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Schweizerisches Bundesblatt.

4l. Jahrgang. III.

Nr. 25.

8. Juni 1889.

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Einrückungsgebüar per Zeile 15 Kp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druck und Expedition der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern.

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Bericht der

Kommission des Ständerathes über die

Geschäftsführung des Bundesrathes und des Bundesgerichts im

Jahre (Vom

1888.

11. Mai 1889.)

Herr Präsident, Geehrte Herren!

Die von Ihnen zur Vorprüfung des Geschäftsberichtes des Bundesrathes und des Bundesgerichtes über das Amtsjahr 1888 bestellte Kommission beehrt sich hiemit, Ihnen in Nachstehendem ihren Bericht vorzulegen, in der Meinung, daß bei der Behandlung des Geschäftsberichtes im Rathe selbst und bei dem diesfälligen mündlichen Rapporte noch weitere Ausführungen und Anregungen werden Platz greifen können.

Die Zeit der Vorberathung war nämlich der Kommission sehr kurz zugemessen.

Am 13. April dieses Jahres hatte die zweite Abtheilung der Wintersession der Räthe geendigt; es ist daher wohl erklärlich, wenn der Geschäftsbericht des Bundesrathes, ganz abgeschlossen, erst unmittelbar vor dem am 7. Mai abhin in Bern erfolgten Zusammentritte der unterzeichneten ständeräthlichen Kommission an dieselbe einlangte. In ihren bis mit dem 11. gleichen Monats fortgesetzten Sitzungen behandelte diese Kommission sodann die Bundesblatt. 41. Jahrg. Bd. III.

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154 einzelnen Abtheilungen der Berichterstattung des Bundesrathes, wie auch den Bericht des Bundesgerichtes, und verfügte sich MS einem der Sitzungstage nach Thun, tun dort Versuchen mit den Modellen zu einem neuen Gewehr und mit neuer Munition beizuwohnen. Das Nähere hierüber ist im Folgenden in den speziellem Bemerkungen zum Militärdepartement angegeben Was den Gesammtbericht des Bundesrathes anbelangt, so mag hier eine allgemeine Bemerkung über den Umfang der betreffenden Bericht erstattung3 Platz finden. Dieser Umfango hat im Laufe der Zeitbedeutend zugenommen. Im Jahre 1850 zählte der bundesräthliche Geschäftsbericht 250 Seiten, im Jahre 1874 sodann 526 Seiten.

und für das Jahr 1883 ist er nunmehr 747 Seileu stark ; in ungefähr 40 Jahren but sich der Umfang also etwa verdreifacht, und wenn das so fortginge, würde es einstens heißen: ,,Und abermals nach vierzig Jahren Es dann der Seiten zweitausend waren !"

Nun ist ja andererseits ganz richtig, dass auch der Geschäftskreis der Bundesverwaltung in dieser Zeit in außerordentlicher Weise zugenommen hat, und ebenso soll auch der große Werth einer detaillirten und gründlichen Berichterstattung, besonders int Hinblicke auf die Konstatirung der betreffenden Verhältnisse für alle Zeiten, keineswegs verkannt werden. Dabei besteht jedoch die Gefahr, daß so ausgedehnte Berichte nicht so eingehend geprüft und gewürdigt werden, wie sie es verdienen würden und wie es bei gedrängterer Fügung wohl eher der Fall wäre. Es mag daher die Erwägung angezeigt sain, ob sich der Stoff nicht etwas mehr zuzusammendrängen liefe z. B. durch Beschränkung einzelner Mittheilungen statistischer Natur auf längere Perioden statt der al!jährlichen Wiedergabe derselben, durch Verweisung der vom Bundesrathe als Rekursinstanz getroffenen Entscheide in eine besondere; nach Materien geordnete Sammlung dieser Entscheide, u. s. f.

Bezüglich der letzterwähnten anderweitigen Mittheiluug der oft ein großes Interesse bietenden Erkenntnisse, des Bundesratlies wird die Frage nährer geprüft werden können, wenn die im Wurfe liegende Sammlung staatsrechtlicher En tscheidungen dur ad minist ra ti ven Bundesbehörden seit 1874 erschienen sein wird, zu welcher daim dit- bis jetzt jeweils dem Geschäftsberichte einverleibten Zusammenstellungen dieser Art die jährlic hen Fortsetzungen bilden d ü r
f t e n ; dieselben könnten dann auch später weit leichler wieder verglichen werden als jetzt, wo sie sich in den verschiedenen Jahrgängen der Jahresrapporte und unter den verschiedenen Departementen zerstreu!

finden. Die Mittheilung im Geschäftsberichte zur Kenntnissnahme durch die eidg. Räthe kann auch selbstverständlich nicht die Be-

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deutung haben, daß damit der betreffende einzelne Beschluß von der obern Instanz approbirt wäre, sondern es müßte, für alles Weitere die selbständige Kompetenz der Bundesversammlung im einzelnen Falle doch eventuell vorbehalten bleiben; auch von diesem Standpunkte aus könnten also die Entscheide ganz wohl in einer fortlaufenden Sammlung derselben, statt im Geschäftsberichte Aufnahme finden Nach diesen Bemerkungen allgemeiner Natur gehen wir nun zu den Spezialberichten über. Dabei schließen wir uns hinsichtlich der Departemente des Bundesrathes der Reihenfolge an, wie sie im Geschäftsberichte der genannten Behörde selbst eingehalten ist. Es ist dies gegebenen Falles nicht die gleiche, wie die wohl als offiziell zu betrachtende, im Beschluß des Bundesrathes vom 8. Juli 1887 betreffend die Organisation seiner Departemente beobachtete.

Der Gleichförmigkeit und Uebersichtlichkeit halber wäre es wünschenswert!), wenn sich auch der Geschäftsbericht immer dieser für einmal fest gegebenen Aufeinanderfolge der Departemente anschließen würde.

A. Geschäftsführung des Bundesrathes.

I, Geschäftskreis des Departements des Innern, IV. Ausstellungen und Kongresse im In- und Auslande.

Der Bundesrath erinnert in seinem Geschäftsberichte daran, daß ein Spezialkommissariat zur Organisation einer schweizerischen Abtheilung für bildende Kunst an der Universal-Ausstellung in Paris aufgestellt worden ist.

Es scheint nun, daß die Organisation dieser Sektion lebhafte Kritiken hervorgerufen hat, sei es in Bezug auf die Ernennung der Jury der vorläufigen Ausstellung in Genf, sei es in Bezug auf die mehr oder minder willkürliehe Weise, wie bei den Zulassungen

156 zur Pariser-Ausstellung verfahren worden sein soll. Es sei versucht worden, gewisse Künstler zuzulassen ohne Passirung der vorläufigen Ausstellung.

In Paris sollen bei Vertheiîungen des Platzes Voreingenommenheiten, und zwar von persönlichem Interesse nicht ganz freie, zu Tage getreten sein.

Zahlreiche Künstler der deutschen Schweiz seien außer Stand gewesen, sich beim Beginn dieser Organisation vertreten zu lassen, da nur wenige derselben der schweizerischen Kunstkommission angehören. So behauptea mehrere, sie hätten aus Mangel an Vertrauen in das Amten der Jury oder des Kommissärs auf das Ausstellen verzichtet, während andere in den Hintergrund gewiesen worden seien. Man versichert, daß jedenfalls Ungehörigkeiteu vorgekommen seien, welche zu Beschwerden führten, die bis in die Presse hinein ihr Echo gefunden haben.

Es ist bedauerlich, daß nicht durch eine rechtzeitige Untersuchung eine Abklärung dieser Beschwerdepunkte erfolgen konnte, welche in künstlerischen Kreisen böses Blut machten.

V. Werke der öffentlichen Gemeinnützigkeit und Wohlthätigkeit.

2. Schweizerische geschichtsforschende Gesellschaft.

Schweizerisches Idiotikon.

Im schweizerischen Idiotikon sind die Hefte 13 und 14 über deutsch-schweizerische Mundarten, umfassend den Buchstaben G und den Anfang des Buchstabens H, zur Publikation gelangt. Der geschäftsleitende Ausschuß des Unternehmens beklagt sich über den Rückgang seiner Hülfsmittel, der bei längerem Andauern das Weitererscheinen des Werkes gefährde.

Sollte der diesfalls; in Aussicht genommene Aufruf an's Publikum nicht genügenden Anklang finden, so wird das Departement des Innern, ungeachtet des Büdgetpostens von Fr. 5000, gut thuu, dieses Werk, das seinem Abschlüsse nicht mehr so ferne ist, nicht im Stiche zu lassen.

Mehr als dies bei unsern anderweitigen Nationaleigenthümlichkeiten der Fall, ist das Verschwinden unserer alten Mundarten das Werk der Zeit. Das Idiotikon ist ein Denkmal, welches einen interessanten und zur Vergleichung gerne konsultirten Wortschatz fixirt.

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Wir möchten auch romanische Mundarten erwähnen, welche Bearbeiter gefunden haben in den Bridel, Favrat, Cornuz, Chenaux, Bornet etc. etc., oder in den Redaktoren des ,,Conteur vaudoisa oder der ,,Etrennes fribourgeoises a .

Mehrere romanische Kantone haben Glossarien, die nun fast vergriffen sind.

Wenn, wie uns in Aussicht gestellt wurde, eine Gesammtarbeit über die Ableitungen der Dialekte, auf Grund des Idiotikons, unternommen würde, so sollte dieselbe, wie wir glauben, auch an dem oben erwähnten Kredite Theil haben.

VI, Polytechnische Schule.

4. Annexanstalten.

Anstalten für Prüfung der Festigkeit von Baumaterialien, -- für Samenkontrole, für agrikultur-chemische Untersuchungen.

Die für das Budget von 1889 aufgestellte Kommission des Nationalrathes hat den Wunsch ausgesprochen, es möchte untersucht werden, ob nicht die Taxen der Annexanstalten der polytechnischen Schule zu erhöhen seien.

Es scheint indessen, daß diese Taxen in mehrfacher Hinsicht höher seien, als diejenigen der neuen Tarife ähnlicher Anstalten.

Wir finden mit dem Bundesrathe, daß diese Annexanstalten der Landwirtschaft und den Bauindustrien so gute Dienste leisten, daß es nicht am Platze wäre, ihre Benutzung durch eine Tariferhöhung zu erschweren.

Personen, welche neue Steinbrüche entdecken und nicht die Mittel haben, die gewonnenen Materialien erproben zu lassen, sollten, auf günstiges Gutachten ihrer Regierungen hin, in den Fall gesetzt werden, solche gemeinnützige Versuche, wenn nicht unentgeltlich, so doch zu ermäßigten Preisen bewerkstelligen zu lassen.

Bis jetzt fanden Versuche nur auf Verlangen der Interessirten statt. Wir erhalten · vom Auslande ein Quantum Baueisen von allen Dimensionen, welches keiner Kontrole unterworfen wird, außer bei den Brücken, für welche das Eisen indirekt durch die Proben, denen man den Bau unterwirft, kontrolirt wird. Es wäre zu wünschen, der Bund würde, unter Mitwirkung der Kantone oder der Interessirten, ein oder das andere Mal von Amtes wegen solches Baueisen einer Erprobung unterwerfen ; zumal das Eisen häufig

158 beim Baue der Gebäude zur Verwendung gelangt und zwar ohne jede Kontrole des Staates.

Ein Memorial des Hrn. Professor Tetmajer gibt interessante Aufschlüsse über den Zweck dieser Versuchsstation und die erlangten Ergebnisse. Wir gewärtigen die Mittheilung des Bauprojektes eines Annexes zur Erweiterung dieses Instituts.

5. Amtstätigkeit der Schulbehörden.

Das stete Anwachsen der Zahl der Zöglinge der polytechnischen Schule ist ein ehrenvolles Zeichen für die hohe Stufe des Unterrichts an dieser Anstalt;, deren gedeihlicher Fortgang geeignet ist, zur Ausbildung von Kräften beizutragen, die unserm Lande von wirklichem Nutzen sind.

