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22.047 Botschaft zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (Verlängerung der Bestimmungen zum Covid-19-Test bei der Ausschaffung) vom 3. Juni 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (Verlängerung der Bestimmungen zum Covid-19-Test bei der Ausschaffung).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. Juni 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2022-1729

BBl 2022 1359

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Übersicht Am 2. Oktober 2021 ist eine dringliche Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) mit Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2022 in Kraft getreten, wonach ausreisepflichtige Personen im Rahmen des Wegweisungsvollzugs verpflichtet sind, sich einem Covid-19-Test zu unterziehen. Da die wichtigsten Heimatund Herkunftsstaaten ausreisepflichtiger Personen, die meisten Dublin-Staaten sowie die Fluggesellschaften weiterhin einen negativen Covid-19-Test für die Rückübernahme beziehungsweise die Beförderung der von der Schweiz weggewiesenen Personen verlangen, soll die entsprechende Regelung im AIG bis zum 30. Juni 2024 verlängert werden.

Ausgangslage Im Frühjahr 2022 hat der Bundesrat die Aufhebung der Covid-19-Massnahmen gegenüber der Bevölkerung beschlossen, womit die besondere Lage nach Artikel 6 des Epidemiengesetzes endete.

Obwohl sich die Situation in Bezug auf Covid-19 in der Schweiz insgesamt stabilisiert hat und die Grenzen nach der Schliessung im Frühjahr 2020 für den Personenverkehr wieder offen sind, verlangen zahlreiche Heimat- oder Herkunftsstaaten, Dublin-Staaten sowie Fluggesellschaften immer noch einen negativen Covid-19-Test für die Rückübernahme beziehungsweise die Beförderung der von der Schweiz weggewiesenen Personen.

Die EU anerkennt das schweizerische Covid-Zertifikat, welches neben getesteten Personen auch solchen ausgestellt wird, die wirksam gegen Covid-19 geimpft worden sind oder eine Covid-19-Erkrankung durchgemacht haben. Die Impfbereitschaft ist aber trotz der Möglichkeit zur freiwilligen und kostenlosen Impfung bei Asylsuchenden in den Zentren des Bundes als äussert gering einzustufen und liegt aktuell unter einem Prozent.

Ohne die im AIG geregelte Testpflicht besteht die Gefahr, dass sich ausreispflichtige Personen erneut weigern können, sich einem Covid-19-Test zu unterziehen, um damit den Vollzug der Wegweisung in den Heimat- oder Herkunftsstaat oder in den zuständigen Dublin-Staat zu verhindern.

Die ersten Erfahrungen mit der im AIG seit dem 2. Oktober 2021 eingeführten Testpflicht für ausreisepflichtige Personen aus dem Ausländer- und Asylbereich sind durchwegs positiv. Die meisten Kantone haben die entsprechende Regelung bereits erfolgreich angewendet. Vom 2. Oktober 2021 bis Ende 2021 konnte der Wegweisungsvollzug aufgrund der im AIG vorgesehenen
Durchsetzung der Testpflicht bei ausreispflichtigen Personen in insgesamt 82 Fällen sichergestellt werden, da die Einreisebestimmungen der entsprechenden Herkunftsstaaten oder Dublin-Staaten eingehalten werden konnten. Im ersten Quartal 2022 waren 64 solche Fälle zu verzeichnen.

Damit die Kantone ihre Vollzugsaufgabe weiterhin erfüllen können, soll die entsprechende Regelung im AIG bis zum 30. Juni 2024 verlängert werden.

