmen vorgeschrieben werden, alternative Massnahmen mit mindestens gleicher Schutzwirkung getestet werden, oder es können, wo ein Gesetz bestimmte Bearbeitungszwecke, Datenempfängerinnen und -empfänger o. ä. festlegt, andere Bearbeitungszwecke (soweit diese mit dem ursprünglich festgelegten Zweck vereinbar sind, vgl. auch Art. 6 Abs. 3 nDSG) oder empfangende

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Stellen festgelegt werden, soweit die Datenschutzziele der betreffenden Regelunggewahrt bleiben.

Absatz 4 Um den Pilotversuchen den nötigen Rahmen zu geben und Transparenz insbesondere über allfällige Abweichungen von Gesetzen und Bundesratsverordnungen nach Abs. 3 zu schaffen, sind Rahmenregelungen durch die Departemente oder die Bundeskanzlei zu erlassen. Es handelt sich dabei um Departementsverordnungen im Sinne von Artikel 48 Absatz 1 RVOG. Das Erfordernis eines Rechtssatzes als Teilgehalt des Legalitätsprinzips (Art. 5 Abs. 1 BV) wird somit, wenn auch auf niederer Normstufe, eingehalten.

Die Regelungen der Departemente sind im Einvernehmen mit der Bundeskanzlei vorzunehmen. Damit wird gewährleistet, dass die Bundeskanzlei ihre koordinierenden und steuernden Aufgaben im Bereich der Digitalen Transformation und IKT-Lenkung wahrnehmen kann. In der Verordnung nach Absatz 8 wird weiter festzulegen sein, welche spezifisch auf die Pilotversuche bezogenen Koordinationsaufgaben (insb. bezüglich deren Finanzierung) die Bundeskanzlei wahrzunehmen hat.

Absatz 5 Um zu gewährleisten, dass die zuständigen Aufsichts- und Koordinationsstellen frühzeitig über einen Pilotversuch informiert sind, wird vorgesehen, dass diese vor dem Erlass der Verordnung eines Departements oder der Bundeskanzlei nach Absatz 4 vorgängig anzuhören sind.

Für welche Stellen diese Anhörungspflicht mindestens gilt, kann der Bundesrat in der Vollzugsverordnung zu der vorliegenden Bestimmung (vgl. nachstehend Abs. 8) konkretisieren, allenfalls beschränkt auf die typischen Fälle. Auf jeden Fall gehören der Eidgenössische Datenschutz-und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB), das Nationale Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) und der Digitalisierungsrat des Bundes und der Bereich DTI der Bundeskanzlei immer dazu. Aber auch für bestimmte Sachbereiche zuständige Behörden sind zu berücksichtigen, beispielsweise die Finanzmarktaufsicht im Bereich des Finanzmarktrechts oder die Eidgenössische Finanzverwaltung betreffend die Rechnungsstellung durch den Bund oder an den Bund.

Absatz 6 Die Dauer von Pilotversuchen muss zwingend auf die für das Erreichen des Ziels des Versuchs erforderliche Dauer befristet werden. Da bei Pilotversuchen die Dauer des Versuchs oft schwer abzuschätzen ist, ist eine Verlängerung der Dauer um maximal zwei Jahre möglich. Eine
Verlängerung kommt insbesondere dann in Frage, wenn die Pilotanwendung in den regulären Betrieb überführt werden soll und dafür Rechtsgrundlagen anzupassen sind.

Absatz 7 Ein wichtiges Anliegen ist die Transparenz von Pilotversuchen, insbesondere auch für die Aufsichtsbehörden.

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Es wird daher eine zweistufige Berichtspflicht vorgesehen. Die für einen Pilotversuch zuständige Stelle hat den Bereich DTI und die Aufsichtsbehörden insbesondere bei besonderen Vorkommnissen (z. B. «security breaches») von sich aus zu informieren.

Ebenso beim Eintritt eines PoC in die Phase eines Pilotversuchs im eigentlichen Sinn (siehe oben). Dadurch werden die Aufsicht und die Koordination gewährleistet. Im Minimum sind dem Bereich DTI die nötigen Informationen für seine Berichterstattungspflichten an die übergeordneten Stellen zur Verfügung zu stellen.

Der Bundesrat soll in einem jährlichen Bericht die aktuellen und abgeschlossenen Pilotversuche der Bundesversammlung zur Kenntnisnahme vorlegen und diese erläutern. Dieser Bericht muss nicht zwingend separat erstellt werden, er kann auch Teil eines bereits bestehenden Berichts sein, z. B. des regelmässigen Berichts über die DTI-Schlüsselprojekte der Bundesverwaltung (vgl. Art. 22 VDTI).

Absatz 8 Für Pilotversuche soll eine erleichterte Finanzierung ermöglicht werden. Die Finanzierung soll aus dem Budget der zentralen DTI-Mittel gemäss Artikel 33 VDTI ermöglicht werden. Allenfalls sind aber auch andere Finanzierungsgefässe denkbar. Der Bundesrat soll diesbezüglich eine gewisse Freiheit haben. Für die Finanzierung von Pilotversuchen gelten die üblichen haushaltrechtlichen Anforderungen (Erfordernis einer Rechtsgrundlage und eines Kreditbeschlusses).

Die Konkretisierung der vorliegenden Bestimmung soll durch den Bundesrat in einer Verordnung erfolgen. Dort sollen auch weitere Ausführungsbestimmungen vorgesehen werden, so etwa betreffend Voraussetzungen, Zuständigkeiten, Phasen, Details zur Berichtspflicht und Priorisierungskriterien bei knappen Ressourcen.

Artikel 16

Anschubfinanzierung zur Förderung dringend erforderlicher digitaler Infrastrukturen und Basisdienste für die Jahre 2024­2027

Absatz 1 Das Gesetz gibt vor, dass im Hinblick auf die Finanzierung von Projekten vorab als Grundlage eine Agenda zur Förderung der digitalen Infrastrukturen und Basisdienste für die Jahre 2024 bis 2027 vorliegen muss. Diese Agenda ist in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem Bundesrat und den Kantonen zu definieren und vom Bundesrat und den zuständigen kantonalen Organen zu genehmigen. Dieses Vorgehen gewährleistet eine frühzeitige Einbindung der Kantone und damit eine Stärkung des kooperativ föderalistischen Ansatzes zwischen Bund und Kantonen im Bereich der Digitalisierung des öffentlichen Sektors.

In inhaltlicher Hinsicht gibt Absatz 1 vor, dass in der Agenda die priorisierten Projekte, deren Kosten und die für die Umsetzung der Projekte als Anschubfinanzierung benötigten Mittel aufzuführen sind. Die im März 2021 entwickelte Agenda DVS dient dabei als Ausgangspunkt, sie wird aber vom Bundesrat und den Kantonen hinsichtlich der prioritär in Angriff zu nehmenden Projekte und des Mittelbedarfs noch zu konkretisieren sein.

Die Anschubfinanzierung zur Beschleunigung der Transformation in Richtung digitaler Behördenleistungen wird vom Bund während vier Jahren ab 2024 gewährleistet 89 / 116

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und ergänzt damit während diesem Zeitraum die im Gesetz ohnehin vorgesehenen Finanzierungsmöglichkeiten des Bundes. Ab 2028 können die Kantone finanzielle Unterstützung des Bundes im Bereich des E-Government nur noch im Rahmen von Zusammenarbeitsvereinbarungen mit dem Bund (Art. 4 und 6 E-EMBAG) oder über Finanzhilfen (Art. 7 E-EMBAG) erlangen.

Absatz 2 Zur Regelung der wesentlichen Einzelheiten wird neben der Gesetzesbestimmung auch eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Kantonen erforderlich sein. Als Rechtsgrundlage für diese Vereinbarung wird Artikel 4 E-EMBAG dienen. In der Vereinbarung werden die Höhe der von Bund und Kantonen zur Umsetzung der Agenda zu leistenden Beiträge sowie die zu finanzierenden Projekte festzulegen sein.

Dabei gilt ein Budgetvorbehalt bezüglich der verfügbaren Mittel.

Den Kantonen ist die Beteiligung an der Vereinbarung an sich freigestellt, eine Beteiligung aller oder zumindest vieler Kantone wäre aber bereits schon aus Interoperabilitätsgründen erstrebenswert. Nur so lässt sich zeitnah ein breit ausgebautes Angebot an Basisdiensten und besseren Infrastrukturen realisieren. Sollten einzelne Kantone nicht an der Vereinbarung teilnehmen, werden sie von ihr selbstverständlich nicht gebunden. Sollten sie aber zu einem späteren Zeitpunkt gleichwohl an einem Projekt teilnehmen oder von den Projektergebnissen Nutzen ziehen wollen, gälte es das in Artikel 43a Absatz 2 BV statuierte Prinzip der fiskalischen Äquivalenz zu wahren, wonach das Gemeinwesen, in dem der Nutzen einer staatlichen Leistung anfällt, deren Kosten trägt. Folglich bestünde für zunächst nicht an der Agenda teilnehmende Kantone die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Vereinbarung gestützt auf Artikel 4 E-EMBAG nachträglich zu verpflichten, wobei in dieser Vereinbarung auch die finanziellen Ausgleichsmodalitäten für den späteren Beitritt zur Agenda mit den bereits an der Agenda mitwirkenden und Leistungen erbringenden Gemeinwesen zu regeln wären. Eine erst nachträgliche Teilnahme birgt für die Kantone jedoch den wesentlichen Nachteil, dass sie zumindest anfänglich von der Projektpriorisierung, der jeweiligen Projektgestaltung und deren Umsetzung ausgeschlossen wären.

Allfällige Streitigkeiten aus Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Kantonen oder zwischen den Kantonen werden gemäss Artikel 44 Absatz
3 BV nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.

Absatz 3 Die Anschubfinanzierung kann entweder dadurch erfolgen, dass der Bund Projekte der Agenda DVS selbst umsetzt und mit Mitteln der Anschubfinanzierung finanziert oder aber indem Finanzhilfen an Träger im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben a­c E-EMBAG (insbesondere Kantone), die Projekte der Agenda DVS verwirklichen, ausgerichtet werden. Absatz 3 regelt die letztgenannte Art der Umsetzung der Anschubfinanzierung. Für die in der Bestimmung vorgesehene Ausrichtung von Finanzhilfen wird ­ neben den generellen Voraussetzungen von Artikel 7 ­ zudem vorausgesetzt, dass die Vereinbarung nach Absatz 2 bestimmt, welche Projekte mit Finanzhilfen unterstützt werden sollen und dass sich die Finanzhilfen im Rahmen der bewilligten Kredite bewegen.

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Absatz 4 Die Anschubfinanzierung des Bundes wird in Absatz 4 unter die Bedingung gestellt, dass sich die Kantone daran beteiligen. Die Beteiligungsquote des Bundes wird auf höchstens zwei Drittel festgelegt. Der restliche Finanzmittelbedarf ist von den an der Vereinbarung beteiligten Kantonen zu tragen.

Es wird nicht vorausgesetzt, dass sich sämtliche Kantone an der Finanzierung einzelner Projekte der Agenda DVS beteiligen, sondern, dass bei den jeweiligen Projekten die beteiligten Kantone den vom Bund getragenen Anteil jeweils mit einem kantonalen Finanzierungsanteil von mindestens einem Drittel ergänzen. Wie die Kantone die Tragung des kantonalen Finanzierungsanteils untereinander aufschlüsseln, wird je nach Bedarf den Kantonen zu überlassen oder in der Vereinbarung gemäss Absatz 2 zu regeln sein.

Für den auf vier Jahre befristeten Zahlungsrahmen zur Deckung des Finanzbedarfs des Bundes wird der Bundesrat der Bundesversammlung Antrag zu stellen haben.

