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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs von Johann Bucher und dessen Ehefrau Maria, geb. Christen, von Escholzmatt, in Littau, (Kt. Luzern), betreffend Entzug der Niederlassung.

(Vom 17. Dezember 1888.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e sr ath hat in Sachen des Rekurses von J o h a n n B u c h e r und dessen Ehefrau Maria, geb. Christen, von Escholzmatt, wohnhaft im Reußthal zu Littau, Kantons Luzern, gegen einen Beschluß des Regierungsrathes des Kantons Luzern vom 21. September 1888 betreifend Entzug der Niederlassung; auf den Berieht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger SachVerhältnisse: I. Der Gemeinderath von Littau verfugte im Juli 1. J. die Wegweisung der Bheleute Bucher aus der Gemeinde, gestützt auf die Thatsache der kriminellen und korrektionellen Bestrafung des Ehemannes und weil letzterm durch strafgerichtliches Urtheil die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen worden waren. Eine gegen diese Verfügung bei dem luzernischen Regierungsrathe eingelegte Rekursbeschwerde, d. d. 14. September, wurde mit Beschluß dieser Behörde vom 21. gleichen Monats als unbegründet abgewiesen.

II. In einem Rekursmemorial vom 10. Oktober gelangte Johann Bucher für sieh und Namens seiner Ehefrau an den Bundes

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rath mit dem Begehren um Aufhebung des Forhveisungsbeschlusses, eventuell um Beschränkung desselben auf ihn, den Ehemann.

In thatsächlicher Beziehung wird vom Rekurrenten bemerkt, daß er seit dem 16. März 1884 mit seiner Ehefrau ununterbrochen in der Gemeinde Littau wohne und daselbst die Ausweispapiore deponirt habe. Sie seien kinderlos, arm, belästigen aber die Gemeinde nicht, sondern verdienen ihren Lebensunterhalt redlich mit Schirmflicken und Handlangerarbeiten. Rekurrent gibt zu, daß er einmal kriminell und zweimal korrektioneil bestraft worden sei.

Seine Frau hingegen sei noch nie bestraft worden und besitze eineu guten Leumund. Seit dem 16. März 1884 seien übrigens keine Klagen weder gegen den Rekurrenten noch gegen seine Ehefrau beim Statthalteramt Luzern oder bei einer andern Behörde erhoben worden.

Was speziell die Ehefrau anbelange, so sei /,u bemerken, daß sie sich seiner Zeit gestützt auf Art. 25 des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe mit dem Rekurreoten verehelicht habe und der Meinung gewesen sei, einen Mann zu bekommen, der sich im ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft aufhalten könne. Die Bundesverfassung anerkenne die Gleichheit Aller vor dem Gesetze, gewährleiste die Gewerbefreiheit und regulire das Niederlassuugswesen.

Ohne Strafurtheil sei eine Ausweisung ungesetzlich. Die Ehefrau hätte das Schicksal, von Gemeinde zu Gemeinde wandern zu müssen, und wäre ihre Ehe eine permanente Strafe, ein mißliches Verhältniß, das einzig auf dem Wege der Ehescheidung gelöst werden könnte.

III.

Die Regierung von Luzern verweist in ihrer Vernehmlassungsschrift vom 12. November auf den Bericht des Gemeinderathes von Littau an den Bundesrath vom 5 November 1888, welchen sie ihrem Schreiben beilegt. Hiennch ist Johann Bucher kriminell und korrektionell bestraft worden und infolge strafgerichtlichen Urtheils nicht im Besitze der bürgerlichen Ehren und Rechte.

Die Fortweisung sei daher, bemerkt der Gemeinderath, gemäß Art. 45 der Bundesverfassung vollkommen gerechtfertigt.

In Bezug auf die Ehefrau beruft sich der Bericht des Gemeinderathes auf Motiv 2 des regierungsräthlichen Entscheides, welches erörtert, daß schon wiederholt vom luzernischen Regierungsrathe und vom Bundesrathe in analogen Fällen ausgesprochen worden sei, es ziehe die Wegweisung des Familienhauptes diejenige der Ehefrau nach sich, auch wenn gegen die letztere besondere Ausweisungsgrunde nicht vorliegen.

238 Das Verbleibea der Ehefrau in Littau würde übrigens die Fortweisung des Mannes illusorisch machen, da derselbe immer wieder zurückkehren würde. Der Gemeinderath habe erst nach der Wohnsitznahme Buchers in Littau von dessen krimineller Bestrafung Kenntniß erhalten und dann auf Reklamation anderer Ausgewiesener konsequenterweise auch gegen Bucher die Fortweisung erkannt.

Der Gemeinderath habe sehr viel Mühe aufzuwenden, daß gich im Reußthale nicht allerlei Gesindel einniste und komme häufig in die Lage, Fortweisungen zu erkennen; erzähle bei dieser schwierigen Arbeit auf die kräftige Unterstützung der Oberbehörden und stelle daher das Gesuch um Abweisung der Rekursbeschwerde; in E r w ä g u n g : daß nach feststehender bundesrechtlicher Praxis der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte infolge strafgerichtlichen Urtheils auch dann gegen einen Schweizerbürger als ein verfassungsmäßiger Grund des Entzuges der Niederlassung angerufen werden kann, wenn dem Bürger n a c h dem Erlaß des Urtheils die Niederlassung bewilligt worden war (vgl. Bundesblatt 1883, II, 851); daß gemäß der Erklärung der luzernischen Behörden sich im konkreten Falle die Ausweisung der Ehefrau des Rekurrenten in Gemeinschaft mit dem Manne rechtfertigt; beschlossen: 1) Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2) Dieser Beschluß ist der Regierung von Luzern und dem Rekurrenten schriftlich mitzutheilen, unter Aktenrückschluß an den letztern.

B e r n , den 17. Dezember 1888.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Vizepräsident:

Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs von Johann Bucher und dessen Ehefrau Maria, geb.

Christen, von Escholzmatt, in Littau, (Kt. Luzern), betreffend Entzug der Niederlassung.

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