BBl 2022 www.bundesrecht.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

16.458 und 16.459 Parlamentarische Initiativen Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen Mietvertragsrecht. Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 18. August 2022

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Obligationenrechtes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

18. August 2022

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Christa Markwalder

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Übersicht Die Parlamentarische Initiativen «Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen» und «Mietvertragsrecht. Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären» werden mittels einer Anpassung von Artikel 269d des Obligationenrechts umgesetzt. Es handelt sich um eine von drei jeweils separat zu realisierenden Anpassungen des Mietrechts im Obligationenrecht.

Ausgangslage Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates schlägt vor, die Anliegen von vier parlamentarischen Initiativen zu ausgewählten Fragen des Mietrechts in drei gesonderten Erlassentwürfen umzusetzen. Die drei Erlassentwürfe sehen Anpassungen im Bereich der Untermiete, der Formvorschriften bei Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen sowie bei der Frage der Kündigung wegen Eigenbedarfs vor.

Inhalt der Vorlage Die bestehenden Formvorschriften im Mietrecht sollen in zwei Teilbereichen leicht gelockert werden. So soll in Zukunft für die Mitteilung einer Mietzinserhöhung, die in einer Vereinbarung über gestaffelte Mietzinse nach Artikel 269c Obligationenrecht vorgesehen ist, die schriftliche Form genügen. Gemäss geltendem Recht muss dafür ein amtliches Formular verwendet werden. Zudem wird vorgeschlagen, dass für die Unterzeichnung des amtlichen Formulars, welches bei Mietzinserhöhungen sowie anderen einseitigen Vertragsänderungen zu verwenden ist, neu eine mechanische Unterschrift (Faksimile) genügt.

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Bericht 1

Ausgangslage und Vorarbeiten der Kommission

1.1

Parlamentarische Initiative 16.458 (Vogler)

Urheber der Parlamentarischen Initiative «Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen» vom 14. September 2016 ist Nationalrat Karl Vogler (Die Mitte-Fraktion. Die Mitte. EVP, Christlich-soziale Partei Obwalden). Die Initiative verlangt, dass Artikel 269d OR durch einen neuen Absatz 4 dahingehend zu ändern ist, dass für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen, die in einer Vereinbarung über gestaffelte Miet-zinse nach Artikel 269c Obligationenrechts (OR)1 vorgesehen sind, die schriftliche Form genügt.

Zur Begründung führt der Initiant aus, dass nach heutigem Recht die vermietende Partei bei einem Mietvertrag mit einer vereinbarten Mietzinsstaffelung die einzelnen Erhöhungsschritte mit einem vom Kanton genehmigten amtlichen Formular anzeigen muss, das die Mieterschaft auf die Möglichkeit der Anfechtung des Mietzinses aufmerksam macht. Die Verwendung des Formulars sei bei der Staffelmiete allerdings widersinnig und verwirrlich, da gemäss Artikel 270d OR gestaffelte Mietzinse unter Vorbehalt der Anfechtung des Anfangsmietzinses gar nicht angefochten werden können. Trotzdem habe die fehlende Verwendung des amtlichen Formulars die Folge, dass die Mietzinserhöhung nichtig ist, sodass trotz vorbehaltlos bezahltem Mietzins nachträglich eine Rückforderung möglich sei; dies obwohl die Parteien die einzelnen Staffelungsschritte bereits im Mietvertrag abschliessend festgelegt haben. Das Aufheben der Formularpflicht für Mietzinserhöhungen aufgrund einer vereinbarten Staffelung sei angemessen, da erheblicher Verwaltungsaufwand eingespart werde, ohne die Rechtsposition der Mieterschaft zu beeinträchtigen.

Am 19. Oktober 2017 hat die RK-N der Parlamentarischen Initiative Folge gegeben.

Am 21. August 2018 stimmte auch die RK-S zu. Schliesslich verlängerte der Nationalrat am 25. September 2020 die Frist zur Behandlung bis zur Herbstsession 2022.

1.2

Parlamentarische Initiative 16.459 (Feller)

Die Parlamentarische Initiative «Mietvertragsrecht. Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären» wurde am 15. September 2016 von Nationalrat Olivier Feller (FDP-Liberale Fraktion, FDP.Die Liberalen) eingereicht.

Er verlangt, dass Artikel 269d OR um einen vierten Absatz ergänzt wird, wonach für die Mitteilung einer Mietzinserhöhung oder jeglicher anderen einseitigen Vertragsänderung eine auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschrift auf dem offiziellen Formular zulässig ist.

In seiner Begründung weist der Initiant auf Artikel 269d OR hin, der die von der Vermieterin oder dem Vermieter zu befolgenden Regeln festlegt, wenn sie oder er den 1

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Mietzins erhöhen oder andere einseitige Änderungen am Mietvertrag vornehmen will.

Diese Bestimmung sieht namentlich vor, dass die Mitteilung an die Mieterin oder den Mieter schriftlich und auf einem offiziellen, vom Kanton genehmigten Formular erfolgen muss. In seinem Entscheid vom 8. Juli 20032 befand das Bundesgericht, dass das offizielle Formular zur Mitteilung einer Mietzinserhöhung an die Mieterin oder den Mieter handschriftlich unterzeichnet sein müsse und dass eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift auf mechanischem Wege nur da als genügend anerkannt werde, wo deren Gebrauch im Verkehr gemäss Artikel 14 Absatz 2 OR üblich sei.

Der Initiant führt aus, dass dieser Entscheid zu einer Rechtsunsicherheit mit potenziell gravierenden Folgen führe: Fehlt die eigenhändige Unterschrift auf dem offiziellen Formular, kann die Mitteilung der Mietzinserhöhung für nichtig erklärt werden.

Durch die Initiative soll eine auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschrift zur Mitteilung einer Mietzinserhöhung oder einer anderen einseitigen Vertragsänderung für zulässig zu erklären und der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt werden.

Dies erlaube es namentlich institutionellen Vermieterinnen wie den Pensionskassen oder auch Liegenschaftsverwaltungen, auf den offiziellen Formularen für Mietzinserhöhungen oder andere einseitige Vertragsänderungen eine Faksimileunterschrift anzubringen. Der Verwaltungsaufwand werde dadurch erheblich vermindert, ohne dass auf irgendeine Weise die Rechte der Mieterinnen und Mieter eingeschränkt würden.

Schliesslich verweist der Initiant auf einen ähnlichen Vorschlag in der von Nationalrat Rudolf Steiner am 22. März 2007 eingereichten Motion 07.3159 sowie auf die Stellungnahme des Bundesrats vom 15. Juni 2007. Dieser habe damals eingeräumt, dass die Forderung nach eigenhändiger Unterzeichnung übertrieben formalistisch sei und dass zum Schutz der Mieterin oder des Mieters das offizielle, vom Kanton genehmigte Formular genüge. Diese Motion wurde ohne parlamentarische Debatte abgeschrieben, da der Urheber Ende 2007 aus dem Rat ausgeschieden war.

Am 19. Oktober 2017 hat die RK-N der Parlamentarischen Initiative Folge gegeben.