Vor einigen Jahren hat man literarische Studien für die Aufnahme der Studenten verlaugt, damit sie im Falle seien, sieh besser schriftlich auszudrücken. Wiewohl die polytechnische Schule vor allem als eine; Anstalt für theoretischan und wissenschaftlichen Unterricht anzusehen ist, so muß doch an der Notwendigkeit festgehalten werden, den Schülern neben diesem wissenschaftlichen Unterricht hinlängliche Kenntnisse beizubringen, welche später eine praktische Verwerthung erleichtern. Es ist z. B. nothwendig, daß der Ingenieur, der Architekt, der die Schule mit seinem wissenschaftlichen Rüstzeuge verläßt, nicht rathloser da stehe, als der einfachste Unternehmer, wenn er ohne jede vorausgegangene Vorbereitung in den Fall kommt, einen Voranschlag, eine beschreibende Skizze, ein Pflichtenheft, eine Abrechnung der Arbeiten, ein Protokoll, einen technischen Bericht zu fertigen. Es sollte möglich sein, den Schülern auf dem Terrain selbst dns Vertrautwerden mit den baulichen Operationen zu erleichtern.

Solehe Wünsche haben wir wiederholt vernommen und es wird gut sein, dieselben wenigstens einigermaßen, soweit die Organisation der allerdings bereits sehr überladenen Kurse es gestattet, zu berücksichtigen.

Endlich, da wir einmal auf einen möglichst den Landesbedürfnissen angepaßten Unterricht bedacht sind, und da das Departement, dessen Geschäftsbericht wir hier prüfen, sich auch mit dem öffentlichen Gesundheitswesen zu befassen hat, müssen wir die Wünschbarkeit eines hygienischen Lehrstuhls am Polytechnikum betonen, welcher den Schülern mehrerer Sektionen (Ingenieuren, Architekten, Chemikern, etc.) bei ihrer spätem Berufsausübung sehr zu Statten käme.

159 Den Fragen des öffentlichen Gesundheitswesens wird überliaupt und mit Recht immer mehr Aufmerksamkeit zugewendet, im Hinblick auf zahlreiche starke Volkszentreri, auf Reglementirung von Fabriken, Schulen, auf die Existenzbedingungen der Großzahl der schweizerischen Arbeiter.

Dieser Lehrstuhl für Gesundheitswesen , dem genügende Sammlungen zur Verfügung sein müßten, wäre gleichzeitig eine Amtsstelle für Konsultationen für Private und Verwaltungen und hätte Vorträge zu veranstalten, wenn solche verlangt würden. Es hätte übrigens dieses Institut, da es nur Lehr- und Informationszwecken dienen würde, in keiner Weise in die diesfälligen Administrativkompetenzen der Kanton« einzugreifen. Wir glauben zu wissen, daß auch die schweizerische Medizinalkommissiou sich mit dieser Frage befaßt.

Die Chemie-Laboratorien sind erweitert worden. Sollte man nicht den Kurs für Mikroskopie obligatorisch erklären, da dieser Lehrzweig immer wichtiger wird, mit Rücksicht auf die von ihm zu erwartenden wissenschaftlichen Ergebnisse?

Die landwirthschafüiche Abtheilung soll nur eine Anstalt für höheren Unterricht sein und nicht das leisten, was Sache praktischer landwirtschaftlicher Schulen ist, wie solche in mehreren Kantonen bestehen. Diese Abtheilung, deren praktische Leistungen im Anfang bestritten waren, ist gegenwärtig in gutem Gange. Sie ist auf der Höhe ähnlicher Anstalten in Frankreich und Deutschland. Etwas weniger elementar dürfte die Behandlung des Futterbaues, der Entwässerungen und Bewässerungen, überhaupt der Bodenverhältnisse sein, welche für unser Land besonders wichtig .sind und denen vielleicht am agronomischen Institut in Paris mehr Gründlichkeit zu Theil wird, besonders jetzt, da mehrere französische Chemisten, wie Hr. Berthelot, sich speziell mit dieser Frage beschäftigen. Auch sollte man die praktische Arbeit des Laboratoriums für die Milchwirtschaft erweitern.

Sollte die Dauer der Kurse, jetzt nur 2 Va Jahre umfassend, nicht auf 3 Jahre erhöht werden ?

Eine in Erwägung zu ziehende Neuerung wäre es, wenn in der Ferienzeit die Schüler auf einige Musterwirtschaften vertheilt würden.

Aus mehreren Gründen war der Bundesrath nicht im Falle, dem Wunsche der Regierungen von Waadt, Wallis und Freiburg ·entsprechend, einen französischen Wiederholungskurs zu veranstalten, oder für die Wahl eines französischen Lehrers für die wichtigeren Forstfächer zu sorgen.

160 Die Behörden dieser Kantone fanden, es seien ihre das Forstwesen studirenden Angehörigen im Allgemeinen nicht hinlänglich vertraut mit den technischen Forst-Ausdrucken und der in der romanischen Schweiz üblichen Forstsprache, und sie könnten hei einem ausschließlich deutschen Unterricht eine Prüfung minder gut bestehen, als die Schiller deutscher Zunge.

Der schweizerische Schulrath behauptet, ein Wiederholungskurs wäre nicht praktisch. Wir finden mit ihm, daß eine Zweitheilung der Lehrstühle über das Thunliche hinausginge. Das ist es übrigens nicht, was verlangt wird. Wir sprechen den Wunsch aus, daß diese Frage nicht aus den Augen gelassen werde. Man findet nicht immer Professoren, die heider Sprachen gleich mächtig sind. Die Schüler sollten diesem Ziele nachstreben. Bei Anlaß des Freiwerdens von Stellen im Lehrerpersonal wird man auf die romanischen Interessen Rücksicht nehmen können, welche in der Abtheilung für Waldkultur, wie in denjenigen für Chemie und Landwirtschaft, wenig vertreten sind.

IX. Abtheilung Bauwesen.

3. Subventionirung von Korrektionen und Verbauungen durch besondere Bundesbeschlüsse.

Der Bund, welcher die Verbauungsarbeiten reichlich subventionirt, muß wünschen, daß seine Opfer nicht umsonst gebracht seien. Es können nämlich, mögen die Projekte und ihre Ausführungen noch so vollkommen sein, durch die geringste Nachläßigkeit oder Säumniß im Unterhalte in «eiligen Stunden alle mit großen Kosten ausgeführten Arbeiten gefährdet werden. Die vom Bunde subventionirten Arbeiten sind oft; schlecht unterhalten worden, aus Mangel an den erforderlichen Mitteln seitens der Betheiligten. Nach jeder Ueberschwemmung hat man Mühe, die dringenden Reparaturen zu erwirken, die schließlich nur mit Staatssubsidien zur Ausführung gelangen.

Reservefonds werden besonders dann von großem Nutzen sein, wenn man pressante Reparaturarbeiten anordnen muß, um größere Verwüstungen zu vermeiden. Wenn nun aber eine Gemeinde oder eine von den Uferbewohnern mit Ueberwachung und Unterhaltung der Dämme eines Flusses beauftragte Kommission nicht sofort übeleinige Gelder verfügen kann, so ist sie außer Stand, die unumgänglichsten Arbeiten besorgen zu lassen.

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Sollte nicht diese Frage von Bundes wegen studirt werden, um eine allgemeinere Ueberwacliung des Unterhalts der von ihm subventionirten Arbeiten zu sichern, oder allfällig um die Kantone zu ermuthigen, diesf'ällige Reservefonds anzulegen?

4. Hydrometrie.

Hier erwähnt der Bericht eine Anregung, hinzielend auf eine Erweiterung der hydrometrischen Arbeiten in Form der Herausgabe einer schweizerischen Wasserkräfte-Statistik. Wir empfehlen der Bundesversammlung lebhaft, dieser Anregung Folge zu geben.

Diese Wasserkräfte werden fixirt nach der sekundenmäßigen Lieferung der Wasserminimalquantitäten der Flüsse, und nach der Vermessung der Gefalle.

In dein Augenblicke, wo die Frage der Uebertragung von Wasserkräften auf große Entfernung mittelst Elektrizität überall auf der Tagesordnung ist, erscheint eine Statistik der schweizerischen Wasserkräfte von höchster Wichtigkeit für unser Land ; wenn aber diese Arbeit den einheimischen Industriellen oder ausländischen, die sich bei uns niederlassen möchten, Zutrauen einflößen soll, so muß diese Statistik durch den Bund unter Mitwirkung der Kantone veranstaltet werden.

II, Geschäftskreis des Industrie- und Landwirthschaftsdepartements, I. Abtheilung.

Industrie.

Einleitend ist zu bemerken, daß, nachdem mit 1. Januar 1888 der Beschluß des Bundesrathes vom 8. Juli 1887 betreffend die Organisation seiner Departemente in Kraft erwachsen, die Abtheilung Handel, Industrie und Gewerbe vom bisherigen Handels- und Landwirthschaftsdepartement abgetrennt worden ist. An deren Stelle

trat in dem nunmehrigen Industrie- und Landwirthschaftsdepartement eine Abtheilung Industrie und Gewerbe.

I. Industrie und Gewerbewesen im Allgemeinen.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 1887 hat der Central vorstand des schweizerischen Gewerbevereins, in Erledigung eines erhalteneu Auftrages, dem Bundesrath einen Gesetzesentwurf zu einer Gewerbeordnung eingereicht; er knüpfte aber daran die Erklärung, dass der schweizerische Gewerbeverein die Anhandnahme weiterer Abschnitte einer Gewerbeordnung in Berathung genommen habe. Das Resultat dieser Berathungen bleibt abzuwarten. Inzwischen nimmt die Kommission mit Befriedigung Akt davon, daß der Bundesrath anläßlich der durch die allgemeine Unfallversicherung bedingten Revision des Art. 34 der Bundesverfassung auch darüber Bericht erstatten wird, ob dem Bund das Gesetgebungsrct in den verschiedenen Materien einer Gewerbeordnung" zukomme.

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II. Bundesgesetz betreffend die Arbeit iu den Fabriken.

Die Kommission glaubt, es gebühre dem Bundesrath Anerkennung für die Art und Weise, wie er bestrebt ist, diesem Gesetze allgemeine Nachachtung zu verschaffen, sei es in Bezug auf die Unterstellung unier (las Gesetz, die Nacht- und Sonntagsarbeit, die Regulirung der Arbeitszeit, oder in Bezug auf die Sorge für Gesundheit und Leben der Arbeiter. Es gibt immer noch gewisse Kategorien von Industriellen, welche den Behörden zu schaffen geben, indem sie versuchen, sich dem Fabrikgesetz überhaupt zu entziehen, oder doch bestrebt sind, auf die eine oder andere Weise dessen Anwendung abzuschwächen. Die vom Departement, beziehungsweise dem Bundesrathe in Sachen getroffenen Verfügungen finden unsere ausdrückliehe Billigung.

O O Die verschiedenartigste Auslegung, und zwar von Seite von Behörden wie von Interessenten, wird immer mehr dem Art. 12 des Fabrikgesetzes gegeben. Dieser Artikel lautet: ,,Die Bestimmungen des Art. 11 (Beschränkung der Arbeitszeit) linden keine Anwendung auf Arbeiten, welche der eigentlichen Fabrikation als Hülfsarbeiten vor- oder nachgehen müssen und die von männlichen Arbeitern oder unverheirateten Frauenspersonen über 18 Jahren verrichtet werden."

Der große Streit dreht sich in der Hauptsache darum, ob das Reinigen der Maschinen als Hülfsarbeit nach Maßgabe des Gesetzes

163 zu betrachten sei oder nicht. Der Bundesrath selbst hat in der Frage nicht immer die gleiche grundsätzliche Stellung eingenommen.

Mit Kreisschreiben vom 14. Januar 1881 hat derselbe, veranlaßt durch eine bezügliche Eingabe, zugegeben, daß in der Regel das Putzen, Oelen und Reinigen der Maschinen und Lokale in den Baumwollspinnereien als Hülfsarbeit im Sinne des Art. 12 zu betrachten sei. Seitdem ist wiederholt, unter Berufung auf das vorerwähnte Kreisschreiben, von Seite anderer Industriellen versucht worden, die Reinigungsarbeiten als derartige Hült'sarbeiten zu behandeln; der Bundesrath ist aber solchem Ansinnen, in welcher Form es sich auch äußerte, jeweilen mit aller Entschiedenheit entgegengetreten.