Mit der Anschubfinanzierung soll grundsätzlich eine Kostentragung von zwei Dritteln durch den Bund angestrebt werden. Dieser Kostenteiler bedingt allerdings, dass die jeweiligen Projekte sowohl im Interesse des Bundes als auch der Kantone liegen. Mit der Formulierung «höchstens zwei Drittel» soll aber auch die Möglichkeit offengelassen werden, dass die Kantone Projekte in die Agenda aufnehmen, die ausschliesslich oder überwiegend in ihrem Interesse sind und deshalb vom Bund nicht oder nur mit einem geringeren Anteil in Form von Finanzhilfen finanziert werden. Im umgekehrten Fall, d. h. bei reinen Bundesprojekten ohne kantonale Interessen, wäre die Finanzierung mit Mitteln der Anschubfinanzierung (vgl. Erläuterungen zu Abs. 3) ausschliesslich vom Bund zu tragen. Die im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens vorgebrachte Befürchtung, der vorgesehene Kostenteiler könne dazu führen, dass die Kantone auch für reine Bundesprojekte zur Kasse gebeten würden, ist mithin unbegründet.

Artikel 17

Änderung anderer Erlasse

Diese Bestimmung verweist in Bezug auf die Änderung anderer Erlasse auf den Anhang.

Artikel 18

Übergangsbestimmungen betreffend Open Government Data

Absatz 1 Die Umsetzung und laufende Zurverfügungstellung von Behördendaten nach den Grundsätzen von OGD soll keine neuen Mittel benötigen. Der Aufwand für die Umsetzung von OGD in den einzelnen Verwaltungseinheiten muss deshalb intern so weit wie möglich kompensiert werden können. Mit der gemäss Artikel 18 verankerten Übergangsfrist von fünf Jahren wird dem Rechnung getragen und sichergestellt, dass auch Verwaltungseinheiten, die noch nicht mit dem Beschrieb ihrer Daten begonnen haben, wie auch grosse Datenproduzenten die Umstellung auf OGD so weit wie möglich als Nebentätigkeit erledigen können und keine neue eigenständige Aufgabe entsteht. Ganz ohne zusätzliche Ressourcen wird die Umstellung aber nicht überall

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möglich sein. Einige Verwaltungseinheiten können zudem mit der konkreten und aufwendigen Aufbereitung ­ d. h. Daten maschinenlesbar machen, in nicht proprietären Formaten speichern oder mit Metadaten beschreiben ­ sowie der technischen Zurverfügungstellung von Daten erst beginnen, wenn der OGD-Artikel in Kraft ist, da sie über keine spezialgesetzliche Grundlage für die Veröffentlichung von Daten nach den OGD-Grundsätzen verfügen. Artikel 18 sieht deshalb eine Umsetzungsfrist von fünf Jahren nach Inkrafttreten von Artikel 10 vor und ermöglicht so eine gestaffelte Umsetzung. Der in der Vernehmlassung zum Teil geforderten schnelleren und stärker verpflichtenden Umsetzung der OGD-Strategie kann aufgrund dieser Rahmenbedingungen keine Folge geleistet werden.

Absatz 2 Das Gesetz entfaltet keine Rückwirkung und statuiert somit keine Pflicht, Daten, die vor dessen Inkrafttreten erhoben oder erstellt wurden, als OGD zur Verfügung zu stellen. Es sei hier aber darauf hingewiesen, dass gestützt auf die OGD-Strategie diese Verpflichtung grundsätzlich ab 2020 besteht. Die Zurverfügungstellung gemäss den OGD-Grundsätzen von Daten, die vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Artikels erhoben oder erstellt wurden, kann aber natürlich auf freiwilliger Basis im Rahmen der gesetzlichen und ressourcenbedingten Möglichkeiten erfolgen.

Artikel 19

Referendum und Inkrafttreten

Als Gesetz im formellen Sinn untersteht das Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben dem fakultativen Referendum.

Der Bundesrat ist dafür verantwortlich, das Inkrafttreten des Gesetzes zu bestimmen.

Anhang (Art. 17) 1. Bundesgesetz vom 18. Juni 1999102 über die Meteorologie und die Klimatologie Zur Änderung von Artikel 3 MetG Im Zuge der Einführung von OGD durch das EMBAG ist auch das MetG anzupassen, zumal aktuell für die Bereitstellung der im Rahmen der Bundesaufgaben erhobenen meteorologischen und klimatologischen Daten eine Gebühr zu verlangen ist (Art. 3 Abs. 2 und 3 der aktuell gültigen Fassung des MetG). Entsprechend wird die derzeit bestehende Bestimmung zu den Gebühren im Bereich der Meteorologie und Klimatologie in Artikel 3 Absatz 3 MetG ersetzt und mit zwei zusätzlichen Absätzen 4 und 5 ergänzt.

Zur Einfügung von Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe a MetG Gemäss Artikel 10 E-EMBAG stellen die dem Gesetz unterstellten Verwaltungseinheiten der Bundesverwaltung die Daten, die sie im Rahmen der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erheben und erstellen und die elektronisch gespeichert und in Sammlungen strukturiert vorliegen, zur freien Weiterverwendung zur Verfügung. Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe a E-MetG dient der Umsetzung dieser Bestimmung im 102

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Bereich der Meteorologie und Klimatologie. In Bezug auf die allgemeinen Gründe, die für die Förderung von OGD sprechen, wird auf die OGD-Strategie sowie auf die Ausführungen zu Artikel 10 E-EMBAG in der vorliegenden Botschaft verwiesen.

Spezifisch auf Klima- und Wetterdaten bezogen sind an dieser Stelle folgende Punkte hervorzuheben, die aufzeigen, wie bedeutend eine Einführung von OGD für die Schweiz ist: Auf internationaler Ebene wird OGD stark gefördert. Die Einführung von OGD für meteorologische und klimatologische Daten ist ein wichtiges Thema auf Stufe der westeuropäischen Wetterdienste (EUMETNET, ECOMET). Im Rahmen der sogenannten «Oslo Declaration» wurden die Wetterdienste seit Längerem angehalten, die Einführung von OGD proaktiv zu fördern, um einen grösseren volkswirtschaftlichen Nutzen zu erzeugen. Darauf basierend bietet mittlerweile ein sehr grosser Teil der Partnerwetterdienste der MeteoSchweiz meteorologische und klimatologische Daten gebührenfrei an (insb. der gesamte skandinavische Raum, die Niederlande, Deutschland, mit gewissen Einschränkungen Frankreich sowie einzelne osteuropäische Staaten wie Polen). Die Erfahrung der Wetterdienste zeigt, dass mit der Einführung von OGD die Datennutzung massiv gesteigert wurde. Zudem hat sich der Rat des Europäischen Zentrums für Mittelfrist-Wettervorhersagen (EZMW), bei dem die Schweiz Mitglied ist, erst kürzlich für die Einführung von OGD ausgesprochen. All diese Entscheidungen gründen auf der Überzeugung, mittels OGD Innovation und Wertschöpfung zu fördern. Über eine verstärkte Datennutzung werden innovative Produkte und Dienstleistungen entwickelt und auf dem Markt angeboten. Das Ergebnis ist ein höherer volkswirtschaftlicher Nutzen und eine gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit. Zu erwähnen ist auch die EU-Richtlinie 2019/1024 über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, die für die EU-Mitgliedstaaten im Sommer 2019 in Kraft getreten ist («Open Data Directive», ehemals «INSPIRE»).

Die Richtlinie führt das Konzept der hochwertigen Datensätze («High-value datasets») ein. Dabei handelt es sich um Daten aus sechs Themenbereichen, deren Weiterverbreitung von besonderem gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Wert ist.

Hierzu zählen insbesondere auch meteorologische und klimatologische Daten, die
voraussichtlich ab 2022 sukzessive in allen EU-Mitgliedstaaten kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Der Entscheid der Europäischen Kommission zum Umfang der freizugebenden Daten, eben dieser «High-value Datasets», wird im zweiten Quartal 2022 erwartet. Die aktuell gesetzlich vorgeschriebene Gebührenerhebung durch MeteoSchweiz bildet demzufolge eine Ausnahme und führt dazu, dass die MeteoSchweiz trotz der sehr engen internationalen Verflechtung immer mehr isoliert wird. Innerhalb der «Europäischen Meteorologischen Infrastruktur ­ EMI»103, in welche die Schweiz über ein aktives Engagement der MeteoSchweiz stark integriert ist, werden basierend auf der Konzeption der «High Value Datasets» inskünftig vermehrt gesamteuropäische Wetter- und Klimaprodukte entwickelt und operationell betrieben. Die Pflicht zur Gebührenerhebung gemäss dem MetG wird vor diesem Hintergrund immer mehr

103

Unter dem Begriff «EMI» werden einerseits die europäischen, nationalen Wetterdienste und andererseits spezialisierte europäische Organisationen in den Bereichen Wetter und Klima wie EUMETSAT (europäische Organisation für den Betrieb von Wettersatelliten), EZMW und EUMETNET (Interessengemeinschaft europäischer Wetterdienste) zusammengefasst.

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zu einem Problem. Eine effiziente, auf die Nutzung der Daten ausgerichtete Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern wird komplizierter, weil sie den für diese Zusammenarbeit notwendigen, ungehinderten Datenaustausch substanziell beeinträchtigt. Mit der Einführung von OGD kann vermieden werden, dass die Schweiz innerhalb der EMI mittel- bis langfristig zu einem weissen Fleck wird.

Des Weiteren sind im Kontext OGD im meteorologischen und klimatologischen Bereich die technologischen Trends zu berücksichtigen. Aktuelle technologische Entwicklungen im Kontext Big Data bauen auf der Konzeption von «OGD» auf. Diese haben mitunter zum Ziel, die enorm grossen Datenmengen den Anwenderinnen und Anwendern auf einfache Art und Weise und innerhalb möglichst kurzer Reaktionszeiten zugänglich zu machen. Entsprechende Entwicklungen finden zurzeit insbesondere innerhalb der oben erwähnten EMI statt. Wichtige Projekte wie das der «European Weather Cloud», das einen zentralen Pfeiler der künftigen europäischen Datenhaltungs-, Prozessierungs- und Vertriebsinfrastruktur darstellt, sind auf frei und kostenlos verfügbare Daten ausgerichtet. Mit einer Verpflichtung zur Gebührenerhebung kann die MeteoSchweiz nur sehr bedingt an diesen Entwicklungen partizipieren respektive davon nicht profitieren und droht von relevanten Entwicklungen abgehängt zu werden.

Die Einführung von OGD für Wetter- und Klimadaten ist unter diesen Gesichtspunkten ein wichtiger und notwendiger Schritt für die Schweiz. Gestützt auf Artikel 10 E-EMBAG wird in Zukunft auch die MeteoSchweiz die erhobenen und erstellten Daten kostenlos bereitstellen können. Darunter fallen beispielsweise die Messdaten der Bodenstationen, die Radarbilder und die Vorhersagegrössen der Wettermodelle.

Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe c E-EMBAG verankert die Möglichkeit, gewisse Datensätze von der kostenlosen Bereitstellungspflicht auszunehmen, wenn dies bedeutende finanzielle, personelle oder technische Mittel erfordern würde. Von dieser Ausnahmebestimmung wird die MeteoSchweiz unter Umständen Gebrauch machen müssen. Einzelne Datensätze können aufgrund des ausgesprochen umfänglichen Datenvolumens je nach gewählter Infrastruktur nur mit einem unverhältnismässigen finanziellen Aufwand bereitgestellt werden. Ein Beispiel hierfür könnte die Online-Bereitstellung umfangreicher
Archivdaten vergangener Wettervorhersagesimulationen sein. Langfristiges Ziel bleibt jedoch die Bereitstellung sämtlicher Daten.

Zur Einfügung von Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe b MetG Der neu einzufügende Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe b ist die gesetzliche Grundlage dafür, dass im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben der MeteoSchweiz gewisse Wetterund Klimainformationen, die im gesamtschweizerischen Interesse einer breiten Bevölkerung stehen, kostenlos verbreitet werden können. Dazu gehören gemäss aktueller Praxis insbesondere die folgenden drei Bundesaufgaben: Warnungen vor Gefahren des Wetters (Art. 1 Bst. c MetG), Bereitstellung von klimatologischen Informationen (Art. 1 Bst. e MetG), Erbringung von weiteren meteorologischen und klimatologischen Dienstleistungen für die Bedürfnisse der Allgemeinheit (Art. 1 Bst. h MetG).