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Inhalt der Vorlage Die Geltungsdauer der in Artikel 72 AIG geregelten Testpflicht endet am 31. Dezember 2022. Der Bundesrat möchte aufgrund der pandemiebedingten unsicheren Situation sicherstellen, dass dieses bewährte Instrument den für den Wegweisungsvollzug zuständigen Kantonen auch über das Jahr 2022 hinaus zur Verfügung steht. Es soll deshalb dem Parlament beantragt werden, diese dringliche Regelung bis zum 30. Juni 2024 zu verlängern.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Die Covid-19-Situation hat auch den Migrationsbereich vor grosse Herausforderungen gestellt. So kam es im Frühjahr 2021 immer häufiger vor, dass sich ausreisepflichtige Personen aus dem Ausländer- und Asylbereich geweigert haben, sich einem Covid-19-Test zu unterziehen, um damit den Vollzug ihrer Wegweisung zu verhindern. Deshalb ist am 2. Oktober 2021 eine dringliche Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes vom 16. Dezember 20051 (AIG) in Kraft getreten, wonach ausreisepflichtige Personen aus dem Ausländer- und Asylbereich im Rahmen des Wegweisungsvollzuges verpflichtet sind, sich einem Covid-19-Test zu unterziehen (Art. 72 Abs. 1 AIG). Unterziehen sich die betroffenen Personen nicht freiwillig einem solchen Test, können die für den Vollzug zuständigen Behörden diese Personen gegen ihren Willen einem Covid-19-Test zuführen, wenn der Vollzug nicht durch andere mildere Mittel sichergestellt werden kann. Bei Minderjährigen unter 15 Jahren ist die zwangsweise Zuführung zu einem Covid-19-Test und dessen zwangsweise Durchführung ausgeschlossen (Art. 72 Abs. 3 AIG).

Im Frühjahr 2022 hat der Bundesrat die Aufhebung der Covid-19-Massnahmen gegenüber der Bevölkerung beschlossen, womit die besondere Lage nach Artikel 6 des Epidemiengesetzes vom 28. September 20122 endete.

Obwohl sich die Situation in Bezug auf Covid-19 insgesamt stabilisiert hat und die Grenzen nach der Schliessung im Frühjahr 2020 für den Personenverkehr wieder offen sind, verlangen zahlreiche Heimat- oder Herkunftsstaaten, Dublin-Staaten (z. B.

Italien, Deutschland und Österreich) sowie Fluggesellschaften immer noch einen negativen Covid-19-Test für die Rückübernahme beziehungsweise die Beförderung der von der Schweiz weggewiesenen Personen. Insbesondere im afrikanischen und asiatischen Raum setzen zum aktuellen Zeitpunkt nahezu alle Staaten für Personen ohne Impfnachweis weiterhin einen negativen Covid-19-Test für die Einreise voraus. Von den zehn wichtigsten Heimat- und Herkunftsstaaten der ausreisepflichtigen Personen verlangen aktuell neun einen negativen Covid-19-Test für die Einreise (Irak verlangt seit 1. April 2022 eine Impfung).

Aufgrund der volatilen Situation in Bezug auf Covid-19 ist zum heutigen Zeitpunkt nicht absehbar, ab wann die Heimat- und Herkunftsstaaten, die Dublin-Staaten sowie die Transportunternehmen
von einem Covid-19-Test absehen werden. Es ist damit zu rechnen, dass diese auch bei der aktuellen Stabilisierung der Covid-19-Situation noch während einer längeren Zeit solche Tests verlangen werden. Es kann zudem auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Covid-19-Situation in der Schweiz beziehungsweise weltweit aufgrund neuer Virusvarianten im Herbst 2022 erneut verschlechtert.

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SR 142.20 SR 818.101

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Zwar anerkennt die EU das schweizerische Covid-Zertifikat, welches neben getesteten Personen auch solchen ausgestellt wird, die wirksam gegen Covid-19 geimpft worden sind oder eine Covid-19-Erkrankung durchgemacht haben. Die Impfbereitschaft ist aber trotz der Möglichkeit zur freiwilligen und kostenlosen Impfung bei Asylsuchenden in den Zentren des Bundes als äusserst gering einzustufen und liegt aktuell unter einem Prozent.

