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Krisenorganisation des Bundes für den Umgang mit der Covid-19-Pandemie (Januar bis Juni 2020) Bericht der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte vom 17. Mai 2022

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Das Wichtigste in Kürze Im Rahmen ihrer Inspektion über den Umgang des Bundesrates und der Bundesverwaltung mit der Coronakrise haben sich die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) mit der vom Bundesrat zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie eingesetzten Krisenorganisation befasst. Untersucht wurden insbesondere die Tätigkeiten und die Koordination der drei Hauptorgane ­ Covid-19-Taskforce des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), Bundesstab Bevölkerungsschutz (BSTB) und Krisenstab des Bundesrates Corona (KSBC) ­, deren Aufgabe es war, den Bundesrat in der Pandemiebewältigung zu unterstützen. Die GPK konzentrierten sich bei ihren Arbeiten auf die erste Phase der Pandemie (Anfang Januar 2020 bis Juni 2020).

Die GPK prüften die rechtlichen Grundlagen für die Tätigkeiten dieser Organe sowie deren Rolle und Funktionsweise in der Krise. Sie befragten zu diesem Zweck die betreffenden Bundesratsmitglieder und verschiedene Mitarbeitende der Bundesverwaltung und richteten schriftliche Fragen an die zuständigen Verwaltungseinheiten. Ausserdem analysierten sie zahlreiche Dokumente und Protokolle. Sie beschreiben im vorliegenden Bericht den Sachverhalt, so wie er ihnen bekannt ist, und nehmen anschliessend eine Beurteilung vor.

Die Krisenorganisation des Bundes ist auch Gegenstand verschiedener ­ abgeschlossener oder laufender ­ Evaluationen des Bundesrates und der Departemente. Die GPK ersuchen den Bundesrat, ihre Erwägungen bei seinen Arbeiten zu berücksichtigen.

Die BAG-Taskforce nahm eine zentrale Rolle in der Krisenorganisation ein; die notwendigen Lehren aus den festgestellten Schwächen müssen jedoch gezogen werden (Kap. 6) Die BAG-Taskforce, die Ende Januar 2020 als erstes Krisenorgan aktiviert wurde, nahm rasch einen zentralen Platz in der Krisenorganisation des Bundes ein und fungierte als «Fach-Krisenstab». Die GPK sind zum Schluss gekommen, dass dieses Organ seine Rolle in der ersten Pandemiewelle bestmöglich erfüllte, und begrüssen den grossen Einsatz der beteiligten Mitarbeitenden des Amtes. Dennoch wies diese Taskforce gewisse Schwächen auf. Das ist darauf zurückzuführen, dass es zu Beginn der Pandemie versäumt wurde, gewisse wichtige Entscheide über die Organisation des BAG zu treffen. Die GPK halten fest, dass die BAG-Taskforce eine komplexe Struktur aufwies, dass die
Verantwortlichkeiten und Stellvertretungen nicht klar geregelt waren und dass es in Bezug auf die Entscheidkompetenzen an Transparenz fehlte. Ein Schwachpunkt des Bundesamtes in der ersten Welle war das Personalmanagement, was die GPK bedauern. Die Ansichten über die Zusammenarbeit zwischen der Taskforce und den anderen Krisenmanagementakteuren gehen auseinander. Die GPK haben zu diesen Aspekten verschiedene Empfehlungen an den Bundesrat formuliert. Positiv hervorgehoben sei allerdings, dass das BAG ab Herbst 2020 verschiedene Massnahmen ergriff, um die Schwächen, die sich in der ersten Welle gezeigt hatten, zu beheben. Das Personalmanagement des Bundesamtes wird allerdings auch in den kommenden Monaten und Jahren weiterhin eine grosse Herausforderung bleiben.

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Die GPK sind der Ansicht, dass die Rechtsgrundlagen und die sonstigen einschlägigen Vorgaben präzisiert und durch Bestimmungen über die Krisenorganisation des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) und des BAG in Pandemiezeiten ergänzt werden müssen und dass das Krisenhandbuch des BAG der Revision bedarf. Im Weiteren ersuchen sie den Bundesrat mit einer Motion, die bestehenden Rechtsgrundlagen des Krisenmanagements anzupassen und zu ergänzen, um die Aktivitäten der «Fach-Krisenstäbe» in Krisenzeiten besser einzurahmen.

Die GPK bedauern im Übrigen, dass es Anfang Januar 2020 mehr als zwei Wochen dauerte, bis das Auftreten von Covid-19 von den Verantwortlichen des BAG thematisiert wurde, auch wenn sie sich bewusst sind, dass die Lagebeurteilung damals sehr schwierig war. Sie empfehlen dem Bundesrat, die Verfahren des BAG für die Bearbeitung der Warnungen im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten eingehend zu überprüfen.

Die Bilanz der GPK über die Krisenorganisation auf Ebene des EDI und die Zusammenarbeit zwischen dem EDI und dem BAG in der ersten Pandemiewelle fällt insgesamt positiv aus.

Der BSTB erfüllte die ihm eigentlich zugedachte Rolle nicht gänzlich und die Begründungen dafür sind kaum nachvollziehbar (Kap. 7) Die GPK halten fest, dass der offiziell ab Anfang März 2020 aktive BSTB nicht gemäss den rechtlichen Vorgaben eingesetzt wurde. Der BSTB war nicht in der Lage, seine Aufgabe ­ die Vorbereitung der Entscheidgrundlagen des Bundesrates ­ zu erfüllen, da diese von der BAG-Taskforce übernommen wurde. Die GPK sind der Auffassung, dass der Bundesrat das dabei auftretende Spannungsfeld zwischen den verschiedenen rechtlichen Grundlagen hätte identifizieren und allfällige Anpassungen an der entsprechenden Verordnung vornehmen müssen, was nicht der Fall war.

Die Gründe, die von den befragten Personen dafür genannt wurden, warum der BSTB seine ihm eigentlich zugedachte Rolle nicht erfüllen konnte, sind nach Ansicht der GPK kaum nachzuvollziehen. Schwer verständlich ist für die Kommissionen auch, warum die Herausforderungen, die sich in Zusammenhang mit diesem Organ ergaben, nicht bereits vor der Krise erkannt wurden. Sie empfehlen dem Bundesrat, die Geeignetheit der Strukturen des BSTB und die diesem Organ zugewiesenen Aufgaben, insbesondere die Möglichkeit des BSTB, Entscheidgrundlagen
zu erarbeiten und Anträge zu stellen, zu hinterfragen. Sie werden sich über den Stand der entsprechenden Arbeiten informieren.

Der KSBC spielte nicht die ursprünglich für einen Ad-hoc-Krisenstab des Bundesrates vorgesehene Rolle und seine Zusammensetzung war nicht ausgewogen (Kap. 8) Der vom Bundesrat Ende März 2020 eingesetzte KBSC übernahm nicht alle Funktionen, die ihm eigentlich zugekommen wären. Er diente vor allem als Informations- und Koordinationsgremium und nicht als führendes Organ des Krisenmanagements. Einen Mehrwert schuf er insbesondere durch den Einbezug von Vertretern und Vertreterinnen der Forschung, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft.

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In den Augen der GPK wurde der KSBC relativ spät eingesetzt. Die Kommissionen sehen es kritisch, dass die Vertretung der verschiedenen Departemente im KSBC nicht genau geregelt wurde und dass das EDI eine derart gewichtige Rolle in diesem Organ einnahm. Sie begrüssen, dass der Bundesrat die Bestimmungen für den Ad-hoc-Krisenstab und die Funktion dieses Organs überdenkt. Wenn an diesem Organ festgehalten wird, sind dessen Kompetenzen zu präzisieren. Ausserdem sollte geklärt werden, auf welcher Normstufe dessen Organisation geregelt wird.

Der Bundesrat hätte die Zusammenarbeit zwischen den drei wichtigsten Krisenorganen zu Beginn der Pandemie klar regeln müssen (Kap. 9) Die GPK erachten die Rollenteilung und Zusammenarbeit zwischen der BAGTaskforce, dem BSTB und dem KSBC in der Krisenorganisation des Bundes in mehrfacher Hinsicht als unbefriedigend. Zwar wurde ein guter Informationsaustausch zwischen diesen Organen sichergestellt, ihre Zuständigkeiten und die gegenseitige Koordination waren jedoch nicht hinreichend klar definiert. Der BSTB und der KSBC erfüllten die ihnen zugedachten Funktionen nicht vollständig und spielten nur eine eher untergeordnete Rolle bei der Führung des Krisenmanagements. Die BAGTaskforce wurde rasch zum zentralen Organ des Krisenmanagements, was so nicht vorgesehen war. Das Hauptproblem besteht nach Ansicht der GPK darin, dass diese drei Organe zeitlich versetzt und nicht koordiniert aktiviert wurden. Die Kommissionen bedauern die verspätete Aktivierung des BSTB und des KSBC.

Der Bundesrat hätte Anfang 2020 frühzeitig grundsätzliche Überlegungen über die jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeiten der verschiedenen Krisenorgane des Bundes anstellen müssen. Da er dies aber in den ersten Wochen der Pandemie versäumte, wurden die entsprechenden Entscheide den zuständigen Departementen und Bundesämtern überlassen. Dies hatte zur Folge, dass die Krisenorganisation parallel zur Entwicklung der Gesundheitslage entstand. Die GPK erwarten vom Bundesrat, dass er in künftigen Krisen in dieser Hinsicht eine aktivere Rolle einnimmt und sicherstellt, dass frühzeitig grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation angestellt werden.

Der Bundesrat erkannte nicht früh genug, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt; das Departementalprinzip blieb
sehr stark (Kap. 10) Der Bundesrat erkannte nicht früh genug, dass es sich bei der Covid-19-Pandemie um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt, und unterschätzte deren mögliche Dauer. Dies hatte zur Folge, dass die Massnahmen zur Krisenbewältigung in den einzelnen Departementen mehrere Wochen lang unkoordiniert eingeleitet und erarbeitet wurden. Die Kommissionen sind zudem der Auffassung, dass die Krisenorganisation des Bundes nicht alle thematischen Dimensionen der Krise abdeckte. Das EDI hatte einen vorherrschenden Einfluss auf das Krisenmanagement des Bundes, was grundsätzlich nachvollziehbar ist. Die GPK fragen sich allerdings, ob es wirklich sinnvoll war, dass die drei wichtigsten Krisenorgane des Bundes alle diesem Departement unterstellt waren. Sie ersuchen den Bundesrat, die Geeignetheit der einschlägigen Bestimmungen zu überprüfen.

Die GPK halten ausserdem fest, dass in der ersten Pandemiewelle stark am Departementalprinzip festgehalten wurde und der Grossteil des Krisenmanagements in den 4 / 134

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üblichen Verwaltungsstrukturen erfolgte. Dies erklärt, warum die bereichsübergreifenden Organe (BSTB und KSBC) letztlich eine eher subsidiäre Rolle spielten. Die Argumente für ein Krisenmanagement in den üblichen Strukturen sind zwar zum Teil nachvollziehbar, doch bringt ein solches Vorgehen auch gewisse Nachteile mit sich.

Die GPK halten es für notwendig, dass der Bundesrat grundsätzliche Überlegungen darüber anstellt, wie beim Krisenmanagement ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Departementalprinzip und dem bereichsübergreifenden Ansatz gefunden werden kann. Zudem erachten sie es für sinnvoll, dass der Bundesrat die Option prüft, in Krisen einen Bundesratsausschuss zu bilden.

Die GPK kommen zum Schluss, dass die Krisenübungen, die in der Vergangenheit durchgeführt wurden, ihrer Zielsetzung nur teilweise gerecht wurden, da sie es der Bundesverwaltung nicht erlaubten, optimal auf die Covid-19-Krise vorbereitet zu sein. Die Kommissionen erwarten vom Bundesrat, dass er diesen Aspekt einer kritischen Prüfung unterzieht.

Der Einbezug der Kantone in die Krisenorganisation des Bundes wird von den GPK als unbefriedigend und wenig systematisch beurteilt. Die Kommissionen begrüssen die entsprechenden Verbesserungsmassnahmen, die vom Bundesrat eingeleitet wurden. Sie sind ausserdem der Meinung, dass die Schnittstellen der Krisenorganisation des Bundes zur Wissenschaft und zur Wirtschaft sowie der Einbezug der Zivilgesellschaft einer Präzisierung bedürfen.

Ferner begrüssen die GPK die Absicht des Bundesrates, die Krisenorganisation des Bundes kritisch zu hinterfragen und für die Zukunft grundlegende Anpassungen ins Auge zu fassen. Sie ersuchen den Bundesrat mit einem Postulat, so rasch wie möglich unter Berücksichtigung der im vorliegenden Bericht aufgeworfenen Grundsatzfragen eine kritische Gesamtbilanz seiner Krisenorganisation zu ziehen, ein Konzept für die künftige Krisenorganisation des Bundes zu erstellen und zu prüfen, welche Änderungen an allen das Krisenmanagement betreffenden Rechtsgrundlagen, Vorgaben, Weisungen, strategischen Plänen und Konzepten vorzunehmen sind.

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Inhaltsverzeichnis Das Wichtigste in Kürze

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Einleitung

8

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Gegenstand des Berichts

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Vorgehen der GPK

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Eingereichte parlamentarische Vorstösse zur Krisenorganisation des Bundes

14

5

Rechtsgrundlagen und Vorgaben für die Krisenorgane des Bundes

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6

Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Eidgenössisches Departement des Innern (EDI) 6.1 Rechtliche Grundlagen und weitere Vorgaben 6.2 Organisation und Rolle des EDI und des BAG in der ersten Pandemiewelle (Januar bis Juni 2020) 6.2.1 Kriseneintritt 6.2.2 Tätigkeiten der Covid-19-Taskforce 6.2.3 Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren 6.2.4 Personalmanagement 6.2.5 Entscheidkompetenzen und Zusammenarbeit zwischen dem BAG und dem EDI 6.2.6 Wechsel zentraler Führungskräfte 6.3 Auswertung durch die Bundesverwaltung, Verbesserungen und Massnahmen 6.4 Beurteilung durch die GPK 6.4.1 Rechtsgrundlagen und weitere Vorgaben 6.4.2 Kriseneintritt 6.4.3 Tätigkeiten der Covid-19-Taskforce 6.4.4 Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren 6.4.5 Personalmanagement 6.4.6 Zusammenarbeit zwischen dem BAG und dem EDI 6.4.7 Entscheidkompetenzen im BAG 6.4.8 Wechsel zentraler Führungskräfte 6.4.9 Entwicklungen und Perspektiven

7

Bundesstab Bevölkerungsschutz (BSTB) 7.1 Rechtliche Grundlagen und weitere Vorgaben 7.1.1 Rechtliche Grundlagen 7.1.2 Vorgaben des Pandemieplans 7.2 Organisation und Rolle des BSTB in der ersten Pandemiewelle 7.2.1 Einsetzung und Zusammensetzung 7.2.2 Tätigkeiten und Aufgaben 7.3 Auswertung durch die Bundesverwaltung, Verbesserungen und Massnahmen

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18 19 21 21 27 29 31 34 36 39 45 45 49 52 54 55 57 57 60 61 62 63 63 64 65 65 66 68

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7.3.1 Auswertung der Bundeskanzlei 7.3.2 Interne Auswertung des BSTB Beurteilung durch die GPK 7.4.1 Fehlender Entscheid zu den Aufgaben des BSTB 7.4.2 Wenig nachvollziehbare Begründungen zum konkreten Einsatz des BSTB 7.4.3 Fazit der GPK zum BSTB

68 70 71 71

Krisenstab des Bundesrates Corona (KSBC) 8.1 Rechtliche Grundlagen und weitere Vorgaben 8.2 Organisation und Rolle des KSBC in der ersten Pandemiewelle 8.2.1 Einsetzungsbeschluss und Zusammensetzung 8.2.2 Tätigkeiten und Aufgaben 8.3 Auswertung durch die Bundesverwaltung, Verbesserungen und Massnahmen 8.3.1 Schlussbericht des KSBC vom 19. Juni 2020 8.3.2 Auswertung der Bundeskanzlei 8.4 Beurteilung durch die GPK

75 76 76 76 78

Koordination der drei wichtigsten Krisenorgane des Bundes 9.1 Sachverhalt und Beurteilung durch die beteiligten Akteure 9.2 Beurteilung durch die GPK

88 88 92

7.4

8

9

10 Allgemeine Erwägungen der GPK zur Krisenorganisation des Bundes in der ersten Pandemiewelle

73 74

82 82 84 86

96

11 Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen

110

Abkürzungsverzeichnis

118

Liste der angehörten Personen

121

Anhänge: 1 Organigramm der Covid-19-Taskforce des BAG, Mai 2020 2 Organigramm der Covid-19-Taskforce des BAG, August 2020 3 Organigramm der Covid-19-Taskforce des BAG, August 2021 4 Organigramm der Krisenorganisation des Bundes gemäss Antrag des EDI an den Bundesrat vom März 2020 5 Organigramm der Krisenorganisation des Bundes (bis Ende Juni 2020) gemäss Präsentation des BAG an die GPK, Juni 2020 6 Organigramm der Krisenorganisation des Bundes (ab Juli 2020) gemäss Präsentation des BAG an die GPK, August 2020 7 Übersicht der Empfehlungen und Vorstösse

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Bericht 1

Einleitung

Die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) beschlossen in ihrer Funktion als parlamentarisches Oberaufsichtsorgan Ende Mai 2020, eine Inspektion über den Umgang des Bundesrates und der Bundesverwaltung mit der Coronakrise (Covid-19-Krise)1 einzuleiten.2 Seither sind die GPK und ihre Subkommissionen daran, zahlreiche Aspekte des Krisenmanagements abzuklären.3 Die GPK befassten sich insbesondere mit der vom Bundesrat und von der Bundesverwaltung ab Anfang 2020 zur Bewältigung der Pandemie aufgebauten Krisenorganisation. Diese beruhte einerseits auf den üblichen Strukturen und Prozessen der Verwaltung wie dem Antrags- und Beschlussfassungsverfahren des Bundesrates und bestimmten rechtlich vorgesehenen Organen wie dem Bundesstab Bevölkerungsschutz (BSTB) und dem Krisenstab des Bundesrates Corona (KSBC) und andererseits auf eigens für die Bewältigung der Krise geschaffenen Organen wie der Covid-19Taskforce des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).

Die Organisationsstrukturen der Bundesverwaltung müssen in einer Krise zeit- und lagegerechte Entscheide des Bundesrates ermöglichen und dem föderalen System der Schweiz Rechnung tragen. Deshalb sind sie aus Sicht der Oberaufsicht besonders wichtig. Es obliegt den GPK als zuständigem parlamentarischen Organ, eine Bilanz dieser Strukturen zu ziehen und daraus Lehren für künftige Ereignisse abzuleiten.

Während der Pandemie wurden betreffend die Krisenorganisation des Bundes verschiedene Kritikpunkte vorgebracht und Fragen aufgeworfen. Diese bezogen sich in erster Linie auf die drei Hauptorgane, deren Aufgabe es war, den Bundesrat bei der Pandemiebewältigung zu unterstützen: die Covid-19-Taskforce des BAG, den BSTB und den KSBC4. Zudem wurden mehrere parlamentarische Vorstösse zum Thema der Krisenorganisation des Bundes eingereicht (vgl. Kap. 4).

Die Krisenorganisation war zudem Gegenstand verschiedener Evaluationen, die von der Bundesverwaltung in Auftrag gegeben und/oder durchgeführt wurden.5 Während

1 2 3

4

5

Im Folgenden «Covid-19-Krise», «Krise» oder «Pandemie».

Die GPK leiten eine Inspektion zur Aufarbeitung der Bewältigung der Covid-19-Pandemie durch die Bundesbehörden ein, Medienmitteilung der GPK vom 26. Mai 2020.

Ein Überblick über die von den GPK untersuchten Themen findet sich im Jahresbericht 2020 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation vom 26. Jan. 2021, Kap. 4 (BBl 2021 570).

Kritisiert wurde insbesondere, dass das BAG zu lange mit dem Aufbau einer Krisenorganisation zur Bewältigung der Pandemie wartete und der BSTB sowie der KSBC nicht gemäss den in den rechtlichen Grundlagen vorgesehenen Aufgaben eingesetzt wurden.

Zu nennen ist insbesondere die Gesamtevaluation des Krisenmanagements in der ersten Phase der Pandemie, die von der Bundeskanzlei (BK) im Auftrag des Bundesrates durchgeführt wurde: Bericht zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie (1. Phase / Febr. bis Aug. 2020), Bericht der BK vom 11. Dez. 2020. Die anderen Evaluationen, die von der Verwaltung durchgeführt wurden, werden im Laufe des Berichts erwähnt.

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der Pandemie wurden die bestehenden Organisationsstrukturen anhand der Lehren aus den ersten Monaten der Krise angepasst oder verbessert.

Die GPK haben beschlossen, auf der Grundlage der Abklärungen, die sie seit Mai 2020 bei den betroffenen Verwaltungsstellen vorgenommen haben, im vorliegenden Bericht die Ergebnisse ihrer Untersuchung sowie ihre Beurteilung und ihre Empfehlungen darzulegen. Dabei tragen sie auch den Ergebnissen der zum Krisenmanagement bereits durchgeführten Evaluationen sowie den seither vorgenommenen Anpassungen Rechnung.

2

Gegenstand des Berichts

Gemäss ihrem gesetzlichen Auftrag prüfen die GPK bei ihrer parlamentarischen Oberaufsichtstätigkeit, ob die Kriterien der Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit eingehalten werden. Im vorliegenden Fall versuchten die GPK, folgende Fragen zu beantworten: ­

Rechtmässigkeit: Standen die Beschlüsse und Massnahmen der Bundesbehörden in Sachen Krisenorganisation im Einklang mit der Schweizer Rechtsordnung und den einschlägigen Vorgaben?

­

Zweckmässigkeit: Nutzten die Bundesbehörden den Ermessensspielraum, der ihnen bei der Krisenorganisation zur Verfügung stand, auf angemessene Art und Weise?

­

Wirksamkeit: Konnte mit der Krisenorganisation der Bundesbehörden das angestrebte Ziel, d. h. ein effizientes Krisenmanagement bzw. eine angemessene Unterstützung des Bundesrates bei der Beschlussfassung, erreicht werden?

Hierzu konzentrierten sich die GPK bei ihrer Untersuchung auf die Rolle und die Funktionsweise der drei Hauptorgane, die in der Pandemie eingesetzt wurden, um den Bundesrat bei der Bewältigung der Krise zu unterstützen. Diese sind: ­

6

Erstens die Covid-19-Taskforce des BAG. Dieses Organ, das vom BAG Ende Januar 2020 eingesetzt wurde und nach wie vor tätig ist, spielt im Umgang mit den gesundheitlichen Aspekten der Krise eine zentrale Rolle. Seine Aufgaben umfassen namentlich die Verfolgung der epidemiologischen Lage, die Vorbereitung und Koordinierung der Gesundheitsmassnahmen sowie das Management der medizinischen Güter. Die GPK prüften in Zusammenhang mit diesem Organ auch ganz allgemein die Krisenorganisation des BAG und des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI), an welches das Bundesamt angegliedert ist. Diese Aspekte wurden von der Subkommission EDI/UVEK der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S)6 näher untersucht.

Der Subkommission EDI/UVEK der GPK-S gehören die Ständeratsmitglieder Marco Chiesa (Präsident), Elisabeth Baume-Schneider, Matthias Michel, Othmar Reichmuth und Heidi Z'graggen an.

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­

Zweitens der Bundesstab Bevölkerungsschutz (BSTB). Dieses ständige Organ, dem Vertreterinnen und Vertreter mehrerer Bundesämter, der Kantone und verschiedene weitere Akteure angehören, ist mit der Bewältigung von bevölkerungsschutzrelevanten Ereignissen nationaler Tragweite beauftragt. In der Covid-19-Krise kam es ab Ende Januar 2020 informell zusammen, nahm seine Tätigkeit im März 2020 offiziell auf und ist seither ununterbrochen im Einsatz. Die Tätigkeit dieses Organs wurde von der Subkommission EDA/VBS der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N)7 näher untersucht.

­

Drittens der Krisenstab des Bundesrates Corona (KSBC). Dieses Organ, das in der Pandemie auf Basis der Weisungen für das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung8 geschaffen wurde, hatte die Aufgabe, die Aktivitäten zur Bewältigung der Krisen in den Bereichen Gesundheitsversorgung zu koordinieren. Hierzu hatte sie Weisungsbefugnisse und integrierte Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft in das Krisenmanagement des Bundes. Es wurde Ende März 2020 vom Bundesrat ins Leben gerufen und Ende Juni 2020 ­ nach der Aufhebung der «ausserordentlichen Lage» im Sinne des Epidemiengesetzes (EpG)9 ­ aufgelöst. Diese Elemente wurden von der Subkommission EJPD/BK der GPK-S näher untersucht.10

Die GPK prüften, auf welchen Rechtsgrundlagen jedes dieser drei Organe beruhte und welche sonstigen Vorgaben galten. Anschliessend analysierten sie die Rolle und die Funktionsweise dieser Organe in der ersten Krisenphase11. Sie nahmen zudem Kenntnis von den bereits durchgeführten Evaluationen und von den Verbesserungs- oder sonstigen Massnahmen, die in der Pandemie im Zusammenhang mit diesen Organen ergriffen wurden. Auf dieser Grundlage nahmen sie eine Beurteilung aus Sicht der Oberaufsicht vor und formulierten ihre Empfehlungen zuhanden des Bundesrates.

Die GPK achteten nicht nur auf die individuelle Tätigkeit der drei genannten Organe, sondern legten auch besonderes Augenmerk auf deren Abstimmung untereinander, um zu ermitteln, ob der Bundesrat bei seiner Beschlussfassung zur Bewältigung der Pandemie angemessen unterstützt wurde.

Die GPK konzentrierten sich auf die Tätigkeit dieser drei eigens zur Bewältigung der Pandemie eingesetzten Organe. Nicht im Detail untersucht wurden hingegen die Rolle der üblichen Verwaltungsstrukturen ­ wie der Generalsekretärenkonferenz (GSK) ­ in der Krise oder die Funktionsweise des Antrags- und Beschlussfassungsverfahrens 7

8 9 10

11

Die Subkommission EDA/VBS der GPK-N setzt sich zusammen aus den Nationalratsmitgliedern Nicolo Paganini (Präsident), Yvette Estermann, Corina Gredig, Alois Huber, Matthias Samuel Jauslin, Fabian Molina, Isabelle Pasquier-Eichenberger, Priska Seiler Graf und Erich von Siebenthal.

Weisungen vom 21. Juni 2019 über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung (BBl 2019 4593).

Bundesgesetz vom 28. Sept. 2012 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG; SR 818.101).

Die Subkommission EJPD/BK der GPK-S setzt sich zusammen aus den Ständeratsmitgliedern Daniel Fässler (Präsident), Thierry Burkart, Marco Chiesa, Carlo Sommaruga und Heidi Z'graggen.

Darunter ist der Zeitraum von Januar-Juni 2020 zu verstehen (vgl. dazu auch die nächste Seite).

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des Bundesrates oder des Mitberichtsverfahrens der Departemente. Dennoch finden sich in Kapitel 10 einige Erwägungen zu diesen Punkten.

Die GPK befassen sich in diesem Bericht auch nicht damit, wie die Beschlüsse über die Massnahmen zur Bewältigung der Pandemie (z. B. gesundheitliche oder wirtschaftliche Massnahmen) innerhalb des Bundesrates gefasst wurden, und nehmen nicht Stellung zur Angemessenheit dieser Massnahmen. Sie gehen auch nicht auf die wissenschaftlichen Grundlagen ein, auf welche der Bundesrat seine Beschlüsse stützte, die Krisenkommunikation der Bundesbehörden oder die Krisenfrüherkennung des Bundes. Einige dieser Aspekte sind Gegenstand gesonderter Abklärungen der GPK.12 Die Zusammenarbeit mit den Kantonen und deren Einbezug in die Krisenorgane wird im Bericht vereinzelt thematisiert. Allgemeiner analysiert wird dieses Thema jedoch von der GPK-S im Rahmen eines separaten Dossiers.13 Ferner befassten sich die GPK auch nicht mit der Tätigkeit der anderen Krisenorgane, die auf Ebene des Bundes, der Departemente, der Bundesämter oder anderer Stellen (z. B. bundesnahe Unternehmen) zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie eingesetzt wurden. Dieser Bericht konzentriert sich im Wesentlichen auf eine gezielte Untersuchung der drei Hauptorgane, die in der Pandemie eigens dafür eingesetzt wurden, den Bundesrat bei deren Bewältigung zu unterstützen. Gestützt darauf ziehen die GPK auch allgemeine Schlussfolgerungen in Bezug auf die Krisenorganisation des Bundes (vgl. Kap. 9 und 10). Die Eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP) ist Gegenstand einer separaten Inspektion der GPK-S.14 Das Instrument der Krisenübungen des Bundes und seines Mehrwerts für eintretende Krisen, wie diejenige der Covid-19-Pandemie, waren nur am Rand Gegenstand dieser Untersuchung (vgl. Kap. 10). Die GPK-S verfolgt jedoch die Entwicklungen in diesem Bereich im Rahmen ihrer regulären Oberaufsichtstätigkeit.

Die GPK konzentrierten sich bei ihren Arbeiten in erster Linie auf die erste Phase der Pandemie, d. h. auf den Zeitraum von der erstmaligen Erwähnung von Covid-19 in der Bundesverwaltung (Anfang Januar 2020) bis zur Aufhebung der «ausserordentlichen Lage» im Sinne des EpG (19. Juni 2020). Sie informierten sich jedoch auch regelmässig über die Entwicklung der Krisenorganisation und über die
Ergebnisse der Evaluationen, die in den darauffolgenden Monaten von den Bundesbehörden durchgeführt wurden. Sie bezogen diese Elemente bei Bedarf in ihre Analyse mit ein.

Die GPK weisen zudem darauf hin, dass die Covid-19-Pandemie zum Zeitpunkt der Verabschiedung dieses Berichts immer noch anhält und noch verschiedene Evaluationen zum Umgang der Bundesbehörden mit der Pandemie laufen. Die Beurteilung in

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13 14

Die wissenschaftliche Informationsbasis ist derzeit Gegenstand einer Evaluation der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK), die von den GPK in Auftrag gegeben wurde. Die Krisenkommunikation und die Krisenfrüherkennung werden von der Subkommission EJPD/BK der GPK-S punktuell untersucht.

Die Zusammenarbeit mit den Kantonen wird von der Subkommission EDI/UVEK der GPK-S vertieft.

Im Januar 2021 haben die GPK eine Inspektion zum Thema «ausserparlamentarische Kommissionen» beschlossen. Hierzu haben sie die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit der Durchführung einer Evaluation beauftragt und zur weiteren Behandlung der Subkommission EJPD/BK der GPK-S zugeteilt.

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diesem Bericht spiegelt somit den Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Untersuchungsabschlusses wider. Die GPK behalten sich die Möglichkeit vor, ihre Beurteilung zu einem späteren Zeitpunkt zu ergänzen.

3

Vorgehen der GPK

Die Abklärungen zu diesem Dossier wurden zwischen Mai 2020 und Januar 2022 von den Subkommissionen EDI/UVEK und EJPD/BK der GPK-S sowie von der Subkommission EDA/VBS der GPK-N vorgenommen. Diese Subkommissionen klärten den Sachverhalt, ermittelten die aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht relevanten Elemente und besprachen diese eingehend mit den betreffenden Vertreterinnen und Vertretern des Bundesrates und der Verwaltung. Sie informierten die GPK-S und GPK-N regelmässig über den Stand ihrer Abklärungen. Zur Gewährleistung einer kohärenten Prüfung und zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten stimmten sich die drei Subkommissionen in Bezug auf den Gegenstand und die Ergebnisse ihrer Arbeiten untereinander ab. Von Zeit zu Zeit nutzten sie auch von anderen Subkommissionen der GPK erhobene Informationen, die bestimmte Aspekte der Krisenorganisation beleuchten.

Die Subkommission EDI/UVEK der GPK-S konzentrierte sich auf die Krisenorganisation des BAG und auf die vom Bundesamt eingesetzte Covid-19-Taskforce sowie auf die Krisenorganisation des EDI. Sie tauschte sich mehrmals mit dem früheren Direktor und der aktuellen Direktorin des BAG sowie mit verschiedenen Verantwortlichen des Bundesamts15, aber auch mit dem Vorsteher des EDI16, dem aktuellen Generalsekretär17 und dem ehemaligen Generalsekretär des Departements18 aus. Sie richtete zudem schriftliche Fragen an das EDI und das BAG und nahm Kenntnis von verschiedenen verwaltungsinternen Dokumenten und von Evaluationen zu diesen Elementen.

Die Subkommission EDA/VBS der GPK-N legte den Fokus ihrer Abklärungen auf die Frage, ob der BSTB gemäss den rechtlichen Vorgaben und insbesondere gemäss den Vorgaben im Pandemieplan19 eingesetzt wurde. Sie analysierte dazu die rechtlichen Vorgaben und bereits bestehende Berichte und Auswertungen zur Rolle des BSTB in der Covid-19-Pandemie. Zudem hörte sie den ehemaligen Direktor des BAG20, welcher in der ersten Phase der Pandemie den Vorsitz des BSTB innehatte, die aktuelle Vorsitzende des BSTB21, den Stabschef des BSTB22 sowie den Co-Leiter Lenkungsausschuss Planungselement BSTB23 an. Darüber hinaus verlangte sie im

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Anhörungen vom 29. Juni 2020, 17. Aug. 2020 und 18. Mai 2021.

Anhörungen vom 12. Okt. 2020 und 18. Mai 2021.

Anhörungen vom 12. Okt. 2020 und 18. Mai 2021.

Anhörung vom 12. Okt. 2020.

Influenza-Pandemieplan Schweiz. Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung auf eine Influenza-Pandemie. 5. Auflage, Jan. 2018.

Anhörung vom 17. Mai 2021.

Anhörung vom 13. April 2021.

Anhörung vom 13. April 2021.

Anhörung vom 13. April 2021.

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Rahmen einer anderen Anhörung auch Auskünfte von der Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) sowie vom Vorsteher des EDI24.

Die Subkommission EJPD/BK der GPK-S konzentrierte sich auf die Rolle und die Funktionsweise des Ad-hoc-Krisenstabs KSBC. Sie analysierte dazu die rechtlichen Grundlagen sowie bereits bestehende Berichte und Auswertungen zur Rolle des KSBC in der Covid-19-Pandemie. Zudem hörte sie die Bundespräsidentin von 202025, den Bundeskanzler und den Vizekanzler26, den ehemaligen Leiter des KSBC27, den Generalsekretär des UVEK28, die stellvertretende Direktorin des Bundesamtes für Justiz (BJ)29 sowie den Generalsekretär der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK)30 an.

Die GPK tauschten sich ausserdem mehrfach im Rahmen ihrer regelmässigen Plenarsitzungen31 und ihrer jährlichen Sitzungen zum Geschäftsbericht des Bundesrates32 mit den zuständigen Bundesratsmitgliedern und mit dem Bundeskanzler über die Krisenorganisation des Bundes aus.

Eine detaillierte Liste der angehörten Personen ist im Anhang dieses Berichts zu finden. Die GPK danken den betreffenden Personen für ihre konstruktive Zusammenarbeit in diesem Dossier und für die detaillierte und transparente Beantwortung ihrer Fragen.

Ferner nahmen die GPK Kenntnis von sämtlichen Protokollen der drei betreffenden Krisenorgane für die erste Phase der Pandemie33 sowie von den einschlägigen Beschlüssen des Bundesrates. Anhand der Informationen in diesen Dokumenten konnten bestimmte Aspekte zur Chronologie der Ereignisse und zur Funktionsweise der Krisenorganisation geklärt werden.

Im Sommer 2021 beschlossen die drei Subkommissionen, den ihnen bekannten Sachverhalt, das Ergebnis ihrer Abklärungen sowie ihre Schlussfolgerungen in einem gemeinsamen Bericht darzulegen. Der Berichtsentwurf wurde dem Bundesrat und den

24 25

26 27 28 29 30 31

32 33

Anhörungen vom 10./11. Mai 2021 (Anhörungen zum Geschäftsbericht des Bundesrates).

Anhörung vom 15. Febr. 2021. Bundespräsidentin war in der ersten Phase der Pandemie die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), Bundesrätin Simonetta Sommaruga (im vorliegenden Bericht: «die Bundespräsidentin von 2020»).

Anhörungen vom 9. Okt. 2020 und 15. Febr. 2021.

Anhörung vom 15. Febr. 2021.

Anhörung vom 15. Febr. 2021.

Anhörung vom 23. Aug. 2021.

Anhörung vom 23. Aug. 2021.

Insbesondere: Anhörungen der Vorsteherin des UVEK (Bundespräsidentin von 2020), des Vorstehers des EDI und des Vorstehers des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) an den Sitzungen vom 21. April 2020 (GPK-N) und vom 29. April 2020 (GPK-S), Anhörung des Bundeskanzlers an der gemeinsamen Sitzung der GPK-N und der GPK-S vom 25. Jan. 2021.

Gemeinsame Sitzungen der GPK-N und der GPK-S vom 11., 12. und 18. Mai 2020 sowie vom 10., 11., 17. und 18. Mai 2021.

Für die Covid-19-Taskforce des BAG: vom 23. Jan 2020 bis zum 6. Juli 2020; für den BSTB: vom 24. Jan. 2020 bis zum 6. Juli 2020; für den KSBC: vom 25. März 2020 bis zum 18. Juni 2020.

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betroffenen Stellen zur Stellungnahme vorgelegt. Die beiden GPK berieten und genehmigten an ihrer Plenarsitzung vom 17. Mai 2022 die Endfassung des Berichts und liessen diesen dem Bundesrat zukommen. An derselben Sitzung beschlossen sie zudem, den Bericht zu veröffentlichen.

Im Folgenden fassen die GPK zunächst die wichtigsten parlamentarischen Vorstösse zusammen, die in Bezug auf die Krisenorganisation des Bundes eingereicht wurden (Kap. 4). Ausserdem liefern sie eine Übersicht über die Rechtsgrundlagen und die einschlägigen Vorgaben (Kap. 5). Anschliessend legen sie in drei separaten Kapiteln ihre Feststellungen zur Rolle und Tätigkeit der drei wichtigsten Krisenorgane sowie ihre diesbezügliche Beurteilung dar. Kapitel 6 bezieht sich auf die Krisenorganisation des BAG und des EDI (einschliesslich Covid-19-Taskforce des Bundesamts), Kapitel 7 auf den BSTB und Kapitel 8 auf den KSBC. In Kapitel 9 befassen sich die GPK mit der Abstimmung dieser drei Organe untereinander. Kapitel 10 schliesslich ist einer allgemeinen Beurteilung aus Sicht der Oberaufsicht gewidmet.

4

Eingereichte parlamentarische Vorstösse zur Krisenorganisation des Bundes

Die Vielzahl an parlamentarischen Vorstössen, die einen Bezug zur Krisenorganisation des Bundes aufweisen, lässt sich in zwei Kategorien einteilen. Die erste Kategorie betrifft die Aufteilung der Kompetenzen zwischen dem Bundesrat und dem Parlament während der Krise.34 Die zweite Kategorie, auf die sich dieser Bericht beschränkt, betrifft die Krisenorganisation des Bundesrates und wird nachfolgend näher beschrieben.

Im Rahmen der bisher angenommenen Vorstösse35 wird der Bundesrat in Erfüllung des Postulates 21.3449 der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates (SiK-S)36 Bericht erstatten, wie das strategische Krisenmanagement der Schweiz gestärkt werden kann und wie die Führungskräfte dafür ausgebildet werden können. Die SiK-S schreibt in der Begründung, dass die Bewältigung der Coronakrise deutliche Schwächen in der strategischen Planung und Führung offenbarte und der Bundesrat und die Verwaltung oft zu reaktiv handelten. Der Nationalrat nahm zudem im Juni 2021 das Postulat 21.320537 an, welches den Bundesrat beauftragt, die Rolle des

34

35 36 37

U. a. folgende parlamentarische Vorstösse betreffen dieses Thema: Pa. Iv. SPK-N «Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisensituationen verbessern» vom 29. Mai 2020 (20.437), Mo. Stark «Besserer Einbezug des Parlamentes bei der Bekämpfung zukünftiger Pandemien» vom 1. März 2021 (21.3033), Pa. Iv. Regazzi «Eidgenössische Räte. Auf Augenhöhe mit dem Bundesrat» vom 18. März 2021 (21.431).

Stand: 25. Febr. 2022.

Po. SiK-S «Strategisches Krisenmanagement» vom 25. März 2021 (21.3449).

Po. FDP-Liberale Fraktion «Rolle des Bundesstabes für Bevölkerungsschutz im Rahmen der Covid-19-Pandemie» vom 17. März 2021 (21.3205).

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BSTB in der Covid-19-Pandemie zu evaluieren. Weitere Postulate bezieht der Bundesrat bei der laufenden Auswertung des Krisenmanagements ein.38 Die Vorstösse, die der GPK-S zur Vorberatung zugewiesen wurden, betreffen die Schaffung neuer Strukturen einerseits in Form von Gremien, welche Fachwissen einbringen und vom Bundesrat mandatiert sowie gewählt werden (Motion Ettlin 21.395639) und anderseits in Form eines Bundesratsausschusses, in dem Entscheide zur Ausrufung einer «besonderen» oder «ausserordentlichen Lage» sowie damit zusammenhängende Entscheide vorberaten werden (Motion Stark 21.372240). Zusätzlich wurde die Motion Français (21.322541) zur Schaffung einer ständigen Plattform von wissenschaftlichen Experten, die im Krisenfall Mitglieder für die Gründung einer Taskforce auswählen, an die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates (WBK-S) zugewiesen.

Noch nicht im Rat behandelt wurden das Postulat De Quattro42 zur Schaffung eines Kompetenzzentrums zur Antizipation zukünftiger Krisen, die Motion Wettstein43 zur Schaffung eines nationalen Pandemie-Frühwarnungszentrums und die Motion Burgherr44 zur Schaffung eines interdisziplinären Krisenstabs, um die Massnahmen des Bundes zu koordinieren. Drei Vorstösse wurden bereits abgelehnt und damit erledigt.45

5

Rechtsgrundlagen und Vorgaben für die Krisenorgane des Bundes

Im Folgenden beschreiben die GPK die für die wichtigsten Krisenorgane des Bundes zur Bewältigung der Pandemie relevanten Rechtsgrundlagen und Vorgaben aus einer allgemeinen Perspektive. Die Kapitel über die verschiedenen Organe vermitteln anschliessend detailliertere Informationen (vgl. Kap. 6.1, 7.1 und 8.1).

38

39 40 41 42 43 44 45

Erfüllung Po. Michel «Wissenschaftliches Potenzial für Krisenzeiten nutzen» vom 5. Mai 2020 (20.3280), Po. Binder-Keller «Einsetzung einer Expertengruppe zwecks Nachbearbeitung der Corona-Pandemie und Erarbeitung der daraus zu ziehenden Konsequenzen» vom 5. Mai 2020 (20.3297), Po. Cottier «Föderalismus im Krisentest. Die Lehren aus der Covid-19-Krise ziehen» vom 16. Dez. 2020 (20.4522).

Mo. Ettlin «Den Bundesrat im Krisenfall richtig beraten» vom 18. Juni 2021 (21.3956).

Mo. Stark «Führungsstruktur des Bundesrates krisenresilient machen» vom 15. Juni 2021 (21.3722).

Mo. Français «Post-Covid-19. Für eine ständige Plattform von wissenschaftlichen Expertinnen und Experten» vom 17. März 2021 (21.3225).

Po. De Quattro «Ein Kompetenzzentrum für die Zeit nach Covid-19» vom 8. Juni 2020 (20.3542).

Mo. Wettstein «Schaffung eines nationalen Pandemie-Frühwarnzentrums» vom 7. Juni 2021 (21.3647).

Mo. Burgherr «Beschränkung der Macht des Bundesrates im Epidemiengesetz» vom 18. März 2021 (21.3323).

Pa. Iv. Rieder «Schaffung einer Rechtsdelegation (ReDel) vom 4. Mai 2020 (20.414), Po. Burkart «Gewappnet für alle Formen von Krisen. Permanenter operativer Bundesführungsstab» vom 2. Juni 2020 (20.3478), Mo. Wicki «Reflektierung der Entscheide des Bundesrates in Krisenzeiten institutionalisieren» vom 18. Juni 2020 (20.3748).

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Die Organisation der Departemente und der Ämter beruht in normalen wie in Krisenzeiten primär auf dem Gesetz und der Verordnung über die Regierungs- und Verwaltungsorganisation (RVOG und RVOV)46. Darin werden namentlich die Aufgaben der Departementsvorsteher und Departementsvorsteherinnen (Art. 37 ff. RVOG), der Generalsekretäre und Generalsekretärinnen (Art. 41 ff. RVOG) sowie der Generalsekretärenkonferenz (Art. 53 RVOG) definiert. Zudem wird das Verfahren geregelt, nach dem die Beschlussentwürfe von den Departementen dem Bundesrat unterbreitet und von diesem behandelt werden (siehe insbesondere Art. 1 bis 5 RVOV). Im RVOG ist ausserdem die Möglichkeit vorgesehen, Stabs, Planungs- und Koordinationsorgane als institutionalisierte Konferenzen oder als eigenständige Verwaltungseinheiten einzusetzen (Art. 55), Projektorganisationen zur Bearbeitung wichtiger, zeitlich befristeter departementsübergreifender Aufgaben zu bilden (Art. 56) und externe Beratung beizuziehen (Art. 57).

Die Grundlagen der Krisenorganisation des Bundes sind in den Weisungen über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung enthalten, deren aktuelle Fassung vom Bundesrat im Juni 2019 beschlossen wurde.47 Darin sind die Grundsätze des Krisenmanagements, die Zusammenarbeit und die Koordination zwischen den Krisenstäben (vgl. Kap. 9), die Organisation und die Aufgaben des Ad-hoc-Krisenstabs des Bundesrates (vgl. Kap. 8) sowie die Ausbildung und die Übungen im Krisenmanagement geregelt. In den Weisungen ist Folgendes vorgesehen: «Im Krisenfall einigen sich die Departemente auf die Federführung in der Bewältigung der Krise» und «Der Bundesrat fasst anschliessend einen Beschluss» (Ziff. 2.2.1). Ausserdem heisst es, dass die Richtlinien der BK für Bundesratsgeschäfte in allen Lagen und auch bei Dringlichkeit gelten (Ziff. 2.4). Laut den Weisungen entscheiden die Departemente und die BK selbstständig über die Aktivierung ihrer Krisenstäbe (Ziff. 3.1.1). Bei der Zusammensetzung der Krisenstäbe koordinieren sich die Verwaltungseinheiten untereinander, damit nicht dieselben Funktionsträgerinnen und Funktionsträger gleichzeitig in mehreren Stäben tätig sind (Ziff. 3.1.2). Gemäss den Weisungen stehen die Krisenstäbe in einer hierarchischen Beziehung zueinander. Der Ad-hoc-Krisenstab des Bundesrates erlässt die politisch-strategischen Vorgaben;
diese sind von den anderen Krisenstäben umzusetzen (Ziff. 3.1.4). Es ist auch möglich, interdepartementale Krisenstäbe einzusetzen (Ziff. 3.5.1).

Zur Bewältigung einer Krise im Zusammenhang mit einer übertragbaren Krankheit stellt das Epidemiengesetz die spezialgesetzliche Grundlage dar. Dessen aktuelle Fassung ist seit dem 1. Januar 2016 in Kraft. Das EpG regelt die Aufgaben des Bundes und der Kantone bei der Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten des Menschen und bestimmt somit den Handlungs- und Zuständigkeitsbereich des Bundesrates, des EDI und des BAG in den verschiedenen Phasen einer Epidemie. Mit dem neuen Epidemiengesetz wurde das früher geltende zweistufige Krisenmodell durch ein dreistu-

46

47

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (RVOG; SR 172.010), Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. Nov. 1998 (RVOV; SR 172.010.1).

Weisungen vom 21. Juni 2019 über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung (BBl 2019 4593).

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figes abgelöst, in dem zwischen der normalen und der ausserordentlichen die besondere Lage eingeführt wurde (Art. 6 EpG)48. Dieses dreistufige Krisenmodell stellte eines der wichtigsten Elemente des neuen Epidemiengesetzes dar. Es ermöglicht dem Bundesrat im Krisenfall ­ wo notwendig ­, bereits bevor die Voraussetzungen für die Anwendung von verfassungsmässigem Notstandsrecht gegeben sind, gestützt auf Artikel 6 Absatz 2 EpG selber die notwendigen Massnahmen anzuordnen. Da bereits in der besonderen Lage die Koordination verschiedener Massnahmen innerhalb des Bundes von grosser Bedeutung ist, weist Artikel 6 Absatz 3 EpG dem EDI diese Koordinationsaufgabe für Massnahmen zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten zu.

Das 7. Kapitel des EpG befasst sich mit Organisation und Verfahren; vorgesehen ist namentlich die Einsetzung eines Einsatzorgans für Ereignisse, d. h. der BSTB (Art. 55, vgl. dazu Kap. 7), und eines Koordinationsorgans zwischen Bund und Kantonen49 (Art. 54). Im EpG sind auch die Organisation und die Rolle der zuständigen eidgenössischen Kommissionen (Art. 56 und 57) und die Grundsätze der Bearbeitung von Personendaten (Art. 58 bis 62a) geregelt. Schliesslich enthält das EpG verschiedene Bestimmungen zu Information und Informationsaustausch (Art. 9 und 10) und zur Rolle des Bundes in der Aufsicht und Koordination (Art. 77 ff.).

Der Influenza-Pandemieplan50 beschreibt die Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung des Gesundheitssystems auf eine Grippepandemie (Influenza) und soll als Grundlage für die Erarbeitung von Einsatz- und Notfallplänen auf kantonaler, regionaler und lokaler Ebene dienen. Dieses Dokument (die jüngste Ausgabe erschien 2018) wird vom BAG und von der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP)51 verfasst und genehmigt; zahlreiche Akteure aus der Verwaltung, den Kantonsbehörden und aus dem Gesundheitswesen waren an der Vorbereitung beteiligt.52 Im Pandemieplan sind die Aufgaben des Bundes ­ insbesondere 48 49 50 51

52

Botschaft des Bundesrates vom 3. Dez. 2010 zur Revision des Epidemiengesetzes (BBI 2011 311, hier 362 ff.).

Im Folgenden: Koordinationsorgan Epidemiengesetz (KOr EpG).

Influenza-Pandemieplan Schweiz. Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung auf eine Influenza-Pandemie. 5. Auflage, Jan. 2018.

Die EKP berät die Bundesverwaltung in der Vorbereitung auf Pandemien, die durch Influenza- oder andere Arten respiratorischer Viren verursacht werden. Diese Aufgabe umfasst namentlich die regelmässige Aktualisierung des nationalen Pandemieplans und die Beteiligung an der Ausarbeitung von Empfehlungen. Bei Vorfällen nimmt die EKP eine beratende Funktion bei der Lage- und Risikobeurteilung sowie bei der Auswahl der Strategien und Massnahmen zur Pandemiebekämpfung wahr. Die (aktuell 14) Mitglieder der EKP sind Fachleute aus den Bereichen Epidemiologie, Naturwissenschaften, Medizin, Kommunikation und aus anderen Fachgebieten, die für die Vorbereitung auf Pandemien und für die Pandemiebewältigung von Bedeutung sind.

Konkret liegt die Projektverantwortung «Pandemieplan» beim Leiter der Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit des BAG sowie bei der Präsidentin der EKP. Die Projektbegleitung erfolgt durch die EKP sowie durch eine Vertretung des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI), der Logistikbasis der Armee (LBA), des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL), des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und des Koordinierten Sanitätsdienstes (KSD). Beratend wirken zahlreiche weitere Akteure an der Ausarbeitung des Plans mit, darunter die Kantonsärztinnen und -ärzte, die Kantonsapothekerinnen und -apotheker, mehrere Bundesämter und andere Verwaltungseinheiten des Bundes sowie verschiedene Akteure aus dem Gesundheitsbereich und aus den Kantonen (mehr hierzu siehe Impressum des Influenza-Pandemieplans 2018, S. 128).

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des BAG ­ und der Kantone bei der Bewältigung eines solchen Ereignisses festgelegt.

In Kapitel 3.2 («Führung, Koordination und Steuerung») werden die Rollen des BAG und anderer Stellen wie BSTB, Swissmedic oder EKP präzisiert.

Die folgende Grafik aus dem Pandemieplan gibt einen Überblick über die wichtigsten Aufgaben (A) und Kompetenzen (K) des Bundesrates, der BK, des BSTB und des BAG im Rahmen der Grippepandemiebewältigung.

