BBl 2022 www.bundesrecht.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

22.050 Botschaft zur Änderung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (Anerkennung ausländischer Handelsplätze für den Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz) vom 22. Juni 2022

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. Juni 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2022-2011

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Übersicht Der Bundesrat erliess unmittelbar gestützt auf Artikel 184 der Bundesverfassung am 30. November 2018 die Massnahme zum Schutz der Schweizer Börseninfrastruktur (Schutzmassnahme), nachdem die Europäische Kommission die im Recht der Europäischen Union (EU) vorgesehene Börsenäquivalenz für die Schweiz bis zu diesem Datum nicht verlängert hatte. Die Schutzmassnahme stellt sicher, dass EU-Wertpapierfirmen an Schweizer Handelsplätzen auch ohne EU-Börsenäquivalenz weiterhin Schweizer Aktien handeln können. Damit die Schutzmassnahme nicht ersatzlos ausläuft, beantragt der Bundesrat mit der vorliegenden Vorlage die Überführung der Schutzmassnahme in das Finanzmarktinfrastrukturgesetz.

Ausgangslage EU-Wertpapierfirmen können gemäss der EU-Aktienhandelspflicht Aktien grundsätzlich nur an Handelsplätzen in der EU oder in Jurisdiktionen handeln, die von der EU als gleichwertig anerkannt werden (sog. Börsenäquivalenz). Soweit die Aktienhandelspflicht auch die an Schweizer Börsen gehandelten Schweizer Aktien erfasst, können EU-Wertpapierfirmen diese Aktien nur dann an Schweizer Handelsplätzen handeln, wenn die EU die Schweizer Börsen als gleichwertig anerkennt.

Die Europäische Kommission liess die Börsenäquivalenz für die Schweiz per 30. Juni 2019 definitiv auslaufen. In der Folge aktivierte das Eidgenössische Finanzdepartement die vom Bundesrat bereits am 30. November 2018 beschlossene Schutzmassnahme. Diese stellt sicher, dass EU-Wertpapierfirmen an Schweizer Handelsplätzen auch ohne EU-Börsenäquivalenz weiterhin Schweizer Aktien handeln können. Da die EU-Börsenäquivalenz weiterhin fehlt, bleibt die Bedeutung der Schutzmassnahme gegenüber der EU hoch und ein Auslaufen derselben hätte erhebliche Risiken und Unsicherheiten zur Folge.

Die Schutzmassnahme wurde durch den Bundesrat in der Form einer unmittelbar auf Artikel 184 Absatz 3 der Bundesverfassung gestützten Verordnung erlassen. Diese war im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben angemessen zu befristen und konnte nur einmal verlängert werden. Mit dieser Botschaft unterbreitet der Bundesrat der Bundesversammlung innert der gesetzlichen Frist von sechs Monaten die Überführung der Schutzmassnahme in das Finanzmarktinfrastrukturgesetz, da ansonsten die Verordnung mit Ablauf der Frist (d. h. per 30. Juni 2022) ausser Kraft treten würde.

Inhalt der
Vorlage Die Schutzmassnahme zielt auf den Schutz und Erhalt einer funktionsfähigen Schweizer Börseninfrastruktur als wesentliches Element des Schweizer Finanzplatzes ab. Mit der ergriffenen Massnahme hat der Bundesrat die negativen Auswirkungen vermieden, die dem Börsen-, Finanz- und Wirtschaftsstandort Schweiz durch die fehlende Börsenäquivalenz der EU drohten. Mit der Überführung ins ordentliche Recht soll diese Schutzwirkung weiterhin sichergestellt werden.

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Die beantragte Regelung, die im Wesentlichen der bisherigen Verordnung entspricht, erreicht ihre Schutzwirkung dadurch, dass der Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz an ausländischen Handelsplätzen nur dann zulässig ist, wenn das einschlägige ausländische Finanzmarktrecht keine einschränkenden Bestimmungen enthält, die den Handel mit solchen Beteiligungspapieren an Schweizer Handelsplätzen erheblich beeinträchtigen. Der derzeit einzige Anwendungsfall dieser Schutzwirkung ist das Fehlen der EU-Börsenäquivalenz.

Der Bundesrat ist weiterhin der Auffassung, dass die Schweiz sämtliche Voraussetzungen für die unbeschränkte Anerkennung der Gleichwertigkeit der schweizerischen Börsenregulierung durch die EU erfüllt. Er setzt sich daher im Rahmen seiner europapolitischen Agenda weiterhin für eine unbefristete Gewährung der Börsenäquivalenz als klar bevorzugte und für alle Beteiligten beste Lösung ein. Die Überführung der bisherigen Verordnung in ordentliches Recht ändert daran nichts. Entsprechend ist die vorgeschlagene Regelung befristet und zudem so ausgestaltet, dass sie bei einer Gewährung der Börsenäquivalenz durch die EU oder einer für die Schweiz massgeblichen Anpassung der EU-Aktienhandelspflicht vorzeitig deaktiviert werden kann.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1

Ausgangslage gegenüber der Europäischen Union

Wertpapierfirmen, die in der Europäischen Union (EU) domiziliert sind, können gemäss der EU-Aktienhandelspflicht seit dem 3. Januar 2018 Aktien grundsätzlich nur an Handelsplätzen in der EU oder in Jurisdiktionen handeln, die von der EU diesbezüglich als gleichwertig anerkannt werden (vgl. Art. 23 MiFIR1 und Art. 25 MiFID2).

Die EU-Aktienhandelspflicht gilt dabei im Wesentlichen für Aktien, die an einer Börse in der EU zum Handel zugelassen sind oder an einem Handelsplatz in der EU gehandelt werden.

In der Konsequenz können EU-Wertpapierfirmen Schweizer Aktien an Schweizer Börsen grundsätzlich nur dann handeln, wenn die EU die Schweizer Börsen als gleichwertig anerkennt (sog. Börsenäquivalenz). Dies ist von grosser Bedeutung für den Finanzplatz Schweiz, da die grosse Mehrheit des Aktienhandels an der SIX Swiss Exchange, der grössten Schweizer Börse, durch ausländische Wertpapierfirmen erfolgt.

Die Europäische Kommission anerkannte am 21. Dezember 2017 die Schweizer Börsenregulierung befristet für ein Jahr als äquivalent und machte eine Verlängerung von der Entwicklung der damals laufenden Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen abhängig. Der Bundesrat setzte die Massnahme zum Schutz der Schweizer Börseninfrastruktur (Schutzmassnahme) am 30. November 2018 in Kraft, nachdem die Europäische Kommission die Börsenäquivalenz der Schweiz bis zu diesem Datum nicht verlängert hatte. Seit dem 1. Januar 2019 gilt für ausländische Handelsplätze somit eine Anerkennungspflicht, wenn sie bestimmte Aktien von Schweizer Gesellschaften zum Handel zulassen oder den Handel mit solchen Aktien ermöglichen. Die Schutzmassnahme wurde dabei so ausgestaltet, dass sie in der Praxis keine Wirkung entfaltet hat, solange die Börsenäquivalenz galt.

Im Dezember 2018 verlängerte die Europäische Kommission die Börsenäquivalenz bis 30. Juni 2019. Danach liess die Europäische Kommission aber die Börsenäquivalenz per 30. Juni 2019 auslaufen. In der Folge aktualisierte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) per 1. Juli 2019 die Liste der Jurisdiktionen, die ihre Marktteilnehmer beim Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der

1

2

Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (Markets in Financial Instruments Regulation, «MiFIR»), ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84.

Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (Markets in Financial Instruments Directive, «MiFID»), ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349.