Am 21. August 2018 stimmte auch die RK-S zu. Schliesslich verlängerte der Nationalrat am 25. September 2020 die Frist zur Behandlung bis zur Herbstsession 2022.

1.3

Vorarbeiten der Kommission

Die RK-N hat die Arbeiten an der Umsetzung der vier parlamentarischen Initiativen 15.455 Egloff. Missbräuchliche Untermiete vermeiden, 16.458 Vogler. «Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen», 16.459 Feller. «Mietvertragsrecht. Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären» und 18.475 (Merlini) Markwalder. «Beschleunigung des Verfahrens bei der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf des Vermieters oder seiner Familienangehörigen» an ihrer Sitzung vom 5. Februar 2021 aufgenommen. Dabei hat sie entschieden, die vier parlamentarischen Initiativen in einem einzigen Verfahren umzusetzen, aber in verschiedenen Entwürfen. Damit war die Grundlage geschaffen, um eine einzige Vernehmlassung zu drei separaten Vorentwürfen durchführen zu

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BGer 4C.110/2003.

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können. An ihrer Sitzung vom 24. Juni 2021 hat die RK-N die drei Vorentwürfe bereinigt und in den Gesamtabstimmungen mit folgenden Stimmenverhältnissen angenommen. Mit 12 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen verabschiedete sie die Vorlage 1 (Untermiete), mit 13 zu 2 Stimmen bei 8 Enthaltungen die Vorlage 2 (Formvorschriften) und mit 13 zu 9 Stimmen die Vorlage 3 (Kündigung wegen Eigenbedarfs). An ihrer Sitzung vom 20. August 2021 verabschiedete sie den begleitenden Bericht und entschied gleichzeitig, zu den Vorlagen die Vernehmlassung zu eröffnen.

Die Kommission wurde bei ihren Arbeiten vom Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) unterstützt.

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Vernehmlassungsverfahren

2.1

Einleitung

Die Vernehmlassungsvorlagen und der erläuternde Bericht bezogen sich auf die vier parlamentarischen Initiativen «Missbräuchliche Untermiete vermeiden», «Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen», «Mietvertragsvertragsrecht. Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären» und «Beschleunigung des Verfahrens bei der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf des Vermieters oder seiner Familienangehörigen». Die drei zuerst genannten Vorstösse sehen eine Änderung des Mietrechts im OR vor, während die zuletzt erwähnte parlamentarische Initiative zusätzlich noch eine Anpassung der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO)3 bezweckt.

Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs, des Verfahrensstadiums und der Prozessökonomie wurden die mit den vier parlamentarischen Initiativen angestrebten Anpassungen in einem Vernehmlassungsverfahren unterbreitet. Es waren aber drei Vorentwürfe vorgesehen, jeweils mit dem angepassten Wortlaut der betroffenen Artikel.

Am 6. September 2021 eröffnete die RK-N die Vernehmlassung zu den Vorentwürfen in Umsetzung der vier parlamentarischen Initiativen 15.455 n Pa. Iv. Egloff. Missbräuchliche Untermiete vermeiden, 16.458 n Pa. Iv. Vogler. Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen, 16.459 n Pa. Iv. Feller. Mietvertragsrecht.

Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären und 18.475 n Pa. Iv. (Merlini) Markwalder. Beschleunigung des Verfahrens bei der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf des Vermieters oder seiner Familienangehörigen. Bis zum Ablauf der Vernehmlassungsfrist am 6. Dezember 2021 sind insgesamt 64 Antworten eingegangen, wovon 60 eine inhaltliche Stellungnahme enthalten.

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SR 272

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2.2

Vernehmlassungsvorlage

2.2.1

Zulässigkeit von auf mechanischem Wege nachgebildeten Unterschriften (Art. 269d Abs. 4 OR)

Der Vorentwurf sah eine Ergänzung innerhalb der zweiten Abteilung des OR betreffend die einzelnen Vertragsverhältnisse vor. Bei den mietrechtlichen Bestimmungen sollte Artikel 269d OR zu den Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen durch den Vermieter um einen Absatz erweitert werden. Gestützt auf den neuen Absatz 4 sollte künftig für die Mitteilung einer Mietzinserhöhung oder jeder anderen einseitigen Vertragsänderung eine auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschrift auf dem offiziellen Formular zulässig sein. Damit sollte eine spezifische Vorschrift geschaffen werden, welche im Verhältnis zu Artikel 14 Absatz 2 OR eine lex specialis darstellt.

Der Vorentwurf verzichtete auf die mögliche Einschränkung, wonach die FaksimileUnterschrift nur bei Mietzinserhöhungen und Anpassungen von Akontobeträgen für Nebenkosten zulässig ist. Damit lag der Vorentwurf auf der Linie der zum Thema eingereichten parlamentarischen Vorstösse. Die Zulassung der auf mechanischem Wege nachgebildeten Unterschrift für sämtliche Mitteilungen des Vermieters im Sinne von Artikel 269d OR sollte Klarheit schaffen und Auslegungsfragen vermeiden.

Zudem sollte damit auch das Ziel, den Verwaltungsaufwand erheblich zu vermindern, realisiert werden. Die Rechte der Mieterinnen und Mieter sollte keine Einschränkung erfahren. Die Faksimile-Unterschrift sollte die Zurechnung einer Erklärung an eine identifizierbare Person erlauben.

Durch die Zulassung der mechanisch nachgebildeten Unterschrift (Faksimile) für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen durch die Vermieterschaft sollte eine Gleichstellung mit der eigenhändigen Unterschrift erfolgen.

2.2.2

Schriftliche Form der Mietzinserhöhung bei der Staffelmiete (Art. 269d Abs. 5 OR)

Der in die Vernehmlassung gegebene neue Absatz 5 zu Artikel 269d OR sah vor, dass für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen, die in einer Vereinbarung über gestaffelte Mietzinse vorgesehen sind, die schriftliche Form genügt. Es sollte demnach kein Formular verwendet werden müssen. Damit wurde eine Lockerung einer Formvorschrift angestrebt, welche für die Vermieterinnen und Vermieter auch ein gewisses Risiko birgt, da. Formfehler für die erklärende Partei einschneidende Rechtsfolgen haben können.

Damit griff der Vorentwurf die in der Praxis geäusserte Kritik an der Pflicht zur Verwendung des Formulars für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen bei vereinbarter Staffelung auf.

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2.3

Vernehmlassungsergebnisse

2.3.1

Vorlage insgesamt

Es gingen 32 Stellungnamen zur Vorlage 2 als Ganzes ein. 18 Vernehmlassungsteilnehmende haben sich zumindest im Grundsatz positiv zur Vorlage geäussert, während die vierzehn anderen eine neutrale Haltung zum Ausdruck gebracht haben.

Sieben Kantone (ZH, BE, BS, GR, SH, TI, ZG) haben sich allgemein zur Vorlage 2 betreffend Formvorschriften geäussert. Sie alle haben ihre Zustimmung zu den unterbreiteten Änderungen ausgedrückt und die vorgeschlagenen Änderungen des OR begrüsst. Bei den politischen Parteien haben sich die Grüne Partei der Schweiz (GPS) sowie die Mitte geäussert und zur Vorlage 2 insgesamt ihr Einverständnis erklärt. Der (Schweizerische Städteverband) SSV hat sich als einziger der gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete zur Vorlage 2 als Ganzes geäussert und sich für den Vorschlag ausgesprochen. Mit dem Schweizerischen Gewerbeverband (sgv) hat sich einer der gesamtschweizerischen Dachverbände der Wirtschaft geäussert und mitgeteilt, dass er die Vorlage 2 unterstützt.