Aufgaben und Kompetenzen bei der Pandemiebewältigung

Pandemieplan 2018: Auszug aus Abb. I.3.1, S. 19

6

Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Eidgenössisches Departement des Innern (EDI)

Im vorliegenden Kapitel stellen die GPK die Ergebnisse ihrer Untersuchung der Krisenorganisation des BAG (einschliesslich der Covid-19-Taskforce des Amtes) und des EDI vor. Kapitel 6.1 vermittelt einen Überblick über die einschlägigen Rechtsgrundlagen und weiteren relevanten Vorgaben. In Kapitel 6.2 legen die GPK den erhobenen Sachverhalt53 dar. Kapitel 6.3 befasst sich mit den Auswertungen und den Verbesserungen, die die Verwaltung nach der ersten Pandemiewelle durchgeführt hat.

In Kapitel 6.4 schliesslich nehmen die GPK ihre Beurteilung aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht vor.

53

Die Darlegung des Sachverhalts beschränkt sich auf die für die Krisenorganisation des EDI und des BAG in den ersten Krisenmonaten relevanten Aspekte; Ziel ist es nicht, eine vollständige Chronologie der Entwicklung der Gesundheitslage oder der Tätigkeiten des Amtes bzw. des Departements während der Krise zu präsentieren.

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6.1

Rechtliche Grundlagen und weitere Vorgaben

Der Vorsteher des EDI sowie die Vertreterinnen und Vertreter des Departements und des BAG betonten gegenüber den GPK, dass sich die Krisenorganisation zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie im Wesentlichen auf die bestehenden Strukturen stützte.

Die Organisation des EDI beruht auf den allgemeinen Grundsätzen des RVOG und der RVOV (vgl. Kap. 5). Diese Grundsätze werden dann auf Departementsstufe in der Organisationsverordnung für das Eidgenössische Departement des Innern (OVEDI)54, in der u. a. die Aufgaben des Generalsekretariats (GS-EDI) und des BAG festgelegt sind, konkretisiert. Das BAG hat namentlich den Auftrag, «neue Bedrohungen für die Gesundheit früh [zu] erkennen und zur wirksamen Bewältigung von Krisen jederzeit bereit [zu] sein» (Art. 9 Abs. 2 Bst. b). Nach Auffassung des Vorstehers des EDI hat das Gesetz dem Departement den notwendigen Handlungsspielraum geboten.

In den Weisungen über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung (vgl. Kap. 5) ist vorgesehen, dass die Departemente zwar selbstständig über die Aktivierung ihrer Krisenstäbe entscheiden, sich aber untereinander koordinieren müssen (Ziff. 3.1). In den Weisungen wird auch die Rolle der Krisenstäbe der Departemente präzisiert: Diese unterstützen ihre Departementsvorsteherin oder ihren Departementsvorsteher bei der Krisenbewältigung (Ziff. 3.4.1) und stehen dem Ad-hoc-Krisenstab des Bundesrates zur Seite (Ziff. 3.4.3).

Wie in Kapitel 5 dargelegt, legt das Epidemiengesetz die Aufgaben des Bundes und der Kantone bei der Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten des Menschen fest.

Es enthält auch verschiedene Bestimmungen zu organisatorischen Fragen, jedoch keine spezifischen Bestimmungen zur Organisation des BAG oder des EDI im Fall einer Gesundheitskrise.

Der Influenza-Pandemieplan umfasst namentlich Angaben zur Rolle des BAG bei einer Influenza-Pandemie (vgl. Kap. 5). Laut Kapitel 3.2 des Pandemieplans ist das Amt beauftragt, Strategien und Massnahmen zu erarbeiten, Aufträge an unterstützende Einheiten zu erteilen und die fachliche Leitung der Kommunikation zu gewährleisten.

Wie das EpG enthält der Influenza-Pandemieplan jedoch keine genauen Vorgaben zur Krisenorganisation des BAG oder des EDI. Nach Auffassung des Vorstehers des EDI bildete der Pandemieplan trotzdem einen Leitfaden, auf die sich das Departement bei der
Organisation der Transformation und der notwendigen Arbeiten stützen konnte.

Die interne Krisenorganisation des BAG basiert auf dem Krisenhandbuch des Amtes55, dessen jüngste Ausgabe von der Geschäftsleitung des BAG im April 2018 genehmigt wurde. Das Handbuch regelt die in Krisenzeiten anzuwendenden Prozesse sowie die Organisation und Tätigkeiten des Krisenstabs des BAG, der eingesetzt wird, wenn das BAG eine solche Situation zu bewältigen hat. Im Handbuch werden namentlich die verschiedenen Arten von Krisen, mit denen das Amt konfrontiert sein kann, die Phasen einer Krise und die jeweils zu treffenden Massnahmen sowie die Position

54 55

Organisationsverordnung vom 28. Juni 2000 für das Eidgenössische Departement des Innern (OV-EDI, SR 172.212.1).

Bundesamt für Gesundheit: Krisenhandbuch BAG, 27. April 2018.

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des BAG innerhalb der Krisenorganisation des Bundes beschrieben. Zudem werden die Einzelheiten des Kriseneintritts aufgeführt.56 Laut dem Handbuch untersteht der Krisenstab des BAG der «Leitung Krisenstab», deren Aufgaben und Zuständigkeiten in einem Dokument festgelegt werden, und die von einem «Stabschef» unterstützt wird, der die Arbeiten koordiniert. Der Krisenstab gliedert sich in mehrere Arbeitsgruppen (AG), die spezifische Aufgaben wahrnehmen.57 Im Handbuch wird darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die Aufgaben und Kompetenzen des Krisenstabs klar zu definieren, die Stellvertretung zu regeln und sicherzustellen, dass die nicht direkt von der Krise betroffenen Bereiche normal funktionieren. Der Einsatz des Krisenstabs im Krisenmanagement und die Phase des Krisenaustritts werden summarisch beschrieben. Daneben enthält das Handbuch zwei kurze Kapitel über die Zusammenarbeit mit dem GS-EDI und dem BSTB. Der Anhang umfasst verschiedene Vorlagen und Checklisten.

Das GS-EDI verabschiedete am 12. März 2020 auf der Grundlage der Rahmendokumente des BAG (Pandemieplan, siehe oben) und der BK (Konzept für die Krisenkommunikation58) einen betrieblichen Pandemieplan59. Dieses interne Dokument beschreibt die wichtigsten organisatorischen, präventiven und hygienischen Massnahmen, mit denen die Ausbreitung einer Erkrankung unter den Mitarbeitenden vermindert, die betriebliche Infrastruktur aufrechterhalten und das Kerngeschäft des GS-EDI rund drei Monate lang mit schlimmstenfalls nur 60 Prozent des Personals sichergestellt werden kann. Der Plan regelt die Verteilung der Führungsaufgaben und der Entscheidbefugnisse im Generalsekretariat und sieht die Einsetzung eines «Pandemie-Teams» vor, das sich aus rund einem Dutzend Personen aus den verschiedensten Schlüsselbereichen (Ressourcen, Kernprozesse, Kommunikation, Logistik usw.) zusammensetzt. Er nennt zudem die wichtigsten Hygienemassnahmen für eine Pandemie, die Grundsätze für die interne Kommunikation und die Kernprozesse, die in einer Pandemie sicherzustellen sind. Das EDI teilte mit, dass dieser Plan anschliessend als Modell für andere Ämter des Departements diente.60 Die Vertreterinnen und Vertreter des EDI äusserten gegenüber den GPK die Auffassung, dass sich die Lehren aus den vom Bund in den Vorjahren durchgeführten Übungen positiv auf die
Krisenorganisation ausgewirkt hatten. Im Rahmen der Sicherheitsverbundsübung 2014 (SVU 14) war eine Pandemiesituation simuliert worden.61 Die Strategische Führungsübung des Bundes von 2017 (SFU 17) führte zu rund zehn

56 57 58 59 60

61

Das Handbuch sieht eine Kriseneintrittssitzung vor und enthält eine Liste der zu treffenden Entscheide sowie der Teilnehmenden.

Beispiele: Internationales, Strategie, Massnahmen, Aufsicht usw. Das Handbuch enthält auch ein detailliertes Organigramm des Krisenstabs.

Krisenkommunikation, Koordination der politischen Kommunikation durch die Bundeskanzlei, Konzept und Toolbox der Bundeskanzlei vom Febr. 2020.

Betrieblicher Pandemieplan (Betriebssicherheit Pandemie) für das Generalsekretariat EDI vom 12. März 2020.

Das EDI präzisierte, dass die grössten Bundesämter des Departements über eigene Pandemiepläne verfügten. Eine interne Analyse im Herbst 2020 (vgl. Kap. 6.3) ergab, dass sechs von zehn Verwaltungseinheiten des Departements über einen eigenen Pandemieplan verfügten und dass sich sieben der zehn Einheiten auf eine bestehende Krisenstruktur stützen konnten.

Projektorganisation SVU 14: Schlussbericht SVU 14, Mai 2015.

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Empfehlungen namentlich zur Krisenorganisation der Departemente und Bundesämter.62 Laut EDI und BAG wurden die Erkenntnisse aus diesen Übungen in den Pandemieplan und in das Krisenhandbuch des Amtes aufgenommen.63 Allerdings betonte der Vorsteher des EDI gegenüber den GPK, dass eine Übung nie mit einer wirklichen Pandemie zu vergleichen sei.

6.2

Organisation und Rolle des EDI und des BAG in der ersten Pandemiewelle (Januar bis Juni 2020)

Im Folgenden beschreiben die GPK den erhobenen Sachverhalt zur Krisenorganisation des EDI und des BAG in der ersten Pandemiewelle64 sowie die Rolle des Departements und des Amtes im Krisenmanagement des Bundes. Auf die Organisation und die Rolle der mit dem BAG verbundenen externen Gremien, z. B. der EKP und der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF), wird hier nicht eingegangen.

Ebenso wenig beurteilen die GPK im vorliegenden Bericht die gesundheitspolitischen Massnahmen, die das EDI und das BAG in der Krise getroffen bzw. dem Bundesrat beantragt haben. Die wissenschaftlichen Informationen, auf die sich das BAG zur Pandemiebewältigung stützte, und die Aspekte der Krisenkommunikation sind Gegenstand separater Untersuchungen.65

6.2.1

Kriseneintritt

Auftreten des Virus, erste organisatorische Massnahmen Bereits um den Jahreswechsel 2019/2020 kursierten in den Medien erste Informationen über das Vorkommen eines Clusters von Lungenerkrankungen unbekannten Ursprungs in China. Laut dem Vorsteher des EDI beobachtete das BAG die Lage seit Ende Dezember 2019; er selbst habe Anfang Januar davon erfahren. Am 5. Januar 2020 erhielt das Amt über das Meldesystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO) diesbezüglich erste offizielle Informationen.66 Im BAG ist die Abteilung Übertragbare Krankheiten (MT) im Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit für die Prävention und Bewältigung solcher Ereignisse zuständig. Laut dem BAG wurde die Situation betreffend das neue Coronavirus erstmals in

62 63

64

65

66

Bundesrat: Auswertungsbericht Strategische Führungsübung 2017 (SFU 17); 9. Mai 2018.

Die BK machte gegenüber den GPK zudem geltend, dass die Empfehlungen aus der SFU 17 in die Revision der Weisungen des Krisenmanagements der Bundesverwaltung eingeflossen sind, die 2019 abgeschlossen wurde.

Die GPK verstehen darunter den Zeitraum von der erstmaligen Erwähnung von Covid-19 in der Bundesverwaltung (Anfang Januar 2020) bis zur Aufhebung der ausserordentlichen Lage im Sinne des EpG (19. Juni 2020).

Die GPK beauftragten im Januar 2021 die PVK mit einer Evaluation zu den wissenschaftlichen Informationsgrundlagen des BAG. Die Subkommission EJPD/BK der GPK-S befasst sich mit verschiedenen Aspekten der Krisenkommunikation.

Die WHO war am 31. Dezember 2019 von China darüber informiert worden.

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der Woche vom 13. Januar 2020 in der Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit (K&I) der Abteilung MT erörtert.

Das Thema wurde vom Bundesrat an seiner ersten Sitzung des Jahres, am 15. Januar 2020, nicht besprochen; der Vorsteher des EDI erklärte dies damit, dass dieses Thema damals für die nationale Politik noch nicht relevant gewesen sei.67 Am 21. Januar fand in der Abteilung MT des BAG eine erste interne Diskussion über das neue Virus statt. Am 22. Januar traf das Amt eine erste Reihe von Massnahmen (Anfrage um Zugang zum Frühwarnsystem der Europäischen Union [EU], Anpassung von Verordnungen, Vorbereitung von zusätzlichen Massnahmen im Gesundheitswesen). Zudem beschloss das BAG, den BSTB einzuberufen (Information der Mitglieder, vorerst ohne Antrag auf Einsetzung68), die Koordination mit dem VBS und dem KSD69 einzuleiten, eine Telefonkonferenz mit den Kantonsärztinnen und -ärzten sowie ein Treffen mit dem Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) durchzuführen und eine Taskforce einzusetzen.

Das GS-EDI wurde über den Stand der verfügbaren Informationen und die nächsten Schritte informiert. Am 22. Januar unterhielt sich der Vorsteher des EDI ausserdem am Weltwirtschaftsforum von Davos mit dem Generaldirektor der WHO über das Thema.

Die GPK fragten sich, warum zwischen der offiziellen Meldung der WHO (5. Januar) und der ersten internen Diskussion über Covid-19 in der Abteilung MT (21. Januar) mehr als zwei Wochen verstrichen. Das EDI machte geltend, dass die Meldungen zu den Ereignissen in China zu diesem Zeitpunkt äusserst spärlich und diffus waren. Es sei in dieser Phase primär darum gegangen, sämtliche relevanten Informationen zusammenzutragen, da nur auf deren Grundlage inhaltlich diskutiert und die Situation beurteilt werden konnte. Das Departement wies darauf hin, dass die Abteilung MT täglich damit beschäftigt ist, alle verfügbaren Informationsplattformen zu nutzen, um gesundheitliche Gefahren zu erkennen. Diese Überwachung folge einem definierten Vorgehen und verfüge auch über einen Pikettdienst.

Der ehemalige Leiter der Abteilung MT wies in seiner Stellungnahme zu diesem Bericht Versäumnisse in dieser Phase strikt von sich. Er machte geltend, dass die Abteilung die Situation «täglich und sehr eng» verfolgte, die
internationalen Informationen aber «sehr schwierig einzuordnen» waren. Er betonte, dass selbst die WHO die Situation Ende Januar 2020 widersprüchlich einschätzte, dass die offizielle Warnung der WHO am 30. Januar 2020 erfolgte und erst am 11. März 2020 die Pandemie ausgerufen wurde. Die Tatsache, dass die Abteilung MT bereits vor dem Bekanntwerden des ersten Falls in Europa (25. Januar 2020) in den Krisenmodus wechselte, zeige, dass die Situation nicht unterschätzt worden sei und das Bundesamt den Kriseneintritt nicht verpasst habe.

67 68 69

Das Thema wurde am 29. Januar 2020, an der zweiten Bundesratssitzung, behandelt (siehe unten).

Die erste informelle Sitzung des BSTB fand am 24. Januar 2020 statt, vgl. Kap. 7.

Aufgabe des dem VBS unterstellten KSD ist die stufengerechte Koordination des Einsatzes und der Nutzung der personellen, materiellen und einrichtungsmässigen Mittel der zivilen und militärischen Stellen, die mit der Planung, Vorbereitung und Durchführung von sanitätsdienstlichen Massnahmen beauftragt sind. Der KSD erhebt mit dem Informations- und Einsatzsystem (IES) die Kapazitäten der 150 Akutspitäler.

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Lancierung der Arbeiten der Covid-19-Taskforce Die erste Sitzung der Covid-19-Taskforce des BAG (im Folgenden «Taskforce») fand am 23. Januar 2020 unter Leitung des Leiters der Sektion K&I und in Anwesenheit von rund 20 Mitarbeitenden der Abteilungen MT und Kommunikation des Amtes statt. Diese Sitzung bildete laut dem BAG die «Kriseneintrittssitzung», die im Krisenhandbuch des Amtes vorgesehen ist (vgl. Kap. 6.1). An der Kriseneintrittssitzung wurden die wichtigsten Funktionen der Krisenorganisation zugewiesen. Der Leiter der Abteilung MT und der Leiter der Sektion K&I wurden zur Co-Leitung des Krisenstabs» ernannt. Auch die Funktionen «Stabschef Krisenstab» und «Leitung Kommunikation» wurden zugewiesen. Ausserdem wurde ein Organigramm erstellt und an alle beteiligten Personen übermittelt.70 Es wurde beschlossen, dass dreimal wöchentlich ein Austausch stattfinden soll. Ab der ersten Sitzung beinhaltete die Traktandenliste einen Lagebericht, eine Pendenzenliste sowie eine Liste von Sofortmassnahmen.

Gemäss den Informationen des BAG wurden an den beiden Folgesitzungen (27. und 29. Januar) die für den Kontakt zum GS-EDI verantwortlichen Personen bestimmt, die internen und externen Ressourcen angesprochen und die Anweisungen zur Kompetenzerteilung71 erteilt. An diesen ersten Sitzungen wurden auch die Verzichtsplanung und die Organisation der Kommunikation mehrmals angesprochen. Ausserdem wurden auf Ebene der AG Kontakte mit anderen Bundesstellen, besonders im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), sowie mit den Kantonsärztinnen und -ärzten geknüpft.

Die Vertreterinnen und Vertreter des EDI äusserten sich gegenüber den GPK positiv über den Aufbau der auf das Krisenhandbuch gestützten Krisenorganisation des BAG.

Laut dem ehemaligen Generalsekretär wurde diese bereits früh geklärt und funktionierte das vorgedachte System der AG gut. Die Prüfung der GPK zeigte indessen, dass bestimmte Punkte bei der Festlegung der Verantwortlichkeiten und bei der Zuweisung von Stellvertretungen in der Taskforce zu Krisenbeginn nicht klar genug geregelt wurden. Dies wirkte sich nachteilig auf die Personalführung im BAG in der ersten Pandemiewelle aus (vgl. Kap. 6.2.4 und 6.3).

Es wurde verschiedentlich kritisiert, die Bundesbehörden hätten zu Beginn des Jahres 2020 mit den ersten gesundheitlichen
Massnahmen zu lange zugewartet. Der Vorsteher des EDI erklärte gegenüber den GPK, eines der Hauptprobleme auf politischer Ebene sei gewesen, zu akzeptieren, dass man es mit einer gravierenden Krise zu tun habe und es unerlässlich sei, in den Krisenmodus zu wechseln. Wie er betonte, konnte sich Ende Januar noch niemand vorstellen, dass es nötig sein könnte, derart einschneidende Massnahmen zu treffen, wie sie daraufhin beschlossen wurden. Aus seiner Sicht wäre es mit dem damaligen Informationsstand schwierig gewesen, anders zu handeln. Die Bundespräsidentin von 2020 erklärte, dass die Krise «lange Zeit weit weg» war und nicht von Anfang an genau erfasst werden konnte.

70 71

Die Taskforce bestand zuerst aus sechs AG (vgl. Kap. 6.2.2).

Laut EDI wurden diese Anweisungen lediglich mündlich erteilt.

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Entwicklung der Organisation zwischen Ende Januar und Ende März 2020 Am 28. Januar 2020 übermittelte das BAG dem Vorsteher des EDI eine erste Informationsnotiz über den Ausbruch eines neuartigen Coronavirus in China. Darin wurden die aktuelle Lage sowie die getroffenen bzw. geplanten Massnahmen beschrieben; es wurde betont, dass sich die Situation sehr rasch entwickle.72 Der Vorsteher des EDI, der Direktor des BAG73 und die Leiterin des Direktionsbereichs Öffentliche Gesundheit trafen sich gleichentags zu einer Sitzung.

Ebenfalls am 28. Januar 2020 leitete das EDI die Informationsnotiz des BAG an den Bundesrat74 weiter, der am darauffolgenden Tag die zweite Sitzung des Jahres75 abhielt. Am 30. Januar erklärte die WHO den Ausbruch von Covid-19-Fällen in Asien zu einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite.76 Zwischen Ende Januar und Mitte Februar wurden die Tätigkeiten der Taskforce schrittweise verstärkt. Angesichts der raschen Entwicklung der Epidemie wurde die Krisenmanagementstruktur, die zuerst vor allem aus Mitarbeitenden der Abteilung MT bestand, zunächst durch weitere Angestellte des BAG und anschliessend durch Personen aus anderen Einheiten des EDI sowie durch temporär angestellte externe Mitarbeitende ergänzt (vgl. Kap. 6.2.4).

Im GS-EDI erfolgte das Krisenmanagement im Januar und Februar hauptsächlich im Rahmen der bestehenden Strukturen. Am 31. Januar 2020 wurde im Intranet des Generalsekretariats eine spezielle Seite zum Thema Coronavirus eingerichtet. Die ersten wesentlichen Anpassungen der Organisation des GS-EDI wurden ab Anfang März (siehe unten) und anschliessend mit der Einsetzung des KSBC vorgenommen (vgl.

Kap. 8). Das EDI teilte den GPK mit, dass zur Bewältigung der erhöhten Arbeitslast im Zusammenhang mit dem Krisenmanagement zunächst einmal eine klare Priorisierung der internen Dossiers notwendig war und dass der zusätzliche Personalbedarf soweit möglich intern aufgefangen wurde.

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Das BAG schrieb in der Notiz, dass sich in China 4500 Personen infiziert haben und 106 Personen an den Folgen des Virus gestorben sind. In 17 Ländern ausserhalb von China wurden Fälle bestätigt, u. a. in Frankreich und in Deutschland. Das Risiko einer Einschleppung von Fällen nach Europa wurde als «moderat bis hoch» beurteilt. Das BAG ging davon aus, dass auch in der Schweiz Fälle zu erwarten sind. In der Notiz sind die vom BAG bereits getroffenen bzw. die geplanten Massnahmen beschrieben. Der Vorsteher des EDI betonte gegenüber den GPK, dass das Virus zu jenem Zeitpunkt noch «sehr weit weg» gewesen sei und dass die diesbezüglichen Informationen unsicher gewesen seien.

Im vorliegenden Bericht bezeichnet der Begriff «(ehemalige oder damalige) Direktor des BAG» Pascal Strupler, der das BAG bis Ende Sept. 2020 leitete. Anne Lévy, die am 1. Oktober 2020 seine Nachfolge antrat, wird nachstehend als die «neue Direktorin» oder «aktuelle Direktorin» bezeichnet.

Die Bundespräsidentin von 2020 erklärte den GPK, dass sie sich an eine spezifische Diskussion im Bundesratskollegium über diese Notiz nicht erinnere. Informationsnotizen sind in der Regel nicht Gegenstand einer Diskussion des Bundesrates, es sei denn, diese wird verlangt.

Die Bundesratssitzung vom 22. Januar 2020 fand wegen des Weltwirtschaftsforums von Davos nicht statt.

Public health emergency of international concern (PHEIC).

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Ab dem 3. Februar 2020 liess das BAG dem EDI einen täglichen Lagebericht zu Covid-19 zukommen. In einer weiteren, dem Bundesrat am 11. Februar 2020 übermittelten Notiz77 schrieb das EDI, dass die Taskforce rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche aktiv sei und dass regelmässige Kontakte mit dem KrisenmanagementZentrum des EDA und den Kantonsärztinnen und -ärzten stattfänden. Das BAG richtete einen wöchentlichen «Point de presse» und drei Hotlines ein. Eine dritte Informationsnotiz über die Entwicklung der Epidemie wurde dem Bundesrat am 18. Februar 2020 übermittelt.78 Bis Ende Februar konzentrierte sich die Arbeit der Bundesbehörden vor allem auf die gesundheitlichen Aspekte der Krise. Nach Kenntnisstand der GPK wurden zu jenem Zeitpunkt z. B. die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie noch nicht behandelt; das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) sowie das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) waren nicht in das Krisenmanagement des Bundes eingebunden.79 Angesichts der abrupten Verschlechterung der Lage in Italien intensivierte die Taskforce ab dem 24. Februar 2020 ihre Tätigkeit. Ab jenem Zeitpunkt wurde beschlossen, den Austausch zwischen dem BAG und dem EDI zu verstärken. Das GSEDI (in der Regel vertreten durch den Generalsekretär) sowie der BSTB und der KSD nahmen nun an allen Sitzungen der Taskforce teil. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) und das EDA nahmen an der Sitzung vom 24. Februar teil. Am 25. Februar wurde der erste positive Fall in der Schweiz verzeichnet. Ab dem 26. Februar wurden mit dem Vorsteher des EDI zwei wöchentliche Coronavirus-Briefings organisiert.

Laut Letzterem begann das Departement ab dann auch, konkrete Vorschläge zur Krisenorganisation des Bundesrates zu entwickeln.

An der ausserordentlichen Sitzung vom 28. Februar 2020 beschloss der Bundesrat das Verbot von Grossveranstaltungen80 und erklärte die besondere Lage gemäss Artikel 6 77

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In dieser Notiz informierte das EDI erneut über die Entwicklung der Epidemie in Asien und in Europa sowie über die vom BAG bereits ergriffenen bzw. geplanten Massnahmen.

Das Risiko einer Einschleppung von Fällen nach Europa wurde als hoch, jenes von langfristigen Ansteckungen in Europa jedoch als gering beurteilt. Das EDI wies auf künftige Herausforderungen betreffend Empfehlungen an Reisende, Durchführung von Grossanlässen und die Versorgung mit Masken hin.

In dieser Notiz informierte das EDI erneut über die Entwicklung der Epidemie in Asien und in Europa sowie über die vom BAG bereits ergriffenen bzw. geplanten Massnahmen.

Deutschland zählte in Europa die meisten Fälle (12). In Frankreich wurde ein erster Todesfall verzeichnet. In der Schweiz wurden 260 Verdachtsfälle analysiert, von denen sich keiner als positiv herausstellte. Das EDI bezeichnete das Risiko einer Einschleppung von Fällen nach Europa weiterhin als hoch, beurteilte aber das langfristige Ansteckungsrisiko in Europa immer noch als niedrig. Zwar rechnete das EDI in absehbarer Zukunft mit ersten Fällen in der Schweiz, hielt aber eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus in der Schweiz kurzfristig für wenig wahrscheinlich. Der Vorsteher des EDI erklärte gegenüber der GPK-S, dass die Situation in Europa damals sehr ruhig schien und dass die Informationen aus China als sehr unsicher galten.

Ab Anfang Februar 2020 tauschte sich das BAG jedoch mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) über arbeitsrechtliche Fragen und mit dem BWL über die wirtschaftliche Versorgung aus. Die «Taskforce Wirtschaft» des Bundes wurde am 13. März 2020 unter Leitung des SECO eingesetzt.

An dieser Sitzung verabschiedete der Bundesrat die erste Fassung der COVID-19Verordnung: Verordnung vom 28. Febr. 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) (SR 818.101.24).

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EpG.81 Er nahm an dieser Sitzung ausserdem Kenntnis von der Einsatzbereitschaft des BSTB und beauftragte das EDI, den Kantonen die Einsetzung ihrer Krisenstäbe zu empfehlen. Darüber hinaus wurden keine weiteren spezifischen Entscheide zur Krisenorganisation des Bundes gefällt.

Den GPK liegen keine Informationen vor, aus denen hervorgeht, dass das EDI in den ersten Pandemiewochen vom Bundesrat formell mit der Federführung in der Krisenbewältigung betraut wurde, wie dies in den Weisungen über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung vorgesehen ist (vgl. Kap. 6.1); diese Rolle scheint sich in den ersten Pandemiewochen de facto ergeben zu haben, weil damals die gesundheitlichen Aspekte der Krisenbewältigung im Vordergrund standen.82 Gemäss Artikel 6 Absatz 3 EpG ist das EDI für die Koordination der Massnahmen des Bundes in der besonderen Lage zuständig (vgl. Kap. 4).

Nachdem er sich zwischen Ende Januar und Ende Februar 2020 dreimal informell getroffen hatte, nahm der BSTB seine Tätigkeit an der Sitzung vom 2. März 2020 unter der Leitung des Direktors des BAG formell auf (vgl. Kap. 7).

Am 6. März 2020 richtete der Bundesrat mehrere Empfehlungen an die Arbeitswelt (namentlich zu Homeoffice und zu Dienstreisen). Gestützt auf diesen Entscheid beschloss das GS-EDI, den Pandemieplan des Departementes83 rasch umzusetzen, Homeoffice einzuführen und Geschäfte zu priorisieren. Laut dem ehemaligen Generalsekretär war die Funktionsfähigkeit des Departements trotz dieser Umstellungen jederzeit gewährleistet. Die später vom EDI intern durchgeführte Evaluation zeigt, dass die Einheiten des Departements im Grossen und Ganzen in der Lage waren, ihren Aufgaben nachzukommen, auch wenn nicht alle über eine bereits bestehende Krisenorganisation verfügten (vgl. Kap. 6.3).

Am 11. März 2020 stufte die WHO die Covid-19-Epidemie als «Pandemie» ein. Am 13. März beschloss der Bundesrat eine Reihe weiterer gesundheitlicher Massnahmen.84 Am 16. März erklärte er die ausserordentliche Lage nach Artikel 7 EpG und ergriff verschiedene zusätzliche Massnahmen.85

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Das EDI schrieb in seinem Antrag an den Bundesrat, dass der Ausbruch von Covid-19 nicht unter Kontrolle ist und dass das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) das Risiko des Auftretens von ähnlichen Clusters wie in Norditalien als moderat bis hoch eingeschätzt. Das Departement ging davon aus, dass es kurze Zeit später auch in der Schweiz zu weiteren bestätigten Fällen kommen werde, und schloss eine unkontrollierte Ausbreitung nicht aus. Es informierte den Bundesrat über die Massnahmen, die auf Ebene Kantone und Bund ergriffen wurden, und über die wichtigsten bestehenden Herausforderungen. Das Departement präsentierte zudem den rechtlichen Hintergrund im Zusammenhang mit der Erklärung der «besonderen Lage» im Sinne des EpG, unterbreitete den Antrag auf das Verbot von Grossveranstaltungen und nannte mögliche alternative oder zusätzliche Massnahmen.

Das EDI unterbreitete dem Bundesrat am 20. März 2020 seinen Antrag zur Einsetzung des KSBC, in dem zu lesen ist: «Die Federführung für die Bewältigung der Krise liegt gesundheitspolitisch begründet beim EDI.» (vgl. auch Kap. 9 und 10).

Dieser wurde am 12. März 2020 offiziell angenommen (vgl. Kap. 6.1).

Namentlich: Verbot von Veranstaltungen mit über 100 Personen, Begrenzung auf 50 Personen in Restaurants, Bars und Diskotheken, Verbot von Präsenzunterricht in Schulen.

Namentlich: Schliessung der Restaurants und Bars, der Läden, der Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe; Einsatz der Armee zur Unterstützung der Kantone.

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Am 19. März beantragte das EDI dem Bundesrat, einen dem EDI unterstellten interdepartementalen Steuerungsausschuss zur Bewältigung der gesundheitlichen Aspekte der Covid-19-Krise zu schaffen. Auf dieser Grundlage beschloss der Bundesrat am 20. März, den KSBC als Ad-hoc-Krisenstab einzusetzen (vgl. Kap. 8). Für die Behandlung der Bundesratsgeschäfte wurde gemäss den in der Sitzung der GSK vom 23. März festgelegten Kriterien eine neue Planung erstellt.

Ende März 2020 trat der Leiter der Abteilung MT von seinem Amt zurück. Dieser Weggang war im Hinblick auf seine Pensionierung lange im Voraus geplant. Am darauffolgenden Tag trat der vor der Pandemie ernannte Nachfolger sein Amt an.86 Aufgrund der ausserordentlichen Lage erklärte sich der ehemalige Leiter bereit, bis Ende Mai als «Delegierter des BAG für Covid-19» das Amt weiter zu beraten und Aufgaben der öffentlichen Kommunikation wahrzunehmen. Auch der Generalsekretär des EDI gab sein Amt ab ­ und zwar am 1. April und nicht wie geplant Ende April ­ und übernahm auf Beschluss des Bundesrates die Leitung des KSBC. Sein bereits Ende Januar ernannter Nachfolger trat das Amt am gleichen Tag an, einen Monat früher als vorgesehen (vgl. Kap. 6.2.6).

6.2.2

Tätigkeiten der Covid-19-Taskforce

Aufgaben und Organisation der Taskforce Die Covid-19-Taskforce des BAG ist seit der Lancierung Ende Januar 2020 (vgl.

Kap. 6.2.1) als spezialisierter Stab des Bundes für den Umgang mit den gesundheitspolitischen Aspekten der Pandemie zuständig. In dieser Funktion übernimmt sie ein sehr breites Aufgabenspektrum, das den im EpG definierten Zuständigkeiten des BAG entspricht. Diese Aufgaben umfassen namentlich die Beobachtung der epidemiologischen Lage in der Schweiz und im Ausland, die Analyse der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Erarbeitung der gesundheitspolitischen Massnahmen und der entsprechenden Rechtsgrundlagen, die Unterstützung des EDI und des Bundesrates bei Entscheiden zur Pandemiebewältigung, die Abstimmung mit den anderen Akteuren des Gesundheitswesens, mit den Kantonen und mit den internationalen Gesundheitsbehörden, die Umsetzung der beschlossenen gesundheitspolitischen Massnahmen, das Vollzugsmonitoring sowie die Kommunikation mit der Öffentlichkeit (zur Verteilung der Entscheidkompetenzen im BAG und im EDI vgl. Kap. 6.2.4).

Gemäss dem Krisenhandbuch des BAG besteht die Taskforce aus AG, die sich jeweils einem Thema widmen und die eigentliche Krisenmanagementarbeit leisten. Bei der Einsetzung zählte die Taskforce sechs AG;87 mit der Entwicklung der Krise und den neuen Aufgaben, die dem BAG zugewiesen wurden, stieg die Anzahl bis Juni 2020 rasch auf 19 an.88 Auch die Anzahl der der Taskforce zugewiesenen Mitarbeitenden nahm rasch zu und lag im Juni 2020 bei 128 (vgl. Kap. 6.2.4).

86 87 88

Neuer Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten des BAG, Medienmitteilung des BAG vom 31. März 2020.

Kommunikation, Strategie, Recht, Internationales, Meldesysteme, Massnahmen.

Siehe detailliertes Organigramm, Anhang 1.

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Die Taskforce ist dem Direktor des BAG unterstellt. Geführt wird sie von einer «Leitung Krisenstab»89, die bei Kriseneintritt ernannt wird (vgl. Kap. 6.2.1). Diese Funktion wurde zunächst vom Leiter der Abteilung MT und vom Leiter der Abteilung K&I zusammen wahrgenommen. Nach der Pensionierung des Leiters der Abteilung MT wurde die Co-Leitung der Taskforce im April 2020 von dessen Nachfolger übernommen (vgl. Kap. 6.2.6). Das BAG wies gegenüber den GPK mehrmals auf die «Taskforce-Leitung» hin, der die Leitenden des Krisenstabs und der Direktor des BAG angehörten (vgl. Kap. 6.2.5). Das EDI präzisierte zudem, dass ab März 2020 auch der Generalsekretär des EDI, der Leiter des BSTB und der KSD-Delegierte Führungsaufgaben in der Taskforce wahrnahmen.

In der ersten Pandemiewelle traf sich die Taskforce zu drei wöchentlichen Sitzungen in den Räumlichkeiten des BAG. 20 bis 40 Personen, im Wesentlichen Mitarbeitende des BAG, nahmen daran teil. Ab Ende Februar 2020 waren auch einige Vertreterinnen und Vertreter anderer Verwaltungseinheiten an den Sitzungen anwesend (siehe weiter unten). Ab dem 18. März 2020 wurde beschlossen, dass künftig jede AG an den Sitzungen der Taskforce durch nur eine Person vertreten sein sollte. Ab Anfang April wurden einige Teilnehmende telefonisch zugeschaltet.90 Für jede Sitzung wurde ein Protokoll verfasst.

In den ersten Krisenwochen wurden die Sitzungen der Taskforce meistens vom Leiter der Sektion K&I und gelegentlich auch vom «Stabschef Krisenstab» oder vom Direktor des Amtes geleitet. Ab April 2020 wurden die Sitzungen abwechselnd vom Leiter der Sektion K&I und vom neuen Leiter der Abteilung MT (seit dem 1. April im Amt) geleitet (vgl. Kap. 6.2.6).

Verteilung der Verantwortlichkeiten Die GPK untersuchten, wie die Verantwortlichkeiten für das Krisenmanagement im BAG in der Frühphase der Pandemie verteilt waren. Dazu befragten sie die Verantwortlichen des Amtes und nahmen Kenntnis von den Ergebnissen einer im Auftrag des BAG im Sommer 2020 durchgeführten externen Analyse zur Krisenorganisation91 (vgl. Kap. 6.3).

Die GPK stellten fest, dass in der ersten Welle eine klare Trennung zwischen der Krisenorganisation und der gewöhnlichen Linienstruktur des BAG fehlte. Das BAG räumte ein, dass die Aufgaben sich weitgehend überschnitten und dass einige Personen sogar beiden
Organisationen gleichzeitig angehörten.92 Wie das Amt mitteilte, hatte es die Pflichtenhefte, die im Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit bestanden, auf die Taskforce angewandt; den GPK sind keine spezifischen, für die Leitenden

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92

Das EDI teilte den GPK mit, dass die Leitung des Krisenstabs und deren Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKV) in den Pflichtenheften der Abteilung MT beschrieben sind.

In den Protokollen für jenen Zeitraum werden keine Videokonferenzen erwähnt.

Organisations- und Prozessanalyse sowie Klärung des Optimierungspotentials der COVID-19-Krisenorganisation auf Stufe Abteilung Übertragbare Krankheiten (MT).

Internes Arbeitspapier vom 16. Okt. 2020 zuhanden des BAG, erstellt von der Firma Dynamic Organizational Consulting (DOC) (nicht veröffentlicht). Im Folgenden: «Evaluation Beratungsfirma DOC».

Siehe dazu auch Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 1, S. 7.

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der Krisenorganisation erstellten Pflichtenhefte bekannt. Zudem wurden die Kompetenzen an den ersten Sitzungen der Taskforce nur mündlich zugewiesen. Der Leiter der Sektion K&I erklärte gegenüber den GPK, dass die Neufestlegung der Verantwortlichkeiten und der Zuständigkeiten in der Taskforce in einem rollenden Prozess erfolgte, um Mitarbeitende, die mehrere Funktionen innehatten, zu entlasten und die Effizienz zu steigern. Die aktuelle Direktorin des BAG räumte rückblickend ein, dass das Amt die verschiedenen Aufgaben besser hätte bündeln und IT-Tools stärker hätte nutzen müssen, um einen besseren Überblick zu behalten. Der ehemalige Leiter der Abteilung MT wiederum lehnte die Kritik, dass nicht klar zwischen Krisenorganisation und normaler Linienstruktur unterschieden worden sei, entschieden ab.93 Zudem stellten die GPK fest, dass die Stellvertretungen in der Krisenorganisation in der ersten Welle nicht klar geregelt waren; das BAG erklärte diesbezüglich, dass die Stellvertretungsregelung «im Verlauf der Krise festgelegt [wurde], nachdem nach und nach weitere Personen rekrutiert werden konnten».

Soweit den GPK bekannt ist, existierten keine Unterlagen zur Festlegung von Themenbereichen, Aufgaben und Zuständigkeiten der AG. Die im Auftrag des BAG durchgeführte externe Analyse zeigte Doppelspurigkeiten bei der Aufgabenverteilung und -strukturierung sowohl innerhalb als auch zwischen den AG auf.94 Allgemein gelangt die Analyse zum Schluss, dass die Prozesse und Strukturen der Krisenorganisation «von Beginn an unklar»95 waren.

Diese Schwachstellen beeinträchtigten die Personalführung des BAG in der ersten Pandemiewelle (vgl. Kap. 6.2.4).

Neue Struktur ab Juni 2020 Nach der Rückkehr zur «besonderen Lage» gemäss EpG und der Auflösung des KSBC im Juni 2020 wurde die Struktur der Covid-19-Taskforce des BAG neu konzipiert. Im Oktober 2020 wurden neue organisatorische Massnahmen getroffen, um die Arbeitsbelastung des Personals zu verringern (für Einzelheiten vgl. Kap. 6.3).

6.2.3

Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren

Die GPK untersuchten auch die Interaktionen zwischen der Taskforce des BAG und den übrigen in das Krisenmanagement involvierten (verwaltungsinternen oder -externen) Akteuren. Angesichts der zahllosen Kontakte des BAG in der Krise verzichteten die GPK darauf, die Interaktionen erschöpfend aufzuführen oder alle betroffenen Akteure um eine diesbezügliche Einschätzung zu bitten, sondern formulierten gestützt auf die ihnen vorliegenden Informationen allgemeine Feststellungen.

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94 95

Aus der Sicht des ehemaligen Leiters der Abteilung MT ist «die Anzahl von Fachleuten mit einer soliden Ausbildung und Erfahrung im Spezialgebiet <öffentliche Gesundheit> nicht nur in der Schweiz sehr klein. Wenn man von der Prämisse ausgeht, dass in der Krise diejenigen führen müssen, die auch in normalen Zeiten die Führungsarbeit verantworten, dann ist es unabdingbar, dass gezielt solche Fachleute [in Krisenzeiten] für Führungspositionen gefordert werden.».

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 1, S. 8, Ziff. 4.3.2.9, 4.3.2.10 und 4.3.2.14.

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 4.3.1, S. 16.

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So stellten die GPK fest, dass die Zusammenarbeit zwischen der Taskforce des BAG und den übrigen Akteuren hauptsächlich auf drei Ebenen stattfand: ­

Die meisten Schnittstellen waren entsprechend den Themen auf der Stufe der Arbeitsgruppen zu verzeichnen. Dazu gehört z. B. die Koordination mit dem EDA bei internationalen Fragen, mit der BK und dem BJ bei der Klärung der rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit den gesundheitspolitischen Massnahmen, mit der BK bei der Kommunikation, mit der GDK und der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz (VKS) bei der Umsetzung der gesundheitspolitischen Massnahmen in den Kantonen und mit den Wirtschaftsdachverbänden bei der Erstellung der Schutzkonzepte.

­

Für einige Verwaltungseinheiten erfolgte die Koordination über die direkte Vertretung an den Sitzungen der Taskforce. So nahmen das GS-EDI, der KSD und der BSTB ab Ende Februar 2020 an ausnahmslos allen Sitzungen teil.

Auch die Armeeapotheke, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) und das SECO waren ab Ende April/Anfang Mai 2020 in der Taskforce vertreten. Das BAG wollte mit dem Einbezug dieser Akteure in die Sitzungen einen raschen und einfachen Informationsfluss gewährleisten.

­

Zu guter Letzt vertraten die Mitarbeitenden der Taskforce das BAG auch in anderen Krisenorganen des Bundes bzw. an Treffen mit anderen Akteuren; neben dem BSTB (vgl. Kap. 7) und dem KSBC (vgl. Kap. 8) sind hier verschiedene interdepartementale AG (z. B. betreffend die Massnahmen an der Grenze oder die Beschaffung von medizinischen Gütern), die mit der BK eingesetzte Krisenkommunikationszelle, zahlreiche Treffen mit Kantonsbehörden und mit Partnern im Sozial- und Wirtschaftsbereich sowie der Austausch auf internationaler Ebene zu nennen.

Insgesamt bezeichnete das BAG gegenüber den GPK die Abstimmung mit den anderen Akteuren in der ersten Pandemiewelle als relativ gut. Es führte als Beispiel die Zusammenarbeit mit dem KSD, der Armeeapotheke, dem BWL und dem SECO an.

Die GPK stellen fest, dass zwischen dem BAG, dem BSTB und dem KSBC namentlich dank gegenseitiger Teilnahme der Vertreterinnen und Vertreter an den Sitzungen der anderen Organe ein effizienter Informationsaustausch sichergestellt werden konnte (vgl. Kap. 9). Verschiedene externe Partner zogen ebenfalls eine positive Bilanz ihrer Zusammenarbeit mit dem BAG.96 Die VKS begrüsste die wöchentlichen Telefonkonferenzen mit dem BAG. Insgesamt schien die Zusammenarbeit vor allem dann gut funktioniert zu haben, wenn die jeweiligen Ansprechpartner klar bezeichnet waren bzw. wenn bereits vor der Krise eine Kooperation bestand.

Gegenüber den GPK wurden jedoch auch deutlich kritischere Meinungen zur Zusammenarbeit des BAG mit den externen Partnern in den ersten Pandemiemonaten geäussert. Gewisse erhobene Informationen lassen darauf schliessen, dass die Struktur der Taskforce für die externen Partner schwer überblickbar war und diese bisweilen Schwierigkeiten hatten, die Kontaktpersonen im BAG zu ermitteln bzw. zu eruieren, wie die Verantwortlichkeiten organisiert waren. Einige Bundesämter fühlten sich des-

96

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 4.3.1, S. 7.

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halb nicht genügend in die Vorbereitung der Entscheide zur Krisenbewältigung eingebunden. Nach Auffassung bestimmter Akteure erachtete das BAG die externen Gremien nicht als Kooperationspartner, sondern eher als «Inputlieferanten». Dies geht insbesondere aus der im Auftrag des BAG im Sommer 2020 durchgeführten externen Analyse zur Krisenorganisation, aus der internen Evaluation des EDI und aus der Auswertung der BK hervor (vgl. Kap. 6.3).97 Auch die KdK kritisierte in ihren Berichten vom Dezember 2020 und vom April 202298 zum Krisenmanagement die unklaren Strukturen auf Bundesebene.99 Verschiedentlich kritisiert wurde auch der fehlende Einbezug von Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft in die Arbeiten des BAG in den ersten Wochen der Pandemie. Dieser Aspekt wird hier jedoch nicht vertieft, sondern ist Gegenstand einer separaten Untersuchung.

6.2.4

Personalmanagement

Die Covid-19-Krise stellte das BAG vor grosse Herausforderungen in der Personalführung. Das Amt war mit einer beispiellosen Arbeitsbelastung konfrontiert und stand im öffentlichen und politischen Rampenlicht. Die GPK erkundigten sich mehrmals beim EDI und beim BAG, welche Massnahmen diesbezüglich getroffen und welche Lehren aus der ersten Welle gezogen wurden.

Im Januar 2020 verfügte die Abteilung MT über insgesamt 45,8 Vollzeitäquivalente (VZÄ) verteilt auf 59 Mitarbeitende. Angesichts des Ausmasses der Krise und der zunehmenden Aufgaben des BAG wurde das Personal der BAG-Taskforce rasch aufgestockt: zunächst mit Personen aus anderen Abteilungen100 und dann aus anderen Einheiten des EDI bzw. aus anderen Departementen, die indirekt oder punktuell Arbeiten für die Taskforce ausführten. Das BAG holte sich auch externe Verstärkung101 und stellte die internen Prioritäten bei den Aufgaben um; einige als nicht prioritär eingestufte Projekte wurden zurückgestellt.

Im Mai 2020 zählte die Taskforce etwa 80 Mitarbeitende; Ende Juni 2020 betrug diese Zahl 128. Um den zusätzlichen Funktionsaufwand des BAG zu decken, wurde ein Zusatzkredit in den Nachtrag IIb zum Voranschlag 2020 des Bundes aufgenommen und vom Parlament im Dezember 2020 genehmigt.102

97

Bericht zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie (1. Phase / Febr. bis Aug. 2020), Bericht der Bundeskanzlei vom 11. Dez. 2020, S. 23. In dieser Auswertung steht z. B, dass die Anliegen bestimmter Gesundheitsdachverbände zu wenig Gehör fanden.

98 Zusammenarbeit von Bund und Kantonen in der Covid-19-Epidemie: Schlussfolgerungen und Empfehlungen, Schlussbericht der KdK vom 29. Apr. 2022.

99 Covid-19-Pandemie: Das Krisenmanagement in der ersten Welle aus Sicht der Kantone, Zwischenbericht der Konferenz der Kantonsregierungen vom 18. Dez. 2020.

100 Einschliesslich der Erhöhung des Beschäftigungsgrads bestimmter Mitarbeitenden.

101 Bis Juni 2020 stellte das BAG zusätzlich 33 temporäre Mitarbeitende an. Im August 2020 waren rund 40 Personen temporär beschäftigt und mit 25 externen Personen bestand ein Dienstleistungsvertrag.

102 Botschaft vom 12. Aug. 2020 über den Nachtrag IIb zum Voranschlag 2020 (BBl 2020 7101).

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Die von den GPK befragten Personen wiesen darauf hin, dass die Mitarbeitenden des BAG in der ersten Welle unter sehr schwierigen Bedingungen arbeiteten. Das grosse Arbeitsvolumen erforderte mehrere Monate lang Abend- und Wochenendeinsätze.

Zudem standen sie unter starkem öffentlichen und politischen Druck.103 Im August 2020 verzeichnete das BAG ein Überzeitguthaben von 20'000 Stunden.104 Laut dem ehemaligen Direktor des BAG war am Höhepunkt der Krise ein Viertel der Mitarbeitenden vollständig mit der Krisenbewältigung beschäftigt;105 zwei Drittel der Mitarbeitenden waren direkt oder indirekt davon betroffen.

Die Vertreterinnen und Vertreter des EDI und des BAG unterstrichen das grosse Engagement der Mitarbeitenden und ihre Bereitschaft, sich täglich mit neuen Themen und Problemen auseinanderzusetzen. Der Vorsteher des EDI begrüsste den grossen Pragmatismus, mit dem die Dinge in der Verwaltung geregelt wurden; es sei angesichts eines Kontextes mit vielen Unbekannten ein Vorteil gewesen, sich auf bestehende Strukturen und Zusammenarbeit stützen zu können. Laut dem ehemaligen Generalsekretär des EDI verlief die Umverteilung von Personal innerhalb der Verwaltung erfolgreich und das BAG konnte rasch Personen aus anderen Verwaltungseinheiten zur Unterstützung heranziehen. Wie er erklärte, hatte das EDI den Ämtern des Departements zu Krisenbeginn signalisiert, dass jetzt die Bewältigung der Pandemie prioritär ist und die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, selbst wenn dies bedeutet, dass andere Projekte intern neu priorisiert werden müssen. Er begrüsste die grosse Hilfsbereitschaft in der Verwaltung. Die Vertreterinnen und Vertreter des EDI und des BAG räumten jedoch auch ein, dass sie das Ausmass und die mögliche Dauer der Pandemie zuerst unterschätzt hatten. In dieser ersten Phase habe niemand damit gerechnet, dass die Krise mehr als zwei Jahre andauern würde. Diese Fehleinschätzung bezüglich der Dauer der Pandemie sei rückblickend ein Fehler gewesen, sei aufgrund des damaligen Wissensstandes und aus damaliger Perspektive jedoch nachvollziehbar und kaum anders einschätzbar gewesen.

Im Sommer 2020 beauftragte das BAG eine externe Beratungsfirma mit der Analyse seiner Krisenorganisation in den ersten Pandemiemonaten106 (vgl. Kap. 6.3). Diese interne107 Analyse enthält mehrere relevante Schlussfolgerungen zur Personalführung. Als Stärken werden in der Analyse das grosse Engagement der Mitarbeitenden 103

104 105 106

107

Der Vorsteher des EDI wies in diesem Zusammenhang namentlich auf die vielen Unterlagen, die im Hinblick auf die Beschlüsse des Bundesrates verfasst werden mussten, die parlamentarischen Vorstösse, die das EDI zu beantworten hatte (drei- oder viermal mehr als sonst) und von aussen eingegangene Korrespondenz hin (je nach Zeitpunkt bis zu hundertmal mehr als gewöhnlich).

Die Personen mit Vertrauensarbeitszeit sind darin nicht eingerechnet. Im August 2020 entsprach das höchste individuelle Überzeitguthaben 650 Stunden.

Normalerweise zählt das BAG rund 560 VZÄ.

Organisations- und Prozessanalyse sowie Klärung des Optimierungspotentials der COVID-19-Krisenorganisation auf Stufe Abteilung Übertragbare Krankheiten (MT).

Internes Arbeitspapier vom 16. Okt. 2020 zuhanden des BAG, erstellt von der Firma Dynamic Organizational Consulting (DOC) (nicht veröffentlicht). Im Folgenden: «Evaluation Beratungsfirma DOC».

Diese Analyse war als interne Analyse vorgesehen. Es wurde damit nicht beabsichtigt, gegen aussen Rechenschaft abzulegen. Der damalige Leiter der Abteilung MT präzisierte gegenüber den GPK, dass er im Rahmen der Analyse nicht befragt wurde, den betroffenen Bericht nie gesehen hatte und zu den im Bericht erhobenen Vorwürfen nie Stellung nehmen konnte.