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Schweiz an Schweizer Handelsplätzen einschränken, und aktivierte damit die Schutzmassnahme gegenüber der EU und deren Mitgliedstaaten. Die Schutzmassnahme stellt sicher, dass EU-Wertpapierfirmen an Schweizer Handelsplätzen auch ohne EUBörsenäquivalenz weiterhin Schweizer Aktien handeln können.

1.1.2

Börsenäquivalenz mit dem Vereinigten Königreich

Am 31. Januar 2020 endete die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs (UK) in der EU, wobei das UK während einer Übergangsperiode an den gesamten EURechtsbestand gebunden blieb. In der Folge aktivierte das EFD die Schutzmassnahme auch gegenüber dem UK. Am 31. Dezember 2020 lief diese Übergangsperiode für das UK aus.

Die Schweiz und das UK normalisierten in der Folge die gegenseitigen Börsenbeziehungen: Die britische Regierung anerkannte hierzu die Schweizer Börsenregulierung als gleichwertig und legte diesen Entscheid dem britischen Parlament vor. Die Anerkennung der Gleichwertigkeit trat am 3. Februar 2021 in Kraft. Seither können im UK domizilierte Wertpapierfirmen an Schweizer Handelsplätzen unabhängig von der Schweizer Schutzmassnahme wieder ohne Einschränkungen durch die auch im britischen Recht vorgesehene Aktienhandelspflicht handeln. Dies betrifft über 40 Prozent aller an der SIX Swiss Exchange zugelassenen ausländischen Marktteilnehmer.3 In der Folge konnte das EFD die Schweizer Schutzmassnahme gegenüber dem UK umgehend deaktivieren. Am gleichen Tag erteilte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) den britischen Handelsplätzen die notwendige Anerkennung, sodass auch der Handel mit Schweizer Aktien an den britischen Börsen wiederaufgenommen werden konnte. Der Marktanteil britischer Handelsplätze im Handel mit Schweizer Aktien bewegt sich seither wieder in etwa in der gleichen Grössenordnung wie vor Einführung der Schutzmassnahme.

1.1.3

Weiterhin grosse Unsicherheit durch die Aktienhandelspflicht

Mit Bezug auf die Schutzmassnahme bedeutet die Börsenäquivalenz mit dem UK eine wichtige Entspannung der Situation. Gegenüber der EU ist die Bedeutung der Schutzmassnahme insbesondere aus folgenden Gründen weiterhin hoch: ­

3

Erstens gilt die EU-Aktienhandelspflicht nach Artikel 23 MiFIR unverändert fort, und die EU hat die Schweizer Regulierung diesbezüglich nach wie vor nicht (wieder) als gleichwertig anerkannt (vgl. Art. 25 MiFID). Zwar hat die für die Auslegung der Aktienhandelspflicht zuständige Aufsichtsbehörde der Die Liste der von der FINMA zugelassenen ausländischen Teilnehmer an der SIX Swiss Exchange kann abgerufen werden unter: www.finma.ch > FINMA Public > Bewilligte Institute, Personen und Produkte > Liste der bewilligten ausländischen Teilnehmer, bewilligten Schweizer Finanzmarktinfrastrukturen sowie anerkannten ausländischen Finanzmarktinfrastrukturen.

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EU, die European Securities and Markets Authority (ESMA), ausdrücklich mit Bezug auf den Brexit ihre Auslegung leicht angepasst, sich dabei aber weder generell zu Drittstaaten noch spezifisch zur Schweiz geäussert. Zudem ist die Auslegung der ESMA nicht rechtsverbindlich.

­

Zweitens wird ein wesentliches Handelsvolumen in Schweizer Aktien an Schweizer Börsen von in der EU bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) domizilierten Marktteilnehmern verantwortet, die fast 60 Prozent aller an der SIX Swiss Exchange zugelassenen ausländischen Marktteilnehmer ausmachen.4 Diese Marktteilnehmer fallen grundsätzlich unter die EUAktienhandelspflicht und sind durch diese potenziell im Handel von Aktien an Schweizer Handelsplätzen eingeschränkt.

­

Drittens haben im Zuge des Brexit verschiedene Händler Ableger in der EU bzw. dem EWR gegründet, um weiterhin von den weitgehenden Freizügigkeiten innerhalb der EU bzw. dem EWR zu profitieren, die vom Standort London aus nicht mehr in Anspruch genommen werden können. In der Folge könnte der Anteil ausländischer Marktteilnehmer mit Sitz in der EU bzw. dem EWR an Schweizer Handelsplätzen künftig noch zunehmen.

Aus all den genannten Gründen kommt der Schutzmassnahme gegenüber der EU weiterhin hohe Bedeutung zu. Die möglichen Risiken und Unsicherheiten, die bei einem Auslaufen der Schutzmassnahme drohen, sind erheblich. Es ist daher angezeigt, die Schutzmassnahme zur Minderung dieser Risiken in ordentliches Recht zu überführen.

Eine Neubeurteilung der Schutzmassnahme ist vorzunehmen, wenn die EU die Aktienhandelspflicht in ihrer Verordnung (d. h. MiFIR) anpassen würde. Die Europäische Kommission hat im Rahmen der laufenden Überprüfung von MiFID/MiFIR vorgeschlagen, die Aktienhandelspflicht auf EU/EWR-Aktien einzuschränken. Eine definitive Beurteilung kann seitens der Schweiz aber erst nach Abschluss des derzeit laufenden EU-Gesetzgebungsverfahrens vorgenommen werden.

1.1.4

Gesetzlicher Rahmen für die Verlängerung der Schutzmassnahme

Die Schutzmassnahme wurde durch den Bundesrat in der Form einer unmittelbar auf Artikel 184 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV)5 gestützten Verordnung erlassen, der Verordnung vom 30. November 20186 über die Anerkennung ausländischer Handelsplätze für den Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz (nachfolgend «Verordnung» genannt).

4

5 6

Die Liste der von der FINMA zugelassenen ausländischen Teilnehmer an der SIX Swiss Exchange kann unter www.finma.ch > FINMA Public > Bewilligte Institute, Personen und Produkte > Liste der bewilligten ausländischen Teilnehmer, bewilligten Schweizer Finanzmarktinfrastrukturen sowie anerkannten ausländischen Finanzmarktinfrastrukturen abgerufen werden.

SR 101 SR 958.2

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Eine unmittelbar auf Artikel 184 Absatz 3 BV gestützte Verordnung ist angemessen zu befristen. Die Geltungsdauer darf gemäss dem Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 19977 (RVOG) dabei maximal vier Jahre betragen (Art. 7c Abs. 2 RVOG). Im konkreten Fall wurde die Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2021 festgelegt (Art. 6 der Verordnung). Der Bundesrat kann diese nur einmalig verlängern, was mit Beschluss vom 17. November 2021 erfolgt ist. Der Bundesversammlung ist ab Inkrafttreten der Verlängerung innert sechs Monaten der Entwurf einer gesetzlichen Grundlage für den Inhalt der Verordnung zu unterbreiten, da ansonsten die Verordnung mit Ablauf der sechs Monate (d. h. per 30. Juni 2022) automatisch ausser Kraft tritt (Art. 7c Abs. 3 RVOG). Dem kommt der Bundesrat vorliegend nach.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Der Bundesrat ist weiterhin der Auffassung, dass die Schweiz sämtliche Voraussetzungen für die unbeschränkte Anerkennung der Gleichwertigkeit der schweizerischen Börsenregulierung durch die EU erfüllt. Auch die Europäische Kommission hat festgehalten, dass die Schweiz alle vier Bedingungen für die Börsenäquivalenz erfüllt.8 Das Ziel des Bundesrates und die beste Lösung für alle betroffenen Marktakteure in der Schweiz und im Ausland bleibt damit eine unbefristete Gewährung der Börsenäquivalenz. Diese wurde seitens der EU allerdings bis heute nicht (wieder) gewährt. Deshalb ist gegenüber der EU die Schutzmassnahme nach wie vor in Kraft.