Es muß nun zugegeben werden, daß der Begriff der Hülfsarbeiten nach Maßgabe des Gesetzes ein sehr dehnbarer und daher wohl geeignet ist, von einander abweichende Auslegungen zu erhalten und da und dort Verwirrung 1 zu verursachen. Zur Illustration des eben Gesagten erlauben, wir uns folgenden Vorfall vorzuführen : Bei seinen im Herbste 1887 in den Stickereien des Kantons Appenzell A. Rh. vorgenommenen Inspektionen konstatirte der eidgenössische Fabrikinspektor, daß die Arbeitszeit an Samstagen auf 11 Stunden ausgedehnt und die 11. Stunde zur Vornahme von Reinigungsarbeiten verwendet wurde. Er machie davon Anzeige an die Kantonsregierung, und die Verzeigten wurden dem Richter überwiesen. Die kantonalen Gerichte erkannten in beiden Instanzen auf Freisprechung der Beklagten. Der Regierungsralh von Appenzell A. Rh., vom Bundesrath aufgefordert, sich vernehmen zu lassen, was er zur Sicherung der Vollziehung des Bundesgesetzes betreffend Arbeit in den Fabriken zu thun gedenke, antwortete, daß ihm, wenn gegen Erwarten das Obergericht jene Urtheile nicht abändere, nach Verfassung und Gesetz keine Wege offen ständen, gegenüber den seibststäudigen richterlichen Behörden vorzugehen.

Durch Bundesrathsbeschluß vom 31. Juli 1888 wurden nun die Urtheile des Obergerichts des Kantons Appenzell A. Rh. ohne Weiteres aufgehoben. Bezüglich der Motivimng verweisen wir auf das Bundesblatt 1888, Band III, Seite 969. Dieser Verfügung des Bundesrathes gegenüber äußerte sich das appenzellische Obergericht in einem Schreiben an seine Regierung dahin, es könne den bundesräthlichen Beschluß so lange nicht anerkennen,
bis das in Sachen zuständige Bundesgericht diesen Kornpetenzkonflikt entschieden haben werde; inzwischen finde es sich aber nicht veranlaßt, gegen denselben irgend welche Schritte zu thun. so lange nämlich die Folgen des obergerichtlichen Urtheils faktisch fortbestehen.

164 Es kann nun nicht die Aufgabe dieses summarischen Berichtes sein, auf das Formelle und Materielle der Frage hier näher einzutreten. Die Kommission betrachtete indessen den Vorfall für wichtig genug, um denselben dem Rathe 211 signalisiren, und zwar um so mehr, als nach den Berichten der Fabrikinspektoren die Folgen der Freisprechung der Appenzeller Sticker bereits in ändern Kantonen und bei ändern Industriezweigen sich geltend machen und zu allgemeiner Unsicherheit und großen Schwierigkeiten in der Vollziehung des erwähnten Gesetzes führen. Andere Begehren machen sich bereits auch bemerkbar. Eine gegen Ende des Berichtsjahres beim Bundesrathe eingelangte Petition des schweizerischen Spinner-, Weber- und Zwirnervereins verlangt nicht nur Ausdehnung der sogenannten Putzhalbstunde, sondern auch größere Freiheit in Bezug auf die Arbeitspausen.

Die Kommission kann sich n u n der Befürchtung nicht entschlagen, daß, wenn der Standpunkt der Appenzeller Gerichte allgemein zur Geltung käme, und wenn den sich bereits äußernden weitern Forderungen Rechnung getragen würde, daß alsdann eine der wohlthätigsten Wirkungen des Fabrikgesetzes -- nämlich der Normalarbeitstag -- zum Theil illusorisch würde. In einem Momente aber, da die Schweiz die Initiative ergreift, damit auf dem Wege der internationalen Verständigung die Arbeiterschutzgesetzgebung auf alle zivilisirten Länder ausgedehnt und allgemein verbindlich normirt werde, dürfen wir nicht zugeben, daß im eigenen Lande die Wirkungen unserer einschlägigen Gesetze durch die verschiedenartigsten Interpretationen abgeschwächt, und dürfen wir namentlich nicht zugeben, daß diese Gesetze in einem Kantone so und in einem ändern anders vollzogen werden. Auf der ändern Seite haben wir bereits betont, daß die äußerst dehnbare und unbestimmte Fassung des Art. 12 zu den von einander abweichendsten Auslegungen herausfordert und damit auch die ungleichmäßige Vollziehung hauptsächlich verschuldet hat. Die Kommission n i m m t aus diesem Umstand Veraulaßung, ein Postulat zu stellen, wonach der Bundesrath eingeladen wird, zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten, ob nicht Art. 12 des Bundesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken einer Revision im. Sinne einer genauem Fassung zu unterwerfen sei.

VI. Gewerbliche und industrielle Berufsbildung.

Die Kommission konstatirt mit Befriedigung, daß der gewerblichen und industriellen Berufsbildung immer größere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Zahl der subventionirten Anstalten hat

165 im Berichtsjahr neuerdings beträchtlich zugenommen, und die ausgerichtete Bundessubvention ist von Fr. 219,044 im Jahr 1887 auf Fr. 284,257 im Jahr 1888 gestiegen.

Ein Gesuch um Subventionirung der Handelsschule in Genf ist vom Bundesrath abschlägig beantwortet worden, weil nicht unter das Gesetz vom 27. Juni 1884 fallend, was wir nur billigen können. Es ist hier darauf hinzuweisen, daß gegenwärtig beim Bundesrath ein Postulat anhängig ist, wonach derselbe zu untersuchen hat, ob nicht auch das kommerzielle Bildungswesen, analog dem gewerblichen, der Bundesunterstützung theilhaftig werden soll.

Die Kommission hofft, daß der Bundesrath in der Lage sein wird, in einer der nächsten Sessionen seineu bezüglichen Bericht den Käthen einzureichen.

TIII. Maß und Gewicht.

An den im Berichtsjahre abgehaltenen Eichmeisterkonferenzen wurde gewünscht, daß die Eichung der Fässer obligatorisch erklärt werden möchte. Da schon im Vorjahr 21 Kantonsregierungen sich für obligatorische Eichung ausgesprochen und nur 2 sich ablehnend verhalten hatten, so kam der Bundesrath diesem Wunsche nach; er erließ unterm 2. Oktober eine bezügliche Verordnung und bestimmte den Zeitpunkt des Inkrafttretens auf 1. Januar 1889.

Darob entstund nun große Aufregung unter den durch diese Verordnung hauptsächlich betroffenen Weinhändlern der Westschweiz, welche "in zwei zu Auvernier und Biel abgehaltenen Versammlungen die gänzliche Aufhebung der geplantenNeuerung verlangten.

Mit Beschluß vom 28. November wurde sodann das Inkrafttreten
Die Kommission, ohne diesen Sistirungsbeschluß des Bundesrathes gerade zu mißbilligen, erwartet, daß damit in Sachen nicht ·das letzte Wort gesprochen sei. Sie glaubt, eine Maßnahme im Sinne jener Verordnung liege im wohlverstandenen Interesse des Publikums und wäre daher, wenn andererseits dabei berechtigten Bedenken Rechnung getragen würde, wohl begründet.

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II. Abtheilung, Landwirthschaft I. Landwirthschaftliches Unterrichtswesen und Versuchsanstalten,

4. Gartenbauschule in Genf.

Au die Gartenbauschule in Genf wurde der verhätlnissmässig große Bundesbeitrag von Fr. 10,420 ausgerichtet, d. h. die Hälfte (1er Auslagen, «-eiche die Schule für Lehrkräfte und Lehrmittel gemacht hat. Dieser Beitrag scheint der Kommission im Verhältniß der Schülerzahl (15 bei Eröffnung der Schule und 31 im Juli 1888) groß zu sein. Die Schule steht unter Aufsicht der Regierung von Genf, ist aber im Uebrigen ein Privatim ernehmen. Der letztere ausnahmsweise Umstand scheint der Kommission dafür zu sprechen, daß der Bericht etwas ausführlicher über die verausgabten Gelder sich hätte auslassen sollen.

7.

Molkereischulen.

Die Bundesbeiträge für die Molkereischulen der Kantone Bern, Freiburg und St. Gellen betragen Fr. 11,439. Die Frequenz der Schulen in allen drei Kantonen zusammen war dagegen pro 1888 blos: 8 Schüler im Wintersemester und 16 ., ,, Sommersemester, Durchschnitt mithin 12 Schüler.

Diese geringe Schülerzahl schien der Kommission in einem offenbaren Missverhältniss zu der Subventionssumme zu sein. Nach den Aufschlüssen, welche von einem sachverständigen Mitgliede ge geben wurden, überzeugte sich dieselbe aber, daß die betreffende Ausgabe wohl berechtigt sei.

III. Abtheilung, Forstwesen, Jagd und Fischerei.

2. Jagd und Vogelschutz.

b. Vogelschutz.

Der bundesräthliche Bericht beklagt, daß das betreffende Bundesgesetz im kanton Tessi n nach wie vor vom Volke unbe-

167 achtet gelassen und von der Regierung nicht gehörig gehandhabt werde und daß es daher ernstlieh in Frage kommen dürfte, welche Mittel und Wege anzuwenden seien, um Tessin zur E r f ü l l u n g seiner diesfälligen Pflichten anzuhalten.

Die Kornmission ihrerseits glaubt, das betreffende Gesetz sei in seiner dermaligen Fassung überhaupt undurchführbar und sollte deßhalb einer Revision unterworfen werden.

IV. Abtheilung.

Versicherungswesen.

Mit besonderem Interesse wurde von der Kommission der ,,Bericht des eidgenössischen Versicherungsamtes über die privaten Versicherungsunternehmungen in der Schweiz pro 1887" entgegengenommen. Es ist das eine fleißige, sehr sorgfältige Arbeit, welche dem Versicherungsamt alle Ehre macht und beweist, daß dieses Institut nicht nur auf der Höhe seiner schwierigen Aufgabe steht, sondern berufen ist, als Berather und Wegleiter im Versicherungswesen dem Lande noch große Dienste zu leisten.

III. Geschäftskreis des Finanz- und Zolldepartements, A. Finanzverwaltung.

Gesetzgebung, Verträge, Postulate und Anleihens-Konversion.

Die Pulververwaltung und die Erhebung der Militärsteuer sind vom Finanzdepartement abgetrennt und dem Militärdepartement zugetheilt worden. Wir nehmen von dieser Aenderung Vormerk und konstatiren, daß der Bericht des Bundesrathes keinen weitem legislativen Akt und keine neue bundesräthliche Verfügung reglementarischer Natur betreffend die Finanzverwaltung erwähnt.

168 Durch ein Postulat vom 23. Juni 1888 ist der Bundesrath eingeladen worden, den Baar vorrai h der Bundeskasse auf ein Minimum von 10 Millionen Franken zu erhöhen.

Wir anerkennen gern, daß der Bundesrath von diesem Moment an sich alle Mühe gegeben h a t , diesem Wunsche zu entsprechen.

Dessen strikte Erfüllung wäre aber seit dem Datum des Postulates Hindurch Veräußerung von Werthtiteln möglich geworden. Der Baarvorrath der Bundeskasse ist indessen erheblich angewachsen und es steht zu hoffen, daß derselbe im Laufe des Jahres 1889 die festgesetzte Ziffer erreichen wird.

Obwohl es nicht ir. unserer Aufgabe liegt, uns mit der Staats rechnung zu beschäftigen, so mag uns doch erlaubt sein, die günstige Lage der Bundesfinanzen zu konstatiren.

Diese gute Finanzlage darf uns indessen nicht veranlassen, von strengster Sparsamkeit abzugehen; denn nur diese setzt uns in den Stand, den Eventualitäten der Zukunft gerüstet gegenüber zu stehen. Fügen wir noch bei, daß die Umsicht, mit welcher die Finanzverwaltung bisher vorgegangen ist, diesfalls keine Befürchtung in uns aufkommen läßt.

Erwerbung des Münzgebäudes.

Wir theilen die Ansicht des Bundesrathes betreffend die Erwerbung des dem Staate Bern gehörenden Münzgebäudes, die dahin geht, es sei für den Augenblick nicht augezeigt, Verhandlungen, die bisher resultatlos geblieben, fortzuführen.

Goldprägung.

Angesichts des hohen Preises des Metalles hat der Bundesrath geglaubt, die im Budget für 1888 vorgesehene Prägung von Goldmünzen verlangsamen zu sollen. Indessen wird von der Kommission, wenn sie auch die angeführten Gründe gelten läßt, doch gehofft, daß die Prägung im Verlaufe des gegenwärtigen Geschäftsjahres mit Nachdruck wieder aufgenommen werde, zumal die gegenwärtigen Verhältnisse sieh hiefür günstiger anzulassen scheinen.

Modelle zum Fünffrankenstück.