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des BAG und der ausgeprägte Teamgeist im Amt genannt. Aus der Analyse geht auch hervor, dass die Krisenorganisation generell flexibel und unbürokratisch funktioniert hat.108 Die Analyse zeigt jedoch auch mehrere Defizite in der Krisenorganisation auf, die sich negativ auf die Personalführung des BAG auswirkten. Am Anfang der Pandemie wurde nicht klar zwischen der Krisenorganisation und der normalen Linienstruktur des Amtes unterschieden (vgl. Kap. 6.2.2). Dies führte zu Unklarheit in der Führung.109 Ebenso führte die unklar geregelte Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten dazu, dass die Mitarbeitenden ­ auch die Vorgesetzten ­ durch das tägliche Pandemiemanagement äusserst stark beansprucht wurden.110 Deshalb verfügten die Kader des Amtes (besonders jene der Abteilung MT) nicht über ausreichend Zeit und Abstand, um wichtige Führungsfragen ­ besonders die Personalführung111 ­ angemessen zu behandeln, was negative Folgen hatte. So werden im Bericht beispielsweise die mangelnde Wertschätzung für die geleistete Arbeit, fehlende Regeln zu Erholungszeit oder Kompensation von Überstunden, das Fehlen von Stellvertretungen für verschiedene Aufgaben, das Fehlen von persönlichen Gesprächen, die Abwesenheit der Leitenden oder Unzulänglichkeiten in der Planung des Aufgabenverzichts genannt.112 Diese Defizite wirkten sich angesichts der lang andauernden Krise negativ auf das Personal aus. In der Analyse werden auch verschiedene Schwächen in der internen Kommunikation des Amtes genannt.113 Die vom BAG in Auftrag gegebene Analyse umfasst mehrere Verbesserungsvorschläge.114 Die aktuelle Direktorin des BAG präsentierte den GPK die Massnahmen, die das Amt auf dieser Basis zwischen Juni und November 2020 ergriffen hat (vgl.

Kap. 6.3).

Zu guter Letzt weisen die GPK darauf hin, dass auch die Rückkehr zur «besonderen Lage» im Sommer 2020 eine Herausforderung für die Personalführung bedeutete. Ein Grossteil der politischen Geschäfte des BAG, die in den ersten Krisenmonaten sistiert worden waren, wurden wiederaufgenommen, sodass sich der Druck auf das Personal zusätzlich verschärfte. Einige Taskforce-Mitarbeitende kehrten wieder zu ihrem Alltagsgeschäft zurück, obwohl die Arbeitsbelastung der in der Krisenorganisation verbleibenden Personen nicht abnahm. Die vom BAG in Auftrag gegebene externe Analyse gelangt
zum Schluss, dass der Übergang nicht früh genug geplant wurde und die getroffenen Massnahmen beim Personal auf Unverständnis stiessen.115 In diesem Zeitraum nahmen die krankheitsbedingten Abwesenheiten im BAG stark zu116 und erschwerten es, die benötigten Fachkompetenzen weiterhin zu gewährleisten.

108 109 110 111 112 113 114 115 116

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 4.3.4, S. 27­29 und Ziff. 4.3.2.15.

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 4.3.4, S. 29­31.

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 1, S. 7.

Die GPK weisen darauf hin, dass die Personalführungsfragen in den Protokollen der Taskforce des BAG nur selten erwähnt werden.

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 4.3.4.

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 1, S. 7.

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 7.

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 1, S. 7 und Ziff. 4.3.3.

Laut der aktuellen Direktorin des BAG waren die Abteilungen MT, Digitale Transformation, Kommunikation und Biomedizin von den Abwesenheiten besonders stark betroffen.

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6.2.5

Entscheidkompetenzen und Zusammenarbeit zwischen dem BAG und dem EDI

Entscheidkompetenzen im BAG Laut den Angaben des BAG wurden die Informationsnotizen und die Beschlussentwürfe zuhanden des EDI und des Bundesrates, die öffentlichen Empfehlungen des BAG und die allgemeine strategische Ausrichtung der Pandemiebekämpfung von den AG der Taskforce erarbeitet und dann von der «Taskforce-Leitung» verabschiedet; diese setzte sich aus der Leitung Krisenstab und dem Direktor des BAG zusammen.

Die GPK entnehmen den Protokollen, dass die Sitzungen der Taskforce im Wesentlichen der Abstimmung, Aufgabenverteilung und dem Abgleich von Informationen dienten und sich vor allem auf die operativen Aspekte der Krisenbewältigung konzentrierten. Die Sitzungen waren anscheinend weniger der Entscheidfindung oder der Festlegung der strategischen Aspekte der Krisenbewältigung gewidmet. Damit befassten sich die Leitung Krisenstab und der Direktor des BAG in Zusammenarbeit mit dem EDI (siehe unten).

Der Direktor des BAG spielte in den ersten Pandemiemonaten eine wesentliche Rolle in der Krisenorganisation. Er nahm regelmässig an den Taskforce-Sitzungen teil, genehmigte mit der Leitung Krisenstab die Anträge an das EDI, beteiligte sich an den Koordinationssitzungen mit dem Departement, leitete die Sitzungen des BSTB und vertrat das Amt an den Sitzungen des KSBC.

Die von den GPK erhobenen Informationen werfen gewisse Fragen zur Entscheidfindung des Amtes in der ersten Welle auf:

117

­

Aus der im Auftrag des BAG im Sommer 2020 durchgeführten externen Analyse geht hervor, dass die Abteilung MT in den ersten Krisenwochen eigenständig agierte und teilweise den formalen Weg zur Einreichung von Bundesratsanträgen via Direktionsstab nicht einhielt, was die gemeinsame Steuerung des BAG gegenüber dem Bundesrat schwächte.117

­

Die Rolle, die die Geschäftsleitung des BAG im weiteren Sinn in der Krisenbewältigung gespielt hat, ist wenig klar. Laut EDI fanden die Geschäftsleitungssitzungen in der ersten Welle im üblichen Wochenrhythmus statt und wurden an jeder Sitzung Fragen zur Covid-19-Pandemie behandelt. Die strategischen Entscheide und Anträge betreffend Covid-19 wurden meistens direkt zwischen der Leitung der Taskforce, dem Direktor des BAG und dem EDI koordiniert und dann dem Departementsvorsteher zum definitiven Entscheid unterbreitet. Wenn Entscheide aus Zeitgründen nicht in der Geschäftsleitung diskutiert werden konnten, wurden die Mitglieder der Geschäftsleitung nachträglich vom Direktor oder vom Taskforce-Leiter über die entsprechenden Entscheide informiert. Die im Sommer 2020 im Auftrag des Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 1, S. 6. Im Rahmen der Konsultation zum vorliegenden Bericht hat der ehemalige Leiter der Abteilung MT die Vorwürfe aus der vom BAG in Auftrag gegebenen externen Analyse zurückgewiesen und kritisiert, dass er in diese Evaluation nicht eingebunden wurde, obwohl er zu Beginn der Pandemie an wichtigen Entscheiden wesentlich beteiligt war.

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BAG durchgeführte externe Analyse empfiehlt, die Rolle der Geschäftsleitung in der Steuerung der Taskforce zu klären.118 ­

Zu guter Letzt untersuchten die GPK die Rolle des «MT Board» 119 in den ersten Krisenwochen. Das im Jahr 2010 eingesetzte «MT Board» stellt eine wissenschaftliche Diskussionsplattform dar, die dazu dient, die Tätigkeiten in der Abteilung MT des BAG zu koordinieren und zu priorisieren sowie Aufgaben, Programme, Konzepte und Massnahmen im Bereich der Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten sowohl inhaltlich als auch organisatorischprozessual zu diskutieren.120 Das BAG und das EDI teilten den GPK mit, dass die Sitzungen des «MT Board» zu Beginn der Pandemie ­ gemeinsam mit weiteren für Covid-19 zusätzlich geschaffenen Fachdiskussionstreffen ­ für erste fachliche Beratungen über Covid-19 genutzt wurden. Die Bezeichnung «MT Board» wurde in der Folge in der Taskforce ersetzt durch den allgemeinen Begriff «Fachdiskussionen». Das EDI präzisierte, dass das «MT Board» bzw. die Fachdiskussionen niemals Entscheidbefugnisse hatten, sondern lediglich der Klärung von Fachfragen und der Erarbeitung von Entscheidgrundlagen dienten.121

Zusammenarbeit zwischen dem BAG und dem EDI Sowohl das BAG als auch das EDI betonten, dass das Generalsekretariat des Departements während der ganzen Krise in regem Kontakt mit dem Bundesamt stand und eng in die Vorbereitung der Entscheidgrundlagen eingebunden war. Die aktuelle Direktorin des BAG erklärte, dass sich die beiden Einheiten über verschiedene Plattformen und an Sitzungen täglich austauschten.122 Vom Ausbruch der Pandemie an übermittelte das BAG dem EDI regelmässige Lagebeurteilungen (vgl. Kap. 6.2.1). Das GS-EDI nahm ab Ende Februar 2020 an den Sitzungen der Taskforce teil. Es informierte die Taskforce gestützt auf den Austausch mit den anderen Departementen und Bundesstellen sowie mit der Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft regelmässig über seine Anliegen. Daneben betonte das BAG, dass die allgemeine strategische Ausrichtung des Krisenmanagements in enger Zusammenarbeit mit dem GS-EDI und dem Departementsvorsteher festgelegt wurde. Letzterer erklärte, dass er persönlich wesentlich an der endgültigen Ausarbeitung der Anträge an den Bundesrat beteiligt gewesen sei.

118 119 120

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 1, S. 6.

Englisch für «Rat der Abteilung Übertragbare Krankheiten».

Im «MT Board» sind alle Sektionsleitenden und je nach Bedarf auch wissenschaftliche Mitarbeitende der Abteilung MT vertreten.

121 Gemäss den Erläuterungen des EDI fanden die Sitzungen des «MT Board» und die übrigen Fachdiskussionen parallel zu den Taskforce-Sitzungen statt. Die Inhalte und Zuständigkeiten für diese Sitzungen seien an den Taskforce-Sitzungen festgelegt worden und die Ergebnisse in die Arbeit der Taskforce eingeflossen. Die Sitzungstermine seien allen Mitgliedern der Taskforce kommuniziert worden. Die Teilnahme sei nach Einschätzung der betroffenen Personen oder deren Vorgesetzten bestimmt worden. Die Dokumentation der Ergebnisse dieser Sitzungen sei den jeweils inhaltlich Zuständigen überlassen worden.

Protokolle seien keine geführt worden. Das EDI erklärte zudem, dass derartige Fachdiskussionen nach wie vor gemäss dem gleichen Vorgehen bis zu drei Mal die Woche stattfinden.

122 Die aktuelle Direktorin des BAG erwähnte namentlich die Amtssitzungen (Geschäftsleitung und Departementsvorsteher) und die Stabssitzungen.

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Generell fällen das BAG und das EDI ein positives Urteil über die Zusammenarbeit zwischen dem Amt und dem Departement in der Krise. Die aktuelle Direktorin lobte gegenüber den GPK die vertrauensvolle, offene und proaktive Art der Zusammenarbeit und stellte fest, dass sich die informelle und unkomplizierte Kooperation sehr bewährt habe. Im Übrigen habe sich diese gute Zusammenarbeit nach der ersten Krisenphase fortgesetzt.

Der Vorsteher des EDI betonte, wie wichtig es sei, dass Personen mit langjähriger Erfahrung in der Verwaltung die Koordination unter den Krisenmanagementorganen sicherstellen können, z. B. der ehemalige Generalsekretär des Departements, der intensiv an der Koordination mit dem BAG beteiligt war und anschliessend die Leitung des KSBC übernahm.

In der vom BAG im Sommer 2020 in Auftrag gegebene externen Analyse werden allerdings die Schnittstellen zwischen dem Amt und dem Departement kritisiert. Vonseiten des Bundesrates habe es auch direkte Zugriffe bzw. «Durchgriffe» auf die Krisenorganisation der Abteilung MT gegeben, was die Gesamtsteuerung im BAG erschwert habe.123 Aus der Analyse geht auch hervor, dass die Leitung die Abteilung MT besser gegen kurze Fristen bei Aufträgen des Departements hätte schützen sollen.124

6.2.6

Wechsel zentraler Führungskräfte

In den ersten Monaten der Pandemie waren das BAG und das EDI mit dem Weggang von drei zentralen Führungskräften in der Krisenorganisation ­ Generalsekretär des EDI, Leiter der Abteilung MT (Ende März 2020) und Direktor des BAG (Ende September 2020) ­ konfrontiert. Diese drei seit mehreren Monaten geplanten Wechsel warfen in der Öffentlichkeit und in den politischen Kreisen verschiedene Fragen auf.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der Bedeutung der Rücktritte für die Kontinuität des Krisenmanagements beschlossen die GPK, diese mit dem EDI und dem BAG zu diskutieren.125 Ihre diesbezügliche Beurteilung findet sich in Kapitel 6.4.

Generalsekretär des EDI Der ehemalige Generalsekretär des EDI, Lukas Bruhin, hatte im September 2019 angekündigt, er werde sein Amt nach acht Jahren auf Ende Februar 2020 niederlegen.126

123 124 125

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 1, S. 6.

Evaluation Beratungsfirma DOC, Ziff. 5.2, S. 37.

Ein direkter Austausch zwischen den GPK und den beiden ehemaligen Leitern der Abteilung MT (Daniel Koch und Stefan Kuster) zu diesem Thema fand nicht statt. Der vorliegende Bericht wurde jedoch diesen beiden Personen vor seiner Fertigstellung zur Konsultation und Stellungnahme zugestellt.

126 Generalsekretär Lukas Bruhin verlässt das Departement des Innern, Medienmitteilung des EDI vom 27. Sept. 2019.

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Es war vorgesehen, dass er ab dem 1. Mai 2020 Präsident des Institutsrates von Swissmedic werden wird.127 Ende Januar 2020 ernannte der Bundesrat Lukas Gresch-Brunner zu seinem Nachfolger; die Amtsübernahme war für den 1. Mai geplant.128 Vor dem Hintergrund der Pandemie wurde das Arbeitsverhältnis von Lukas Bruhin beim EDI über Ende Februar hinaus verlängert. Am 25. März 2020 ernannte ihn der Bundesrat zum Chef des KSBC für die Zeit vom 1. April bis spätestens 31. August und verschob seinen Amtsantritt bei Swissmedic auf den 1. September. Gleichzeitig beschloss der Bundesrat, den Amtsantritt von Lukas Gresch-Brunner mit dessen Zustimmung auf den 1. April 2020 vorzuziehen. Die GPK haben seitdem zahlreiche Gespräche mit dem neuen Generalsekretär geführt.

Leiter der Abteilung MT des BAG Der ehemalige Leiter der Abteilung MT, Daniel Koch, erreichte im Frühling 2020129 das ordentliche Rentenalter; sein Rücktritt war also auch seit Langem bekannt. Dieser Wechsel stellte das BAG insofern vor eine Herausforderung, als Daniel Koch in den ersten Wochen der Pandemie als wichtigster Fachexperte ein bedeutendes Sprachrohr des Amtes in der Öffentlichkeit darstellte. Sein vor Ausbruch der Pandemie ernannter Nachfolger Stefan Kuster übernahm das Amt am 1. April. Aufgrund der ausserordentlichen Lage erklärte sich Daniel Koch bereit, bis spätestens Ende Juni als «Delegierter des BAG für Covid-19» weiterzuarbeiten. Die GPK holten genauere Informationen zur Art und Weise des Übergangs ein.

Dem BAG zufolge diente die Verlängerung der Anstellung von Daniel Koch zur Sicherung und Übergabe seines Wissens, das er durch seine langjährige Erfahrung im Amt erlangt hatte, sowie zur Sicherstellung der Betriebssicherheit und der Kontinuität in der Pandemiebekämpfung. Die Verlängerung und der Funktionswechsel wurden in einem befristeten Arbeitsvertrag geregelt. Laut Angaben des BAG wurden die Aufgaben als «Covid-Delegierter» in einem Gespräch mit der Direktion und «unter engem Einbezug des Departementsvorstehers» erörtert. Allerdings wurden diese «aufgrund der dynamischen Aufgabenentwicklung in der Krisensituation und der kurzen Einsatzdauer» nicht schriftlich festgehalten.

Punkto Verantwortlichkeiten teilte das BAG den GPK mit, dass Daniel Koch ab dem 31. März 2020 keine Aufgaben in personeller, organisatorischer oder
strategischer Hinsicht mit Bezug auf die Abteilung MT mehr wahrgenommen, sondern sich hauptsächlich der externen Kommunikation gewidmet habe. Das BAG stellte klar, dass er sich an keinen Abteilungs- oder übergeordneten Sitzungen mehr beteiligt habe; er habe nur an Austauschsitzungen mit den Mitarbeitenden des BAG und an den ordentlichen Sitzungen der Taskforce teilgenommen, um nützliche Informationen für seine Funktion als Delegierter und für die Kommunikation zu erhalten.

Stefan Kuster trat am 1. April 2020 die Stelle an der Spitze der Abteilung MT an und übernahm rasch die Co-Leitung der Taskforce. Das Amt betonte, dass «bezüglich der

127

Lukas Bruhin wird Präsident des Institutsrats von Swissmedic, Medienmitteilung des Bundesrates vom 13. Dez. 2019.

128 Lukas Gresch-Brunner wird neuer Generalsekretär des EDI, Medienmitteilung des EDI vom 29. Jan. 2020.

129 Herr Daniel Koch erreichte das ordentliche Rentenalter am 30. April 2020.

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Leitung der Abteilung und der Kompetenzabgrenzung zwischen Daniel Koch und Stefan Kuster zu keinem Moment Unklarheiten bestanden».

Der Vorsteher des EDI wies die GPK darauf hin, dass die Kommunikation damals für das Amt eine grosse Herausforderung bedeutet habe und es naheliegend gewesen sei, Daniel Koch zu bitten, zwei Monate länger in seiner Funktion zu bleiben, um den Einstieg von Stefan Kuster mit seinem Fachwissen zu begleiten; diese Arbeitsaufteilung habe Stefan Kuster überhaupt erlaubt, die Leitung der Abteilung MT wirklich zu übernehmen, und sei sehr hilfreich gewesen. Insgesamt bewerten das EDI und das BAG den Übergang positiv.

Daniel Koch zeigte nach dem Austritt aus dem BAG Ende Mai 2020130 weiterhin eine grosse öffentliche Präsenz; in diesem Rahmen bezog er in den Medien gelegentlich Position zu bestimmten Aspekten der Pandemiebewältigung. Der Departementsvorsteher führte gegenüber den GPK aus, diese Situation sei nicht problematisch gewesen, weil Daniel Koch die Entscheide des Bundesrates nicht kritisiert habe. Nach seiner Auffassung rechtfertigt dieser Fall keine Änderungen in der Personalführung (z. B. Einführung einer Verschwiegenheitsklausel für ehemalige Kader des Bundes).

Direktor des BAG Im Oktober 2019 teilte der Direktor des BAG, Pascal Strupler, mit, dass er sein Amt per Ende September 2020 niederlegen werde.131 Am 3. April 2020 gab der Bundesrat bekannt, dass er Anne Lévy, Direktorin der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel und ehemalige Leiterin des Bereichs Gesundheitsschutz im Gesundheitsdepartement von Basel-Stadt, als Nachfolgerin von Pascal Strupler ab Anfang Oktober 2020 ernannt habe.132 Die neue Direktorin wurde bereits ab dem 17. August 2020 im BAG eingearbeitet und nahm während sechs Wochen als Gast an allen Sitzungen zum Krisenmanagement teil, um sich auf ihren Amtsantritt vorzubereiten. Die GPK haben sich seitdem mehrmals mit der neuen Direktorin ausgetauscht. Anne Lévy informierte sie namentlich über die Veränderungen, die sie an der Organisation des BAG vorgenommen hatte (vgl. Kap. 6.3).

Neuer Leiter der Abteilung MT des BAG Stefan Kuster gab Ende September 2020, sechs Monate nach seiner Anstellung, die Funktion als Leiter der Abteilung MT ab, um sich auf seine Expertentätigkeit im BAG zu konzentrieren. Obwohl dieser Aspekt ausserhalb des zeitlichen
Rahmens der ersten Pandemiephase liegt, diskutierten die GPK ihn im Rahmen ihrer Arbeiten mit den Verantwortlichen des EDI und des BAG, um die Gründe für diesen Entscheid und die Reaktion des Amtes auf diese Situation zu verstehen. Stefan Kuster nahm zu diesem Punkt im Rahmen der Konsultation zum vorliegenden Bericht ebenfalls Stellung.

130

Die Vertragsverlängerung von Daniel Koch war auf drei Monate ausgerichtet und auf Ende jedes Monats kündbar. Daniel Koch gab den GPK an, dass er diese Klausel auf Ende Mai 2020 aktiviert hatte, ohne die Gründe für diesen Entscheid näher zu erläutern.

131 Amtsdirektor Pascal Strupler verlässt das Bundesamt für Gesundheit, Medienmitteilung des EDI vom 23. Okt. 2019.

132 Anne Lévy wird neue Direktorin des Bundesamts für Gesundheit, Medienmitteilung des Bundesrates vom 3. April 2020.

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Laut Stellungnahme von Stefan Kuster hing der Weggang damit zusammen, dass die Funktion, die ihm in der Pandemie zugewiesen wurde, bzgl. Inhalt, Organisation und Medienpräsenz nichts mit der Leitung der Abteilung MT gemeinsam hatte, für die er sich 2019 beworben hatte und auch nicht mit dieser Leitungsfunktion vereinbar war.

Er präzisierte, dass die Arbeitsbelastung an sich kein Grund für den Weggang gewesen ist. Das EDI begrüsste die ausgezeichnete Arbeit, die Stefan Kuster als Leiter der Abteilung MT geleistet hatte.

Die bis dahin von Stefan Kuster übernommenen Aufgaben wurden auf mehrere Personen verteilt: Die operative Leitung der Taskforce wurde einige Wochen lang von der neuen Direktorin des BAG ad interim wahrgenommen und ab November 2020 einer neuen Verantwortlichen anvertraut, die sich ausschliesslich dieser Aufgabe widmete (vgl. Kap. 6.3). Die öffentliche Kommunikation wurde im Wesentlichen vom Leiter der Sektion K&I gewährleistet. Die Geschäfte der Abteilung MT, die nicht die Covid-19-Pandemie betrafen, wurden von der Leiterin des Direktionsbereichs Öffentliche Gesundheit geführt. Dazu ist zu erwähnen, dass die Stelle an der Spitze der Abteilung MT nicht umgehend neu besetzt wurde; die neue Direktorin des BAG erklärte im Mai 2021, dass sie die Stelle erst nach Ende der Pandemie ausschreiben möchte.

Der Vorsteher des EDI unterstützte diese Entscheidung und hielt es für unrealistisch und unnötig, den Prozess mitten im Krisenmanagement zu lancieren. Die Stelle der Leiterin bzw. des Leiters der Abteilung MT wurde schliesslich im September 2021 ausgeschrieben.

Schlussfolgerungen des EDI Der Vorsteher des EDI betonte gegenüber den GPK, dass der Umgang mit dem Wechsel mehrerer zentraler Führungskräfte mitten in der heiklen Pandemiephase schwierig gewesen, aber seiner Ansicht nach gelungen sei ­ besonders dank der grossen Flexibilität der betroffenen Personen, die sich bereit erklärt hätten, ihr Arbeitsverhältnis zu verlängern bzw. früher zu beginnen. Er unterstrich, wie wichtig es in solchen Situationen ist, über starke Institutionen zu verfügen; die Institutionen seien deshalb stark, weil die Verantwortlichen erfahren und sehr kompetent seien. Nach seiner Auffassung sind angesichts dieser Situation keine personalrechtlichen Änderungen angezeigt.

6.3

Auswertung durch die Bundesverwaltung, Verbesserungen und Massnahmen

Anpassung der Krisenorganisation im Sommer 2020 Am 19. Juni 2020, nach dem Ende der «ausserordentlichen Lage» im Sinne des EpG und nach der Auflösung des KSBC (Kap. 8), legte der Bundesrat die Krisenorganisation des Bundes in der «besonderen Lage» fest.133 Auf dieser Grundlage wurden im Sommer 2020 unterschiedliche organisatorische Anpassungen vorgenommen.

Im Entscheid des Bundesrates vom 19. Juni 2020 wurden das EDI als federführendes Departement und die GSK als für die interdepartementale Koordination zuständige 133

Vorbereitung und Bewältigung eines Wiederanstiegs der Covid-19-Fälle in der Schweiz, Bundesratsentscheid vom 19. Juni 2020.

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Stelle bezeichnet. Die Krisenorganisation Covid-19134, die aus der Taskforce des BAG und dem BSTB besteht, wurde der Führung einer Steuerungsgruppe unterstellt, der Vertreterinnen und Vertreter aller Departemente und der BK sowie Mitglieder der Geschäftsleitung des BAG angehörten. Die Steuerungsgruppe wurde zudem mit der operativen Koordination mit den verschiedenen externen Ansprechpartnern (Kantonsbehörden, Wirtschaft usw.) beauftragt.

Innerhalb der Taskforce des BAG wurde deutlicher zwischen der strategischen und der operativen Ebene unterschieden. Das Amt übernahm auch Aufgaben wie z. B. die Koordination mit der Wissenschaft, die bis zu jenem Zeitpunkt der KSBC wahrgenommen hatte.135 Die Struktur der Taskforce wurde generell gestrafft: Die Zahl der AG wurde auf elf verringert und die Schnittstellen der AG mit den externen Ansprechpartnern wurden klarer definiert. Zudem wurde eine interdepartementale AG eingesetzt, die sich mit der Problematik der medizinischen Güter befasste.

Die vom BAG in Auftrag gegebene externe Analyse der Krisenorganisation (siehe unten) zeigte jedoch, dass die Rückkehr zur «besonderen Lage» im BAG organisatorisch ungenügend vorausgeplant wurde und dass sich die getroffenen Massnahmen negativ auf die Personalführung auswirkten (vgl. Kap. 6.2.4).

Evaluation der Krisenorganisation des BAG und Anpassungen im Herbst 2020 Wie oben erwähnt, beauftragte das BAG Anfang Juli 2020 eine externe Beratungsfirma mit der Analyse seiner Krisenorganisation in den ersten Pandemiemonaten.136 Die Analyse, deren Schlussfolgerungen dem Amt Mitte Oktober 2020 übergeben wurden, brachte mehrere Schwachstellen in der Krisenorganisation des BAG (vgl. Kap.

6.2.2) und in der Personalführung in der ersten Pandemiephase zutage (vgl. Kap.

6.2.4). Der Schlussbericht umfasste rund 30 Verbesserungsempfehlungen.

Die neue Direktorin des BAG nahm auf dieser Grundlage ab ihrem Amtsantritt im Herbst 2020 mehrere organisatorische Anpassungen vor. Nach ihren Ausführungen wurden die Verantwortlichkeiten auf mehr Schultern verteilt. Zudem wurde die Krisenorganisation klar von der Linienorganisation des Amtes getrennt. Das Fachpersonal wurde von Managementaufgaben befreit und die Leitung der Taskforce wurde einer ausschliesslich dafür zuständigen Person übergeben.137 Die Rollen der Geschäftsleitung und der
Leitung der Taskforce wurden neu definiert, die wesentlichen Prozesse wurden dokumentiert und es wurde ein Funktionendiagramm erstellt. Für alle Personen mit einer Funktion in der Krisenorganisation wurden Stellenbeschriebe definiert. Die Leitung der AG wurde verstärkt, indem ­ falls noch nicht vorhanden ­ 134 135

Siehe detailliertes Organigramm, Anhang 2.

Die bis zu jenem Zeitpunkt dem KSBC unterstellte Swiss National Covid-19 Science Taskforce wurde an die Taskforce des BAG angegliedert. Das Mandat wurde im Aug. 2020 aktualisiert.

136 Organisations- und Prozessanalyse sowie Klärung des Optimierungspotentials der COVID-19-Krisenorganisation auf Stufe Abteilung Übertragbare Krankheiten (MT).

Internes Arbeitspapier vom 16. Okt. 2020 zuhanden des BAG, erstellt von der Firma Dynamic Organizational Consulting (DOC) (nicht veröffentlicht). Im Folgenden: «Evaluation Beratungsfirma DOC».

137 Amtsantritt im November 2020 zuerst mit einem Pensum von 50 % und ab Februar 2021 mit einem Pensum von 100 %. Zudem wurde die Stelle einer stellvertretenden Leiterin geschaffen.

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eine Stellvertretung ernannt wurde. Zudem wurde ein Gefäss für regelmässige Sitzungen zwischen der Leitung der Taskforce und den Leitenden der AG geschaffen. Vorübergehende Personalengpässe wurden dank Ressourcen des Amtes, des EDI oder der anderen Departemente, dank temporären Anstellungen und dank der Rekrutierung von externen Fachkräften aufgefangen. Laut der neuen Direktorin trug die Umsetzung der Empfehlungen aus der Analyse entscheidend dazu bei, die Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden zu verringern.

Die neue Direktorin erklärte, dass zwischen dem BAG und dem EDI kein Austausch zur externen Analyse stattgefunden habe, das EDI aber die vom BAG getroffenen Massnahmen begrüsse. Der Vorsteher des EDI bestätigte den GPK, dass er diese Analyse und die darauf basierenden Massnahmen unterstützt.

Interne Evaluation des EDI Im Herbst 2020 führte das GS-EDI eine interne Evaluation zum Krisenmanagement des Departements in Form einer Online-Befragung der ihm unterstellten Verwaltungseinheiten durch.138 Die Ergebnisse der Evaluation139 wurden Ende 2020 vom EDI mit den betroffenen Einheiten besprochen.

Die Evaluation zeigt, dass alle Einheiten des EDI ihre Aufgaben in der ersten Pandemiephase weiter erledigen konnten und dass die Umstellung auf Homeoffice gut funktionierte, auch wenn die Einheiten in den ersten Wochen mit zahlreichen organisatorischen Fragen konfrontiert waren. Insgesamt beurteilen die Einheiten die departementsinterne Zusammenarbeit positiv. Einige Antworten deuten jedoch darauf hin, dass die Krisenorganisation des Departements zu Beginn der Pandemie wenig spürbar war oder dass die interne Kommunikation hätte optimiert werden können.

In allen Einheiten wird als grösste Herausforderung die Bewahrung der Durchhaltefähigkeit der Mitarbeitenden in der lang andauernden Krise genannt. Die Evaluation zeigt, dass diesem Aspekt zu wenig Beachtung geschenkt wurde, vor allem weil die Dauer der Krise anfänglich unterschätzt wurde. Die Phase der «ausserordentlichen Lage» verursachte in allen Einheiten des EDI eine hohe Arbeitsbelastung, die in bestimmten Ämtern auch noch im Sommer andauerte. Obwohl in vielen Fällen zusätzliche Ressourcen bereitgestellt wurden, führten sie nicht immer zur gewünschten Entlastung, vor allem weil die Stellvertretungen unklar geregelt waren. Daneben wurde die Frage der
Kompensation für Personen mit Vertrauensarbeitszeit angesprochen.

Gemäss der Evaluation wurde zwar in allen Verwaltungseinheiten des EDI eine Krisenorganisation aufgebaut, doch konnte sich diese nicht immer auf bestehende Strukturen stützen bzw. erwiesen sich die vorhandenen Konzepte nicht immer als angemessen. Die Einheiten sind sich darin einig, dass die Vorgaben zur Krisenorganisation 138

Die Online-Befragung wurde vom 25. September bis am 21. Oktober 2020 bei allen Einheiten des EDI mittels eines Fragebogens je Verwaltungseinheit durchgeführt, der spezifische Fragen und Verbesserungsvorschläge pro Thema enthielt. Die folgenden Einheiten nahmen an der Befragung teil: BAG, Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), Bundesamt für Statistik (BFS), BLV, Bundesamt für Kultur (BAK), Nationalbibliothek, Bundesarchiv (BAR), Swissmedic, Meteoschweiz, Pro Helvetia und Schweizerisches Nationalmuseum.

139 Departementale Evaluation Covid, Bericht des EDI vom 2. Nov. 2020 (nicht veröffentlicht).

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nach der Pandemie auf Ebene der Einheiten, des Departements und des Bundes angepasst werden müssen. Die Evaluation zeigte auch, wie wichtig das Business Continuity Management ist; in einigen Einheiten gab es solche Instrumente, doch die meisten mussten in der Krise angepasst oder neu konzipiert werden. Insgesamt konnten jedoch alle Einheiten die erforderlichen Priorisierungen vornehmen.

Die Einheiten des EDI übten verschiedentlich Kritik an der Unterstützung durch das Eidgenössische Personalamt (EPA), die sie als ungenügend erachteten. So habe sich das EPA zu spät mit den personalrechtlichen Aspekten der Krise auseinandergesetzt und sei nicht genügend präsent gewesen. Dagegen wird die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) im Grossen und Ganzen als positiv bewertet.

Zu guter Letzt bringt die Evaluation einige bereits oben erwähnte Mängel in der Funktionsweise der Krisenorganisation des BAG zutage; so waren z. B. die Schnittstellen mit dem Amt nicht immer klar definiert, was die interne Koordination erschwerte.

Generell geht aus der Evaluation hervor, dass die Rollen und Zuständigkeiten der Krisenorgane des Bundes nicht präzise genug geregelt waren (vgl. auch Kap. 9 und 10).

Der ehemalige Generalsekretär des EDI beurteilte gegenüber den GPK die Krisenorganisation auf Departementsstufe im Grossen und Ganzen als gut. Das EDI habe dank des hohen Engagements des Personals und dank der Unterstützung des BIT, des Informatiksteuerungsorgans des Bundes (ISB) und des EFD seine Funktionsfähigkeit in der ersten Phase der Pandemie im Allgemeinen sicherstellen können. Der aktuelle Generalsekretär betonte seinerseits, dass das Ausmass dieser Krise mit vergangenen Krisen nicht vergleichbar war, weshalb man gar nicht habe umfassend vorbereitet sein können. Der Vorsteher des EDI schliesslich betonte gegenüber den GPK, dass das Departement ein äusserst hohes Arbeitsvolumen bewältigen musste. Wie er erklärte, war am Anfang der Krise nicht absehbar, wie lange sie dauern würde; man habe versucht, mit den bestehenden und auch den gezielt für die Krisenbewältigung eingesetzten Strukturen eine auf persönlicher Ebene optimale Koordination zu gewährleisten.

Den GPK ist nicht bekannt, ob das EDI gestützt auf die Ergebnisse der departementalen Evaluation kurzfristig spezifische
Massnahmen ergriff.

Bilanz der Krisenorganisation des BAG im August 2021 Im Rahmen des Dienststellenbesuchs beim BAG im August 2021 zog die Subkommission EDI/UVEK der GPK-S mit den Vertreterinnen und Vertretern des Amtes Bilanz über die Krisenorganisation und die Personalsituation.

Die aktuelle Direktorin teilte mit, dass die Covid-19-Taskforce im Sommer 2021 rund 300 Mitarbeitende zählte (rund 180 VZÄ); davon gehörten 165 Personen direkt dem BAG oder anderen Einheiten der Bundesverwaltung an. Das Personal wurde durch Temporärangestellte und besonders im Informatikbereich durch externe Beraterinnen und Berater ergänzt. Wie die aktuelle Direktorin erklärte, wurde das Personal der Taskforce140 absichtlich stark aufgestockt, damit sich die Mitarbeitenden erholen konnten. Diese Strategie habe sich ausgezahlt, denn seit Herbst 2020 habe das Amt keine längeren Abwesenheiten mehr verzeichnet. Allerdings wies sie darauf hin, dass 140

Im Juni 2020 zählte die Taskforce 128 Mitarbeitende.

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die Lage punkto Überstunden sehr angespannt bleibe141 und es schwer werden dürfte, diese 2022 und 2023 abzubauen. Das Amt werde deshalb mittelfristig und auch nach der Pandemie weiter Temporärangestellte beschäftigen, damit die im Krisenmanagement stark eingespannten Mitarbeitenden ihre Überstunden abbauen und sich erholen können.

Die aktuelle Direktorin präsentierte der Subkommission die für die Mitarbeitenden des Amtes entwickelten Coaching- und Begleitungsmassnahmen. Zudem betonte sie, dass es nach der Pandemie einen symbolischen Akt der Wertschätzung für alle Mitarbeitenden brauche ­ für diejenigen, die im Krisenmanagement tätig waren, aber auch für jene, die in jener Zeit die übrigen Aufgaben des Amtes wahrnahmen. Zudem zeigte sie ihre Bereitschaft, besonders in den Bereichen Digitalisierung, agile Organisation, Wissenssicherung und Aufteilung der Verantwortlichkeiten Lehren aus der Pandemie für die amtsinterne Organisation zu ziehen.

Im August 2021 unterhielt sich die Subkommission auch mit der Leiterin der Taskforce des BAG, die die aktuelle Struktur der Taskforce vorstellte.142 Sie betonte, wie wichtig flexible Strukturen, aber auch klar definierte Prozesse und Entscheidkompetenzen seien, um auf neue Fragen im Zusammenhang mit der Pandemie rasch reagieren zu können. Aus ihrer Sicht war es entscheidend, dass die für die Krisenorganisation Verantwortlichen von den übrigen Managementaufgaben im Amt befreit wurden.

Weitere abgeschlossene oder laufende Evaluationen Im Mai 2020 beauftragte der Bundesrat die BK, eine Auswertung des Krisenmanagements während der Covid-19-Pandemie durchzuführen. An seiner Sitzung vom 11. Dezember 2020 nahm er Kenntnis vom Bericht der BK, der die Ergebnisse für die erste Phase der Pandemie und elf Empfehlungen enthielt.143 Die GPK nahmen Kenntnis von den Schlussfolgerungen des Berichts und führten dazu verschiedene Gespräche mit der BK.144 In Bezug auf die Krisenorganisation werden im Bericht nicht die internen Strukturen des EDI oder des BAG, sondern hauptsächlich die Rolle des KSBC und des BSTB sowie die Zusammenarbeit der verschiedenen Bundesorgane untersucht (vgl. Kap. 7, 8 und 9).

141

Die aktuelle Direktorin teilte mit, dass die Zahl der Fälle, in denen Mitarbeitende des BAG mehr als 50 Stunden pro Woche arbeiteten, von rund 150 im Jahr 2019 auf rund 900 Fälle im Jahr 2020 gestiegen ist. Die Zeitguthaben nahmen im Jahr 2020 für das ganze BAG um 37 % zu; in den Abteilungen Digitale Transformation und Internationales lag die Zunahme bei jeweils 63 % und im Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit bei 72 %.

142 Siehe detailliertes Organigramm, Anhang 3.

143 Bericht der Bundeskanzlei vom 11. Dez. 2020 zur Auswertung des Krisenmanagements in der ersten Phase der Covid-19-Pandemie (1. Phase / Febr. bis Aug. 2020). Es handelt sich um eine Selbstevaluation, die die Bundesverwaltung von den Kantonen und von betroffenen Dritten validieren liess. 123 Personen wurden eingeladen, an strukturierten Interviews teilzunehmen oder einen detaillierten Online-Fragebogen auszufüllen. Daneben wurden weitere verfügbare Evaluationen analysiert. Um eine unabhängige Datenerfassung und Erstevaluation zu gewährleisten, beauftragte die BK einen externen Partner, das Unternehmen Interface Politikstudien GmbH.

144 Die Gesamtbeurteilung der Evaluation der BK und die Verfolgung der Umsetzung der Empfehlungen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Berichts, sondern werden von der GPK-S im Rahmen eines separaten Dossiers geprüft.

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Nach einem Gespräch mit dem Vorsteher des EDI im Juni 2020 beschloss das BAG, eine umfassende externe Evaluation zum Krisenmanagement Covid-19 in Auftrag zu geben.145 Untersucht wurden die Krisenvorbereitung sowie die Zweckmässigkeit und Wirksamkeit der gesundheitlichen Massnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus; der Schwerpunkt lag namentlich auf dem Ergebnis und der Wirkung der Massnahmen. Insgesamt wurden 11 Themenbereiche analysiert.146 Der Schlussbericht zur Evaluation wurde am 26. April 2022 publiziert.147 Er beinhaltet fünf Empfehlungen, wovon eine die Krisenorganisation des Bundes betrifft.148 Das BAG hat erklärt, die Erkenntnisse aus der Evaluation nutzen und im Rahmen der Revision des EpG und des nationalen Pandemieplans aufnehmen zu wollen.149 Die GPK nahmen auch Kenntnis von den Ergebnissen einer externen Evaluation zum Epidemiengesetz, die das BAG im Jahr 2019 in Auftrag gegeben hatte.150 Diese Analyse wurde von Mitte 2019 bis Mitte 2020 durchgeführt und enthält somit einige Erfahrungen aus der ersten Phase der Pandemie. Die Schlussfolgerung lautet, dass das EpG generell keine gravierenden Lücken aufweist und dass es angemessen vollzogen wurde. Der Bericht zieht zwar eine positive Bilanz der Krisenbewältigung auf der Basis der «besonderen Lage» und der «ausserordentlichen Lage», empfiehlt aber eine

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Mit dieser Evaluation wurden die Unternehmen Interface Politikstudien GmbH und INFRAS Forschung und Beratung unter Beizug verschiedener Universitäten und Hochschulen beauftragt.

Erstens Querschnittsthemen (Einbezug von Stakeholdern, Impfstrategie und -umsetzung, Krisenkommunikation mit der Bevölkerung, Verfügbarkeit und Verwendung von digitalen Daten); zweitens Analyse der BAG-Strategien und deren Umsetzung (Abwägung von Schutz von Personen in Alters-, Pflege- und Betreuungsinstitutionen und Zugang durch Angehörige, Masken ­ Verfügbarkeit, Verwendung und Tragpflicht, Sicherstellung von Behandlungskapazitäten in Spitälern und Praxen, Strategie zu Tests und Contact Tracing); drittens indirekte Wirkungen der Krisenbewältigung des BAG (gesellschaftliche Folgen gesundheitlicher Massnahmen, psychische Folgen gesundheitlicher Massnahmen, wirtschaftliche Folgen gesundheitlicher Massnahmen).

Evaluation der Krisenbewältigung Covid-19 bis Sommer 2021, Schlussbericht von INTERFACE und INFRAS vom 4. Feb. 2022 zuhanden des Bundesamts für Gesundheit (BAG); vgl. auch: Evaluation Krisenbewältigung Covid-19: Empfehlungen an das Bundesamt für Gesundheit, Medienmitteilung des BAG vom 26. Apr. 2022.

Empfehlung 1: Dem BAG und dem Bund wird empfohlen, sich organisatorisch besser auf eine nächste Krise vorzubereiten. Genauer gesagt wird dem BAG empfohlen, neue Grundlagen für das Krisenmanagement zu erarbeiten, die personellen Kompetenzen zum Management in Krisen zu verstärken und Ressourcen zu organisieren, sodass vorausschauendes Planen in Krisensituationen sichergestellt ist, sowie das Krisenmanagement regelmässig zu üben. Ausserdem wird dem EDI empfohlen, darauf hinzuwirken, dass auf Bundesebene rasch geklärt wird, ob eine Krise basierend auf den ordentlichen Strukturen der Bundesverwaltung bewältigt werden soll oder ob auf die gemäss aktueller gesetzlicher Grundlage vorgesehenen Krisenorgane zurückgegriffen werden soll.

Evaluation Krisenbewältigung Covid-19: Empfehlungen an das Bundesamt für Gesundheit, Medienmitteilung des BAG vom 26. Apr. 2022. Die Evaluation wurde erst kurz vor der Annahme des vorliegenden Berichts publiziert, weshalb die GPK die Evaluation noch nicht im Detail analysiert haben. Sie halten jedoch fest, dass die Evaluation in Bezug auf die Krisenorganisation auf Bundesebene grösstenteils mit
den Schlussfolgerungen und Feststellungen der GPK übereinstimmt. Im Rahmen der künftigen Arbeiten der GPK zu diesem Dossier werden sie sich über die Umsetzung der Empfehlungen der Evaluation durch die Bundesbehörden informieren lassen.

Situationsanalyse «Umsetzung des Epidemiengesetzes (EpG)», Bericht des Beratungsunternehmens Bolz+Partner vom 11. Aug. 2020.

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vertiefte Analyse, um aufzuzeigen, ob und inwieweit sich die vorgesehenen Massnahmen im Pandemiefall tatsächlich bewährt haben. Die Evaluation enthält auch verschiedene weitere Empfehlungen, namentlich zur Zusammenarbeit mit den Kantonen und zur Materialbewirtschaftung.

6.4

Beurteilung durch die GPK

Im Folgenden legen die GPK, ausgehend vom zuvor beschriebenen Sachverhalt, ihre Beurteilung der Krisenorganisation des BAG und des EDI dar.

6.4.1

Rechtsgrundlagen und weitere Vorgaben

Die von den GPK eingeholten Informationen zeigen, dass sich das EDI und das BAG beim Aufbau und bei der Nutzung ihrer Krisenorganisation auf die bestehenden Rechtsgrundlagen und die einschlägigen Vorgaben stützten (RVOG und RVOV, OV-EDI, Weisungen über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung, EpG und Pandemieplan).

Die GPK finden keine Anhaltspunkte dafür, dass die internen Aktivitäten des Departements und des Bundesamtes in der Krise im Widerspruch zu diesen Vorgaben gestanden hätten, mit Ausnahme von wenigen Fällen.151 Die GPK zeigen sich allerdings etwas kritischer in Bezug auf die Einhaltung der Rechtsgrundlagen und Vorgaben für die Koordination zwischen den Krisenorganen und in Bezug auf die Rolle des BSTB und des KSBC (vgl. Kap. 7, 8 und 9).

Die GPK stellen auch fest, dass diese Rechtsgrundlagen und Dokumente nur wenige spezifische Vorgaben für die Krisenorganisation des EDI und des BAG enthielten (vgl. Kap. 6.1).152 Sie kommen deshalb zum Schluss, dass diese Rechtstexte ­ von ihrer Funktion als allgemeiner Rahmen abgesehen ­ nicht von grossem Nutzen für die Krisenorganisation des Departements und des Bundesamtes waren.

151

Einerseits haben die GPK einige Fälle identifiziert, in denen nicht der übliche Dienstweg eingehalten wurde (vgl. Kap. 6.4.6 und 6.4.7). Andererseits haben die GPK festgestellt, dass der damalige Direktor des BAG gleichzeitig verschiedene wichtige Funktionen in der Krisenorganisation innehatte, was im Widerspruch zu den Weisungen des Bundesrates über das Krisenmanagement steht. Gemäss diesen soll vermieden werden, dass Funktionsträgerinnen und Funktionsträger gleichzeitig in mehreren Krisenstäben tätig sind (vgl. Kap. 6.4.7).

152 So sind im Pandemieplan zwar die Aufgaben des BAG in Krisensituationen präzisiert, jedoch keine genauen Vorgaben zur Krisenorganisation des Bundesamtes oder zu den Schnittstellen zwischen dem BAG und den anderen Akteuren enthalten. Auch Kapitel 7 des EpG (Organisation und Verfahren) umfasst keine Bestimmungen betreffend das BAG. Die Weisungen des Bundesrates über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung wiederum beschränken sich darauf, bestimmte allgemeine Grundsätze festzulegen, ohne Angaben zur konkreten Struktur der Krisenorganisation in den Departementen und Verwaltungseinheiten zu machen.

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Die GPK sind im Allgemeinen der Ansicht, dass die Geeignetheit der Rechtsgrundlagen und der Vorgaben für die Krisenorganisation des Bundes nach der Pandemie unbedingt einer eingehenden Prüfung unterzogen werden sollte, namentlich anhand der Empfehlungen aus dem Evaluationsbericht der BK. Die Kommissionen ersuchen den Bundesrat insbesondere, die Angemessenheit der Normenhierarchie und die Kohärenz der allgemeinen Bestimmungen mit den krisenspezifischen Bestimmungen zu überprüfen (vgl. Postulat 1, Kap. 10).

Epidemiengesetz und Pandemieplan: Die GPK erachten es als notwendig, dass der Bundesrat vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise überprüft, ob die Krisenorganisation des EDI und des BAG im EpG und im Pandemieplan nicht präziser geregelt werden sollte (vgl. hierzu auch Kap. 6.4.2 bis 6.4.8). Sie ersuchen den Bundesrat, diese Aspekte bei der laufenden Revision des Gesetzes und des Plans zu berücksichtigen.

Empfehlung 1: Bestimmungen über die Krisenorganisation des EDI und des BAG im Epidemiengesetz und im Pandemieplan Dem Bundesrat wird empfohlen, vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise zu überprüfen, ob die Krisenorganisation des EDI und des BAG im Epidemiengesetz und im Pandemieplan nicht präziser geregelt werden sollte. Er wird gebeten, diese Aspekte bei der laufenden Revision des Gesetzes und des Plans zu berücksichtigen.

RVOG und RVOV: Das EDI betonte gegenüber den GPK mehrfach, dass sich die Krisenorganisation weitgehend auf die üblichen im RVOG und in der RVOV vorgesehenen Strukturen und Verfahren der Bundesverwaltung stützte. Diese Herangehensweise ist nach Ansicht der GPK zwar nachvollziehbar, wirft aber auch diverse Fragen auf (vgl. Kap. 10). Die GPK erwarten vom Bundesrat, dass er die Rechtsbestimmungen und Vorgaben über die Krisenorganisation des Bundes nach der Krise einer grundlegenden Prüfung unterzieht (vgl. Postulat 1, Kap. 10).

Weisungen über das Krisenmanagement: Die Beurteilung der GPK zu diesen Weisungen findet sich in Kapitel 10. Allgemein erachten es die GPK als notwendig, dass der Bundesrat im Rahmen seiner Bilanz der Krisenorganisation des Bundes überprüft, ob diese Weisungen angesichts der Erkenntnisse aus der Covid-19-Pandemie angepasst werden müssen und ob Änderungen in Bezug auf die Hierarchie der einschlägigen Normen notwendig sind (vgl. Postulat 1, Kap. 10).
Betrieblicher Pandemieplan des EDI: Die GPK begrüssen, dass das EDI ab März 2020 einen Pandemieplan zum Schutz der Mitarbeitenden des Departements und zur Sicherstellung der wichtigsten Geschäftsprozesse erstellte. Dieses Dokument hat wahrscheinlich dazu beigetragen, dass das EDI und seine Ämter trotz der Pandemie in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen. Die GPK gehen davon aus, dass das Departement nach der Pandemie ausgehend von den Lehren aus dieser Krise prüfen wird, welche Anpassungen an diesem Plan vonnöten sind. Sie erachten es im Hinblick auf künftige Krisen für unerlässlich, dass alle Departemente über einen aktualisierten Plan dieser Art verfügen, und ersuchen den Bundesrat, dies sicherzustellen.

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Empfehlung 2: Pandemiepläne der Departemente Dem Bundesrat wird empfohlen, im Hinblick auf künftige Krisen dafür zu sorgen, dass alle Departemente über einen aktualisierten betrieblichen Pandemieplan verfügen.

Krisenhandbuch des BAG: Die GPK begrüssen, dass das BAG über ein Krisenhandbuch verfügt, das 2018 letztmals aktualisiert wurde. Sie halten allerdings fest, dass einige Kapitel dieses Handbuchs, namentlich jene zu den Schnittstellen mit den anderen Akteuren, zu oberflächlich sind und sich in der Pandemie rasch die Grenzen dieses Handbuchs zeigten. Das Handbuch befasst sich hauptsächlich mit dem Kriseneintritt und weniger mit den folgenden Phasen. Es erwähnt auch nicht das Szenario einer längeren Krise. Die GPK ersuchen den Bundesrat, dafür zu sorgen, dass dieses Handbuch anhand der Erkenntnisse aus der Pandemie gründlich überarbeitet wird (vgl. hierzu auch die Anmerkungen in den Kap. 6.4.2 bis 6.4.8). Sie erwarten in diesem Zusammenhang, dass den Phasen nach Krisenbeginn und den Schnittstellen des BAG mit den anderen Akteuren besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird (vgl. auch Empfehlung 5, Kap. 6.4.4).

Generell erachten es die GPK für wichtig, dass der Bundesrat prüft, welche anderen Verwaltungseinheiten des Bundes über ein an ihre Besonderheiten angepasstes Krisenhandbuch verfügen sollten, und dass er dafür sorgt, dass die entsprechenden Handbücher erstellt und regelmässig aktualisiert werden. Sie ersuchen den Bundesrat, eine entsprechende Standortbestimmung vorzunehmen und den GPK die Ergebnisse seiner Abklärungen mitzuteilen.

Empfehlung 3: Krisenhandbuch Dem Bundesrat wird empfohlen, dafür zu sorgen, dass das Krisenhandbuch des BAG anhand der Erkenntnisse aus der Pandemie gründlich überarbeitet wird.

Der Bundesrat wird zudem gebeten, zu prüfen, welche anderen Verwaltungseinheiten des Bundes über ein an ihre Besonderheiten angepasstes Krisenhandbuch verfügen sollten, und dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Handbücher erstellt und regelmässig aktualisiert werden.

Krisenübungen: Die GPK äussern sich im vorliegenden Bericht nicht zur Frage, ob die Empfehlungen, welche aus Krisenübungen hervorgingen, die der Bund in den Jahren vor der Covid-19-Pandemie durchführte (bei einer dieser Übungen wurde tatsächlich ein Pandemiefall simuliert), von EDI und BAG angemessen umgesetzt wurden.
Laut Departement und Bundesamt flossen die Erkenntnisse aus diesen Übungen in die Grundlagen ihres Krisenmanagements ein.