Insgesamt acht weitere interessierte Organisationen haben sich zum Vorschlag als Ganzes geäussert. Davon haben fünf Verbände, nämlich Casafair Schweiz (Casafair), Chambre genevoise immobilière (CGI), Union suisse des professionnels de l'immobilier (USPI), Verband Immobilien Schweiz (VIS) und Wohnbaugenossenschaften Schweiz - Verband der gemeinnützigen Wohnbauträger (WBG Schweiz) zugestimmt, während deren drei den Vorschlag lediglich zur Kenntnis genommen haben, nämlich Association suisse des locataires / Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz (ASLOCA/MV), Dachverband der regionalen Mieterinnen- und Mieterverbände in der Deutschschweiz (MVD) und Associazione Svizzera Inquilini ­ Sezione delle Svizzera Italiana (ASI-SSI).

Mit dem Centre Patronal (CP) und dem Schweizerischer Verband der Bürgergemeinden und Korporationen (SVBK) haben sich zwei nicht eingeladene Vernehmlassungsteilnehmende zustimmend geäussert, während von deren elf, nämlich Association suisse des locataires, section de la Broye vaudoise (ASLOCA Broye vaudoise), Association suisse des locataires, section de l'agglomération lausannois (ASLOCA Lausanne), Association suisse des locataires neuchâteloise (ASLOCA neuchâteloise), Association suisse des locataires, section vaudoise (ASLOCA Vaud), Association suisse des locataires,
section Vevey, la Tour-de-Peilz et environs (ASLOCA Vevey, la Tour-de-Peilz et environs), Mieterinnen- und Mieterverband Kanton Bern (MV BE), Mieterinnen- und Mieterverband Basel-Stadt (MV BS), Mieterinnen- und Mieterverband Deutschfreiburg (MVDF), Mieterinnen- und Mieterverband Regionalgruppe Emmental-Oberaargau (MV RG Emmental-Oberaargau), Mieterinnen- und Mieterverband Regionalgruppe Thun-Oberland (MV RG Thun-Oberland) sowie Mieterinnen- und Mieterverband Zürich (MV ZH), die Mitteilung eingegangen ist, dass der Vorschlag zur Kenntnis genommen wurde.

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2.3.2

Artikel 269d Absatz 4 OR Faksimile-Unterschrift

Insgesamt gingen 30 Stellungnamen ein, die sich explizit auf Artikel 269d Absatz 4 OR betreffend Faksimile-Unterschrift bezogen haben. 29 Vernehmlassungsteilnehmende haben sich positiv zu diesem Teil der Vorlage 2 geäussert, während in einer Antwort eine ablehnende Haltung zum Ausdruck gebracht worden ist.

Insgesamt zwölf Kantone (ZH, AG, BS, FR, GE, GR, LU, NW, OW, SO, TI, VD) haben sich zu Artikel 269d Absatz 4 OR betreffend Faksimile-Unterschrift geäussert und ausnahmslos ihre Zustimmung zum Ausdruck gebracht. Mit der FDP. Die Liberalen (FDP) und der Schweizerische Volkspartei (SVP) trifft dies auch für die beiden in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien zu, die zum Absatz 4 eine Stellungnahme abgegeben haben.

Mit dem Schweizerischen Gemeindeverband (SGV) hat einer der gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete eine Beurteilung zur Faksimile-Unterschrift eingereicht und dieser Vorlage ebenfalls zugestimmt. Als einziger gesamtschweizerischer Dachverband der Wirtschaft hat sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) ausdrücklich zu Absatz 4 geäussert und sich gegen den Vorschlag ausgesprochen.

Von den weiteren interessierten Organisationen haben sich mit Camera ticinese dell'Economia Fondiaria (CATEF), CGI, Fédération Romande Immobilière FRI, Hauseigentümerverband Schweiz (HEV), Konferenz der Geschäftsführer von Anlagestiftungen (KGAST), Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter SVR-ASM, Schweiz. Verband der Immobilienwirtschaft (SVIT), USPI, VIS und WBG Schweiz, insgesamt 10 weitere interessierte Organisationen vernehmen lassen und ihre Zustimmung zu Absatz 4 erklärt.

Ebenfalls zugestimmt haben alle vier nicht eingeladenen Vernehmlassungsteilnehmenden, von denen eine Stellungnahme zur Bestimmung betreffend Faksimile-Unterschrift eingegangen ist; es sind dies CP, Fédération des Entreprises Romandes (FER), SVBK und Vereinigung Zürcher Immobilienunternehmen (VZI).

2.3.3

Artikel 269d Absatz 5 OR Gestaffelte Mietzinse

Zu Artikel 269d Absatz 5 OR betreffend gestaffelte Mietzinse gingen insgesamt 27 Stellungnahmen ein. Dreizehn Vernehmlassungsteilnehmende haben sich positiv und ebenfalls dreizehn haben sich negativ zu dieser Bestimmung geäussert. In einer Antwort ist eine neutrale Haltung zum Ausdruck gebracht worden. Die ablehnenden Stellungnahmen sind unterschiedlich begründet worden, in den meisten Fällen mit der Forderung, dass nicht nur auf die Formularpflicht, sondern ganz generell auf das Erfordernis einer Mitteilung der Mietzinserhöhung oder auf dasjenige der Schriftlichkeit zu verzichten ist.

Zehn Kantone haben sich zu Artikel 269d Absatz 5 OR geäussert. Acht von ihnen (ZH, AG, BS, GE, GR, LU, OW, TI) haben dargelegt, dass sie mit dem Verzicht auf das Formular bei gestaffelten Mietzinsen im Grundsatz einverstanden sind, wobei dies zum Teil mit Anpassungsvorschlägen verknüpft worden ist. Der Kanton VD hat mit 8 / 22

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Hinweis auf die Geltung spezieller kantonaler Bestimmungen eine neutrale Haltung begründet. Der Kanton SO hat sich gegen den Vorschlag ausgesprochen; dies mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach für die Mietzinserhöhung weder ein Formular noch eine Mitteilung erforderlich ist.

Zwei in der Bundesversammlung vertretene politische Parteien haben sich zu dieser Bestimmung geäussert. Sowohl die FDP als auch die SVP haben sich gegen die Formularpflicht, jedoch gleichzeitig auch gegen den Vorschlag ausgesprochen, da sie bei gestaffelten Mietzinsen jegliche Mitteilungspflicht ablehnen. Mit dem SGV hat sich einer der gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete geäussert und die vorgelegte Bestimmung mit der gleichen Begründung abgelehnt wie die oben erwähnten politischen Parteien. Als einziger gesamtschweizerischer Dachverband der Wirtschaft hat sich der SGB ausdrücklich zu Absatz 5 geäussert und sich gegen den Vorschlag ausgesprochen.