Nach zwei Konkurrenzausschreibungen hat der Bundesrath für das Fünffrankenstück ein neues Modell angenommen, nämlich für den Avers den etwas modifizirten Kopf nach der Zeichnung des Hrn. Schwenzer, und für den Revers das vom Heraldiker Bühler -abgeänderte Modell von Hrn. Hornberg.

169 Dieses Modell ist nicht überall günstig aufgenommen worden; vielmehr wurden zahlreiche Kritiken laut sowohl in Bezug auf den Kopf der Helvetia vom künstlerischen Gesichtspunkte aus, als in Bezug auf den Revers in heraldischer Hinsicht. Im Weitern scheint man nicht allseitig davon überzeugt zu sein, daß die Form des Kreuzes, wie dieselbe auf den eidgenössischen Siegeln abgedruckt ist, die im Jahr 1815 nach einem Beschlüsse der Tagsatzung gefertigt wurden, genauer als das Kreuz, das aus fünf gleichen Vierecken gebildet ist, das Wappen der alten schweizerischen Eidgenossenschaft darstelle.

Dagegen ist die Ausführung des Münzrandes gut gelungen und es hat das Modell hiezu, welches für die schweizerischen Münzen neu ist, keine Kritik hervorgerufen.

Mit Rücksicht auf die Gewichtigkeit der Bedenken gegen obgenanntes Modell spricht die Kommission den Wunsch aus, daß die Prägung der neuen Fünffrankenstücke sistirt und das gegenwärtige Modell zum Gegenstand eines neuen Studiums seitens einer Fachkommission gemacht werde.

Banknotenkontrole.

Die Kommission hat über die verschiedenen Kapitel dieser Rubrik keine Bemerkungen anzubringen, wesentlich mit Rücksicht darauf, daß der Bundesrath, der sich gegenwärtig mit der Abänderung der Banknotengesetzgebung beschäftigt, sich alle Aufschlüsse zu verschaffen sucht, welche sowohl von den Emissionsbanken selbst, als von den Industrie- und Handels-Gesellschaften erhältlich sind.

Ueberdies wird man das Schicksal des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs abwarten müssen, welches Gesetz augenscheinlich für einen bedeutenden Theil des Banknotengesetzes maßgebend sein wird.

Ohne also in Details beireffend diese Materie einzutreten, beschränken wir uns auf die Hervorhebung zweier Thatsachen.

Zunächst haben wir mit Vergnügen bemerkt, daß ein schweizerisches Haus mit dem Drucke einer Partie von Banknotenformularen beauftragt worden, daß dieser Versuch vollkommen gelungen ist und daß der Kupferdruck in Hinsicht auf Sauberkeit und Effekt in nichts demjenigen des Londoner Hauses nachsteht, welches die ersten Formulare für das neue Notenmodell geliefert hat. Wir sprechen den Wunsch aus, daß der Bundesrath diese Versuche weiter fortsetze, da sie geeignet sind, die einheimische Industrie zu begünstigen.

BundesWatt. 41. Jahrg. Bd. III.

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170 Der zweite hervorzuhebende Punkt betrifft die im Kapitel ,,Bankausweise"1 auseinandergesetzten volkswirtschaftlichen Gesichtspunkte, welche als Ausdruck der Meinung des Inspektorais gelten mögen, aber weit entfernt sind, die allgemeine Zustimmung zu finden, denen gegenüber wir vielmehr alle Vorbehalte machen müssen.

So ist z. B. die Kommission keineswegs mit der in diesem Bericht aufgestellten Theorie, betreffend die Uebelstände der kleinen Abschnitte, einverstanden. Sie findet, daß die Banknote nicht nothwendi^erweise in einer bestimmten Frist an die Emissiooskasse O zurückgelangen müsse. Die lange Dauer des Notenumlaufes scheint uns kein Uebelstand zu sein, kann vielmehr als ein Beweis gelten für das in die Emissions>anstalt gesetzte Vertrauen.

Wir fügen noch bei, daß nach unserem Dafürhalten die großen Abschnitte, welche im Bsrichte als vorteilhafter bezeichnet werden, in mancher Hinsicht nicht so gute Dienste leisten, wie die kleinen, indem nur die letztern, oder sie fast allein, üie Geschäfte des Kleinhandels und der landwirtschaftlichen Bevölkerung erleichtern.

Staatskasse.

Eine Abordnung dor Kommission hat eine summarische Verifikation sowohl der Ka^se, als der Werthschriften und der Spezialfonds, die unter der Buadesverwaltung stehen, vorgenommen.

Wir konnten dabei die vollständige Uebereiustimmung unseres Befundes mit den Angaben des Berichts des Finaazdepartements konstatiren.

Diese nämliche Abordnung nahm auch Kenutniß vom Wechselportefeuille und von der Liste der schweizerischen Banken, denen die Bundeskasse Darleihen anvertraut. Die Kommission billigt die Vielseitigkeit von schweizerischen und ausländischen Wertpapieren, aus denen die Speziai- und Reservefonds bestehen, welche Vielseitigkeit vorkommenden Falles eine prompte Realisirung leichter gestattet.

Beizufügen ist, daS die Kommission in Bezug auf das Portefeuille auch bemerkt hat, daß der Sconto, durchschnittlich auf 2,39 °/o stehend, in der Schwei? 3,13 "/o betrug, welcher Unterschied seinen natürlichen Grund darin hat, daß die Bundesverwaltung nur Effekten ersten Ranges scontirt.

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B. Zollverwaltung.

Motionen.

Die vom Nationalrath in der Junisessiou 1887 erheblich erklärte Motion Künzli, betreffend Zollerleichterungen für Grenzgegenden, ist noch nicht erledigt. Ebenso die Frage der Rüekzölle, die von den beiden Räthen zwar behandelt worden, aber im Jahre 1888 nicht zum Abschlüsse gelangt ist.

Zolltarife.

Die Kommission hat es sehr gern gesehen, daß das Zolldepartement eine neue Ausgabe der Zolltarifgesetze vom 26. Juni 1884 und 17. Dezember 1887, der Konventionaltarife, des statistischen Verzeichnisses der Waaren, sowie der Spezialeutscheide des Departements, nebst Erläuterungen und Anmerkungen über Anwendung verschiedener Tarifbestimmungen veranstaltet hat. Diese Publikation, sowie die Karte der Zollstätten werden dem Handelsstande sehr willkommen sein.

Handelsverträge.

Wir brauchen nicht zu bemerken, daß während des Jahres 1888 unsere Zollbeziehuugen mit den meisten Nachbarstaaten eine wesentliche Aenderung erlitten haben. Der mit dem Königreich Italien abgeschlossene Handelsvertrag ist am 29. Februar 1888 abgelaufen. Vom 1. März hinweg haben sich die Schweiz und Italien auf dem Fuße der Meistbegünstigung behandelt.

Die neuen Handelsverträge mit Deutschland und OesterreichUogarn haben im Dezember 1888 ebenfalls die Ratifikation der Bundesversammlung erlangt.

Allgemeine Bemerkungen.

Im Berichte finden wir nichts Näheres darüber, welchen Einfluß auf unsere Zölle das Erlöschen des zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossenen Handelsvertrags gehabt hat. Die Handelsverträge mit Deutschland und Oesterreich-Ungarn sind zwar im Jahr 1888 ratifizirt worden, aber erst am 1. Januar 1889 in Kraft getreten. Anders verhält es sich mit dem neuen Generaltarif, der bereits vom 1. Mai 1888 an zur Anwendung gelangt ist.

Gemäß einem Wunsch der mit Prüfung der Geschäftsführung von 1887 beauftragten Kommission enthält der dermalige Geschäfts-

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bericht eine vergleichende Uebersicht über die Einfuhr während der vier ersten und der acht letzten Monate des Jahres 1888.

Dieselbe ergibt, daß die Einfuhr der von einer Zollerhöhung betroffenen Waaren durchwegs wesentlich abgenommen hat. Trotz dieser Abnahme der Einfuhr wird aber die Anwendung des neuen Generaltarifs gleichwohl eine Vermehrung der Zolleinnahmen mit sich bringen, welche nach Aufschlüssen, die uns ertheilt wurden, auf circa Fr. 1,500,000 veranschlagt werden kann.

Eine Verminderung ist weiter zu erwähnen in Bezug auf die Einnahmen von Alkohol; sie beträgt nicht weniger als Fr. 1,484,500 (72,75° o) gegenüber der Einnahme des Vorjahres. Der Bericht deutet au, woher dieser grelle Abstand rühren mag. Jedenfalls steht schon jetzt fest, daß dus Inkrafttreten des Alkoholgesetzes eine Verminderung im Alkoholverbrauch herbeigeführt hat.

Die Kommission koante mit Befriedigung konstatiren, daß die Ausfuhr des schweizerischen Handels diejenige des Vorjahres um Fr. 2,000,000 überstiegen hat; wogegen die Einfuhr um 10 Mill.

Franken zurückgeblieben ist. Die gesammte Zollbewegung erreichte 1500 Millionen Franken.

IV. Geschäftskreis des Post- und Eisenbahndepartements, I. Eisenbahnen.

Der Bericht spricht sein großes Bedauern darüber aus, daß die Schlußkonferenz in Sachen des internationalen Frachtrechtes nicht stattfinden konnte, weil einige Konferenzstaateu trotz wiederholter Einladungen sich noch eicht über den Entwurf vom 17. Juli 1886 ausgesprochen haben. Indem wir das ausgesprochene Bedauern theilen, möchten wir zugleich den Gedanken aussprechen, bei fortdauerndem Stillschweigen einzelner Betheiligtsr die Schlußkonferenz trotzdem anzuordnen und es darauf ankommen zu lassen, ob die zögernden Konferenzstaaten Angesichts eines entschiedenen Vorgehens sich nicht zu einer bestimmten Schlußnahme veranlaßt sehen.

173 Die für Anfang April 1888 in Vorschlag gebrachte Konferenz zum Zwecke des Abschlusses eines die gegenseitigen Verhältnisse der bei einem Simplondurchstich betheiligten Staaten regelnden Vertrages scheint endlich zu Stande kommen zu wollen. Wir setzen als selbstverständlich voraus, daß bei den bezüglichen Abmachungen die Interessen unseres Landes vertheidigt, sowie die Würde und Selbstständigkeit der Eidgenossenschaft in erster Linie gewahrt werden.

In dem Abschnitt, der vom baulichen Zustand der Bahnen und der technischen Kontrole handeltest unter Anderni auch von den täglichen Beobachtungen über Luftzug, Temperatur und Rauchverhältnisse im großen Gotthardtunnel die Rede. Wir sind mit dem Berichte darin einig, daß diese Beobachtungen von großem Werthe sind und darum fortgesetzt werden sollen.

Mit großer Befriedigung entnehmen wir dem Berichte, daß die Ersetzung der Holzschwellen durch Eisenschwellen und der Eisenschienen durch Stahlschienen mit jedem Jahr Fortschritte macht, und daß auch das Anbringen von Unterlagsplatten auf die Holzschwellen, zumal in den Kurven, von den meisten Bahnen vorgeschrieben wird. Hoffentlich gelingt es, die noch im Rückstand befindlichen Linien zu beförderlicher Anhandnahrne der wohlthätigen Maßregel zu bewegen. Zu begrüßen sind ferner die endlich ihrer Verwirklichung entgegengehende Erweiterung des Bahnhofes Bern, die elektrische Beleuchtimg des Bahnhofes Biel, die Fortschritte auf dem Gebiete der Weichen und der Weichensignale, die durchgehende Einführung der Glockensignale auf den Schnellzuglinien und die Verbesserungen bezüglich den Bahnabschluß. Gegenüber diesen lobenswerthen Bestrebungen der Bahnverwaltungeu erscheint es um so tadelnswerther, wenn auf gewissen Strecken die Niveauübergänge trotz wiederholter Mahnungen ohne Barrieren beibehalten werden, und die Bahnbewachung derart ist, daß im Winter der Wärter nur zwei Mal täglich, Morgens in der Dämmerung und Abends in der Finsterniß, seine Strecke absehreitet. Erfreulich ist hinwiederum, daß die Rettungsmittel zur Hilfe bei Unfällen, resp. Verletzungen (Verbandkisten, Tragbahren etc.) immer zahlreicher eingeführt und in passender Weise untergebracht und unterhalten werden, sowie daß auf Beseitigung aller ungehörigen Beschränkungen des Raumprofils der Bahnlinien, wie Stangen, Pfosten, Telegraphenstangen,
Crradientenzeiger, die schon oft zu Beschädigungen und Verletzungen des Dienstpersonals Anlaß gaben, mit allem Ernst gedrungen und auch bei dem Bau neuer Lokomotiven möglichst auf Sicherheit des sie bedienenden Personals gesehen wird. Ferner ist der Bundesrath in seinem Bestreben, die Bahnen zur Erstellung von Badeeinrichtungen

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für das Personal auf den Maschinenstationen anzuhalten, sehr zu unterstützen. Und auch darin gehen wir mit ihm einig, daß dieEinrichtung der kontinuirlichen Bremsen, sowie die Verbesserung der Beleuchtungs- und Heizeinrichtungen in den Bahnzilgen al& äußerst wünschenswert!! stets im Auge zu behalten sind.