Tatsächlich halten die GPK jedoch fest, dass diese Übungen ihre Funktion nur teilweise erfüllt haben, da sie es dem Departement und dem Amt nicht erlaubten, optimal auf die Krise vorbereitet zu sein. Die Bundesbehörden wurden zu Beginn der Pandemie von der Lageentwicklung überrascht und die Krisenorganisation des Bundes wurde in mehreren Punkten nicht gemäss den Rechtsgrundlagen und den Vorgaben

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eingesetzt. Aus Sicht der GPK ist es notwendig, dass der Bundesrat die Krisenübungen einer kritischen Überprüfung unterzieht und dass er sicherstellt, dass die Empfehlungen solcher Übungen in der Bundesverwaltung tatsächlich angemessen umgesetzt werden (vgl. Kap. 10).

Rechtsgrundlagen für den «Fach-Krisenstab»: Die Abklärungen der GPK haben ergeben, dass die Taskforce des BAG eine zentrale Rolle in der Krisenorganisation des Bundes spielte und in gewisser Weise die Funktion als «Fach-Krisenstab» im Gesundheitsbereich wahrnahm. Diese Taskforce, die ihre Arbeit Ende Januar 2020 begann und damit das erste aktive Krisenorgan war, nahm rasch eine gewichtige Position im Krisenmanagement und bei der Vorbereitung der Bundesratsbeschlüsse ein. Diese zentrale Stellung führte dazu, dass die Taskforce sogar einige Aufgaben übernahm, die eigentlich andere Organe hätten erfüllen sollen (vgl. Kap. 9). Die Taskforce wuchs rasch auf eine beträchtliche Grösse an und umfasste zunächst mehrere Dutzend und dann mehrere Hundert Mitarbeitende, was in Sachen Führung sowie in Bezug auf die finanziellen und personellen Ressourcen herausfordernd war.

Die GPK haben festgestellt, dass es keine spezifische Rechtsgrundlage für die Aktivitäten eines solchen «Fach-Krisenstabs» gibt. Die einzigen Bestimmungen, die im RVOG, in der RVOV und in den Weisungen des Bundesrates über das Krisenmanagement zu finden sind, bleiben sehr allgemein und enthalten keine Regelungen für den spezifischen Fall, dass der Stab eines Bundesamtes eine solch zentrale Rolle auf Bundesebene einnimmt. Je nach Art der Krisen, mit denen die Schweiz in der Zukunft konfrontiert sein wird, ist es wahrscheinlich, dass sich andere Bundesämter153 eines Tages in einer ähnlichen Lage wie das BAG befinden werden und ihrerseits kurzfristig einen «Fach-Krisenstab» einsetzen müssen, welcher eine zentrale Rolle im nationalen Krisenmanagement einnimmt.

Vor diesem Hintergrund erachten es die GPK als erforderlich, dass der Bundesrat die bestehenden Rechtsgrundlagen des Krisenmanagements anpasst und ergänzt, um die Aktivitäten eines «Fach-Krisenstabs» besser einzurahmen. Auf diesen Grundlagen sollte erstens bestimmt werden können, welches Departement (bzw. welche Departemente) und welches Bundesamt (bzw. welche Bundesämter) in welcher Krise für das Krisenmanagement federführend
sind. Zweitens sollten in diesen Rechtsgrundlagen Grundsätze für den Krisenstab dieses Bundesamtes («Fach-Krisenstab») festgelegt sein, namentlich zu folgenden Aspekten: Modalitäten der Einsetzung, Festlegung der Aufgaben, Führungsstruktur, Schnittstellen mit dem Bundesrat und den anderen Akteuren des Krisenmanagements, finanzielle und personelle Ressourcen sowie Kommunikation.

Nach Ansicht der GPK könnte der Bundesrat anhand solcher Rechtsgrundlagen die Schritte für den Kriseneintritt klarer strukturieren, sicherstellen, dass frühzeitig über bestimmte wichtige Aspekte (namentlich Aufgaben, Personal, Finanzen) entschieden wird und gleichzeitig auch die Transparenz der Krisenorganisation sowohl innerhalb der Bundesverwaltung als auch gegenüber der Öffentlichkeit erhöhen.

153

Zum Beispiel das Bundesamt für Energie ([BFE], im Fall einer Strommangellage) oder das BABS (im Fall einer grossen Naturkatastrophe).

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Motion 1: Rechtsgrundlagen für einen «Fach-Krisenstab» Der Bundesrat wird ersucht, ausgehend vom Beispiel der Covid-19-Taskforce des BAG in der Covid-19-Krise die bestehenden Rechtsgrundlagen des Krisenmanagements anzupassen und zu ergänzen, um die Aktivitäten eines «Fach-Krisenstabs» in Krisenzeiten besser einzurahmen.

Auf der Grundlage dieser Rechtsgrundlagen sollte erstens bestimmt werden können, welches Departement (bzw. welche Departemente) und welches Bundesamt (bzw. welche Bundesämter) für das Krisenmanagement federführend sind.

Zweitens sollten in diesen Rechtsgrundlagen Grundsätze für den Krisenstab dieses Bundesamtes («Fach-Krisenstab») festgelegt sein, namentlich zu folgenden Aspekten: Modalitäten der Einsetzung, Festlegung der Aufgaben, Führungsstrukturen, Schnittstellen mit dem Bundesrat und den anderen Akteuren des Krisenmanagements, finanzielle und personelle Ressourcen sowie Kommunikation.

6.4.2

Kriseneintritt

Der Vorsteher des EDI sagte gegenüber den GPK, dass das Departement «nicht überrascht» war, als das Virus in der Schweiz auftrat, da davon auszugehen war. Er teilte mit, dass das BAG die Entwicklung seit Ende Dezember 2019 verfolgte und dann im Januar rasch reagierte und das EDI und den Bundesrat informierte.

Die GPK teilen diese positive Einschätzung nicht gänzlich. Auch wenn sie begrüssen, dass das BAG die Situationsentwicklung regelmässig verfolgte, bedauern sie, dass es nach der ersten offiziellen Warnung der WHO vom 5. Januar 2020 mehr als zwei Wochen dauerte, bis Covid-19 von den Verantwortlichen der Abteilung Übertragbare Krankheiten des BAG thematisiert wurde (21. Januar 2020) und bis die Krisenorganisation des Bundesamtes aktiviert wurde (23. Januar 2020).

Die GPK sind sich bewusst, dass die Einschätzung der Risiken von übertragbaren Krankheiten eine Herausforderung darstellt, da das Bundesamt im Laufe eines Jahres zahlreiche Warnungen erhält, von denen sich ein Grossteil als weniger relevant erweist. Sie können auch die Argumentation des EDI nachvollziehen, dass die Meldungen aus China Anfang 2020 äusserst spärlich und diffus waren. Sie anerkennen auch, dass die Haltung der WHO in den ersten Krisenwochen teilweise unklar war. Vor diesem Hintergrund teilen sie die Ansicht, dass zunächst zuverlässige Informationen zusammengetragen werden mussten, bevor die Lage beurteilt werden konnte.

Da die Massnahmen, die in den ersten Wochen einer Krise ergriffen werden, für den weiteren Verlauf entscheidend sind, sind die Kommissionen allerdings der Ansicht, dass ein Verbesserungspotenzial diesbezüglich besteht und dass das BAG in der Lage sein sollte, in einem solchen Fall schneller zu reagieren. In ihren Augen sollte die Covid-19-Pandemie als Auslöser dafür dienen, zu überprüfen, wie die Prozesse des Bundesamtes in diesem Bereich verbessert werden können. Sie ersuchen den Bundesrat, eingehend zu untersuchen, ob die Prozesse des BAG zur Bearbeitung der internationalen Warnungen im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten (einschliesslich der Weitergabe der Informationen an das EDI) angemessen sind oder ob es 49 / 134

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Verbesserungsmassnahmen braucht. Der Bundesrat wird gebeten, die GPK über seine Schlussfolgerungen zu informieren.

Empfehlung 4: Bearbeitung der Warnungen im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten durch das BAG Dem Bundesrat wird empfohlen, eingehend zu untersuchen, ob die Prozesse des BAG zur Bearbeitung der internationalen Warnungen im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten (einschliesslich der Weitergabe der Informationen an das EDI und gegebenenfalls an den Bundesrat) angemessen sind oder ob es Verbesserungsmassnahmen braucht.

Die GPK heben hervor, dass das BAG, sobald das epidemiologische Risiko definitiv erkannt war, rasch handelte, indem es seine Krisenorganisation einsetzte, innert zwei Tagen eine erste Reihe von Massnahmen ergriff und anschliessend regelmässig das EDI und den Bundesrat über die epidemiologische Lage informierte. Sie nehmen zudem zur Kenntnis, dass die Einsetzung der Krisenorganisation des Bundesamtes im Grossen und Ganzen entsprechend den Vorgaben des Krisenhandbuchs154 erfolgte, auch wenn sich anschliessend rasch zeigte, dass sich das Handbuch für eine Pandemie dieser Tragweite als unzulänglich herausstellte (vgl. Kap. 6.4.1).

Die GPK halten aber auch fest, dass es die Verantwortlichen des Bundesamtes zu Beginn der Krise versäumten, einige wichtige Entscheide über die Krisenorganisation des BAG zu treffen, bzw. dass einige Entscheide nicht klar genug waren, was sich in der gesamten ersten Pandemiewelle negativ auf den internen Betrieb des BAG auswirkte (vgl. Kap. 6.4.3). Die GPK sind der Auffassung, dass es in den ersten Wochen nach dem Auftreten von Covid-19 notwendig gewesen wäre, grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation des Bundesamtes und deren Funktionsweise, aber auch über die Krisenorganisation des Bundes im Allgemeinen anzustellen (vgl. unten und Kap. 10).

Diese Versäumnisse lassen sich unter anderem damit erklären, dass es für die Bundesbehörden schwierig war, von Anfang an die Tragweite der Krise zu erfassen und zu erkennen, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt. Sowohl das EDI als auch das BAG räumten gegenüber den GPK ein, dass die mögliche Krisendauer unterschätzt wurde, und betonten, dass es sehr kompliziert war, die Entwicklung einer solchen Pandemie vorherzusehen. Laut dem Vorsteher des EDI
und der Bundespräsidentin von 2020 war es eine politische Herausforderung, das Ausmass der Krise zu erkennen. Der Vorsteher des EDI vertrat die Ansicht, dass es anhand der damals verfügbaren Informationen schwierig gewesen wäre, anders zu handeln (vgl. Kap. 6.2.1). Für die GPK sind diese Argumente nachvollziehbar. Sie erachten es dennoch als besonders wichtig, dass im Hinblick auf künftige Krisen die nötigen Lehren in Bezug auf die Krisendauer gezogen werden (vgl. Kap. 10).

154

Zu nennen sind hier vor allem das Abhalten einer Kriseneintrittssitzung, das Zuweisen der wichtigsten Funktionen der Krisenorganisation, das Einsetzen von AG, das Anfertigen eines Organigramms, das Erstellen eines Lageberichts und einer Pendenzenliste, das Bestimmen der für den Kontakt zum GS-EDI verantwortlichen Personen sowie das Diskutieren der Ressourcen- und der Verzichtsplanung.

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Die GPK äussern sich im vorliegenden Bericht nicht zur Frage, ob die Gesundheitsmassnahmen, die der Bundesrat zu Beginn der Krise beschloss, angemessen waren und zum richtigen Zeitpunkt ergriffen wurden, da diese Frage über das Thema der Krisenorganisation hinausgeht. Sie halten fest, dass das BAG ab Ende Januar das EDI und den Bundesrat über verschiedene Kanäle regelmässig über die epidemiologische Lage informierte. Aus den Informationen der GPK geht hervor, dass man sich der tatsächlichen Tragweite der Pandemie für die Schweiz wohl um den 24. Februar 2020 herum bewusst wurde, als sich die Gesundheitslage in Italien rapide verschlechterte.155 Die GPK nehmen erfreut zur Kenntnis, dass das EDI und der Bundesrat anschliessend sehr rasch reagierten, indem sie die «besondere Lage» erklärten und innert vier Tagen Grossveranstaltungen untersagten. Ab diesem Zeitpunkt befassten sich der Bundesrat und die zuständigen Departemente intensiv mit der Krisenbewältigung. Zudem wurde der Austausch zwischen dem BAG, dem EDI und den anderen Krisenorganen des Bundes erheblich verstärkt.

Die GPK kommen insgesamt zum Schluss, dass das BAG und das EDI die Phase zwischen den ersten Meldungen zum Virus (Anfang Januar 2020) und dessen Auftreten in der Schweiz (Ende Februar 2020) wahrscheinlich hätten besser nutzen können, insbesondere durch grundsätzliche Überlegungen zum Krisenmanagement auf Amts, Departements- und Bundesratsebene sowie durch die klarere Regelung der Aufgaben und der Zusammenarbeit der verschiedenen Krisenorgane. Die Taskforce des BAG war über mehrere Wochen das einzige Gremium, das sich mit diesem Dossier befasste, weshalb sie sich in der Folge zwangsläufig als zentrales Krisenorgan des Bundes etablierte (vgl. Kap. 9 und 10).

Dies ist nach Ansicht der GPK allerdings in einem gewissen Masse nachvollziehbar und lässt sich zum einen damit erklären, dass Anfang 2020 grosse Unsicherheit in Bezug auf das neue Coronavirus bestand, und zum anderen damit, dass zu diesem Zeitpunkt vor allem die gesundheitlichen Aspekte des Dossiers im Vordergrund standen. Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich, dass das BAG den Lead übernahm. Die GPK sind allerdings der Ansicht, dass das globale Ausmass dieser Krise früher hätte erkannt werden müssen. Insbesondere hätte der wirtschaftliche Aspekt dieser Krise bei der
Krisenorganisation stärker berücksichtigt werden müssen (vgl.

Kap. 10). Die GPK erwarten vom Bundesrat, dass er sicherstellt, dass künftig ­ sobald feststeht, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt ­ grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation angestellt werden (vgl. Kap. 9.2).

Der GPK liegen keine Informationen vor, die aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht Anmerkungen zur Krisenorganisation auf Stufe EDI notwendig machen würden. Sie halten fest, dass sich das Departement in den ersten Wochen der Krise vor allem auf seine bestehenden Strukturen stützte und ab Anfang März 2020 rasch einen Pandemieplan für das Departement erstellte und umsetzte. Die nachträgliche Evaluation des GS-EDI zeigt, dass die Ämter des EDI trotz Pandemie in der Lage waren, ihre Aufgaben zu erfüllen.

155

Die Abklärungen der GPK haben ergeben, dass das BAG eher mit schnell steigenden Fallzahlen in Deutschland als in Italien rechnete.

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6.4.3

Tätigkeiten der Covid-19-Taskforce

Die Taskforce des BAG spielte ­ und spielt nach wie vor ­ eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie. Die GPK halten fest, dass zu Beginn der Krise vermutlich unterschätzt wurde, welche Bedeutung dieses Organ auf nationaler Ebene bekommen würde. Dies zeigt, welch wichtige Rolle die üblichen Verwaltungsstrukturen (Departemente und Bundesämter) im Rahmen der Krisenorganisation spielen (vgl. Kap. 10).

Die GPK kommen zum Schluss, dass die Taskforce des BAG in der ersten Pandemiewelle ihre Aufgabe angesichts der besonderen Umstände so gut wie möglich erfüllte.

Dieses Gremium ermöglichte dem BAG, alle gesundheitlichen Aspekte der Krise zu koordinieren und dem Bundesrat trotz der hohen Dringlichkeit rechtzeitig Informationsgrundlagen und Anträge für dessen Beschlüsse zu unterbreiten. Auch wenn bei mehreren Punkten Verbesserungspotenzial erkannt wurde,156 sind die GPK der Ansicht, dass die Taskforce angesichts des enormen Zeitdrucks und der hohen Arbeitslast ihre Aufgaben in guter Qualität erledigte. Allgemein trug die Taskforce dazu bei, dass die Schweiz die erste Pandemiewelle im internationalen Vergleich recht zufriedenstellend bewältigte.

Positiv zu vermerken ist auch, dass die Taskforce des BAG eine grosse organisatorische Flexibilität an den Tag legte, wodurch sie sich in der Krise weiterentwickeln und rasch an neue Herausforderungen anpassen konnte, namentlich durch die Einsetzung neuer AG. Zudem stützte sie sich weitgehend auf das Krisenhandbuch des BAG, auch wenn sich dessen Grenzen zeigten (vgl. Kap. 6.4.1).

Die GPK halten aber auch fest, dass es versäumt wurde, zu Beginn der Krise gewisse Grundsatzentscheide zu treffen, was sich in den Folgemonaten negativ auf die Funktionsweise der Taskforce auswirkte: ­

156

Die üblichen Hierarchiestrukturen des Bundesamtes und die Krisenorganisation wurden nicht klar genug getrennt. In den Augen der GPK handelt es sich hierbei um ein grundlegendes Versäumnis, das sich in den nachfolgenden Wochen auf das gesamte Krisenmanagement des BAG und namentlich auf die Personalführung und das Personalmanagement auswirkte (vgl. Kap. 6.4.5).

Die GPK anerkennen, dass es sinnvoll ist, sich in Krisen auf die bestehenden Kompetenzen in einem Bundesamt zu stützen, und dass die Anzahl Personen, die über Fachkompetenzen und Erfahrung für die Bewältigung eines solchen Ereignisses im Bereich der öffentlichen Gesundheit begrenzt ist. Dennoch bedarf es einer klaren Trennung zwischen dem Krisenmanagement und dem Tagesgeschäft sowie zwischen der operativen und der strategischen Führung.

Dieses Versäumnis erklärt vermutlich auch, warum das BAG nicht in der Lage war, in den ersten Wochen der Krise eingehende strategische Überlegungen über sein Krisenmanagement und seine Krisenorganisation anzustellen.

Insbesondere von den Kantonsbehörden wurden die sehr kurzen Fristen für die Konsultation zu den Gesundheitsmassnahmen bemängelt. Öffentliche Kritik gab es zudem an der fehlenden Kohärenz bestimmter Empfehlungen des Bundesamtes, so z. B. jenen zum Tragen von Masken. Diese Aspekte sind Gegenstand gesonderter Abklärungen der GPK.

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­

Die Strukturen zur Unterstützung der Taskforce waren offensichtlich schwach. Die Taskforce verfügte gemäss ihrem Organigramm (vgl. Anhang) zwar über einen «Stabschef» und ein Sekretariat, doch spielten diese Strukturen gemäss den Informationen der GPK in Bezug auf das Krisenmanagement keine bedeutende Rolle. Die GPK fragen sich insbesondere, ob es nicht angemessen gewesen wäre, diese Strukturen durch Personen mit Erfahrung im Bereich des Krisenmanagements zu verstärken, welche z. B. hätten sicherstellen können, dass Pflichtenhefte für die Taskforce-Verantwortlichen erstellt und die Kompetenzbereiche der AG klar abgegrenzt werden (siehe unten).

­

Die Verantwortlichkeiten und die Stellvertretungen in der Taskforce wurden nicht klar genug geregelt. Die GPK bedauern, dass in der ersten Pandemiewelle keine spezifischen Pflichtenhefte für die Taskforce-Mitglieder erstellt wurden. Sie sind der Ansicht, dass bei künftigen Krisen systematisch Pflichtenhefte erstellt werden sollten, damit die Verantwortlichkeiten und die Aufgaben definiert und intern wie extern klar nachvollziehbar sind. Natürlich müssen die Verantwortlichkeiten im Lauf einer Krise regelmässig angepasst werden, doch dies macht es umso wichtiger, dass die Zuständigkeiten so früh wie möglich klar definiert sind. In diesem Sinne erachten es die GPK auch als unerlässlich, dass für jede Aufgabe Stellvertretungen festgelegt werden.

­

Die Struktur der Taskforce war komplex. Die Taskforce umfasste bereits nach kurzer Zeit eine Vielzahl von AG verschiedenster Grösse mit unterschiedlichen Aufgaben. Die GPK sind der Ansicht, dass die Einsetzung dieser AG angesichts der vielfältigen und zahlreichen Aufgaben des Bundesamtes gerechtfertigt war. Allerdings deutet einiges darauf hin, dass die Themenbereiche, Aufgaben und Zuständigkeiten der AG nicht immer klar genug definiert waren, was zum Teil die Aufgabenteilung erschwerte und die Effizienz verringerte, sowohl intern als auch bei der Zusammenarbeit mit den externen Partnern des Bundesamtes. Die GPK erachten es als wichtig, dass die Aufgaben der AG und deren externe Schnittstellen bereits bei der Einsetzung der Krisenorganisation festgelegt und dann regelmässig überprüft werden.

­

Die Entscheidkompetenzen waren nicht transparent genug geregelt. Für die GPK ist schwer zu verstehen, wie die Entscheidkompetenzen für das Krisenmanagement im BAG geregelt waren. Die Kommissionen erachten es als unerlässlich, dass die Entscheidkompetenzen künftig transparenter geregelt werden und alle beteiligten Organe im Organigramm der Krisenorganisation aufgeführt sind (vgl. Kap. 6.4.7).

Diese Versäumnisse schwächten die Krisenorganisation des BAG in der ersten Pandemiewelle und machten sie weniger klar und komplexer zu führen. Verstärkt wurde dies vermutlich noch durch die Aufnahme zahlreicher Mitarbeitender aus anderen Abteilungen und Einheiten in die Taskforce. Diese Aspekte zeigen in den Augen der GPK, dass es unbedingt eine Rechtsgrundlage für die Aktivitäten eines solchen «Fach-Krisenstabs» braucht (vgl. Kap. 6.4.1).

Die GPK halten aber auch erfreut fest, dass ein Grossteil der genannten Versäumnisse erkannt und ab Sommer 2020 durch verschiedene organisatorische Massnahmen des BAG behoben wurden, wodurch auch die Funktionsweise der Taskforce verbessert 53 / 134

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werden konnte (vgl. Kap. 6.4.9). Die GPK erachten es dennoch als wichtig, dass die Krisenorganisation des Bundesamtes nach der Pandemie gründlich analysiert wird und ausgehend von den Ergebnissen dieser Analyse das Krisenhandbuch (vgl. Empfehlung 3, Kap. 6.4.1) und gegebenenfalls das EpG und der Pandemieplan (vgl. Empfehlung 1, Kap. 6.4.1) angepasst werden.

6.4.4

Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren

Die GPK stellen fest, dass die Kontakte zwischen dem BAG und den anderen Akteuren hauptsächlich auf drei Ebenen stattfanden: in den AG, durch die direkte Teilnahme bestimmter Einheiten an den Taskforce-Sitzungen und durch die Beteiligung des BAG an anderen Organen (vgl. Kap. 6.2.3). Die grösste Herausforderung für das BAG bestand darin, ­ unter Berücksichtigung der zeitlichen Zwänge und der Ressourcen ­ zu ermitteln, wer die wichtigsten Ansprechpartnerinnen und -partner sind, und diese soweit möglich in seine Krisenorganisation zu integrieren.

Die GPK halten fest, dass die Zusammenarbeit nicht einheitlich bewertet wird: Während das BAG eine eher positive Bilanz zieht, zeigen sich verschiedene andere Akteure (wie die Kantone und gewisse Bundeseinheiten) viel kritischer. Für die GPK ist schwer zu erkennen, welche Strategie das BAG in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren verfolgte. Bestimmte Aussagen lassen vermuten, dass das Bundesamt die externen Beteiligten eher als Informationslieferanten denn als echte Partner betrachtete. Es stellt sich die Frage, aus welchen Gründen bestimmte wichtige Akteure des Krisenmanagements wie das EDA (internationale Koordination) oder das BWL (Materialversorgung) gar nicht und andere Akteure wie das SECO erst ab Mai 2020 in der Taskforce vertreten waren.157 Die Koordination mit den anderen Bundesämtern und Departementen erfolgte zwar auch über andere Gremien wie den BSTB und den KSBC, doch war es, wie die Geschehnisse zeigen, die Taskforce, welche in der Praxis die zentrale Rolle bei der Koordination der gesundheitspolitischen Massnahmen zur Bewältigung der Pandemie innehatte.

Für die GPK ist es unerlässlich, dass zu Beginn einer Krise ein klares, auf objektiven Kriterien beruhendes Konzept für die Schnittstellen zwischen dem für die Krisenbewältigung zuständigen Bundesamt und den anderen Akteuren definiert wird. Ein solches Konzept sollte eine Liste der Schnittstellen auf der Stufe der AG, eine Liste der direkt im «Fach-Krisenstab» vertretenen Einheiten und eine Liste der Mitgliedschaften des Bundesamtes in externen Gremien enthalten.

Grundsätzlich erwarten die GPK, dass die mit dem Krisenmanagement beauftragten Einheiten und Organe um eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit besorgt sind. Dies ist umso mehr vonnöten in einer bereichsübergreifenden
Krise wie der aktuellen Pandemie, in der zwangsläufig eine Vielzahl von Akteuren zusammenarbeiten müssen. Eine solche Zusammenarbeit ist aber nur möglich, wenn die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Einheiten und Organe klar definiert und allseits bekannt

157

Die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft stellt eine besondere Problematik dar, die von der GPK-N getrennt behandelt wird.

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sind. Die GPK teilen die Ansicht des Vorstehers des EDI, dass sich die Zusammenarbeit einfacher gestaltet, wenn die Kontakte zwischen den Einheiten schon vor der Krise bestehen und gepflegt werden.

Die GPK ersuchen den Bundesrat, diese Erwägungen in die Aktualisierung des Krisenhandbuchs (vgl. Empfehlung 3, Kap. 6.4.1), in die laufende Revision des EpG und des Pandemieplans (vgl. Empfehlung 1, Kap. 6.4.1) und in die Überarbeitung der Weisungen des Bundesrates über das Krisenmanagement (vgl. Kap. 10) einfliessen zu lassen.

Empfehlung 5: Zusammenarbeit zwischen dem mit dem Krisenmanagement betrauten Bundesamt und den anderen Akteuren Dem Bundesrat wird empfohlen, in seinen Vorgaben für die Krisenorganisation festzuhalten, dass zu Beginn einer Krise ein klares, auf objektiven Kriterien beruhendes Konzept für die Schnittstellen zwischen dem für die Krisenbewältigung zuständigen Bundesamt (bzw. dem «Fach-Krisenstab») und den anderen Akteuren zu definieren ist.

Ein solches Konzept sollte eine Liste der Schnittstellen auf der Stufe der Arbeitsgruppen, eine Liste der direkt im «Fach-Krisenstab» vertretenen Einheiten und eine Liste der Mitgliedschaften des Bundesamtes in externen Gremien enthalten.

Dem Bundesrat wird insbesondere empfohlen, diese Erwägungen in die Aktualisierung des Krisenhandbuchs des BAG, in die laufende Revision des Epidemiengesetzes und des Pandemieplans sowie in die künftige Überarbeitung der Weisungen des Bundesrates über das Krisenmanagement einfliessen zu lassen.

6.4.5

Personalmanagement

Das BAG reagierte ­ mit Unterstützung des EDI ­ rasch auf die pandemiebedingte ausserordentliche Arbeitslast und verstärkte seine Taskforce mit zusätzlichem Personal. Die GPK erachten diese Massnahmen grundsätzlich als angemessen. Es war zweckmässig, dass das EDI von Beginn der Krise an klar signalisierte, dass zur Bewältigung der Pandemie die erforderlichen Priorisierungen in Sachen Ressourcen vorzunehmen sind. Die Kommissionen sehen aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht keinen Handlungsbedarf, was die Bereitstellung und Rekrutierung von zusätzlichem Personal für die Taskforce angeht.

Die GPK anerkennen den grossen Einsatz des BAG-Personals unter besonders anspruchsvollen Bedingungen, aber auch den Teamgeist und den Pragmatismus, den die Mitarbeitenden des Bundesamtes unter Beweis stellten.

Dennoch zeigen die Abklärungen der Kommissionen, dass das Personalmanagement insgesamt einer der Schwachpunkte des BAG in der ersten Pandemiewelle war. Die GPK bedauern die zahlreichen Mängel in diesem Bereich, welche die vom Bundesamt in Auftrag gegebene externe Analyse zutage gefördert hat. Diese Mängel trugen dazu bei, dass das Personal des BAG in einer Phase, in der es stark gefordert war, zusätzlich geschwächt wurde. Sie sind zum einen darauf zurückzuführen, dass zu Beginn der 55 / 134

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Krise versäumt wurde, gewisse strategische Grundsatzentscheide zu treffen, was wiederum eine unklare Führungsstruktur zur Folge hatte (vgl. Kap. 6.2.4 und 6.4.3). Zum anderen rühren sie daher, dass die Dauer der Krise zu deren Beginn schwierig einzuschätzen war. Die aktuelle Direktorin des BAG räumte ein, dass die Bilanz in diesem Bereich durchwachsen ausfällt.

Die GPK bedauern zudem, dass das BAG nicht in der Lage war, die Rückkehr zur «besonderen Lage» im Sommer 2020 besser vorherzusehen und vorzubereiten, was die Taskforce-Mitarbeitenden zusätzlich schwächte. Da das Bundesamt seine üblichen Tätigkeiten wiederaufnahm, ist es nachvollziehbar, dass einem Teil des Personals wieder dessen Alltagsaufgaben zugewiesen wurden. Die GPK sind aber der Ansicht, dass diese Reorganisation intern hätte klarer kommuniziert werden müssen.

Ausserdem hätte es Unterstützungsmassnahmen für diejenigen Mitarbeitenden gebraucht, die weiterhin Mitglieder der Taskforce waren. Dies bestätigt, dass der Bund künftig ­ vor allem in den Krisenhandbüchern ­ dem Ausstieg aus der Krise mehr Aufmerksamkeit schenken muss.

Die GPK erachten es als notwendig, dass auf der Grundlage der Lehren aus der Covid19-Pandemie ein Referenzdokument erstellt wird (z. B. in Form eines Handbuchs) oder die bereits existierenden Dokumente ergänzt werden, damit die vom Krisenmanagement besonders in Anspruch genommenen Bundesämter zu gegebener Zeit die entsprechenden Entscheide in Sachen Personalmanagement treffen können. Nach Ansicht der GPK ist es besonders wichtig, dass die Dokumentation Informationen zu folgenden Punkten enthält: Modalitäten für die Bereitstellung von Personal aus anderen Bundeseinheiten, Modalitäten für die Rekrutierung von externem Personal, Unterstützungs- und Ausgleichsmassnahmen für das Personal, Personalmanagement beim Krisenausstieg.

Empfehlung 6: Handbuch für das Personalmanagement in Krisenzeiten Dem Bundesrat wird empfohlen, dafür zu sorgen, dass ein Referenzdokument für das Personalmanagement in Krisenzeiten erstellt wird oder dass die bereits existierenden Dokumente ergänzt werden, damit die vom Krisenmanagement besonders in Anspruch genommenen Bundesämter zu gegebener Zeit die entsprechenden Entscheide in Sachen Personalmanagement treffen können.

Die GPK begrüssen, dass das BAG ab Sommer 2020 eine Analyse seiner
Krisenorganisation vornahm. Die Informationen, die den Kommissionen vorliegen, zeigen, dass die Amtsleitung die Probleme erkannte, die sich in der ersten Pandemiewelle im Bereich des Personalmanagements gezeigt hatten. Die GPK heben erfreut hervor, dass ab Herbst 2020 verschiedene Massnahmen im Personalbereich ergriffen wurden, welche die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden verbesserten, auch wenn die Situation nach wie vor sehr angespannt blieb (vgl. Kap. 6.4.9). Insbesondere der Beschluss, klarer zwischen strategischer und operativer Ebene der Krisenorganisation zu unterscheiden, stellte eine entscheidende Verbesserung dar. Die GPK begrüssen ferner, dass in der Taskforce systematisch Pflichtenhefte erstellt und Stellvertretungen definiert wurden. Sie halten zudem fest, dass den Arbeitsbedingungen und der Anerkennung des Engagements der Mitarbeitenden mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

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6.4.6

Zusammenarbeit zwischen dem BAG und dem EDI

Die GPK beurteilen die Zusammenarbeit des BAG und des EDI in der ersten Pandemiewelle insgesamt positiv. Sie halten fest, dass von Beginn der Krise im Januar 2020 an enge Kontakte auf verschiedenen Ebenen zwischen dem Bundesamt und dem Departement bestanden. Das GS-EDI wurde früh in die Krisenorganisation des BAG einbezogen und war ab Ende Februar an allen Taskforce-Sitzungen vertreten. Dies war nach Ansicht der GPK eine geeignete Massnahme, um eine effiziente Koordination zu gewährleisten. Allgemein geht aus den Aussagen gegenüber der Kommission hervor, dass die Zusammenarbeit des BAG und des EDI vertrauensvoll und konstruktiv war, was von den Kommissionen begrüsst wird. Dies ist umso wichtiger, als ein Grossteil des Krisenmanagements des Bundes an der Schnittstelle von BAG und EDI erfolgte (vgl. Kap. 6.4.7 und 10).

Die GPK sind wie der Vorsteher des EDI der Auffassung, dass es für eine effiziente Krisenorganisation von Vorteil war, auf Mitarbeitende mit langjähriger Erfahrung in der Verwaltung und mit einem grossen Netzwerk zählen zu können. Dies gilt z. B. für den damaligen Generalsekretär des EDI, der in der ersten Pandemiewelle eine Schlüsselrolle bei der Koordination von Departement, BAG-Taskforce und später KSBC spielte.

Die vom BAG im Sommer 2020 in Auftrag gegebene externe Analyse hat allerdings auch kleinere Mängel aufgezeigt. So sei der Dienstweg zwischen Bundesrat, EDI, Direktion des BAG und Abteilung MT nicht immer beachtet worden, was die Führung im BAG erschwert habe (vgl. Kap. 6.2.5). Für die GPK ist nachvollziehbar, dass in einer Krise dieses Ausmasses rasch Entscheide getroffen werden mussten und es zu direkten Kontakten zwischen Bundesrat oder Departementen und bestimmten Fachabteilungen der Ämter kam, ohne dass der komplette Dienstweg beschritten wurde.158 Die GPK erachten es dennoch als wesentlich, dass der Bundesrat bei wichtigen strategischen Entscheiden des Krisenmanagements für die strenge Einhaltung des Dienstwegs sorgt, damit die zuständige Amtsleitung ihre Funktion als Schnittstelle für alle übergeordneten Ebenen und ihre Führungsaufgaben voll wahrnehmen kann (vgl. auch folgendes Kapitel).

6.4.7

Entscheidkompetenzen im BAG

Die GPK kommen anhand der ihnen vorliegenden Informationen zum Schluss, dass die Entscheidkompetenzen für das Krisenmanagement im BAG in der ersten Pandemiewelle nur wenig transparent geregelt waren.

158

Die übergeordnete Stelle kann gemäss Art. 47 Abs. 4 und Art. 38 RVOG Geschäfte, die sie an untergeordnete Einheiten delegiert hat, wieder an sich ziehen, wenn sie es für notwendig erachtet. Dieses Recht (Selbsteintrittsrecht oder Evokationsrecht genannt) ist eines der Grundprinzipien einer hierarchisch strukturierten Verwaltung. Siehe hierzu: Tschannen, Pierre / Zimmerli, Ulrich / Müller, Markus (2014): Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage. Bern: Stämpfli Verlag, Ziff. 6, E. 7, S. 49.

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Die Sitzungen der BAG-Taskforce dienten anscheinend in erster Linie der Koordination, der Aufgabenverteilung und dem Abgleich von Informationen und konzentrierten sich vor allem auf die operativen Aspekte der Krisenbewältigung. In den Protokollen ist nicht oder nur sehr selten die Rede von Entscheiden oder Strategiediskussionen. Laut BAG war die «Taskforce-Leitung», bestehend aus den beiden Verantwortlichen des Krisenstabs und dem Direktor des BAG, in enger Zusammenarbeit mit dem EDI für die strategische Führung und die endgültige Beschlussfassung zuständig. Eine «Taskforce-Leitung» war im Organigramm der damaligen Krisenorganisation159 allerdings nicht ausdrücklich gekennzeichnet und tauchte auch in der Kommunikation des BAG gegenüber der Öffentlichkeit nicht auf. Nach Kenntnis der GPK wurden die Überlegungen und Entscheide der «Taskforce-Leitung» nirgends schriftlich festgehalten, weshalb nicht geklärt werden kann, inwieweit diese die Meinungen und Diskussionen in der Taskforce widerspiegeln.

Die GPK haben keine Anhaltspunkte dafür, dass die Leitung der BAG-Taskforce ungeeignete Entscheide traf. Sie gehen zudem davon aus, dass das EDI seinen gesetzlichen Führungs- und Aufsichtsauftrag gegenüber dem Bundesamt korrekt wahrnahm.

Sie fragen sich allerdings, ob es angemessen war, dass die strategischen Entscheidkompetenzen auf Stufe BAG in den Händen von drei Personen lagen, die alle direkt am täglichen Krisenmanagement beteiligt waren und von denen nur eine ­ der Direktor ­ Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesamtes war.160 Die GPK begrüssen zwar, dass die BAG-Geschäftsleitung in der ersten Welle weiterhin wöchentlich zu Sitzungen zusammenkam, sich an jeder Sitzung mit Fragen zur Pandemie befasste und über die strategischen Entscheide zur Krisenbewältigung informiert wurde, stellen sich aber die Frage, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, dass die Geschäftsleitung des BAG eine aktivere Rolle bei der strategischen Entscheidfindung zur Krisenbewältigung auf Stufe des Amtes eingenommen hätte, da diese eine willkommene distanziertere Sichtweise hätte einbringen können.

Die GPK sind der Ansicht, dass grundsätzlich auch in Krisenzeiten möglichst der übliche Dienstweg unter Berücksichtigung der Geschäftsleitung des Amtes einzuhalten ist. Wenn die Entscheidkompetenzen für das Krisenmanagement einem
anderen Organ (wie der Taskforce) anvertraut werden, dann müssen die entsprechenden Entscheidwege klar definiert werden. Die Rolle der Geschäftsleitung des Amtes und deren Verhältnis zum Krisenstab muss in einer solchen Situation auf jeden Fall geklärt sein.

Ein weiteres Beispiel ist die Rolle des «MT Board» in der Krisenorganisation. Hierbei handelt es sich um ein internes Gremium der Abteilung MT, das mehrere Jahre vor der Pandemie geschaffen wurde.161 Die GPK sind sich bewusst, wie wichtig es ist, neben der Taskforce und zu deren Entlastung über Diskussionsgremien zu verfügen, 159

Gemäss dem Organigramm vom 6. Mai 2020, das den GPK übermittelt wurde (vgl. Anhang), befindet sich allein der Direktor des BAG an der Spitze der Krisenorganisation und die Verantwortlichen des Krisenstabs sind ihm untergeordnet.

160 Diese Vorgehensweise steht formell nicht im Widerspruch zum RVOG, da die Leitung der Verwaltungseinheiten und die Erfüllung der diesen übertragenen Aufgaben gemäss Gesetz den Amtsdirektorinnen und -direktoren und nicht den Geschäftsleitungen der Ämter obliegt.

161 Zur Zusammensetzung und Rolle des «MT Board» vgl. Kap. 6.2.5.

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in denen die Fachleute des Bundesamtes bestimmte Fachfragen vertiefen können. In ihren Augen war es aber eine mögliche Quelle für Verwirrung, dass das «MT Board» ­ unter dieser Bezeichnung ­ in den ersten Pandemiewochen in die Arbeit der Taskforce einbezogen wurde, obwohl es nicht im Krisenorganigramm vorgesehen war. Dieser Fall zeigt die Bedeutung ­ aber auch die Schwierigkeit ­ einer klaren Trennung der Krisenorganisation und der bestehenden hierarchischen Amtsstrukturen. Die GPK begrüssen, dass in der Folge die Bezeichnung «Fachdiskussionen» verwendet wurde. Sie erachten es auch für angemessen, dass diese Diskussionsgremien keine Entscheidkompetenzen hatten. In ihren Augen wäre es wünschenswert, dass diese Fachdiskussionen künftig in geeigneter Form im Organigramm des Krisenstabs aufgeführt werden. Sie finden es zudem wichtig, dass die Kompetenzen und Abläufe dieser Diskussionsgremien klar festgelegt werden, z. B. im Krisenhandbuch.

Für die GPK verdeutlichen die Beispiele «Taskforce-Leitung», Rolle der Geschäftsleitung im weiteren Sinne und ­ in geringerem Masse ­ «MT Board», dass die Entscheidkompetenzen im BAG in der ersten Pandemiephase nicht ausreichend klar geregelt waren. Die Kommissionen erwarten vom Bundesrat, dass er künftig sicherstellt, dass die Entscheidkompetenzen vom Beginn der Krise an für alle Ebenen des «FachKrisenstabs» klar definiert sind, dass im Krisenorganigramm ausdrücklich aufgeführt ist, welches Organ für die strategische Führung und die endgültige Beschlussfassung auf Stufe des Amtes verantwortlich ist, und dass die Arbeiten und Entscheide dieses Organs schriftlich festgehalten werden.

Die Abklärungen der GPK haben zudem gezeigt, dass der damalige Direktor des BAG in der Krisenorganisation der ersten Monate von 2020 eine zentrale Rolle spielte und zahlreiche Funktionen innehatte (oberste Leitung der Taskforce und Entscheidungsträger, Koordination mit dem EDI, Leitung des BSTB und Mitglied im KSBC). Dies trug zwar sicherlich zu einer effizienten Koordination der Gesundheitsmassnahmen bei, wirft aber die Frage auf, ob es notwendig und sinnvoll war, dass der Direktor selbst so viele Aufgaben übernahm. Dieses Vorgehen ist nicht im Sinne der Weisungen des Bundesrates für das Krisenmanagement, gemäss denen zu vermeiden ist, dass Funktionsträgerinnen und Funktionsträger
gleichzeitig in mehreren Krisenstäben tätig sind (Ziff. 3.1.2). Eine solche Aufgabenhäufung könnte sich auch als problematisch erweisen, falls die entsprechende Person plötzlich daran gehindert wäre, ihre Aufgaben zu erfüllen. Die GPK bezweifeln, dass die betreffende Person in einer solchen Situation dauerhaft in der Lage ist, der allgemeinen strategischen Führung und den Personalfragen die nötige Aufmerksamkeit zu schenken bzw. diesen Aspekten mit der nötigen Distanz zu begegnen. Die Aufgabenhäufung des BAG-Direktors könnte nach Ansicht der GPK auch einer der Gründe sein, weshalb der BSTB relativ spät seine Tätigkeit aufnahm und dessen Entscheidkompetenzen zum Teil von der Taskforce wahrgenommen wurden (vgl. Kap. 9).

Dieses Beispiel verdeutlicht sehr gut, dass im BAG in den ersten Krisenmonaten die Aufgaben der strategischen und der operativen Führung zu wenig getrennt waren. Die GPK ersuchen den Bundesrat, vor diesem Hintergrund grundsätzliche Überlegungen darüber anzustellen, welche Rolle die Amtsdirektorinnen und -direktoren in Krisenzeiten spielen sollen und ob es zweckmässig ist, dass diese Personen Führungsaufga-

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ben in mehreren Krisenorganen gleichzeitig wahrnehmen. Der Bundesrat wird gebeten, die GPK über seine Schlussfolgerungen zu informieren (vgl. hierzu auch Kap. 9 und 10).

Empfehlung 7: Entscheidkompetenzen im mit dem Krisenmanagement betrauten Bundesamt Dem Bundesrat wird empfohlen, sicherzustellen, dass künftig, wenn ein «FachKrisenstab» eingesetzt wird, für alle Ebenen dieses Stabs die Entscheidkompetenzen klar definiert sind, dass im Krisenorganigramm ausdrücklich aufgeführt ist, welches Organ für die strategische Führung und die endgültige Beschlussfassung auf Stufe des Amtes verantwortlich ist, und dass die Arbeiten und Entscheide dieses Organs schriftlich festgehalten werden.

Dem Bundesrat wird zudem empfohlen, die Rolle der Geschäftsleitung des Amtes in Krisenzeiten und deren Verhältnis zum Krisenstab grundsätzlich zu prüfen und die Ergebnisse dieser Prüfung den GPK zu übermitteln.

Dem Bundesrat wird ferner empfohlen, anhand des Beispiels des damaligen BAG-Direktors grundsätzliche Überlegungen darüber anzustellen, welche Rolle die Amtsdirektorinnen und -direktoren in Krisenzeiten spielen sollen und ob es zweckmässig ist, dass diese Personen Führungsaufgaben in mehreren Krisenorganen gleichzeitig wahrnehmen.

Die GPK nehmen erfreut zur Kenntnis, dass ab Sommer 2020 verschiedene Verbesserungsmassnahmen ergriffen wurden, um die Führungs- und Entscheidungsstrukturen in der Krisenorganisation des BAG zu klären. Zu nennen sind hier vor allem die Schaffung einer Steuerungsgruppe zur Führung der Taskforce und die Bestimmung einer Vollzeitverantwortlichen für die Taskforce (vgl. Kap. 6.3). Die GPK begrüssen diese Verbesserungen, die zu einer besseren Trennung von strategischer und operativer Ebene der Krisenorganisation beigetragen haben.

6.4.8

Wechsel zentraler Führungskräfte

Die GPK halten fest, dass der Weggang von drei zentralen Führungskräften zwischen März und September 2020 eine Herausforderung für die Krisenorganisation des EDI und des BAG darstellte, auch wenn diese Weggänge lange im Voraus bekannt waren.

Grundsätzlich gelang es dem Departement und dem Bundesamt aber, diese Wechsel gut zu bewältigen. Dies ist insbesondere der grossen Flexibilität der betroffenen Personen zu verdanken, die sich bereit erklärten, ihr Arbeitsverhältnis über den geplanten Weggang hinaus zu verlängern, neue Aufgaben zu übernehmen bzw. ihre neuen Stellen früher anzutreten. Die neuen Verantwortlichen waren rasch in der Lage, ihre neuen Aufgaben zu übernehmen. Die Kommissionen hatten Gelegenheit, sich mit diesen Personen nach deren Stellenantritt mehrfach auszutauschen, und haben keine Erkenntnisse, die Anmerkungen aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht nötig machen.

Die GPK kommen insgesamt zum Schluss, dass diese Wechsel zentraler Führungskräfte keine entscheidenden negativen Auswirkungen auf das Krisenmanagement des 60 / 134

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Bundes hatten. Einerseits kann der Weggang von Personen mit langjähriger Erfahrung die Verwaltung schwächen, andererseits kann der Eintritt neuer Verantwortlicher, die einen neuen Blickwinkel und andere Kompetenzen mitbringen, in Krisenzeiten auch ein Gewinn sein. Nach Ansicht der GPK stellte es vor allem für die Aussendarstellung der Krisenorganisation eine Herausforderung dar, dass die Personen, die das Krisenmanagement des Bundes verkörperten, mehrfach wechselten.

Ein Sonderfall ist das Beispiel des damaligen Verantwortlichen der Abteilung MT, Daniel Koch. Die GPK erachten es angesichts der damaligen Situation als angemessen, dass das EDI Herrn Koch Ende März 2020 eine Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses anbot, und begrüssen es, dass diese Verlängerung zustande kam. Es ist nachvollziehbar, dass das Departement einige zusätzliche Wochen auf diese öffentlich bekannte und allgemein anerkannte Persönlichkeit des BAG setzte. Die Kommissionen fragen sich allerdings, ob es aus Transparenzgründen nicht sinnvoll gewesen wäre, den Aufgabenbereich von Daniel Koch für diese Periode schriftlich festzuhalten.

Ausserdem stellte es nach Ansicht der GPK ein gewisses Risiko dar, dass Herrn Koch Kommunikationsaufgaben für das BAG übertragen wurden, obwohl er nicht mehr direkt am Krisenmanagement beteiligt war. Dies barg z. B. die Gefahr, dass es zu Inkohärenzen bei der Kommunikation der Behörden kommt, dass falsche Erwartungen in der Bevölkerung geweckt werden oder dass Unverständnis bei den Mitarbeitenden des Bundesamtes entsteht. Die GPK sehen allerdings keine Hinweise darauf, dass es in der Praxis zu grundlegenden Problemen kam.

Vor dem Hintergrund, dass Daniel Koch gar nicht mehr direkt in die Krisenorganisation involviert war, fragen sich die GPK ferner, ob seine verlängerte Beschäftigung tatsächlich ihren Zweck erfüllte, welcher laut EDI darin bestand, das Wissen, das er durch seine langjährige Erfahrung im Amt erlangt hatte, weiterzugeben. Die Kommissionen haben allerdings darauf verzichtet, diesen Punkt eingehender zu prüfen. Ausgehend von diesem Fall wurde die Frage aufgeworfen, ob es für ehemalige Kader des Bundes eine Klausel braucht, die regelt, wie sich diese nach ihrem Weggang öffentlich äussern dürfen. Die GPK teilen in diesem Punkt die Ansicht des Vorstehers des EDI, dass aufgrund dieses
einen Beispiels noch kein Handlungsbedarf angezeigt ist.

Die GPK bedauern abschliessend, dass der neue Leiter der Abteilung MT, Stefan Kuster, entschied, seinen Posten bereits sechs Monate nach dem Stellenantritt wieder aufzugeben, da dies das Krisenmanagement des Bundes und dessen öffentliche Wahrnehmung ein weiteres Mal schwächte. Sie halten allerdings fest, dass die Gründe für diesen Entscheid ­ namentlich die Tatsache, dass die Krisenmanagementaufgaben in keiner Weise dem Beschrieb der Stelle entsprachen, für die sich Herr Kuster 2019 beworben hatte ­ absolut nachvollziehbar sind. Sie sind der Ansicht, dass das BAG auf diesen Weggang angemessen reagierte (vgl. Kap. 6.2.6).

6.4.9

Entwicklungen und Perspektiven

Die Massnahmen, die ab Sommer 2020 ergriffen wurden, um die Krisenorganisation des EDI und des BAG zu verbessern, werden von den GPK insgesamt positiv bewertet. Sie trugen dazu bei, die Zuständigkeiten zu klären, die Transparenz der Strukturen 61 / 134

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zu erhöhen, die Zusammenarbeit des BAG mit den anderen Akteuren des Krisenmanagements zu verbessern und die Arbeitslast der Mitarbeitenden zu verringern. Die GPK begrüssen insbesondere den Entscheid, die Leitung der Taskforce einer ausschliesslich dafür zuständigen Person zu übergeben. Der Amtsantritt der neuen Direktorin des BAG spielte wahrscheinlich eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung dieser Massnahmen.

Die GPK halten aber fest, dass die Lage im BAG nach wie vor sehr angespannt ist.

Wenn es in den kommenden Monaten und Jahren darum geht, schrittweise den Krisenmodus zu verlassen, wird vor allem das Personalmanagement eine zentrale Herausforderung darstellen. Im Mittelpunkt stehen wird hier in erster Linie der Abbau der enormen Überzeit, die im BAG angehäuft wurde. Die GPK gehen davon aus, dass das EDI die Situation ­ insbesondere angesichts des Andauerns der Pandemie ­ aufmerksam verfolgen und dem Bundesrat nötigenfalls Lösungsvorschläge unterbreiten wird.

Zudem ist es unerlässlich, dass die schrittweise Rückkehr zu den üblichen Strukturen des Bundesamtes gut vorbereitet und transparent kommuniziert wird und ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand für das Personal erfolgt. Der Beschluss des BAG, die befristeten externen Anstellungen für die Taskforce zu verlängern, um den Mitarbeitenden ausreichende Erholungszeiten zu ermöglichen, wird von den GPK deshalb als sinnvoll erachtet. Schliesslich halten es die GPK wie die Amtsdirektorin für wichtig, dass der Einsatz der besonders geforderten Mitarbeitenden des BAG in der Covid-19-Krise nach der Pandemie angemessen verdankt wird.

Die GPK begrüssen im Weiteren, dass im EDI eine interne Analyse der Krisenorganisation durchgeführt wurde. Sie haben erfreut zur Kenntnis genommen, dass die Ergebnisse dieser Evaluation grundsätzlich positiv sind und teilen diese Einschätzung.

Sie halten allerdings fest, dass diese Evaluation in mehreren Punkten (Durchhaltefähigkeit, Stellvertretungen, Business Continuity Management, Unterstützung des EPA usw.) Handlungsbedarf aufgezeigt hat. Die GPK gehen davon aus, dass das EDI Massnahmen ergreifen wird, um die erkannten Mängel zu beseitigen und so sein Krisenmanagement für die Zukunft zu verbessern. Sie behalten sich die Möglichkeit vor, sich zu einem späteren Zeitpunkt über die Umsetzung dieser Massnahmen zu informieren.
Grosse Bedeutung messen die GPK ausserdem den Ergebnissen der vom BAG in Auftrag gegebenen externen Evaluation des Krisenmanagements bei, welche im April 2022 publiziert wurde. Die GPK erwarten, dass der Bundesrat, das EDI und das BAG diesen Ergebnissen grosse Aufmerksamkeit schenken und als Reaktion darauf die erforderlichen Massnahmen ergreifen wird, namentlich was die Krisenorganisation angeht. Die Kommissionen werden sich diesbezüglich im Rahmen der künftigen Arbeiten zu diesem Dossier informieren.