Im Zeitpunkt des Erlasses des MetG im Jahr 1999 war die MeteoSchweiz zur Verbreitung von Informationen an die Allgemeinheit auf Zeitungen, das Radio und das Fernsehen angewiesen, welchen die Leistungen gegen eine Gebühr überlassen werden konnten. Seit dem Aufkommen von Online-Medien (Web, App) kann die Meteo94 / 116

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Schweiz die für die Bevölkerung wichtigen Informationen auf wirkungsvolle Art selbst verbreiten und damit die Erfüllung zentraler Bundesaufgaben im Bereich der Meteorologie und Klimatologie gemäss Artikel 1 MetG effektiver und effizienter sicherstellen. Dies erfolgt heute gestützt auf Artikel 11 der Verordnung vom 21. November 2018104 über die Meteorologie und Klimatologie (MetV). Da es sich um eine wichtige rechtsetzende Bestimmung handelt (vgl. Art. 164 BV), wird die Gelegenheit der Anpassung des MetG im Zuge des EMBAG genutzt, Artikel 11 MetV auf Gesetzesstufe zu verankern.

Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe b MetG nennt als Beispiele Warnungen vor Gefahren des Wetters, Wettervorhersagen und Informationen zur Klimaentwicklung. Obwohl bis anhin nicht explizit im MetG vorgesehen, wurde bereits in dessen Botschaft vom 22. April 1998105 festgehalten, dass die Ausgabe von meteorologischen Warnungen im Interesse der Bevölkerung ohne Kostenverrechnung erfolgt. Auf Verordnungsebene ist dies aktuell in Artikel 11 Absatz 2 MetV verankert. Weitere Beispiele von Informationen im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe b MetG sind als Text ausformulierte, grafisch aufbereitete oder tabellarisch dargestellte Messresultate und Vorhersagen in nützlicher regionaler Detaillierung und über alle Zeitbereiche, Informationen zu besonderen Wetterereignissen oder wetterbedingten Gesundheitsbelastungen (z. B. UV-Index, Informationen zur Pollensituation), statistische Auswertungen zu Wetter und Klima sowie klimatologische Berichte zur Vergangenheit und Zukunft (z. B. Monats- und Jahresbulletins). Die Verbreitung dieser Informationen ist ein zentrales Element des im MetG definierten und durch den Bund zu gewährleistenden Service Public. Sie dienen dem Schutz und einer über alle Sprachregionen einheitlichen, flächendeckenden und unabhängigen Information der Bevölkerung. Im Weiteren liefern sie die Grundlagen für einen breit abgestützten politischen Meinungsbildungs- und Entscheidprozess, beispielsweise betreffend Anpassungen an den Klimawandel und dessen Verminderung (aktuell: Totalrevision des CO2-Gesetzes).

Die durch Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe b MetG geregelten Informationen sollen für die Schweizer Bevölkerung flächendeckend und auf öffentlich zugänglichen Kanälen verfügbar sein. Aktuell werden die Informationen über Web
und App, auf einzelnen Social-Media-Kanälen und teilweise auch als Printpublikation verbreitet.

Zur Einfügung von Artikel 3 Absätze 4 bis 6 MetG Gemäss Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe a E-MetG werden mit der Einführung des OGD-Grundsatzes gemäss Artikel 10 E-EMBAG meteorologische und klimatologische OGD gebührenfrei publiziert. Auch für Wetter- und Klimainformationen, deren Verbreitung im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben und im Interesse einer breiten Bevölkerung der Schweiz erfolgt (Art. 3 Abs. 3 Bst. b E-MetG) entfällt die Gebührenpflicht. Diese Entwicklungen führen zur Abkehr vom Grundsatz der Gebührenpflicht für Leistungen des Grundangebots (Artikel 3 Abs. 1 MetG).

Die MeteoSchweiz kann somit Gebühren erheben für die Bereitstellung oder Generierung der übrigen Daten und Dienstleistungen des Grundangebots, wie sie in Ab-

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SR 429.11 BBl 1998 4161 S. 4165

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satz 4 (Bst. a und b) und in Absatz 5 abschliessend aufgelistet sind. Dies betrifft in Absatz 4 Buchstabe a diejenigen Daten, die qua Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe c EEMBAG als Ausnahme vom OGD-Grundsatz gelten. Diese Ausnahme kann im meteorologischen und klimatologischen Bereich namentlich diejenigen Daten betreffen, bei denen einerseits eine geringe Nachfrage besteht und andererseits die Aufbereitung und Zugänglichmachung auf den einschlägigen Datenvermittlungsplattformen mit Kosten verbunden wären, die angesichts des kleinen Kreises an potenziellen Nutzerinnen und Nutzern bzw. angesichts des geringen sozioökonomischen Mehrwerts als unverhältnismässig einzustufen wären (zum Beispiel der umfangreichen Archivdaten). Dieser Ausnahmekatalog ist auf Verordnungsebene zu spezifizieren und periodisch zu überprüfen. Dies, um in einem dynamischen technologischen und marktgetriebenen Umfeld wie der Datenvermittlungstechnologie Anpassungsbedarf prüfen und bei neuen Möglichkeiten Aktualisierungen vornehmen zu können. Nebst dem technischen Fortschritt sind auch die Entwicklungen auf internationaler Ebene zu berücksichtigen, insbesondere die Vorgaben der World Meteorological Organization (Standards aus der «Unified Data Policy Resolution») und die Entwicklungen im europäischen Umfeld (zum Beispiel die Open Data Directive 2019/1024 der EU). Auch wenn die unionsrechtliche Gesetzgebung für die Schweiz rechtlich nicht verbindlich ist, so ist die MeteoSchweiz eng in die meteorologische Zusammenarbeit Europas eingebunden und ist deshalb auf einen ungehinderten Datenaustausch angewiesen.

Absatz 4 Buchstabe b sieht die Möglichkeit einer Gebührenpflicht vor für diejenigen Daten und Dienstleistungen, die die MeteoSchweiz nur auf Anfrage generiert und bereitstellt. Obschon Teil des übergeordneten Grundangebots werden diese durch die MeteoSchweiz aber nur dann generiert und/oder bereitgestellt, wenn sich spezifischer Bedarf ergibt. So erstellt die MeteoSchweiz beispielsweise regionale Klimagutachten auf Anfrage von kantonalen Behörden zur Erfüllung von deren gesetzlichen Aufgaben. Auch stellt die MeteoSchweiz gemäss spezialgesetzlichem Auftrag spezifische Daten und Dienstleistungen zu Warnzwecken her, beispielsweise Beratungen und Ausbreitungsrechnung für die Nationale Alarmzentrale (vgl. Art. 14 der Bevölkerungsschutzverordnung
vom 11. November 2020106). Der Umfang dieser Leistungen wird jährlich in Leistungsvereinbarungen festgelegt und ist nicht im Globalbudget der MeteoSchweiz enthalten. Vor diesem Hintergrund soll es der MeteoSchweiz möglich sein, für entsprechende Daten und Dienstleistungen Gebühren zu erheben.

Absatz 5: Für diese Dienstleistungen des Grundangebots sollen die Gebühren wie bisher vom Bundesrat festgelegt werden. Der Bundesrat hat bei der Festlegung der Gebühren insbesondere die in Artikel 46a Absatz 3 verankerten Prinzipien der Kostendeckung und der Äquivalenz zu beachten.

Absatz 6: Leistungen, die die MeteoSchweiz im Bereich des Flugwetterdiensts erbringt (Art. 1 Buchstabe d MetG), sind gemäss Artikel 49 des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 1948107 gebührenpflichtig. Die Modalitäten zur Gebührenfestlegung und -erhebung sind sowohl für die zivile wie auch die militärische Luftfahrt in der

106 107

SR 520.12 SR 748.0

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Verordnung vom 18. Dezember 1995108 über den Flugsicherungsdienst (VFSD) sowie in einschlägigen europäischen Rechtsgrundlagen zusätzlich spezifiziert. Diese Vorgaben gehen den Bestimmungen im EMBAG respektive im MetG vor.

2. Bundesstatistikgesetz vom 9. Oktober 1992109 Im Sinne des Once-only-Prinzips und der Mehrfachnutzung der Daten bzw. der Entlastung der Befragten ist das Bundesamt für Statistik (BFS) darauf angewiesen, auf Daten, die bereits einmal bei den betroffenen Personen erhoben wurden und so bereits bei einer Behörde vorhanden sind, zugreifen zu können. Artikel 4 Absatz 1 Bundesstatistikgesetz (BStatG) bestimmt deshalb bereits seit 1992, dass die Bundesstatistik primär mit Daten, die bereits beim Bund vorhanden sind, sogenannte Verwaltungsdaten des Bundes, arbeiten muss. Betroffen sind Daten, die auch tatsächlich für die statistischen Aufgaben des BFS erforderlich sind. Neu soll nun mit Artikel 4 Absatz 1bis BStatG lediglich sichergestellt werden, dass das BFS auf diese ­ für die Statistik erforderlichen ­ Daten wenn möglich im elektronischen Abrufverfahren zugreifen kann.

Sehen andere Erlasse des Bundes etwas Abweichendes vor, das einem Zugriff im Abrufverfahren durch das BFS entgegensteht, kommt Artikel 4 Absatz 1bis nicht zum tragen. Der Zugriff auf Daten über ein elektronisches Abrufverfahren mindert einerseits den Aufwand bei den Dateninhabern, da sie keine regelmässigen Datenlieferungen mehr vorbereiten müssen. Andererseits erlaubt diese Art des Datenzugriffs dem BFS, über aktuellere Daten zu verfügen, da jederzeit auf die aktuellsten Daten zugegriffen werden kann. Schliesslich kann mit einem elektronischen Abrufverfahren dem Verhältnismässigkeitsprinzip besser Rechnung getragen werden: Muss eine Verwaltungseinheit dem BFS gestützt auf Artikel 4 Absatz 1 BStatG Daten bekannt geben, erfolgt dies oft mittels der Lieferung von Datensets. Die Prüfung, welche der Daten (Variablen) tatsächlich für die statistischen Arbeiten erforderlich sind und welche nicht bzw. das Entfernen der nicht erforderlichen Daten, ist dabei oft sehr aufwändig und somit nicht verhältnismässig. Mit der Möglichkeit des elektronischen Zugriffs auf die Daten wird es viel einfacher möglich, auf einzelne nicht erforderliche Daten den Zugriff zu verweigern. Dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu Gunsten der betroffenen
Personen sowie dem Grundsatz der Datensparsamkeit kann so viel besser Rechnung getragen werden. Das BFS darf Daten, die es über ein elektronisches Abrufverfahren beschafft ­ wie alle anderen Daten ­ sodann nur unter den strengen datenschutzrechtlichen Bedingungen des Bundesstatistikgesetzes bearbeiten. Es hat insbesondere das Statistikgeheimnis gemäss Artikel 14 Absatz 1 BStatG zu berücksichtigen und muss mithin garantieren, dass auch die Daten, die es über ein elektronisches Abrufverfahren beschafft, zu keinen anderen als statistischen Zwecken verwendet werden. Es hat deshalb sämtliche Daten zu pseudonymisieren, sobald die erforderlichen Vervollständigungen, Kontrollen und Aufbereitungen erledigt sind (Artikel 8a Statistikerhebungsverordnung).

Damit auch auf der Seite der Datenlieferanten des Bundes der Datenschutz in jedem Fall sichergestellt werden kann, soll der Bundesrat auf Verordnungsstufe im Detail regeln, welche Organisationen dem BFS welche Daten aus welchen Sachbereichen im Abrufverfahren zugänglich machen müssen. Der Zugriff erfolgt in jedem Fall nur auf 108 109

SR 748.132.1 SR 431.01

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Daten (Variablen), die das BFS für seine statistischen Arbeiten benötigt. Das bedeutet, die der Regelung unterliegenden Bundesorgane haben die Pflicht, alle vom BFS nicht benötigten Daten, insbesondere wenn es Personendaten sind, vom Zugriff auszunehmen.