In dem Abschnitt über die Tarifkontrole spricht sich der Bericht mit großer Resignation aus und läßt durchblicken, daß bei der Erfolglosigkeit gewisser Bestrebungen auf diesem Gebiete auch darauf verzichtet werden wolle, eine einheitliche schweizerische Taxe, welche die internen Tarife vereinfachen und auch nach Außen von gutem Einfluß sein würde, bei den schweizerischen Bahnen durchzuführen. Wenn auch zugegeben werden muß, daß die im Bericht erwähnte Rücksicht auf die maßgebende zehnjährige Periode für den Rückkauf und die natürliche Abneigung der Bahugesel l Schäften den Einheissbestrebungen hindernd in den Weg treten, so kann dagegen nicht geläugnet werden, daß es eine dienstliche Aufgabe des neu gegründeten und im Bericht auch erwähnten schweizerischen Eisenbahnverbandes wäre, im Verein mit dein schweizerischen Eisenbahndepartement die einheitliche schweizerische Taxe anzustreben und dadurch dem schweizerischen Handel und Verkehr eine große Wohlthat zu erweisen. Der Letztere würdees ohne Zweifel auch seh;; begrüßen, wenn dem vom schweizerischen Handels- und Industrieverein ausgegangenen Vorsehlage, in Reklamationsfällen deri Entscheid Vertrauensmännern zu überlassen, Folge gegeben würde, weil dadurch die Härten und Reibungen, welche bei der Zersplitterung unseres Transportwesens entstehen müssen^ einigermaßen gemildert werden könnten.

Mit Befriedigung heben wir hervor, daß für rechtzeitige Publikation der Fahrplanentwürfe gesorgt und damit die Möglichkeit gegeben worden ist, mit Aussicht auf Erfolg allfällige Reklamationen anzubringen. Nicht minder erfreulich ist, daß im Interesse der Stetigkeit der Fahrordnungen unnöthige Abweichungen von einmal eingelebten und vom Publikum gern benutzten Verbindungen so viel als möglich untersagt werden. Wie es scheint, sind die Versuche des Eisenbahndepai'tements, dem Durcheinander in den Plakatfahrplänen ein Ende zu machen, gescheitert. Wenn wir auch begreifen, daß die Spezialbahnen, die Schmalspur- und Straßenbahnen, die Bergbahnen u. dgl. rn., die
meistens für die Sommersaison und die Touristen berechnet sind, ihre besondern Fahrpläne in möglichst ansprechender Form herausgeben, so sehen wir doch nicht ein., welche Schwierigkeiteu es bieten sollte, die Fahrpläne unserer großen Hauptbahnen mit durchgehendem Verkehr auf e i n e m Plakat zu vereinigen, während dieser Modus dem Publikum das

175 Auffinden der Anschlüsse und die Uebersicht über die Hauptnetze ungemein erleichtern würde. Kann sich der Eisenbahnverband über diesen Punkt nicht verständigen, sq, wäre es unter Umständen eine dankenswerthe Aufgabe des Schweiz. Eisenbahndepartements, einen solchen gemeinsamen Fahrplan zusammenzustellen und herauszugeben.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, hat die genauere Kontrole der Haftpflicht zur Folge gehabt, daß die Zahl der Unfälle auf den Bahnen gegen die Vorjahre beträchtlich gestiegen ist. Faktisch hat sich die Sache nich-t verschlimmert, wie der Bericht nachweist; es sind nur Fälle, die früher nicht zur Anzeige gelangten, nunmehr in die Kontrole aufgenommen worden. Trotzdem ist es sehr zu begrüßen, daß das Departement alle Maßregeln befürwortet, welche zur Verhütung von Unfällen führen, und unbegreiflich ist es, wenn einzelne Verwaltungen, wie z. B. diejenige der Vereinigten Schweizerbahnen, trotz aller Mahnungen sich weigern, die einfachsten Vorkehren, wie z. B. das Versehen der Thüren an den Personenwagen mit Klinken, zu treffen. Bei dieser Gelegenheit unterstützen wir den Wunsch des Berichtes, daß das von den Bahn Verwaltungen genehmigte Preisverzeichniß in allen Stationsrestaurationslokalen möchte angeschlagen werden, wie dies an verschiedenen Orten mit gutem Erfolg bereits geschehen ist.

Wir (heilen die Auffassung des Bundesrathes, wonach er sich gegenüber Beschwerden von entlassenem Eisenbahnpersonal gegen die betreffenden Verwaltungen abweisend verhält, und möchten den bei dieser Gelegenheit geäußerten Wunsch, daß die Bahnverwaltungen sich vor Anstellung von Personal genügende Ausweise über dessen Befähigung sollten geben lassen, unterstützen.

Sehr verdankenswerth ist die Einladung, welche an die Bahnen erlassen wurde, um der Ueberfüllung der Personenwagen entgegenzutreten. So gut indessen die betreffenden Vorschriften gemeint sind, so werden sie, wie die tägliche Erfahrung zeigt, noch lange nicht überall und in allen Theilen befolgt, weßhalb wir eine beständige und ernsthafte Kontrole Seitens des Departements dringend befürw orten.

Zum Schluß erklären wir unser vollkommenes Einverständniß mit der Art und Weise, wie nach dem Bericht der Buudesrath sich mit den verschiedenen Eisenbahngesellschaften in Verbindung gesetzt hat, um auf dem Wege der Verständigung festzustellen,
in welcher Weise der durchschnittliche Reinertrag als Ausgangspunkt für die bei dem konzessionsgemäßen Rückkauf vom Bund zu zahlende Entschädigung ermittelt werden soll. Erfreulicherweise

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sind die meisten Gesell Schäften auf den bezüglichen Vorschlag eingetreten, so daß eine befriedigende Erledigung dieser wichtigen Angelegenheit in sicherer Aussicht steht.

II. Postverwaltung, Nach dem Bericht ist das neue Postregalgesetz, das die Besorgung von Wechselprotesten durch die Post und das Verhältnis der Post im Falle von Verletzungen und Tödtungen gegenüber Reisenden und Postillonen regeln soll, in Ausarbeitung begriffen.

Vielleicht zieht dieses Gesetz auch die Frage in Betracht, die schon mehrere Male in den Räthen zu sprechen gab, ob nicht das Personal der Postverwaltung, so weit es äußern Gefährdungen ausgesetzt ist, gegen Unfall versichert werden sollte, bezw. ob nicht die Haftpflicht auf die eidg. Postverwaltung ausgedehnt werden sollte. Die Thatsache, daß gerade im Berichtsjahr die Zahl der Unfälle des Postpersonal» auf 109 gestiegen ist und eine Gesammtsumme von Fr. 15,296. 20 in Anspruch genommen hat, während der jährliche Kredit für diesen Zweck nur Fr. 8000 beträgt, dürfte ein Fingerzeig dafür sein, einerseits, daß der vorhandene Fonds mit den jährlichen Beiträgen unter Umständen nicht ausreichen konnte, anderseits, daß die Zahl und Bedeutung der Unfälle die Haftpflicht als eine unabweisbare Aufgabe der Postverwaltung erscheinen läßt.

Die Aufbesserung des Gehaltes der untern Postbeamten (Briefträger, Briefkastenleerer, Packer etc.) und die Ausdehnung des Besoldungssystems der Beamten I. und II. Klasse auf diese Angestellten will der Bericht bei Vorlage eines allgemeinen Besoldungsgesetzes regeln. Wir sind damit einverstanden, insofern dieses Besoldungsgesetz in der nächsten Zeit vor die Räthe gelangt. Sollte sich dessen Vorlage aber, wie aus allerlei Gründen zu erwarten ist, noch Jahre hinauszögern, so wäre eine Spezialberichterstattung über die oben erwähnte Angelegenheit bei der Lage und Besoldung der betreffenden Angestellten in absehbarer Zeit sehr erwünscht.

Etwas auffallend ist die im Bericht aufgeführte Zahl von 2394 Fällen, in welchen die B üreauinspektionen des Jahres 1888 zu speziellen Maßregeln Anlaß gaben. Leider geht aus dem Bericht nicht hervor, ob es sich hier um Fehler, Nachläßigkeiten, OrdnungsWidrigkeiten oder um Anderes handelte; einzig die Angabe, daß

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10 Beamte und 61 Angestellte abberufen worden seien, und zwar inklusive Demissionen auf Einladung der Verwaltung hin, läßt darauf schließen, daß jene ,,Maßregeln" auch solche Fälle dürften beschlagen haben. Es läge sicherlich im Interesse der Postverwaltung, wenn über jene Büreauinspektionen und ihre Ergebnisse künftig ·etwas ausführlicher berichtet würde.

Mit der Auffassung des Bundesrathes in Sachen der Fachgebühren für Briefe und Fahrpostgegenstände gehen wir vollkommen einig. Die Vortheile der betreffenden Einrichtung sind für die Interessirten so groß und die Verantwortlichkeit und ' die Arbeit der Postverwaltung so bedeutend, daß sich der Bezug einer mäßigen Gebühr wohl rechtfertigt.

Anläßlich der im Bericht erwähuten Zunahme der Privatverkaufsstellen für Werthzeichea ist der Wunsch ausgesprochen worden, daß für die Postwertzeichen etwas besseres Papier gewählt -werden möchte, da das jetzt verwendete Vieles zu wünschen übrig läßt. Zugleich wurde darauf aufmerksam gemacht, daß jetzt schon im internen Verkehr und auch bei kleinern Werthsachen von außenher vielfach Briefmarken als Ersatz von Baargeld benutzt werden, da es sich fast nicht der Mühe lohnt, kleinere Beträge auf dem Mandatwege oder als Werthpaket zu versenden. Es wurde deßhalb die Frage aufgeworfen, ob es nicht möglich wäre, durch Abgabe von Werthzeichen der benachbarten Staaten, wozu vielleicht noch England käme, an den Privatverkaufsstellen der größern Orte der Schweiz die Möglichkeit zu gewähren, kleinere Werthbeträge vermittelst Briefmarken an den Adressaten abzuführen. Es wäre das eine außerordentlich große Erleichterung für das Publikum, ohne daß der Fiskus, wenn bestimmte Schranken vorgeschrieben würden, dabei wirklich zu Schaden käme. Eine andere Frage ist dabei noch die, ob der Weltpostverein mit einer solchen Maßregel einverstanden wäre, weßhalb wir uns erlauben, ein bezügliches Postulat einzubringen, das einstweilen einfache Untersuchung und Berichterstattung über die fragliche Angelegenheit beantragt.

Wir entnehmen dem Berichte, daß in Belgien gestattet worden äst, auch Abonnemente auf einen oder zwei Monate für belgische Blätter aufzugeben. Man ersieht daraus, daß andere Staaten für die Erleichterung des Zeitschriftenverkehrs keine Anstrengungen scheuen und sich angelegen sein lassen, der Presse so weit als möglich
entgegenzukommen. Leider kann das Gleiche von der schweizerischen Postverwaltung nicht gesagt werden, die mit Bezug auf den Transport der Zeitungen täglich schärfere und vermehrte Anforderungen an die Zeitungsverleger stellt, während die Posttaxe für die Zeitschriften selbst mit dem neuen Posttaxengesetz, statt

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herabgesetzt, von 3,4 Cts. auf l Cts. per Exemplar erhöht worden ist. Indem wir uns vorbehalten, in der mündlichen Berichterstattung ausführlicher auf unser Zeitungswesen und sein Verhältniß zur Schweiz. Postverwaltung zurückzukommen, und indem wir auf die lautredende Thatsache verweisen, daß die Einnahmen für den Transport von Zeitschriften Jahr um Jahr beträchtlich zunehmen, so daß sie im Jahre 1888 die Summe von Fr. 737,216. 88 eingetragen haben, empfehlen wir das von uns aufgestellte Postulat auf Herabsetzung der Posttaxe für Zeitschriften auf ihren ursprünglichen: Betrag.