Der Bundesrat hat mit der Verlängerung der Schutzmassnahme mit Beschluss vom 17. November 2021 seine Kompetenz zur Verlängerung derselben ausgeschöpft. Eine weitere Verlängerung ist nur durch die Überführung in ordentliches Recht möglich.

Das EFD hat in diesem Zusammenhang im Auftrag des Bundesrates ein Auslaufen der Schutzmassnahme geprüft. Aus den bereits dargelegten Gründen ist der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass ein Auslaufen der Schutzmassnahme zu erheblichen Risiken und Unsicherheiten einschliesslich möglicher Marktverwerfungen führen könnte. Ebenfalls schliesst das EFD u. a. aus regelmässigen Kontakten mit betroffenen Marktakteuren, dass sich die Schutzmassnahme bislang bewährt hat.

Der Bundesrat schlägt deshalb die Überführung der Schutzmassnahme gemäss der Verordnung in ordentliches Recht ohne wesentliche materielle Änderungen vor. Die vorgeschlagenen geringfügigen Anpassungen sind im Wesentlichen formeller Natur und werden in den Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln (s. Ziff. 5) ausgeführt.

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SR 172.010 Vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2017/2441 der Kommission vom 21. Dezember 2017 über die Gleichwertigkeit des für Börsen in der Schweiz geltenden Rechts- und Aufsichtsrahmens gemäss der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 344 vom 23.12.2017, S. 52, Vorbemerkungen Nr. 25 sowie im Einzelnen Nr. 14, Nr. 18, Nr. 21 und Nr. 24.

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1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Das Thema der Börsenäquivalenz ist in der Botschaft vom 29. Januar 20209 zur Legislaturplanung 2019­2023 bereits dargelegt. Die konkrete Vorlage war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Aus den vorstehend dargelegten Gründen ist nun die Überführung der Schutzmassnahme in ordentliches Recht angezeigt.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Die Vorlage wurde in der Vernehmlassung ausnahmslos positiv aufgenommen. Namentlich wurde einhellig begrüsst, dass der Inhalt der Verordnung mit nur formalen Anpassungen in das Finanzmarktinfrastrukturgesetz vom 19. Juni 201510 (FinfraG) überführt werden soll. Rund die Hälfte der Teilnehmer betonten dabei, dass die unbefristete Börsenäquivalenz weiterhin das Ziel des Bundesrates sein soll, und begrüssten in diesem Zusammenhang die Befristung der Vorlage. Mehrere Eingaben stellen die Vorlage zudem in den europapolitischen Kontext und forderten diesbezüglich eine «Deblockierung» bzw. eine Fortführung des Dialogs mit der EU.

Mehrere Teilnehmer der Vernehmlassung sehen zudem durch den Brexit und das seither erhöhte Handelsvolumen an Handelsplätzen in der EU bzw. dem EWR eine Verschärfung der Situation, weshalb sie der Schutzmassnahme eine noch grössere Bedeutung zumessen.

Nur vereinzelte Akteure brachten konkrete Anliegen oder Änderungsvorschläge vor.

Insbesondere schlug eine Teilnehmerin vor, die Ausnahme von der Anerkennungspflicht für den Handel mit denjenigen Beteiligungspapieren deutlich auszuweiten, die zum Zeitpunkt der Einführung der Schutzmassnahme sowohl an einer Börse in der Schweiz als auch an einer Börse im Ausland ­ jeweils mit ausdrücklicher Zustimmung der emittierenden Gesellschaft und unter Übernahme von entsprechenden Pflichten durch die Emittentin ­ zum Handel zugelassen oder kotiert waren (sog. Doppelkotierung). Mehrere Akteure lehnten diesen Einzelvorschlag ausdrücklich ab; sie wiesen insbesondere auf ein erhöhtes Risiko für die Umgehung der Schutzmassnahme hin.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Die Schweiz verfügt über keine mit der EU-Aktienhandelspflicht vergleichbare Einschränkung des Aktienhandels (siehe zur EU-Aktienhandelspflicht Ziff. 1). Dasselbe gilt für viele andere Jurisdiktionen mit namhaften Finanzplätzen, z. B. die USA oder

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Hongkong. Neben der EU verfügt im Wesentlichen nur noch das UK über eine vergleichbare Aktienhandelspflicht, die durch Übernahme des EU-Rechts im Rahmen des European Union (Withdrawal) Act 201811 Eingang in britisches Recht gefunden hat. Die britische Regierung hat allerdings kürzlich beschlossen, dem Parlament die Abschaffung der Aktienhandelspflicht zu beantragen.12 In der Folge wird die EU der einzige relevante Rechtsraum sein, der eine solche Aktienhandelspflicht kennt. Anders als im Bereich der international weit verbreiteten Derivatehandelspflichten gibt es auch keine international verbindlichen Standards, die eine Aktienhandelspflicht erfordern würden.

Die EU-Behörden sind sich der grenzüberschreitenden Aspekte der EU-Aktienhandelspflicht bewusst. So hat die ESMA im November 2017 festgehalten, dass das Fehlen von Gleichwertigkeitsentscheidungen zu Problemen beim Handel mit NichtEU Aktien führen kann.13 Vor diesem Hintergrund würde ­ so die ESMA ­ die Europäische Kommission Äquivalenzentscheide für jene Nicht-EU-Jurisdiktionen vorbereiten, deren Aktien systematisch und häufig in der EU gehandelt würden.14 Soweit die Europäische Kommission demgegenüber keinen Äquivalenzentscheid für bestimmte Handelsplätze in Nicht-EU-Jurisdiktionen treffe, sei davon auszugehen, dass der Handel mit Aktien, die an einer Börse in diesem Drittstaat zum Handel zugelassen sind, in der EU nicht als systematisch, regelmässig und häufig betrachtet werden kann.15 Auch die Europäische Kommission hat festgehalten, dass die EU-Aktienhandelspflicht unter der Bedingung zur Anwendung kommt, dass der betreffende Aktienhandel in der EU einen signifikanten Anteil am globalen Handelsvolumen darstellt.16 Die EU hat bislang den USA, Hongkong und Australien die Börsenäquivalenz gewährt. Für diese Jurisdiktionen bestehen somit keine vergleichbaren Einschränkungen

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13

14

15 16

www.legislation.gov.uk/ukpga/2018/16 Whole Markets Review: Consultation Response, abrufbar unter: https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/ attachment_data/file/1057897/Wholesale_Markets_Review_Consultation_Response.pdf «ESMA is aware that the scope of the trading obligation in Article 23, and the absence of the relevant equivalence decisions, might cause issues for investment firms that wish to undertake trades in non-EEA shares in the primary listing venues of such shares. ESMA and the European Commission are working closely together to resolve those issues.» (vgl. ESMA FAQ vom 13.11.2017, abgerufen von www.esma.europa.eu; Stand: 29.11.2018, online mittlerweile nicht mehr verfügbar).

«While the Commission is preparing equivalence decisions for the non-EU jurisdictions whose shares are traded systematically and frequently in the EU, the absence of an equivalence decision taken with respect to a particular third country's trading venues indicates that the Commission has currently no evidence that the EU trading in shares admitted to trading in that third country's regulated markets can be considered as systematic, regular and frequent.» (vgl. ESMA FAQ vom 13.11.2017, abgerufen von www.esma.europa.eu; Stand: 29.11.2018, online mittlerweile nicht mehr verfügbar).

Vgl. Art. 23 Abs. 1 Bst. a MiFIR sowie ESMA FAQ vom 13.11.2017 (abgerufen von www.esma.europa.eu; Stand: 29.11.2018, online mittlerweile nicht mehr verfügbar).