7

Bundesstab Bevölkerungsschutz (BSTB)

In diesem Kapitel geht es um die Frage, welche Rolle und Aufgabe der BSTB in der ersten Phase der Covid-19-Pandemie von Januar bis Juni 2020 innehatte. Dabei zeigte sich bald, dass der BSTB nicht gemäss den geltenden Vorgaben eingesetzt wurde. Die

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GPK prüften daher insbesondere, wie sich die Abweichung von den Vorgaben begründete und wie darüber entschieden wurde. Damit verbunden ist auch die Frage, inwiefern die erst ein paar Jahre alten Vorgaben zum BSTB klar und zweckmässig sind.

Im Folgenden wird zuerst erläutert, welche rechtlichen Grundlagen und Vorgaben zum BSTB bestehen (Kap. 7.1). Im Kapitel 7.2 wird beschrieben, wie der BSTB effektiv eingesetzt wurde und zusammengesetzt war (Kap. 7.2.1) sowie was seine Aufgaben waren (Kap. 7.2.2). Anschliessend werden die Erkenntnisse zum BSTB aus bereits bestehenden Auswertungen zur Krisenorganisation durch die Bundesverwaltung vorgestellt (Kap. 7.3). Als Abschluss folgt dann die Beurteilung durch die GPK (Kap. 7.4).

7.1

Rechtliche Grundlagen und weitere Vorgaben

7.1.1

Rechtliche Grundlagen

Die wesentlichen rechtlichen Vorgaben zum BSTB finden sich im EpG und in der erst 2018 geschaffenen Verordnung über den BSTB (VBSTB)162.

Artikel 55 EpG hält fest, dass der Bundesrat «über ein Einsatzorgan für Ereignisse, die eine besondere Gefährdung der öffentlichen Gesundheit hervorrufen können, insbesondere zur Bewältigung einer besonderen oder ausserordentlichen Lage» verfügt (Abs. 1). Dieses soll den Bundesrat beraten sowie Bund und Kantone bei der Koordination der Massnahmen unterstützen (Abs. 2). Wie der Bundesrat in der Botschaft zum Gesetzesentwurf festhielt, war dieses Organ nicht neu, sondern bestand bereits; es war in der Verordnung über die Organisation von Einsätzen bei ABC- und Naturereignissen vorgesehen.163 Die erwähnte Verordnung wurde ab 2015 grundlegend überarbeitet und 2018 in die VBSTB überführt.164 Die Umwandlung des früheren Bundesstabes ABCN in einen Bundesstab, der bei allen bevölkerungsschutzrelevanten Ereignissen zum Einsatz kommt, stützte sich insbesondere auf die Erkenntnisse der SVU 14 zu den Themen Pandemie und grossflächige Strommangellage und entsprach auch einem Wunsch der Kantone.165 Die VBSTB stützt sich auf den erwähnten Artikel 55 EpG. Sie hält u.a. fest, dass der BSTB sowohl in der Vorsorge als auch im Ereignisfall tätig ist (Art. 3 und 4). Im Ereignisfall soll der BSTB (Art. 4 Abs. 2)

162

Verordnung vom 2. März 2018 über den Bundesstab Bevölkerungsschutz (VBSTB; SR 520.17). Diese Verordnung löste die Verordnung vom 20. Okt. 2010 über die Organisation von Einsätzen bei ABC- und Naturereignissen ab (AS 2018 1093).

163 Botschaft vom 3. Dez. 2010 zur Revision des Epidemiengesetzes (BBl 2011 311).

164 Vgl. Fussnote 162. Mit dem BSTB als breit angelegtem Einsatzorgan des Bundes wurde auch der frühere Pandemie-Sonderstab nach Artikel 4 der Influenza-Pandemieverordnung vom 27. April 2005 (IPV) überflüssig; die Verordnung wurde auf den 1. Jan. 2016 ganz aufgehoben (AS 2015 1463).

165 Vgl. Erläuterungen zur VBSTB vom 16. Febr. 2018, Abs. 1.1.

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­

den Informationsaustausch und die Koordination mit weiteren Stäben und Stellen des Bundes und der Kantone, mit den Betreiberinnen kritischer Infrastrukturen sowie mit den zuständigen Stellen im Ausland sicherstellen;

­

die Fach- und Teillagen zu einer Gesamtlage zusammenführen und diese beurteilen;

­

Entscheidungsgrundlagen zuhanden des Bundesrats, des zuständigen Departements oder Bundesamts erarbeiten;

­

das Expertenwissen auf Stufe Bund koordinieren;

­

den Einsatz der nationalen und internationalen Ressourcen koordinieren.

In Artikel 6 der VBSTB ist geregelt, dass der BSTB aus einer Direktorenkonferenz166, einem Planungselement, einem Einsatz- und Supportelement sowie einer Geschäftsstelle besteht. Der BSTB hat über 30 ständige Mitglieder; diese sind im Anhang 1 zur VBSTB aufgeführt (es handelt sich dabei um etwas über 20 Bundesstellen aus allen Departementen, die BK, drei Bundesanstalten, verschiedenen Organen der Kantone167 sowie den Sicherheitsverbund Schweiz). Der BSTB soll aber jeweils ereignisspezifisch zusammengesetzt und bei Bedarf ergänzt werden.

Der Vorsitz des BSTB liegt in der normalen Lage bei der Direktorin oder dem Direktor des BABS; im Ereignisfall bestimmt die Direktorenkonferenz, wer den Vorsitz einnimmt (Art. 8). Das BABS betreibt die Geschäftsstelle des BSTB (Art. 11).

7.1.2

Vorgaben des Pandemieplans

Die Schweiz bereitet sich seit 1995 systematisch auf Influenza-Pandemien vor. Im Jahr 2004 entstand der erste schweizerische Influenza-Pandemieplan. Dieser wurde in den folgenden Jahren aktualisiert, zuletzt 2018. Die wesentlichen Ziele und Inhalte des Pandemieplans von 2018168 wurden bereits in Kapitel 5 kurz beschrieben.

Der Absatz 3.2 des Pandemieplans widmet sich der «Führung, Koordination und Steuerung» bei der Bewältigung einer Pandemie. Das Unterkapitel 3.2.1. zum BSTB hält dabei fest, dass dieser «gemäss Art. 55 EpG das zentrale Instrument des Bundes für bevölkerungsschutzrelevante Themen in der Vorsorge und Ereignisbewältigung» ist.

166

Die Direktorenkonferenz ist gewissermassen das Plenum des BSTB. Neben Vertretern der ständigen Mitglieder des BSTB (gemäss Anhang 1 VBSTB) gehören der Direktorenkonferenz weitere Personen an, z. B. die Bundesratssprecherin oder der Bundesratssprecher sowie die Chefinnen und Chefs der kantonalen Führungsorganisationen oder deren Stabschefinnen und Stabschefs. Die Mitglieder der Direktorenkonferenz sollen dem Bundesrat einzureichende Anträge koordinieren. Sie bleiben zuständig für Entscheide in ihrem Bereich und sorgen dort auch für die Umsetzung der Massnahmen, die vom Bundesrat oder von den Departementen angeordnet werden.

167 KdK; Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und direktoren (KKJPD); Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MZF); Konferenz der Kantonalen Energiedirektorinnen und -direktoren (EnDK); GDK; vier kantonale Führungsorganisationen.

168 Influenza-Pandemieplan Schweiz. Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung auf eine Influenza-Pandemie. 5. Auflage 2018.

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Der BSTB soll dabei insbesondere abgestimmte Entscheidungsgrundlagen vorbereiten und dem Bundesrat so eine schnelle und effiziente Entscheidfindung ermöglichen.

Der Vorsitz des BSTB soll im Pandemiefall in der Regel vom Direktor oder der Direktorin des BAG oder dem Generalsekretär oder der Generalsekretärin des EDI übernommen werden.

Eine Übersichtsgrafik zu den wichtigsten Aufgaben und Kompetenzen des BSTB und ­ im Vergleich dazu ­ zu den Aufgaben und Kompetenzen von Bundesrat, BK und BAG findet sich in Kapitel 5.

7.2

Organisation und Rolle des BSTB in der ersten Pandemiewelle

7.2.1

Einsetzung und Zusammensetzung

Das BAG hat den BSTB am 24. Januar 2020 für eine erste ausserordentliche Informationsveranstaltung der Direktorenkonferenz zur Lageentwicklung in Bezug auf Covid-19 einbezogen. Weil es das Ziel war, möglichst breit zu informieren und das Problem für die Schweiz damals noch weit weg war, wurde auf eine massgeschneiderte Zusammensetzung des BSTB verzichtet. Am 31. Januar und am 24. Februar 2020 kam der BSTB zu zwei weiteren Informationssitzungen zusammen. Am 19. Februar 2020 fand ausserdem eine Sitzung des Planungselements BSTB statt. Diese diente neben dem Informationsaustausch auch dazu, mögliche kommende Herausforderungen zu identifizieren.

Obwohl das BAG und das EDI die Lage in der Schweiz am 24. Februar 2020 neu als «kritisch» einstuften (vgl. Kap. 6.2.1) und an der entsprechenden Sitzung der Taskforce des BAG darauf hingewiesen wurde, dass der damalige Direktor des BAG später am Tag auch eine Sitzung des BSTB einberufen habe, wurde dieser nicht bereits an diesem Tag formell eingesetzt, sondern erst mehr als eine Woche später am 2. März 2020. Der damalige BAG-Direktor wurde zum Vorsitzenden gewählt; eine Stellvertretung wurde nicht bestimmt. Da der BSTB ereignisbezogen zusammengesetzt werden soll, wurde gleichzeitig entschieden, neben den ständigen Mitgliedern auch die Generalsekretariate aller Departemente, das BIT, die kantonale Konferenz der Kantonspolizeikommandanten (KKPKS), die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und PostAuto einzuladen. Später wurden dann statt den vorgesehenen vier kantonalen Führungsorganen alle 26 eingeladen. Hingegen wurde explizit darauf verzichtet, die weniger betroffenen Mitglieder des BSTB auszuladen. Somit ergab sich eine sehr grosse Direktorenkonferenz. An den wöchentlichen Sitzungen der Direktorenkonferenz waren jeweils bis zu 50 Personen physisch anwesend, rund 40 Personen nahmen virtuell teil.

Während die Direktorenkonferenz in der Folge wöchentlich stattfand, wurde das Planungselement BSTB gar nicht genutzt. Dieses setzt sich gemäss Artikel 9 VBSTB aus operativ-fachlichen Expertinnen und Experten zusammen und bereitet die Entscheidungsgrundlagen für die Direktorenkonferenz vor. Gemäss den befragten Personen wollte das BAG auf eine Aktivierung des Planungselements verzichten, um die

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Sachthemen nicht zu verzetteln und sie weitgehend in der Taskforce des BAG zu behandeln (vgl. Kap. 6 und 9).

7.2.2

Tätigkeiten und Aufgaben

Rolle und Aufgaben des BSTB Wie oben in Kapitel 7.1.1 beschrieben, hat der BSTB gemäss Artikel 4 Absatz 2 der VBSTB im Ereignisfall einerseits eine Informations- und Koordinationsfunktion, andererseits soll er aber auch inhaltlich tätig sein, indem er die Lagebeurteilungen vornimmt und Entscheidgrundlagen zuhanden des Bundesrates, des zuständigen Departements oder Bundesamts erarbeitet.

Diesbezüglich kann gleich vorneweg festgehalten werden, dass sich die von der zuständigen Subkommission befragten Personen einig waren, dass der BSTB eine wichtige Rolle spielte und nützlich war. Sie gaben aber auch übereinstimmend an, dass der BSTB zwar seine Informations- und Koordinationsaufgabe wahrgenommen hat, nicht aber die Aufgabe, Entscheidgrundlagen vorzubereiten. Diese Einschätzung wird durch die bisher vorliegenden Evaluationsberichte bestätigt (vgl. unten, Kap. 7.3).

Gemäss den befragten Personen wurden bei der formellen Einsetzung des BSTB keine Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen festgelegt (ebenso wenig bei den anderen Krisenorganen, d. h. bei der Taskforce BAG und dem KSBC). Die heutige Vorsitzende und aktuelle Direktorin des BAG gab an, ihr Vorgänger habe mündlich festgehalten, dass die Aufgaben und Kompetenzen des BSTB in der Koordination liegen, dass dieser aber auch Anträge an den Bundesrat vorbereiten soll, wobei die Entscheide ausschliesslich durch den Bundesrat oder die zuständigen Ämter getroffen werden.

Gemäss den Verantwortlichen des BSTB wurden im BSTB ganz zu Beginn der Krise noch einige Sachthemen behandelt (Lebensmittelversorgung, Schutz der kritischen Infrastrukturbetriebe, Versorgung mit sanitätsdienstlichem Schutzmaterial), später gingen alle Sachthemen zur Taskforce BAG über. Der BSTB wurde dann nur noch als Austausch- und Informationsplattform genutzt.

Über diese Aufgabenteilung wurde allerdings nie formell entschieden. Gemäss den Befragten ergab sich diese «aus der Situation heraus». Die befragten Vertreter des EDI und des BAG gaben zudem an, dass sich schnell gezeigt habe, dass es nicht möglich sei, Entscheidgrundlagen in einem breiten Gremium wie dem BSTB zu erarbeiten. Im Rückblick sei auch klar, dass es für einen fachfremden Bundesstab eine Überforderung gewesen wäre, die Führung zu übernehmen; diese musste bei der Taskforce des BAG liegen. Es sei ja auch vorgesehen,
dass das Fachamt ­ also hier das BAG ­ in einer Krise den Vorsitz des BSTB übernehme.

Der damalige Vorsitzende des BSTB und ehemalige Direktor des BAG bestätigte gegenüber den GPK, dass es bezüglich Aufgabenteilung zwischen der Taskforce des BAG und dem BSTB nie einen formellen Entscheid gegeben habe, er habe diese aber mit der Departementsleitung des EDI diskutiert. Man habe keine Zeit gehabt, um sich über die Aufgabenteilung den Kopf zu zerbrechen und sich um die Auslegung der rechtlichen Vorgaben zu kümmern. Der aktuelle Generalsekretär des EDI wies in den GPK darauf hin, dass der Bundesrat über die Aufgabenteilung informiert worden war.

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Dies geschah am 7. April 2020 in Form einer Informationsnotiz des EDI zu den Aktivitäten des KSBC. Neben Informationen zu Auftrag, Organisation und Tätigkeiten des KSBC enthält diese auch Informationen zu weiteren Krisenorganen, u. a. zu den Tätigkeiten des BSTB. An dessen wöchentlichen Direktorenkonferenzen würden «die Lagebilder der Mitglieder des BSTB abgeglichen, bevorstehende Herausforderungen besprochen, neue Handlungsfelder definiert und Koordinationsthemen diskutiert», wobei der Fokus auf Themen liege, «die in Wochen oder Monaten hinzukommen könnten». Weiter hält die Notiz fest, dass die eigentliche Bearbeitung der Handlungsfelder in massgeschneiderten, zusammengesetzten AG mit Experten des Planungselementes BSTB erfolge. Diese Aussage steht allerdings im Widerspruch zu den Aussagen der befragten Personen. Diese gaben an, dass auf eine Aktivierung des Planungselements verzichtet wurde, um die Sachthemen nicht zu verzetteln und sie weitgehend in der Taskforce des BAG zu behandeln.

Die Vertreter des EDI und des BAG vertraten vor den GPK im Grundsatz die Meinung, der BSTB könne in einer Pandemie nicht die Führung übernehmen, da er fachfremd und/oder zu gross sei. Nach Ansicht des aktuellen Generalsekretärs des EDI lag der Fokus bei der Formulierung des Auftrags des BSTB auf der Bewältigung von Naturkatastrophen. Der Vorsteher des EDI hielt fest, dass das EpG und die weiteren Vorgaben bis zur Covid-19-Pandemie «nur Theorie» gewesen seien und vorher noch nie zur Anwendung gekommen waren. Der ehemalige Direktor des BAG und BSTBVorsitzende in der ersten Phase der Pandemie gab hingegen an, der BSTB sei aus dem früheren Pandemie-Sonderstab entstanden, den er als Generalsekretär des EDI aufgrund der H1N1-Krise169 gebildet und einberufen habe. Zudem habe sich bei verschiedenen Übungen im Zusammenhang mit dem Einsatz des BSTB gezeigt, dass dieser die für ihn vorgesehene Rolle grundsätzlich erfüllen könne. Die Covid-19-Krise sei aber vom Ausmass und von der Dauer her nicht zu vergleichen gewesen mit Übungen oder bisherigen Pandemien. Das Ausmass und damit die Vielzahl der betroffenen Akteure sei zu gross gewesen, um dem BSTB eine gesundheitspolitische Vorarbeit und gesetzgeberische Arbeiten übertragen zu können; daher wurde diese Aufgabe weitgehend von der Taskforce des BAG zusammen mit dem GS-EDI
wahrgenommen.

Die aktuelle Direktorin des BAG und heutige Vorsitzende des BSTB gab zudem zu bedenken, es habe weder einen bestimmten Tag gegeben, an dem klar wurde, dass es sich um eine Krise handle, noch sei absehbar gewesen, wie lange diese dauern würde.

Das BAG habe bereits einige Erfahrungen mit Pandemien gehabt, u.a. mit Sars oder der Vogelgrippe, diese seien aber immer nach einigen Wochen vorbei gewesen.

Eine etwas kritischere Haltung in Bezug auf die Rolle des BSTB in der Covid-19Krise nehmen die Vertreter des VBS und des BABS ein. Die Vorsteherin des VBS hielt gegenüber den GPK fest, dass der BSTB nach Beurteilung des VBS durchaus in der Lage gewesen wäre, eine umfassendere Rolle zu übernehmen. Der Stabschef des BSTB gab an, er habe sich verschiedentlich mit Vorschlägen zu Rolle und Aufgaben des BSTB bzw. mit dem Vorschlag, die Planungselemente zu aktivieren, an der Vorsitzenden des BSTB (den damaligen Direktor des BAG) gewendet, jedoch ohne Erfolg. Die zuständigen Personen für den BSTB aus dem BABS wiesen in ihrer Anhörung auch darauf hin, sie hätten sich bemüht, den BSTB zumindest in der zweiten 169

H1N1-Influenza (pH1N1), häufig auch Schweinegrippe genannt. Diese löste 2009/2010 eine Pandemie aus.

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Phase der Pandemie nach der Rückkehr zur besonderen Lage im Juni 2020 effektiver einzusetzen und ereignisbezogener zusammenzustellen. Dabei wurde vorgeschlagen, nur die rund zehn am meisten betroffenen Bundesämter aktiv einzubinden und die übrigen nur noch auf schriftlichem Weg mit Informations-Updates zu versorgen; ebenso sei versucht worden, einige Aufgaben des BSTB «zu schärfen». BAG und EDI hätten dies aber nicht gewollt, sondern wollten den BSTB wie in der ersten Phase lediglich als Informations- und Austauschplattform nutzen. Letztlich setzten sich das BAG und das EDI durch, der BSTB wurde weiterhin «nur» als Informationsplattform genutzt.

Koordination mit anderen Krisenorganen und den Kantonen Die befragten Personen, von der Vorsteherin des VBS und vom Vorsteher des EDI bis zu den im BSTB eingebundenen Personen aus dem BAG und dem BABS, waren sich einig, dass die Zusammenarbeit und Koordination zwischen der Taskforce des BAG, dem BSTB und dem KSBC gut funktioniert hat. Diese wurde im Wesentlichen über Schlüsselpersonen, die in allen drei Gremien (Taskforce BAG, BSTB, KSBC) Einsitz hatten, sichergestellt (vgl. Kap. 9).

Die Kantone waren im BSTB fest eingebunden, während dies in der Taskforce des BAG nicht in gleichem Mass der Fall war. Dort waren sie gemäss der Direktorin des BAG aber «bei Bedarf» auch vertreten (vgl. Kap. 6 und 10). Der Stabschef des BSTB hielt denn auch fest, dass die Akzeptanz für gewisse Entscheide allenfalls höher gewesen wäre, wenn die Kantone frühzeitig und systematischer eingebunden gewesen wären, was über den BSTB gut machbar gewesen wäre. Die Kantone hätten es auch geschätzt, über den BSTB direkt Informationen vom Bund zu bekommen. Als klar war, dass der BSTB «nur» als Austausch- und Informationsplattform genutzt wurde, habe er daher entschieden, nicht mehr nur die vorgesehenen vier kantonalen Führungsorgane einzuladen, sondern alle 26. Die Kantone bzw. KdK sind hier teilweise anderer Ansicht, der BSTB habe die Koordination zwischen Kantonen und Bund nur unwesentlich erleichtert und stattdessen zusammen mit dem KSBC zu einer «Vervielfachung der Informationskanäle und einem Verlust eines Gesamtüberblicks» beigetragen»170. Da zur Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen aktuell noch Abklärungen durch die GPK-S laufen, wird diese Thematik hier nicht weiter vertieft.

Allgemeine Bemerkungen hierzu finden sich jedoch in Kapitel 10.

7.3

Auswertung durch die Bundesverwaltung, Verbesserungen und Massnahmen

7.3.1

Auswertung der Bundeskanzlei

Der Bundesrat beauftragte die BK und die betroffenen Bundesstellen noch während der 1. Phase der Pandemie, im Mai 2020, das Krisenmanagement der Bundesverwaltung auszuwerten und ihm bis Ende 2020 einen ersten Bericht mit Erkenntnissen und

170

Das Krisenmanagement in der ersten Welle aus Sicht der Kantone, Zwischenbericht der KdK vom 18. Dez. 2020.

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Empfehlungen vorzulegen. In diesem Bericht vom 11. Dezember 2020171 wird das Krisenmanagement der Bundesverwaltung grundsätzlich positiv bewertet, gleichzeitig wird aber auch auf «Optimierungspotential» in verschiedenen Bereichen hingewiesen.

In Bezug auf die Krisenorgane wird grundsätzlich festgehalten, dass die rechtlichen Bestimmungen, Strategien und Konzepte eigentlich vorgelegen hätten, teilweise aber nicht umgesetzt wurden. Dies zeigte sich insbesondere bei den beiden übergeordneten Krisenstäben KSBC und BSTB. Deren «Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKV) waren unklar, respektive wurden nicht vollständig wahrgenommen, obwohl die Weisungen über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung und die Verordnung über den Bundesstab Bevölkerungsschutz diese klar definieren». Daher sei das Krisenmanagement weitgehend von departementalen Krisenstäben übernommen worden, obwohl es eigentlich interdepartemental hätte angegangen werden müssen.

Weiter steht im Bericht zum BSTB: «Zugleich waren die Funktion, die Rolle und die Kompetenzen des BSTB nicht klar, sodass auch er die für ihn vorgesehenen Aufgaben nicht vollständig wahrnehmen konnte. Dementsprechend bereitete er keine Entscheidungsgrundlagen, Gesetzgebungen, Verordnungen oder Verfügungen vor. Diese Aufgaben wurden ebenfalls von der Taskforce BAG übernommen. Durch die Einsetzung des KSBC wurden die Produkte des BSTB und seiner Direktorenkonferenz zudem stark relativiert bzw. waren für den eigentlichen Entscheidungsprozess des Bundesrates nicht mehr relevant. Die AKV von KSBC und BSTB waren nicht aufeinander abgestimmt und blieben unklar. Beide Stäbe waren gross und heterogen zusammengesetzt, was die Zusammenarbeit beziehungsweise eine schnelle Entscheidungsfindung erschwerte. Sie setzten sich aus Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen zusammen, die mit verschiedenen Entscheidungskompetenzen ausgestattet waren und sowohl operative als auch strategische Perspektiven einbrachten. In den Interviews wurde darauf hingewiesen, dass es schwierig war, in diesen grossen, überdepartementalen Gremien strategische Entscheide zu fällen. Diese wurden deswegen eher in den Departementen gefällt. Der KSBC und der BSTB dienten vor allem als Austauschund Informationsplattformen, was den Teilnehmenden nützlich erschien.» Als Konsequenz enthält der
Bericht daher die folgenden Empfehlungen: «Die Bundeskanzlei und die Departemente sollen prüfen, ob die bestehenden Verordnungen, Weisungen, Strategiepläne und Konzepte des Krisenmanagements für die Bewältigung einer langanhaltenden und komplexen Krise, in deren Bewältigung mehrere Departemente involviert sind, angepasst werden müssen.» (Empfehlung 1) «Die Bundeskanzlei soll gemeinsam mit den Departementen die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sowie die Zusammensetzung des BSTB, des Ad-hocKrisenstabes des Bundesrats und der eingesetzten departementalen Krisenstäbe prüfen, aufeinander abstimmen und gegebenenfalls die entsprechenden Verordnungen

171

Bundeskanzlei, Bericht zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie (1. Phase / Febr. bis Aug. 2020), 11. Dez. 2020.

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und Weisungen überarbeiten. Dabei soll auch der Rollenverteilung zwischen Krisenorganisationen und ordentlicher Departementsstruktur Rechnung getragen werden.» (Empfehlung 2) Der Bundesrat wandelte diese Empfehlungen am 11. Dezember 2020 in entsprechende Aufträge um. Die BK soll ihm bei Bedarf bis Ende 2021 einen Plan zur Umsetzung vorlegen, wobei die Umsetzung bis Ende 2022 abgeschlossen sein solle.

Am 16. August 2021 informierte die BK den Bundesrat172, dass sie die beiden oben erwähnten Empfehlungen bzw. Aufträge zusammenlegt. Im Zentrum der Überlegung steht dabei die Zusammenarbeit eines allfälligen Ad-hoc Krisenstabs des Bundesrates und des BSTB bzw. eine Neuausrichtung des BSTB als Organ zur Führungsunterstützung. Die BK und das BABS stellen sicher, dass die Bestimmungen der VBSTB und der Weisungen über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung aufeinander abgestimmt sind. An einem Workshop mit Vertretungen aller Departemente, der BK und von Seiten der Kantone wurden die Grundlagen und die Zusammenarbeit der Krisenstäbe im Herbst 2021 ein erstes Mal diskutiert. Die Ergebnisse wurden in der Nachbereitung zur ersten Auswertung der BK berücksichtigt und fliessen in die zweite Auswertung der BK ein.

Neben den Weisungen über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung und der VBSTB sollten dabei auch weitere departementsübergreifende Grundlagen geprüft werden, u. a. der Influenza-Pandemieplan Schweiz.

7.3.2

Interne Auswertung des BSTB

Für seine interne Auswertung wurden die Mitglieder der Direktorenkonferenz des BSTB während der 1. Phase der Covid-19-Pandemie befragt, insbesondere auch die Kantonsvertreter. Der Rücklauf auf die Umfrage im Sommer 2020 war mit 90 % hoch.

Im Ergebnisbericht173 ist klar festgehalten, dass der BSTB «nicht entlang der rechtlichen Grundlagen, bzw. nicht gemäss der nationalen Vorsorgeplanung (Pandemieplan Schweiz) oder der Vorsorgeplanung BSTB eingesetzt» wurde. Durch den Verzicht auf eine reduzierte, einsatzorientierte Zusammensetzung «wurde das Gremium derart gross, dass es in der Vorbereitung von Bundesratsgeschäften nicht einbezogen wurde»; «die Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen zuhanden des Bundesrates, des zuständigen Departements oder Bundesamtes, wie sie in der VBSTB Art. 4 Abs.

2 Bst. c vorgesehen ist, fand nicht statt». Stattdessen wurde der BSTB als «Austauschund Informationsplattform» genutzt.

Wie bei der Auswertung der BK ergab auch die Auswertung des BSTB, dass die Einbettung des BSTB im Krisenmanagement des Bundes und die Aufgabenabgrenzung zwischen BSTB, Taskforce des BAG und KSBC nicht allen Beteiligten klar war.

172

Informationsnotiz der BK vom 16. Aug. 2021 «Übersicht Stand der Umsetzung der Aufträge der Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie (1. Phase)».

173 BSTB, Covid-19 ­ Interne Auswertung BSTB (Entwurf vom 30. März 2021).

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Der Bericht wirft auch die Frage auf, ob es sinnvoll ist, dass im Ereignisfall der Direktor des federführenden Amtes auch den Vorsitz des BSTB hat. Der damalige Direktor des BAG war durch die gesundheitsrelevanten Geschäfte und die Amtsleitung stark gefordert und hatte «wenig Raum, um sich mit Auswirkungen und sekundären Konsequenzen in anderen Bereichen auseinanderzusetzen» (vgl. dazu Kap. 6.4, 9 und 10). Hier läge jedoch die Stärke des breit abgestützten BSTB.

In der Auswertung werden weitere, eher operative Erkenntnisse präsentiert und schliesslich auch konkrete Empfehlungen formuliert. Die Empfehlung 1 betrifft die Rolle und Aufgaben des BSTB und deckt sich mit dem Prüfauftrag der BK, welcher über die Departemente bearbeitet wird (vgl. oben, 7.3.1).

7.4

Beurteilung durch die GPK

Basierend auf den Abklärungen der GPK und den bereits vorhandenen Auswertungen zur ersten Phase der Pandemie der BK und des BSTB ist klar, dass der BSTB nicht gemäss den rechtlichen Vorgaben und den Vorgaben des Pandemieplans eingesetzt wurde. Er wurde als Austausch- und Informationsplattform genutzt und kam dabei seiner Koordinationsaufgabe nach, während er die Aufgabe, Entscheidgrundlagen für den Bundesrat zu erarbeiten, nicht erfüllte.

Die GPK klärten daher ab, wie es zum Entscheid kam, den BSTB anders als vorgegeben einzusetzen, und mit welcher Begründung dies geschah. Gleich vorneweg: Sie stellten dabei fest, dass der Bundesrat diesbezüglich keinen Entscheid fällte, obwohl dies aus Sicht der GPK nötig gewesen wäre. Sie erachten dies als problematisch, ebenso wie die Erklärungen, mit denen die befragten Personen rechtfertigten, dass der BSTB nicht gemäss den Vorgaben eingesetzt wurde.

7.4.1

Fehlender Entscheid zu den Aufgaben des BSTB

Aus dem EpG, der VBSTB und dem Pandemieplan geht klar hervor, dass der BSTB sowohl bei der Vorsorge als auch bei der Ereignisbewältigung das zentrale Instrument des Bundes ist, und dass er in dieser Funktion gemäss Art. 4 Abs. 2 VBSTB insbesondere auch Entscheidgrundlagen für den Bundesrat erarbeiten soll. Es handelt sich hierbei nicht um eine «kann»-Bestimmung («der BSTB [nimmt] folgende Aufgaben wahr»). Diese Rechtsvorgaben sind auch im Krisenfall anzuwenden. Der Bundesrat hätte aus Sicht der GPK im konkreten Fall den Widerspruch erkennen und die Verordnung entsprechend anpassen müssen. Es reicht sicher nicht, dass der Vorsitzende des BSTB und damalige BAG-Direktor zum Schluss kommt, dass der BSTB anders als vorgesehen eingesetzt werden soll und dass einige der Aufgaben, die ihm durch eine Verordnung zugewiesen werden, stattdessen durch die Taskforce des BAG übernommen werden sollen, und dies dann lediglich informell mit dem EDI abstimmt. Die GPK anerkennen zwar, dass sich die Aufgabenteilung zwischen der Taskforce des BAG und dem BSTB aufgrund der Dynamik der Pandemie so entwickelt hat und neben der Bewältigung der täglichen Arbeit sicher wenig Zeit blieb, um grundsätzliche Fragen zu Zuständigkeiten und Aufgaben zu prüfen.

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Zudem stellt sich aus Sicht der GPK die Frage, welche Entscheidgrundlagen der BSTB im konkreten Fall hätte erarbeiten sollen. Im Weiteren ist aus Sicht der Kommissionen rechtlich zu klären, ob er selber direkt dem Bundesrat, einem Departement oder Amt Anträge hätte unterbreiten können (vgl. dazu Empfehlung 8, Kap. 7.4.3).174 Gleichzeitig sind die Kommissionen aber auch der Ansicht, dass einige der Aufgaben des BSTB nicht zuletzt auch deshalb von der Taskforce des BAG übernommen wurden, weil der BSTB erst sehr spät eingesetzt wurde. Als dieser am 2. März 2020 aktiviert wurde, war die Taskforce des BAG schon seit rund sechs Wochen im Einsatz.

Diese hatte daher einige der Aufgaben des BSTB übernommen, bevor dieser überhaupt eingesetzt wurde. Es lässt sich natürlich nicht mit Sicherheit sagen, ob die Aufgabenteilung zwischen der Taskforce des BAG und dem BSTB bei einer früheren Einsetzung des BSTB anders gewesen wäre, die späte Einsetzung des BSTB hat diese Aufgabenteilung aber aus Sicht der GPK zumindest begünstigt, insbesondere auch, weil der BSTB ja vom damaligen Direktor des BAG geleitet wurde. Für die GPK stellt sich zudem grundsätzlich die Frage, weshalb der BSTB erst Anfang März 2020 eingesetzt wurde (und der KSBC noch später; vgl. dazu Kap. 9 und 10).

Ungeachtet des geschilderten Ablaufs sind die GPK daher der Ansicht, dass der Bundesrat spätestens, als das Ausmass der Pandemie klar war und er deshalb auch den KSBC einsetzte (vgl. dazu Kap. 8 und 10), auch die Aufgaben und Zuständigkeiten der drei Krisenorgane (BSTB, Taskforce des BAG, KSBC) hätte klar festlegen müssen. Es reicht weder, dass der Bundesrat bei der Einsetzung des KSBC am 20. März 2020 dessen Aufgaben im Wesentlichen mit einem Verweis auf die einschlägigen Weisungen umschreibt, noch dass die Aufgabenteilung zwischen dem KSBC, dem BSTB und der Taskforce des BAG dann etwa eine Woche später noch in einer Informationsnotiz des EDI beschrieben wird (vgl. dazu auch Kap. 9).175 Denn es ist gerade in einer Krise von grosser Bedeutung, dass die AKV klar sind. Und weil genau dafür in einer Krise die Zeit fehlt, werden in ruhigeren Zeiten Vorgaben wie im Pandemieplan definiert, an denen man sich in einer Krise orientieren kann, um «nicht das Rad neu erfinden zu müssen». Wenn man von diesen rechtlichen Vorgaben abweichen will, muss dies
nach einer sorgfältigen Abwägung geschehen und müssen die rechtlichen Grundlagen angepasst werden. Es darf aus Sicht der GPK aber nicht sein, dass Aufgaben und Zuständigkeiten der verschiedenen Gremien jeweils erst in einer Krise «nach Bedarf» festgelegt werden (vgl. dazu unten).

174

Der BSTB gehört grundsätzlich nicht zu den Behörden, welche im Sinne von Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 RVOV dem Bundesrat Anträge unterbreiten können. Und es ist zweifelhaft, ob Art. 4 Abs. 2 lit. c VBSTB eine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür ist, dass der BSTB dem Bundesrat direkt Geschäfte unterbreiten dürfte. Falls dem nicht so ist, könnte der BSTB zwar Entscheide vorbereiten, die eigentlichen Anträge müssten dann aber dennoch durch ein Departement gestellt werden.

175 Informationsnotiz des EDI vom 7. April 2020 «Aktivitäten des KSBC», vgl. dazu Kap. 7.2.2.

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7.4.2

Wenig nachvollziehbare Begründungen zum konkreten Einsatz des BSTB

Als fragwürdig bzw. nur bedingt nachvollziehbar beurteilen die GPK auch die Begründungen der befragten Personen, weshalb der BSTB die für ihn vorgesehenen Aufgaben nicht wahrnehmen konnte. Diese lauteten kurz zusammengefasst wie folgt: Der BSTB sei zu gross gewesen, er sei als «fachfremder» Stab nicht geeignet gewesen, um Entscheide vorzubereiten, und zudem seien Ausmass und Dauer der Krise nicht absehbar gewesen.

Zur Grösse des BSTB: Dass der BSTB bzw. dessen Direktorenkonferenz ein relativ grosses Gremium ist, war bereits bei der Erarbeitung des Pandemieplans klar. Dennoch wurde dem BSTB damals eine zentrale Rolle zugewiesen, inklusive der Aufgabe, Entscheidgrundlagen zu erarbeiten. Für die GPK ist bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar, dass der BSTB in seiner normalen Zusammensetzung zu gross war, um diese Funktion wahrnehmen zu können. Sie sind aber erstaunt, dass dies bei bisherigen Übungen nie festgestellt wurde und dass einzelne der befragten Personen sogar angaben, der BSTB habe die für ihn vorgesehenen Aufgaben im Rahmen dieser Übungen erfüllen können (vgl. auch Kapitel 10).

Falls es tatsächlich so war, dass dieser Schwachpunkt des BSTB erst in der Covid-19Pandemie deutlich wurde, ist für die GPK dennoch nicht nachvollziehbar, warum man diesem nicht, wie in der VBSTB vorgesehen, durch eine «ereignisspezifische Zusammensetzung» bzw. Verkleinerung entgegenzuwirken versuchte. Denn bei der Betrachtung der Liste der ständigen Mitglieder des BSTB und der Direktorenkonferenz wird schnell ersichtlich, dass die Mitglieder durch die Pandemie in unterschiedlichem Mass betroffen waren: So waren beispielsweise das BAG, das Krisenmanagement-Zentrum des EDA oder der KSD sicher ungleich stärker und unmittelbarer betroffen und gefordert als etwa das Bundesamt für Landestopografie oder die Anstalten des Bundes (Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat [ENSI], Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft [WSL], Erdbebendienst). Zudem hätte aus Sicht der Kommission durch die Aktivierung des Planungselements eine weitere Möglichkeit bestanden, um Sachthemen in einer kleineren Gruppe oder kleineren Gruppen, bestehend aus operativ-fachlichen Expertinnen und Experten, zu behandeln und Entscheidgrundlagen zuhanden der Direktorenkonferenz und dann zuhanden des Bundesrates vorzubereiten.
Neben der Grösse des BSTB wurde von den Vertretern von EDI und BAG auch dessen «Fachfremdheit» als Argument angeführt, weshalb der BSTB nur als Austauschund Informationsplattform genutzt wurde. Auch diese Argumentation ist aus Sicht der GPK nicht nachvollziehbar. Sie widerspricht zudem klar den Vorgaben aus dem EpG und dem Pandemieplan, an deren Erarbeitung EDI und BAG wesentlich mitgewirkt haben. Dass bei jeder Krise ein bestimmtes Fachwissen vorhanden sein muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist daher sinnvoll, wie es auch bei der Covid-19-Pandemie der Fall war, dass das zuständige Fachamt bei gewissen Fragen oder Themen die Federführung hat und es für seine eigene Organisation bei Bedarf auch ein spezifisches Gremium wie die Taskforce des BAG schafft. Es bedeutet aber nicht, dass die Gesamtführung beim zuständigen Fachamt bzw. -departement liegen muss und nur dieses in der Lage ist, die notwendigen Entscheidgrundlagen zu erarbeiten. Es könnte aus 73 / 134

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Sicht der GPK sogar nützlich sein, wenn die Führung bei Krisen jeweils von einem speziellen Stab wie dem BSTB übernommen wird. Dass auch Parlament und Exekutive zu diesem Schluss kamen, zeigen ja nicht zuletzt die Vorgaben im EpG, in der VBSTB176 und im Pandemieplan. So ist in den Erläuterungen zur VBSTB explizit festgehalten, dass die Aufgaben des BSTB aufgrund der Erfahrungen und Übungen der letzten Jahre festgelegt wurden. Aus Sicht der GPK sollte es daher nicht sein, dass man ­ gerade in einer Krise ­ ohne sorgfältige Abwägung von klaren Vorgaben abweicht.

Mit derselben Begründung wie oben ist auch der Argumentation zu begegnen, wonach das Ausmass und die Umstände der Covid-19-Pandemie zu Beginn nicht absehbar waren und diese die Rollen- und Aufgabenteilung wesentlich prägten. Die GPK sind klar der Ansicht, dass dies nicht so sein sollte. Der BSTB wurde ja nicht zuletzt geschaffen, um ein Gremium zu haben, welches bei allen möglichen Krisen zum Einsatz kommt und ereignisbezogen zusammengesetzt werden kann. Es sollte daher nicht sein, dass bei Krisen, ungeachtet ihres zu erwartenden Ausmasses, jedes Mal wieder aufs Neue die Rollen- und Aufgabenteilung zwischen den Fachämtern und übergeordneten Stäben verhandelt werden muss.

Dass das Ausmass und die Umstände der Covid-19-Krise die Aufgabenteilung zwischen den Krisenorganen wesentlich prägten, liegt aus Sicht der GPK auch darin, dass Bundesrat und Verwaltung zu spät erkannt haben, dass das Covid-19-Virus bzw. dessen Auswirkungen nicht nur das BAG und das EDI, sondern die ganze Bundesverwaltung betreffen. Zudem, und das ist aus Sicht der GPK noch bedeutender, hat die Bewältigung der Covid-19-Pandemie auch gezeigt, dass das starke Departementalprinzip auch während einer Krise nicht in den Hintergrund tritt. Viele der Themen und Fragen wurden vor allem im Rahmen der üblichen Strukturen in den Departementen statt in den übergeordneten Stäben bearbeitet. Dieser Realität sollte der Bundesrat aus Sicht der GPK bei seinen Überlegungen unbedingt auch Rechnung tragen und die bisherigen Vorgaben auch diesbezüglich hinterfragen (vgl. dazu Kap. 10).

Neben der Frage, ob der BSTB geeignet und fähig war, Entscheidgrundlagen zuhanden des Bundesrates zu erarbeiten, ist aus Sicht der Kommissionen auch zu klären, wie der Erarbeitungsprozess ablaufen soll und wie diese Grundlagen in den Bundesrat, das Departement oder das Amt eingebracht werden sollen (vgl. auch Kapitel 7.4.1).

7.4.3

Fazit der GPK zum BSTB

Für die GPK ist insgesamt nur bedingt nachvollziehbar, weshalb der BSTB nicht gemäss den geltenden Vorgaben eingesetzt wurde, und er neben seinen anderen Aufgaben nicht auch für die Erarbeitung von Entscheidgrundlagen genutzt wurde. Die Kommissionen anerkennen zwar die schwierigen Umstände und die gute Arbeit, die vom BSTB, aber auch von der Taskforce des BAG und dem KSBC geleistet wurde. Sie kritisieren dennoch, dass wesentliche Vorgaben nicht eingehalten wurden. Indem der

176

Vgl. Erläuterungen zur VBSTB vom 16. Febr. 2018, Abs. 1.

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BSTB anders als vorgesehen eingesetzt wurde, fehlt nun ausserdem eine klare Antwort auf die Frage, ob dieser seine Aufgaben nicht nur im Rahmen von Übungen, sondern auch im tatsächlichen Krisen- und Pandemiefall erfüllen könnte.

Die GPK fordern den Bundesrat daher auf, im Rahmen seiner Aufarbeitung nicht einfach die geltenden Regeln der tatsächlichen Realität in der ersten Phase der Pandemie anzupassen, sondern sich auch die Frage zu stellen, ob die für den BSTB vorgesehene Struktur und die ihm zugewiesenen Aufgaben sinnvoll sind (insbesondere die Möglichkeit, Entscheidgrundlagen zu erarbeiten und Anträge zu stellen), gerade auch vor dem Hintergrund des starken Departementalprinzips (vgl. Kap. 10).

Die GPK begrüssen die vom Bundesrat erteilten, grundsätzlichen Prüfaufträge zur Zweckmässigkeit der rechtlichen Grundlagen und zur Rollenteilung unter den Krisenorganen (vgl. Kap. 7.3.1). Sie nehmen weiter zur Kenntnis, dass der Bundesrat auch durch ein Postulat177 beauftragt wurde, «seine Beurteilung zum Erfolg der gewählten Krisenorganisation bei der Bewältigung der Corona Pandemie darzulegen» und dabei insbesondere die Rolle des BSTB zu beleuchten. Die GPK werden sich über den Stand der laufenden Abklärungen bzw. deren Resultate informieren lassen. Ungeachtet dessen richten sie folgende Empfehlung zum BSTB an den Bundesrat: Empfehlung 8: Strukturen und Aufgaben des BSTB Dem Bundesrat wird empfohlen, die Geeignetheit der Strukturen des BSTB und die diesem Organ zugewiesenen Aufgaben zu prüfen, insbesondere die Möglichkeit, Entscheidgrundlagen zu erarbeiten und Anträge an den Bundesrat oder weitere Akteure zu stellen.

Die Erkenntnisse zum BSTB werfen ausserdem die allgemeine Frage auf, wie beim Krisenmanagement ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Departementalprinzip und dem bereichsübergreifenden Ansatz erreicht werden kann (vgl. hierzu Kap. 10 bzw. Postulat 1).

8

Krisenstab des Bundesrates Corona (KSBC)

Der Bundesrat beschloss an seiner Sitzung vom 20. März 2020, die bestehende Krisenorganisation des EDI in einen Ad-hoc Krisenstab des Bundesrates zu überführen.

Der sogenannte KSBC war bis zum Ende der ausserordentlichen Lage am 19. Juni 2020 tätig und wurde per 30. Juni 2020 wieder aufgelöst.

Die GPK vertieften den Auftrag, die Organisation und die Tätigkeit des KSBC über die Analyse der einschlägigen Dokumente sowie über verschiedene Anhörungen im Jahr 2021, u. a. mit dem Bundeskanzler, dem ehemaligen Leiter des KSBC und weiteren Mitgliedern des KSBC. Das Ziel dabei war, über ihre Erfahrungen und Schlussfolgerungen informiert zu werden.

Die hiernach folgenden Informationen stützen sich auf diese Informationsgrundlage.

177

Po. FDP-Liberale Fraktion «Rolle des Bundesstabes für Bevölkerungsschutz im Rahmen der Covid-19-Pandemie» vom 17. März 2021 (21.3205).

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Im Folgenden wird zuerst erläutert, welche rechtlichen Grundlagen und Vorgaben zum KSBC bestehen (Kap. 8.1). Im Kapitel 8.2 wird beschrieben, wie der KSBC effektiv eingesetzt wurde, zusammengesetzt war (Kap. 8.2.1) und was seine Aufgaben waren (Kap. 8.2.2). Anschliessend werden die Erkenntnisse zum KSBC aus bereits bestehenden Auswertungen zur Krisenorganisation durch die Bundesverwaltung vorgestellt (Kap. 8.3). Als Abschluss folgt dann die Beurteilung durch die GPK (Kap. 8.4).

8.1

Rechtliche Grundlagen und weitere Vorgaben

Der Einsatz eines Ad-hoc Krisenstabs des Bundesrates ist in den Weisungen des Bundesrates vom 21. Juni 2019 über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung geregelt (vgl. auch Kap. 5). Die Weisungen sehen in Ziffer 4.1 vor, dass der Vorsteher bzw. die Vorsteherin des federführenden Departements oder die Bundespräsidentin bzw. der Bundespräsident einen Ad-hoc Krisenstab des Bundesrates bilden kann. Dabei aktiviert das federführende Departement die für das Krisenmanagement benötigten Stellen.

Gemäss Ziff. 4.2.1 der Weisungen nimmt der Ad-hoc-Krisenstab insbesondere die folgenden Aufgaben wahr: a.

Lageverfolgung, Lagebeurteilung und Orientierung zuhanden des Bundesrates;

b.

Vorbereitung von Handlungsoptionen und Entscheidgrundlagen für den Bundesrat;

c.

Koordination mit anderen im Einsatz stehenden Krisenstäben;

d.

Steuerung und Koordination des Krisenmanagements durch den Bundesrat;

e.

Sicherstellung der Koordination mit der Krisenkommunikationszelle BK.

Der Ad-hoc-Krisenstab ist gegenüber den anderen im Einsatz stehenden Krisenstäben weisungsbefugt (Ziff. 4.2.2). Die departementalen Krisenstäbe wie auch die interdepartementalen Krisenstäbe sollen den Ad-hoc-Krisenstab des Bundesrates gemäss dessen Anweisungen unterstützen (Ziff. 3.4.3 und 3.5.3).

8.2

Organisation und Rolle des KSBC in der ersten Pandemiewelle

8.2.1

Einsetzungsbeschluss und Zusammensetzung

Am 20. März 2020, d. h. nur vier Tage nach Ausrufung der ausserordentlichen Lage gemäss EpG, beschloss der Bundesrat, die Krisenorganisation des EDI in einen Ad-hoc Krisenstab des Bundesrates zu überführen. Der Krisenstab sollte vom EDI geleitet werden und aus je einem Vertreter der Kantone, der Departemente und der BK zusammengesetzt sein. Weiter hielt der Bundesrat fest, dass dieser Krisenstab des Bundesrates gegenüber den anderen Krisenstäben weisungsbefugt ist.

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Der Krisenstab wurde mit einem Bundesratsbeschluss eingesetzt, mit welchem unter anderem auch die Covid-19-Verordnung angepasst wurde. In seinem ursprünglichen Antrag vom 17. März 2020 hatte das EDI festgehalten, dass die Federführung für die Bewältigung der Krise gesundheitspolitisch bedingt beim EDI liegen solle. Es beantragte die Schaffung einer Steuerungsgruppe, welche durch eine Vertretung des EDI geleitet werden solle. Einsitz in die Steuerungsgruppe nehmen sollten auch eine Vertretung der Kantone, des VBS (BABS), des EDA, des WBF (SECO) und der BK.

Diese Steuerungsgruppe sollte die Aktivitäten zur Bewältigung der Krise im Bereich der Gesundheitsversorgung koordinieren und gegenüber den anderen Organen (BSTB, Taskforce BAG und intersektorielle AG) Weisungsbefugnis haben. Gemäss dem Antrag hätte jedoch diese Krisenorganisation «nicht für alle in Zusammenhang mit Corona entstehenden Probleme der Schweiz» zuständig sein sollen, sondern sich auf die Bewältigung der Krise und dessen Folgen für die Gesundheitsversorgung der Schweiz konzentrieren sollen, während für die anderen Themen die GSK zuständig gewesen wäre. Aus Gründen, welche den GPK nicht bekannt sind, reichte das EDI dem Bundesrat zwei Tage später, am 19. März 2020, eine geänderte Fassung des Antrags ein. Neu beantragte das EDI für den Einsitz in die Steuerungsgruppe, neben der Vertretung der Kantone und der BK, je eine Vertretung sämtlicher Departemente.

In einem Mitbericht zu diesem Antrag forderte ein Departement, dass der Antrag des EDI dahingehend abzuändern sei, dass die Krisenorganisation des EDI in einen Adhoc Krisenstab des Bundesrates überführt werden solle. Es begründete diesen Antrag damit, dass zwar die Krise und die Folgen der Pandemie für die Gesundheitsversorgung im Vordergrund stehen sollten, dass aber die Krise als Ganzes angegangen werden müsse und nebst den gesundheitlichen Aspekten auch die wirtschaftlichen, finanziellen und aussenpolitischen Aspekte in die Abwägungen miteinbezogen werden müssten. Deshalb sei ein klares Bekenntnis zur gesamthaften Führung und Koordination mit den notwendigen Weisungsbefugnissen notwendig.

Der Einsetzungsbeschluss des Bundesrates äusserte sich nicht detailliert zum Aufgabenbereich des KSBC. Die Aufgaben ergaben sich daher aus den Weisungen des Bundesrates vom 21. Juni 2019178,
auf welche sich der KSBC in seinem Schlussbericht vom 19. Juni 2020 denn auch bezog179 (vgl. Kap. 8.1).

Der Bundesrat beschloss am 25. März 2020, Herrn Lukas Bruhin (vormals Generalsekretär des EDI, vgl. Kap. 6.2.6) ab dem 1. April 2020 mit der Leitung des KSBC zu betrauen. Der Bundesrat äusserte sich dabei nicht zur konkreten weiteren Zusammensetzung des Krisenstabs. Gemäss den Ausführungen im Rahmen einer Anhörung der GPK wurde klar, dass die Departemente jeweils für die Ernennung des eigenen Mitglieds im Krisenstab verantwortlich waren.

178

Weisungen vom 21. Juni 2019 über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung (BBl 2019 4593).

179 Krisenstab des Bundesrates Corona, KSBC, Schlussbericht vom 19. Juni 2020, S. 6.

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8.2.2

Tätigkeiten und Aufgaben

Die konstituierende Sitzung des KSBC fand am 25. März 2020 statt. Der Krisenstab traf sich anfangs dreimal pro Woche; im Laufe der Lockerungsschritte stellte er auf zwei Sitzungen pro Woche um. Einmal in der Woche nahmen die Vertreter der Forschung, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft an den Sitzungen teil. Im Anschluss an den vom Bundesrat am 27. Mai 2020 angekündigten Austritt aus der ausserordentlichen Lage hat sich der KSBC im Juni 2020 nur noch wöchentlich getroffen; das letzte Mal am 18. Juni 2020 zur Verabschiedung des Schlussberichts zuhanden des EDI.

Intern stand dem KSBC eine Geschäftsstelle mit folgenden Funktionen zur Verfügung: je eine Leiterin der drei Kontaktstellen (zur Wirtschaft, zur Forschung und zur Zivilgesellschaft), Mitarbeitende in der Führungsunterstützung der BK sowie von anderen Verwaltungseinheiten wie der Direktion für Völkerrecht (DV) des EDA, Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) und BABS (eine Leiterin, ein Mitarbeiter für die Lagedarstellung, ein Supportverantwortlicher und Mitarbeitende im Backoffice).