Da zurzeit sowohl auf Gesetzesstufe wie auch auf Verordnungsstufe teilweise abweichende Regelungen für die konkrete Art der Datenbekanntgabe an das Bundesamt für Statistik bestehen, wird jedoch ein allgemeiner Vorbehalt in die Bestimmung aufgenommen. Einzelne von einem elektronischen Abrufverfahren abweichende Regelungen sind durchaus berechtigt und sollen auch weiterhin Bestand haben. In den anderen Fällen wird das BFS mit den zuständigen Stellen nach und nach Kontakt aufnehmen und die Möglichkeit und Opportunität der Änderung der betroffenen Sacherlasse diskutieren. Besteht in einem Bereich keine Regelung, die einem elektronischen Abrufverfahren entgegenstehen würde, sind die betroffenen Organisationen gemäss Artikel 4 Absatz 1 BStatG gehalten, gestützt auf den neuen Artikel 4 Absatz 1bis BStatG, die Datenbekanntgabe an das BFS über ein elektronisches Abrufverfahren zu ermöglichen.

Für die übrigen Statistikproduzenten des Bundes soll im Bundesstatistikgesetz kein genereller Zugriff auf Daten über ein elektronisches Abrufverfahren vorgesehen werden. Diese Stellen haben jeweils eine nicht statistische Hauptaufgabe und bearbeiten Daten somit primär zu personenbezogenen Zwecken. Die dem ganzen BFS als zentraler Statistikstelle des Bundes aufgebundene Geheimhaltungspflicht, sämtliche Daten, die es für seine statistischen Arbeiten erhebt oder erhält, nicht zu anderen als statistischen Zwecken zu verwenden oder weiterzugeben und identifizierende Merkmale so bald wie möglich zu löschen, gilt für diese Stellen nur teilweise, mithin das Risiko von Datenschutzverletzungen potentiell grösser ist und sich eine abweichende Regelung rechtfertigt. Es ist aber durchaus möglich, dass einzelne Spezialgesetze auch diesen anderen Statistikproduzenten oder den dort vorhandenen Statistikstellen einen Zugriff auf die Daten über ein elektronisches Abrufverfahren ermöglichen.

3. Bundesgesetz vom 27. Juni 1973110 über die Stempelabgaben Hinsichtlich der Beweggründe für die unterbreitete Einfügung des Buchstabens ater in Artikel 6 Absatz 1 StG wird auf die Ausführungen
unter Ziffer 4.2.5 («Steuerrecht») verwiesen.

Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe ater StG lehnt sich an Artikel 5 StG an, der die Beteiligungsrechte als Gegenstand der Emissionsabgabe regelt. Insbesondere bei den gleichgestellten Vorgängen geht es um die Zuschüsse und den Handwechsel nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a und b StG. Der Adressatenkreis der zu privilegierenden Akteure ist in der einzufügenden Bestimmung strikt auf jene Gesellschaften eingegrenzt, die den öffentlichen Zweck gemäss Artikel 1 der vorliegenden Gesetzesvorlage verfolgen. Bereits mit dem Kreisschreiben Nr. 12 der ESTV vom 8. Juli 1994, wonach der Begriff des öffentlichen Zwecks restriktiv auszulegen sei, damit es nicht zu einem «uferlosen Steuerbefreiungstatbestand» kommen kann, wurde diese Rechtsauffassung verfolgt.

110

SR 641.10

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Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

6.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Seit 2008 verfolgen der Bundesrat, die KdK, der Schweizerische Gemeindeverband und der Schweizerische Städteverband eine gemeinsame E-Government-Strategie.

Bund und Kantone finanzieren die Umsetzung der E-Government-Strategie Schweiz paritätisch mit jährlich 5 Millionen Franken. Bund und Kantone haben die Absicht, sich auch in den nächsten zwei Jahren auf vergleichbarem Niveau zu engagieren.

E-Government-Leistungen werden auf ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis geprüft, zentral koordiniert und gesteuert. Kosten für Beschaffung, Umsetzung und Betrieb von E-Government-Lösungen können aufgrund gemeinsamer E-Government-Projekte durch Kooperation und Mehrfachnutzung tief gehalten werden. Die Organisation DVS beurteilt und priorisiert die einzelnen Vorhaben gestützt auf die verfügbaren Mittel.

Nicht Gegenstand der vorliegenden Vorlage, aber eng damit verbunden ist das Projekt DVS. Der Bund und die KdK streben im Rahmen dieses Projekts zurzeit eine Verbesserung der Steuerung und Koordination von E-Government in der Schweiz über die Staatsebenen hinweg an. Das Projekt hat zum Ziel, die Kernorganisationen im Bereich E-Government (SIK, eCH-Verein, E-Government Schweiz) stärker zu integrieren. Es wird angestrebt, Synergiepotenziale, die sich daraus ergeben, zu nutzen. Das EMBAG wird gegebenenfalls als gesetzliche Grundlage zur Erleichterung weiterer Integrationsschritte (vgl. Art. 4 ff. E-EMBAG) herangezogen werden können. Je nach künftigem Volumen ist für die Umsetzung der E-Government-Strategie ein Verpflichtungskredits erforderlich, da für die Realisierung von Projekten Verpflichtungen über das laufende Voranschlagsjahr hinaus eingegangen werden.

So erhält der Bund mit Artikel 5 E-EMBAG die Möglichkeit, eine oder mehrere Aktien der eOperations Schweiz AG zu zeichnen. Die eOperations trägt dazu bei, dass IT-Lösungen gemeinsam beschafft und bei Bedarf gemeinschaftlich genutzt werden können, um Doppelspurigkeiten und damit verbundene Mehrausgaben zu vermeiden.

Das Aktienkapital der eOperations beträgt 100 000 Franken, zuzüglich einer Kapitaleinlagereserve von 200 000 Franken. Eine Aktie hat einen Wert von 300 Franken. Der Bund will sich mit einer Aktie an der Trägerschaft beteiligen.

Mit Artikel 7 E-EMBAG kann der Bundesrat zur Förderung der Zusammenarbeit im Bereich E-Government Finanzhilfen an Massnahmen
zur technischen und organisatorischen Umsetzung ausrichten. Die Schaffung der gesetzlichen Grundlage hat zum jetzigen Zeitpunkt keine direkten finanziellen Folgen. Ob und in welcher Höhe Finanzhilfen ausgerichtet werden, kann heute nicht abgeschätzt werden. Der Umfang allfälliger Finanzhilfen wird über den ordentlichen Budgetprozess beantragt werden.

Artikel 9 ermöglicht die lizenzgebührenfreie Freigabe von OSS. Der Einsatz von OSS in der Bundesverwaltung wächst fortlaufend.111 Er bringt wirtschaftliche Vorteile mit

111

Vgl. www.ossbenchmark.ch

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sich. Zum einen sind damit Zeit- und Ressourcenersparnisse verbunden, die die digitale Transformation der öffentlichen Hand beschleunigen können. Zum anderen bringt eine breit eingesetzte Software auch den Vorteil, dass die Kosten für die langfristige Weiterentwicklung nicht alleine getragen werden müssen. Ob das Open-Source-Lizenzmodell die nachhaltigste Form ist, wird im Einzelfall beurteilt. Es bestehen keine Erhebungen zum Einsatz von OSS und den wirtschaftlichen Auswirkungen. Werden jedoch professionelle Dienstleistungen (z. B. Supportleistungen) erbracht, werden hierfür kostendeckende Preise verrechnet.

Die Umsetzung des OGD-Prinzips (Art. 10 E-EMBAG) führt zwar aufgrund des Ausfalls von Gebühren zu Mindereinnahmen für den Bund. Diese fallen jedoch gemäss der Querschnittsprüfung der Umsetzung der OGD-Strategie, durchgeführt durch die EFK, relativ gering aus und können im Vergleich zum erwarteten volkswirtschaftlichen Mehrwert vernachlässigt werden. Im Bereich der meteorologischen und klimatologischen Daten ist beispielsweise von einem Einnahmenausfall zwischen 750 000 und 1 Millionen Franken pro Jahr auszugehen. Die Grössenordnung des Einnahmenausfalls hängt im Endeffekt vom Umfang der Daten ab, die in Umsetzung des OGDGrundsatzes gebührenbefreit zur Verfügung gestellt werden. In jedem Fall können diese Einnahmenausfälle intern jedoch nicht kompensiert werden.

Der für die Umsetzung von OGD erforderliche Aufwand wird in den verschiedenen Verwaltungseinheiten unterschiedlich gross sein. Bei stark datengetriebenen Ämtern wie der MeteoSchweiz wird die Implementierung und Pflege von OGD und den entsprechenden Datenvermittlungsplattformen aufgrund des Datenvolumens zusätzliche Ressourcen in Anspruch nehmen. Eine Schätzung der Kosten des Bundes für die öffentliche Bereitstellung der OGD ist aktuell nicht möglich. Um eine möglichst ressourcenschonende Umsetzung zu gewährleisten, soll dies insbesondere für grosse Datenlieferanten etappenweise erfolgen können (vgl. Art. 18 E-EMBAG), wobei die Bereitstellung einer skalierbaren Basisinfrastruktur für OGD erforderlich ist.

Die Verpflichtung zur Nutzung bestimmter IKT-Mittel (Art. 11 E-EMBAG) oder zur Anwendung von Standards (Art. 12 E-EMBAG) sollte den Bund insgesamt tendenziell entlasten. Der Minderaufwand ist derzeit nicht abschätzbar.

Die Kosten
für die Einrichtung elektronischer Schnittstellen (Art. 13 E-EMBAG) können mehrere hunderttausend Franken betragen. Konzepte für die Einführung von Schnittstellen umfassen meistens aber noch weitergehende Massnahmen, wie die Vereinheitlichung von Prozessen, Integration von Anwendungen und Standardisierung von Technologien. Daher können die finanziellen Auswirkungen momentan nicht hinreichend geschätzt werden. Mit einem zentralen Schnittstellenmanagement können die Kosten minimiert werden. Der Aufwand wird sich über mehrere Jahre verteilen.

Die Interoperabilitätsplattform (Art. 14 E-EMBAG) des BFS ist seit dem 30. Juni 2021 produktiv.112 Nach und nach wird das öffentliche Verzeichnis der aktuell bestehenden Datensammlungen und Nomenklaturen weiter ergänzt. Aus der Schaffung der Rechtsgrundlage ergeben sich keine direkten finanziellen Auswirkungen.

112

Vgl. www.i14y.admin.ch/de/home

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Für die Durchführung von Pilotversuchen (Art. 15 E-EMBAG) können noch im Haushaltsvollzug aus den zentral eingestellten DTI-Mitteln gemäss Artikel 33 der Verordnung über die digitale Transformation und die Informatik (VDTI) Finanzierungsbeiträge gewährt werden. Hierfür werden jeweils 5 Millionen über den Budgetprozess beantragt. In der Regel erfolgt die Finanzierung jedoch dezentral über die verfügbaren Projektmittel der Verwaltungseinheit.

Mit der Agenda DVS (Art. 16 E-EMBAG) sollen insbesondere dringend erforderliche digitale Infrastrukturen und Basisdienste in den nächsten Jahren bereitgestellt werden.

Für deren Beschaffung sollen gemeinsame Ambitionen von Bund, Kantone und Gemeinden festgelegt werden. Im Vordergrund stehen dabei die nachfolgenden Ambitionen: 1.

Digitaler Kanal zwischen Bevölkerung und Verwaltung ist etabliert.

2.

Potenzial zur Automatisierung und Vereinfachung für die Wirtschaft ist ausgeschöpft.

3.

Behördenübergreifende digitale Identifikation ist etabliert.

4.

Föderales Datenmanagement ist aufgebaut.

5.

Institutionelle Grundlagen für Cloud-Dienste in der Verwaltung sind geschaffen.

Der langfristige Mittelbedarf je Ambition lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit beziffern. Er hängt massgeblich von noch zu erarbeitenden Lösungen ab. Bund und Kantone werden ein gemeinsames Vorgehen festlegen, damit Synergien genutzt und Folgekosten vermieden werden können.113 Der Mittelbedarf wird im Rahmen der Verfeinerung der Agenda DVS zunehmend konkretisiert werden.

Der Bundesrat wird dem Parlament zu gegebener Zeit einen Zahlungsrahmen für den Finanzbedarf des Bundes für die Geltungsdauer der Bestimmung zur Anschubfinanzierung der Agenda DVS beantragen.