«The EU trading obligation applies to shares listed on both exchanges in the recognised countries and in the EU («dual listings»), on condition that trading in the EU constitutes a significant percentage of the share's global trading volume» (vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 13.12.2017, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/ midday-express-13-12-2017.htm?locale=en#18; Stand 29.11.2018).

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beim Aktienhandel, wie sie für die Schweiz durch Nichtverlängerung der Börsenäquivalenz entstanden sind. Demgegenüber hat neben der Schweiz insbesondere das UK bislang keine solche Äquivalenz erhalten.17 Die Situation des UK ist jedoch eine andere als jene der Schweiz, insbesondere da im UK die grosse Mehrheit des Aktienhandels an Handelsplätzen im UK durch im eigenen Land domizilierte Wertpapierfirmen erfolgt. Zudem hat die ESMA im Zusammenhang mit dem Brexit ihre Auslegung der EU-Aktienhandelspflicht dahingehend geändert, dass der Anwendungsbereich im Verhältnis zu Grossbritannien gegenüber der ursprünglichen Auslegung deutlich eingeschränkt wurde. Die Börsenäquivalenz zur EU ist aus diesen Gründen für das UK von geringerer Bedeutung als für die Schweiz. In der Folge ist derzeit auch kein anderes Land bekannt, das der Schutzmassnahme vergleichbare Massnahmen ergriffen hätte.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Die vorgeschlagene Neuregelung zielt analog der bestehenden Verordnung auf den Schutz und Erhalt einer funktionsfähigen Schweizer Börseninfrastruktur als wesentliches Element des Schweizer Finanzplatzes. Damit sollen auch künftig die negativen Auswirkungen begrenzt werden, die dem Börsen-, Finanz- und Wirtschaftsstandort Schweiz durch die fehlende Börsenäquivalenz der EU und ohne Schutzmassnahme drohten. Die Vorlage schafft u. a. eine Grundlage, damit Wertpapierfirmen aus der EU trotz Fehlen der Börsenäquivalenz weiterhin Schweizer Aktien an Schweizer Börsen handeln können.

Der Bundesrat setzt sich weiterhin für eine unbefristete Gewährung der Börsenäquivalenz als klar bevorzugte und für alle Beteiligten beste Lösung ein. Die Überführung der bisherigen Verordnung in ordentliches Recht ändert nichts daran. Entsprechend ist die Vorlage so ausgestaltet, dass sie bei einer Gewährung der Börsenäquivalenz durch die EU sowie bei einer Abschaffung oder einer für die Schweiz massgeblichen Anpassung der EU-Aktienhandelspflicht in der Praxis keine Auswirkungen auf die Marktakteure mehr entfalten würde. Zudem ist die Vorlage befristet (siehe hierzu Ziff. 4.3 unten).

Beteiligungspapiere (z. B. Aktien) von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz werden nicht nur an Handelsplätzen in der Schweiz, sondern ­ ausgeprägter als Aktien von Gesellschaften aus vielen anderen Jurisdiktionen ­ auch an Handelsplätzen im Ausland gehandelt. Dies kann bewirken, dass sich ausländisches Finanzmarktrecht auch auf Schweizer Finanzmarktinfrastrukturen auswirken kann. In der Regel ergeben sich dadurch keine besonderen negativen Folgen für die Schweizer Börseninfrastruktur. In Einzelfällen kann sich das ausländische Finanzmarktrecht aber nachteilig auswirken oder gar die Funktionsfähigkeit der Schweizer Börseninfrastruktur beeinträchtigen.

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Eine Übersicht über die von der EU gewährten Äquivalenzen ist hier abrufbar: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/business_economy_euro/banking_and_finance/ documents/overview-table-e.

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Die Vorlage, die im Wesentlichen der bisherigen Verordnung entspricht, erreicht ihre Schutzwirkung dadurch, dass der Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz an ausländischen Handelsplätzen nur dann zulässig ist, wenn das einschlägige ausländische Finanzmarktrecht keine einschränkenden Bestimmungen enthält, die den Handel mit solchen Beteiligungspapieren an Schweizer Handelsplätzen erheblich beeinträchtigen. Der derzeit einzige Anwendungsfall dieser Schutzwirkung ist das Fehlen der EU-Börsenäquivalenz.

Wie dargelegt, dürfen EU-Wertpapierfirmen Aktien grundsätzlich nur an Handelsplätzen in der EU oder in Jurisdiktionen handeln, die von der Europäischen Kommission als gleichwertig anerkannt wurden (s. Ziff. 1.1 oben). Die EU-Aktienhandelspflicht gilt für Aktien, die (auch) an einer EU-Börse zugelassen sind oder an einem EU-Handelsplatz gehandelt werden, womit die EU-Aktienhandelspflicht potenziell auch viele Aktien von Schweizer Gesellschaften erfasst. Ohne Börsenäquivalenz ist es EU-Wertpapierfirmen somit grundsätzlich untersagt, weiterhin von der EU-Aktienhandelspflicht erfasste Aktien an Schweizer Handelsplätzen zu handeln. Ein Wegfall der von EU-Wertpapierfirmen verantworteten Handelsvolumina hätte erhebliche negative Auswirkungen auf den Handel mit Aktien von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz an Schweizer Handelsplätzen und damit auf die gesamte Schweizer Börseninfrastruktur als wesentliches Element des Schweizer Finanzplatzes. Längerfristig hätte der Wegfall womöglich auch erhebliche negative Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung in der Schweiz.

Die Wirkung der Schutzmassnahme mit Bezug auf die fehlende EU-Börsenäquivalenz ist folgende: Wenn Aktien von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz weder an einer EU-Börse zugelassen sind noch an einem EU-Handelsplatz gehandelt werden, greift nach Artikel 23 Absatz 1 MiFIR die EU-Aktienhandelspflicht für diese Aktien nicht und eine Börsenäquivalenz ist diesbezüglich nicht mehr erforderlich. Dasselbe gälte nach Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe a MiFIR selbst dann, wenn ein gewisses Handelsvolumen mit Schweizer Aktien an EU-Handelsplätzen verbleibt, dieser Aktienhandel aber auf nicht systematische Weise, ad hoc, unregelmässig und selten getätigt wird. Entsprechend zielt die Schutzmassnahme darauf ab, dass seit
Auslaufen der Börsenäquivalenz per 30. Juni 2019 in der EU kein Handel mehr mit Beteiligungspapieren (namentlich Aktien) von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz erfolgt, der entsprechende Aktienhandelspflichten nach sich ziehen würde. Dies wird erreicht, weil der auf ausländischen Handelsplätzen erfolgende Handel von Schweizer Beteiligungspapieren einer Anerkennungspflicht unterstellt und die Anerkennung dieser Handelsplätze davon abhängig gemacht wird, dass sich das betreffende ausländische Finanzmarktrecht nicht erheblich negativ auf den Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz an Schweizer Handelsplätzen auswirkt.

Somit bildet die Schutzmassnahme eine Grundlage, dass EU-Wertpapierfirmen seit dem 1. Juli 2019 auch ohne EU-Börsenäquivalenz weiterhin an Schweizer Handelsplätzen Schweizer Aktien handeln können, ohne die EU-Aktienhandelspflicht zu verletzen.

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4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die Vorlage übernimmt das Verfahren der bestehenden Verordnung und das Übergangsrecht ist so ausgestaltet, dass ausländische Handelsplätze, die bereits nach der Verordnung anerkannt wurden, keiner erneuten Anerkennung bedürfen (s. Ziff. 4.3 unten). Bei der FINMA fallen somit gegenüber dem Status quo keine zusätzlichen Aufgaben an und die Auswirkungen auf den Aufwand sind vernachlässigbar, sodass auch keine Anpassungen bei den Finanzen erforderlich sind (s. auch Ziff. 6.5 unten).