Dem KSBC arbeiteten zudem die drei Kontaktstellen Forschung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft zu.180 Am 31. März 2020 wurde mittels einer Vereinbarung zwischen dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), dem BAG, dem KSBC, dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF), dem ETH-Rat, Swissuniversities und dem Verbund der Akademien (a+) ein «Mandat» der Wissenschaft vereinbart. In der daraus resultierenden TFS waren Forscherinnen und Forscher aus Schweizer Universitäten und Hochschulen vertreten. Sie leisteten ihre Unterstützung im Rahmen der regulären Budgets ihrer Universitäten/ETH. Die Hauptaufgabe der TFS für den KSBC war die wissenschaftliche, evidenzbasierte Beratung der für die Krisenorganisation zuständigen Gremien des Bundes sowie der kantonalen Behörden.

Der ehemalige Leiter des KSBC führte im Oktober 2020 gegenüber der GPK aus, der Bundesrat habe den KSBC eingesetzt, obwohl dieser im Pandemieplan nicht vorgesehen sei. Der Anlass für diesen Schritt sei das Ausrufen der ausserordentlichen Lage gewesen. Er führte aus, dass vorher, in der besonderen Lage, die Generalsekretärinnen und Generalsekretäre sich dreimal pro Woche im Rahmen der GSK getroffen und dabei bemerkt hatten, dass sie ihre Koordinationsfunktion nicht ausreichend wahrnehmen
konnten. Die Einsetzung des KSBC habe somit auch der Entlastung der Generalsekretäre gedient. Gleichzeitig habe man die Departemente in die gesundheitspolitischen Entscheide miteinbeziehen wollen, da diese Entscheide sehr weitreichende Konsequenzen gehabt hätten. In diesem Sinne sei der KSBC eine Ergänzung der vorgedachten Struktur gewesen. Der KSBC habe sich gelohnt; es sei von Beginn an klar gewesen, dass er wieder aufgelöst werden könne, sobald das die Situation erlaube.

180

Diese stellten die Verbindung zur Intersektoriellen AG Forschung (wissenschaftliche Beratung im Entscheidprozess der politischen Entscheidträger und Behörden, Identifizierung von nutzbringenden Forschungsschwerpunkten), Intersektoriellen AG Zivilgesellschaft (Kanal zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Zivilgesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Staatslabor) und zur Intersektoriellen AG Wirtschaft (Gewährleistung der Beschaffung und Verteilung der relevanten Medizingüter) dar.

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Für den ehemaligen Leiter war der KSBC ein Impuls-, Organisations- und Informationsgremium und nicht ein Krisenstab, der die Entscheide des Bundesrates vorbereitete. Er habe vorbereitende Diskussionen zu Handlungsoptionen oder zu Entscheidungsgrundlagen mit Schwerpunkt auf der gesundheitspolitischen Bewältigung der Krise geführt181 und dabei im Zusammenhang mit Fragen und Strategieentwicklungen unklare oder geteilte Zuständigkeiten erörtert. Der KSBC habe im Weiteren durch den Einbezug der TFS, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft einen Zusatznutzen generiert. Der KSBC stellte die Lageverfolgung, die Lagebeurteilung und die Orientierung jeweils den Departementen zu und nicht direkt dem Bundesrat. Die Einsetzung des Krisenstabs habe sich gelohnt. Als positiv erwähnte er unter anderem, dass er als Vertreter des GS-EDI im KSBC Einsitz hatte, aber auch Vertreter des BAG und des BSTB. Im KSBC sei ein schneller Informationsabgleich möglich gewesen. Zu Themen wie Masken, Contact Tracing, Lockerungsschritte oder Grenzöffnung habe der KSBC wichtige Inputs geleistet.

Der ehemalige Leiter des KSBC äusserte sich auch anlässlich einer weiteren Anhörung im Februar 2021 mehrheitlich positiv zum KSBC. Er bezeichnete die Ausrufung der besonderen Lage am 28. Februar 2020 als «Los-Brechmoment» für die ganze Krisenorganisation.

Der KSBC selber habe keine Anträge an den Bundesrat gestellt, sondern das sei ­ auch gemäss den Weisungen des Bundesrates ­ jeweils Aufgabe der zuständigen Departemente geblieben. Es habe jedoch eine Synchronisierung des Wissensstandes gewährleistet werden können; dies dadurch, dass im KSBC alle Departemente vertreten waren, und dadurch, dass der damalige Direktor des BAG den BSTB und die Taskforce BAG geleitet habe.

Der KSBC habe also keine formellen Anträge gestellt, aber viele Anträge der Departemente an den Bundesrat vorbesprochen und damit immer die Übersicht über die laufenden Geschäfte gehabt. Es sei aber völlig klar und unbestritten gewesen, dass die eigentlichen Diskussionen im Bundesrat stattfinden und die Beschlüsse im Rahmen der üblichen Entscheidfindungsprozesse ­ Ämterkonsultation, Mitberichtsverfahren etc., erfolgen mussten. Das wäre angesichts der Breite und Komplexität der Krise gar nicht anders möglich gewesen. Der KSBC habe die Rolle als Gefäss für den Austausch und
den Meinungsbildungsprozess korrekt wahrgenommen und auch Dinge angestossen; ohne ihn würde es wohl keine SwissCovid-App geben.

Es sei aber auch die Frage aufgeworfen worden, ob nicht die Generalsekretäre im KSBC hätten Einsitz nehmen müssen, auch um die Transmission der Diskussionen im KSBC zu verbessern. Heute seien die Generalsekretäre im aktuellen Steuerungsausschuss vertreten, der nach der Rückkehr zur besonderen Lage eingesetzt wurde.

Der Bundeskanzler ortete anlässlich seiner Anhörung durch die GPK neben den positiven auch negative Aspekte. Einleitend verwies er auf den dreistufigen Entscheidfindungsprozess des Bundesrates (Ämterkonsultation, Mitberichtsverfahren und Entscheidfindung im Gremium). Daran habe der Bundesrat auch bei der Bewältigung der 181

In der Informationsnotiz des EDI vom 7. Mai 2020 wird hierzu festgehalten, dass sich der KSBC vorwiegend auf die direkten Auswirkungen der Krise im Gesundheitsbereich konzentriere, während die Verantwortung für die Abfederung der wirtschaftlichen Konsequenzen beim WBF und seiner Taskforce Wirtschaft liege.

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Covid-19-Pandemie festgehalten, wobei sich das Kollegialitätsprinzip bewährt habe.

Insgesamt lasse sich der Mehrwert des KSBC nur schwierig feststellen, wobei der Bundeskanzler darauf hinwies, dass insbesondere der laufende Einbezug der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft einen Mehrwert darstellte. Der Bundeskanzler sah die primäre Rolle des KSBC in einer Koordinationsfunktion. Damit ersetzte der KSBC zwar nicht die Ämterkonsultation oder das Mitberichtsverfahren, er habe allerdings die Prozesse und Konsultationen erleichtert. Zudem hätten die Diskussionen in erster Linie dem EDI einen Mehrwert für die Vorbereitung von Anträgen erbracht. In diesem Sinne sei der KSBC eigentlich kein Krisenstab des Bundesrates gewesen, sondern ein Stab des EDI, weshalb der Status des KSBC unbefriedigend gewesen sei. Der KSBC habe auch aufgrund seines nicht ausgeübten Weisungsrechts nicht die Qualität eines Ad-hoc Krisenstabs des Bundesrates erreicht, die ihm die Weisungen zuschreiben. So sei es denn auch der Bundesrat selber gewesen, der als eigentlicher Krisenstab tätig gewesen sei.

Der Bundesrat habe vom KSBC zunächst die Erledigung operativer Aufgaben erwartet, später habe es sich vermehrt um strategische Fragen gehandelt. Die wichtigen, richtungsweisenden Beschlüsse seien nicht vom KSBC, sondern von der Taskforce des BAG gefällt worden.

Eine wichtige Erkenntnis sei, dass der KSBC zu spät eingesetzt worden sei. Dies habe unter anderem dazu geführt, dass das Departementalprinzip ausgeprägt Anwendung fand und die Arbeiten des KSBC dieses in der Folge auch nicht aufweichen konnten.

Zudem hätte der KSBC gemäss den Weisungen in erster Linie strategische Fragen erörtern sollen, wohingegen der BSTB operativ hätte tätig sein müssen. Dem KSBC sei es erst gegen Ende der ersten Welle gelungen, tatsächlich strategische Fragen zu identifizieren und zu behandeln.

Der Generalsekretär des UVEK, ebenfalls Mitglied des KSBC, führte vor den GPK aus, der Bund sei zwar gut aufgestellt für kurzfristige Krisen, hingegen weniger für Krisen, wie sie seit Anfang 2020 bestehe. Da komme schnell der Ruf nach einem Profi-Krisenstab. Für ihn wäre aber fraglich, ob ein zusätzlicher Stab etwas bringen würde. Man sollte eher in den Regelstrukturen arbeiten und diese entlasten. Mit der GSK bestehe dafür bereits ein
Koordinationsgremium. Die Generalsekretärinnen und -sekretäre seien am nächsten an den Departementschefinnen und -chefs.

Mit der stellvertretenden Direktorin des BJ wurde ein weiteres Mitglied des KSBC angehört. Sie betonte, im Prinzip habe der reguläre Prozess der Vorbereitung der Bundesratsgeschäfte auch in der Krisenzeit funktionieren müssen, wenn auch zeitlich sehr stark verkürzt. Der Bundesverwaltung seien für diese Vorbereitung oft nur wenige Stunden oder nur ein, zwei Tage zur Verfügung gestanden. Das habe das System vor ungeahnte Herausforderungen gestellt, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem (damaligen) Notverordnungsrecht des Bundesrates. In diesem Umfeld seien auch departementsübergreifende Fragestellungen zu beantworten gewesen, die eine starke Koordination der Querschnittsämter wie dem BJ erfordert hätten, das bei den Ämterkonsultations- und Mitberichtsverfahren systematisch einbezogen wird. Dafür sei der

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KSBC als Informationsgefäss sehr nützlich gewesen.182 Sie selbst habe im KSBC primär eine koordinierende Rolle im Bereich der Rechtsetzung ausgeübt.

Zur konkreten Tätigkeit des KSBC verwies die stellvertretende Direktorin des BJ auf dessen Schlussbericht vom 19. Juni 2020 (vgl. auch Kap. 8.3.1). Die wichtigste Erkenntnis aus der Tätigkeit des KSBC sei aus ihrer Sicht die Folgende: Die Weisungen des Bundesrates seien im Hinblick auf die Bewältigung von Einzelereignissen geschaffen worden. Die Covid-19-Pandemie habe aber einen monate- bis jahrelangen Ausnahmezustand geschaffen, der letztlich die gesamte Gesellschaft und fast jeden Politikbereich getroffen habe. Dafür seien aber die Weisungen des Bundesrates nur zum Teil adäquat. Man habe bei der Erarbeitung der Weisungen wohl zu wenig im Blick gehabt, dass der Bundesrat einmal in eine Situation kommen könnte, in der er über eine längere Zeit zwei- oder dreimal pro Woche neue Notverordnungsregeln beraten und beschliessen müsse. Die Vorbereitung der Bundesratsgeschäfte liege bei den Fachämtern und den zuständigen Departementen, und deshalb habe sich die ordentliche Departementsstruktur grundsätzlich auch besser für die Vorbereitung dieser zum Teil politischen Entscheide geeignet, auch wenn die zeitlichen Verhältnisse prekär gewesen seien. Daher habe sich die Linienorganisation im Vergleich zur KSBCOrganisation sehr rasch als die stärkere Struktur zur Vorbereitung von Bundesratsgeschäften durchsetzen können. Vor diesem Hintergrund stellt sich für sie die Frage, ob die bestehenden Weisungen des Bundesrates für diese Art von Krisen nicht überprüft werden sollten.

Als Vertretung der Kantone hörten die GPK im August 2021 den Generalsekretär der KdK an. Dieser führte aus, sein Einsitz im Krisenstab KSBC habe zum Ziel gehabt, dass er als Verbindungsmann zum Bund fungieren könne und damit möglichst frühzeitig die Informationen aus dem Krisenstab, welche die Kantone betreffen, an diese weiterleiten könne. Da sich jedoch die Ereignisse überstürzt hätten, seien die Kantone ­ jedenfalls zu Beginn der Krise ­ nicht so schnell reaktionsfähig gewesen. Seine ursprüngliche Vorstellung des Krisenstabs sei gewesen, dass im KSBC die Entscheide des Bundesrates vordiskutiert würden. Die Entscheide des Bundesrates seien aber meist schon beschlossen gewesen, und der Krisenstab
sei nur noch mehr oder weniger eine Informationsveranstaltung gewesen. Seiner Meinung nach sei die Rolle des Krisenstabs nicht genau definiert gewesen. Der Generalsekretär der KdK führte aus, dass der Krisenstab mit bis zu 50 Personen zu gross gewesen sei. Schon bevor der Bundesrat den Krisenstab eingesetzt hat, habe die KdK versucht, dem Bundesrat beliebt zu machen, einen Krisenstab, zusammengesetzt aus Mitgliedern des Bundesrates und Mitgliedern der Kantonsregierungen, einzusetzen. Von Seiten des Bundes habe man diese Idee jedoch verworfen. Er selber habe im einen oder anderen Fall mit dem Knüpfen von Kontakten helfen können; abgesehen davon aber sei er einfach im KSBC anwesend gewesen. Seines Erachtens brauche es einen ständigen, professionellen Krisenstab, welcher sich mit Krisenbewältigung auskenne. Entsprechende Erläuterungen finden sich auch im Schlussbericht der KdK, welcher sich mit der Zusammenarbeit

182

In der Informationsnotiz des EDI vom 7. Mai 2020 wird hierzu ausgeführt, dass der KSBC versuche, den Ämterkonsultationsprozess angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen zu vereinfachen.

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von Bund und Kantonen in der Covid-19-Epidemie befasst und im Mai 2022 veröffentlicht wurde.183 Der Vorsteher des EDI führte im Oktober 2020 den GPK gegenüber zum KSBC aus, dieser Krisenstab habe seit Ende März 2020 eine wichtige Funktion als Koordinator und als Impulsgeber gehabt. Eine Aufgabe des KSBC sei gewesen, die Beiträge der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft zu integrieren. Daher sei die TFS ins Leben gerufen worden. Der KSBC habe eine essentielle Rolle gespielt und sei eine sehr sinnvolle Plattform gewesen, um die epidemiologische Lage zu beurteilen und um die Entscheide des Bundesrates zu koordinieren. Die drei Hauptaufgaben des KSBC beschrieb der Vorsteher des EDI wie folgt: Es sei darum gegangen, die Situation zu beobachten, sie aus politischer und strategischer Sicht einzuschätzen sowie Handlungsoptionen und Entscheidgrundlagen für den Bundesrat zu entwickeln.

Dabei sollten epidemiologische Fragen einbezogen werden, und es sollte eine Koordination der Aktivitäten mit denjenigen der anderen Krisenstäbe erfolgen. Die wichtigste Aufgabe habe darin bestanden, die Koordination und Übermittlung der Informationen der einzelnen Departemente auf strategischer und politischer Ebene zu gewährleisten ­ die konkrete Umsetzung habe dann in den einzelnen Departementen stattgefunden.

8.3

Auswertung durch die Bundesverwaltung, Verbesserungen und Massnahmen

Sowohl der KSBC selber als auch die BK veröffentlichten je einen Bericht zur Auswertung der Pandemiebewältigung. Der KSBC verfasste einen Schlussbericht über seine Tätigkeit, wohingegen der Bericht der BK breiter angelegt war. Dabei wurden aber für die Aufarbeitung zentrale Erkenntnisse zum KSBC festgehalten.

8.3.1

Schlussbericht des KSBC vom 19. Juni 2020

In seiner Zusammenfassung hält der Bericht des KSBC fest, dass er ­

Geschäfte von wichtiger Bedeutung für das Krisenmanagement des Bundesrates behandelt und koordiniert habe,

­

mit seinen Kontaktstellen in den Themenfeldern Forschung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft einen Mehrwert erzielt habe,

­

auf der Arbeit anderer Krisenstäbe habe aufbauen können, und

­

er sich seine Rolle entlang der Weisungen erarbeitet habe.

Zu letztem Punkt betont der KSBC im Bericht, dass der Bundesrat mit der Einsetzung des KSBC zum ersten Mal von den Weisungen zum Krisenmanagement 2019 und dem Instrument des Ad-hoc-Krisenstabs Gebrauch gemacht habe. Er führt aus:

183

Zusammenarbeit von Bund und Kantonen in der Covid-19-Epidemie: Schlussfolgerungen und Empfehlungen, Schlussbericht der KdK vom 29. Apr. 2022.

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«Im Vorfeld der Einberufung des Ad-hoc-Krisenstabs gab es in den Departementen verschiedene Auffassungen, wie breit die Rolle des KSBC interpretiert werden und wie stark der KSBC von seiner Weisungsbefugnis Gebrauch machen sollte. Gemäss den Weisungen soll der KSBC gezielt Einfluss nehmen. Der Ad-hoc-Krisenstab hat indes nie von seiner Weisungsbefugnis Gebrauch machen müssen. Vielmehr nahm er eine Rolle als Koordinationsplattform, Impulsgeber und Ventilfunktion der Departemente wahr, er führte ein Lagebild und eine laufende Planung der anstehenden wichtigen Entscheide für den Bundesrat. Zudem diente der KSBC dem Austausch mit den Kantonen, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. So konnten im Verbund rasch wichtige Themen adressiert und Lösungen initiiert werden. Die eigentliche Umsetzung der Lösungen (beispielsweise auch in Form von Musterschutzkonzepten) und die Anträge an den Bundesrat wurden ­ auch im Sinne der Weisungen des Bundesrates zum Krisenmanagement ­ in den Departementen und den Fachämtern ausgearbeitet. Der Ad-hoc-Krisenstab hat dabei die Ämterkonsultationen und die Mitberichtsverfahren nicht ersetzt, aber diesen den Weg bereitet.»184 Der KSBC führt zu seiner Rolle aus, dass er sich auf die Vorbereitung anstehender, ausgewählter Bundesratsgeschäfte vorwiegend im Bereich der Gesundheitspolitik fokussiert habe, welche eine interdepartementale Zusammenarbeit erfordert hätten. Der Bundesrat sei über die Arbeiten des KSBC regelmässig informiert worden. Dies sei in Form einer monatlichen Informationsnotiz an den Bundesrat erfolgt sowie durch regelmässige mündliche Updates durch den Vorsteher des EDI, basierend auf den KSBC-Protokollen.

Der KSBC erwähnt zudem den Einbezug der Ende März 2020 geschaffenen TFS. Die TFS habe forschungsrelevante Fragen in einer für den KSBC respektive für das BAG nützlichen Form aufbereitet. Sie habe wichtige Erkenntnisse im Krisenstab präsentiert; diese hätten in der Folge als Entscheidgrundlage oder als Zweitmeinung gedient.

Den Einbezug der TFS würdigt der KSBC wie folgt: «Die Aktivierung der TFS als unabhängiges Beratungsgremium hat sich als wertvoll herausgestellt. Dieser Ansatz sollte für die allfällige weitere Bewältigungsorganisation berücksichtigt werden. In der Krise braucht die Regierung möglichst solide, wissenschaftlich fundierte
Entscheidgrundlagen. Es hat sich zudem bewährt, dass sich die TFS als ein breites Gremium und nicht etwa als Einzelperson präsentiert hat. Das hat die Glaubwürdigkeit weiter verstärkt. In der akuten Phase arbeiteten die Stellen des Bundes unter enormen Zeitdruck und einer hohen Arbeitsbelastung. Auch vor diesem Hintergrund hat sich die Möglichkeit einer Zweitmeinung durch die TFS als nötig erwiesen. Durch die Zusammensetzung der TFS konnten so auch Expertisen von unterschiedlichen Fachrichtungen eingeholt werden»185.

Zum Thema der Koordination mit anderen im Einsatz stehenden Krisenstäben kommt der KSBC in seinem Bericht zum Schluss, dass das Krisennetzwerk des Bundes insgesamt koordiniert, zielgerichtet und gut zusammengearbeitet habe. Indessen hätten gewisse Doppelspurigkeiten durch den KSBC nicht immer verhindert werden können.

Zudem seien regelmässig Bundesratsgeschäfte, bei denen der KSBC einen Mehrwert

184 185

Schlussbericht Krisenstab Corona (KSBC) vom 19. Juni 2020, S. 5.

Schlussbericht Krisenstab Corona (KSBC) vom 19. Juni 2020, S. 14.

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hätte erbringen können, im Bundesrat beraten worden, ohne dass der KSBC einbezogen worden wäre.

Der KSBC listet einzelne Geschäfte auf, in denen er sich proaktiv eingebracht habe, z. B. bei der gesamten Erarbeitung und laufenden Überarbeitung der Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19)186, zum Thema Beschaffung, durch seine Mitarbeit beim Entwurf der EDI-Informationsnotiz vom 22.

April 2020 zuhanden des BAG (Maskenstrategie ab dem 27. April 2020), und beim Entwurf des Bundesratsbeschlusses zum Aussprachepapier für die Bundesratssitzung vom 16. April 2020 (Umsetzung der Transitionsstrategie und Vorschlag zur Lockerung der Massnahmen).

Abschliessend kommt der KSBC zum Schluss, dass es ihm und namentlich seiner Geschäftsstelle innert kurzer Zeit gelungen sei, bei verschiedenen Dossiers zwischen den Departementen koordinierend zu wirken und bei der Entscheidvorbereitung zuhanden des Bundesrates mitzuwirken. Ebenso habe die Geschäftsstelle des KSBC operativ wirksam werden und insbesondere bei der Beschaffung von Schutzmaterial, bei Kommunikationsthemen, bei der Vorbereitung der ersten Lockerungsschritte, bei Grenzfragen und beim Austausch zwischen der TFS und dem BAG wichtige Beiträge liefern können.

Von den Vertretungen der Departemente sei der KSBC als Ort des Austausches und des Informationsausgleichs geschätzt worden. Insbesondere der Einbezug und der Austausch mit der TFS sei innerhalb des KSBC als Mehrwert betrachtet worden. Die interdepartementale Zusammensetzung und der Führungsrhythmus des KSBC seien angemessen gewesen. Die Mitglieder im Krisenstab hätten aber das Gremium eher als Begleit- denn als Entscheidvorbereitungsgremium wahrgenommen; es habe rückblickend zu wenig Transmission der Diskussionsergebnisse des KSBC in die Departemente stattgefunden.

Der KSBC stellt sich deshalb im Bericht die Frage, ob es hilfreich gewesen wäre, ihn etwas früher einzusetzen, und damit das auch in der Krise vorherrschende Departementalprinzip etwas abzumildern.

Für weitere Krisen schlägt der KSBC vor, in Bezug auf das Zusammenspiel der Krisenstäbe und in Bezug auf den Einbezug des KSBC in die Entscheidungsvorbereitung des Bundesrates, Anpassungen zu prüfen.

8.3.2

Auswertung der Bundeskanzlei

Der Bericht der BK zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie187 befasst sich an verschiedenen Stellen mit dem KSBC. Die notwendigen Grundlagen ­ Gesetze, Verordnungen, Weisungen, Richtlinien und Strategiedokumente ­ seien mehrheitlich vorhanden gewesen. Es habe jedoch insbesondere an klaren Defi-

186

Verordnung 2 vom 13. März 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) (COVID-19-Verordnung 2; SR 818.101.24).

187 Bundeskanzlei, Bericht vom 11. Dez. 2020 zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie.

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nitionen der Aufgabenbereiche gefehlt und die Hierarchie zwischen den Krisengremien sei nicht klar gewesen. Die Zusammenarbeit zwischen den Krisenstäben, wie auch zwischen den Krisenstäben und der Bundesverwaltung sei nicht immer gemäss den Grundlagen erfolgt. Dieses Fazit treffe insbesondere auf die Einberufung, die Rolle und Funktion der beiden übergeordneten Krisenstäbe (KSBC und BSTB) zu.

Die BK führt dazu in ihrem Bericht Folgendes aus: «Der Bundesstab Bevölkerungsschutz (BSTB) und der Krisenstab des Bundesrates Corona (KSBC) haben die ihnen zugeschriebenen Rollen und Aufgaben nicht vollständig ausgeschöpft. Der KSBC wurde gegenüber den anderen Krisenstäben zu spät konstituiert und konnte die ihm in den Weisungen über das Krisenmanagement der Bundesverwaltung zugedachte Rolle als Führungsorgan nicht wahrnehmen. Von seiner Weisungsbefugnis gegenüber anderen Krisenstäben hat er nie Gebrauch gemacht; folglich wurde das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung nicht, wie in den rechtlichen Grundlagen vorgesehen, durch ihn gesteuert und koordiniert. Ausserdem diente er zu wenig der Vorbereitung von Entscheidungsgrundlagen für den Bundesrat. Wichtige, richtungsweisende Entscheidungen wurden nicht im KSBC, sondern in einem Ausschuss der Taskforce BAG vorbereitet. Dadurch, dass der KSBC keinen klaren Auftrag erhalten hat, war auch seinen Mitgliedern unklar, was von ihnen innerhalb dieses Gremiums erwartet wurde.»188 Insbesondere in den Bereichen Kooperation und Koordination des Krisenmanagements bestehe Verbesserungspotenzial. Die übergeordneten Krisenstäbe KSBC und BSTB seien eher als Austausch- und Informationsplattformen genutzt worden, statt als Gremien zur Koordination und Entscheidungsvorbereitung für den Bundesrat. Das Krisenmanagement sei weitgehend von departementalen Gremien übernommen worden.

Gestützt auf diese Feststellungen wird im Bericht der BK u. a. folgende Empfehlung formuliert: «Die Bundeskanzlei soll gemeinsam mit den Departementen die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sowie die Zusammensetzung des BSTB, des Ad-hocKrisenstabes des Bundesrats und der eingesetzten departementalen Krisenstäbe prüfen, aufeinander abstimmen und gegebenenfalls die entsprechenden Verordnungen und Weisungen überarbeiten. Dabei soll auch der Rollenverteilung zwischen Krisenorganisationen und
ordentlicher Departementsstruktur Rechnung getragen werden.» (Empfehlung 2)189 Der Bericht der BK befasst sich auf weiten Strecken mit der Krisenorganisation im Allgemeinen; wesentliche Ausführungen, ebenso mehrere der von der BK abgegebenen Empfehlungen, beziehen sich sowohl auf den BSTB als auch auf den KSBC. Dazu und zum Umsetzungsstand derjenigen Empfehlungen der BK, welche schwerpunktmässig den BSTB und den KSBC betreffen, sei auf Kapitel 7.3.1 des vorliegenden Berichts verwiesen.

188

Bundeskanzlei, Bericht vom 11. Dez. 2020 zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie, S. 15.

189 Bundeskanzlei, Bericht vom 11. Dez. 2020 zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie, S. 16.

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8.4

Beurteilung durch die GPK

Aus den Berichten und den verschiedenen Anhörungen geht hervor, dass der KSBC nicht alle Funktionen übernommen hat, welche ihm gemäss den Weisungen des Bundesrates zugekommen wären. Zum Beispiel hat er nie von seiner Weisungsbefugnis gegenüber anderen Krisenstäben Gebrauch gemacht. Der KSBC diente vor allem als Informations- und Koordinationsgremium und nicht als Führungsorgan. Er spielte zwar eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung einzelner Entscheidungen auf bestimmten Gebieten; die letzte Phase der Vorbereitung verblieb in der klassischen Departementsstruktur. Die Kommissionen fragen sich diesbezüglich, ob der KSBC eine weitergehendere Rolle gegenüber dem Bundesrat hätte einnehmen sollen bzw. können (vgl. Ziff. 4.2 Weisungen über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung).

Der Krisenstab scheint insbesondere durch den Einbezug von Vertreterinnen und Vertretern der Forschung, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft einen Mehrwert geschaffen zu haben. Dabei ist besonders der Einbezug der TFS zu erwähnen. Die GPK erwarten jedoch vom Bundesrat, dass er bei der Revision der Krisenorganisation des Bundes dafür sorgt, dass die Schnittstellen zur Wissenschaft und zur Wirtschaft sowie der Einbezug der Zivilgesellschaft künftig klar definiert werden (vgl. Postulat 1 und Kap. 10).

Als problematisch erscheint hingegen den GPK, dass im KSBC die Vertretung des EDI ein grosses Gewicht hatte: Der Stab stand unter der Leitung des ehemaligen Generalsekretärs des EDI; der aktuelle Generalsekretär des EDI und der damalige Direktor des BAG waren ebenfalls im Stab vertreten. Damit hatte das EDI, verglichen mit den übrigen Departementen, zahlenmässig ein Übergewicht. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag auf der gesundheitspolitischen Bewältigung der Krise. Dementsprechend war der KSBC de facto ein Organ, das eher im Dienste des EDI als des Bundesrates stand.

Im Weiteren erscheint den GPK die Tatsache als nicht optimal, dass die Vertretung der einzelnen Departemente im KSBC nicht genauer geregelt war, sodass jedes Departement seine Vertretung selber bezeichnen konnte und daher Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen Einsitz nahmen. Dies birgt das Risiko von unausgewogenen Diskussionen. Zu kritisieren ist auch die späte Einsetzung und Konstituierung des KSBC ­ erst einige Tage nach der Ausrufung der
ausserordentlichen Lage am 16. März 2020. Der Krisenstab musste zu diesem Zeitpunkt seine Rolle in einer Situation finden, in welcher schon eine Krisenorganisation aktiv war und in welcher das BAG eine wichtige Rolle spielte (vgl. dazu Kap. 9 und 10).

Die GPK begrüssen den Auftrag des Bundesrates zur Überprüfung der (rechtlichen) Grundlagen des Krisenmanagements hinsichtlich einer langanhaltenden und komplexen Krise; ebenso den Auftrag des Bundesrates zur Überprüfung der AKV der Krisenstäbe sowie deren Zusammensetzung. Aus Sicht der Kommissionen ist zu prüfen, ob bzw. inwieweit bei der Überprüfung der Strukturen der Krisenorganisation zwischen kurzfristig zu bewältigenden Krisen und langanhaltenden Krisen unterschieden werden soll, und ob die Rolle der regulären Strukturen und Abläufe anhand dieser beiden Szenarien neu zu definieren sind (vgl. Kap. 10). Offensichtlich müssen die Annahmen, welche zur Festlegung der Krisenorganisation geführt haben, aufgrund 86 / 134

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der Erfahrungen bei der Pandemiebewältigung überdacht werden. Letztlich muss die Frage beantwortet werden, ob die Annahmen, die der vorgesehenen Krisenorganisation zu Grunde lagen, falsch waren, oder ob die Vorgaben im konkreten Fall durch die Akteure nicht genügend beachtet wurden. Die durchgeführten Anhörungen lassen den Schluss zu, dass bei einer lang andauernden Krise Verbesserungspotenzial bezüglich der vorausschauenden Krisenorganisation besteht.

Falls im Anschluss an die Überprüfung der Krisenorganisation am Instrument des Adhoc-Krisenstabs des Bundesrates festgehalten wird, wären dessen Kompetenzen bezüglich der Vorbereitung von Handlungsoptionen und Entscheidgrundlagen für den Bundesrat zu präzisieren. Dabei wäre auch zu klären, ob der Ad-hoc-Krisenstab gegebenenfalls ein direktes Antragsrecht zuhanden des Bundesrates oder weiterer Akteure erhalten soll (vgl. auch Kap. 7.4.1). Bei der Überprüfung der Krisenorganisation des Bundesrates sollte im Weiteren geprüft werden, auf welcher Normenstufe die Krisenorganisation des Bundesrates zu regeln ist (vgl. Kap. 10). Wichtig ist den Kommissionen auch, dass in den laufenden Arbeiten geprüft wird, wie die Rollenverteilung zwischen den Krisenstäben, den Departementen/Ämtern, aber auch dem Bundesrat angepasst werden muss. Dabei wird auch das in dieser Krise zum Vorschein gekommene Spannungsverhältnis zwischen dem Departementalprinzip und einem transversal ausgerichteten Krisenstab des Bundesrates mit Weisungsbefugnis zu vertiefen sein (vgl. hierzu auch Kap. 10).

Die GPK können sich insgesamt den von der BK in ihrem Bericht vom 11. Dezember 2020 gezogenen Schlüssen zur Frage der Regelung und der Funktion des Krisenstabs des Bundesrates und zur Notwendigkeit von Weiterbildungen der einzelnen Akteure anschliessen und erachten die entsprechenden Aufträge des Bundesrates als sinnvoll und wichtig.

Die GPK begrüssen auch die zahlreichen Schritte, die im Hinblick auf eine Umsetzung dieser Aufträge schon unternommen worden sind. Nichtsdestotrotz richten sie folgende Empfehlung an den Bundesrat: Empfehlung 9: Bestimmungen, Funktion und Kompetenzen des Ad-hoc Krisenstabs Dem Bundesrat wird empfohlen, die Bestimmungen für den Ad-hoc-Krisenstab und die Funktion dieses Organs ­ im Sinne der bereits erteilten Aufträge im Rahmen der Evaluation der BK ­ zu
überdenken. Sollte er an diesem Organ festhalten wollen, sind dessen Kompetenzen bezüglich der Vorbereitung von Handlungsoptionen und Entscheidgrundlagen für den Bundesrat zu präzisieren. Dabei ist auch zu klären, ob der Ad-hoc-Krisenstab gegebenenfalls ein direktes Antragsrecht zuhanden des Bundesrates oder weiterer Akteure erhalten soll. Ausserdem soll geklärt werden, auf welcher Normstufe dessen Organisation geregelt wird.

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9

Koordination der drei wichtigsten Krisenorgane des Bundes

In den vorherigen Kapiteln (Kap. 6 bis 8) wurden die Aktivitäten und die Rolle der drei wichtigsten Krisenorgane, die in der ersten Pandemiephase tätig waren, gesondert behandelt. In diesem Kapitel legen die GPK nun ihre Schlussfolgerungen betreffend die Koordination dieser drei Organe dar.

Vorab begrüssen die GPK den grossen Einsatz aller Mitglieder und Mitarbeitenden dieser drei Organe bei der Pandemiebewältigung und deren Beitrag zur bestmöglichen Begrenzung der Auswirkungen der Covid-19-Krise auf die Schweiz. Den GPK ist es wichtig, den Sachverhalt im Kontext zu betrachten, d. h. vor dem Hintergrund einer aussergewöhnlichen Krise, welche diese Organe extrem forderte und während Monaten in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rückte. Vor diesem Hintergrund konzentrierten sich die Arbeiten der parlamentarischen Oberaufsicht in erster Linie auf die Frage, welche allgemeinen Lehren aus den Vorkommnissen gezogen werden können, damit der Bund für künftige Krisen besser gewappnet ist.

9.1

Sachverhalt und Beurteilung durch die beteiligten Akteure

Die Taskforce des BAG (Kap. 6) wurde am 23. Januar 2020 als erstes Krisenorgan des Bundes aktiviert. Sie übernahm rasch eine Vielzahl von Aufgaben im Bereich der gesundheitlichen Bewältigung der Pandemie und war das zentrale Organ in der Krisenorganisation des Bundes, da sie Aufgaben erfüllte, die eigentlich der BSTB oder der KSBC hätten wahrnehmen sollen (siehe unten). Die Abklärungen der GPK haben gezeigt, dass die Taskforce in ihrer Funktion als «Fach-Krisenstab» im Prinzip dafür zuständig war, die gesundheitlichen Aspekte der Krise operativ zu bewältigen und die Entscheidgrundlagen für die Gesundheitsmassnahmen des Bundesrates vorzubereiten. Gemäss den Informationen der GPK lag die Zuständigkeit für die endgültige Beschlussfassung und für die strategische Führung bei der Leitung der BAG-Taskforce (Taskforce-Verantwortliche und BAG-Direktor) und beim EDI.

Der Bundesstab Bevölkerungsschutz (Kap. 7) traf sich informell ein erstes Mal am 24. Januar 2020 und wurde formell am 2. März 2020 aktiviert. Geleitet wurde er vom damaligen Direktor des BAG. Dieses Organ übernahm im Wesentlichen eine operative Koordinationsrolle und diente dem Informationsaustausch zwischen den Bundeseinheiten und den Kantonsbehörden. Entgegen dem, was in der einschlägigen Verordnung vorgesehen ist, arbeitete der BSTB jedoch weder Entscheidgrundlagen für den Bundesrat aus, noch machte er Vorschläge zur Pandemiebewältigung. Auch sein Planungselement wurde nicht aktiviert. All diese Aufgaben wurden vom BAG übernommen. Aus den Aussagen der verschiedenen Beteiligten und aus der Evaluation der BK geht hervor, dass der BSTB verschiedene Schwächen aufwies (vgl. Kap. 7) und sein Nutzen durch die Einsetzung des KSBC zusätzlich relativiert wurde. Der damalige BAG-Direktor und die aktuelle BAG-Direktorin sind der Ansicht, dass der BSTB aufgrund der Spezifität der Krise nicht in der Lage gewesen wäre, den Lead in der Krisenorganisation zu übernehmen.

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Auf Antrag des EDI wurde dann mit Beschluss des Bundesrates vom 20. März 2020 der Krisenstab des Bundesrates Corona eingesetzt (Kap. 8). Dieser war dem EDI angegliedert und wurde vom ehemaligen Generalsekretär des EDI geleitet. Die Hauptaufgabe des KSBC bestand darin, die GSK durch eine interdepartementale Koordination der Gesundheitsentscheide zu unterstützen und eine Schnittstelle zu Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu schaffen. Ursprüngliches Ziel des KSBC war laut den Informationen der GPK auch die Koordination der drei Krisenorgane KSBC, BAG-Taskforce und BSTB.190 Ausserdem erteilte der KSBC dem BSTB einige punktuelle Mandate.191 Entgegen dem, was in den Weisungen des Bundesrates vorgesehen ist, übernahm der KSBC jedoch nie die allgemeine strategische Führung des Krisenmanagements. Diese Aufgabe wurde von den üblichen Strukturen der Bundesverwaltung bzw. vom Bundesrat selbst wahrgenommen (vgl. Kap. 10). Die BK kommt in ihrem Evaluationsbericht zum Schluss, dass der KSBC zu spät eingesetzt wurde und kein klares Mandat erhielt.

Die GPK halten fest, dass der Informationsaustausch zwischen diesen drei Organen im Wesentlichen über die Teilnahme der jeweiligen Verantwortlichen an den Sitzungen der anderen Organe erfolgte: So nahm der Stabschef des BSTB ab Ende Februar 2020 an allen Sitzungen der BAG-Taskforce und an den Sitzungen des KSBC teil.

Der Leiter des KSBC nahm ab Ende März 2020 an den Sitzungen der BAG-Taskforce und des BSTB teil.192 Der damalige Direktor des BAG übernahm die Leitung des BSTB ab dessen erster informeller Sitzung Ende Januar 2020. Das BAG war zudem mit drei bis sieben Personen in diesem Stab vertreten. Der damalige Direktor des BAG vertrat das Bundesamt auch im KSBC. Schliesslich nahm auch das GS-EDI regelmässig an den Sitzungen dieser drei Organe teil.

Die GPK haben festgestellt, dass die Aufgaben der drei Krisenorgane bzw. die Koordination zwischen diesen Organen punktuell in den drei Dokumenten erwähnt wurden, die dem Bundesrat in der ersten Welle unterbreitet wurden. Zunächst einmal wurden im Antrag des EDI vom 20. März 2020 auf Schaffung des KSBC kurz die Rolle und die geplante Organisation dieses Organs präsentiert (vgl. Kap. 8). Diesem Antrag war zudem ein Organigramm der Krisenorganisation des Bundes inklusive Taskforce des BAG und BSTB beigelegt
(vgl. Anhang). Im Weiteren enthielten die beiden dem Bundesrat am 7. April und am 7. Mai 2020 übermittelten Informationsnotizen des EDI über die Aktivitäten des KSBC einige Informationen über die Koordination des KSBC mit den beiden anderen Krisenorganen (siehe weiter oben). In keinem dieser drei Dokumente fand sich hingegen ein vollständiger Überblick über die Aufgaben und Kompetenzen dieser Organe oder die Modalitäten der Koordination dieser Organe.

Die GPK haben die verschiedenen beteiligten Akteure dazu befragt, wie diese die Koordination und Aufgabenverteilung zwischen diesen drei Organen einschätzen: 190

In einer Informationsnotiz vom 7. Mai 2020 an den Bundesrat hält das EDI fest, dass der KSBC die Taskforce des BAG und den BSTB koordiniert sowie einige Dossiers dieser Stäbe, bei denen er einen Mehrwert bringt, führt und begleitet.

191 In einer Informationsnotiz vom 7. April 2020 an den Bundesrat hält das EDI fest, dass der BSTB im Auftrag des KSBC verschiedene Tätigkeitsbereiche (Lebensmittelversorgung, Verfügbarkeit von Arzneimitteln, Medizinprodukten und Schutzmaterial) bearbeitete und im Auftrag des KSBC eine AG Lebensmittel bildete.

192 Als Generalsekretär des EDI nahm er bereits ab dem 24. Februar 2020 an den Sitzungen der BAG-Taskforce und des BSTB teil.

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­

Laut dem Vorsteher des EDI konnten dank diesen Strukturen in einer aussergewöhnlichen Krisensituation alle Akteure einbezogen werden. Er hielt fest, dass diese drei Organe unterschiedliche Aufgaben hatten. Die Taskforce des BAG sei für die epidemiologischen und technischen Fragen zuständig gewesen, der BSTB habe eine umfassende institutionelle Koordination auf operativer Ebene sichergestellt und der KSBC habe sich um die strategischen und politischen Aspekte gekümmert. Die Teilnahme der Verantwortlichen an den Sitzungen der anderen Organe habe einen guten und dauerhaften Informationsfluss gewährleistet. In seinen Augen gibt es in einer solchen Situation keine andere Lösung, als dass einige Personen grosse koordinative Verantwortung übernehmen.

­

Der Leiter des KSBC und frühere Generalsekretär des EDI erklärte, dass die Koordination zwischen der Taskforce des BAG und dem BSTB bereits in einem frühen Stadium der Krise sichergestellt wurde. Er betonte, dass der KSBC einen «Zusatznutzen» bringen und «nicht alles steuern» sollte. Er sollte nur dort eingesetzt werden, wo Steuerungs- und Koordinationsbedarf nötig war. Dies habe dank des Austausches zwischen den Personen und der Tatsache, dass sich die Mitglieder kannten, gut funktioniert.

­

Der KSBC kommt in seinem Schlussbericht (vgl. Kap. 8.3.1) zum Schluss, dass die Krisenorgane des Bundes aufgrund ihrer Zielgerichtetheit gut zusammenarbeiteten und dass sie sich gut koordinierten, insbesondere dank dem Einbezug von Vertreterinnen und Vertretern der jeweiligen anderen Organe.

Er räumte allerdings ein, dass es dem KSBC nicht möglich war, gewisse Doppelspurigkeiten und interne Dynamiken zu vermeiden. Ausserdem sei er nicht in der Lage gewesen, eine integrative und koordinative Rolle zu spielen, vor allem, weil so viele Entscheide zu treffen waren und so viele verschiedene, alle Departemente betreffende Themen betroffen waren. Dies steht im Widerspruch zur ursprünglichen Absicht, die in den Notizen zuhanden des Bundesrates von April und Mai 2020 formuliert wurde. Der KSBC betonte aber, dass die Diskussionen im KSBC für das EDI von grossem Nutzen bei der Ausarbeitung der Anträge zuhanden des Bundesrates waren.

­

Der aktuelle Generalsekretär des EDI verwies darauf, dass zwischen strategischer und operativer Ebene der Krisenorganisation unterschieden werden muss. Er unterstrich, dass der BSTB vor allem auf operativer Ebene tätig war und in der ersten Pandemiephase eine wichtige Koordinationsfunktion hatte.

In einer grossen Organisation wie der Bundesverwaltung sei es unvermeidlich, dass es geteilte Kompetenzen oder Kompetenzkonflikte gebe.

­

Der ehemalige Direktor des BAG ist der Ansicht, dass der Informationsfluss zwischen den Organen gewährleistet war. Sein Amt habe versucht, sich eng mit dem BSTB abzustimmen, was dadurch erleichtert worden sei, dass die Leitung dieses Organs beim BAG liege. Der BSTB habe die Taskforce des BAG, den KSBC und die anderen Krisenorgane entlastet, indem er den Informationsaustausch sicherstellte. Der BAG-Direktor erklärte den GPK, warum das BAG einige Aufgaben übernahm, die ursprünglich dem BSTB übertragen worden waren (vgl. Kap. 7.2.2). Die aktuelle Direktorin des BAG teilte mit, dass die verschiedenen Gremien einen intensiven Austausch erlaubten und die

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Zusammenarbeit enorm erleichterten. Der Leiter der Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit des BAG ist der Auffassung, dass der Informationsfluss «kaum ein Problem» war. Natürlich sei mit dem KSBC ein neuer Player ins Leben gerufen worden, der in die Krisenorganisation integriert werden musste, doch habe die Einsitznahme der Verantwortlichen in den jeweiligen anderen Organen und das Wissen, was in welchem Stab entschieden wurde, sehr geholfen.

­

Die Verantwortlichen des BSTB (Stabschef und Co-Leiter Lenkungsausschuss Planungselement) teilten mit, dass es in den ersten Wochen der Krise keine Koordination gab, da nur die BAG-Taskforce aktiv war, dass die Mitglieder des BSTB aber regelmässig informiert wurden. Als alle drei Organe aktiv waren, war die Koordination ihrer Ansicht nach regelmässig und gut. Mit weiteren Krisenstäben, insbesondere jenen der Departemente, habe es keine systematische Koordination gegeben. Hingegen habe ein regelmässiger Informationsaustausch zwischen dem BSTB und den kantonalen Krisenstäben stattgefunden. Die fallweise Einbindung dieser kantonalen Stäbe in die Taskforce des BAG sei über den Stabschef des BSTB sichergestellt worden.

­

Die BK äusserte sich in ihrem Bericht über das Krisenmanagement in der ersten Welle193 kritischer: «Die Zusammenarbeit zwischen den Krisenstäben, wie auch zwischen den Krisenstäben und der Bundesverwaltung erfolgte nicht immer gemäss den Grundlagen. Es fehlte insbesondere an klaren Definitionen der Aufgabenbereiche: 52 Prozent der Befragten gaben an, dass Zuständigkeiten und Aufgaben zwischen den Gremien unklar waren. Auch die Hierarchie zwischen den Krisengremien war nicht klar. 62 Prozent der Befragten vertraten zudem die Meinung, dass es zu viele Gremien gab.» Ferner ist die BK der Ansicht, dass der Einstieg in die Krisenbewältigung «nicht optimal» verlief.

Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Gremien und deren Prozesse «waren nicht aufeinander abgestimmt. Der BSTB wurde nicht situationsgerecht eingesetzt, und der KSBC wurde zu spät einberufen.» Wie bereits erwähnt (Kap. 7.3.1), kritisiert die BK auch die Funktionsweise des BSTB und des KSBC sowie die Koordination dieser beiden Organe.194 Ihr Bericht enthält zwei Empfehlungen, die derzeit umgesetzt werden (vgl. Kap.

7.3.1). Der Evaluationsbericht enthält keine spezifischen Aussagen zur Krisenorganisation des EDI und des BAG oder zur Koordination der BAGTaskforce und der anderen Krisenorgane.

193

Bundeskanzlei: Bericht zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie (1. Phase / Febr. bis Aug. 2020), Bericht vom 11. Dez. 2020.

194 Die BK schreibt insbesondere: «Beide Stäbe waren gross und heterogen zusammengesetzt, was die Zusammenarbeit beziehungsweise eine schnelle Entscheidungsfindung erschwerte. Sie setzten sich aus Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen zusammen, die mit verschiedenen Entscheidungskompetenzen ausgestattet waren und sowohl operative als auch strategische Perspektiven einbrachten. In den Interviews wurde darauf hingewiesen, dass es schwierig war, in diesen grossen, überdepartementalen Gremien strategische Entscheide zu fällen. Diese wurden deswegen eher in den Departementen gefällt.» Sie hält aber auch fest, dass die Teilnehmenden den KSBC und den BSTB vor allem als Austausch- und Informationsplattformen schätzten (vgl. auch Kap. 7).

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9.2

Beurteilung durch die GPK

Die GPK kommen anhand des ihnen bekannten Sachverhalts zum Schluss, dass die Art und Weise, wie die BAG-Taskforce, der BSTB und der KSBC in der ersten Pandemiewelle in der Krisenorganisation des Bundes angeordnet wurden, in mehreren Punkten problematisch war. Sie halten wie die BK fest, dass die Zuständigkeiten dieser Organe nicht klar definiert waren. Der BSTB und der KSBC nahmen nicht vollumfänglich die Rolle wahr, die ihnen in den Rechtsgrundlagen und einschlägigen Vorgaben zugewiesen wird, während die Taskforce des BAG zusätzliche Aufgaben übernahm, ohne dass es dafür eine spezifische Rechtsgrundlage gab. Der BSTB und der KSBC spielten letztlich nur eine eher subsidiäre Rolle bei der Steuerung des Krisenmanagements, da diese grösstenteils in den üblichen Verwaltungsstrukturen verblieb, insbesondere im EDI und im BAG (vgl. Kap. 10).

Das Hauptproblem liegt nach Ansicht der GPK darin, dass diese drei Organe gestaffelt und wenig koordiniert aktiviert wurden. Die GPK bedauern, dass es nach der Einsetzung der BAG-Taskforce (23. Januar 2020) fast sechs Wochen dauerte, bis der BSTB seine Tätigkeit aufnahm (2. März 2020), und noch weitere knapp drei Wochen, bis der Bundesrat den KSBC ins Leben rief (20. März 2020). Als Ursache dafür sind nicht zuletzt die fehlenden rechtlichen und weiteren Vorgaben in Bezug auf die Koordination der verschiedenen Krisenorgane unter sich einerseits und mit den regulären Verwaltungseinheiten andererseits zu sehen.

Die GPK begrüssen zwar, dass nach der Einsetzung der drei Organe ein effizienter Informationsaustausch auf operativer Ebene stattfand. Aus Sicht der GPK war die Teilnahme der Verantwortlichen an den Sitzungen der anderen Organe ein geeignetes Mittel, um eine einfache und pragmatische Koordination sicherzustellen und die verschiedenen Interessen in Einklang zu bringen. Dennoch sind sie der Meinung, dass der Bundesrat früher hätte reagieren müssen und dass er, sobald erkannt war, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt, grundsätzliche Überlegungen zu den Aufgaben und Zuständigkeiten dieser Organe hätte anstellen müssen. Dies blieb allerding aus (siehe weiter unten).

Für die GPK ist die späte Einsetzung des BSTB und des KSBC auf zwei grundlegende Schwächen zurückzuführen. Zum einen erkannten die Bundesbehörden nicht früh genug,
dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt.

Dies führte dazu, dass sich die Krisenorganisation während mehreren Wochen auf die gesundheitlichen Aspekte konzentrierte und das EDI dementsprechend den Lead für das gesamte Krisenmanagement des Bundes übernahm (vgl. Kap. 10). Zum anderen wurde in der gesamten ersten Welle stark am Departementalprinzip festgehalten, wodurch die Rolle der bereichsübergreifenden Organe wie BSTB und KSBC relativiert wurde (vgl. Kap. 10).

Die Taskforce des BAG übernahm ­ in Zusammenarbeit mit dem EDI ­ in den ersten Wochen der Pandemie zahlreiche Aufgaben der Pandemiebekämpfung und etablierte sich de facto rasch als zentrales Organ der Krisenbewältigung (vgl. Kap. 6). Diese Situation ist in gewissem Masse nachvollziehbar, da das BAG die Fachstelle des Bundes für die Überwachung von übertragbaren Krankheiten und den Umgang mit diesen ist und über Fachkompetenzen in diesem Bereich verfügt. Darüber hinaus waren für das Krisenmanagement grosse Personalressourcen erforderlich, welche die Taskforce 92 / 134

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des BAG rasch mobilisieren konnte. Die Krisenorganisation des Bundes sah allerdings nicht vor, dass ein «Fach-Krisenstab» wie die BAG-Taskforce eine derart gewichtige Rolle einnimmt. Im Weiteren fehlte eine Rechtsgrundlage für die Abläufe und Zuständigkeiten eines solchen Organs (vgl. Motion 1, Kap. 6.4.1).

Dies hatte zur Folge, dass der BSTB bei seiner Einsetzung Anfang März 2020 nicht in der Lage war, die ihm von Rechts wegen zustehenden Führungsaufgaben zu übernehmen, da das BAG und das EDI schon seit mehreren Wochen die Führung innehatten. Theoretisch hätte die Hauptverantwortung für die Steuerung des Krisenmanagements zu diesem Zeitpunkt vom BAG auf den BSTB übertragen werden müssen. Da die Krise bereits weit fortgeschritten war, erheblichen Druck verursachte und sich die Taskforce in der Zwischenzeit bereits als zentrales Organ etabliert hatte, ist es wenig erstaunlich, dass der BAG-Direktor von diesem Schritt absah. Dies reduzierte den BSTB jedoch zu einem reinen Koordinations- und Informationsorgan. Der Entscheid, dem BSTB nicht eine weitergehendere Rolle bei der Krisenbewältigung zu übertragen, war ausschlaggebend für das weitere Krisenmanagement und entsprach nicht gänzlich den Vorgaben der VBSTB bzgl. der Aufgaben des BSTB (vgl. Kap. 7.4).

