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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für den Simplonübergang.

(Vom 10. Dezember 1889.)

Tit.

In der Voraussicht, daß es ihr unmöglich sein werde, die indem Bundesbeschluß vom 21. Dezember 1887 für den Beginn der Erdarbeiten am S i m p l o n d u r c h s t i c h angesetzte, mit dem 31. Dezember 1889 auslaufende Frist einzuhalten, sah sich die Direktion der Suisse occidentale und Simplon-Bahn als Inhaberin der bezüglichen Konzession veranlaßt, mit Gesuch vom 10. August d. J. um eine weitere zweijährige Fristerstreckung einzukommen.

Aus der Begründung entnehmen wir nachstehende Ausführungen.

Zunächst wird auf den schon im frühem Fristverlängerungsgesuch vom Jahr 1887 betonten Umstand hingewiesen, daß die Inangriffnahme der letzten und einzig noch ausstehenden Sektion der Simplonlinie von einer vorgängigen Verständigung mit Italien abhängig sei, und weiter auf die in der Botschaft vom 16. Dezember 1887 enthaltene Bestätigung Bezug genommen, daß das Projekt des Simplondurchstichs bedeutende Fortschritte gemacht habe und seiner Verwirklichung wesentlich näher geruckt sei.

Wenn nun auch seitdem das Projekt noch nicht in das Stadium der Ausführung getreten sei, so glaubt die Gesuchstellerin doch einen neuen Fortschritt konstatiren zu können.

Vor Allem handelte es sich bekanntlieh darum, die italienische Regierung zum Eintreten auf Verhandlungen mit der Schweiz zum

1114 Zwecke der Regelung der Anschlußverhältnisse zu bestimmen, in welchem Sinne vielfach erfolglose Anstrengungen schon von der frühern Simplonbahngesellschaft gemacht worden.

Auf die Mittheilung der aus dem Jahre 1882 herrührenden Studien für einen circa 20 km. langen Tunnel durch den Fuß des Gebirges habe die italienische Regierung keine Autwort ertheilt, während sie dagegen zum Zwecke der Prüfung an Ort und Stelle des ihr gleichfalls mitgetheilten Projektes aus dem Jahre 1886 für einen höher gelegenen, nur 16,070 km. langen Tunnel einen Delegirten des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten entsandte, dessen Mission aber keinen offiziellen Charakter hatte, sondern lediglich der Einholung technischer Aufschlüsse diente. Vom 5.--15. September 1887 fanden in Domo d'Ossola und Lausanne zwischen dem italienischen Delegirten und denjenigen der Gesuchstellerin und unseres Eisenbahndepartements die schon in der Botschaft vom 16. Dezember 1887 erwähnten Verhandlungen statt, bei welchen der italienische Delegirte gegen das von der 8. 0. S. aufgestellte Projekt nur den Einwand erhob, daß er als nothwendige Bedingung die südliche Ausmündung des Tunnels auf italienischem Gebiete bezeichnete.

Neue Studien seien gemacht worden, um diesem Wunsche Italiens gerecht zu werden, und ein bezügliches Projekt zu Vorlage gelangt, welches eine Verlängerung des Tunnels von 1886 und dessen Ausmündung auf italienischem Gebiet, ungefähr 240 m. von der Grenze entfernt, vorsah.

Der Bundesrath brachte der italienischen Regierung auch dieses neue Projekt (mit Note vom 25. April 1888) zur Kenntniß, indem er gleichzeitig die Eröffnung von Verhandlungen über einen Staatsvertrag vorschlug. Nachdem dieser Vorschlag wiederholt durch den schweizerischen Gesandten in Rom in Erinnerung gebracht und durch offiziöse Schritte der eigenen Delegirten der Gesuchstellerin unterstützt worden war, erklärte sich endlich, d. h. unterm 29. April 1889, Italien zur Behandlung der Simplonfrage und zur Entsendung von Abgeordneten zu einer bezüglichen Konferenz bereit.