4.3

Umsetzungsfragen und Übergangsrecht

Für die Aufsicht und den aufsichtsrechtlichen Vollzug des FinfraG ist die FINMA zuständig (Art. 1 Abs. 1 Bst. h und Art. 3 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 200718, FINMAG). Wie im Geltungsbereich aller Finanzmarktgesetze, zieht die vorsätzliche sowie fahrlässige Ausübung einer bewilligungs-, anerkennungs-, zulassungs- oder registrierungspflichtigen Tätigkeit ohne entsprechende Bewilligung, Anerkennung, Zulassung oder Registrierung strafrechtliche Sanktionen nach sich (Art. 44 FINMAG). Die Anerkennungspflicht für ausländische Handelsplätze nach Artikel 41a der Vorlage ist von der Strafbestimmung von Artikel 44 FINMAG erfasst.

Der Strafrahmen von Artikel 44 FINMAG umfasst bei Vorsatz Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe und bei fahrlässigem Handeln Busse. Verfolgende und urteilende Behörde ist das EFD und gegebenenfalls letztlich das Bundesstrafgericht (Art. 50 FINMAG). Entsprechende strafrechtliche Sanktionen richten sich primär gegen die verantwortlichen natürlichen Personen des ausländischen Handelsplatzes (z. B. verantwortliche Mitarbeitende oder Mitglieder der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates). Unter den Voraussetzungen von Artikel 49 FINMAG kann eine Busse stellvertretend dem ausländischen Handelsplatz als juristischer Person auferlegt werden.

Die vorgeschlagene Anerkennungspflicht nach Artikel 41a der Vorlage entspricht weitgehend der Anerkennungspflicht nach der bestehenden Verordnung. Sie erfolgt insbesondere unter denselben Voraussetzungen und auferlegt keine neuen Pflichten.

Somit bedürfen ausländische Handelsplätze, die bei Inkrafttreten der beantragten Regelung über eine Anerkennung der FINMA nach der Verordnung verfügen, keiner neuen Anerkennung. Dies wird in den Übergangsbestimmungen ausdrücklich festgehalten. Da alle relevanten ausländischen Handelsplätze bereits nach der Verordnung anerkannt wurden und somit keiner erneuten Anerkennung bedürfen, bleibt der Aufwand bei der Einführung sowohl für die FINMA als auch für die betroffenen Handelsplätze vernachlässigbar. Im Übrigen sind die Prozesse der Anerkennung bereits erprobt und das Verfahren hierfür bleibt gegenüber der Verordnung unverändert.

Es wäre für alle Marktakteure im In- und Ausland vorteilhaft, wenn der Aktienhandel weder in der Schweiz noch in der EU oder anderswo Restriktionen
unterläge. Deshalb bleibt die unbefristete Gewährung der Börsenäquivalenz durch die EU das primäre Ziel des Bundesrates. Der Bundesrat hat in diesem Zusammenhang auch wiederholt 18

SR 956.1

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betont, dass die Schweiz alle Voraussetzungen für eine unbefristete Verlängerung der Börsenäquivalenz durch die Europäische Kommission erfüllt.19 Sollte die EU die Börsenäquivalenz erneut gewähren, blieben die Bestimmungen zwar in Kraft, würden in der Praxis aber keine Wirkung mehr entfalten. Konkret würde der Bundesrat, analog dem Vorgehen, das gegenüber dem UK gestützt auf die bisherige Verordnung im Februar 2021 erfolgte, die Liste nach Artikel 41c der Vorlage anpassen. In der Folge würden auch alle Handelsplätze in der EU die Voraussetzungen für die neue Anerkennung erfüllen und diese Anerkennung ohne Gesuch durch die FINMA erhalten, wiederum analog zum Vorgehen gegenüber dem UK. Im Übrigen würde der Bundesrat analog vorgehen, sollte eine Abschaffung oder Änderung der Aktienhandelspflicht im EU-Recht in Kraft treten, wonach der Handel mit Beteiligungspapieren an Schweizer Handelsplätzen nicht mehr erheblich beeinträchtigt wäre.

Trotz der vorgeschlagenen Überführung ins ordentliche Recht behält die Schutzmassnahme nach Ansicht des Bundesrates einen ausserordentlichen und temporären Charakter. Im konkreten Anwendungsfall der fehlenden EU-Börsenäquivalenz bleibt der Bundesrat zuversichtlich, dass die Schutzmassnahme in der langen Frist nicht mehr notwendig sein wird. Deshalb scheint es angezeigt, die Geltungsdauer der Schutzmassnahme auch weiterhin zu befristen.

Die Anerkennungspflicht nach Artikel 41a der Vorlage soll deshalb vorerst für eine Dauer von fünf Jahren ab Inkrafttreten befristet werden. Allerdings ist derzeit unklar, wie lange die Bestimmung erforderlich sein wird. Es wird deshalb vorgeschlagen, an den Bundesrat die Kompetenz zu delegieren, die Befristung der Anerkennungspflicht um jeweils längstens fünf Jahre zu verlängern. So wird sichergestellt, dass die Massnahme ihren Charakter als temporäre Schutzmassnahme behält und weiterhin auf Veränderungen im ausländischen Finanzmarktrecht reagiert werden kann. Gegenüber den Finanzmärkten kann damit auch rasch Rechtssicherheit geschaffen werden, was für deren reibungsloses Funktionieren von zentraler Bedeutung ist.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 41a

Anerkennungspflicht

Diese Bestimmung enthält die Anerkennungspflicht für Handelsplätze (d. h. namentlich Börsen, in der EU als «geregelte Märkte» bezeichnet, und multilaterale Handelssysteme) mit Sitz im Ausland. Die Anerkennungspflicht wird unverändert aus der Verordnung übernommen und erfährt in diesem Zusammenhang einzig formale Anpassungen.

Die Anerkennungspflicht ergänzt die bestehende Anerkennungspflicht nach Artikel 41 FinfraG. Beide Anerkennungspflichten stehen unabhängig nebeneinander. Ein 19

Vgl. insbesondere Medienmitteilung des Bundesrates vom 30. Nov. 2018 «Bundesrat setzt Massnahme zum Schutz der Schweizer Börseninfrastruktur in Kraft», abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Medienmitteilungen des Bundesrats.

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Handelsplatz mit Sitz im Ausland benötigt damit allenfalls zwei Anerkennungen: einerseits nach Artikel 41 FinfraG, wenn der ausländische Handelsplatz von der FINMA beaufsichtigten Schweizer Teilnehmern direkten Zugang gewährt; andererseits nach Artikel 41a, wenn am ausländischen Handelsplatz bestimmte Beteiligungspapiere von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz gehandelt werden oder der ausländische Handelsplatz einen solchen Handel ermöglicht.

Mit dem Zusatz «oder sie den Handel mit solchen Beteiligungspapieren anderweitig ermöglichen» (Abs. 1 Bst. a) wird klargestellt, dass die Anerkennungspflicht auch Konstellationen erfasst, in denen die Beteiligungspapiere nicht unmittelbar am ausländischen Handelsplatz gehandelt werden, sondern in denen der ausländische Handelsplatz Vorkehrungen trifft, um diesen Handel ­ beispielsweise mit Blick auf eine Umgehung der Anerkennungspflicht ­ zu ermöglichen.