6.1.2

Personelle Auswirkungen

Welche personellen Auswirkungen die einzelnen Bestimmungen nach sich ziehen werden, ist abhängig von der konkreten Umsetzung bzw. dem Abschluss entsprechender Vereinbarungen. Das neue Gesetz führt selbst zu keinen direkten personellen Auswirkungen. Es ist aber davon auszugehen, dass einzelne Massnahmen zu einem höheren personellen Ressourcenbedarf führen werden. Mit der Umsetzung der neuen Aufgaben wird die Menge an OGD-Publikationen in der Bundesverwaltung stark zunehmen. Dies führt voraussichtlich zu einem entsprechend grösseren Bedarf an Unterstützungsleistungen durch die Geschäftsstelle OGD beim BFS, namentlich für die Ausbildung der Verwaltungseinheiten sowie die Vorbereitung und Umsetzung der

113

Bericht «Digitale Verwaltung Schweiz, Agenda », S. 7.

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Publikationsprozesse. Aktuell wird der Bedarf auf ein bis zwei Vollzeitstellen geschätzt.

Für die Umsetzung der Agenda sind zudem in der Geschäftsstelle DVS zusätzliche personelle Ressourcen erforderlich. Der Bedarf wird aufgrund der Erfahrungen mit E-Government Schweiz und der Schweizerischen Informatikkonferenz auf fünf Vollzeitstellen geschätzt.

6.1.3

Andere Auswirkungen

Generell (Intention der Neuregelungen) Mit Inkrafttreten der beantragten Gesetzesbestimmungen wird der Bund über Rechtsgrundlagen im Bereich des E-Government verfügen, die ihm in konkreten Anwendungsfällen hinreichende Handlungsoptionen bieten, einerseits zur Verwirklichung solider bereichsspezifischer Zusammenarbeitsformen mit Dritten, anderseits für den Ausbau von E-Government-Angeboten für die Verwaltung, die Wirtschaft und die Bevölkerung.

Unterstellung der mit Verwaltungsaufgaben betrauten Organisationen unter die Aufsicht des Bundesrats sowie unter die Finanzaufsicht Die eOperations, wie auch alle anderen künftigen Organisationen, die der Bund gestützt auf die Neuregelung mit der Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Aufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten betraut, werden unter die Aufsicht des Bundesrats fallen, weil Artikel 187 Absatz 1 Buchstabe a BV den Bundesrat verpflichtet, die Bundesverwaltung und die anderen Träger von Aufgaben des Bundes zu beaufsichtigen. Der Umfang der bundesrätlichen Aufsicht wird in Artikel 8 Absatz 4 RVOG umschrieben. Danach beaufsichtigt der Bundesrat nach Massgabe der besonderen Bestimmungen die Träger von Verwaltungsaufgaben des Bundes, die nicht der Bundesverwaltung angehören. «Nach Massgabe der besonderen Bestimmungen» bedeutet, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Regelung der Aufgabenauslagerung den Umfang, die Intensität und die Mittel der Aufsicht zu bestimmen hat.114 Als Minimalvorgabe verlangt das Gesetz eine jährliche Berichterstattung an den Bundesrat.

Darüber hinaus werden Unternehmungen, an deren Stamm-, Grund- oder Aktienkapital sich der Bund mit mehr als 50 Prozent beteiligen wird, der Finanzaufsicht der EFK unterstellt sein (vgl. Art. 8 Abs. 1 Bst. e des Finanzkontrollgesetzes vom 28. Juni 1967115 [FKG]). Die aktuell beabsichtigte Beteiligung des Bundes an der eOperations wird den Schwellenwert von 50 Prozent allerdings nicht erreichen.

Gestützt auf die beantragte Neuregelung werden ebenfalls in den Aufsichtsbereich der EFK Körperschaften, Anstalten und Organisationen jeglicher Rechtsform fallen, denen durch den Bund die Durchführung von Beschaffungsverfahren, mithin die Erfül-

114

Biaggini, Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, Rz. 5 f. zu Art. 187.

115 SR 614.0

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lung öffentlicher Aufgaben, übertragen wird (vgl. Art. 8 Abs. 1 Bst. d FKG). Aufgrund der anvisierten Übertragung von öffentlichen Aufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten an die eOperations wird diese ­ unabhängig vom Ausmass der Beteiligung des Bundes ­ der Finanzaufsicht durch die EFK unterstellt sein.

Nicht unter die Finanzaufsicht durch die EFK werden Einrichtungen und Organisationen fallen, an denen der Bund zwar beteiligt ist, denen er aber weder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben übertragen hat noch eine Mehrheitsbeteiligung an ihnen hält (vgl. Art. 8 Abs. 1 Bst. d und e FKG).

Die Oberaufsicht über den Finanzhaushalt wird durch die Finanzkommissionen der eidgenössischen Räte ausgeübt (Art. 26 Abs. 2 i. V. m. Art. 50 Abs. 1 ParlG116).

Verantwortlichkeit und Ausfallhaftung des Bundes Soweit bei der Übertragung öffentlicher Aufgaben keine besonderen Haftungsregeln festgelegt werden, richtet sich die Haftung nach den Regeln des VG.

Durch die Übertragung von Verwaltungsaufgaben des Bundes auf Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit werden die Organisationen über alle Wesensmerkmale einer sog. Organisation ausserhalb der Bundesverwaltung verfügen. Die Verantwortlichkeit von Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung wird in Artikel 19 VG geregelt. Danach haftet die Organisation, wenn ein Organ oder ein Angestellter einer mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Bundes betrauten und ausserhalb der ordentlichen Bundesverwaltung stehenden Organisation in Ausübung der mit diesen Aufgaben verbundenen Tätigkeit Dritten widerrechtlich Schaden zufügt. Ist die Organisation nicht in der Lage, den Schaden zu decken, so haftet der Bund für den Ausfall (sog. Ausfallhaftung).

Fügt ein Organ oder eine Angestellte oder ein Angestellter einer Organisation ausserhalb der Bundesverwaltung dem Bund im Rahmen der ihnen übertragenen Erfüllung von Bundesaufgaben einen Schaden zu, haften primär die fehlbaren Organe oder Angestellten und subsidiär die Organisation.

Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung unterliegen nur insoweit der Haftung gemäss Artikel 19 VG, als sie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Bundes betraut sind; nur in diesen Fällen besteht auch die subsidiäre Haftung des Bundes (Ausfallhaftung). Bei Organisationen, die aus Trägern verschiedener Staatsebenen
bestehen (z. B. eOperations), ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Haftungsregelung nach Artikel 19 VG nur dann zum Tragen kommen kann, wenn bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben des Bundes ­ beispielsweise im Rahmen der Durchführung von Beschaffungsverfahren, an denen der Bund mit anderen Gemeinwesen als öffentlicher Auftraggeber beteiligt ist ­ einem Dritten oder dem Bund selbst Schaden entsteht. Keine Anwendung findet Artikel 19 VG, wenn eine vom Bund und von anderen Gemeinwesen getragene Organisation im Rahmen der Erfüllung einer Aufgabe bzw. eines Auftrags einen Schaden verursacht, der Bund dabei aber nicht als Auftraggeber auftritt.

116

SR 171.10

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6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Den Kantonen werden mit dieser Vorlage keine neuen Aufgaben zugewiesen.

Mittel- bis langfristig werden die Kantone und Gemeinden von den auf den Rechtsgrundlagen realisierten Projekten von Effizienzgewinnen, verbesserten Prozessen und von einer einfacheren Interaktion mit den Bundesbehörden profitieren. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen werden die Kantone und ihre externen Verwaltungsträger sowohl Finanzhilfen des Bundes an Massnahmen zur technischen und organisatorischen Umsetzung der Zusammenarbeit im Bereich des E-Government empfangen können als auch von den Bundesbehörden zur Verfügung gestellte IKT-Mittel für die Erfüllung ihrer Aufgaben (entgeltlich) nutzen können.

Einmalige Mehrkosten können für die Kantone bei der Errichtung von Schnittstellen anfallen. Diese lassen sich nur schwer beziffern, werden aber eher als gering eingeschätzt.

Werden nach Inkrafttreten der beantragten Neuregelungen gestützt auf sie Vereinbarungen zwischen dem Bund und anderen Gemeinwesen im Bereich E-Government geschlossen, ergeben sich die Auswirkungen auf die der jeweiligen Vereinbarung angeschlossenen Gemeinwesen nach Massgabe des jeweiligen Vertragsinhalts.

Die Projekte der Agenda DVS werden die Kantone bei der effizienten Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen. Mit dem Abschluss einer Vereinbarung mit dem Bund werden sich die beteiligten Kantone indes verpflichten, mit dem Bund gemeinsame Anstrengungen zur Förderung dringend erforderlicher digitaler Infrastrukturen und Basisdienste zu unternehmen und diese mitzufinanzieren. Der Finanzierungsanteil des Bundes ist dabei auf höchstens zwei Drittel begrenzt; den Rest werden die beteiligten Kantone zu tragen haben.

Durch die Schaffung bundesrechtlicher Rechtsgrundlagen für neue Handlungsoptionen im Bereich digitalisierter Behördenleistungen wird die Rechtsstellung von urbanen Zentren, Agglomerationen und Berggebieten nicht tangiert.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, die Gesellschaft und die Umwelt

Direkte Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, die Gesellschaft und die Umwelt sind nicht zu erwarten.

Von den gestützt auf die neuen Rechtsgrundlagen resultierenden Zusammenarbeitsprojekten und elektronischen Leistungen des Bundes wird die Gesellschaft und die Wirtschaft mittel- und langfristig insbesondere dadurch profitieren, dass aus diesen Projekten E-Government-Anwendungen resultieren werden, die das heute noch eher bescheidene Angebot an elektronischen Behördenleistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden vervielfältigen werden.

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Das Angebot einer freien Nutzung von menschlich sowie maschinell bearbeitbaren Verwaltungsdaten (OGD) stellt einen Teil der transparenten, wirtschaftlichen und medienbruchfreien elektronischen Behordenleistungen fur Bevolkerung, Wirtschaft und Verwaltung sowie Wissenschaft dar und ist eine Voraussetzung für eine Öffentlichkeit, in der auf der Grundlage frei zugänglicher Informationen politische Lösungen entwickelt werden. Gleichzeitig kann auf der Basis der gleichen Verwaltungsdaten auch wirtschaftliche Innovation aufbauen und können die Beziehungen zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft vereinfacht werden.117

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Rechtsgrundlage Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für Vorgaben des Bundes zum Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben ist der Bundesverfassung nicht zu entnehmen. Das E-EMBAG nennt im Ingress daher Artikel 173 Absatz 2 BV. Für Bundeszuständigkeiten, die sich aus der Existenz und der Natur der Eidgenossenschaft ergeben und für die eine explizite Grundlage in der Verfassung fehlt, wird aufgrund gesetzestechnischer Konvention Artikel 173 Absatz 2 BV als Kompetenzgrundlage genannt.

Die in der vorliegenden Gesetzesvorlage unterbreiteten neuen Handlungsoptionen des Bundesrats zur Bewältigung der aktuellen und künftigen Herausforderungen auf dem Gebiet des E-Government stützen sich auf verschiedene Bestimmungen der Bundesverfassung, die nachstehend darzustellen sind (vgl. Ziff. 7.1.1 ff.).

Vereinbarkeit mit den Grundrechten Grundsätzlich richtet sich das EMBAG an die zentrale Bundesverwaltung einschliesslich der dem Gesetz unterstellten dezentralen Verwaltungseinheiten (vgl. Art. 2 Abs. 1 und 2) und begründet keine Rechte oder Pflichten des Einzelnen gegenüber dem Staat. Es ist mit den Grundrechten vereinbar. Die Grundsätze in Artikel 3 sollen namentlich das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung und den Grundsatz der Rechtsgleichheit (diskriminierungsfreier Zugang zu Behördendiensten) sicherstellen.