Von den weiteren interessierten Organisationen haben sich deren drei (KGAST, SVRASM, USPI) positiv zur Vorlage geäussert, während sich sechs weitere (CATEF, CGI, FRI, HEV, SVIT, VIS) gegen den Vorschlag ausgesprochen haben. Dies mit der Begründung, dass sie bei gestaffelten Mietzinsen jegliche Mitteilungspflicht ablehnen. Zwei der nicht eingeladenen Vernehmlassungsteilnehmenden (CP, SVBK) haben der vorgeschlagenen Bestimmung zugestimmt. Zwei andere Organisationen aus dieser Kategorie (FER, VZI) haben die Streichung von Artikel 269d Absatz 5 OR beantragt, da sie bei der Anpassung gestaffelter Mietzinse jegliche Mitteilungspflicht ablehnen.

2.4

Beschluss der RK-N über das weitere Vorgehen nach der Vernehmlassung

An ihrer Sitzung vom 8. April 2022 nahm die RK-N die Ergebnisse der Vernehmlassung (vgl. Kapitel 3) zur Kenntnis4 und veröffentlichte den Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung.5 Nach der Detailberatung zu Artikel 269d Absatz 4 und 269d Absatz 5 OR vom 23. Juni 2022 verabschiedete die Kommission die Vorlage zur Umsetzung der beiden parlamentarischen Initiativen mit 14 zu 0 Stimmen bei 8 Enthaltungen zuhanden des Rates.

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RK-N, Freitag, 8. April 2022, 16.30 Uhr, Medienmitteilung «Für eine erleichterte Stiefkindadoption», www.parlament.ch > Organe > Sachbereichskommissionen > Kommissionen für Rechtsfragen RK > Medienmitteilungen > RK-N > Freitag, 8. April 2022 Medienmitteilung RK-N (besucht 29. Juli 2022).

Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung, www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2021 > Parl. > Vernehmlassung 2021/91 > Ergebnisbericht (besucht 29. Juli 2022).

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Grundzüge der Vorlage

3.1

Zulässigkeit von auf mechanischem Wege nachgebildeten Unterschriften (Art. 269d Abs. 4 OR)

Die Schriftlichkeit als Form ist bei den Allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts geregelt. Gemäss Artikel 14 Absatz 2 OR wird eine Nachbildung der eigenhändigen Schrift auf mechanischem Wege nur da als genügend anerkannt, wo deren Gebrauch im Verkehr üblich ist, insbesondere wo es sich um die Unterschrift auf Wertpapieren handelt, die in grosser Zahl ausgegeben werden.

Nach der Auslegung durch das Bundesgericht setzt Artikel 14 Absatz 2 OR voraus, dass der Gebrauch von faksimilierten Unterschriften im Verkehr üblich ist. Es handle sich dabei um eine Tatfrage.6 Artikel 14 Absatz 2 OR ist gemäss dem Bundesgericht eine Ausnahme vom Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift als wesentliches Element der Schriftlichkeit für die qualifizierte Schriftform des Formulars.7 Vor der geschilderten Ausgangslage sieht die Vorlage eine Ergänzung innerhalb der zweiten Abteilung des OR betreffend die einzelnen Vertragsverhältnisse vor. Bei den mietrechtlichen Bestimmungen soll Artikel 269d OR zu den Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen durch den Vermieter um einen Absatz erweitert werden. Gestützt auf den neuen Absatz 4 ist künftig für die Mitteilung einer Mietzinserhöhung oder jeder anderen einseitigen Vertragsänderung eine auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschrift auf dem offiziellen Formular zulässig. Damit wird eine spezifische Vorschrift geschaffen, welche im Verhältnis zu Artikel 14 Absatz 2 OR eine lex specialis darstellt.

Die Vorlage erfüllt ein Anliegen, das in der Vergangenheit sowohl durch Mitglieder der Bundesversammlung als auch durch den Bundesrat vorgebracht worden ist. Am 6. Mai 2004 reichte der damalige Nationalrat Georges Theiler die Motion 04.3235 «Unterzeichnung von Formularen zur Anpassung des Mietvertrages» ein. Der Bundesrat beantragte in der Stellungnahme vom 18. August 2004 die Ablehnung der Motion, weil er davon ausging, das Vorgehen sei bereits auf der Grundlage von Artikel 14 Absatz 2 OR zulässig. Die Motion wurde am 23. Juni 2006 abgeschrieben, weil sie nicht innert zwei Jahren im Rat abschliessend behandelt werden konnte. Mit der Motion 07.3159 «Mietzinserhöhungen. Faksimile-Unterschrift» vom 22. März 2007 wurde das Anliegen vom damaligen Nationalrat Rudolf Steiner aufgegriffen, wie dies auch in der Begründung zur parlamentarischen Initiative
16.459 «Mietvertragsrecht.

Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären» festgehalten wird, welche die Grundlage für die Vorlage bildet. In der Stellungnahme vom 15. Juni 2007 erklärte sich der Bundesrat bereit, zu überprüfen, ob das Anliegen des Motionärs durch eine Revision von Artikel 19 VMWG umgesetzt werden kann. Er sprach sich aber gegen die Gleichstellung von Faksimile-Unterschrift und eigenhändiger Unterschrift aus. Im Ergebnis beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion. Aufgrund des Ausscheidens des Urhebers aus dem Rat wurde die Motion am 6. Dezember 2007 abgeschrieben. Am 3. Oktober 2008 reichte die damalige Nationalrätin Esther Egger-Wyss die Motion 08.3654 «Mietzinserhöhung. Zulassung von 6 7

BGer 4C.110/2003 Urteil vom 8. Juli 2003 E. 3.5.

BGE 138 III 401 E. 2.4.2 S. 406.

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auf mechanischem Weg nachgebildeten Unterschriften» ein. In der Stellungnahme vom 5. Dezember 2008 erachtete der Bundesrat das Anliegen mit Blick auf die handschriftliche Unterzeichnung von Mietzinserhöhungen als sinnvoll. Betreffend die anderen einseitigen Vertragsänderungen erachtete er eine differenziertere Betrachtungsweise als angebracht. Im Ergebnis beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion. Der Nationalrat nahm die Motion am 10. März 2010 an, während der Ständerat sie am 9. Juni 2010 ablehnte.

In der Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen) vom 12. Dezember 2008 unterbreitete der Bundesrat neben anderen Anpassungen den Vorschlag, die Faksimile-Unterschrift für Mietzinserhöhungen und Anpassungen von Akontobeträgen für Nebenkosten einzuführen.8 Der Nationalrat trat am 25. Mai 2009 nicht auf den Entwurf ein. Der Ständerat entschied am 17. Juni 2010 auf Eintreten mit einem Beschluss abweichend vom Entwurf des Bundesrates.