Die letztere fand Anfangs Juli d. J. in Bern statt. Während die schweizerischen Delegirten, vornehmlich aus Ersparnißrücksichten, dem Projekt von 1886 (16,oTO km. langer, knieförmig gebogener Tunnel) den Vorzug gaben, bezeichnete die italienische Delegation jedes Projekt, welches den Tunnel zum größten Theil auf Schweizer Gebiet verlege, für Italien als unannehmbar; sie lehnte also sowohl das Projekt von 1886 als die Modifikation des-

1115 selben von 1887 und eine während der Verhandlungen dazu angegebene Variante ab und erklärte, daß die italienische Regierung nur ein Tunneltracé acceptiren könne, welches einen großen Theil der Entwicklung auf italienisches Gebiet und demgemäß den südlichen Tunnelausgang auf eine beträchtliche Entfernung von der italienisch-schweizerischen Grenze verlege; das Tracé von 1882 könnte also von der italienischen Regierung acceptirt werden, jedoch würde sie auch ein anderes gleichwerthiges und den erwähnten Bedingungen genügendes annehmen, wenn die S. 0. S. es für angemessen erachten sollte, ein solches studiren zu lassen und s. Z.

vorzulegen; mit Bezug auf die Leistungen Italiens und seine Mitwirkung bei dem Bau des Simplontunnels, glaubte die italienische Regierung sich dermalen noch nicht ausspreehen zu sollen, sondern behielt sich eine bezügliche Erklärung auf den Zeitpunkt vor, wo die Tracéfrage im Einverständniß der beiden betheiligten Staaten definitiv gelöst sein werde.

Hierauf erwiderte die schweizerische Delegation, daß sie erst im Falle sein werde, sich über die Annahme eines südlich auf italienischem Gebiete ausmündenden Tunnels auszusprechen, wenn sie die finanzielle Betheiligung Italiens kennen werde. Um aber doch die Angelegenheit um einen Sehritt vorwärts zu bringen, schlug die schweizerische Abordnung die Bestellung von technischen Experten beider Staaten vor zur kontradiktorischen Prüfung des von der italienischen Regierung verlangten Tracé und zur Aufstellung der für Pestsetzung eines Finanzplanes nöthigen Kostenvoranschläge.

Die italienischen Delegirten erachteten sich zu einer Antwort auf diesen Vorschlag nicht für ermächtigt, verpflichteten sich aber, denselben ihrer Regierung mitzutheilen. Bis zum Entscheide der letztern wurden die Verhandlungen vertagt.

Wenn auch die letztern, so führt die Petentin weiter aus, zu einem positiven Resultat nicht geführt, so seien sie doch insofern von unbestreitbarer Bedeutung, als sie ein Eiatreteu auf die Sache bedeuten, indem Italien dadurch, daß es sieh auf die»e Verhnnd·lungen einließ, die Absicht an den Tag legte, die Simplunfriige ernstlich zu prüfen und im Benehmen mit der Schweiz zu lösen.

Diese gleiche Absicht sei auch in dem neuen Handelsvertrag der Schweiz mit Italien, vom 23. Januar 1889, zum Ausdruck gelangt, indem aus dem
früheren Vertrag die Bestimmung herübergenomtnen worden sei, welche folgendermaßen laute: ,,Der schweizerische Bundesrath und die königlich italienische Regierung, von dem Wunsche beaeelt, die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz

1116 und Italien zu fördern und auszudehnen, verpflichten sich, die Erstellung von Verkehrsstraßen, welche zur Verbindung der beiden Länder bestimmt, sind, nach Möglichkeit zu begünstigen und insbesondere beiderseits alle möglichen Erleichterungen solchen Unternehmungen zu sichern, welche zum Zwecke haben, mittelst Fortbewegung durch Dampfkraft, quer durch die Schweiz. Alpen, die Bahnnetze im Norden und Süden dieses Gebirges mit einander iu direkte Verbindung zu setzen."

Endlich erwähnt die Gesuchstellerin noch die Thatsache, daß am 9. September 1888 von Italien die Eisenbahnstrecke OrtaDomo d'Ossola, welche diese letztere Stadt in direkte Verbindung mit Novarra und dem ganzen italienischen Eisenbahnnetz überhaupt setze, dem Betriebe übergeben wurde. So habe man in Italien wie in der Schweiz Schienenwege bis an den Fuß des Gebirges geführt und bestehe zwischen Brig und Domo d'Ossola bloß noch eine Lücke von etwa 37 km., deren Fortbestehen weder das Interesse beider Länder, noch die beständige Entwicklung des internationalen Verkehrs lange zugeben werden.