Der Entwurf berührt ferner die Wirtschaftsfreiheit in drei Punkten: ­

117

Bei der Übertragung von Aufgaben auf Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung bezieht diese unter Umständen Leistungen dieser Organisationen, ohne vorgängig ein Beschaffungsverfahren durchzuführen. Diese Vergabe bleibt aber innerhalb der Staatssphäre und kann sich auf die beschaffungsrechtlichen Ausnahmeklauseln stützen. Ein vergaberechtsfreier Leistungsbezug ist unter diesen Umständen mit der Wirtschaftsfreiheit vereinbar.

Vgl. OGD-Strategie, Ziff. 1.

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­

Die dem Gesetz unterstehenden Behörden werden bei der Entwicklung von Software verpflichtet, den Quellcode als OSS offenzulegen, wenn es möglich und sinnvoll ist und die Rechte Dritter gewahrt werden. Ob eine solche Freigabe den Grundsatz der staatsfreien Wirtschaft berührt, ist umstritten. Entscheidend ist, ob die unentgeltliche Weitergabe von Software als wirtschaftliche Tätigkeit betrachtet wird oder nicht. Bejaht man die Frage, so gelten die Einschränkungen gemäss dem Grundsatz der staatsfreien Wirtschaftsordnung.

Nach diesem setzt eine wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes voraus, dass die Tätigkeit im öffentlichen Interesse liegt, eine formell-gesetzliche Grundlage besteht, verhältnismässig ist und der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität gewahrt bleibt Mit der Schaffung einer formell gesetzlichen Grundlage sind diese Voraussetzungen gewahrt.

­

Eine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit könnte sich allenfalls ergeben, wenn Anbieter von OSS in den Beschaffungsverfahren des Bundes gegenüber Anbietern proprietärer Software bevorzugt würden. Dies ist nicht der Fall. Mit der Einschränkung, dass Rechte Dritter zu wahren sind, wird klargestellt, dass keine Verpflichtung besteht, bei Beschaffungen nur Anbieter von OSS zu berücksichtigen. Ob eine solche Verpflichtung mit der Wirtschaftsfreiheit vereinbar wäre, braucht deshalb nicht geprüft zu werden. Die Wirtschaftsfreiheit wird auch in dieser Hinsicht nicht tangiert.

7.1.1

Kompetenz zum Abschluss von Vereinbarungen im Bereich E-Government

Gestützt auf Artikel 48 Absatz 2 BV kann sich der Bund im Rahmen seiner verfassungsmässigen Kompetenzen an Vereinbarungen zwischen den Kantonen beteiligen.

Die Ermächtigung des Bundesrats, Vereinbarungen über die Zusammenarbeit im Bereich E-Government mit den Kantonen abzuschliessen, leitet sich aus Artikel 48 Absatz 2 BV in Verbindung mit dem neu geschaffenen Artikel 4 E-EMBAG ab. Eine derartige Zusammenarbeit (im Sinne des vertikalen kooperativen Föderalismus) ist jedoch nur innerhalb der verfassungsmässigen Kompetenzen von Bund und Kantonen möglich.

Soweit Vereinbarungen mit anderen Staaten und ausländischen bzw. internationalen Organisationen im E-Government-Bereich beabsichtigt werden, verschafft Artikel 54 Absatz 1 BV dem Bund die erforderliche Verfassungsgrundlage. Der Bund hat aber bei der Ausgestaltung der Beziehungen zum Ausland Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone zu nehmen und ihre Interessen zu wahren (Art. 54 Abs. 3 BV).

Staatsverträge unterstehen der Genehmigung durch die Bundesversammlung, sofern nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist. Eine derartige Ermächtigung des Bundesrats zum selbstständigen Vertragsabschluss ist mit Artikel 4 Absatz 4 E-EMBAG ausdrücklich vorgesehen.

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7.1.2

Kompetenz zum Beschluss von Beteiligungen im Bereich E-Government

Die Regelungszuständigkeit des Bundes betreffend Beteiligungen an Organisationen bzw. Unternehmen ergibt sich überall dort, wo der Bundesgesetzgeber über eine Gesetzgebungskompetenz in der Sache verfügt. Dementsprechend sieht der Gesetzestext vor, dass eine Beteiligung des Bundes an Organisationen stets an die Erfüllung von Bundesaufgaben geknüpft ist (vgl. die Erläuterungen zu Art. 5 E-EMBAG). Eine spezifische Verfassungsgrundlage für Beteiligungen des Bundes an Organisationen im Bereich des E-Government liegt nicht vor, vielmehr ergibt sich diese Kompetenz annexweise aus der jeweiligen Bundeszuständigkeit.

7.1.3

Übertragung von Verwaltungsaufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten

Die vorgesehene Übertragung von Verwaltungsaufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeiten an eine Organisation ausserhalb der Bundesverwaltung, nämlich die Durchführung von Beschaffungsverfahren, macht eine formell-gesetzliche Grundlage erforderlich (Art. 178 Abs. 3 BV). Neben dem in Artikel 178 Absatz 3 BV ausdrücklich genannten Erfordernis der Ermächtigung durch Gesetz werden bei den sich künftig auf die geschaffene Norm (Art. 8 E-EMBAG) stützenden Aufgabenauslagerungen jeweils noch weitere rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten sein (insb.

öffentliches Interesse an der Auslagerung, Sicherstellung des Rechtsschutzes, dauernde Funktionstauglichkeit, Aufsicht, Grundrechtsbindung).

7.1.4

Kompetenzen für die weiteren Regelungsinhalte des Gesetzes

Die Freigabe von OSS, der Betrieb und die Bereitstellung von IKT-Mitteln durch den Bund, die Festlegung von Standards, die Erstellung von Schnittstellen, der Betrieb einer Interoperabilitätsplattform und die Durchführung von Pilotversuchen sind Teil der effizienten und zielgerichteten Verwaltungsführung im Sinne von Artikel 178 Absatz 1 BV.

Die genannten Anwendungsfelder für den Einsatz elektronischer Mittel sind allesamt als Aspekte der Bedarfsverwaltung zu werten, die bei der Verwirklichung einer effizienten und zielgerichteten Verwaltungsführung unterstützenden Charakter haben.

Auch hier ergibt sich die Bundeskompetenz annexweise aus den jeweiligen Verfassungsgrundlagen der zu erfüllenden Verwaltungsaufgaben.

Die OGD-Strategie umfasst Datensammlungen, die im Rahmen der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben von den Verwaltungseinheiten der zentralen Bundesverwaltung erhoben oder erstellt werden. Die verfassungsrechtliche Grundlage zur Regelungskompetenz des Bundes in Sachen offener Verwaltungsdaten geht somit einher mit der jeweiligen Verfassungsbestimmung des einzelnen Fachbereichs, die auch die Bearbeitung, insbesondere die Publikation von Daten, abdeckt.

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In der Bundesverwaltung ist umstritten, ob der pauschale «Open Data»-Grundsatz bei Ämtern, für die das Bereitstellen von Daten eine Hauptaufgabe ist (MeteoSchweiz, Swisstopo, BFS, BAR), ausreichend bestimmt sei, um dem Verfassungsgrundsatz der Gesetzmässigkeit (Legalitätsprinzip) wie auch der Gewaltenteilung zu entsprechen.

Laut der einen Ansicht überliesse der Gesetzgeber damit der Exekutive einen zu grossen Spielraum, Gratisleistungen der Verwaltung ohne effektive Steuerung durch das Gesetz festzulegen und von kostenpflichtigen Leistungen abzugrenzen.

7.1.5

Vereinbarkeit mit Rechts- und Bundesstaat, Demokratieprinzip und Gewaltenteilung

Die Verlagerung von Entscheiden, insbesondere über den Einsatz staatlicher Mittel auf verschiedene Ebenen der Kooperation (insb. Vereinbarungen und Entscheide von Vereinbarungsorganen; siehe Ziff. 4.2.1) bringt eine Verschiebung von Entscheidzuständigkeiten auf die Exekutiven mit sich. Diese können ihren Einfluss entweder direkt bei der Aushandlung und beim Abschluss von Vereinbarungen oder indirekt durch die Stimmabgabe in Vereinbarungsorganen ausüben.

Am Beispiel der Organisation Polizeitechnik und -informatik Schweiz und der diesbezüglichen Vereinbarung zwischen den Kantonen und dem Bund lässt sich dies gut illustrieren, konkret anhand der Auswirkungen auf den Bund: Zunächst soll der Bundesrat mit einer ähnlichen Bestimmung wie dem vorliegenden Artikel 4 ermächtigt werden, die Vereinbarung selbstständig abzuschliessen (vgl. Art. 1 des Zentralstellengesetzes vom 7. Oktober 1994118). Sodann sind je nach Wichtigkeit der Angelegenheit immer Exekutivvertreterinnen und -vertreter zuständig, die Interessen des Bundes in den Vereinbarungsorganen zu vertreten. Insbesondere das oberste Organ, genannt strategische Versammlung, funktioniert zwar gewissermassen als Parlament der Organisation, besteht aber seinerseits aus den Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren der Kantone und der Vorsteherin oder dem Vorsteher des EJPD und kann somit nicht als demokratisches Parlament betrachtet werden. Haben die Vereinbarungsorgane ein Projekt der Polizeitechnik und -informatik lanciert und die betreffenden Regeln definiert, können die einzelnen Gemeinwesen bei diesen Leistungen nur noch als Bezüger mitmachen oder aussen vor bleiben; weitere Optionen bleiben ihnen nicht. Das Parlament kann damit jedenfalls auf Ebene des Bundes nur äusserst grundsätzliche Entscheide selber fällen, konkret über allgemein gehaltene Voraussetzungen der Mitgliedschaft in der Organisation und allenfalls, durch die Bewilligung oder Verweigerung von Krediten, über den Bezug von Leistungen. Insgesamt gilt aber das «take it or leave it»-Prinzip: Eine Detailberatung der diversen Regelungen in einem Parlament kann nicht stattfinden. Analoges gilt für die Referendumsfähigkeit der Regelungen. Da der Anspruch einer gemeinsamen Steuerung durch die beteiligten Gemeinwesen bzw. deren Exekutiven besteht, ist auch der verfassungsrechtlich an sich gebotenen Aufsicht über die verwaltungsexternen Träger von Verwaltungsaufgaben ein enger Rahmen gesteckt.

118

SR 360, Fassung gemäss BBl 2020 7741.

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Diese Nachteile der Kooperation von Gemeinwesen sind aus dem Staatsvertragsrecht bekannt und müssen dort in Kauf genommen werden, weil es auf internationaler Ebene kaum gleichwertige Alternativen zu vertraglichen Regelungen gibt. Im Bereich der innerstaatlichen Zusammenarbeit gilt es abzuwägen, ob der Nutzen der Kooperation diese Nachteile aufwiegen kann. Alternativ wäre entweder auf die Kooperation zwischen Bund und Kantonen zu verzichten oder aber eine neue Bundeskompetenz zu schaffen, den Kantonen auch ausserhalb jeder sonstigen Bundeskompetenz Leistungen der Bedarfsverwaltung anzubieten und sie im Rahmen des Erforderlichen zum Bezug solcher Leistungen und zur Einhaltung von Standards zu verpflichten.

7.1.6

Handhabung des Legalitätsprinzips bei der Regelung von Pilotversuchen

Die Schaffung von Rechtsgrundlagen für Pilotversuche, die von Gesetzesbestimmungen abweichen, muss bestimmte Kriterien erfüllen, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtmässigkeit zu genügen.