Als Beteiligungspapiere gelten Aktien, Partizipations- oder Genussscheine sowie andere Beteiligungspapiere (vgl. Art. 2 Bst. i FinfraG). Von der Vorlage nicht erfasst sind Wandelanleihen als solche (zumindest bis sie zur Umwandlung angemeldet wurden), nach US-Recht begebene American Depository Receipts und Exchange Traded Funds (ETFs). Für die Anerkennungspflicht nach Artikel 41a der Vorlage ist vorausgesetzt, dass das Beteiligungspapier an einer Börse in der Schweiz kotiert ist oder an einem Handelsplatz (vgl. Art. 26 FinfraG) in der Schweiz gehandelt wird. Ist ein Beteiligungspapier einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz dagegen nicht an einer Schweizer Börse kotiert und findet auch kein Handel mit dem Beteiligungspapier an Schweizer Handelsplätzen statt, fehlt es am Schweizer Kapitalmarktbezug. Diesfalls unterliegt der ausländische Handelsplatz für dieses Beteiligungspapier keiner Anerkennungspflicht nach dieser Vorlage.

Absatz 2 regelt Ausnahmen von der Anerkennungspflicht, spezifisch für den Handel mit bestimmten Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz. Die Ausnahme steht nur Börsen offen und ist damit enger gefasst als die Anerkennungspflicht nach Absatz 1. Im Vordergrund stehen Beteiligungspapiere, die sowohl an einer Börse in der Schweiz als auch an einer Börse im Ausland jeweils mit ausdrücklicher Zustimmung der emittierenden Gesellschaft und unter Übernahme von
entsprechenden Pflichten durch die Emittentin an diesen Börsen zum Handel zugelassen oder kotiert sind. Man spricht hier in der Schweiz von einer Doppelkotierung (oder im Ausland von «dual listing»). Der Akt der Kotierung (Zulassung mit expliziter Zustimmung der Emittentin) an der ausländischen Börse muss vor dem 30. November 2018 erfolgt sein, d. h. bevor die Schutzmassnahme bekannt war. Somit dient die Ausnahmeregelung gezielt dem Bestandesschutz für bereits vor dem Erlass der Verordnung bestehende Kotierungen im Ausland, kann jedoch nicht als Umgehungsmöglichkeit genutzt werden. Zudem gilt die Ausnahme nur für die ausländische Börse, an der die fraglichen Beteiligungspapiere mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Emittentin zum Handel zugelassen oder kotiert sind. Anderen Börsen und Handelsplätzen (auch in derselben Jurisdiktion) steht die Ausnahme nicht offen.

Neue Zweitkotierungen von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz, deren Aktien an Schweizer Handelsplätzen kotiert sind oder gehandelt werden, an einem nach Absatz 1 anerkannten Handelsplatz (derzeit z. B. in den USA oder dem UK) bleiben dabei uneingeschränkt möglich. Neue Zweitkotierungen an einem Handelsplatz, der

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über keine solche Anerkennung verfügt (derzeit namentlich in der EU), sind demgegenüber grundsätzlich nicht möglich. Damit wird einerseits verhindert, dass Beteiligungspapiere von Unternehmen mit Sitz in der Schweiz neu in den Geltungsbereich der EU-Aktienhandelspflicht fallen. Andererseits bestünde bei einer weiter gefassten Ausnahme für Doppelkotierungen ein Risiko, dass diese als Umgehungsmöglichkeit genutzt werden könnte. Anders als bei den bereits vor Einführung der Schutzmassnahme doppelkotierten Unternehmen scheint diese Einschränkung für Unternehmen, die neu eine Doppelkotierung anstreben, nicht unverhältnismässig.

Art. 41b

Voraussetzungen für die Anerkennung und Verfahren

Diese Bestimmung regelt das Verfahren und die Voraussetzungen für die Anerkennung von Handelsplätzen nach Artikel 41a der Vorlage. Diese Bestimmung wird in der deutschen Version unverändert aus der Verordnung übernommen, in der französischen Version mit wenigen Anpassungen formeller Art.

Die Anerkennung eines ausländischen Handelsplatzes wird von der FINMA auf Gesuch oder ­ in der Praxis der Regelfall ­ ohne Gesuch erteilt, sofern die Anforderungen erfüllt sind. Die Anforderungen für die Anerkennung sind zweigeteilt: Zum einen muss der ausländische Handelsplatz einer angemessenen Regulierung und Aufsicht unterstehen. Diese Anforderung orientiert sich an Artikel 41 Absatz 2 FinfraG und wird von den relevanten ausländischen Handelsplätzen in der Regel erfüllt. Zum anderen darf der ausländische Handelsplatz seinen Sitz nicht in einer Jurisdiktion haben, die ihre Marktteilnehmer im Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz an Schweizer Handelsplätzen einschränkt und damit den Handel mit solchen Beteiligungspapieren an Schweizer Handelsplätzen erheblich beeinträchtigt. Diese Anforderung wird aktuell ­ mit Ausnahme der EU ­ von allen relevanten Jurisdiktionen erfüllt.

Art. 41c

Veröffentlichung von Listen

Die FINMA publiziert wie bis anhin nach der Verordnung eine Liste aller anerkannten ausländischen Handelsplätze. Diese Liste ist auf der Website der FINMA verfügbar (vgl. www.finma.ch) und wird laufend aktualisiert.

Wie bereits nach der Verordnung wird eine Liste mit den Jurisdiktionen nach Artikel 41b Absatz 1 Buchstabe b der Vorlage publiziert. Gegenüber der in der Verordnung gewählten Lösung fallen die Aktualisierung und die Publikation der Liste neu in die Kompetenz des Bundesrates, um mit Blick auf den nun verlängerten Zeithorizont der Massnahme deren Bedeutung zu unterstreichen. Diese Liste wird bei Bedarf durch den Bundesrat innert kurzer Frist aktualisiert. Die Jurisdiktionen auf dieser Liste schränken ihre Marktteilnehmenden beim Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz an Schweizer Handelsplätzen ein, mit erheblichen Folgen für den Handel mit solchen Beteiligungspapieren an Schweizer Handelsplätzen. Wie erwähnt, ist dies derzeit betreffend die EU der Fall. Die entsprechende Liste nach der Verordnung enthält daher derzeit die EU inkl. aller ihrer Mitgliedstaaten.

Entsprechend können Handelsplätze mit Sitz in der EU die Anerkennung nach der Verordnung nicht erhalten. Weitere Staaten sind derzeit nicht enthalten.

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Sollte die EU ­ wie vom Bundesrat weiterhin angestrebt ­ die Börsenäquivalenz gegenüber der Schweiz wieder gewähren, bliebe die Anerkennungspflicht zwar in Kraft, würde jedoch in der Praxis keine Wirkung entfalten. Konkret würde der Bundesrat die EU innert kurzer Frist aus der Liste der Jurisdiktionen streichen. Damit würden auch alle Handelsplätze in der EU die Voraussetzungen für die neue Anerkennung erfüllen und diese Anerkennung von der FINMA ohne Gesuch wieder erhalten. Analog würde der Bundesrat bei einer Abschaffung oder einer aus Schweizer Sicht massgeblichen Anpassung der EU-Aktienhandelspflicht vorgehen.

Gegenüber der Verordnung nicht übernommen wird die Pflicht, ausländische Handelsplätze proaktiv über die Anerkennungspflicht zu informieren, da es sich um keine neue Pflicht mehr handelt und bereits gewährte Anerkennungen fortgeführt werden (siehe Art. 163a der Vorlage).

Art. 163a

Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Diese Bestimmung enthält die Übergangsbestimmung zur Anerkennungspflicht für ausländische Handelsplätze nach Artikel 41a der Vorlage. Namentlich bedürfen ausländische Handelsplätze, die bei Inkrafttreten der beantragten Regelung über eine Anerkennung der FINMA nach der Verordnung verfügen, keiner neuen Anerkennung nach Artikel 41a des Gesetzes. Somit ergeben sich keine kurzfristigen operativen Schwierigkeiten bei Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen. Die in der Verordnung vorgesehenen Bestimmungen zur vorläufigen Bewilligung ausländischer Teilnehmer können in diesem Zusammenhang ersatzlos entfallen.