Am 14. September 2010 entschied der Nationalrat erneut auf Nichteintreten. Die Vorlage war damit gescheitert.9 Der Bundesrat griff das Anliegen mit der Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen) vom 27. Mai 2015 erneut auf. Im Vordergrund stand bei diesem Projekt die schweizweite Einführung der Formularpflicht für die Bekanntgabe des Vormietzinses. Die mechanische Nachbildung der Unterschrift sollte auch bei diesem Änderungsvorhaben bei Mietzinserhöhungen und Anpassungen von Akontobeträgen für Nebenkosten möglich sein.10 Nachdem der Nationalrat am 8. Juni 2016 und der Ständerat am 13. September 2016 entschieden hatten, auf den Entwurf nicht einzutreten, war auch diese Vorlage gescheitert.11 Die Vorlage verzichtet auf die vom Bundesrat in den Botschaften vom 12. Dezember 200812 und 27. Mai 201513 vorgenommene Einschränkung, wonach die FaksimileUnterschrift nur bei Mietzinserhöhungen und Anpassungen von Akontobeträgen für Nebenkosten zulässig ist. Damit liegt die Vorlage auf der Linie der zum Thema eingereichten parlamentarischen Vorstösse.14 Die Zulassung der auf mechanischem Wege nachgebildeten Unterschrift für sämtliche Mitteilungen des Vermieters im Sinne von Artikel 269d OR schafft Klarheit und vermeidet Auslegungsfragen. Zudem wird damit auch das Ziel, den Verwaltungsaufwand erheblich zu vermindern, reali-

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BBl 2009 347, hier 362 und 379.

08.081 Geschäft des Bundesrates. OR. Miete und Pacht. 12. Dezember 2008, www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20080081 (besucht 29. Juli 2022).

BBl 2015 4087 15.044 Geschäft des Bundesrates. OR. Mietrecht. 27. Mai 2015, www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20150044 (besucht 29. Juli 2022).

BBl 2009 347, hier 362 und 379 BBl 2015 4087 Motion 04.3235 «Unterzeichnung von Formularen zur Anpassung des Mietvertrages» von Georges Theiler vom 6. Mai 2004; Motion 07.3159 «Mietzinserhöhungen. FaksimileUnterschrift» von Rudolf Steiner vom 22. März 2007 und Motion 08.3654 «Mietzinserhöhung. Zulassung von auf mechanischem Weg nachgebildeten Unterschriften» von Esther Egger-Wyss vom 3. Oktober 2008.

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siert. Die Rechte der Mieterinnen und Mieter erfahren keine Einschränkung. Die Faksimile-Unterschrift erlaubt die Zurechnung einer Erklärung an eine identifizierbare Person.

Indem die mechanisch nachgebildete Unterschrift (Faksimile) für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen durch die Vermieterschaft zugelassen wird, erfolgt eine Gleichstellung mit der eigenhändigen Unterschrift.

3.2

Schriftliche Form der Mietzinserhöhung bei der Staffelmiete (Art. 269d Abs. 5 OR)

3.2.1

Formvorschrift

Artikel 269c OR legt die Voraussetzungen für die Gültigkeit der Vereinbarung, dass sich der Mietzins periodisch um einen bestimmten Betrag erhöht, fest. Der Mietvertrag muss für mindestens drei Jahre abgeschlossen werden; der Mietzins wird höchstens einmal jährlich erhöht und der Betrag der Erhöhung muss in Franken festgelegt werden. Unter Vorbehalt der Anfechtung des Anfangsmietzinses kann der Mieter gestaffelte Mietzinse grundsätzlich nicht anfechten (Art. 270d OR). Für die Mitteilung der Mietzinserhöhungen ist nach geltendem Recht das Formular zu verwenden. Der Inhalt des Formulars ist in Artikel 19 Absatz 1 VMWG geregelt und gestützt auf Artikel 19 Absatz 2 VMWG sinngemäss auch bei der Mitteilung der Mietzinserhöhung bei Vereinbarung eines gestaffelten Mietzinses massgebend.

Im Anwendungsbereich des früher geltenden Bundesbeschlusses über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen vom 30. Juni 1972 (BMM) 15 bejahte das Bundesgericht auf der Grundlage von Artikel 13 Absatz 1 und Absatz 2 der früher geltenden Verordnung über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen vom 10. Juli 1972 (VMM)16 die Verpflichtung, auch bei einer Staffelung die Mietzinserhöhung mit dem amtlichen Formular anzuzeigen. Grundlage für diese Auslegung war der Umstand, dass die Mietenden den Mietzins bei jeder neuen vom Staffelmietvertrag vorgesehenen Anpassung anfechten konnten.17 Die auf den BMM und die VMM folgende Regelung sieht die Anfechtung nur noch in Bezug auf den Anfangsmietzins vor.18 Wenn eine Anfechtung aufgrund von Artikel 270d OR ausgeschlossen ist, erscheint eine Anzeigepflicht mittels amtlichen Formulars unter Androhung der Nichtigkeitsfolge nach der Auffassung des Bundesgerichts als nicht mehr sinnvoll. Die Pflicht zur Mitteilung von Mietzinserhöhungen im Rahmen der Staffelung mit der Grundlage in be-

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18

SR 221.213.1 SR 221.213.11 Die frühere Rechtsprechung und die damalige Rechtslage werden im Urteil des Bundesgerichts 4A_450/2018 vom 3. April 2019 E. 3.3.3. erläutert. In diesem Zusammenhang wird auf BGE 113 II 299 E. 2e und BGE 116 II 587 E. 3a verwiesen.

Vgl. auch Botschaft zur Volksinitiative «für Mieterschutz», zur Revision des Mietund Pachtrechts im Obligationenrecht und zum Bundesgesetz über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen (Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts) vom 27. März 1985, BBl 1985 I 1389, hier 1486.

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reits vereinbarten Mietzinsanpassungen auf einem Formular erfülle keine Schutzfunktion.19 Das in Artikel 269d Absatz 1 OR vorgesehene Formular ist nach der Auslegung des Bundesgerichts in einem Zusammenhang mit der Möglichkeit der Mieterschaft die Mietzinserhöhung mit einem Gesuch an die Schlichtungsbehörde anzufechten zu verstehen. Artikel 269d Absatz 1 OR könne nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass die Mitteilung auf dem Formular auch für periodische Mietzinserhöhungen bei vereinbarter Staffelung verlangt werde. Soweit Artikel 19 Absatz 2 VMWG die Verwendung des Formulars auch für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen bei vereinbarter Staffelung vorschreibe, verletze er die Vertragsfreiheit. Die Verordnungsbestimmung erscheine bei gestaffelten Mietzinsen als bundesrechtswidrig.20 Die Vorlage greift damit die in der Praxis geäusserte Kritik an der Pflicht zur Verwendung des Formulars für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen bei vereinbarter Staffelung auf. Bestrebungen, die Formularpflicht im Bereich der gestaffelten Mietzinse aufzuheben, gab es schon früher. Bereits nach dem indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zu fairen Mieten» sollte für Mietzinserhöhungen bei vereinbarter Staffelung eine schriftliche Mitteilung ausreichend sein.21 Die Vorlage wurde in der Volksabstimmung vom 8. Februar 2004 abgelehnt.22 Am 12. Dezember 2008 unterbreitete der Bundesrat der Bundesversammlung die Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen). Diese enthielt neben dem Vorschlag, die Index- und Vergleichsmiete einzuführen, das Erfordernis der einfachen schriftlichen Mitteilung von Mietzinserhöhungen bei gestaffelten Mietzinsen.23 Am 25. Mai 2009 entschied der Nationalrat auf die Vorlage nicht einzutreten.