Die wichtigste Voraussetzung ist, dass das Gesetz den Zweck des Pilotversuchs hinreichend präzisiert. In Bezug auf Artikel 15 E-EMBAG ergibt sich der Zweck aus Artikel 1 Buchstabe b des Gesetzes und betriff den Ausbau und die Weiterentwicklung des Einsatzes elektronischer Mittel zur Unterstützung der Erfüllung von Behördenaufgaben. Obschon dieser sehr allgemeine Zweck an sich zu offen und weit gefasst ist, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsetzungsdelegation für Pilotversuche zu genügen, können diese bei Artikel 15 dennoch als erfüllt gelten, insofern der sich a priori aus einem so allgemeinen Zweck ergebende Handlungsspielraum durch mehrere Faktoren erheblich eingeschränkt wird. Zum einen ist die Möglichkeit, vom Gesetz abzuweichen, auf drei spezifische Bereiche beschränkt (Datenschutz, Informationsschutz, IKT-Sicherheit; Art. 15 Abs. 3 E-EMBAG); in einem dieser Bereiche, dem Datenschutz, ist die neue Bestimmung sogar subsidiär zur spezifischen Regelung für Pilotvorhaben nach Artikel 35 DSG (Art. 15 Abs. 2 E-EMBAG). Zum andern dürfen Pilotversuche nur technische Erprobungen betreffen (Art. 15 Abs. 1 Bst. d E-EMBAG). Und schliesslich entbindet die Möglichkeit zur Abweichung von gesetzlichen Bestimmungen in diesen drei Bereichen nicht von der Pflicht die Ziele zu erfüllen, die mit der Bestimmung, von der abgewichen wird, verfolgt werden (Art. 15 Abs. 3 E-EMBAG): Der Pilotversuch kann andere Mittel erproben, um den gesetzlich verfolgten Zweck wie zum Beispiel die IKT-Sicherheit zu erreichen, er darf aber nicht ohne spezifische formelle Rechtsgrundlage Regelungen erproben, die nicht dem gesetzlichen Zweck der Regelung entsprechen, von der abgewichen wird.

Regelungen, die für Teilnehmende an Pilotversuchen abweichend von einer gesetzlichen Bestimmung gelten, müssen auf dem Weg der Rechtsetzung erlassen werden.

Dies ist bei Artikel 15 E-EMBAG mit der vorgesehenen Departementsverordnung der Fall (Art. 15 Abs. 4). In Anbetracht des sehr technischen Bereichs, den Pilotversuche nach Artikel 15 betreffen, ist bei dieser direkten Subdelegation durch das Gesetz an die Departemente davon auszugehen, dass sie mit der verfassungsmässigen Kompetenz des Bundesrats zum Gesetzesvollzug (Art. 182 BV) vereinbar ist.

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Zudem muss der Anwendungsbereich der Pilotversuche limitiert sein. Diese Voraussetzung für Pilotversuche nach Artikel 15 wird in Absatz 1 Buchstabe f ausdrücklich erwähnt. Sie wird vom Bundesrat zu konkretisieren sein.

Eine weitere Voraussetzung des Legalitätsprinzips für Pilotversuche wird erfüllt, indem Artikel 15 von den Teilnehmenden die Einwilligung zur Teilnahme am Versuch verlangt (Art. 15 Abs. 1 Bst. g).

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Sie schafft keine Konflikte zu bestehenden internationalen Verpflichtungen, und es wird kein internationales Recht übernommen.

Am 6. Oktober 2017 hat die Schweiz im Rahmen der «Ministerial eGovernment Conference» in Estland die von EU und EFTA gemeinsame erarbeitete «Declaration on eGovernment» unterzeichnet. Die Deklaration, die rechtlich nicht verbindlich ist, enthält fünf zentrale Prinzipien für E-Government und soll als Leitfaden zur Weiterentwicklung dienen. Mit der Deklaration soll eine gemeinsame Basis gelegt werden, um die Digitalisierung der Verwaltung nicht nur national, sondern auch international voranzutreiben. Unter anderem sollen Dienstleistungsprozesse der Verwaltung möglichst digital und möglichst alles zur Verfügung stehen. Auch soll die Dateneingabe für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zuverlässig und sicher sein und nur einmal getätigt werden müssen. Zudem wird angestrebt, dass die IT-Systeme national und international kompatibel sind. Elemente dieser Deklaration betreffen auch die interkantonale und internationale Zusammenarbeit sowie den gegenseitigen Wissenstransfer und das Nutzen von Expertenwissen. Die Ziele der Deklaration stehen im Einklang mit den vom Bundesrat verabschiedeten Strategien in diesem Bereich.

Im Bereich des Vergaberechts gilt für die Schweiz das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (engl. Government Procurement Agreement; kurz GPA119), ein internationales plurilaterales Abkommen zwischen einzelnen Vertragsstaaten der World Trade Organisation (WTO), das den Zugang zu öffentlichen Aufträgen regelt. Das GPA verfolgt den Zweck, den internationalen Wettbewerb zwischen den Anbietern zu ermöglichen, damit die staatlichen Behörden das Ziel eines optimalen Einsatzes der öffentlichen Gelder bei der Beschaffung von Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen erreichen können. Zudem ist die Schweiz mit der EU über das bilaterale Abkommen über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens vom 21. Juni 1999120 verbunden, das ebenfalls auf den Regeln des GPA basiert. Dieser Vertrag dehnt den Anwendungsbereich des GPA auf die Bezirks- und Gemeindeebene aus und sieht eine gegenseitige Marktöffnung für Beschaffungen im Sektorenbereich vor. Eine Pflicht zur Übernahme
des EU-Vergaberechts ist im Abkommen nicht statuiert. Bemerkenswert ist dennoch, dass gemäss der RL 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche 119 120

SR 0.632.231.422 SR 0.172.052.68

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Auftragsvergabe (nachfolgend «Vergaberichtlinie») eine «zentrale Beschaffungsstelle» die Aufgabe hat, «entgeltlich oder unentgeltlich für andere öffentliche Auftraggeber Ankäufe zu tätigen, dynamische Beschaffungssysteme zu verwalten oder öffentliche Aufträge zu vergeben beziehungsweise Rahmenvereinbarungen zu schließen».121 Zentrale Beschaffungsstellen werden in der Vergaberichtlinie sodann definiert als «öffentliche Auftraggeber, die zentrale Beschaffungstätigkeiten und eventuell Nebenbeschaffungstätigkeiten ausüben»122. Die eOperations bzw. ihre Aufgaben auf dem Gebiet des Beschaffungswesens entsprechen dem Beschrieb und der Definition gemäss dieser Vergaberichtlinie, womit die eOperations vom EU-Recht als zentrale Beschaffungsstelle qualifiziert wird.

Im Bereich OGD gibt es keine internationalen Verpflichtungen, die die Schweiz umsetzen müsste.

7.3

Erlassform

Gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV erlässt die Bundesversammlung alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes.

Bereits die beabsichtigte Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, nämlich die Durchführung von Beschaffungsverfahren, macht eine formell-gesetzliche Grundlage erforderlich (Art. 178 Abs. 3 BV).

Aber auch für die Ermächtigung des Bundesrats, Beteiligungen des Bundes an Organisationen zu beschliessen, ergibt sich aus dem Subventionsrecht das Erfordernis einer formell-gesetzlichen Grundlage, weil Beteiligungen Subventions-Charakter (Finanzhilfe) haben.

Wie unter Ziffer 4.2.8 aufgezeigt, gilt es mit der formell-gesetzlichen Regelung zur Verwendung von OSS, die herrschenden rechtlichen Unsicherheiten zu klären, die sich daraus ergeben, dass keine hinreichend verbindliche Aussage möglich ist, ob der Staat OSS ohne gesetzliche Grundlage lizenzgebührenfrei weitergeben kann. Die Freigabe von OSS durch den Bund richtet sich zwar nicht gegen den Wettbewerb, kann aber dennoch Einfluss auf diesen haben, wie die in diesem Zusammenhang erstellten Gutachten ergeben haben. Die Rechtslage soll nun durch eine Gesetzesbestimmung geklärt werden.

Gemäss Artikel 164 Absatz 2 Buchstabe e BV sind auch die grundlegenden Bestimmungen über die Leistungen des Bundes in Form eines Bundesgesetzes zu erlassen.

Die Grundzüge von elektronischen Behördenleistungen des Bundes, insbesondere OGD, müssen demnach in einem formellen Gesetz geregelt werden.

121 122

Vgl. Erwägung 69 der Vergaberichtlinie.

Art. 2 Ziff. 16 RL 2014/24/EU.

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7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV sieht vor, dass Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neu einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neu wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte bedürfen.

Da sowohl die Subventionen (Finanzhilfen), die in Artikel 16 Absatz 3 E-EMBAG für die Anschubfinanzierung von Projekten der Agenda DVS begründet werden, als auch der Zahlungsrahmen in Artikel 16 Absatz 4 E-EMBAG diese Grenzwerte überschreiten, untersteht diese Gesetzesbestimmung sowie der Bundesbeschluss über den Zahlungsrahmen der Ausgabenbremse.

Eine Beteiligung des Bundes am Kapital von Organisationen gilt rechtlich als Subvention. Artikel 5 Absatz 1 E-EMBAG ist damit eine Subventionsbestimmung und würde der Ausgabenbremse unterstehen, wenn er Ausgaben nach sich ziehen würde, die die vorgenannten Höchstwerte überschreiten. Es sind zwar keine Beteiligungen des Bundes vorgesehen, welche Ausgaben in dieser Höhe auslösen könnten. Dennoch soll der Artikel 5 der Ausgabenbremse unterstellt werden.

Artikel 7 E-EMBAG schafft die Grundlage für die Ausrichtung von Finanzhilfen und untersteht deshalb der Ausgabenbremse. Es ist davon auszugehen, dass im Rahmen der Budgetprozesse einmalige Ausgaben beschlossen werden, die über den Schwellenwerten für die Anwendung der Ausgabenbremse liegen. Bei der Anschubfinanzierung nach Artikel 16 E-EMBAG ist zu erwarten, dass für die Umsetzung der Projekte der Agenda DVS erhebliche Ausgaben notwendig werden. Diese dürften in den Jahren 2024­2027 gegen 200 Millionen Franken erreichen. Daher untersteht auch Artikel 16 E-EMBAG der Ausgabenbremse. Auch diese Ausgaben werden über den ordentlichen Budgetprozess beantragt werden.

In Artikel 15 E-EMBAG werden die Voraussetzungen für die Durchführung von Pilotversuchen geregelt. Die Finanzierung solcher Vorhaben soll aus dem Budget der zentralen DTI-Mittel gemäss Artikel 33 VDTI ermöglicht werden. Es handelt sich dabei weder um Subventionen, noch um Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen, sodass die Bestimmung der Ausgabenbremse nicht untersteht.

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Subsidiaritätsprinzip Bei der Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben ist der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten (Art. 5a BV). Gemäss Artikel 43a Absatz 1 BV übernimmt der Bund nur die Aufgaben, welche die Kraft der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung durch den Bund bedürfen.

Gleichzeitig hat der Bund von seinen Kompetenzen einen schonenden Gebrauch zu machen und den Kantonen ausreichend Raum für die Aufgabenerfüllung zu überlassen. Der Bund beschränkt sich auf eine unterstützende und koordinierende Rolle und 112 / 116

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trägt damit dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung. Die Instrumente des E-EMBAG betreffen die Erfüllung bestehender Bundesaufgaben mit elektronischen Mitteln. Sie bewirken damit keine Verschiebung von Aufgaben der Kantone auf den Bund und sind mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar. Gleiches gilt für die vorgesehene Anschubfinanzierung in Artikel 16 E-EMBAG: Die Gewährleistung von Finanzmitteln soll die Verwirklichung von Projekten der Agenda DVS sicherstellen, die in Anbetracht der gemeinsamen Festlegung der Agenda sowohl im Interesse der Aufgabenerfüllung des Bundes wie auch der Kantone liegen.

Die in der Bundesverfassung verankerten Kompetenzen von Bund und Kantonen sind insbesondere im Rahmen von Zusammenarbeitsvereinbarungen nach Artikel 4 E-EMBAG und von Aufgabenübertragungen nach Artikel 8 E-EMBAG zu wahren.

Prinzip der fiskalischen Äquivalenz Nach dem in Artikel 43a Absätze 2 und 3 BV statuierten Prinzip der fiskalischen Äquivalenz trägt das Gemeinwesen, in dem der Nutzen einer staatlichen Leistung anfällt deren Kosten; das Gemeinwesen, das die Kosten einer staatlichen Leistung trägt, kann über die Leistungen bestimmen. Die Zusammenarbeit im Bereich E-Government kann für alle beteiligten Behörden einen Nutzen entfalten. Dies rechtfertigt es, die Kosten für gewisse Aufgaben gemeinsam und für spezifische Massnahmen differenziert durch die Staatsebenen tragen zu lassen.