III. Telegraphenverwaltung.

Wenn der Bericht in Aussicht stellt, daß demnächst neue: direkte Verbindungen zwischen Norden und Süden, Westen uud Osten hergestellt werden sollen, um dem vermehrten Telegraphenverkehr in genügender Weise entsprechen au können, so begrüßen wir dieses Vorhaben, das hoffentlich auch dem Verkehr inn Innern zu Gute kommen wird, da auch dieser, wie die Erfahrung gewisser Orte zeigt, unter dem Mangel an Beförderungsmitteln zii leiden anfängt.

Die im Bericht erwähnte Verschmelzung der Telegraphen- mit der Telephonrechnung wird sich kaum länger durchführen lassen, wenn die im Telephongesetz vom Ständerach beschlossene Bestimmung auch vom Nationalrath aufgenommen wird, wonach die Telephontaxen je nach dem Ergebniß der Telephonrechnung herabgesetzt werden sollen.

Mit der Einschränkung des weiblichen. Personals beim Telegraphendienst, wie sie der Bericht vorsieht, sind wir einverstanden, wobei wir aber ausdrücklich voraussetzen, daß eine prinzipielle Fernhaltung des weiblichen Personals vom Telegraphendieust daher in keiner Weise beabsichtigt sei.

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V, Geschäftskreis des Departements des Auswärtigen, Einleittmg.

Zum ersten Male erscheint irn Geschäftsberichte des Bundesrathes ein Abschnitt ,,Geschäftskreis des Departements des Auswärtigen a , mit verschiedenen Sektionen, darunter Apolitische Abtheilung"', eine Konsequenz der organisatorischen Aenderung, wonach an Stelle des früher jeweils dem Präsidium des Bundesrathes übertragen gewesenen politischen Departements nunmehr eben das Departement des Auswärtigen getreten ist, dem dann als weitere Sektionen unterstellt wurden: ,,Handelsabtheilung", ,,Auswanderungswesena, ,,Geistiges Eigenthum"'. Bei der verhältnißmäßig kurzen Zeit, während welcher diese neue Einrichtung bisdahiu funktionirt hat, läßt sich selbstverständlich noch kein abschließendes Urtheil über dieselbe abgeben. Immerhin ist jetzt schon zu konstatiren, daß die auf längerer Vertrautheit mit den persönlichen und sachlichen Verhältnissen basirende ständige Behandlung der auswärtigen Angelegenheiten durch ein seinen Inhaber nicht alljährlich wechselndes Departement für die rasche und angemessene Erledigung der Geschäfte große Vortheile bietet; dabei ist ja die eigentliche Entscheidung der verschiedenen sich präsentirenden Fragen doch immer Sache der Gesammtbehörde. Uebrigens wird später die bezügliche Organisation definitiv zu ordnen sein, und es wird dann, auf Grund der gemachten Erfahrungen, auch geprüft werden können, ob im Einzelnen dieses Departement des Auswärtigen nach seinen jetzigen Abtheilungen richtig kombinirt sei: ob die Sektion ,,Geistiges Eigenthum a demselben bleibend zuzutheilen sei, ob die bei der ,,Gold- und Silberwaarenkontrole" und beim ,,Handel mit Gold- und Silberabfällena allerdings mit in Betracht fallenden Beziehungen nach auswärts von so großem Belange seien, um diese Branchen der Sektion ,,Handelsabtheilung"1 bei derselben zu belassen, ob es nicht Unzukömmlichkeiten mit sich bringe, das Handelsamtblatt und das Handelsregister verschiedenen Departementen, nämlich das erstere demjenigen des Auswärtigen, und das letztere demjenigen der Justiz und Polizei, zuzuweisen u. s. f., alles Fragen, die dann mit noch anderen ihre endgültige Lösung einstens finden mögen.

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I. Politische Abtheilung.

Mit einem Gefühle der Wehmuth, aber auch eines gewissen gerechten Stolzes, haben wir von den aus allen Theileu der zivilisirten Erde, von den mächtigsten Monarchen, wie von den kleinsten republikanischen Gemeinwesen, anläßlich des Todes des unvergeßlichen Herrn Oberst Wilhelm Friedrich Hertenstein, des ersten im Amte gestorbenen Bundespräsidenten, an den Bundesrath gelangten Beileidsbezeugungen Einsicht genommen. Dieselben ehren den Heimgegangenen, wie das Land, dessen oberste Magistratsperson er gewesen, und beurkunden ihrerseits, daß die schweizerische Eidgenossenschaft, wenn auch die öfters gebrauchte Anrede ,,Très grands et très puissants amis" mehr historische, als aktuelle Bedeutung hat, im Kreise der Staaten eine geachtete Stellung einnimmt. Auch sonst, nicht nur bei diesem Traueranlaße, waren unsere Beziehungen zu den auswärtigen Regierungen durchaus freundschaftlicher Natur, -was wir mit besonderer Befriedigung hier hervorheben.

Was die Wahrung der Interessen unserer Landesangehörigen im Auslande bei einzelnen sich darbietenden Fällen anbetrifft, so nehmen wir gerne davon Akt. daß der Bundesrath jeweils bereitwillig seine entsprechende Verwendung eintreten läßt, und daß auch seine diplomatischen und konsularischen Organe dazu möglichst Hand bieten. Neben dieser offiziellen Thätigkeit besteht dann noch, insbesondere für Hülfsbedürftige, diejenige der schweizerischen Hülfsgesellschaften im Auslande, deren wir hier ehrende Erwähnung thun wollen. Ohne den freiwilligen Charakter dieser Hülfeleistung irgendwie alteriren zu wollen, möchten wir zu erwägen geben, ob die vom Bunde und von den Kantonen an jene Gesellschaften zu ihren acht humanen Zwecken Ogeleisteten Beiträge nicht O noch ziemlich erhöht werden dürften, um den so vielfachen und oft dringenden Nothfällen gerecht werden zu können. Eine allgemeine Billigung wird es finden, wenn auch die Schweizergesellschaft, welche wegen gewisser Vorkommnisse aus der Liste der subventionirten Vereine gestrichen wurde, infolge der im Berichte in Aussicht gestellten Beilegung der betreffenden Differenzen wieder in ihre frühere Stellung eingesetzt werden kann.

Eine anläßlich eines internationalen Grenzanstandes zur Erörterung gekommene Kompetenzfrage betreffend Wahrung der konkurrirenden Interessen eines betheiligten Grenzkantons
bei diesbezüglichen Verhandlungen mit einer ausländischen Regierung gab auch im Schooße unserer Kommission Gelegenheit zu einem Meinungsaustausche. Es handelt sich dabei um die Frage, ob die betreffende Kantonsregierung ein selbstständiges Recht besitze, bei

181 einer internationalen Grenzregulirung durch einen von ihr bestellten Repräsentanten mitzuwirken oder aber "doch mindestens vor demAbschlusse eines Vertrages mit dem auswärtigen Staate ihre eigene Auffassung der Verhältnisse bei dem Buudesrathe als dem nach Außen handelnden Organe geltend zu machen. Einzelne Mitglieder der Kommission wünschten die Sache noch in nähere Erwägung zu ziehen, besonders auch hinsichtlich der bisherigen Praxis in solchen Fällen, und es wird daher dann bei der mündlichen Berichterstattung des Nähern auf dieses spezielle Verhältniß eingetreten werden.

II. Handelsabtheilung, Die dem Berichte beigegebene Zusammenstellung der am 1. März 1889 in Kraft gewesenen, von der Schweiz abgeschlossenen Handelsverträge mit den dazu gegebenen Erläuterungen gibt uns eine sehr schätzenswerthe Orieutirung über diese für unsere wirthsehaftlichen Verhältnisse so außerordentlich wichtige Materie. Als Datum für einen bedeutungsvollen Markstein in der weitern Entwicklung unserer 'diesbezüglichen Zoll- und Handelspolitik tritt uns, scharf eingegraben, der 1. Februar 1892 entgegen. Es heißt also, auf diesen Termin hin gehörig gerüstet zu sein. Wenn es uns aber auch gelingt, die bisherige Position zu verbessern, werden eben doch immer gewisse Schwierigkeiten, und wären es auch nur solche mehr formeller Natur, .verbleiben, die vom Verkehr überwunden werden müssen ; ein völlig freier Güteraustausch unter den Nationen bleibt wohl noch fin- lange in das Reich der Träume verwiesen! Da ist es denn um so gebotener, die bestehenden Hemmnisse nicht noch durch eigenes Verschulden, infolge Nichtbeobachtung gewisser Formalitäten, zu vergrößern, und so möchten wir nachdrucklich hervorheben, was der Bericht des ßundesrathes hierüber, und gewiß mit vollem Recht, unter dem Abschnitte ,,Anstände im internationalen Handelsverkehr11 ausführt. Auch darauf sei noch besonders verwiesen, daß die Handelsabtheilung des Departements des Auswärtigen Anfragen über einschlägige Verhältnisse stets mit der größten Bereitwilligkeit beantwortet und außerdem zahlreiche diesfällige Mittheilungen im Handelsamtsblatte veröffentlicht.

Zur Zeit, da der vorliegende Bericht von den Räthen behandelt werden wird, findet in Paris die große Weltausstellung des Jahres 1889 statt, dieses Säkular-Gedenkjahres an jene gewaltige-

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Bewegung, die auch auf wirtschaftlichem Gebiete so manche Fessel gebrochen hat. Unser Land wird, wir dürfen es wohl bestimmt hoffen, in diesem friedlichen Wettkampfe der Nationen mit Ehren bestehen. Nach der Zusammenstellung, die der Bericht des Bundesrathes unter dein Titel ,,Ausstellungen" hierüber gibt, sind 1110 schweizerische Aussteller bei jeuer großen Darlegung Dessen betheiligt, was menschliche Einsicht uud menschlicher Fleiß im neunzehnten Jahrhundert auf dem Gebiete der Güterproduktion zu leisten vermögen. Wjnschen wir dem gewaltigen Unternehmen ein volles Gelingen, wie dies denn auch nach Allem, was darüber gehört wird, in gewisser Aussicht steht."

III, Auswanderungswesen.

Am 10. Juli 1888 ist das revidirte Bundesgesetz betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen vom Bundesrathe in Vollziehung gesetzt worden, und in Ausführung von Art. 25 dieses Gesetzes hat sodann der Bundesrath das Auswanderungsbüreau neu organisirt. Dasselbe wurde dabei in eine administrative und eine kommissarische Sektion abgetheilt von denen jede ihre besonderen Aufgaben zugewiesen erhielt. Auch in Bezug auf diese Organisation ist zunächst zu gewärtigen, wie sie sich im Laufe der Zeif, bewähren wird. Wir möchten aber jetzt schon zu bedenken geben, ob es nicht gerade für das Auswanderungswesen von großem Werthe wäre, wenn dasselbe einheitlich organisirt wäre und also auc.h unter einer einheitlichen Leitung stände. Die verschiedenen Aufgaben -- Ueberwachung der Geschäftsführung der Agenten und Verkehr mit diesen Funktionären, Auskunftertheilun an die Auswanderer und Schutz derselben in den Ein- uud Ausschiffungshäfen, Erledigung von Reklamationen, Verkehr mit den Konsulaten in den Einwanderungsländern etc. -- stehen so vielfach im Zusammenhang mit einander, daß eine Trennung derselben nach zwei besonderen Sektionen die durchgreifende Behandlung und Erledigung dieser Geschäfte wohl vielfach erschweren wird. Dann wird es sich beim Auswanderungswesen eben oft um ein energisches, auf Kenntniß aller Verhältnisse beruhendes Einschreiten handeln, was einem dem ganzen Dienstzweige einheitlich vorstehenden Chef wohl eher möglich sein g O dürfte. Im Uebrigen werden nun aber eben vor Allem die Erfahrungen darüber abzuwarten sein, wie die getroffene Organisation funktionire.

