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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 17. September 1889.)

Herr Rudolf S t a u f f e r , Fabrikant in Murgenthal (Aargau), hat beim Bundesrath Beschwerde erhoben gegen einen Entscheid der Regierung des Kantons Bern, vom 23. März 1889, betreffend Patenttaxauflage. Der Bundesrath hat dieselbe gestützt auf folgende Erwägungen abgewiesen : I. Seit 1877 haben die Kantone in ihren Gesetzen über Markt- und Hausirverkehr auch das Aufsuchen von Bestellungen bei andern Personen als solchen, welche mit dem betreffenden Artikel Handel treiben oder ihn in ihrem Gewerbe verwenden, unter den Begriff des Hausirens gestellt und mit Patentgebühren belegt.

Bei der Festsetzung von Gebühren sind die Kantone in sehr verschiedener Weise vorgegangen. Auch die Frage, ob kantonsansäßigen Gewerbsleuten gleichfalls Pateattaxen auferlegt werden sollen, wurde von ihnen verschieden gelöst. Einige Kantone (Aargau, Basel-Landschaft, Glarus, Luzern, Schaffhausen, beide Unterwaiden, Zug, Zürich) besteuern Kantonsansäßige ganz gleich wie Kantonsfremde ; andere belasten die ersteren weniger stark (so Appenzell A. Rh., Freiburg, St. Gallen, Thurgau); wieder andere (darunter Appenzell I, Rh., Graubünden, Uri, Tessin, Wallis, Solothurn -- seit 1885 -- und Bern) belegen die im Kanton Niedergelassenen mit keiner Patenttaxe; eine vierte Kategorie von Kantonen endlich (Basel-Stadt, Waadt, Neuenburg, Genf) berührt diese Frage in ihren Gesetzen nicht.

Der Bundesrath hat sich dieser buntfarbigen kantonalen Gesetzgebung gegenüber von jeher darauf beschränkt, in konkreten Beschwerdefällen die Anwendung der Taxbestimmungen zu prüfen und eine Herabsetzung der Gebühren zu verlangen, wenn sie durch ihre Höhe zur Verunmöglichung des Gewerbebetriebs führen konnten.

II. Von diesem Standpunkte aus kann gegen die von der Kantonsbehörde dem § 5 des Berner Hausirgesetzes gegebene Auslegung, zufolge welcher nur die mit persönlichem Wohnsitz im Kanton niedergelassenen (,,einwohnenden") Gewerbetreibenden von der Patentauflage für Aufsuchung von Bestellungen bei Nichtgewerbe-

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genossen befreit sein sollen, bundesrechtlich nichts eingewendet werden. Da der Rekurrent unbestrittenermaßen nicht im Kanton Bern wohnt, so fragt es sich bloß, ob die ihm auferlegte Patentgebühr von monatlich Fr. 60 eine allzu hohe, sein Gewerbe allzu sehr belastende sei.

III. Bei Prüfung dieser Frage fällt namentlich in Betracht, in welchem Maße der Rekurrent von der auf sein Zweiggeschäft in Langenthal gelegten ordentlichen Einkommens- (Erwerbs-) Steuer betroffen wird. Denn es leuchtet ein, daß er die Konkurrenz der im Kanton Bern wohnenden Geschäftsinhaber nicht auszuhalten vermöchte und deßhalb sein Gewerbe nicht betreiben könnte, wenn er für die Aufsuchung von Bestellungen gleichzeitig mit der ordentlichen Erwerbssteuer und einer als Aequivalent für diese letztere geltenden Patentgebühr belastet wäre, während die im Kanton Bern wohnenden Konkurrenten bloß die Erwerbssteuer zu entrichten hätten.

Es geht nun aber aus einem Bericht der Steuerkommission von Langenthal, d. d. 30. August 1889, hervor, daß der Rekurrent ausschließlich für seinen dortigen Geschäftsverkehr, ohne Einrechnung des Ertrages, welchen er aus den von ihm im Kanton Bern aufgesuchten Warenbestellungen erzielt, mit der ordentlichen Staatsund Gemeindesteuer belegt ist. Infolge dessen kann gegen die Höhe der ihm auferlegten Patentgebühr vom Standpunkte des Artikel 31 der Bundesverfassung aus nichts eingewendet werden.

(Vom 23. September 1889.)

Die Statthaltern für Tyrol und Vorarlberg hat die Einfuhr von Vieh aus Böhmen in die genannten Provinzen verboten, dagegen die Durchfuhr durch dieselben gestattet.

Diese Durchfuhr durch Tyrol und namentlich durch Vorarlberg würde das seucheverdächtige Vieh direkt der Schweiz zuleiten.

Gestützt auf Art. II des Uebereinkommens zwischen der Schweiz und Oesterreich-Ungarn vom 31. März 1883 und mit Rücksicht darauf, daß ein direkter Transit des Viehs nach Frankreich, Italien und Deutschland zur Zeit ausgeschlossen ist, hat der Bundesrath die Einfuhr böhmischen Viehs bis auf Weiteres verboten.

(Vom 24. September 1889).