Mit Bezug auf die schon im vorigen Fristverlängerungsgesuche erwähnten Unterhandlungen zur Beschaffung der neben den Subventionen für den Durchstich erforderlichen Kapitalien, führt das Gesuch weiter an, daß dieselben im Jahre 1887 und 1888 zum Abschluß von Verträgen geführt, -welche gleichzeitig die nöthigen finanziellen Mittel und den Bau des großen Tunnels sicherten, denen aber nicht weitere Folge gegeben werden konnte, da sich einige bei dem Banksyndikate betheiligte ausländische FinanzEtablissemente (infolge Falliments) zurückzogen.

Inzwischen sei aber ein anderes Projekt aufgetaucht, um dem Simplonunternehmen eine breitere Grundlage zu geben, eine größere Summe von Interessen zu vereinigen und so die auf Beschaffung der nöthigen Mittel gerichteten Finanzkombinationen zu erleichternr nämlich: die Fusion des WestbahnneUes mit demjenigen der J. B. L.

Komme aber diese Fusion zu Stande oder nicht, so könne jedenfalls die Frage der Geldbeschaffung einer definitiven Lösung nicht zugeführt werden, bevor nicht die beiden betheiligten Staaten sich über die Wahl des Tracé und ihre gegenseitigen Leistungen verständigt hätten. Denn die. Italien wie der Schweiz auffallenden Beiträge können je nach der Höhe und Länge des Tunnels, nach der Entfernung
der südlichen Ausmündung von der Grenze etc.

sehr bedeutend differiren. Erst nach Erledigung dieser Punkte werde die Aufstellung eines genauen Kostenvoranschlages, die Bemessung der nöthigen Mittel möglich sein und Schritte zu deren

1117 Beschaffung gethan werden können. Die bisher verfolgten Unterhandlungen geben der Gesuchstellerin die Gewißheit, daß ihr alsdann die Mithülfe der einheimischen und ausländischen Finanzetablissemente nicht fehlen werde.

Aus dein Angeführten ergebe sich, daß das weitere Vorgehen in Sachen des Simplon vom Ergebniß der mit Italien angebahnten Verhandluogen abhänge, und wenn auch zu hoffen sei, daß die vertagte Konferenz bald wieder aufgenommen werde, so sei immerhin ausgeschlossen, daß dies so zeitig geschehe, daß vom Beginn der Arbeiten vor Ende 1889 noch die Rede sein könnte.

Der zur V e r n e h m l a s s u n g über das Fristvei-längerungsgesuch eingeladene Staatsrath des Kantons Wallis brachte, mit Schreiben vom 3. Dezember, den vorn Großen Rathe am 29. November 1889 über diesen Gegenstand gefaßten Beschluß zur Kenntniß des Bundesrathes. Es lautet derselbe wie folgt: 1. ,,Der Große Rath des Kantons Wallis bewilligt die von der Gesellschaft der S. 0. 8. nachgesuchte zweijährige Erstreckung (bis zum 31. Dezember 1891) der Frist für den Beginn der Arbeiten am Simplondurchstich, und spricht sich dahin aus, es möchte die Bundesversammlung für die nämliche Zeitdauer die s. Z. der Gesellschaft der S. 0. S. ertheilte Konzession verlängern ; 2. behält alle Rechte des Kantons Wallis unverändert vor, welche sich aus den auf die Konzessionen der Eisenbahn von St. Gingolph bis zur italienischen Grenze bezüglichen gesetzlichen Erlassen, Akten und Konventionen etc., sowie namentlich aus Art. 6 des Bundesbeschlusses betreffend eine neue Konzession für die Ligne d'Italie, vom 24. September 1873, bezüglich Wiedererwerbung der Linie, ergeben. "· Da der Große Rath von Wallis sich für Gewährung der Fristverlängerung aasspricht und lediglich die ihm zustehenden Rechte vorbehält, nicht aber den Anspruch erhebt, gestützt auf Art. 6, litt, c, der Konzession für die Ligne d'Italie, vom 24. September 1873.

und die spätem Fristverlängerungen, sich in den Besitz der Linie zu setzen, so liegt für den Bund zur Zeit keine Veranlaßung vor, auf eine nähere Prüfung der Natur und des Umfanges jener Rechte des Kantons Wallis und speziell des im cit. Art. 6, litt, c, der Konzession vorbehaltenen, einzutreten und über die damit zusammenhängenden Fragen einen Entscheid herbeizuführen, der vielmehr für den Fall vorbehalten bleibt, wo in Betreff der praktischen Ausübung jener Rechte ein Konflikt entstehen würde.