Die ersten Erfahrungen mit der im AIG seit dem 2. Oktober 2021 eingeführten Testpflicht sind durchwegs positiv. Die meisten Kantone haben die entsprechende Regelung bereits erfolgreich angewendet. Vom 2. Oktober 2021 bis Ende 2021 konnte der Wegweisungsvollzug aufgrund der im AIG vorgesehen zwangsweisen Durchsetzung der Testpflicht bei ausreispflichtigen Personen in insgesamt 82 Fällen sichergestellt werden, da die Einreisebestimmungen der entsprechenden Herkunftsstaaten oder Dublin-Staaten eingehalten werden konnten. Im ersten Quartal 2022 waren 64 solche Fälle zu verzeichnen. Die abnehmende Anzahl Fälle zwischen dem 4. Quartal 2021 und dem 1. Quartal 2022 zeigt auch, dass die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung von Covid-19-Tests sich positiv auf die Bereitschaft, sich freiwillig einem Covid-19-Test zu unterziehen, auswirkt. Mit der im AIG geregelten Testpflicht wurde den Kantonen im Dublin-Bereich zudem ein Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem wirksam vermieden werden kann, dass aufgrund einer Verfristung nach dem Dublin-Verfahren noch ein nationales Asylverfahren durchgeführt werden muss.

Ohne die Testpflicht besteht die Gefahr, dass sich ausreispflichtige Personen erneut weigern können, sich einem Covid-19-Test zu unterziehen, um damit den Vollzug ihrer Wegweisung in den Heimat- oder Herkunftsstaat oder in den zuständigen Dublin-Staat zu verhindern. Damit die Kantone diese wichtige Vollzugsaufgabe weiterhin erfüllen können, soll die entsprechende Regelung im AIG, welche bis zum 31. Dezember 2022 gilt, bis zum 30. Juni 2024 verlängert werden. Dieser Zeitpunkt wurde analog zur geplanten Änderung des Covid-19-Gesetzes vom 25. September 20203 gewählt, mit der einige notwendige Bestimmungen bis zum Sommer 2024 verlängert werden sollen. Um den Wegweisungsvollzug in dieser volatilen Situation lückenlos sicherstellen zu können, soll dem Parlament zudem beantragt werden, die Verlängerung dieser Geltungsdauer als dringlich zu erklären.

1.2

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die hier beantragte dringliche Änderung des AIG ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 20204 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 20205 über die Legislaturplanung 2019­2023 vorgesehen. Die Covid19-Epidemie und deren Auswirkungen waren nicht vorhersehbar, als der Bundesrat die Botschaft zur Legislaturplanung verabschiedet hat. Aus diesem Grund bestehen auch keine Schnittstellen zur Finanzplanung und zu den Strategien des Bundesrates.

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SR 818.102 BBl 2020 1777 BBl 2020 8385

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Vorverfahren

Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20056 (VlG) ist für Gesetzesvorlagen, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten, eine Vernehmlassung durchzuführen. Bei der Vorbereitung der Änderung vom 1. Oktober 20217 des AIG (Covid-19-Test bei der Ausschaffung), mit der die Testpflicht in Artikel 72 eingeführt wurde, wurde vom 23. Juni 2021 bis zum 7. Juli 2021 eine Vernehmlassung durchgeführt8. Da mit dieser Vorlage lediglich die Geltungsdauer von Artikel 72 AIG verlängert werden soll und die Vorlage keinerlei inhaltlichen Änderungen enthält, wurde auf eine Vernehmlassung gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG verzichtet, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt und keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren.

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Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Im Frühjahr 2021 hat der Rat der EU einen Fragebogen zu den Rückführungsaktivitäten im Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie lanciert. Gestützt auf die entsprechenden Rückmeldungen der EU- und Schengen-Mitgliedstaaten sowie die Erkenntnisse des SEM aus dem laufenden Austausch mit den Partnerbehörden hat sich gezeigt, dass die meisten europäischen Staaten ebenfalls mit der Problematik der Testverweigerung konfrontiert sind. Zum jetzigen Zeitpunkt verfügen Deutschland und Dänemark über eine Rechtsgrundlage, wonach Personen vor der Rückführung verpflichtet werden können, sich einem Covid-19-Test zu unterziehen, und ein solcher Test auch zwangsweise durchgesetzt werden kann.