Der Ständerat trat am 17. Juni 2010 auf die Vorlage ein und fasste einen Beschluss abweichend vom Entwurf des Bundesrates. Dahingegen wollte der Nationalrat am 14. September 2010 erneut nicht auf die die Revision eintreten. Die Vorlage war damit gescheitert.24 In der Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen) vom 27. Mai 2015 schlug der Bundesrat eine generelle Formularpflicht für die Mitteilung des Vormietzinses beim Abschluss von Mietverträgen vor. Die einfache Schriftlichkeit bei Anpassungen von gestaffelten
Mietzinsen wurde im Sinne der Ausgewogenheit der Vorlage ebenfalls vorgesehen.25 Am 8. Juni 2016, bzw. am 13. September 2016 beschlossen sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat Nichteintreten. Aus diesem Grund wurde auch diese Vorlage nicht realisiert.26 Mit der Vorlage soll nun der wiederholt vorgebrachte Änderungsvorschlag umgesetzt werden. Die Verankerung der Schriftlichkeit für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen bei vereinbarter Staffelung auf Gesetzesebene hat eine Anpassung von Artikel 19

19 20 21 22 23 24

25 26

BGer 4A_450/2018 Urteil vom 3. April 2019 E. 3.3.3.

BGer 4A_124/2019 Urteil vom 1. November 2019 E. 9.

BBl 2002 8234, hier 8236 (Art. 269g Abs. 5 E-OR).

BBl 2004 2199 BBl 2009 347, hier 380 08.081 Geschäft des Bundesrates. OR. Miete und Pacht. 12. Dezember 2008, www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20080081 (besucht 29. Juli 2022).

BBl 2015 4087 15.044 Geschäft des Bundesrates. OR. Mietrecht. 27. Mai 2015, www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20150044 (besucht 29. Juli 2022).

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Absatz 2 VMWG zur Folge, soweit er sich auf das Formular bei gestaffelten Mietzinsen bezieht.

3.2.2

Weitere Regelungen im Zusammenhang mit der Mitteilung der Mietzinserhöhung

Artikel 19 Absatz 2 VMWG enthält neben dem Verweis betreffend die Form noch zusätzliche Vorschriften im Zusammenhang mit gestaffelten Mietzinsen. Demnach darf die Mitteilung der Mietzinserhöhung bei gestaffelten Mietzinsen frühestens vier Monate vor Eintritt jeder Mietzinserhöhung erfolgen. Die Kantone können als rechtsgenügendes Formular in diesem Fall die Kopie der Mietzinsvereinbarung bezeichnen.

Die VMM in der Fassung, wie sie am 14. Juli 1972 in Kraft getreten ist, enthielt diese beiden Regelungen noch nicht. Artikel 13 Absatz 2 VMM in der damaligen Fassung sah lediglich die sinngemässe Anwendung des ersten Absatzes zum Inhalt des Formulars vor.27 Mit Wirkung auf den 1. März 1975 wurden mehrere Bestimmungen der VMM angepasst. Die Revision enthielt in Bezug auf die gestaffelten Mietzinse neu die Anforderung, dass die Mitteilung frühestens vier Monate vor dem Eintritt jeder Mietzinserhöhung erfolgen darf und die Kompetenz der Kantone betreffend die Kopie der Mietzinsvereinbarung.28 Die Formulierung des geltenden Artikel 19 Absatz 2 VMWG ist mit dem betreffenden Wortlaut von Artikel 13 Absatz 2 VMM identisch.

Gemäss der Auslegung des Bundesgerichts hatten die Vermieterinnen und Vermieter gestützt auf den vor dem 1. März 1975 geltenden Wortlaut von Artikel 13 Absatz 2 VMM keine Verpflichtung, die Mieterin oder den Mieter vor jeder Stufe erneut zu informieren. Mit Inkrafttreten des ergänzten Wortlauts musste jeder Mietzinserhöhungsschritt mitgeteilt werden. Dadurch sollte die Mieterschaft die Möglichkeit erhalten, ursprünglich akzeptierte Erhöhungen anzufechten. Das Bundesgericht erwähnte in diesem Zusammenhang den Fall, dass die Mietzinserhöhung aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen nicht mehr gerechtfertigt sein kann.29 Es befasste sich mit der Thematik zu einem Zeitpunkt, als noch jede Mietzinserhöhung bei vereinbarter Staffelung angefochten werden konnte. Das geltende Recht sieht dies nicht mehr vor.30 Artikel 19 Absatz 2 VMWG führt über einen Verweis auf Absatz 1 nicht nur eine Formvorschrift für die Vermieterin oder den Vermieter ein, sondern legt auch Modalitäten fest. Durch die ausdrückliche Regelung der Form auf Gesetzesebene und die damit verbundene Anpassung des Verweises in Artikel 19 Absatz 2 VMWG ergibt sich auch ein Bedarf nach der Überprüfung der weiteren Vorschriften
betreffend den gestaffelten Mietzins. Bei der parlamentarischen Initiative «Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen» steht die Erleichterung in Bezug auf die 27 28 29 30

AS 1972 Heft 28 vom 14.07.1972, 1559, hier: 1562 f.

AS 1975 Heft 06 vom 17.02.1975, 173, hier: 175.

BGE 102 II 349 E. 2 S. 350.

Botschaft zur Volksinitiative «für Mieterschutz», zur Revision des Miet- und Pachtrechts im Obligationenrecht und zum Bundesgesetz über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen (Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts) vom 27. März 1985, BBl 1985 I 1389, hier 1486

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Form als solche im Vordergrund. Dies bedeutet, dass auch unter dem neuen Recht eine Mitteilung der Mietzinserhöhung zu erfolgen hat. Damit werden gewisse Vorschriften im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Rechts auf Mietzinserhöhung nicht obsolet, auch wenn der ursprüngliche Zweck nicht mehr besteht. Den Mieterinnen und Mietern dient die schriftliche Form der Information und sie ermöglicht einen Vergleich mit der ursprünglichen Mietzinsvereinbarung.

Der Regelungsgegenstand von Artikel 19 VMWG ist gemäss seiner Marginalie das Formular zur Mitteilung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen. Mit der Umsetzung der Vorlage muss das Formular künftig bei der Mitteilung von Mietzinserhöhungen im Falle von vereinbarter Staffelung nicht mehr verwendet werden. Aus diesem Grund passen die Anforderung, dass jede Mietzinserhöhung mitgeteilt werden muss und die Frist nicht mehr zum übrigen Inhalt von Artikel 19 VMWG. Vor diesem Hintergrund muss eine Revision geprüft werden. Diese Argumentation gilt auch für die weitere Regelung zu gestaffelten Mietzinsen. Gemäss dem letzten Satz von Artikel 19 Absatz 2 VMWG können die Kantone im Falle von gestaffelten Mietzinsen als rechtsgenügendes Formular die Kopie der Mietzinsvereinbarung bezeichnen. Sieben Kantone haben diese Kompetenz ausgeschöpft und damit eine signifikante Vereinfachung in der Form ermöglicht. Dieser Vorteil reduziert sich mit der Vorlage, welche die schriftliche Form genügen lässt. Zudem könnte mit der ausschliesslichen Vorgabe der schriftlichen Form eine einheitliche Regelung geschaffen werden. Vor diesem Hintergrund muss die Frage geklärt werden, ob die Kopie der Mietzinsvereinbarung als Vereinfachung zu einem Schreiben gelten soll oder die Vorschrift gestrichen werden muss. Falls diese Möglichkeit auch künftig anwendbar sein soll, muss sie wahrscheinlich an einer anderen Stelle geregelt werden.