Die Interessen an der Umsetzung der Projekte der Agenda DVS lassen sich zwar nicht eindeutig der einen oder anderen Staatsebene zuweisen, es ist aber festzuhalten, dass der Bund ein grosses Interesse an einem reibungslosen elektronischen Austausch mit den Kantonen hat. Entsprechend erlaubt die Regelung, wonach der Bund höchstens zwei Drittel der Kosten der Projekte der Agenda DVS finanziert, das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz zu wahren. Es ist aber bei jedem Projekt zu prüfen, welchen Nutzen der Bund hat und welchen Anteil der Finanzierung er entsprechend übernehmen kann.

7.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Finanzielle Leistungen des Bundes an Rechtssubjekte ausserhalb der Bundesverwaltung gelten als Subventionen. In der Gesetzesvorlage sind als Subventionen der Erwerb von Gesellschaftsanteilen an Organisation, die Anschubfinanzierung für Projekte der Agenda DVS sowie die Finanzhilfen zu qualifizieren.

Beteiligungen des Bundes an Organisationen (Art. 5 E-EMBAG) Das Interesse des Bundes, sich an einer Organisation ausserhalb der Bundesverwaltung bzw. Unternehmung, die im IKT- bzw. E-Government-Bereich tätig ist, zwecks Erfüllung seiner Aufgaben zu beteiligen, kann grundsätzlich verschiedene Beweggründe haben. In der Regel ist die Beteiligung durch Erwerb von Gesellschaftsanteilen mit der Übertragung von Verwaltungsaufgaben der administrativen Hilfstätigkeiten an die jeweilige Gesellschaft verknüpft.

Die konkret angestrebte Beteiligung des Bundes an der eOperations liegt im Interesse des Bundes, weil der Bund als Teil einer Einkaufs- bzw. Betriebsgemeinschaft aus 113 / 116

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Gemeinwesen verschiedener Stufen bei Beschaffungen von IKT oder Informatikdienstleistungen im Bereich IKT von Bündelungseffekten und damit verbunden attraktiven Einkaufskonditionen profitieren könnte. Nicht von minderer Bedeutung ist der Umstand, dass ein wesentlicher Mehrwert für die Bevölkerung, die Wirtschaft und auch die staatlichen Behörden selbst geschaffen werden kann, wenn die Gemeinwesen aller Stufen einheitliche oder zumindest auf einander abgestimmte IKT-Produkte beschaffen, um die durchgängig elektronische Abwicklung von Verwaltungsgeschäften oder den elektronischen Verkehr unter den Behörden voranzutreiben und auf Dauer zu gewährleisten.

Ohne eine Beteiligung des Bundes an der eOperations wäre es ihm nicht möglich, insbesondere von der Quasi-in-house-Ausnahme und damit dem vergaberechtsfreien Leistungsbezug von der eOperations zu profitieren. Theoretisch könnte sich der Bund zwar auch als Nichtträger der eOperations bei ihr IKT-Güter und Dienstleistungen beschaffen lassen und so allenfalls vom sogenannten In-State-Privileg (vgl. Art. 10 Abs. 3 Bst. b BöB) profitieren. Die Voraussetzungen des In-State-Privilegs sind aber weniger klar umrissen, weshalb sich daraus Rechtsunsicherheiten ergeben würden.123 Die inhaltliche Ausgestaltung der Subvention soll in Form des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen durch den Bund erfolgen. Durch diese Beteiligung wird der Bund zu einem Träger (neben anderen) der jeweiligen Organisation bzw. Unternehmung.

Beim geplanten ersten Anwendungsbeispiel der eOperations ist vorgesehen, dass der Bund mindestens eine Aktie zum Preis von 300 Franken (Nennwert von 100 Franken sowie eine Kapitaleinlagereserve von 200 Franken) erwirbt und dadurch von den Vorteilen der Beschaffungskooperation Nutzen ziehen kann.

Finanzhilfen (Art. 7 E-EMBAG) Neu soll der Bund auch Finanzhilfen ausrichten können an Projekte, die der technischen und organisatorischen Umsetzung der Zusammenarbeit im Bereich E-Government dienen. Die Finanzhilfen sind auf Projekte beschränkt, die dem Vollzug des Bundesrechts dienen (vgl. Art. 7 E-EMBAG).

Für die Ausrichtung von Finanzhilfen sieht der Entwurf vor, dass der Bund mit den Empfängern öffentlich-rechtliche Verträge abschliesst. Insbesondere bei längerfristigen Projekten ist auch der Abschluss von Programmvereinbarungen in Betracht zu ziehen.
Der finanzielle Umfang der Finanzhilfen ist in der vorliegenden gesetzlichen Grundlage nicht vorgegeben, dieser wird im Rahmen der ordentlichen Budgetprozesse zu bestimmen sein.

Anschubfinanzierung für Projekte der Agenda DVS (Art. 16 E-EMBAG) Die Bestimmung zielt insbesondere darauf ab, dass Finanzmittel des Bundes über die gemeinsam mit den Kantonen festgelegten Projekte an die Kantone (und auch Gemeinden) fliessen. Damit werden neue Subventionen eingeführt.

123

WEKO-Gutachten. Recht und Politik des Wettbewerbs (RPW 2014-4 S. 785 ff.).

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Die vorgesehene Anschubfinanzierung ermöglicht eine gemeinsame von Bund und Kantonen getragene Finanzierung von Projekten der Agenda DVS zur Verwirklichung dringend erforderlicher digitaler Infrastrukturen und Basisdienste für die digitale Verwaltung. Dabei handelt es sich um ein strategisches Ziel von hoher Priorität.

Ohne die Subventionierung ist davon auszugehen, dass die Projekte der Agenda DVS zur Förderung dringend erforderlicher digitaler Infrastrukturen und Basisdienste nicht oder nur in reduziertem Umfang umgesetzt werden könnten. Die Subvention garantiert die Umsetzung grundlegender Infrastrukturarbeiten im E-Government-Bereich, die für den Bund von grossem Interesse sind.

Die Organisation DVS steuert die Agenda DVS sowie die Projekte, stellt die Mitwirkung aller drei Staatsebenen und wichtiger Anspruchsgruppen sicher und bereitet die Entscheidungsgrundlagen für den Bund und die Kantone vor. Sie stellt die strategische und architektonische Abstimmung aller Projekte der DVS (Agenda, Umsetzungsplan und Arbeitsgruppen) untereinander und zu anderen nationalen Projekten sicher (z. B. sektoriellen Vorhaben). Die Projekte und Massnahmen können durch die Geschäftsstelle und Arbeitsgruppen der DVS sowie andere Organisationen umgesetzt werden (z. B. Ämter von Bund und Kantonen). Die bundesseitige Finanzierung der Projekte erfolgt nach einem vorgegebenen Kostenteiler (Bund: höchstens zwei Drittel / Kantone: mindestens ein Drittel).

Die Grundlage der Beitragsgewährung bildet die Vereinbarung der Kantone, an der sich der Bund beteiligt (Art. 16 Abs. 2). Zwingender Bestandteil dieser Vereinbarung ist die Festlegung der Höhe der von Bund und Kantonen zur Umsetzung der Agenda zu leistenden Beiträge. Das Verfahren der Beitragsgewährung richtet sich nach Artikel 16 SuG.

Die Subvention soll im Sinne einer Anschubfinanzierung wirken und wird befristet auf den Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2027. Eine degressive Ausgestaltung der Subvention ist nicht vorgesehen, weil die für die Finanzierung der Projekte benötigten Finanzmittel im Rahmen der Agenda DVS vorgängig festgelegt werden und der Bundesrat der Bundesversammlung zur Deckung des Finanzbedarfs des Bundes einen Zahlungsrahmen für vier Jahre beantragen wird.

7.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Vereinbarungen nach Artikel 4 können allenfalls Rechtssetzungsbefugnisse dahingehend beinhalten, als im Rahmen einer Vereinbarung Regelungen zum anwendbaren Recht getroffen werden können (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. d E-EMBAG).

Mit Artikel 7 Absatz 2 E-EMBAG wird dem Bundesrat die Befugnis delegiert, den Umfang der zu leistenden Finanzhilfen, die Art der Beiträge sowie die vom Empfänger zu erfüllenden Anforderungen und zu erbringenden Leistungen zu regeln.

Des Weiteren hat die Bestimmung zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der administrativen Hilfstätigkeit rechtsetzenden Charakter. Dem Bundesrat wird in Artikel 8 Absatz 1 E-EMBAG die Kompetenz übertragen, diese Aufgaben mittels Verordnung oder Vereinbarung auszulagern und dabei insbesondere Regelungen zum anwendbaren Recht und weiteren Regelungsinhalten zu treffen.

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Mit Artikel 10 Absatz 3 E-EMBAG wird der Bundesrat ferner beauftragt, bei Bedarf die Einzelheiten zum Rahmen der erforderlichen zusätzlichen Mittel für die Aufbereitung und Zurverfügungstellung zu regeln, die eine Veröffentlichung von Daten als OGD ausschliessen.

Dem Bundesrat wird schliesslich mit Artikel 11 Absatz 4 E-EMBAG die Befugnis delegiert, die Bemessung des Beitrags zu regeln, den die Kantone an die Kosten aus dem zur Verfügung gestellten Nutzung der IKT-Mittel zu tragen haben.

Die Gesetzesvorlage sieht darüber hinaus keine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen vor.

7.8

Datenschutz

Die Vorlage beachtet die datenschutzrechtlichen Vorgaben. Allfällige datenschutzrechtliche Fragestellungen können im Rahmen von Projekten, die gestützt auf die vorliegenden Rechtsgrundlagen durchgeführt werden, aufgeworfen werden und sind bei Bedarf im Rahmen des jeweiligen Projektes zu klären.

Zu erwarten ist, dass bei einzelnen Projekten spezialgesetzliche Bestimmungen zum Datenschutz herangezogen werden können oder aber geschaffen oder angepasst werden müssen.

Soweit Personendaten aus dem Betrieb von elektronischen Behördendiensten oder beim Datenaustausch über Schnittstellen betroffen sein sollten, sind die Bestimmungen des DSG zu berücksichtigen. Hier sind rechtliche Komplikationen zu erwarten, wie sie bei der gemeinsamen Nutzung von Datenbearbeitungssystemen durch Bund und Kantone typischerweise auftreten: So fragt sich, welche Behörde die Verantwortung für welchen Teil der Bearbeitung trägt. Für Betrieb und Sicherheit kann hier nur der Bund bzw. seine zuständige Behörde geradestehen; die bearbeiteten Datenbestände bzw. die Bearbeitungsvorgänge müssen jedoch durch Rechtsatz einer Behörde zugewiesen werden (Art. 34 DSG).

Personendaten, die aufgrund des Datenschutzes nicht veröffentlicht werden dürfen, fallen nicht in den Anwendungsbereich von OGD (Art. 10 Abs. 2 Bst. a E-EMBAG).

Mit den immer leistungsfähigeren Algorithmen und der künstlichen Intelligenz einerseits sowie zahlreichen öffentlich zugänglichen Datenbeständen andererseits besteht allerdings das Risiko, dass in bestimmten Fällen auch bei anonymisierten Daten, die grundsätzlich keine Personendaten darstellen und folglich nicht unter das DSG fallen, eine Re-Identifikation nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Dieses Risiko muss jede Verwaltungseinheit vor der Publikation evaluieren und gegebenenfalls von der Veröffentlichung als OGD absehen.

Werden im Rahmen von Pilotversuchen besonders schützenswerte Personendaten bearbeitet, so geht Artikel 35 DSG der hier vorgeschlagenen Rechtsgrundlage für Pilotversuche vor (vgl. Art. 15 Abs. 2 E-EMBAG). Andernfalls, bei der Bearbeitung gewöhnlicher Personendaten, wird der Kreis der Betroffenen angemessen beschränkt.

Zudem soll die Bearbeitung von Personendaten nur mit der Einwilligung der Betroffenen erfolgen, wobei sie die Einwilligung jederzeit zurückziehen können (Art. 15 Abs. 1 Bst. g E-EMBAG).

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