Der Bundesrat befasste sich allerdings nicht mit dieser Frage. Negative Auswirkungen hatte die geschmälerte Bedeutung des BSTB insbesondere auf die Einbindung der Kantone in das Krisenmanagement des Bundes, da der Einfluss der Kantone im BSTB grösser ist als in der BAG-Taskforce (vgl. Kap. 10).

Dasselbe Muster wiederholte sich gewissermassen bei der Aktivierung des KSBC Ende März 2020: Der KSBC übernahm nicht die Steuerungsrolle, die einem Ad-hocKrisenstab des Bundesrates gemäss den rechtlichen Vorgaben zukommen sollte. Dies lag daran, dass das EDI und die anderen Departemente das Krisenmanagement bereits seit mehreren Wochen innerhalb der üblichen Verwaltungsstrukturen steuerten. Der KSBC spielte letztlich nur eine subsidiäre Rolle und übernahm die Aufgaben, welche die bestehenden Strukturen nicht erledigen konnten oder wollten. Er stellte beispielsweise die Koordination zwischen den Departementen bei der Vorbereitung der Gesundheitsmassnahmen sicher, um die GSK zu entlasten, und sorgte für die Schnittstellen zu Wissenschaft, Wirtschaft und
Zivilgesellschaft, da diese Aufgaben von der BAG-Taskforce und dem BSTB nicht ausreichend wahrgenommen wurden.195 Die GPK sind der Ansicht, dass der BSTB und der KSBC in der Krisenorganisation letztlich eine vergleichbare Rolle einnahmen und Gremien für den Informationsaustausch und die Koordination waren, die nicht wirklich Zuständigkeiten im Bereich der strategischen Führung hatten. Diese beiden Organe lösten zwar verschiedene konkrete Probleme der Pandemiebekämpfung, entlasteten die anderen Krisenorgane und unterstützten so indirekt den Bundesrat bei der Bewältigung der ersten Pandemiewelle, erfüllten aber nach Ansicht der GPK nicht vollständig die Rolle, die ihnen konzeptionell und rechtlich zugedacht ist.

195

Der Umstand, dass der KSBC sich um die Schnittstellen zu Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kümmern musste, bedeutet für die GPK, dass diese Aspekte in der aktuellen Krisenorganisation nicht ausreichend berücksichtigt wurden, was sie als problematisch erachten. Die GPK erwarten vom Bundesrat, dass er im Rahmen der künftigen Revision der Krisenorganisation des Bundes sicherstellt, dass die Schnittstellen zu diesen verschiedenen Akteuren klar in der Krisenorganisation vorgesehen sind (vgl. Kap. 10).

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Die GPK bedauern, dass die Krisenorganisation nicht wie vorgesehen umgesetzt wurde bzw. dass die Schweiz trotz der Krisenvorbereitungen der letzten 30 Jahre196 Anfang 2020 nicht über ein kohärentes und ausgewogenes Konzept zur Krisenorganisation verfügte. Sie sind der Auffassung, dass eine solche Krisenvorbereitung sinnlos ist, wenn die vorgesehene Krisenorganisation beim Auftreten eines Ereignisses dann nicht umgesetzt oder schon von Anfang an stark verändert wird.

Nach Ansicht der GPK hätte der Bundesrat früher erkennen müssen, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt (vgl. Kap. 10), und vor diesem Hintergrund grundsätzliche Überlegungen zu den Aufgaben und Zuständigkeiten der verschiedenen Krisenorgane des Bundes anstellen sowie über die Einsetzung eines Ad-hoc-Krisenstabs des Bundesrates nachdenken müssen (vgl. auch Kap. 6.4.2). Sie sind ferner der Meinung, dass es Aufgabe der zuständigen Departemente und Bundesämter gewesen wäre, den Bundesrat darauf hinzuweisen, dass die vorgesehenen Krisenorgane (namentlich der BSTB) nicht in der Lage waren, die ihnen eigentlich zustehende Führungsrolle wahrzunehmen. Die GPK halten fest, dass sich der Bundesrat in den ersten Wochen der Pandemie nicht mit der Krisenorganisation für die Bewältigung von Covid-19 auseinandersetzte, sondern die entsprechenden Entscheide den zuständigen Departementen und Bundesämtern überliess.197 Die Krisenorganisation entstand folglich parallel zur Entwicklung der Gesundheitslage, indem die organisatorischen Strukturen ­ teilweise abweichend von den geltenden rechtlichen Vorgaben ­ an die Umstände angepasst wurden.

Als im März 2020 der BSTB und der KSBC eingesetzt wurden, war es zu spät, um die Krisenmanagementstrukturen, die sich nach und nach gebildet hatten, grundsätzlich zu verändern. Zu jenem Zeitpunkt hatten das EDI und das BAG de facto bereits seit mehreren Wochen die strategische Führung inne.

Die GPK erwarten vom Bundesrat, dass er sich dieses Themas in künftigen Krisen aktiver annimmt und sicherstellt, dass frühzeitig grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation angestellt werden. Der Bundesrat wird gebeten, diesen Aspekt bei der laufenden Revision des EpG, des Pandemieplans198 und der Weisungen über das Krisenmanagement zu berücksichtigen. In Bezug auf den spezifischen
Fall einer Pandemie ersuchen die GPK den Bundesrat insbesondere, zu prüfen, ob es nicht sinnvoll wäre, an die Feststellung der «besonderen Lage» im Sinne des EpG automatisch einen Beschluss über die Einsetzung des BSTB, die Bildung eines «Fach-Krisenstabs» (vgl. Motion 1, Kap. 6.4.1) und die Schaffung eines Ad-hoc-Krisenstabs des Bundesrates zu knüpfen.

196 197

Namentlich seit dem Atomunfall von Tschernobyl von 1986.

Dieses Thema wurde nur ein einziges Mal behandelt und zwar im Rahmen der Beschlussfassung des Bundesrates über die Einsetzung des KSBC, d. h. mehr als zwei Monate nach der Einsetzung der BAG-Taskforce.

198 Für die GPK stellt sich die Frage, ob es angemessen ist, über einen Pandemieplan zu einem einzigen Virustyp zu verfügen oder ob nicht ein umfassenderer Ansatz sinnvoll wäre. Ein solcher Ansatz könnte wiederum Auswirkungen auf die benötigte Krisenorganisation des Bundes haben.

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Empfehlung 10: Grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation zu Beginn der Krise Dem Bundesrat wird empfohlen, dafür zu sorgen, dass in künftigen Krisen frühzeitig ­ also sobald erkannt wird, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise handelt, ­ grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation angestellt werden. Er wird gebeten, diesen Aspekt bei der laufenden Revision des Epidemiengesetzes, des Pandemieplans und der Weisungen über das Krisenmanagement im Allgemeinen zu berücksichtigen.

In Bezug auf den spezifischen Fall einer Pandemie empfehlen die GPK dem Bundesrat insbesondere, zu prüfen, ob es nicht sinnvoll wäre, an die Feststellung der «besonderen Lage» im Sinne des Epidemiengesetzes automatisch den Beschluss über die Krisenorganisation und die Zuständigkeiten der verschiedenen beteiligten Organe zu knüpfen, unter Berücksichtigung der bereits in Artikel 6 Absatz 3 EpG vorgesehenen Koordinationsaufgabe des EDI.

Die GPK halten abschliessend fest, dass vor allem zwei Personen durch die Kumulierung mehrerer Führungsfunktionen eine entscheidende Rolle bei der Koordination der Krisenorgane spielten: zum einen der damalige Direktor des BAG, der die Führungsund Entscheidkompetenz in der BAG-Taskforce hatte, den BSTB leitete und das BAG im KSBC vertrat, zum anderen der frühere Generalsekretär des EDI, der Mitglied aller Krisenorgane war und in der Folge den KSBC leitete. Die GPK sind der Ansicht, dass diese Anhäufung von Funktionen einen Vorteil für die Koordination der Krisenorgane und die Informationsübermittlung darstellte. Sie sind sich weiter bewusst, dass diese langjährigen Mitarbeiter der Bundesverwaltung ihre grosse Erfahrung und ihr Netzwerk einbrachten. Sie halten aber auch fest, dass diese beiden Personen hinter den Kulissen entscheidenden Einfluss auf das Krisenmanagement des Bundes als Ganzes199 nahmen, was aus Sicht der Kommissionen gewisse Risiken barg (vgl. Kap. 10).

Wie bereits erwähnt, sind die GPK der Ansicht, dass gewisse Grundsatzentscheide eher vom Bundesrat hätten getroffen werden müssen. Sie ersuchen den Bundesrat, darüber nachzudenken, welche Rolle die Amtsdirektorinnen und -direktoren in Krisenzeiten spielen sollen und ob es zweckmässig ist, dass diese Personen Führungsaufgaben in mehreren Krisenorganen gleichzeitig wahrnehmen (vgl. Empfehlung 7,
Kap. 6.4.7). Grundsätzlich stellen sich die GPK die Frage, ob es sinnvoll ist, dass die Leitung der drei wichtigsten Krisenorgane ein und demselben Departement obliegt.

Sie ersuchen den Bundesrat, im Rahmen der künftigen Revision der Krisenorganisation des Bundes zu prüfen, ob die Regeln für die Führung der bereichsübergreifenden Krisenorgane geklärt werden müssen (vgl. Postulat 1, Kap. 10).

199

Anführen lassen sich hier z. B. der Entscheid des damaligen BAG-Direktors, das Planungselement des BSTB nicht zu aktivieren, oder die Rolle des früheren Generalsekretärs des EDI bei der Schaffung des KSBC und dann, nachdem er zu dessen Leiter bestimmt war, bei der Festlegung der Aufgaben dieses Organs.

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Allgemeine Erwägungen der GPK zur Krisenorganisation des Bundes in der ersten Pandemiewelle

Wie in Kapitel 2 erwähnt, konzentrieren sich die GPK in diesem Bericht auf die Tätigkeiten der drei wichtigsten Organe, die zur Bewältigung der ersten Welle der Covid-19-Pandemie eingesetzt wurden. Sie kommen ausgehend von den in den Kapiteln 6 bis 8 dargelegten Ergebnissen ihrer Prüfung zum Schluss, dass die Zuständigkeiten dieser Organe nicht klar definiert waren, dass der BSTB und der KSBC die Aufgaben, die ihnen in den Rechtsgrundlagen und einschlägigen Vorgaben zugewiesen werden, nicht vollständig erfüllten und dass diese beiden Organe bei der Steuerung des Krisenmanagements nur eine subsidiäre Rolle spielten, während die Taskforce des BAG zusätzliche Aufgaben wahrnahm, ohne dass es dafür eine spezifische Rechtsgrundlage gab (vgl. Kap. 9.2).

Um die Gründe dafür besser zu verstehen, ist es notwendig, diese drei Organe in den allgemeineren Kontext der Krisenorganisation des Bundes in der ersten Pandemiewelle zu stellen. Die GPK legen im Folgenden die Feststellungen, die sie im Rahmen ihrer Untersuchung diesbezüglich gemacht haben, sowie ihre Beurteilung dar. Wie bereits in Kapitel 2 erwähnt, soll mit diesem Bericht keine umfassende Analyse der Krisenorganisation des Bundes geliefert werden, weshalb sich die GPK im Folgenden auf allgemeine Erwägungen beschränken.

Vorherrschender Einfluss des EDI auf das Krisenmanagement Die den GPK vorliegenden Informationen zeigen, dass das EDI in der ersten Pandemiewelle einen vorherrschenden Einfluss auf das Krisenmanagement des Bundes hatte. Fast sechs Wochen lang war die Taskforce des BAG das einzige Krisenorgan des Bundes. Nach der Bildung des BSTB und des KSBC wurden diese beiden Gremien ebenfalls dem Departement unterstellt.200 Ein Grossteil der Anträge an den Bundesrat zur Krisenmanagementstrategie wurde an der Schnittstelle zwischen dem EDI und dem BAG beschlossen (vgl. auch Kap. 6.4.6).

In den Augen der GPK ist dies insofern nachvollziehbar, als die gesundheitlichen Aspekte ganz klar im Vordergrund der Krise standen und sich der Bund in den ersten Wochen der Pandemie auf diese Aspekte konzentrieren musste. Das EpG selbst sieht unter Artikel 6 Absatz 3 vor, dass das EDI für die Koordination der Massnahmen des Bundes in der besonderen Lage zuständig ist (vgl. Kap. 4). Mehrere von den GPK befragte Akteure halten es für richtig, dass das EDI die Steuerung
des Krisenmanagements übernahm. Der Vorsteher des WBF beispielsweise wies darauf hin, dass es sich vor allem um ein Problem der öffentlichen Gesundheit handelte und dass der Bundesrat zu Beginn der Krise befürchtete, das Gesundheitssystem würde überlastet und könnte seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen.

Die GPK bedauern dennoch, dass der Bundesrat nicht früher erkannte, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt, und die anderen 200

Der BSTB war dem damaligen Direktor des BAG unterstellt und der KSBC unterstand dem ehemaligen Generalsekretär des EDI. Zudem war der KSBC dem EDI unterstellt; dieser Entscheid entspricht den Weisungen des Bundesrates, wonach der Ad-hoc-Stab des Bundesrates dem «federführenden Departement» angegliedert ist.

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thematischen Dimensionen, namentlich die wirtschaftlichen Folgen der Krise, in der Krisenorganisation nicht stärker berücksichtigt wurden (siehe unten).

Die GPK fragen sich zudem, ob es wirklich sinnvoll ist, in einer Krise dieses Ausmasses die drei wichtigsten Krisenorgane des Bundes demselben Departement zu unterstellen. Diese Konstellation mag zwar in mancherlei Hinsicht vorteilhaft sein, birgt aber auch Risiken (siehe unten).

Bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses Eine der grössten Schwächen des Krisenmanagements des Bundes in der ersten Pandemiewelle war aus Sicht der GPK, dass die Bundesbehörden zu spät erkannten, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses201 handelt. Wie bereits erwähnt, lag in den ersten Wochen der Schwerpunkt auf den gesundheitlichen Folgen der Pandemie, weshalb das EDI der Dreh- und Angelpunkt des Krisenmanagements war. Mit den wirtschaftlichen Folgen der Krise beispielsweise befasste sich der Bundesrat erst im März 2020.202 Der Austausch zwischen der Taskforce des BAG und dem SECO beschränkte sich lange auf arbeitsrechtliche Fragen. Ebenso geht aus den Protokollen der Taskforce hervor, dass der erste Kontakt zwischen dem BAG und dem VBS bezüglich der Einbindung der Armee erst am 24. Februar 2020 erfolgte.203 Erst Ende Februar 2020 ­ als die Fallzahlen in Italien sprunghaft anstiegen und anschliessend die besondere Lage erklärt wurde ­ scheint wirklich erkannt worden zu sein, dass es sich um eine globale Krise mit möglichen Auswirkungen auf alle Departemente handelt. Der Bundesrat reagierte in der Folge zwar rasch, indem er innerhalb von vier Tagen die besondere Lage erklärte und Grossveranstaltungen untersagte (vgl.

Kap. 6.4.2), hätte aber nach Meinung der GPK früher zu dieser Erkenntnis gelangen müssen.

Nach Ansicht der GPK sollte der Bundesrat im Rahmen der Früherkennung von Krisen über Indikatoren verfügen, anhand deren er voraussehen kann, ob sich eine sektorielle Krise zu einer globalen Krise entwickeln könnte. Die GPK halten dies insofern für zentral, als die erfolgreiche Bewältigung einer Krise durch die Verwaltung zum grossen Teil davon abhängt, ob es dieser gelingt, Entwicklungen vorzugreifen anstatt lediglich auf diese zu reagieren. Sie fordern den Bundesrat auf, die bestehenden Instrumente um einen klaren Prozess zu ergänzen,
anhand dessen der Bundesrat frühzeitig feststellen kann, ob es sich möglicherweise um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt. Erweist sich die Krise als global und bereichsübergreifend, sind unverzüglich grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation anzustellen (vgl. Empfehlung 8, Kap. 9.2).

201

Nach dem Verständnis der GPK ist eine Krise dann von globalem Ausmass, wenn sie viele Lebensbereiche betrifft und/oder international ist, und bereichsübergreifend, wenn zu ihrer Bewältigung der koordinierte Einsatz mehrerer Verwaltungseinheiten aus verschiedenen Bereichen erforderlich ist.

202 Die erste Informationsnotiz des WBF zuhanden des Bundesrates über die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft datiert vom 5. März 2020 («Auswirkungen des neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2 / COVID-19) auf die Gesamtwirtschaft, den Tourismus und die Schweizer Unternehmen in China»).

203 Abgesehen von einigen vorgängigen Kontakten bezüglich der Unterstützung der Kontrollen an den Flughäfen durch die Armee.

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Da erst relativ spät erkannt wurde, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt, wurden die Massnahmen zur Krisenbewältigung in den einzelnen Departementen mehrere Wochen lang individuell und unkoordiniert eingeleitet und erarbeitet. Dies dürfte wohl einer der Gründe dafür sein, weshalb das Krisenmanagement in der Folge zum grossen Teil in den üblichen Verwaltungsstrukturen verblieb und die später geschaffenen bereichsübergreifenden Organe ­ BSTB und KSBC ­ nicht in der Lage waren, ihre Führungsrolle wahrzunehmen (siehe unten).

Die GPK sind zudem der Meinung, dass die Krisenorganisation des Bundes nicht wirklich sämtliche thematischen Dimensionen der Krise zu berücksichtigen vermochte, konzentrierten sich die drei wichtigsten bereichsübergreifenden Organe doch vor allem auf die gesundheitlichen Aspekte. Wie bereits erwähnt, ist es für die GPK nachvollziehbar, dass diese Aspekte im Vordergrund standen. Die Kommissionen bedauern jedoch, dass die anderen thematischen Dimensionen, insbesondere die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, in der Krisenorganisation nicht stärker berücksichtigt wurden.

Die GPK halten zudem fest, dass die Bundesbehörden nicht nur das globale Ausmass und den bereichsübergreifenden Charakter der Krise verkannten, sondern zu Beginn der Krise auch deren mögliche Dauer unterschätzten (vgl. Kap. 6.4.2). Nach Ansicht der GPK unterscheidet sich die notwendige Organisation deutlich, je nachdem, ob eine Krise kurz, lang oder von unbestimmter Dauer ist. Alles deutet darauf hin, dass die Krisenorganisation des Bundes, wie sie in den vergangenen Jahren angedacht war und umgesetzt wurde, vor allem auf der Annahme einer Krise von kurzer und zeitlich beschränkter Dauer beruhte. Die GPK halten es für besonders wichtig, dass diesbezüglich Lehren für künftige Krisen gezogen werden. Sie fordern den Bundesrat insbesondere auf, dafür zu sorgen, dass die Verwaltung in Fällen von möglichen Krisen den Fragen im Zusammenhang mit der Krisendauer (Aufgabenverzicht, Personalplanung, Durchhaltefähigkeit von Krisenstrukturen) grössere Aufmerksamkeit schenkt.

Sie ersuchen ihn zudem, diesen Punkt bei der künftigen Revision der Krisenorganisation des Bundes zu prüfen (vgl. Postulat 1 weiter unten).

Empfehlung 11: Berücksichtigung des globalen Ausmasses und des bereichsübergreifenden
Charakters sowie der Dauer einer Krise Dem Bundesrat wird empfohlen, die bestehenden Instrumente zur Früherkennung von Krisen um einen klareren, auf Indikatoren beruhenden Prozess zu ergänzen, anhand dessen er frühzeitig feststellen kann, ob es sich möglicherweise um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt.

Dem Bundesrat wird empfohlen, bei einer bereichsübergreifenden Krise globalen Ausmasses sicherzustellen, dass alle thematischen Dimensionen der Krise in der Krisenorganisation ausgewogen berücksichtigt werden.

Zu guter Letzt wird dem Bundesrat empfohlen, dafür zu sorgen, dass die Verwaltung in Fällen von möglichen Krisen den Fragen im Zusammenhang mit der Krisendauer (Aufgabenverzicht, Personalplanung, Durchhaltefähigkeit von Krisenstrukturen) grössere Aufmerksamkeit schenkt. Der Bundesrat wird gebeten, diesen Aspekt bei der künftigen Revision der Krisenorganisation des Bundes zu 98 / 134

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prüfen und den GPK die entsprechenden Massnahmen, insbesondere in Bezug auf die Rechtsgrundlagen und einschlägigen Vorgaben sowie die Personalausbildung, zu präsentieren.

Bereichsübergreifender Ansatz vs. Departementalprinzip im Krisenmanagement Die Rechtsgrundlagen und Vorgaben sehen vor, dass die strategische Steuerung des Krisenmanagements in den bereichsübergreifenden Organen des Bundes erfolgt (BSTB, Ad-hoc-Krisenstab des Bundesrates). Die GPK halten indes fest, dass dieser Grundsatz de facto nicht eingehalten wurde, da diese Gremien letztlich vor allem für den Informationsaustausch und die Koordination zuständig waren. Das Krisenmanagement erfolgte zu einem grossen Teil in den üblichen Verwaltungsstrukturen, die im RVOG und in der RVOV definiert sind, d. h., die Anträge an den Bundesrat zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie wurden von den Bundesämtern und den Departementen ausgearbeitet und dem Bundesrat auf dem klassischen Dienstweg, einschliesslich Ämterkonsultation und Mitberichtsverfahren, übermittelt ­ und dies trotz der bisweilen sehr hohen Dringlichkeit.

In der Krise wurde also sehr stark am Departementalprinzip festgehalten. Letztlich war es gewissermassen der Bundesrat selbst, der als wichtigster Krisenstab des Bundes fungierte und dabei von den üblichen Verwaltungsstrukturen, allen voran vom EDI und von der Taskforce des BAG, unterstützt wurde. Die Koordination für die Beschlussfassung des Bundesrates wurde von der GSK sichergestellt (siehe unten), die ab Ende März 2020 teilweise vom KSBC unterstützt wurde. Der BSTB wiederum übte eine subsidiäre Koordinationsfunktion aus, vor allem für das EDI.

Aus Sicht der GPK ist die starke Gewichtung des Departementalprinzips im Krisenmanagement der Grund dafür, dass weder der BSTB noch der KSBC letztlich in der Lage waren, eine Führungsfunktion zu übernehmen,204 während die Taskforce des BAG, die im Rahmen der üblichen Verwaltungsstrukturen geschaffen wurde, eine entscheidende Rolle spielte.205 Mehrere befragte Akteure teilten den GPK mit, weshalb sich der departementale Ansatz ihrer Meinung nach besser für das Krisenmanagement eignete. Der Vorsteher des EDI meinte, dass eine Krise nicht der richtige Zeitpunkt ist, neue Gremien zu schaffen, sondern dass es besser ist, auf bewährte Strukturen zu setzen. Er hob insbesondere hervor, dass es von Vorteil ist, in einem Umfeld zu arbeiten, in dem sich alle kennen 204

Das Vorgehen zur Einsetzung des KSBC (vgl. Kap. 8) ist ein gutes Beispiel für die zentrale Rolle, welche das Departementalprinzip beim Krisenmanagement spielte. Der erste Antrag zur Krisenorganisation des Bundes, den das EDI dem Bundesrat am 17. März 2020 unterbreitete, sah den Aufbau einer dem EDI unterstellten Krisenorganisation vor, die sich ausschliesslich mit den gesundheitlichen Aspekten der Pandemie befassen sollte und an der nur wenige Verwaltungseinheiten beteiligt waren. Nach dem Mitberichtsverfahren beschloss der Bundesrat letztlich, einen Ad-hoc-Krisenstab einzusetzen, in welchem alle Departemente vertreten sein sollten und der nebst den gesundheitlichen auch die wirtschaftlichen, finanziellen und aussenpolitischen Aspekte der Krise bearbeiten sollte. De facto wurde dieser Krisenstab allerdings dem früheren Generalsekretär des EDI unterstellt und war er in erster Linie für die Koordination der vom BAG und vom EDI vorbereiteten gesundheitlichen Beschlüsse des Bundesrates zuständig.

205 Auch wenn die Entscheidkompetenzen im BAG nicht klar geregelt waren (vgl. Kap. 6.4.7).

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und es gewohnt sind, zusammenzuarbeiten, insbesondere dann, wenn nicht bekannt ist, wie lange die Krise dauert. Er räumte jedoch auch ein, dass der hohe Rhythmus der Pandemie und die Arbeit unter grossem Zeitdruck eine Herausforderung für die Schweizer Institutionen waren. Der aktuelle Generalsekretär des EDI vertrat die Ansicht, dass sich der Bundesrat nicht durch einen Krisenstab ersetzen lassen kann, sondern selbst Entscheide fällen muss. Hierzu habe er sich auf die eigenen Strukturen gestützt, d. h. auf die Departemente und Ämter. Die anderen Organe hätten eine komplementäre Rolle gespielt. Auch aus seiner Sicht ist es wichtig, sich auf bestehende Abläufe und Netzwerke in der Verwaltung stützen zu können. Der Stabschef des BSTB schliesslich war der Auffassung, dass der Entscheid, auf Konsultationen im BSTB zu verzichten und diese stattdessen in den üblichen Verwaltungsstrukturen durchzuführen, vor allem dem Faktor Zeit geschuldet war.

Die GPK können die Argumente für ein Krisenmanagement innerhalb der üblichen Verwaltungsstrukturen teilweise nachvollziehen. Angesichts einer so komplexen Situation ist es normal, dass die mit dem Krisenmanagement betrauten Personen auf die bestehenden Strukturen, die ihrer üblichen Arbeitsweise am nächsten kommen und daher am leichtesten zu nutzen sind, zurückgreifen. Sich auf eine Organisation, in der sich die Menschen kennen, und auf bewährte Prozesse stützen zu können, ist eindeutig von Vorteil, wenn Beschlüsse rasch gefasst werden müssen. Das Beispiel der guten Zusammenarbeit des EDI und des BAG zeigt dies. Zudem braucht der Aufbau einer spezifischen Krisenorganisation Zeit und an dieser fehlte es beim Ausbruch der Pandemie. Deshalb überrascht es nicht, dass das Krisenmanagement im Rahmen der bestehenden Strukturen in den Departementen eingeleitet wurde.

Die GPK weisen indes darauf hin, dass diese Vorgehensweise nicht gänzlich dem entsprach, was die Rechtsgrundlagen und Vorgaben vorsehen, obwohl deren Praxistauglichkeit in den vergangenen Jahren in mehreren Krisenübungen überprüft wurde.

Dies zeigt in den Augen der GPK die folgenden zwei grundsätzlichen Probleme des Krisenorganisationskonzepts des Bundes:

206

­

Normenhierarchie: Die wichtigsten Normen für die Krisenorganisation des Bundes sind die Weisungen des Bundesrates über das Krisenmanagement.

Diese sind jedoch auf einer tieferen Hierarchiestufe angesiedelt als die Normen für die übliche Organisation der Verwaltung (RVOG und RVOV). Die Funktionsweise des BSTB wiederum ist auf Verordnungsstufe geregelt. Angesichts dieser Normenhierarchie war es dem KSBC und dem BSTB nicht möglich, eine übergeordnete Führungsrolle gegenüber den Departementen einzunehmen.206

­

Unklarheit über die Zuständigkeiten der Krisenorgane: Die Weisungen über das Krisenmanagement sehen vor, dass der Ad-hoc-Krisenstab «Handlungsoptionen und Entscheidgrundlagen für den Bundesrat [vorbereitet]».

Auch in der Verordnung über den BSTB heisst es, dass dieser «Entscheidungsgrundlagen zuhanden des Bundesrates [erarbeitet]». Nicht ausdrücklich festgehalten ist jedoch, ob diese Organe dem Bundesrat direkt, d. h. ohne den Hierzu hätte der Bundesrat in der Krise die Rechtsgrundlagen ändern müssen (er hätte z. B. die Aufgaben und Kompetenzen des KSBC in einer Notverordnung festlegen oder bestimmte Grundsätze des RVOG oder der RVOV vorübergehend aussetzen müssen).

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Umweg über die Departemente, Anträge stellen dürfen. Ebenso sehen die Weisungen zwar vor, dass der Ad-hoc-Krisenstab des Bundesrates gegenüber den anderen im Einsatz stehenden Krisenstäben weisungsbefugt ist, präzisieren aber nicht, ob der Ad-hoc-Krisenstab auch gegenüber den Departementen oder Ämtern weisungsbefugt ist.

Die GPK sind erstaunt darüber, dass diese Probleme nicht bei den früheren Krisensimulationen erkannt wurden bzw. dass diese Simulationen den Auftritt solcher Mängel nicht verhindern konnten (siehe unten). Ihrer Meinung nach hätte man voraussehen müssen, dass die üblichen Verwaltungsstrukturen eine entscheidende Rolle in der Krise spielen und sich gegen die bereichsübergreifenden Organe durchsetzen würden.

Die Kommissionen halten es für wichtig, dass der Bundesrat diese Aspekte bei der künftigen Revision der Krisenorganisation des Bundes eingehend prüft und anhand dieser Analyse entscheidet, ob eine Anpassung der Rechtsgrundlagen erforderlich ist (vgl. Postulat 1 weiter unten).

Die GPK weisen zudem darauf hin, dass das Management einer Krise innerhalb der bestehenden Verwaltungsstrukturen auch bestimmte Nachteile mit sich bringt. Diese Strukturen sind nicht dafür vorgesehen, dass der Bundesrat Beschlüsse ­ einschliesslich einer Konsultation der betroffenen Akteure ­ mit der hohen Dringlichkeit fasst, welche die Krise diktiert. Dies kann zur Folge haben, dass die verschiedenen Interessen nur teilweise berücksichtigt oder Entscheide mit Verzögerung getroffen werden.207 Darüber hinaus führte diese Situation im vorliegenden Fall zu einer sehr hohen Arbeitsbelastung in der gesamten Verwaltung und in der Folge zu Problemen beim Personalmanagement (diesbezüglich kann das BAG als Beispiel angeführt werden, vgl. Kap. 6.4.5). Das Arbeiten in den Departementsstrukturen birgt zudem das Risiko, dass das Krisenmanagement aufgespalten wird und es den getroffenen Massnahmen an allgemeiner Kohärenz fehlt bzw. dass der Bundesrat das Krisenmanagement nur passiv, d. h. auf der Grundlage der Einzelanträge der Departemente, steuert. Mit der Übertragung des Krisenmanagements auf bereichsübergreifende Organe wie den BSTB oder einen Ad-hoc-Krisenstab soll gerade sichergestellt werden, dass die Interessen der einzelnen Einheiten und Departemente ausgewogen berücksichtigt werden.

Zu guter Letzt kann sich
die Tatsache, dass das Krisenmanagement in den üblichen Verwaltungsstrukturen und nicht in eigens dafür vorgesehenen Strukturen erfolgt, als problematisch erweisen für die Transparenz der Beschlussfassung sowohl innerhalb der Verwaltung als auch gegenüber dem Parlament und der Bevölkerung. Das Beispiel des BAG zeigt, dass es wichtig ist, die Krisenmanagementaufgaben bestmöglich von den üblichen Aufgaben der Verwaltung zu trennen (vgl. Kap. 6.4.7).

Aus Sicht der GPK hat die Coronakrise aufgezeigt, dass es für das Krisenmanagement zwei unterschiedliche Ansätze gibt: zum einen die Übertragung auf bereichsübergreifende Organe mit Entscheidkompetenz und Weisungsbefugnis, zum anderen das Festhalten an den üblichen, gegebenenfalls punktuell verstärkten Verwaltungsstrukturen.

Die GPK kommen zum Schluss, dass sich diese beiden Ansätze ergänzen: Eine Krise

207

Die Bundespräsidentin von 2020 und der Bundeskanzler betonten gegenüber den GPK, dass die Koordination der Krisengeschäfte im Bundesratskollegium eine Herausforderung darstellte.

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dieses Ausmasses kann nicht ausschliesslich innerhalb der üblichen Verwaltungsstrukturen bewältigt werden; umgekehrt wäre eine völlig von den Departementen losgelöste, bereichsübergreifende Krisenorganisation weder realistisch noch effizient.

Die GPK sind der Auffassung, dass für ein erfolgreiches Krisenmanagement eine ausgewogene Kombination dieser beiden Ansätze notwendig ist, wobei die jeweiligen Vorteile jedes Ansatzes genutzt werden sollten. Diese Kombination muss angepasst werden können, je nachdem, um welchen Krisentyp es sich handelt, ob die Krise global oder sektoriell ist und wie lange sie dauert.

Die GPK halten es für notwendig, dass der Bundesrat bei der künftigen Revision der Krisenorganisation des Bundes grundsätzliche Überlegungen darüber anstellt, wie ein angemessenes Verhältnis zwischen diesen beiden Ansätzen gefunden werden kann, und den bestehenden Strukturen in den Departementen in seiner künftigen Krisenorganisation Rechnung trägt (vgl. Postulat 1 weiter unten). Deshalb ersuchen sie ihn, zu eruieren, bei welchen Aspekten des Krisenmanagements die üblichen Verwaltungsstrukturen zu guten Ergebnissen führten und bei welchen eine bessere bereichsübergreifende Koordination erforderlich gewesen wäre.

Rolle der GSK Die GPK haben im Rahmen dieser Untersuchung die Rolle und Funktionsweise der GSK im Krisenmanagement des Bundes nicht eingehend geprüft. Da die Pandemiebewältigung jedoch zu einem grossen Teil in den üblichen Verwaltungsstrukturen erfolgte, kommen die GPK zum Schluss, dass die GSK, die gemäss Artikel 53 RVOG die Koordinationstätigkeit in der Bundesverwaltung steuert, beim Krisenmanagement eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielte.208 Diese Vorgehensweise stiess jedoch an ihre Grenzen, da der KSBC gebildet werden musste, um der GSK die Koordination bestimmter Gesundheitsfragen abzunehmen. Vor diesem Hintergrund fragen sich die GPK, inwieweit die GSK tatsächlich dazu geeignet war, die strategische Koordination zu gewährleisten (insbesondere ob sie über genügend Ressourcen und Fachwissen verfügte).

Die BK kommt in ihrem Evaluationsbericht zum Schluss, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten der GSK in der ersten Pandemiewelle nicht klar waren; die GSK habe am Anfang eine Aufgabe als Krisenorganisation gehabt und sei dann in den Gremien aufgegangen.

Die GPK ersuchen den
Bundesrat, bei der künftigen Revision der Krisenorganisation des Bundes kritisch zu prüfen, welche Rolle die GSK in der Krisenorganisation spielte, und zu präzisieren, welche Aufgaben dieses Organ in künftigen Krisen zu erfüllen hat bzw. wie es bei der Koordination in Krisenzeiten unterstützt werden sollte (vgl. Postulat 1 weiter unten).

Leitung der Krisenorgane Wie bereits erwähnt, wurden die drei wichtigsten Krisenorgane ­ direkt oder indirekt ­ vom EDI geleitet. Dies ist für die GPK insofern nachvollziehbar, als die gesundheit-

208

Im Übrigen übernahm die GSK nach der Rückkehr zur «besonderen Lage» im Juni 2020 offiziell die Koordination zwischen den Departementen (vgl. Kap. 6.3).

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lichen Aspekte in diesem Dossier im Vordergrund standen. Die GPK fragen sich jedoch, ob in einer Krise dieses Ausmasses eine solche Konzentration von Führungsbefugnissen angebracht ist. Diese weist ­ namentlich in Sachen Koordination ­ Vorteile auf, birgt aber auch Risiken: Erstens besteht die Gefahr, dass das betroffene Departement eine zu gewichtige Rolle in der Krisenorganisation des Bundes einnimmt, was zulasten einer angemessenen Vertretung der Interessen der anderen Departemente geht. Zweitens kann es die Organisation schwächen, wenn sie sich auf einige wenige Personen stützt.

Die GPK fragen sich, ob es sinnvoll ist, dass der Direktor bzw. die Direktorin des mit dem Krisenmanagement betrauten Bundesamtes auch die Leitung des BSTB übernimmt, oder ob es nicht zweckmässiger wäre, wenn dieses Organ von einer Person aus einem anderen Departement ­ z. B. vom Direktor bzw. von der Direktorin des BABS ­ geleitet wird. Ebenso fragen sich die Kommissionen, ob der Ad-hoc-Krisenstab des Bundesrates nicht der BK oder einer vom Bundesrat bezeichneten «Krisenmanagerin» bzw. einem vom Bundesrat bezeichneten «Krisenmanager» oder gar der Bundespräsidentin bzw. dem Bundespräsidenten unterstellt werden sollte.209 Mit den in der Krisenorganisation vorgesehenen bereichsübergreifenden Organen wie dem BSTB oder dem Ad-hoc-Krisenstab des Bundesrates soll nach Ansicht der GPK gerade ein ausgewogenes Krisenmanagement gewährleistet werden, das möglichst allen Interessen Rechnung trägt, d. h. den Interessen aller Departemente, aber auch denjenigen der Kantone und anderer externer Akteure. Diese Organe stellen eine Art «Gegengewicht» zur zentralen Rolle dar, die das federführende Departement zu Recht im Krisenmanagement spielt. Eine solche Funktion wird jedoch relativiert, wenn ein und dasselbe Departement für die Leitung all dieser Organe zuständig ist.

Die GPK fragten die Bundespräsidentin von 2020, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, ihr den KSBC zu unterstellen. Diese teilte mit, dass sich angesichts des grossen Drucks und der zahlreichen Unwägbarkeiten sowie der Notwendigkeit, rasch zu handeln, diese Frage in der ersten Welle gar nicht stellte und es keinen Anlass gab, der Bundespräsidentin den Lead zu übertragen.

Auf die Frage, ob es sinnvoll gewesen wäre, einen zentralen Koordinator oder eine zentrale Koordinatorin
aus der Bundesverwaltung mit der Steuerung des Krisenmanagements zu betrauen, antworteten sowohl der Vorsteher des EDI als auch der ehemalige und der aktuelle Generalsekretär des Departements, dass diese Lösung nicht geeignet gewesen wäre. Der ehemalige Generalsekretär ist der Auffassung, dass die Steuerung des Krisenmanagements eine politisch relevante Aufgabe ist, die dem Bundesrat und dem Parlament obliegt, und dass es einer solchen Koordinatorin bzw. einem solchen Koordinator an Legitimität gefehlt hätte. Für den Vorsteher des EDI hätte sich mit einer solchen Struktur die Gefahr vergrössert, dass sich die anderen Beteiligten weniger stark engagieren und die Verantwortung dem Krisenmanager bzw. der Krisenmanagerin überlassen.

209

Die Weisungen des Bundesrates über das Krisenmanagement regeln nicht eindeutig, wer den Ad-hoc-Krisenstab des Bundesrates leitet. Sie halten fest, dass «[d]ie Vorsteherin oder der Vorsteher des federführenden Departements oder die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident [...] einen Ad-hoc-Krisenstab des Bundesrates bilden [kann]» (Ziff. 4.1.1) und «[d]as federführende Departement [...] die für das Krisenmanagement benötigten Funktionen und Stellen [aktiviert]» (Ziff. 4.1.2).

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Die GPK erwarten vom Bundesrat, dass er bei der künftigen Revision der Krisenorganisation des Bundes vertieft prüft, ob die Bestimmungen über die Leitung der bereichsübergreifenden Organe geklärt bzw. angepasst werden müssen (vgl. Postulat 1 weiter unten).

Ausschuss des Bundesrates Die GPK haben sich zudem die Frage gestellt, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, dass der Bundesrat einen mit dem Krisenmanagement betrauten Ausschuss210 bestellt. Dieser Aspekt ist Gegenstand einer Motion vom Juni 2021211 (vgl. Kap. 4). Der Vorsteher des EDI erklärte gegenüber den GPK, dass die Möglichkeit, einen solchen Bundesratsausschuss zu bilden (bestehend aus dem EDI, dem VBS und dem WBF) ab Ende Februar 2020 in Betracht gezogen wurde. Letztlich habe sich der Bundesrat aber für die Einberufung eines Ad-hoc-Krisenstabs entschieden. Es sei rasch klar gewesen, dass alle Departemente von der Pandemie betroffen sind und deshalb in die Krisenorganisation einbezogen werden sollten.

Die GPK sind dennoch der Auffassung, dass die Möglichkeit, im Krisenfall einen Bundesratsausschuss einzusetzen, geprüft werden sollte. Aus ihrer Sicht würde mit einem solchen Ausschuss vermieden, dass das Krisenmanagement weitgehend in der Hand eines einzigen Departements liegt (im vorliegenden Fall beim EDI), was dem Meinungsaustausch und einer ausgewogeneren Vertretung der verschiedenen Interessen zuträglich wäre. So müsste auch nicht der Gesamtbundesrat die Rolle des Krisenstabs des Bundes wahrnehmen und würde die Vorbereitung der strategischen Entscheide im Rahmen des Krisenmanagements an ein eigens dafür vorgesehenes Organ delegiert. Ein solches Organ würde aufgrund seiner Verankerung im RVOG zudem über eine grössere Führungslegitimität verfügen als ein Ad-hoc-Krisenstab wie der KSBC.

Für die GPK bleibt die Frage offen, welche Departemente gegebenenfalls in einem solchen Ausschuss vertreten sein sollten bzw. nach welchen Kriterien die Vertretung bestimmt werden sollte. In den Augen der GPK ist zu bedenken, dass sich die Zusammensetzung eines solchen Ausschusses ­ je nach den vorrangigen Themen ­ im Laufe der Krise ändern könnte. Zu guter Letzt müssten die konkreten Aufgaben eines solchen Ausschusses explizit festgelegt werden. Um effizient zu sein, müsste ein solcher Ausschuss zudem angemessen unterstützt werden, d. h., ihm müssten ein eigener Verwaltungsstab und Fachkompetenzen bereitgestellt werden.

210

Gemäss Art. 23 RVOG kann der Bundesrat für bestimmte Geschäfte aus seiner Mitte Ausschüsse bestellen. Diese bestehen in der Regel aus drei Mitgliedern. Die Ausschüsse bereiten Beratungen und Entscheidungen des Bundesrates vor oder führen für das Kollegium Verhandlungen mit anderen in- und ausländischen Behörden oder mit Privaten.

211 Mo. Stark «Führungsstruktur des Bundesrates krisenresilient machen» vom 15. Juni 2021 (21.3722). Diese verlangt insbesondere, dass «spätestens dann, wenn eine Pandemie droht, ein Bundesratsausschuss zu konstituieren ist, in dem allfällige Entscheide des Bundesrats zur Ausrufung einer besonderen oder ausserordentlichen Lage gemäss EpG sowie alle weiteren sich darauf stützenden Entscheide vorberaten werden; der Bundesratsausschuss stellt Antrag an den Bundesrat».

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Die GPK weisen darauf hin, dass ­ unabhängig vom Bestehen eines solchen Ausschusses ­ die endgültige Beschlussfassung immer dem Bundesrat obliegt und die Departemente ihre Interessen im Rahmen der Ämterkonsultation oder des Mitberichtsverfahrens geltend machen können.

Krisenübungen Wie bereits erwähnt, wich das Krisenmanagement des Bundes in der Praxis in mehreren Punkten von dem ab, was konzeptionell vorgesehen und in der Vergangenheit mehrfach geübt worden war. Die Rolle des BSTB beispielsweise unterschied sich in der Theorie und Praxis sehr stark (vgl. Kap. 7). Dabei stellt sich die Frage nach den Lehren, welche aus vergangenen Krisenübungen gezogen wurden.

Die GPK haben vorliegend weder die Angemessenheit von Krisenübungen der Bundesverwaltung noch die Umsetzung daraus resultierender Empfehlungen durch Departemente und Ämter im Detail analysiert, da dies den Rahmen der vorliegenden Untersuchung gesprengt hätte. Deshalb äussern sich die Kommissionen hierzu nicht.

Sie stellen jedoch fest, dass diese Übungen in der Tat ihren Zweck nicht vollständig erfüllten, weil sie es der Bundesverwaltung nicht erlaubten, optimal auf die Covid-19Krise vorbereitet zu sein. Die Bundesbehörden wurden zu Beginn der Pandemie von der Lageentwicklung überrascht und die Krisenorganisation des Bundes wurde in mehreren Punkten nicht den Vorgaben oder Rechtsgrundlagen entsprechend umgesetzt.

Der Vorsteher des EDI machte gegenüber den GPK geltend, dass sich eine Übung niemals mit einer wirklichen Pandemie vergleichen lässt (vgl. Kap. 6.4.1). Die GPK können dieses Argument bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Selbstverständlich sprengt eine Krise vom Ausmass der Covid-19-Pandemie zwangsläufig den Rahmen einer einfachen Übung und es treten unerwartete Probleme auf. In diesem Sinne wäre es auch schwierig gewesen, eine derart langandauernde Krise von zwei Jahren und deren Auswirkungen im Rahmen einer Übung zu simulieren. Dennoch gilt es festzuhalten, dass bestimmte grundlegende Aspekte offensichtlich nicht von allen Akteuren erkannt wurden, insbesondere der Einstieg in die Krisenbewältigung, die Tatsache, dass das Departementalprinzip im Vordergrund steht und die bereichsübergreifenden Krisenorgane nicht in der Lage sind, ihre Aufgaben vollständig wahrzunehmen.

Gemäss der im Rahmen der Evaluation der BK befragten
Personen waren die Erfahrungen von vergangenen Krisen und Krisenübungen nützlich. Die Frage, ab wann man in einer Krise sei, sei jedoch bei den Übungen zu wenig thematisiert worden. Zudem hätten vereinzelt Führungskräfte und Organe nicht daran teilgenommen und daher mehr Zeit benötigt, um ihre Rolle in der ausserordentlichen Lage zu finden.212 Der Bundesrat hat die BK und das EPA beauftragt, zusammen mit den Departementen für eine regelmässige und einheitliche Aus- und Weiterbildung der Mitglieder ihrer Krisenstäbe sowie ihrer Führungs- und Schlüsselpersonen im Krisenmanagement zu sorgen (Empfehlung 3).

212

Bericht der Bundeskanzlei vom 11. Dez. 2020 zur Auswertung des Krisenmanagements in der ersten Phase der Covid-19-Pandemie (1. Phase / Febr. bis Aug. 2020), S. 16.

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Die GPK halten es für notwendig, dass der Bundesrat die Krisenübungen des Bundes kritisch prüft, und dass er für eine angemessene Umsetzung der Empfehlungen aus solchen Übungen durch die Verwaltung sorgt. Die GPK erachten es insbesondere als wichtig, dass bei künftigen Übungen berücksichtigt wird, welche Rolle die tatsächlich bestehenden Strukturen des Bundes und das Departementalprinzip in der Bundesverwaltung auch in Krisenzeiten spielen. Weiter sollte auch überprüft werden, wie die Bundesverwaltung im Rahmen dieser Übungen besser auf unvorhergesehene Probleme einer Krise vorbereitet werden könnte. Schliesslich sollten aus Sicht der GPK solche Übungen in Bezug auf die verschiedenen Aspekte einer Krise und deren Folgen eine Denkweise fördern, die sich stärker am Grundsatz «Thinking outside the box» orientiert.213 Da das Postulat 21.3449 der SiK-S214 (vgl. Kap. 4), das vom Ständerat im September 2021 angenommen wurde, die Krisenvorbereitung zum Gegenstand hat, gehen die GPK davon aus, dass der Bundesrat die obigen Punkte in diesem Rahmen prüfen wird.

Sie sehen deshalb davon ab, eine entsprechende Empfehlung abzugeben, und unterstützen das Postulat.

Einbezug der Kantone in die Krisenorganisation Die Koordination zwischen Bund und Kantonen beim Krisenmanagement ganz allgemein wird von der GPK-S separat untersucht. Dennoch legen die GPK im Folgenden kurz ihre Erwägungen zur Art und Weise dar, wie die Kantone in die drei wichtigsten untersuchten Krisenorgane einbezogen wurden.

Im Grossen und Ganzen sind die GPK der Auffassung, dass die Schnittstellen zu den Kantonen in den drei wichtigsten Krisenorganen nicht zufriedenstellend und nicht kohärent geregelt waren. Die Kantone wurden zwar in diese Gremien einbezogen, doch war ihre Teilnahme im Wesentlichen auf eine passive Rolle beschränkt und waren ihre Einflussmöglichkeiten begrenzt. In der Taskforce des BAG fand die Zusammenarbeit ­ abhängig von den spezifischen Themen ­ vor allem in den AG statt. An den Plenarsitzungen der Taskforce hingegen nahm keine Kantonsvertretung teil. Im KSBC waren die Kantone durch den Generalsekretär der KdK vertreten. Dieser zog in Bezug auf die Einbindung der Kantone jedoch eine eher negative Bilanz dieses Organs (vgl. Kap. 8.2.2). Im BSTB schliesslich waren mehrere kantonale Organe vertreten. Allerdings war dieses
Gremium im Wesentlichen für die operative Koordination zuständig und nahm keine Führungsaufgaben wahr (vgl. Kap. 7).

In ihrem Zwischenbericht zum Krisenmanagement vom Dezember 2020215 äusserte die KdK verschiedentlich Kritik in Bezug auf die Einbindung der Kantone in die Krisenorganisation des Bundes. Sie hielt fest, dass der KSBC und der BSTB «von einer 213

«Thinking outside the box» bedeutet im Amerikanischen, anders, unkonventionell oder ausserhalb des vorgegebenen Rahmens zu denken. Es handelt sich hierbei um eine Art des Denkens und der Ideenfindung, bei welcher die Teilnehmenden aufgerufen sind, so offen wie möglich zu sein und Dogmen und Prinzipien abzulegen, die diese Art des Denkens und der Ideenfindung in der Regel bestimmen und daher möglicherweise behindern.

214 Po. SiK-S «Strategisches Krisenmanagement» vom 25. März 2021 (21.3449). In Ziffer 3 dieses Postulats wird die Frage aufgeworfen, welche Übungen oder Ausbildungsmodelle notwendig sind, um die Führungsfähigkeit dieser Stäbe im Krisenfall sicherzustellen.

215 Covid-19-Pandemie: Das Krisenmanagement in der ersten Welle aus Sicht der Kantone, Zwischenbericht der Konferenz der Kantonsregierungen vom 18. Dez. 2020.

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Mehrheit der Kantone nicht als nützlich erachtet [wurde], da ihre jeweilige Rolle nicht klar zu erkennen war» und dass diese Organe «für materielle Diskussionen oder die Entscheidfindung nicht geeignet [waren]». Aus Sicht der KdK erleichterten diese Organe «die Koordination zwischen den Kantonen und Bund nur unwesentlich [...].

Vielmehr [trugen] sie zu einer Vervielfachung der Informationskanäle und einem Verlust eines Gesamtüberblicks bei [...]».

Diese Feststellungen werden auch vom Schlussbericht der KdK bestätigt, welcher im Mai 2022 veröffentlicht wurde.216 Die KdK kommt zum Schluss, dass die beiden nationalen Krisenstäbe (KSBC und BSTB) ihre Rolle in der Entscheidvorbereitung aufgrund ihrer Grösse und heterogenen Zusammensetzung nicht erfüllten, sondern vor allem als Plattform für den Informationsaustausch dienten. Die KdK stellt fest, dass die politischen Entscheidungsgrundlagen nicht in der ursprünglich dafür vorgesehenen Organisationsstruktur vorbereitet wurden. Stattdessen hätten sektorielle technische Krisengremien, welche ad hoc einberufen worden seien, diese Aufgabe wahrgenommen, wobei die Kantone nicht systematisch einbezogen worden seien. Zudem sei der politische Austausch zwischen Bund und Kantonen (vor allem zu Beginn der Krise) nicht klar geregelt gewesen und dieser sei grösstenteils bereichsspezifisch geblieben. Als Schlussfolgerung verleiht die KdK ihrem Wunsch nach der Schaffung eines permanenten und departementsübergreifenden Krisenstabs des Bundes auf operativer Ebene und unter Einbezug von Kantonsvertretungen, der die Vorbereitung von Grundlagen für politische Entscheide auf Bundesebene sicherstellt, Ausdruck.217 Die KdK lädt den Bundesrat ein, die Rolle und eine allfällige Weiterentwicklung des BSTB zu prüfen und die einschlägigen Rechtsgrundlagen anzupassen.

Die BK räumte in ihrem Bericht zur Auswertung der ersten Phase der Krise218 ein, dass die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen «dadurch erschwert [wurde], dass zu Beginn der Krise keine klaren Informations-, Kommunikations- und Konsultationskanäle festgelegt wurden». Auf dieser Grundlage formulierte sie vier Maximen, nach denen sich die Zusammenarbeit mit den Kantonen in Krisenzeiten richten soll.

Der Bundesrat beauftragte deshalb Ende 2020 die BK und das Eidgenössische Justizund Polizeidepartement (EJPD),
im Einvernehmen mit den Kantonen die Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten von Bund und Kantonen in Krisenzeiten sowie die Abläufe und die Schnittstellen zu präzisieren.