4

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln der Vorlage

4.1

Artikel 269d Absatz 4 OR Faksimile-Unterschrift

Im neuen Absatz 4 von Artikel 269d OR wird festgehalten, dass für die Mitteilung einer Mietzinserhöhung oder jeglicher anderen einseitigen Vertragsänderung eine auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschrift auf dem offiziellen Formular genügt.

Diese Regelung gilt für Mitteilungen von Mietzinserhöhungen, Anpassungen von Akontobeträgen und alle anderen einseitigen Vertragsänderungen durch den Vermieter, nicht jedoch für die Kündigung. Es handelt es sich um eine Ergänzung der allgemeinen Bestimmung von Artikel 14 Absatz 2 OR, welcher festhält, dass eine Nachbildung der eigenhändigen Schrift auf mechanischem Weg nur da als genügend anerkannt wird, wo deren Gebrauch im Verkehr üblich ist. Bei den Mitteilungen von Mietzinserhöhungen, Anpassungen von Akontobeträgen für Nebenkosten und anderen einseitigen Vertragsanpassungen handelt es sich um Dokumente, deren Gebrauch im Verkehr üblich ist und die in grosser Anzahl versendet werden. Die Verwendung einer Faksimile-Unterschrift auf den entsprechenden Mitteilungen war bisher jedoch nicht verkehrsüblich. Mit dem neuen Absatz 4 von Artikel 269d OR wird nun eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Faksimile-Unterschrift in einem genau definierten Bereich geschaffen.

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4.2

Artikel 269d Absatz 5 OR Gestaffelte Mietzinse

Der neue Absatz 5 von Artikel 269d OR sieht vor, dass für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen, die in einer Vereinbarung über gestaffelte Mietzinse nach Artikel 269c OR vorgesehen sind, die schriftliche Form genügt. Da die Staffelung von den Parteien vertraglich vereinbart wird und eine solche Vereinbarung unter anderem auch den Erhöhungsbetrag in Franken und den dafür geltenden Zeitpunkt enthalten muss und daher der mietenden Partei bereits bekannt ist, bedarf es nicht zusätzlich einer Ankündigung mit einem Formular. Bei Mietzinserhöhungen aufgrund einer vereinbarten Staffelung soll daher künftig eine schriftliche Mitteilung (Art. 12 ff. OR) durch die Vermieterschaft genügen.

Gemäss Artikel 11 Absatz 1 OR bedürfen Verträge zu ihrer Gültigkeit einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. Artikel 11 Absatz 2 OR legt sodann fest, dass die Gültigkeit des Vertrages von der Beobachtung der vorgeschriebenen Form abhängt, sofern über deren Bedeutung und Wirkung nichts Anderes vorgesehen ist. Im vorliegenden Zusammenhang besteht kein Bedarf für eine andere Rechtsfolge, weshalb im neuen Absatz 5 von Artikel 269d OR darauf verzichtet wird, eine vom allgemeinen Grundsatz abweichende Wirkung des Fehlens der Form der Schriftlichkeit festzulegen. Die mündliche Mitteilung einer in der Vereinbarung über gestaffelte Mietzinse vorgesehenen Mietzinserhöhung ist daher nichtig31. Gleiches gilt im Übrigen auch für eine Mitteilung der Mietzinserhöhung per E-Mail, sofern nicht eine anerkannte qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des Bundesgesetzes über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate (Bundesgesetz über die elektronische Signatur, ZertES32) verwendet wird.

Die Mieterschaft kann gestaffelte Mietzinse gemäss Artikel 270d OR unter Vorbehalt der Anfechtung des Anfangsmietzinses grundsätzlich nicht anfechten. Das Schreiben der Vermieterschaft kann jedoch fehlerhaft sein. So kann eine Mietzinserhöhung angezeigt werden, welche nicht der vertraglich vereinbarten Staffelungsklausel entspricht. Weiter kann die Anpassung zu früh, zu spät oder auf einen falschen Termin hin angezeigt werden, sodass eine Anfechtung möglich sein muss.

Sofern die Mieterschaft in einem entsprechenden Fall nicht auf das Schreiben betreffend Mietzinsanpassung reagiert, kann ihr unter Umständen entgegengehalten werden, dass eine konsensuale Änderung des Mietvertrages und der Staffelungsklausel vorliegt.

31

32

Artikel 257d Absatz 1 OR verlangt für die Ansetzung der Zahlungsfrist die Schriftform.

Eine mündliche oder den Anforderungen der einfachen Schriftlichkeit nicht gerecht werdende Zahlungsfristansetzung bleibt ohne Wirkungen, vgl. ZK-HIGI/WILDISEN, Art. 257d N. 35.

SR 943.03

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5

Umsetzung

5.1

Vorlagen allgemein

Die Umsetzung der Vorlagen betreffend die Schriftform für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen bei vereinbarter Staffelung und die Verwendung der Faksimile-Unterschrift für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen liegt primär in der Verantwortung der Vertragsparteien und nur im Streitfall in derjenigen der Schlichtungsbehörden und Gerichte.

5.2

Anpassung der VMWG infolge der Änderung bei den gestaffelten Mietzinsen (Art. 269d Abs. 5 OR)

Artikel 19 Absatz 1 VMWG regelt die Inhalte, welche das Formular für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen aufweisen muss. Gestützt auf Absatz 2 gilt Absatz 1 sinngemäss, wenn der Vermieter den Mietzins aufgrund der vereinbarten Staffelung erhöht. Die ausdrückliche Verankerung der schriftlichen Form für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen bei vereinbarter Staffelung auf Gesetzesebene hat zur Folge, dass Artikel 19 Absatz 2 VMWG entsprechend angepasst werden muss.

Die Änderung umfasst auch die Modalitäten der Mitteilung. Artikel 19 Absatz 2 VMWG enthält eine Frist und die Anforderung, dass jede Mietzinserhöhung mitgeteilt werden muss. Mit der Festlegung der schriftlichen Form muss geprüft werden, an welcher Stelle im OR oder in der VMWG diese Vorgabe geregelt sein muss. Artikel 19 VMWG hat das Formular zum Regelungsgegenstand, weshalb eine Ausführungsvorschrift zur schriftlichen Form von der inneren Systematik her nicht in diese Bestimmung passt.