Schlussbestimmungen Wie bereits dargelegt, bleibt die Schutzmassnahme ein ausserordentliches und temporäres Instrument. Bezüglich der derzeit fehlenden EU-Börsenäquivalenz bleibt der Bundesrat zuversichtlich, dass die Schutzmassnahme langfristig nicht mehr erforderlich sein wird. Derzeit kann nicht abgeschätzt werden, ob und gegebenenfalls wann dies der Fall wäre (z. B. im Rahmen der aktuellen Überprüfung von MiFID/MiFIR durch die EU). Aufgrund ihres ausserordentlichen Charakters scheint es trotz der Überführung der Schutzmassnahme in ordentliches Recht angezeigt, diese weiterhin zu befristen. In den Schlussbestimmungen wird daher eine Befristung der gesamten Vorlage, d. h. einschliesslich der Anerkennungspflicht nach Artikel 41a, auf vorerst fünf Jahre ab Inkrafttreten vorgesehen.

Sodann ist vorgesehen, dass der Bundesrat die Befristung um jeweils längstens fünf Jahre verlängern kann, sofern zum Zeitpunkt der betreffenden Verlängerung die Liste nach Artikel 41c Absatz 2 der Vorlage mindestens eine Jurisdiktion enthält. Die Delegation der Rechtsetzungskompetenz ist somit im Umfang klar auf die Dauer der Befristung beschränkt und an das Kriterium des Bedarfs geknüpft. Namentlich ist die Verlängerung nur zulässig, wenn im Zeitpunkt der Verlängerung die Liste nach Artikel 41c Absatz 2 der Vorlage mindestens eine Jurisdiktion enthält. Mit anderen Worten muss mindestens eine Jurisdiktion ihren Marktteilnehmern den Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz an Schweizer Handelsplätzen einschränken und damit den Handel mit solchen Beteiligungspapieren an Schweizer Handelsplätzen erheblich beeinträchtigen. Sollte dies nicht mehr der Fall

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sein oder der Bundesrat aus anderen Gründen auf eine Verlängerung verzichten, läuft die Bestimmung ersatzlos aus.

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Auswirkungen

Die Gesetzesvorlage überführt die Regelung der bestehenden Verordnung, ohne dass diese in wesentlichen Punkten geändert würde. Da somit im Wesentlichen der Status quo fortgeführt wird, sind diesem gegenüber auch keine relevanten Auswirkungen zu erwarten. Die Auswirkungen der Vorlage beziehen sich, wo nicht anders erwähnt, daher nachfolgend auf die Situation, sollten die Regelungen der Verordnung nicht in ordentliches Recht überführt werden und somit auslaufen.

6.1

Auswirkungen auf den Schweizer Finanzplatz und die Volkswirtschaft

Die Schutzmassnahme zielt auf den Schutz und Erhalt einer funktionsfähigen Schweizer Börseninfrastruktur als wesentliches Element des Schweizer Finanzplatzes und langfristig für die Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung in der Schweiz. Damit sollen auch weiterhin die negativen Auswirkungen vermieden werden, die dem international besonders eng verflochtenen Börsen-, Finanz- und Wirtschaftsstandort Schweiz durch Entscheide in ausländischen Jurisdiktionen drohen; wie in Ziffer 4.1 dargelegt, können Entscheide wie namentlich die Nichterneuerung der Börsenäquivalenz durch die EU den Aktienhandel in der Schweiz erheblich beeinträchtigen.

Wie bereits dargelegt, zielt die Schutzmassnahme im Fall der EU-Börsenäquivalenz darauf ab, dass EU-Wertpapierfirmen auch ohne eine solche Anerkennung an Schweizer Handelsplätzen Schweizer Aktien handeln können. Ein Wegfall dieser Handelsvolumina hätte erhebliche negative Auswirkungen auf den Handel mit Aktien von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz an Schweizer Handelsplätzen und damit auf die gesamte Schweizer Börseninfrastruktur. Dies ist von besonderer Bedeutung, da an der grössten Schweizer Börse, der SIX Swiss Exchange, die Mehrheit des Aktienhandels durch ausländische Wertpapierfirmen verantwortet wird. Weiter sind knapp 60 Prozent der bewilligten ausländischen Marktteilnehmer an der SIX Swiss Exchange in der EU bzw. dem EWR domiziliert.

Im Zusammenhang mit der Einführung der Schutzmassnahme wurden teilweise mögliche Risiken diskutiert, insbesondere die Abwanderung von bereits in der Schweiz kotierten Gesellschaften oder die Verlegung neuer Börsengänge (z. B. als Intitial Public Offering, IPO) ins Ausland. Dem EFD sind derzeit keine konkreten Fälle von Dekotierungen an der SIX Swiss Exchange oder von Verlegungen von Börsengängen ins Ausland von Schweizer Unternehmen bekannt, die auf die Schutzmassnahme zurückzuführen wären. Die vorgeschlagene Regelung sieht zudem trotz Überführung in ordentliches Recht eine Befristung vor, was den temporären Charakter der Schutzmassnahme erhält. Somit verändert sich für etwaige Börsengänge der Charakter der Schutzmassnahme nicht, sodass Unternehmen diese auch nicht neu evaluieren müs-

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sen. Wie oben erwähnt, ist zu beachten, dass die Schutzmassnahme neue Doppelkotierungen einschränkt. Dies betrifft, wenn überhaupt, allerdings nur eine kleine Anzahl von Unternehmen, zumal bestehende Doppelkotierungen im Sinne des Bestandesschutzes ausgenommen wurden und derzeit neue Doppelkotierungen an einer Schweizer Börse und einer Börse z. B. in den USA oder dem UK möglich bleiben.

Dem EFD ist denn auch nur ein einziger Fall bekannt, in dem ein Unternehmen aufgrund der Schutzmassnahme auf eine Zweitkotierung in der Schweiz verzichtete.

Zusammenfassend dient die Schutzmassnahme dazu, den potenziellen Abfluss wesentlicher Handelsvolumina vom Schweizer Börsenplatz zu verhindern und dessen Funktionsfähigkeit zu erhalten. Dies ist zentral für das Funktionieren des Schweizer Finanzplatzes. Im weiteren Sinne vereinfacht dies den schweizerischen Unternehmen den Zugang zu den Kapitalmärkten und dient somit der gesamten Schweizer Volkswirtschaft. Demgegenüber stehen nur geringfügige potenzielle negative Auswirkungen auf die Schweizer Volkswirtschaft.

6.2

Auswirkungen auf die EU

Da die Europäische Kommission die Börsenäquivalenz nicht mehr verlängert hat, können EU-Handelsplätze gemäss der Schutzmassnahme die Anerkennung durch die Schweiz nicht mehr erhalten, weil die EU damit den Handel ihrer Marktteilnehmer mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz an Schweizer Handelsplätzen einschränkt und dies den Handel mit solchen Beteiligungspapieren an Schweizer Handelsplätzen erheblich beeinträchtigt. Damit ist es EU-Handelsplätzen seit dem 1. Juli 2019 untersagt, den Handel mit bestimmten Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz anzubieten oder zu ermöglichen.

Die meisten Handelsplätze in der EU und die EU insgesamt waren aufgrund ihres geringen Anteils von Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz am gesamten Aktienhandelsvolumen von der Einführung der Anerkennungspflicht wirtschaftlich kaum betroffen. Eine Weiterführung der Massnahme hat für die EUHandelsplätze im Vergleich zu heute keine Auswirkungen.

Die Massnahme zielt ausschliesslich auf den Schutz eines funktionsfähigen Schweizer Börsenplatzes ab. Sie schafft eine Grundlage, dass Wertpapierfirmen aus der EU ohne Verlängerung der Börsenäquivalenz weiterhin Aktien von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz an Schweizer Handelsplätzen handeln können. Dies dürfte auch im Interesse von Handelsteilnehmern aus der EU sein, da für Schweizer Aktien die grösste Liquidität an Schweizer Handelsplätzen besteht.