Der Bundesrath hat als Attachés der schweizerischen Gesandtschaft in Paris ernannt : Hrn. Guillaume Du P a s q u i e r , von Neuenburg, Doktor der Rechte, und Hrn. Edmond de G r e n u s , Advokat, von Bern.

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Der Bundesrath hat, in Ablehnung der von den Bahngesellschaften gegen die Verfügungen des Eisenbahndepartements erhobenen Beschwerden, verlangt: 1) daß den Schnellzügen der Suisse Occidentale- und Simplonbahn 9/10, 68/71 und 48/49 vom 15. Oktober 1889 an Wagen III. Klasse beigegeben werden müssen ; 2) daß die Züge der Jura-Bern-Luzernbahn 31 und 38 auf der Strecke Bern-Biel und 3) der Zug der Vereinigten Schweizerbahnen 4/82 Chur-Sargans während der ganzen Winterfahrplanperiode geführt werden müssen.

An die zu Fr. 15,429 veranschlagten Kosten für Ergänzuugsarbeiten an der Lizerne- Verbauung wurde dem Kanton Wallis ein Bundesbeitrag von 40 % und ein Beitrag von 10 % aus der Hülfsmillion, an die zu Fr. 124,500 veranschlagten Kosten der MoësaKorrektion (Gemeinde Soazza) dem Kanton Graubünden ein Buudesbeitrag von 40 °/o zugesichert.

Der Bundesrath hat Hrn. Joseph Fuchs, Arzt, von Einsiedeln (Schwyz), zum Oberlieuteuant der Sanitätstruppen ernannt.

Die Lebensversicherungsgesellschaft E q u i t a b l e in New-York hat dem Bundesrathe zwei neue Polizenformulare zur Genehmigung vorgelegt.

Bis jetzt hat dieselbe in der Schweiz zwei Arten von Versich erungspolizen ausgegeben, wovon die eine als ,, H a l b - T o n ti nonP o l i z e", die andere als ,, F r e i - T o n t i n e n - " oder ,, O b l i g a t i o n s p o l i x e " bezeichnet ist. Während in materieller Beziehung der Vertrag auf Grundlage der sogenannten Freitontinen-Poli/e sich von einem solchen auf Grund der beiden neuen Polizen nur wenig unterscheiden würde und auch die Prämien die gleichen sind, besteht dagegen in der Form (Fassung und Gestaltung) der letztern eine weitgehende Abweichung. Die bis jetzt auf dem Rücken der Polisse enthaltenen Versicherungsbedingungeu sind auf der einen der neuen Polizen ganz weggelassen, auf der andern nur unvollständig wiedergegeben. Die Gesellschaft erklärt, sie werde dieselben in Zukunft in den Versicherungsantrag aufnehmen. Sie hat auch das gedruckte Formular eines solchen Antrages beigefügt.

Der Bundesrath hat die Verwendung der zwei neuen Polizenformulare nicht gestattet. Er hat nämlich gefunden, dieselben seien offenbar ausschließlieh zu Zwecken der Reklame aufgestellt worden

89 und ihre Verwendung könnte zu Mißbrauch und Verwechslungen führen. Es soll durch diese Polizen beim Publikum der Glaube hervorgerufen werden, als ob sie einen ganz andern Charakter hätten als diejenigen aller übrigen Gesellschaften; als ob sie mit den Formal-Verpflichtungen des Handelsrechts, dem Wechsel, Check, Ordrebillet u. dgl. auf gleicher Stufe ständen. Wie sehr die Gesellschaft bemüht ist, diesen Schein hervorzurufen, geht aus den auf die neuen Polizen bezüglichen Publikationen hervor. Darin kehrt immer wieder die Behauptung, daß die neue Polize ein dem Bankwechsel gleichstehendes einfaches Zahlungsversprechen sei. (,,The New Policy is [liké a bank draft] a simple Promise to paytt.)

Diese Behauptung ist aber falsch. Die neue Polize ist auch in der jetzigen Gestalt nur eine Urkunde über einen zweiseitigen sogenannten diskreten oder auf materieller causa beruhenden Vertrag, und nicht ein abstraktes Zahlungsversprechen oder eine Skripturalobligation.

(Vom 25. September 1889.)

Die sofortige Eröffnung des regelmäßigen Betriebes auf der schmnlspurigen Appenzeller Straßenbahn St. G a l l e n - G a i s wird unter gewissen Vorbehalten gestattet.

(Vom 27. September 1889.)

Herr Major Z i e g l e r , Heinrich, in Winterthur, ist unter Beförderung zum Oberstlieutenant zum Divisionsarzt der VI. Division ernannt worden.

Vom Bundesrath sind gewählt worden: (am 24. September 1889) zum Zollkontroleur in Waldshut: Hr. Adolf Bader, von Holderbank (Aargau), bisher Gehülfe der Zollverwaltung ; (am 27. September 1889) zum Zolleinnehmer beim Niederlagshaus Basel : Hr. Karl Hitz, von Seewis (Graubünden) , gegenwärtig Zollkontroleur in Basel; zur Telegraphistin in Dagmersellen : Jgfr. Maria Josepha Staffelbach, von Dagmersellen, Posthalterin daselbst.

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