Nach Ansicht der GPK wurde der Einbezug der Kantone in die strategischen Überlegungen im Rahmen des Krisenmanagements dadurch stark relativiert, dass den beiden 216

Zusammenarbeit von Bund und Kantonen in der Covid-19-Epidemie: Schlussfolgerungen und Empfehlungen, Schlussbericht der KdK vom 29. Apr. 2022 (vgl. insbesondere Kap. 4). Da dieser Bericht erst kurz vor der Veröffentlichung des vorliegenden Berichts publiziert wurde, haben die GPK keine detaillierte Analyse des Berichts vornehmen können. Sie haben jedoch festgestellt, dass die Schlussfolgerungen der KdK betreffend die Krisenorganisation auf Bundesebene grösstenteils den Feststellungen der GPK entsprechen. Im Rahmen der künftigen Arbeiten werden die GPK den Bericht der KdK im Detail analysieren und sich über die Umsetzung der Empfehlungen durch die Bundesbehörden informieren.

217 Zusammenarbeit von Bund und Kantonen in der Covid-19-Epidemie: Schlussfolgerungen und Empfehlungen, Schlussbericht der KdK vom 29. Apr. 2022, S. 17 f.

218 Bericht der Bundekanzlei vom 11. Dez. 2020 zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie (1. Phase / Febr. bis Aug. 2020).

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bereichsübergreifenden Organen, in denen die Kantone mitwirkten, letztlich keine Führungsrolle zukam und dass das Krisenmanagement zu einem grossen Teil in den üblichen Verwaltungsstrukturen erfolgte.

In den Augen der GPK hätte der Bundesrat die Grundsätze für den Einbezug der Kantone in die wichtigsten Krisenorgane des Bundes zu Krisenbeginn festlegen müssen.

Auch dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass frühzeitig grundlegende Überlegungen über die Krisenorganisation angestellt werden (vgl. Empfehlung 10).

Die GPK begrüssen die Massnahmen, die der Bundesrat auf der Grundlage des Berichts der BK eingeleitet hat, um zu klären, wie die Zusammenarbeit mit den Kantonen in Krisenzeiten künftig aussehen soll. Sie werden sich weiterhin über den Stand der diesbezüglichen Arbeiten informieren und werden zu einem späteren Zeitpunkt ihre Einschätzung bezüglich des spezifischen Themas der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen während der Pandemie abgeben. Sie erwarten zudem vom Bundesrat, dass er bei der künftigen Revision der Krisenorganisation des Bundes dem Einbezug der Kantone in die Krisenorgane des Bundes besondere Beachtung schenkt (vgl. Postulat 1 weiter unten).

Einbezug der Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in die Krisenorganisation Die Abklärungen der GPK haben ergeben, dass eine der Hauptaufgaben des KSBC nach seiner Einsetzung Ende März 2020 darin bestand, für die Schnittstellen zu Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in der Krisenorganisation des Bundes zu sorgen. Im Schlussbericht des KSBC wird diesbezüglich eine positive Bilanz gezogen, wobei die Bildung der Science Taskforce besonders hervorgehoben wird (vgl.

Kap. 8).

Die GPK halten es für problematisch, dass die Krisenorganisation des Bundes erst nach der Einsetzung des KSBC über solche Schnittstellen verfügte: Dies bedeutet, dass diese Aspekte bis zu jenem Zeitpunkt nicht ausreichend in der Krisenorganisation berücksichtigt wurden und dass es mit den üblichen Verwaltungsstrukturen nicht möglich war, solche Interessen in die Entscheidfindung des Bundesrates einzubeziehen.

Die GPK gehen in diesem Bericht nicht näher auf die Gründe ein, weshalb solche Schnittstellen nicht früher geschaffen werden konnten. Die Berücksichtigung der wissenschaftlichen Erkenntnisse durch das BAG wird derzeit von der GPK-N
gesondert untersucht. Die GPK erwarten jedoch vom Bundesrat, dass er bei der Revision der Krisenorganisation des Bundes dafür sorgt, dass die Schnittstellen zur Wissenschaft und zur Wirtschaft sowie der Einbezug der Zivilgesellschaft künftig klar definiert werden (vgl. Postulat 1 weiter unten).

Notwendigkeit einer eingehenden Prüfung der Grundsätze und Strukturen für die Krisenorganisation Die GPK weisen darauf hin, dass sich die Erwägungen aus dem vorliegenden Bericht nur auf die Krisenorganisation des Bundes in der ersten Pandemiewelle (Januar bis Juni 2020) beziehen. Sie begrüssen ausdrücklich die Verbesserungen, die in den darauffolgenden Monaten an der Krisenorganisation vorgenommen wurden, um die in 108 / 134

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der ersten Pandemiewelle festgestellten Mängel umgehend zu beheben. Die vom BAG ab dem Sommer 2020 im Personalbereich ergriffenen Massnahmen (vgl. Kap. 6.4.9) sind ein gutes Beispiel dafür.

Die GPK sind aber auch der Ansicht, dass zahlreiche Grundsatzfragen zur Krisenorganisation, die sich in der ersten Pandemiewelle stellten, nach wie vor aktuell sind und vom Bundesrat eingehend untersucht werden sollten. Ein Beispiel dafür ist die Frage nach dem angemessenen Verhältnis zwischen dem Departementalprinzip und den bereichsübergreifenden Organen (siehe oben). So halten die GPK fest, dass der BSTB auch nach der Rückkehr zur «besonderen Lage» im Juni 2020 nur eine untergeordnete koordinative Rolle in der Krisenorganisation des Bundes spielte und seine rechtlich vorgesehene Führungsrolle nicht wahrnahm (vgl. Kap. 7.2.2).

Die Kommissionen nehmen erfreut zur Kenntnis, dass sich der Bundesrat bereit erklärt hat, auf der Grundlage der Auswertung der BK die Krisenorganisation des Bundes kritisch zu prüfen und für die Zukunft umfassende Anpassungen vorzunehmen.

Sie begrüssen insbesondere die zwei Empfehlungen der BK zur Krisenorganisation (vgl. Kap. 7.4), mit denen sie sich gänzlich einverstanden erklären. Die GPK halten es für wichtig, dass diese Massnahmen vom Parlament mitgetragen werden und der Bundesrat die Ergebnisse seiner Überlegungen in einem Bericht darlegt, weshalb sie beschlossen haben, ein entsprechendes Postulat einzureichen.

In diesem Rahmen ersuchen die GPK den Bundesrat, insbesondere die folgenden Aspekte zu prüfen, auf die sie im vorliegenden Bericht hingewiesen haben: ­

Ist die Hierarchie der Normen für die Krisenorganisation des Bundes angemessen oder muss sie angepasst werden?

­

Ist das Verhältnis zwischen den allgemeinen Normen für die Krisenorganisation des Bundes und den Normen für die Krisenorganisation in spezifischen Themenbereichen angemessen oder muss es verändert werden?

­

Was ist für die Krisenorganisation des Bundes das angemessene Verhältnis zwischen dem bereichsübergreifenden Ansatz (Übertragung des Krisenmanagements auf bereichsübergreifende Organe mit Entscheid- und Weisungsbefugnis) und dem Departementalprinzip (die Krisenorganisation stützt sich auf die üblichen Verwaltungsstrukturen, die punktuell verstärkt werden können)?

­

Wie kann bei der Umsetzung der Krisenorganisation die Krisendauer angemessen berücksichtigt werden?

­

Bedürfen die Regeln für die Leitung der bereichsübergreifenden Krisenorgane einer Präzisierung? Insbesondere: Ist es sinnvoll, dass ein einziges Departement alle wichtigen Krisenorgane des Bundes leitet?

­

Welche Rolle soll die GSK in der Krisenorganisation des Bundes spielen?

­

Wie sollen die Kantone in die Krisenorganisation des Bundes einbezogen werden?

­

Wie sollen die Schnittstellen zu Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in der Krisenorganisation des Bundes geregelt werden?

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Postulat 1: Gesamtbilanz und Revision der Krisenorganisation des Bundes anhand der Lehren aus der Covid-19-Krise Der Bundesrat wird eingeladen, so rasch wie möglich, aber spätestens im Jahr 2023, unter Einbezug aller betroffenen Akteure eine kritische Gesamtbilanz seiner Krisenorganisation zu ziehen. Der Bundesrat wird ersucht, auf der Grundlage dieser Bilanz ein Konzept für die künftige Krisenorganisation des Bundes zu erstellen.

Zudem wird der Bundesrat gebeten, nach der Erstellung dieses Konzepts zu prüfen, welche Änderungen an allen das Krisenmanagement betreffenden Rechtsgrundlagen, Vorgaben, Weisungen, strategischen Plänen und Konzepten ­ unter anderem am RVOG, an der RVOV und an den Weisungen des Bundesrates über das Krisenmanagement ­ vorzunehmen sind.

Weiter wird der Bundesrat ersucht, zu prüfen, ob in den Rechtsgrundlagen und den Vorgaben für die von möglichen Krisen betroffenen spezifischen Themenbereiche (z. B. Epidemiebekämpfung, Stromversorgung, nukleare Sicherheit oder Bewältigung von Naturkatastrophen) Änderungen betreffend die Krisenorganisation vorzunehmen sind.

Vom Bundesrat wird verlangt, die Ergebnisse seiner Arbeiten in einem Bericht darzulegen.

11

Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen

Ausgehend von ihrer Analyse der drei wichtigsten Krisenorgane (BAG-Taskforce, BSTB und KSBC) ziehen die GPK rückblickend eine gemischte Bilanz der Krisenorganisation des Bundes in den ersten Monaten der Covid-19-Pandemie. Auf der einen Seite konnte die Schweiz, im internationalen Vergleich, mit dieser Krisenorganisation die erste Pandemiewelle insgesamt recht zufriedenstellend bewältigen. Die Mitglieder und Mitarbeitenden dieser Organe erfüllten ihre Aufgaben mit grossem Einsatz, was die GPK lobend hervorheben. Die GPK sind sich auch bewusst, dass die Behörden rasch reagieren mussten und dies in Zeiten grosser Unsicherheit. Gerade zu Beginn der Pandemie war es insbesondere sehr schwierig, deren Tragweite und Dauer einzuschätzen.

Auf der anderen Seite ist aber auch festzuhalten, dass die Bundesbehörden vom Auftreten dieser Pandemie in vielerlei Hinsicht unvorbereitet getroffen wurden, dass einige organisatorische Entscheide zu spät oder wenig koordiniert gefällt wurden und dass die Krisenorganisation bei unterschiedlichen Punkten von den Strukturen abwich, die in den einschlägigen rechtlichen Grundlagen und Vorgaben vorgesehen sind, bzw. dass diese Grundlagen und Vorgaben nicht klar sind. Die GPK bedauern, dass die in den vergangenen Jahren durchgeführten Krisenübungen es der Bundesverwaltung nicht erlaubten, optimal auf die Covid-19-Krise vorbereitet zu sein. Sie sind zudem der Ansicht, dass sich der Bundesrat in der ersten Welle nicht aktiv genug in den Aufbau der Krisenorganisation einbrachte. Diese wurde weitestgehend von den Departementen ­ namentlich vom EDI ­ festgelegt.

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Die GPK erachten es als unerlässlich, dass der Bundesrat eingehend analysiert, welche Lehren aus dieser Pandemie für allfällige künftige Krisen zu ziehen sind, und auf dieser Grundlage die erforderlichen Anpassungen an den einschlägigen Rechtsgrundlagen und Vorgaben in die Wege leitet. Sie begrüssen die Massnahmen, die ­ namentlich aufgrund der Evaluation der BK ­ diesbezüglich bereits ergriffen wurden, und die Verbesserungen, die in den vergangenen Monaten an der Krisenorganisation vorgenommen wurden. Sie ersuchen den Bundesrat, die Empfehlungen und Erwägungen aus diesem Bericht bei seinen laufenden Arbeiten zu berücksichtigen.

BAG-Taskforce und EDI (Kap. 6) Die BAG-Taskforce, die Ende Januar 2020 als erstes Krisenorgan aktiviert wurde, nahm rasch einen zentralen Platz in der Krisenorganisation des Bundes sowie bei der Vorbereitung der Bundesratsbeschlüsse ein und fungierte als «Fach-Krisenstab».

Diese Feststellung zeigt, dass den üblichen Verwaltungsstrukturen (Departemente und Ämter, insbesondere das BAG) in der Krisenorganisation des Bundes eine zentrale Rolle zukam (im Gegensatz zu den departementsübergreifenden Gremien wie etwa KSBC und BSTB).

Die Rechtsgrundlagen und sonstigen einschlägigen Vorgaben enthalten nur wenige spezifische Bestimmungen über die Krisenorganisation des EDI und des BAG in einer Pandemie. Auch für die Tätigkeiten von «Fach-Krisenstäben» wie der BAGTaskforce gibt es keinerlei Rechtsgrundlage, trotz der strategischen Bedeutung solcher Krisenstäbe. Die GPK halten es für notwendig, dass der Bundesrat hier Abhilfe schafft (Empfehlung 1 und Motion 1). Die GPK begrüssen, dass sich das BAG bei Krisenbeginn auf ein aktuelles Krisenhandbuch stützen konnte. Allerdings zeigten sich rasch dessen Grenzen. Die Kommissionen ersuchen den Bundesrat deshalb, eine Überarbeitung des BAG-Krisenhandbuchs zu veranlassen und zu prüfen, welche anderen Verwaltungseinheiten des Bundes über ein solches Krisenhandbuch verfügen sollten (Empfehlung 3).

Wenn die GPK es begrüssen, dass das BAG die Situationsentwicklung anfangs Januar 2020 regelmässig verfolgte, bedauern sie, dass es mehr als zwei Wochen dauerte, bis das Auftreten von Covid-19 von den Verantwortlichen des BAG thematisiert wurde.

Natürlich war es für das Bundesamt damals sehr herausfordernd, die Schwere der Situation einzuschätzen,
insbesondere vor dem Hintergrund, dass die internationalen Informationen zum neuen Coronavirus spärlich und unsicher waren. Sie sind aber der Ansicht, dass das Bundesamt in einem solchen Fall zu einer schnelleren Reaktion fähig sein sollte. Sie empfehlen dem Bundesrat deshalb, die Prozesse des BAG zur Bearbeitung der internationalen Warnungen im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten eingehend zu untersuchen (Empfehlung 4). Die Kommissionen halten aber auch fest, dass das Bundesamt ­ sobald das epidemiologische Risiko definitiv erkannt wurde ­ rasch reagiert und innert zwei Tagen seine Taskforce eingesetzt hat.

Insgesamt kommen die GPK zum Schluss, dass die BAG-Taskforce ihre Aufgabe in der ersten Pandemiewelle bestmöglich erfüllte. Allerdings wurden zu Beginn der Krise einige wichtige Entscheide über die Organisation des BAG versäumt bzw. nicht klar genug getroffen, was sich in den nachfolgenden Monaten negativ auf die internen Abläufe des Bundesamtes auswirkte. So wurden die üblichen Hierarchiestrukturen des Amtes und die Krisenorganisation nicht gut getrennt, war die Struktur der 111 / 134

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Taskforce sehr komplex und waren die Verantwortlichkeiten und Stellvertretungen nicht klar genug geregelt.

Ein Schwachpunkt des BAG in der ersten Welle war das Personalmanagement. Eine vom BAG in Auftrag gegebene externe Analyse förderte zahlreiche Mängel in diesem Bereich zutage. Zudem wurde die Rückkehr zur «besonderen Lage» im Sommer 2020 vom BAG ungenügend vorausgeplant. Die GPK bedauern diese Situation. Sie empfehlen dem Bundesrat, dafür zu sorgen, dass ein Referenzdokument für das Personalmanagement in Krisenzeiten erstellt wird (Empfehlung 6).

Die Ansichten über die Zusammenarbeit zwischen der Taskforce und den anderen Akteuren des Krisenmanagements gehen auseinander: Während das BAG eine eher positive Bilanz zieht, äusserten sich andere Beteiligte deutlich kritischer. Die GPK empfehlen dem Bundesrat, sicherzustellen, dass künftig zu Beginn einer Krise ein klares Konzept für die Schnittstellen zwischen dem für die Krisenbewältigung zuständigen Bundesamt und den anderen Akteuren definiert wird (Empfehlung 5).

Die GPK halten ferner fest, dass die Entscheidkompetenzen für das Krisenmanagement des BAG wenig transparent geregelt waren. Die strategische Führung und die Beschlussfassung lagen in den Händen von wenigen Personen und die Geschäftsleitung des Bundesamtes (in weiteren Sinne) spielte in diesem Zusammenhang keine aktive Rolle. Der Bundesrat soll sicherstellen, dass die Entscheidkompetenzen künftig klarer festgelegt sind und dass mehr Transparenz in Bezug auf die Tätigkeiten des Organs herrscht, dem die strategische Führung und die Beschlussfassung zur Krisenbewältigung auf Stufe Amt obliegen (Empfehlung 7). Im Hinblick auf die Aufgabenhäufung des BAG-Direktors in der ersten Pandemiewelle wird dem Bundesrat empfohlen, grundsätzliche Überlegungen darüber anzustellen, welche Rolle die Amtsdirektorinnen und -direktoren in Krisenzeiten spielen sollen.

Die GPK begrüssen, dass die Geschäftsleitung des BAG ab Herbst 2020 verschiedene Massnahmen ergriff, um die Mängel zu beheben, die in der ersten Welle erkannt worden waren. Diese Massnahmen führten zu klareren Verantwortlichkeiten, erhöhten die Transparenz der Strukturen, verbesserten die Zusammenarbeit zwischen dem BAG und den anderen Akteuren und entlasteten die Mitarbeitenden. Das Personalmanagement des Bundesamtes wird allerdings in den
nächsten Monaten und Jahren weiterhin eine grosse Herausforderung darstellen. Die GPK halten es für sehr wichtig, dass das EDI die Personalsituation aufmerksam verfolgt und nötigenfalls interveniert, dass die schrittweise Rückkehr zu den normalen Strukturen mit der nötigen Sorgfalt erfolgt und dass der Einsatz der besonders geforderten Mitarbeitenden des BAG in der Covid-19-Krise angemessen verdankt wird.

Die Krisenorganisation auf Ebene EDI wird von den GPK insgesamt positiv beurteilt.

Die Kommissionen heben insbesondere hervor, dass das Departement rasch einen betrieblichen Pandemieplan erstellte. Die GPK ersuchen den Bundesrat, dafür zu sorgen, dass künftig alle Departemente über einen solchen betrieblichen Pandemieplan verfügen (Empfehlung 2). Sie begrüssen es, dass das EDI eine interne Evaluation seiner Krisenorganisation vorgenommen hat, und ersuchen das Departement, auf der Grundlage dieser Evaluation die erforderlichen Verbesserungsmassnahmen zu ergreifen.

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Die GPK haben die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit zwischen dem EDI und dem BAG in der ersten Pandemiewelle zustimmend zur Kenntnis genommen. Sie halten fest, dass das Departement und das Bundesamt vom Beginn der Krise an auf den verschiedensten Ebenen in engem Kontakt standen. Es scheint allerdings, als ob in einigen Fällen nicht der korrekte Dienstweg zwischen Bundesrat, EDI, BAG und Abteilung MT eingehalten wurde. Auch wenn dies in einer Krisensituation nachvollziehbar ist, erachten es die GPK für wichtig, dass der Bundesrat künftig die bestmögliche Einhaltung des Dienstweges sicherstellt.

Bundesstab Bevölkerungsschutz (Kap. 7) Es ist unbestritten, dass der BSTB nicht gemäss den rechtlichen Vorgaben und den Vorgaben des Pandemieplans eingesetzt wurde. Der BSTB diente als Austausch- und Informationsplattform und erfüllte somit die Aufgabe, die Koordination sicherzustellen. Er war aber nicht in der Lage, die Entscheidgrundlagen des Bundesrates vorzubereiten, wie es in der entsprechenden Verordnung (VBSTB) vorgesehen ist. Die GPK halten fest, dass rechtliche Vorgaben auch im Krisenfall anzuwenden sind. Der Bundesrat hätte aus ihrer Sicht im konkreten Fall das dabei auftretende Spannungsfeld mit der RVOV erkennen und die Verordnung entsprechend anpassen müssen. Der Bundesrat befasste sich allerdings nicht mit dieser Frage.

Zudem wurde der BSTB erst Anfang März 2020 und damit spät eingesetzt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die BAG-Taskforce bereits verschiedene der Aufgaben übernommen, die eigentlich Sache des BSTB gewesen wären. Dies ist vermutlich unter anderem damit zu erklären, dass der BSTB vom BAG-Direktor geleitet wurde. Die GPK sind der Ansicht, dass der Bundesrat, spätestens als das Ausmass der Pandemie klar war, auch die Aufgaben und Zuständigkeiten der drei Krisenorgane (BSTB, Taskforce des BAG, KSBC) hätte klären bzw. regeln müssen.

Es wurden verschiedene Gründe angeführt, warum der BSTB nicht gemäss den geltenden Bestimmungen eingesetzt wurde: Der BSTB sei zu gross gewesen, er sei als «fachfremder» Stab nicht geeignet gewesen, um Entscheide vorzubereiten, und zudem seien Ausmass und Dauer der Krise nicht absehbar gewesen. Diese Begründungen sind aus Sicht der GPK fragwürdig bzw. nur bedingt nachvollziehbar. Für die Kommissionen ist insbesondere schwer verständlich, warum
die Herausforderungen in Zusammenhang mit diesem Organ nicht bereits in den Übungen der letzten Jahre erkannt wurden. Aus Sicht der Kommissionen gilt es auch zu klären, wie der Erarbeitungsprozess von Entscheidgrundlagen ablaufen soll und wie diese Grundlagen in den Bundesrat, das Departement oder das Amt eingebracht werden sollen und ob der BSTB selber hätte Anträge einbringen können.

Die GPK fordern den Bundesrat in diesem Zusammenhang auf, im Rahmen seiner Aufarbeitung die Geeignetheit der Strukturen des BSTB und die diesem Organ zugewiesenen Aufgaben zu prüfen, insbesondere die Möglichkeit, Entscheidgrundlagen zu erarbeiten und Anträge zuhanden des Bundesrates und weiterer Akteure zu stellen (Empfehlung 8).

Krisenstab des Bundesrates (Kap. 8) Die GPK halten fest, dass auch der KSBC nicht alle Funktionen übernahm, welche ihm gemäss den Weisungen des Bundesrates zugekommen wären. Zum Beispiel 113 / 134

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machte er nie von seiner Weisungsbefugnis gegenüber anderen Krisenstäben Gebrauch. Er diente vor allem als Informations- und Koordinationsgremium und spielte eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung einzelner Entscheidungen auf bestimmten Gebieten; die letzte Phase der Vorbereitung verblieb jedoch in der klassischen Departementsstruktur. Der KSBC schuf insbesondere durch den Einbezug von Vertreterinnen und Vertretern der Forschung, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft einen Mehrwert; dabei ist insbesondere die Taskforce Science (TFS) zu erwähnen.

Der Krisenstab wurde vergleichsweise spät eingesetzt (erst einige Tage nach der Ausrufung der ausserordentlichen Lage). Die konkrete Vertretung der einzelnen Departemente im KSBC war nicht näher geregelt, was dazu führte, dass Personen verschiedener Hierarchiestufen darin Einsitz nahmen. Die GPK sehen es zudem kritisch, dass die Vertreterinnen und Vertreter des EDI in diesem Krisenstab eine derart gewichtige Rolle einnahmen. In ihren Augen stellte der KSBC ein Organ dar, das de facto eher im Dienste des EDI als des Bundesrates tätig gewesen war.

Insgesamt schliessen sich die GPK den Schlussfolgerungen an, zu denen die BK in ihrem Bericht vom 11. Dezember 2020 hinsichtlich der Bestimmungen über den Krisenstab des Bundesrates und die Funktion dieses Krisenstabs gelangt ist. Die GPK begrüssen, dass der Bundesrat zum einen den Auftrag zur Überprüfung der (rechtlichen) Grundlagen für eine lang anhaltende und komplexe Krise und zum anderen den Auftrag zur Überprüfung der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Krisenstäbe sowie deren Zusammensetzung erteilt hat.

Falls nach dieser Überprüfung am Instrument des Ad-hoc-Krisenstabs des Bundesrates festgehalten wird, dann sind dessen Kompetenzen für die Vorbereitung von Handlungsoptionen und Entscheidgrundlagen für den Bundesrat zu präzisieren. Dabei wäre auch zu klären, ob der Ad-hoc-Krisenstab gegebenenfalls ein direktes Antragsrecht zuhanden des Bundesrates und weiterer Akteure erhalten soll. Ausserdem soll geklärt werden, auf welcher Normstufe dessen Organisation geregelt wird (Empfehlung 9).

Koordination der Krisenorgane (Kap. 9) Die GPK erachten es in mehrfacher Hinsicht als unbefriedigend, wie in der ersten Pandemiewelle die BAG-Taskforce, der BSTB und der KSBC in der Krisenorganisation des
Bundes angeordnet wurden. Zwar wurde auf operativer Ebene ein guter Informationsaustausch zwischen diesen drei wichtigsten Krisenorganen des Bundes sichergestellt, jedoch waren die Zuständigkeiten dieser Organe nicht hinreichend klar definiert. Der BSTB und der KSBC erfüllten die ihnen zugedachten Funktionen nicht vollständig, spielten nur eine eher untergeordnete Rolle bei der Führung des Krisenmanagements und dienten vor allem der Koordination und dem Informationsaustausch. In den ersten Wochen der Krise wurde die BAG-Taskforce rasch zum zentralen Organ des Krisenmanagements. Dies ist in gewisser Weise nachvollziehbar, da das BAG die Facheinheit des Bundes im Bereich der übertragbaren Krankheiten ist.

Allerdings war nicht vorgesehen, dass ein «Fach-Krisenstab» eine derart gewichtige Rolle einnimmt. Zudem gab es auch keine rechtlichen Bestimmungen, welche die Funktionsweise eines solchen Organs regelten.

Das Hauptproblem besteht nach Ansicht der GPK darin, dass diese drei Organe zeitlich versetzt und nicht koordiniert aktiviert wurden. Die Kommissionen bedauern insbesondere die verspätete Aktivierung des BSTB und des KSBC. Zurückzuführen ist 114 / 134

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dies auf zwei grundlegende Schwächen: Zum einen erkannten die Bundesbehörden nicht früh genug, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelte, zum anderen blieb das Departementalprinzip in der gesamten ersten Welle sehr stark, wodurch die Rolle der bereichsübergreifenden Organe wie BSTB und KSBC relativiert wurde. Weiter stellen die GPK das Fehlen rechtlicher und weiterer Vorgaben in Bezug auf die Koordination der verschiedenen Krisenorgane unter sich einerseits und mit den regulären Verwaltungseinheiten andererseits fest.

Die GPK bedauern, dass die Krisenorganisation nicht wie vorgesehen aufgebaut wurde. Sie sind der Ansicht, dass der Bundesrat frühzeitig grundsätzliche Überlegungen über die jeweiligen Aufgaben und Kompetenzen der Krisenorgane des Bundes und über die Notwendigkeit der Einsetzung eines Ad-hoc-Krisenstabs hätte anstellen müssen. Da der Bundesrat dies in den ersten Wochen der Pandemie versäumte, wurden die entsprechenden Entscheide den zuständigen Departementen und Bundesämtern überlassen. Dies hatte zur Folge, dass die Krisenorganisation parallel zur Entwicklung der Gesundheitslage entstand, indem die organisatorischen Strukturen an die Umstände angepasst wurden. Die GPK erwarten vom Bundesrat, dass er in künftigen Krisen in dieser Hinsicht eine aktivere Rolle einnimmt und sicherstellt, dass frühzeitig grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation angestellt werden (Empfehlung 10).

Allgemeine Erwägungen der GPK zur Krisenorganisation des Bundes (Kap. 10) Das EDI hatte in der ersten Pandemiewelle einen vorherrschenden Einfluss auf das Krisenmanagement des Bundes. Dies ist insofern nachvollziehbar, als die gesundheitlichen Aspekte ganz klar im Vordergrund der Krise standen. Die GPK bedauern allerdings, dass der Bundesrat nicht früher erkannte, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelte. Dies hatte zur Folge, dass die Massnahmen zur Krisenbewältigung in den einzelnen Departementen mehrere Wochen lang wenig koordiniert eingeleitet und erarbeitet wurden. Zudem berücksichtigte die Krisenorganisation des Bundes nicht wirklich sämtliche thematischen Dimensionen der Krise, insbesondere nicht deren wirtschaftliche Auswirkungen. Die GPK halten ausserdem fest, dass die Bundesbehörden zu Beginn der Krise deren mögliche
Dauer unterschätzten und diese für ein Ereignis von begrenzter und bestimmter Dauer hielten. Die Kommissionen ersuchen den Bundesrat, die bestehenden Instrumente zur Früherkennung von Krisen so zu ergänzen, dass er künftig frühzeitig feststellen kann, ob es sich um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt. Im Weiteren empfehlen sie ihm, dafür zu sorgen, dass künftig alle thematischen Dimensionen einer Krise berücksichtigt werden und dass die Bundesverwaltung der Krisendauer grössere Aufmerksamkeit schenkt (Empfehlung 11).

Die GPK stellen fest, dass in der gesamten ersten Welle stark am Departementalprinzip festgehalten wurde. Der Grossteil des Krisenmanagements erfolgte in den üblichen Verwaltungsstrukturen (Bundesämter und Departemente) und der Bundesrat selbst fungierte als zentraler Krisenstab. Dies führte ­ entgegen dem, was in den einschlägigen Vorgaben vorgesehen ist ­ dazu, dass die bereichsübergreifenden Organe (BSTB und KSBC) letztlich eine eher subsidiäre Rolle spielten. Die Argumente für ein Krisenmanagement in den üblichen Strukturen, bei dem die bestehenden Prozesse und Netzwerke genutzt werden können, sind zwar zum Teil nachvollziehbar, doch 115 / 134

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bringt ein solches Vorgehen auch gewisse Nachteile wie eine langsamere Beschlussfassung sowie ein zerstückeltes, uneinheitliches und wenig transparentes Krisenmanagement mit sich. Die GPK erachten diese beiden Ansätze (Departementalprinzip und bereichsübergreifender Ansatz) in Krisenzeiten für komplementär. Sie halten es für notwendig, dass der Bundesrat grundsätzliche Überlegungen darüber anstellt, wie beim Krisenmanagement ein angemessenes Verhältnis zwischen diesen beiden Ansätzen gefunden werden kann und deren jeweilige Vorteile genutzt werden können.

Die Kommissionen fragen sich im Weiteren, ob es sinnvoll war, dass die drei wichtigsten Krisenorgane alle von demselben Departement, dem EDI, geleitet wurden.

Eine solche Konzentration mag ihre Vorteile haben, birgt aber auch gewisse Risiken, namentlich die Gefahr, dass die verschiedenen Interessen nicht im gleichen Masse vertreten sind und die Organisation geschwächt wird. Die GPK ersuchen den Bundesrat, die Angemessenheit der einschlägigen Vorgaben zu prüfen. Der Bundesrat wird zudem ersucht, zu analysieren, welche Rolle die GSK in der Krisenorganisation spielte, und zu präzisieren, welche Aufgaben dieses Organ in künftigen Krisen zu erfüllen hat.

Die GPK sind ferner der Auffassung, dass die Möglichkeit geprüft werden sollte, im Krisenfall einen Bundesratsausschuss einzusetzen. Dieser könnte den Gesamtbundesrat entlasten und würde eine ausgewogenere Vertretung der verschiedenen Interessen sicherstellen. Allerdings müssten verschiedene Fragen in Bezug auf die Zusammensetzung und die unterstützenden Strukturen eines solchen Ausschusses geklärt werden.

Die GPK haben vorliegend weder die Angemessenheit von Krisenübungen der Bundesverwaltung noch die Umsetzung daraus resultierender Empfehlungen durch Departemente und Ämter im Detail analysiert. Sie stellen jedoch fest, dass diese Übungen in der Tat ihren Zweck nicht vollständig erfüllten, weil sie es der Bundesverwaltung nicht erlaubten, optimal auf die Covid-19-Krise vorbereitet zu sein. Auch wenn sie anerkennen, dass es nicht möglich ist, sich vollständig auf eine Krise solchen Ausmasses vorzubereiten, halten sie fest, dass bestimmte grundlegende Aspekte offensichtlich nicht von allen Akteuren erkannt wurden. Die GPK halten es für notwendig, dass der Bundesrat kritisch prüft, wie diese
Krisenübungen verbessert werden können, und dass er für eine angemessene Umsetzung der Erkenntnisse sorgt, die aus diesen Übungen gewonnen werden. Die GPK gehen davon aus, dass der Bundesrat diese Aspekte im Rahmen der Behandlung des vom Ständerat im September 2021 angenommenen Postulats 21.3349 prüfen wird.

Ebenfalls durchzogen fällt das Fazit der GPK zum Einbezug der Kantone in die Krisenorganisation des Bundes aus. In ihren Augen waren die Schnittstellen zu den Kantonen in den drei wichtigsten Krisenorganen nicht zufriedenstellend und nicht kohärent geregelt. Der Einbezug der Kantone in die strategischen Überlegungen im Rahmen des Krisenmanagements wurde dadurch stark relativiert, dass dem BSTB und dem KSBC letztlich keine Führungsrolle zukam. Die GPK begrüssen die Massnahmen, die der Bundesrat eingeleitet hat, um zu klären, wie die Zusammenarbeit mit den Kantonen in Krisenzeiten künftig aussehen soll. Sie erwarten zudem vom Bundesrat, dass er dafür sorgt, dass die Schnittstellen der Krisenorganisation des Bundes zur Wissenschaft und zur Wirtschaft sowie den Einbezug der Zivilgesellschaft künftig klar definiert werden.

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Die GPK begrüssen schliesslich die Absicht des Bundesrates, die Krisenorganisation des Bundes kritisch zu hinterfragen und für die Zukunft grundlegende Anpassungen ins Auge zu fassen. Ihrer Ansicht nach müssen die im vorliegenden Bericht dargelegten Grundsatzfragen, welche die erste Pandemiewelle aufgeworfen hat, eingehend untersucht werden. Sie erwarten vom Bundesrat, dass er so rasch wie möglich, aber spätestens im Jahr 2023, unter Einbezug aller betroffenen Akteure eine kritische Gesamtbilanz seiner Krisenorganisation zieht. Die GPK ersuchen den Bundesrat, auf der Grundlage dieser Bilanz ein Konzept für die künftige Krisenorganisation des Bundes zu erstellen und zu prüfen, welche Änderungen an allen das Krisenmanagement betreffenden Rechtsgrundlagen, Vorgaben, Weisungen, strategischen Plänen und Konzepten vorzunehmen sind (Postulat 1).

Weiteres Vorgehen Die GPK ersuchen den Bundesrat, zu den Feststellungen und Empfehlungen dieses Berichts bis zum 30. September 2022 Stellung zu nehmen und ihr mitzuteilen, mit welchen Massnahmen und bis wann er ihre Empfehlungen umzusetzen gedenkt. In der Zwischenzeit werden sich die Kommissionen weiterhin über die Entwicklungen im Bereich der Krisenorganisation des Bundes und über den Stand der diesbezüglichen Evaluationen der Bundesverwaltung auf dem Laufenden halten.

17. Mai 2022

Im Namen der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Die Präsidentin der GPK-N: Prisca Birrer-Heimo Der Präsident der GPK-S: Matthias Michel Der Präsident der Subkommission EDA/VBS der GPK-N: Nicolo Paganini Der Präsident der Subkommission EDI/UVEK der GPK-S: Marco Chiesa Der Präsident der Subkommission EJPD/BK der GPK-S: Daniel Fässler Die Sekretärin der GPK und der GPDel: Beatrice Meli Andres

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Abkürzungsverzeichnis AG

Arbeitsgruppe

AKV

Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten

AS

Amtliche Sammlung

BABS

Bundesamt für Bevölkerungsschutz

BAG

Bundesamt für Gesundheit

BAK

Bundesamt für Kultur

BAR

Bundesarchiv

BBl

Bundesblatt

BFE

Bundesamt für Energie

BFS

Bundesamt für Statistik

BIT

Bundesamt für Informatik und Telekommunikation

BJ

Bundesamt für Justiz

BK

Bundeskanzlei

BLV

Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen

BSTB

Bundesstab Bevölkerungsschutz

BSV

Bundesamt für Sozialversicherungen

BWL

Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung

COVID-19-Verordnung Verordnung vom 28. Februar 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) (SR 818.101.24) COVID-19-Verordnung 2 Verordnung 2 vom 13. März 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (SR 818.101.24) DV

Direktion für Völkerrecht des EDA

ECDC

Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EFK

Eidgenössische Finanzkontrolle

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

EKIF

Eidgenössische Kommission für Impffragen

EKP

Eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung

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EnDK

Konferenz der kantonalen Energiedirektorinnen und -direktoren

ENSI

Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat

EPA

Eidgenössisches Personalamt

EpG

Bundesgesetz vom 28. September 2012 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz; SR 818.101)

ETH

Eidgenössische Technische Hochschulen

EU

Europäische Union

GDK

Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren

GPK

Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte

GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

GPK-S

Geschäftsprüfungskommission des Ständerates

GS-EDI

Generalsekretariat des EDI

GSK

Generalsekretärenkonferenz

IES

Informations- und Einsatzsystem

IPV

Verordnung vom 27. April 2005 über Massnahmen zur Bekämpfung einer Influenza-Pandemie (Influenza-Pandemieverordnung; AS 2005 2137)

ISB

Informatiksteuerungsorgan des Bundes

IVI

Institut für Virologie und Immunologie

K&I

Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit des BAG

KdK

Konferenz der Kantonsregierungen

KKJPD

Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und direktoren

KKPKS

Kantonale Konferenz der Kantonspolizeikommandanten

KOr EpG

Koordinationsorgan Epidemiengesetz

KSBC

Krisenstab des Bundesrates Corona

KSD

Koordinierter Sanitätsdienst

LBA

Logistikbasis der Armee

MT

Abteilung Übertragbare Krankheiten (maladies transmissibles) des BAG

OV-EDI

Organisationsverordnung vom 28. Juni 2000 für das Eidgenössische Departement des Innern (SR 172.212.1)

PHEIC

Gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite (Public health emergency of international concern)

PVK

Parlamentarische Verwaltungskontrolle 119 / 134

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RK MZF

Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr

RVOG

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010)

RVOV

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998 (SR 172.010.1)

SBB

Schweizerische Bundesbahnen

SBFI

Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

SEM

Staatssekretariat für Migration

SFU 17

Strategische Führungsübung des Bundes von 2017

SiK-S

Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates

SNF

Schweizerischer Nationalfonds

SR

Systematische Rechtssammlung

SVU 14

Sicherheitsverbundsübung 2014

TFS

Swiss National Covid-19 Science Taskforce

UVEK

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

VBS

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

VBSTB

Verordnung vom 2. März 2018 über den Bundesstab Bevölkerungsschutz (SR 520.17)

VKS

Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz

VZÄ

Vollzeitäquivalente

WBF

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

WBK-S

Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates

WHO

Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization)

WSL

Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft

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Liste der angehörten Personen Amherd, Viola

Bundesrätin, Vorsteherin des VBS

Berset, Alain

Bundesrat, Vorsteher des EDI

Bruhin, Lukas

Generalsekretär des EDI (bis zum 31. März 2020) / Leiter des KSBC

Eder, Toni

Generalsekretär des VBS

Gresch, Lukas

Generalsekretär des EDI (ab dem 1. April 2020)

Guggisberg, Hans

Chef Fachbereich Bundesstab, BABS / Stabschef des BSTB

Koch, Daniel219

Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten, BAG (bis am 31. März 2020) / Co-Leiter der Covid-19Taskforce des BAG (vom 23. Januar bis zum 31. März 2020) / Delegierter des BAG für Covid-19 (vom 1. April bis zum 31. Mai 2020)

Kopp, Christine

Leiterin der Covid-19-Taskforce des BAG (ab Oktober 2020)

Kuster, Stefan220

Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten, BAG (vom 1. April 2020 bis Herbst 2020) / Co-Leiter der Covid-19-Taskforce des BAG (vom 1. April 2020 bis Herbst 2020)

Kuster, Susanne

Stellvertretende Direktorin BJ / Mitglied KSBC

Lévy, Anne

Direktorin des BAG (ab dem 1. Oktober 2020) / Vorsitzende des BSTB (ab dem 1. Oktober 2020)

Mathys, Patrick

Leiter der Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit, Abteilung Übertragbare Krankheiten, BAG / Co-Leiter der Covid-19-Taskforce des BAG (vom 23. Januar 2020 bis Herbst 2020)

Mayer, Roland

Generalsekretär KdK, Mitglied KSBC

Parmelin, Guy

Bundesrat, Vorsteher des WBF

Ramsauer, Matthias

Generalsekretär UVEK, Mitglied KSBC

Simonazzi, André

Vizekanzler, Bundesratssprecher, Mitglied KSBC

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Daniel Koch wurde nicht als Einzelperson sondern (damals bereits als ehemaliger Abteilungsleiter) im Rahmen einer gemeinsamen Anhörung einer BAG-Delegation im Juni 2020 von den GPK angehört. Er wurde dann zum vorliegenden Berichtsentwurf konsultiert.

220 Stefan Kuster wurde nicht als Einzelperson sondern (damals als Abteilungsleiter) im Rahmen einer gemeinsamen Anhörung einer BAG-Delegation im August 2020 von den GPK angehört. Er wurde dann zum vorliegenden Berichtsentwurf konsultiert.

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Sommaruga, Simonetta

Bundesrätin, Vorsteherin UVEK, Bundespräsidentin 2020

Storch, Daniel

Leiter Sektion Radiologische Risiken, BAG / Co-Leiter Lenkungsausschuss Planungselement BSTB

Strupler, Pascal

Direktor des BAG (bis zum 30. September 2020) / Vorsitzender des BSTB (vom 24. Januar 2020 bis zum 30. September 2020)

Thurnherr, Walter

Bundeskanzler

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Anhang 1

Organigramm der Covid-19-Taskforce des BAG, Mai 2020

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Anhang 2

Organigramm der Covid-19-Taskforce des BAG, August 2020

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Anhang 3

Organigramm der Covid-19-Taskforce des BAG, August 2021

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Anhang 4

Organigramm der Krisenorganisation des Bundes gemäss Antrag des EDI an den Bundesrat vom März 2020

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Anhang 5

Organigramm der Krisenorganisation des Bundes (bis Ende Juni 2020) gemäss Präsentation des BAG an die GPK, Juni 2020

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Anhang 6

Organigramm der Krisenorganisation des Bundes (ab Juli 2020) gemäss Präsentation des BAG an die GPK, August 2020

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Anhang 7

Übersicht der Empfehlungen und Vorstösse Empfehlung 1: Bestimmungen über die Krisenorganisation des EDI und des BAG im Epidemiengesetz und im Pandemieplan Dem Bundesrat wird empfohlen, vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise zu überprüfen, ob die Krisenorganisation des EDI und des BAG im Epidemiengesetz und im Pandemieplan nicht präziser geregelt werden sollte. Er wird gebeten, diese Aspekte bei der laufenden Revision des Gesetzes und des Plans zu berücksichtigen.

Empfehlung 2: Pandemiepläne der Departemente Dem Bundesrat wird empfohlen, im Hinblick auf künftige Krisen dafür zu sorgen, dass alle Departemente über einen aktualisierten betrieblichen Pandemieplan verfügen.

Empfehlung 3: Krisenhandbuch Dem Bundesrat wird empfohlen, dafür zu sorgen, dass das Krisenhandbuch des BAG anhand der Erkenntnisse aus der Pandemie gründlich überarbeitet wird.

Der Bundesrat wird zudem gebeten, zu prüfen, welche anderen Verwaltungseinheiten des Bundes über ein an ihre Besonderheiten angepasstes Krisenhandbuch verfügen sollten, und dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Handbücher erstellt und regelmässig aktualisiert werden.

Motion 1: Rechtsgrundlagen für einen «Fach-Krisenstab» Der Bundesrat wird ersucht, ausgehend vom Beispiel der Covid-19-Taskforce des BAG in der Covid-19-Krise die bestehenden Rechtsgrundlagen des Krisenmanagements anzupassen und zu ergänzen, um die Aktivitäten eines «Fach-Krisenstabs» in Krisenzeiten besser einzurahmen.

Auf der Grundlage dieser Rechtsgrundlagen sollte erstens bestimmt werden können, welches Departement (bzw. welche Departemente) und welches Bundesamt (bzw. welche Bundesämter) für das Krisenmanagement federführend sind.

Zweitens sollten in diesen Rechtsgrundlagen Grundsätze für den Krisenstab dieses Bundesamtes («Fach-Krisenstab») festgelegt sein, namentlich zu folgenden Aspekten: Modalitäten der Einsetzung, Festlegung der Aufgaben, Führungsstrukturen, Schnittstellen mit dem Bundesrat und den anderen Akteuren des Krisenmanagements, finanzielle und personelle Ressourcen sowie Kommunikation.

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Empfehlung 4: Bearbeitung der Warnungen im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten durch das BAG Dem Bundesrat wird empfohlen, eingehend zu untersuchen, ob die Prozesse des BAG zur Bearbeitung der internationalen Warnungen im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten (einschliesslich der Weitergabe der Informationen an das EDI und gegebenenfalls an den Bundesrat) angemessen sind oder ob es Verbesserungsmassnahmen braucht.

Empfehlung 5: Zusammenarbeit zwischen dem mit dem Krisenmanagement betrauten Bundesamt und den anderen Akteuren Dem Bundesrat wird empfohlen, in seinen Vorgaben für die Krisenorganisation festzuhalten, dass zu Beginn einer Krise ein klares, auf objektiven Kriterien beruhendes Konzept für die Schnittstellen zwischen dem für die Krisenbewältigung zuständigen Bundesamt (bzw. dem «Fach-Krisenstab») und den anderen Akteuren zu definieren ist.

Ein solches Konzept sollte eine Liste der Schnittstellen auf der Stufe der Arbeitsgruppen, eine Liste der direkt im «Fach-Krisenstab» vertretenen Einheiten und eine Liste der Mitgliedschaften des Bundesamtes in externen Gremien enthalten.

Dem Bundesrat wird insbesondere empfohlen, diese Erwägungen in die Aktualisierung des Krisenhandbuchs des BAG, in die laufende Revision des Epidemiengesetzes und des Pandemieplans sowie in die künftige Überarbeitung der Weisungen des Bundesrates über das Krisenmanagement einfliessen zu lassen.

Empfehlung 6: Handbuch für das Personalmanagement in Krisenzeiten Dem Bundesrat wird empfohlen, dafür zu sorgen, dass ein Referenzdokument für das Personalmanagement in Krisenzeiten erstellt wird oder dass die bereits existierenden Dokumente ergänzt werden, damit die vom Krisenmanagement besonders in Anspruch genommenen Bundesämter zu gegebener Zeit die entsprechenden Entscheide in Sachen Personalmanagement treffen können.

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Empfehlung 7: Entscheidkompetenzen im mit dem Krisenmanagement betrauten Bundesamt Dem Bundesrat wird empfohlen, sicherzustellen, dass künftig, wenn ein «FachKrisenstab» eingesetzt wird, für alle Ebenen dieses Stabs die Entscheidkompetenzen klar definiert sind, dass im Krisenorganigramm ausdrücklich aufgeführt ist, welches Organ für die strategische Führung und die endgültige Beschlussfassung auf Stufe des Amtes verantwortlich ist, und dass die Arbeiten und Entscheide dieses Organs schriftlich festgehalten werden.

Dem Bundesrat wird zudem empfohlen, die Rolle der Geschäftsleitung des Amtes in Krisenzeiten und deren Verhältnis zum Krisenstab grundsätzlich zu prüfen und die Ergebnisse dieser Prüfung den GPK zu übermitteln.

Dem Bundesrat wird ferner empfohlen, anhand des Beispiels des damaligen BAG-Direktors grundsätzliche Überlegungen darüber anzustellen, welche Rolle die Amtsdirektorinnen und -direktoren in Krisenzeiten spielen sollen und ob es zweckmässig ist, dass diese Personen Führungsaufgaben in mehreren Krisenorganen gleichzeitig wahrnehmen.

Empfehlung 8: Strukturen und Aufgaben des BSTB Dem Bundesrat wird empfohlen, die Geeignetheit der Strukturen des BSTB und die diesem Organ zugewiesenen Aufgaben zu prüfen, insbesondere die Möglichkeit, Entscheidgrundlagen zu erarbeiten und Anträge an den Bundesrat oder weitere Akteure zu stellen.

Empfehlung 9: Bestimmungen, Funktion und Kompetenzen des Ad-hoc Krisenstabs Dem Bundesrat wird empfohlen, die Bestimmungen für den Ad-hoc-Krisenstab und die Funktion dieses Organs ­ im Sinne der bereits erteilten Aufträge im Rahmen der Evaluation der BK ­ zu überdenken. Sollte er an diesem Organ festhalten wollen, sind dessen Kompetenzen bezüglich der Vorbereitung von Handlungsoptionen und Entscheidgrundlagen für den Bundesrat zu präzisieren. Dabei ist auch zu klären, ob der Ad-hoc-Krisenstab gegebenenfalls ein direktes Antragsrecht zuhanden des Bundesrates oder weiterer Akteure erhalten soll. Ausserdem soll geklärt werden, auf welcher Normstufe dessen Organisation geregelt wird.

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Empfehlung 10: Grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation zu Beginn der Krise Dem Bundesrat wird empfohlen, dafür zu sorgen, dass in künftigen Krisen frühzeitig ­ also sobald erkannt wird, dass es sich um eine bereichsübergreifende Krise handelt, ­ grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation angestellt werden. Er wird gebeten, diesen Aspekt bei der laufenden Revision des Epidemiengesetzes, des Pandemieplans und der Weisungen über das Krisenmanagement im Allgemeinen zu berücksichtigen.

In Bezug auf den spezifischen Fall einer Pandemie empfehlen die GPK dem Bundesrat insbesondere, zu prüfen, ob es nicht sinnvoll wäre, an die Feststellung der «besonderen Lage» im Sinne des Epidemiengesetzes automatisch den Beschluss über die Krisenorganisation und die Zuständigkeiten der verschiedenen beteiligten Organe zu knüpfen, unter Berücksichtigung der bereits in Artikel 6 Absatz 3 EpG vorgesehenen Koordinationsaufgabe des EDI.

Empfehlung 11: Berücksichtigung des globalen Ausmasses und des bereichsübergreifenden Charakters sowie der Dauer einer Krise Dem Bundesrat wird empfohlen, die bestehenden Instrumente zur Früherkennung von Krisen um einen klareren, auf Indikatoren beruhenden Prozess zu ergänzen, anhand dessen er frühzeitig feststellen kann, ob es sich möglicherweise um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses handelt.

Dem Bundesrat wird empfohlen, bei einer bereichsübergreifenden Krise globalen Ausmasses sicherzustellen, dass alle thematischen Dimensionen der Krise in der Krisenorganisation ausgewogen berücksichtigt werden.

Zu guter Letzt wird dem Bundesrat empfohlen, dafür zu sorgen, dass die Verwaltung in Fällen von möglichen Krisen den Fragen im Zusammenhang mit der Krisendauer (Aufgabenverzicht, Personalplanung, Durchhaltefähigkeit von Krisenstrukturen) grössere Aufmerksamkeit schenkt. Der Bundesrat wird gebeten, diesen Aspekt bei der künftigen Revision der Krisenorganisation des Bundes zu prüfen und den GPK die entsprechenden Massnahmen, insbesondere in Bezug auf die Rechtsgrundlagen und einschlägigen Vorgaben sowie die Personalausbildung, zu präsentieren.

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Postulat 1: Gesamtbilanz und Revision der Krisenorganisation des Bundes anhand der Lehren aus der Covid-19-Krise Der Bundesrat wird eingeladen, so rasch wie möglich, aber spätestens im Jahr 2023, unter Einbezug aller betroffenen Akteure eine kritische Gesamtbilanz seiner Krisenorganisation zu ziehen. Der Bundesrat wird ersucht, auf der Grundlage dieser Bilanz ein Konzept für die künftige Krisenorganisation des Bundes zu erstellen.

Zudem wird der Bundesrat gebeten, nach der Erstellung dieses Konzepts zu prüfen, welche Änderungen an allen das Krisenmanagement betreffenden Rechtsgrundlagen, Vorgaben, Weisungen, strategischen Plänen und Konzepten ­ unter anderem am RVOG, an der RVOV und an den Weisungen des Bundesrates über das Krisenmanagement ­ vorzunehmen sind.

Weiter wird der Bundesrat ersucht, zu prüfen, ob in den Rechtsgrundlagen und den Vorgaben für die von möglichen Krisen betroffenen spezifischen Themenbereiche (z. B. Epidemiebekämpfung, Stromversorgung, nukleare Sicherheit oder Bewältigung von Naturkatastrophen) Änderungen betreffend die Krisenorganisation vorzunehmen sind.

Vom Bundesrat wird verlangt, die Ergebnisse seiner Arbeiten in einem Bericht darzulegen.

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