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Erläuterungen zur Vorlage

Die Geltungsdauer von Artikel 72 AIG, der mit der Änderung vom 1. Oktober 2021 eingeführt wurde und bis zum 31. Dezember 2022 befristet ist, wird bis zum 30. Juni 2024 verlängert.

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Auswirkungen auf den Bund und die Kantone

Mit der Verlängerung der Geltungsdauer von Artikel 72 AIG bis zum 30. Juni 2024 können mittel- bis längerfristig sowohl beim Bund wie auch bei den Kantonen weiterhin coronabedingte Mehrkosten verhindert werden, da dadurch der Wegweisungsvollzug ausreisepflichtiger Personen aus dem Ausländer- und Asylbereich weiterhin sichergestellt werden kann. Insbesondere können auch bei den Kantonen weiterhin 6 7 8

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SR 172.061 AS 2021 587 Vgl. Botschaft vom 11. August 2021 zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (Covid-19-Test bei der Ausschaffung), Ziff. 2, BBl 2021 1901.

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hohe Mehrausgaben im Bereich der Nothilfe vermieden werden. Auch kann dadurch verhindert werden, dass der Bund gestützt auf den automatischen Anpassungsmechanismus in der Folge die Nothilfepauschale erhöhen muss (Art. 30a der Asylverordnung 2 vom 11. August 19999).

Für Personen aus dem Ausländerbereich können den Kantonen weiterhin geringe Mehrkosten für die Durchführung der Covid-19-Tests entstehen. Beim Bund entstehen geringe Mehrkosten für die Durchführung der Covid-19-Tests für Personen aus dem Asylbereich. Bereits heute übernimmt der Bund entsprechende Kosten für Personen aus dem Asylbereich (vgl. Art. 92 des Asylgesetzes vom 26. Juni 199810). Die Testkosten variieren je nach Anbieter zwischen 50 und 300 Franken pro Person. Diese Kosten werden jedoch bereits heute vom Bund und von den Kantonen getragen, auch wenn sich die betroffene Person freiwillig einem Covid-19-Test unterzieht.

Die Vorlage hat keine personellen Auswirkungen auf Bund und Kantone.

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Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit und Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Bei dieser Vorlage handelt es sich lediglich um eine Verlängerung der bereits bestehenden Bestimmungen, welche mit den verfassungs- und völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar sind. Somit ist die Verlängerung dieser Bestimmungen ebenfalls mit den entsprechenden Verpflichtungen vereinbar.

Der Entwurf zur Verlängerung der dringlichen Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes stützt sich auf Artikel 121 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)11 (Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich Gewährung von Asyl sowie Aufenthalt und Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländer).

6.2

Erlassform

Die Verlängerung der Geltungsdauer von Artikel 72 AIG unterliegt denselben Voraussetzungen und folgt demselben Verfahren wie bei dessen Einführung. Gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Die Verpflichtung zur Durchführung eines Covid-19-Tests stellt einen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit, insbesondere der körperlichen Unversehrtheit, dar (Art. 10 BV), dessen Einschränkung einer genügenden gesetzlichen Grundlage bedarf. Aus diesem Grund wurde die entsprechende Regelung im AIG verankert und es bedarf deshalb auch für die Verlängerung einer Änderung des AIG.

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SR 142.312 SR 142.31 SR 101

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Um einen lückenlosen Übergang zu garantieren, muss der Gesetzesentwurf in der Herbstsession 2022 durch den Erstrat und in der Wintersession 2022 durch den Zweitrat behandelt werden. Aufgrund der aktuellen Situation in Bezug auf Covid-19 sowie des Umstandes, dass weiterhin von zahlreichen Staaten sowie Luftverkehrsunternehmen Covid-19-Tests verlangt werden, besteht weiterhin ein unmittelbarer Handlungsbedarf. Aus diesem Grund soll die Verlängerung der Geltungsdauer von Artikel 72 AIG ebenfalls für dringlich erklärt und sofort in Kraft gesetzt werden (Art. 165 Abs. 1 BV).

6.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen (die Ausgaben über einem der Schwellenwerte nach sich ziehen) geschaffen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen (mit Ausgaben über einem der Schwellenwerte) beschlossen.

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