Daneben räumt Artikel 19 Absatz 2 VMWG den Kantonen die Kompetenz ein, die Kopie der Mietzinsvereinbarung als rechtsgenügendes Formular zu bezeichnen. Davon haben sieben Kantone Gebrauch gemacht:

33 34 35 36 37

­

Glarus: Artikel 22 Absatz 2 Gesetz über die Einführung des Schweizerischen Obligationenrechtes (Zivilgesetzbuch V. Teil) im Kanton Glarus (Einführungsgesetz zum Obligationenrecht; EG OR)33;

­

Graubünden: Artikel 8 Absatz 3 Einführungsgesetz zum Schweizerischen Obligationenrecht (EGzOR)34;

­

Neuenburg: Artikel 5 loi d'introduction du code des obligations (LI-CO)35;

­

Nidwalden: Artikel 8 Absatz 3 Einführungsgesetz zum Schweizerischen Obligationenrecht (Einführungsgesetz zum Obligationenrecht, EG OR)36;

­

Solothurn: § 88 Absatz 3 Sozialverordnung (SV)37; Sammlung des glarnerischen Rechts GS III B/2/1.

Bündner Rechtsbuch BR 210.200.

Recueil systématique de la législation neuchâteloise RSN 224.1.

Nidwaldner Gesetzessammlung 221.1.

Bereinigte Gesetzessammlung des Kantons Solothurn BGS 831.2.

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­

Tessin: Artikel 4 Absatz 4 Legge di applicazione delle norme federali in materia di locazione di locali d'abitazione e commerciali e di affitto38;

­

Uri: Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b REGLEMENT zum Miet- und Pachtrecht im Obligationenrecht39.

6

Verhältnis zum europäischen Recht

In der Europäischen Union (EU) sind für die Regelung des Mietrechts die einzelnen Mitgliedstaaten zuständig. Die historisch gewachsene mietrechtliche Gesetzgebung ist jeweils sehr unterschiedlich ausgestaltet. Vergleiche sind zudem wegen der divergierenden Bedeutung des Mietwohnungsmarktes in den verschiedenen Staaten und des differenten Anteils der geförderten Wohnungen bzw. der realisierten Wohnbauförderungsmassnahmen schwierig.

Die EU-Abgeordneten haben am 21. Januar 2021 entschieden, dass der Zugang zu angemessenem und erschwinglichem Wohnraum ein Grundrecht sein sollte.40

7

Auswirkungen

7.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Vorlage hat keine besonderen Auswirkungen auf den Bund. Insbesondere ergeben sich weder personelle noch finanzielle Auswirkungen.

7.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Vorlage hat keine besonderen Auswirkungen auf Kantone, Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen oder Berggebiete.

7.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Durch die vorgeschlagenen Änderungen sind keine Auswirkungen auf die Volkswirtschaft zu erwarten.

38 39 40

Raccolta delle leggi del Cantone Ticino 222.100.

Rechtsbuch des Kantons Uri RB Nr. 9.4222.

Vgl. Website des Europäischen Parlamentes: Zugang zu angemessenem Wohnraum sollte europäisches Grundrecht sein / Aktuelles / Europäisches Parlament (europa.eu) (besucht 29. Juli 2022).

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7.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die vorgeschlagenen Anpassungen im Bereich der Staffelmiete und bei der Faksimile-Unterschrift haben praktisch keine Auswirkungen auf die Gesellschaft.

7.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die vorgeschlagenen Anpassungen haben keine Auswirkungen auf die Umwelt.

8

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 202041 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 202042 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt.

9

Rechtliche Aspekte

9.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage sieht Anpassungen und Ergänzungen von Artikel 269d OR vor. Sie stützt sich auf Artikel 122 Absatz 1 Bundesverfassung (BV)43, der dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts gibt.

Eine besondere Grundlage für einen Teil der Vorlage bildet Artikel 109 Absatz 1 BV, wonach der Bund Vorschriften gegen Missbräuche im Mietwesen, namentlich gegen missbräuchliche Mietzinse, sowie über die Anfechtbarkeit missbräuchlicher Kündigungen und die befristete Erstreckung von Mietverhältnissen erlässt.

9.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die mit der Umsetzung den parlamentarischen Initiativen verbundenen Anpassungen des OR und der VMWG sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

41 42 43

BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 SR 101

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9.3

Erlassform

Die Vorlage sieht Änderungen und Ergänzungen von geltenden Artikeln auf Gesetzesstufe vor. Von den Anpassungen ist Artikel 269d OR betroffen. Artikel 164 Absatz 1 BV sieht vor, dass alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die beantragten Änderungen sind bedeutend und sind deshalb in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für den Erlass des Gesetzes ergibt sich aus Artikel 163 Absatz 1 BV.

Der Erlass unterliegt dem fakultativen Referendum (Art. 141 Abs. 1 Bst. a BV).

Der geltende Artikel 269d Absatz 1 OR schreibt vor, dass die Vermieterin oder der Vermieter die Mietzinserhöhung auf einem vom Kanton genehmigten Formular mitteilen und begründen muss. Der erforderliche Inhalt des Formulars für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen im Sinne von Artikel 269d OR ist in Artikel 19 Absatz 1 VMWG festgehalten. Gemäss Artikel 19 Absatz 2 VMWG gelten die Absätze 1 und 1bis sinngemäss, wenn die Vermieterin oder der Vermieter den Mietzins einem vereinbarten Index anpasst oder ihn aufgrund der vereinbarten Staffelung erhöht. Die Mitteilung bei gestaffelten Mietzinsen darf frühestens vier Monate vor Eintritt jeder Mietzinserhöhung erfolgen. Die Kantone können als rechtsgenügendes Formular die Kopie der Mietzinsvereinbarung bezeichnen. Die Vorlage sieht einen neuen Absatz vor, der die schriftliche Form für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen, die in einer Vereinbarung über gestaffelte Mietzinse gemäss Artikel 269c OR enthalten sind, als genügend erachtet. Dabei handelt es sich insofern um eine wichtige rechtsetzende Bestimmung, als ein Ausnahmefall von der Verpflichtung der Vermieterin oder des Vermieters für die Mitteilung der Mietzinserhöhung ein vom Kanton genehmigtes Formular zu verwenden, geschaffen wird. Die beantragte Änderung ist in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Die neue gesetzliche Regelung steht in einem Widerspruch zum geltenden Artikel 19 Absatz 2 VMWG. Dieser Widerspruch ist durch eine Anpassung von Artikel 19 Absatz 2 VMWG zu beheben.

9.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV hält fest, dass Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte bedürfen. Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

9.5

Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen

Die Vorlage macht keine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an den Bundesrat oder andere Verwaltungseinheiten erforderlich.

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Die Vorlage sieht im Bereich der Staffelmiete vor, dass künftig bei der Mitteilung von Mietzinserhöhungen bei vereinbarter Staffelung nicht mehr ein Formular zu verwenden ist. Dies macht eine Anpassung von Artikel 19 Absatz 2 VMWG nötig. Die Kompetenz des Bundesrates zur entsprechenden Änderung ergibt sich aus Artikel 253a Absatz 3 OR, wonach der Bundesrat Ausführungsvorschriften erlässt.

9.6

Datenschutz

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf den Datenschutz.

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