1118 Wir beantragen Ihnen, dem Gesuche der Suisse Occidentaleund Simplonbahn zu entsprechen. Es erscheint dies im gegenwärtigen Zeitpunkt schon mit Rücksicht darauf angezeigt, daß durch Vereinigung der beiden Gesellschaften der Suisse Occidetitaleund Simplon-Bahn und der Jura-Bern-Luzern-Bahn eine neue Gesellschaft ins Leben zu treten im Begriffe steht, welche die Verpflichtungen der Suisse Occidentale- und Simplon-Bahn bezüglich des Simplon übernimmt und welche ohne Zweifel für die Ausführung des Simplondurchstichs mehr Garantien bietet, als dies bei der Suisse Occidentale- und Simplonbahn alleiti der Fall war.

Bei unserem Antrag hat es die Meinung, daß die bestehenden Rechtsverhältnisse, namentlich auch was die Rechtsstellung des Kantons Wallis betrifft, eine Veränderung nicht erleiden sollen und demgemäß die Fristerstreckung in der frühern Form mit dem Vorbehalt betreffend Rückkauf der Linie seitens des Bundes und eventuell des Kuntons Wallis stattfinde. Dadurch ist einerseits dem Vorbehalte des Großen Käthes von Wallis genügt und anderseits der Entscheidung über Bedeutung und Tragweite der vorbehaltenen Rechte, über welche allerdings bei der Walliser Regierung von den hierseitigen abweichende Ansichten zu bestehen scheinen, nicht vorgegriffen. Vorbehalten bleiben selbstverständlich auch die Bedingungen, welche der Bund an die Uebertragung der Konzessionen der Suisse Occidentale- und Simplonbahn und JuraBern-Luzern-Bahn an die neue Gesellschaft zu knüpfen für gut findet,

Indem wir Ihnen den nachstehenden Entwurf Bundesbeschluß zur Gutheißung empfehlen, benutzen wir den Anlaß, um Ihnen, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung zu erneuern.

B e r n , den 10. Dezember 1889.

Im Namen des schweizer. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Bingier.

1119 (Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

Verlängerung der für den Simplonübergang angesetzten Baufrist.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) einer Eingabe der Gesellschaft der westschweizerischen und der Simplon-Bahn, vom 10. August 1889; 2) einer Zuschrift des Staatsrathes von Wallis, vom 3. Dezember 1889; 3) einer Botschaft des Bundesrathes vom 10. Dezember 1889, beschließt: 1. Die in Art. 6, litt, c, der -- durch Bundesrathsbeschlüsse vom 22. April und 23. Mai 1874 (E. A. S. n. F. II, 114, 116 und '123) an die Simplonbahngesellschaft übertragenen und infolge des am 28. Juni 1881 genehmigten Fusionsvertrages an die Gesellschaft der westschweizerischen und der Simplon-Bahn (ibidem VI, 163) übergegangenen -- neuen Konzession für die Ligne d'Italie vom 24. September 1873 (ibid. I, 272) für den Beginn der Arbeiten bezüglich des Simplonüberganges angesetzte, schon wiederholt, letztmals durch Bundesbeschluß vom 21. Dezember 1887 (E. A. S. IX, 413) erstreckte Baufrist wird neuerdings und zwar bis zum 31. Dezember 1891 verlängert, in der Meinung, daß, wenn die genannten Arbeiten nicht vor diesem Termin begonnen werden, der Bund und eventuell der Kanton Wallis das Recht hat, die Eisenbahn der Ligne d'Italie zurückzukaufen, indem der Gesellschaft der ursprüngliche Ankaufspreis gemäß der Steigerung und alle für Bauten, Betriebsmaterial und Zugehören gemachten Ausgaben sammt Zins zu 5 °/o, jedoch unter Abzug der den Aktionären bezahlten Zinsen und Dividenden, vergütet werden.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für den Simplonübergang. (Vom 10. Dezember 1889.)

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21.12.1889

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