183 Mit der vom Bundesrathe eingehaltenen Praxis, die Bestimmungen des Gesetzes gegenüber den Auswanderungsagenturen voll und ganz zur Anwendung zu bringen, können wir uns nur ausdrucklich «inverstanden erklären. Wenn dabei speziell hinsichtlich der Versicherung des Hauptes einer auswandernden Familie gegen Unfall und des Auswanderergepäckes gegen Beschädigung sowohl als gegen Verlust, und zwar in beiden Fällen bis an den vertragsmäßigen Bestimmungsort hin, bemerkt wird, es lassen sich diese Bestimmungen nicht in vollem Umfange ausführen, so möchten wir, da das Gesetz nun einmal diese Vorschriften klar und deutlich aufstellt, doch die Einladung an den Bundesrath richten, Mittel und Wege TM finden, wie dem Gesetze ein volles Genüge geleistet werden könne; oder aber erkläre man dann die betreffenden Dispositionen in rechtsgültiger Weise außer Kraft. Gesetzliche Vorschriften, die keine Vollziehung finden, sind nicht nur an sich unzuläßig, sondern schaden auch der Autorität des Gesetzes im Ganzen. -- Um der Leistung der den Agenturen obliegenden Kautionen durch die betreffenden Schiffsgesellschaften und damit einem gewissen Abhängigkeitsverhältnisse des einzelnen Agenten von der durch ihn vertretenen Gesellschaft vorzubeugen, wurde angeordnet, jene Kautionen dürften nur durch im Inlande domizilirte Personen oder Institute geleistet werden. Es ist nun aber damit nicht ausgeschlossen, daß eben dann der inländische Cavent die Mittel für die fragliche Deposition doch von der betreffenden überseeischen Dampfschiff- oder Eisenbahnunternehmung zugestellt erhalten hat. Um ganz sicher zu sein, müßte noch eine ausdrückliche diesfällige sichernde Erklärung vom Agenten oder der die Kaution für ihn leistenden Drittperson verlangt werden.

Der Bericht tritt auch des Nähern auf das Kolonisationswesen, so insbesondere auf die Auswanderung von Schweizern nach Argentinien und nach Chile, ein, und greift in dieser Beziehung auf die Auseinandersetzungen zurück, die schon im Geschäftsberichte pro 1886 über die diesbezüglichen Anschauungen des Bundesrathes niedergelegt worden waren. Wir verkennen die dabei obwaltende Tendenz, die Auswanderer vor späterem Mißgeschicke, ja selbst vor drohenden Gefahren für Leben und Eigenthum zu schützen, keineswegs, möchten uns aber doch die Bemerkung erlauben, daß die Aengstlichkeit unter
Umständen auch etwas zu weit getrieben werden kann. Die Auswanderung ist eben der Natur der Sache nach fast immer mit einem gewissen Risiko verbunden, insbesondere für diejenigen, welche keine Mittel besitzen und daher zum Beispiel von der Offerte freier Passage Gebrauch machen müssen. Aber gerade solche Personen müssen oft wünschen, nach einem Lande

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auswandern zu können, wo sie ihre Arbeitskraft, das einzige Kapital,, welches sie besitzen, besser verwerten können; gelingt es auch am Ende ihnen selbst nicht, so kömmt dann doch die ihnen folgende Generation möglicher Weise in bessere Verhältnisse, erreicht das so erstrebenswerte Ziel einer gewissen ökonomischen Unabhängigkeit. -- Die Hauptsache für die Behörde, welcher der Schutz der Auswanderer anvertraut ist, wird immer darin bestehen, sieb über die Verhältnisse in den betreffenden überseeischen Ländern möglichst genau zu vergewissern, und da zollen wir denn dem Bestreben des Bundesrathes, maßgebende diesfällige Informationen zu erhallen, alle Anerkennung. Auch die Mitwirkung unserer Konsulate ist dabei selbstverständlich von größtem Werlhe, und so möge dean hier rühmend Erwähnung finden, daß gerade der Inhaber des Konsulates in Valparaiso (Chile) durch Besuch der Kolonien selbst, durch fortgesetzte Berichterstattung und durch kräftiges Einstehen für unsere dorthin ausgewanderten Landsleute sich schon große Verdienste erworben bat.

IV. Geistiges Eigenthum.

Nachdem das Bundssgesetz betreffend die Erfindungspatente ia Kraft getreten war, wuirde durch Beschluß des Bundesrathes vom 5. Oktober 1888 unter der Bezeichnung: Eidgenössisches Amt für geistiges Eigenthum, eine vierte Abtheilung des Departements des Auswärtigen errichtet, welcher Abtheilung nun alle auf das literarische, künstlerische und industrielle, beziehungsweise gewerbliche Eigenthum bezüglichen Bundesigesetze zunächst zur Vollziehung übertragen sind. Es ließe sich fragen, ob nicht mit der Zeit, der Vereinfachung wegen, auch die ganze Gesetzgebung über die bezeichneten verschiedenen Kategorien des ideellen 'Eigenthtms, welche ihren Ausdruck nun in vier Spe/iialerlassen gefunden hat, in einer einheitlichen Codifikation der diesbezüglichen oft gleichartigen Bestimmungen zusammengefaßt werden könnte. Jedenfalls wäre es, wenn sich einmal auch eine gewisse Praxis in der Anwendung dieser Gesetze gebildet haben wird, eine dankbare Aufgabe für einen die erforderlichen wissenschaftlichen und praktischen Kenntnisse besitzenden Autor, auch über diese Materie ein zusammenfassendes schweizerisches Rechtsbuch zu schaffen.

Ueber die Wirkungen der Einführung des Erfindungsschutzes speziell lassen sich, da das betreffende Gesetz erst mit dem 15. No-

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vember 1888 in Vollziehung gelangte und also im Berichtsjahre nur während IVz Monaten in Kraft stand, noch keine maßgebenden Erfahrungen mittheilen. Immerhin mag hervorgehoben werden, daß in dem bezeichneten kurzen Zeitraum bereits 453 Patentgesuche entgegengenommen und 240 Patente ertheilt worden sind.

VI. Geschäftskreis desMilitärdepartements.

Die Kommission erfüllt zunächst die traurige Pflicht, ihrem Schmerze über den Verlust des verehrten Bürgers Ausdruck zu geben, der seit einem Jahrzehnte dem Militärdepartement vorstand, und der mitten in seinem Wirken plötzlich vom Tode seinem Vaterlande entrissen wurde.

An der Geschäftsführung des Militärdepartements im Jahr 1888 hat die Kommission keine Aussetzungen zu machen ; sie beschränkt sich auf folgende wenigen Bemerkungen und Konstatirungen : 1. Mit Befriedigung ist von der den Kantonen Bern und Zürich ertheilten Antwort Kenntniß genommen worden, welche Stände beantragt hatten, einen Theil der durch die Milifärorganisation vom 13. November 1874 den Kantonen vorbehaltenen Befugnisse dem Bund abzutreten. Die Kommission ist ganz mit dem Befunde des Justizund Polizeidep«rtements einverstanden, dahingehend, daß die Anträge von Bern und Zürich bundesverfassungswidrig erscheinen.

2. Der Bericht des Bundesrathes erwähnt, daß ein Revisor *· ' Q beim Kriegskommissariat sich verschiedene Unregelmäßigkeiten zu Schulden kommen ließ. Bei diesem Anlasse hat der Bundesrath an alle Verwaltungsofiiziere ein Kreisschreiben gerichtet, das ihnen formell befiehlt, unter keinem Verwände in Dienstsachen in direkte Beziehungen zu den Beamten oder Angestellten des Kommissariats zu treten, und ihnen den Art. 346 des Verwaltungsreglements in Erinnerung bringt. Da dieses Kreisschreiben an ein ganzes Offizierkorps gerichtet war und in seiner allgemeinen Fassung wie ein Tadel klang auch für ganz unbetheiligte Persönlichkeiten, so wurde dasselbe von manchen Offizieren, deren Dienstleistung vorwurfsfrei, Bnndesblatt. 41. Jahrg. Bd. III.

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mit Recht verletzend gefunden. Die Absichten des Kommissariats waren freilich ganz gut, aber auf Seite der nicht fehlbaren Offiziere machte sich ein gerechtfertigtes Gefühl der Würde geltend, das ganz, achtbar erscheint und mehr Schonung verdient hätte.

3. Man bemerkt beim Veterinärdienst, daß dessen Kosten gegen das Vorjahr um 40,000 Fr. angestiegen sind. Diese Vermehrung scheint größtenteils d.iher zu rühren, daß die Pferde bei militärischen Excursionen eicht gehörig geschont werden. Dieser Punkt wird daher der Aufmerksamkeit des Departements empfohlen.

4. Die Kommission hat es gern gesehen, daß man bei der Verköstigung der Armee nach Möglichkeit die einheimische Industrie berücksichtigt, so bei Lieferung von Konserven. Man kann dus Militärdepartement hierin, und zwar selbst \veuu etwelche Mehrkosten dabei herauskämen, nur bestärken, da hiedurch die einheimische Produktion begünstigt wird.

5. Die Kommissioa hat in Thun interessanten Experimenten beigewohnt, die mit verschiedenen Infanteriegewehr-Versuchsinodc'.llen angestellt wurden. Sie war im Falle, die Wirkungen der bisherigen mit denjenigen der neuen Munition zu vergleichen. Diese Experimente haben ihr bald einen Einblick eröffnet in die auf diesem Gebiete erzielten Fortschritte und in die dringende Notwendigkeit der Umwandlung unserer Bewaffnung. Eine große und schwere Ausgabe wird uns da in Bälde aufgenöthigt.

6. In Bezug auf die Gotthard-Befestiguugeu sind wir im Falle, zu konstatiren, daß dio Militärverwaltung volle Thätigkeit entfaltet, um dieses große Werk nationaler Vertheidigung durchzuführen.

7. Der Generalbefehl für die Infanterie-Uebungen empfiehlt alljährlich, für die Rekrutirung der Offiziere die guten ländlichen Elemente nicht zu vernachlässigen. Allein diese sehr einsichtige Empfehlung, scheint bei einzelnen Divisionen ein platonischer Wunsch zu bleiben. Ein vom Chef der Infanterie-Waffe ausgegangenes Kreisschreiben von 1882 setzt in triftiger Weise auseinander, wie wichtig es ist, im Offizderkorps dieses ländliche Element zu stärken, welches zu verschwindtjn droht. Es heißt in diesem Rundschreiben : ,,Auffallig ist, daß beinahe durchweg aus der ländlichen Bevölkerung sehr wenig Offiziere mehr hervorgehen. Es deutet dies auf einen schwerwiegenden Fehler in der Auswahl, da in der ländlichen Bevölkerung VOM jeher tüchtige Kräi'te zu finden waren, die, wenn sie auch nicht durch sehr hohe Bildung glänzten, diese durch

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Charakter, durch praktisches Wesen und -durch die Gewohnheit des Umganges mit der Mannschaft zu ersetzen wußten. Werden die Offiziere nur aus den Städten rekrutirt, so liegt darin für die Volkstümlichkeit unseres Wehrwesens eine große Gefahr, da infolge dessen die Offiziere außer Dienst viel zu wenig in Berührung mit der Großzahl der Bürger kommen und der militärische Geist und das Verständniß für unser Wehrwesen in der Landbevölkerung nach und nach erlischt."

Was im Jahr 1882 seine Richtigkeit hatte, scheint auch heute noch zu gelten. Die Kommission findet daher, es sollte dieser Gesichtspunkt bei den betreffenden Militärbehörden nachdrücklich geltend gemacht werden.

8. Im Dienstbüchlein findet sich eine Verordnung des Militärdepartements vom 30. Juni 1883, welche verschiedene Strafbestimmungen gegen Disziplinarvergehen enthält. Eine derselben ist als verfassungswidrig und ungesetzlich erklärt worden durch einen Spruch des Bundesgerichts, welcher eine auf Grund jener Bestimmung verhängte Strafe (24stündiger Arrest) aufhob. Da jeder Wehrmann die Vorschriften seines Dienstbüchleins seinem Gedächtnisse einzuprägen hat, so sollte Vorsorge getroffen werden, solche Vorschriften zu entfernen, welche den Gesetzen nicht entsprechen.

Die Kommission ersucht daher das Militärdepartement, die Frage in diesem Sinne in's Auge zu fassen.

9. Die Kommission hat zu ihrem großen Bedauern das in gewissen höhern Militärkreisen sich geltend machende Bestreben bemerkt, sich über diesen oder jenen Artikel der Militärorganisation vom 13. November 1874, und hauptsächlich über solche Artikel, welche kantonale Befugnisse vorbehalten, hinwegzusetzen.