Die Schweiz strebt weiterhin die unbefristete Anerkennung der Börsenäquivalenz an und wird sich auch künftig dafür einsetzen, dass sie nicht diskriminiert und im Rahmen von Äquivalenzverfahren der EU nicht anders behandelt wird als andere Drittstaaten. Vor diesem Hintergrund steht die vorgeschlagene Verlängerung der Schutzmassnahme im Einklang mit der europapolitischen Agenda des Bundesrates.

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6.3

Auswirkungen auf das UK

Das UK hat die Schweizer Börsenregulierung mit Wirkung zum 3. Februar 2021 als gleichwertig anerkannt. Seither können im UK domizilierte Wertpapierfirmen an Schweizer Handelsplätzen unabhängig von der Schweizer Schutzmassnahme wieder ohne Einschränkungen durch die auch im britischen Recht vorgesehene Aktienhandelspflicht handeln (s. auch Ziff. 1.1.2 oben). Ebenfalls konnte der Handel mit Schweizer Aktien an britischen Handelsplätzen wiederaufgenommen werden.

Die Überführung der Regelung gemäss Verordnung in ordentliches Recht ändert nichts an der normalisierten Börsenbeziehung zwischen dem UK und der Schweiz. Im Verhältnis zum UK hat die Vorlage somit keine Auswirkungen. Ebensowenig hätte ein Auslaufen der Schutzmassnahme direkte Auswirkungen im Verhältnis Schweiz­ UK.

6.4

Auswirkungen auf weitere Jurisdiktionen (z. B. USA)

Beteiligungspapiere von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz werden auch an Handelsplätzen in den USA ­ zum Beispiel an national securities exchanges oder an sog.

alternative trading systems (ATS) ­ sowie an diversen Handelsplätzen in anderen Ländern ausserhalb der EU gehandelt. Derzeit bestehen nach Kenntnis des EFD weder in den USA noch in einem anderen Land ausserhalb der EU Vorschriften, die für Marktteilnehmer den Handel mit Beteiligungspapieren an Schweizer Handelsplätzen einschränken und damit den Handel mit Schweizer Beteiligungspapieren an Schweizer Handelsplätzen erheblich beeinträchtigen. Entsprechend erhielten beispielsweise in den USA domizilierte Handelsplätze (inkl. ATS) von der FINMA rechtzeitig auf den 1. Januar 2019 eine Anerkennung gemäss der Verordnung, ohne dass sie ein Gesuch einreichen mussten, wodurch diesen keine zusätzlichen Aufwände entstanden.20 Die vorgeschlagene Regelung stellt sicher, dass diese Anerkennungen ohne Unterbruch weiter gelten, wodurch wiederum zusätzliche Aufwände vermieden werden können.

Damit hatte die Verordnung in der Praxis keine Auswirkungen auf diese Handelsplätze und solche sind auch durch die Überführung in ordentliches Recht nicht zu erwarten. Alle diese Handelsplätze dürfen weiterhin ­ ohne Beeinträchtigung oder Unterbruch ­ den Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz anbieten bzw. ermöglichen.

Dasselbe gilt auch für alle weiteren ausländischen Handelsplätze, an denen Beteiligungspapiere von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz gehandelt werden, die nicht in einer Jurisdiktion nach Artikel 41b Absatz 1 Buchstabe b der Vorlage liegen und

20

Die Liste der von der FINMA nach der Verordnung anerkannten ausländischen Handelsplätze kann abgerufen werden unter: www.finma.ch > FINMA Public > Bewilligte Institute, Personen und Produkte > Liste der anerkannten ausländischen Handelsplätze gemäss Verordnung des Bundesrates vom 30. November 2018 über die Anerkennung ausländischer Handelsplätze für den Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz.

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die einer angemessenen Regulierung und Aufsicht unterliegen. Letztere Voraussetzung dürften grundsätzlich alle relevanten ausländischen Handelsplätze erfüllen. Insbesondere wird das Erfordernis einer angemessenen Regulierung und Aufsicht von allen Handelsplätzen aus Jurisdiktionen erfüllt, aus welchen bereits ein Handelsplatz eine Anerkennung der FINMA nach Artikel 41 FinfraG erhalten hat.21 Sollte auf der FINMA-Liste der anerkannten Handelsplätze nach Artikel 41c der Vorlage ein betroffener Handelsplatz fehlen, können dies der betroffene Handelsplatz oder andere Marktakteure der FINMA mitteilen. Die FINMA erlässt gegebenenfalls eine Anerkennungsverfügung und aktualisiert die Liste bei Bedarf, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

Ferner hat die Schutzmassnahme in der Praxis grundsätzlich keine Auswirkungen auf den ausserbörslichen Handel (Over-the-Counter, OTC) mit Schweizer Beteiligungspapieren. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht, wenn in die Transaktion ein Handelsplatz aus einer Jurisdiktion nach Artikel 41b Absatz 1 Buchstabe b der Vorlage involviert ist (z. B. indem dieser Handelsplatz die Transaktion ermöglicht).

6.5

Auswirkungen auf den Bund, die Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Auf Bund, Kantone und Gemeinden sind kaum Auswirkungen zu erwarten, zumal die vorgeschlagene Regelung weitestgehend bereits dem Status quo nach der Verordnung entspricht. Sollte die Schutzmassnahme nicht durch Überführung in ordentliches Recht verlängert werden, ist demgegenüber mit unmittelbaren negativen Auswirkungen für den Börsenplatz Schweiz zu rechnen (s. Ziff. 6.1 oben). Mittelbar wäre sodann mit einer Schwächung des Finanzplatzes insgesamt zu rechnen, wodurch auch die Steuererträge von auf dem Finanzplatz Schweiz tätigen Unternehmen langfristig sinken dürften.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die vorliegende Vorlage stützt sich auf die Artikel 95 und 98 BV. Für die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Überführung einer auf Artikel 184 BV gestützten Verordnung des Bundesrates in ordentliches Recht sei auf Ziffer 1.1.4 verwiesen.

21

Die Liste der von der FINMA nach Art. 41 FinfraG anerkannten ausländischen Handelsplätze kann abgerufen werden unter: www.finma.ch > FINMA Public > Bewilligte Institute, Personen und Produkte > Liste der bewilligten ausländischen Teilnehmer, bewilligten Schweizer Finanzmarktinfrastrukturen sowie anerkannten ausländischen Finanzmarktinfrastrukturen.

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7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

7.3

Erlassform

Die Vorlage enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die vorgeschlagenen Revisionen erfolgen demzufolge im normalen Gesetzgebungsverfahren. Für die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Überführung einer auf Artikel 184 BV gestützten Verordnung des Bundesrates in ordentliches Recht sei auf Ziffer 1.1.4 verwiesen.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen geschaffen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

7.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die vorgeschlagene Regelung enthält in einem Punkt eine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen betreffend die Kompetenz des Bundesrats, die befristete Anerkennungspflicht zu verlängern (siehe Schlussbestimmungen dieser Vorlage). Die Delegation ist dabei im Umfang klar auf die Dauer der Befristung beschränkt und an das Kriterium des Bedarfs geknüpft. Sie ist dadurch begründet, dass diesbezüglich unter Umständen ein sehr rascher Entscheid erforderlich ist, um auf internationale Entwicklungen reagieren zu können und Rechtssicherheit für das reibungslose Funktionieren des Finanzmarktes zu schaffen.

Im Übrigen regelt die vorliegende Vorlage die relevanten Sachverhalte auf Gesetzesstufe, sodass keine weitere Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen vorliegt.

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