So sind z. B., entgegen der Ansicht der Regierung von Freiburg, die deutschen Rekruten des dortseitigen Kantons zu ihrer Instruktion auf den Waffenplatz Bern einberufen worden, während Art. 101 jenes Gesetzes positiv sagt: ,,Der Unterricht der Infanterie und der Schützen wird in acht Kreisen ertheilt, in der Weise, daß die gesammte Infanterie je einer Armeedivision dem gleichen Kreise zugetheilt wird.11 So wurde ferner ein Dragoner-Rekrut entgegen der förmlichen Schlußnahme der Kantonsbehörde (welche Schlußnahme sich übrigens auf die schlechten Noten stützte, die diesem Rekruten in seiner ersten Schule ertheilt wurden) zu einer Offizierbildungsschule einberufen, während der Art. 38 des Gesetzes den Kantonen ausdrücklich das Recht vorbehält, aus den Unteroffizieren und den

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Soldaten, welche von dea Offizieren der betreffenden Einheiten oder den Instruktoren hiezu tauglich erklärt wenden, diejenigen zu bezeichnen, welche eine Offizierbildungsschule zu besuchen haben.

Es ist noch beizufügen, daß der betreffende Rekrut die Vergünstigung erlangt hatte, die Bildungsschule auf seine Kosten durchzumachen, was nicht gerade als das Ideal unserer republikanischen Gleichheit erscheint.

Es fänden sich noch andere Beispiele; allein die Kommission will nicht insistiren, da sie sicher ist, daß das Departement darüber wachen wird, daß weitere derartige Unkorrektheiten vermieden werden.

VIL Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartements, A. Justizverwaltung.

I. Gesetzgebung.

Im Laufe dieses Berichtjahres sind mehrere wichtige gesetzgeberische Vorlagen dea eidg. Käthen unterbreitet worden, zum Theil von früher her bei denselben anhängig geblieben, welche eine etwas eingehendere Besprechung wohl verdienen.

1. Der Entwurf des Gesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs wurde nach zweimaliger Berathung in beiden Käthen, der Hauptsache nach, fertig; erstellt. Die Revision und redaktiooelle Gestaltung des Textes durch eine vom Justizdepartement bestellte Kommission, unter desaen Leitung und Mitwirkung, ist als eine sehr sorgfältige anzuerkennen, und ebenso gebührt der auf die Uebereinstimmung des Textes in den drei Landessprachen verwendeten außergewöhnlichen Umsicht eine lobenswerthe Erwähnung.

Die seither im Stände- und Nationalrathe erfolgte Hauptabstimmung ergab die Annahme des bereinigten Entwurfes; die Publikation erfolgte im Bundesblatte vom 4. Mai 1889; die Referendumsfrist läuft den 2. August ab.

189 Wir unterlassen es, in diesem Stadium der Frage über das Materielle dieses Gesetzes uns weiter zu äußern, und halten es für angezeigt, uns auch aller auf eine allfällig stattfindende Volksabstimmung Bezug habende Ausblicke und Bemerkungen zu enthalten.

Das Gesetz betreffend Ergänzung der Bestimmungen des Obligationenrechtes über das Handelsregister wurde im Ständerathe am 26. Juni, im Nationalrathe am 11. Dezember 1888 ohne Oppo-* sition angenommen und kann infolge unbenutzten Ablaufes der Referendumsfrist durch den Bundesrath jederzeit in Kraft erklärt werden. Die getroffenen Abänderungen und Ergänzungen erachten wir als zweckmäßig und, sofern das Betreibungs- und Konkursgesetz in Wirksamkeit treten wird, als unbedingt nothwendig.

2. Der Entwurf einer neuen Militär-Strafgerichtsordnung wurde vom Nationalrathe am 3./6. Dezember 1888 votirt und seither auch vom Ständerathe,jedoch mit mehrfachen Modifikationen, angenommen, worüber der Nationalrath noch zu beschließen hat.

Wir begrüßen diesen Entwurf als einen unverkennbaren Fortschritt, wenn auch die Meinungen über den Werth einzelner Aenderungen noch auseinandergehen mögen.

3. Der Entwurf eines Bundesgesetzes über die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter ist im Berichtjahre nur im Nationalrathe zur Behandlung gelangt. Es wurde von demselben das Wohnorts- und Souveränitätsprinzip sozusagen voll und ganz, und zwar meist mit sehr starker Majorität, proklamirt und der Boden des Konkordates vom 15. Juli 1822, dem eine größere Zahl von Kantonen noch gegenwärtig angehört, gänzlich verlassen.

Der bundesräthliche Bericht konstatirt, daß in der stärideräthlichen Kommission eine heimatrechtliche Gegenströmung in starkem Maße sich geltend gemacht habe, und es ist demnach vorauszusehen,.daß dieselbe auch im Ständerathe ihre Wellenschläge treiben werde.

Es besteht zweifellos in dieser wichtigen Frage eine große Verschiedenheit der Auffassung in der französischen und deutschen Schweiz, in den Kantonen mit mehr städtischer, oder mit vorherrschend ländlicher Bevölkerung. Eine genaue Präzisirung der Niederlassung gegenüber dem bloßen Aufenthalte bietet unbestreitbar Schwierigkeiten dar, und es ist nicht unerklärlich, wenn gegen die Gleichbehandlung der Niedergelassenen und Aufenthalter ge-

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wichtige Bedenken laut werden. Wir können uns daher der Ansicht nicht verschließet;, daß neben einer mehr theoretischen Anschauung auch dem praktischen Gedanken seine Bedeutung belassen werden dürfe, indem die zwischen den außer den Grenzen des Heimatkantons ansäßig gewordenen Bürgern und der frühem Heimat bestehenden, nur selten ganz gelösten Bande und Wechselbeziehungen in angemessene Würdigung gezogen werden.

Die gesetzliche Regelung dieser Verhältnisse erscheint uns als eine delikate und folgenschwere, weßhalb wir einem bedachtsamen Abwägen und Vorgehen das Wort zu reden uns veranlaßt fühlen, obschon wir deren Wü aschbarkeit nicht in Zweifel ziehen wollen.

4. Die Kommission gewärtigt vom Bundesrathe die gelegentliche Wiedereinbringung einer Vorlage über das Verbot der Doppelbesteurung und gibt dabei der Erwartung Ausdruck, daß das den Kantonen zustehende Recht, die innerhalb ihres Gebietes wohnhaften oder eine gewisse Tliätigkeit entfaltenden Steuersubjekte ihrer Steuerhoheit zu unterstollen, in wirksamerer Weise wahrgenommen werden möchte, als in dem vom Ständerathe mit guten Gründen schließlich abgelehnten frühern Entwurfe.

Wenn wir auch die Wünschbarkeit der Ordnung dieser Rechtsmaterien zugeben, so darf doch darauf verwiesen werden, daß gegenüber wirklich schreienden Uebelständen auch bisher durch die bundesgerichtliche Spruchpraxis Abhilfe geschaffen wurde.

5. Die interessante und gediegene Ariaeit des Herrn Bundesrichter Dr. Hafner über, die Organisation der Bundesrechtspflege ist aller Beachtung werth ; das, wie wir hören, bereits festgestellte Gutachten des Bundesgdrichtes wird mit einiger Spannung erwartet ; die gemachten Vorschläge sind tief eingreifender Natur und werden daher zweifellos nicht sofort allseitig unbedingte Zustimmung finden.

Die Notwendigkeit einer Revision der Bundesrechtspflege wiyd^ unserseits ebenfalls anerkannt. Es wird an der Zeit sein, zu dern auf bedeutende Erweiterung der Kompetenzen des Bundesgerichtes und Vermehrung der Zahl der Richter hinzielenden Entwurfe Stellung zu nehmen, wenn derselbe, begleitet vom hundesräthlichen Berichte, den eidgenössischen Käthen unterbreitet werden wird.

6. Wir bestreiteti nicht, daß die Bestimmuogen des Obligationenrechtes über Gewährleistung der Mängel der Kaufsache im Viehverkehr nicht in jeder Richtung antreffen, erachten jedoch den Erlaß eines Gesetzes über Gewähr der Viehhauptmängel, im Hin-

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blick auf die ablehnenden Kundgebungen mehrerer, zum Theil hiebei in hervorragendem Maße interessirter Kantone und angesichts der Thatsache, daß auf das bundesräthliche Kreisschreiben vom 4. August 1888 bis Ende des Jahres bloß 11 Kantonsregierungen geantwortet haben, nicht für so unmittelbar dringend, wie solches voa anderer Seite schon behauptet worden ist. Dabei ist nicht zu übersehen, daß mancherorts gewisse Befürchtungen über zu treffende Gestaltung eines solchen Bundesgesetzes vorhanden sind, deren Berechtigung wir vor der Hand nicht näher untersuchen wollen.

Dem Konkordate über Viehhauptmängel gehören allerdings bloß 6 Kantone mehr an, wodurch dasselbe von seiner einstigen Bedeutung viel eingebüßt hat.

7. Der Bundesrath erwähnt, daß die Frage der Revision des Zivilstands- und Ehegesetzes durch die in seinem Auftrage verfaßten bedeutungsvollen Memoriale der Herren Prof. Dr. König in Bern und Dr. Mentha in Neuenburg aufgeklärt worden sei. Wir erachten jedoch hiermit die Sache noch keineswegs als erschöpft, und glauben, betonen zu sollen, daß auch andere einschlägige Kundgebungen und Eingaben eine ernste Würdigung verdienen. Vorläufig nehmen wir gerne Notiz von der gegebenen Zusicherung, daß in Bälde eine Vorlage betreffend die Revision des in Frage stehenden Bundesgesetzes erfolgen werde. Denn wir verhehlen es uns nicht, daß gegenüber gewissen, tief gefühlten Uebelständen fördersamste Abhilfe wirklieh Noth thut und ein sehr erheblicher Theil des Schweizervolkes die in Aussicht stehenden Anträge des Bundesrathes und die Beschlußfassung der Bundesversammlung mit gespanntester Aufmerksamkeit verfolgen wird.

Nach unserer Ueberzeugung ist das z. Z. in Kraft stehende Bundesgesetz vom 24. Dezember 1874 in mehr als einer Richtung der Revision bedürftig und wir würden es begrüssen, wenn der Bundesrath auch die Frage, ob nicht die Grundlage des Gesetzes selbst betreffend das Recht zur Eheschließung einer Abänderung bedürftig sei, in den Kreis seiner Erörterungen zu ziehen sich bewogen finden würde.

8. Wir billigen das Vorgehen des Bundesrathes mit Bezug auf die, die Vereinheitlichung des Strafrechtes bezweckenden Anregungen und erachten seine Anschauung, vorerst durch Aufstellung einer vergleichenden Uebersicht der die kantonalen Strafgesetzbücher beherrschenden Prinzipien eine Abklärung der Frage herbeizuführen, bevor einer Revision der Bundesverfassung im Sinne der wirklichen Vereinheitlichung des Strafrechtes gerufen wird, als richtig und zutreffend.

192 Dabei gestatten wir uns, nur im Vorbeigehen zu bemerken, daß der vielbeklagten Eiärte, welche in der Bestrafung eines Delinquenten in verschiedenen Kantonen wegen Delikten liegt, die er auf deren Gebieten verübte, bevor eine Abwandlung erfolgt, einigermaßen auch ohne Centralisation des Strafrechtes abgeholfen werden kann, und erlauben uns, diesfalls auf die daherigen Bestimmungen des Entwurfes eines Strafgesetzbuches für den Kanton Neuenburg vom 5. März 1889 aufmerksam zu machen.

9. Zu einer sachgemäßen Ergänzung des Gesetzes über die Bundesstrafrechtspflege and über das Bundesstrafrecht nehmen wir, besonders in Ansehung der vielfältigem Gestaltung des sozialen Lebens in der Neuzeit, keineswegs zum vorneherein eine ablehnende Stellung ein, und wenn es der weisen Sorgfalt und Festigkeit des Bundesrathes gelingt, dorn gewissenlosen und verächtlichen Wühlen fremder, unter der Bezeichnung: Hetz- und Lockspitzel berüchtigter Polizeispione, wie den unheilvollen Tendenzen anarchistischer Elemente, welche das jedem schweizerischen Patrioten geheiligte Asylrecht gefährden, wirksam und nachhaltig zu begegnen, so wird das gesammte Schweizervolk der obersten Exekutive aufrichtigen Dank wissen.

II. Schweizerisches Staats- und Privatrecht.

Wir erwähnen mit Vergnügen die Drucklegung des von Herrn Prof. Dr. Huber bearbeiteten dritten Bandes des Systems nnd der Geschichte des schweizerischen Privatrechtes, und es goreicht uns zur Genugthuung, zu konstatiren, daß dieses werthvolle Werk voraussichtlich innert Jahresfrist mit dem Erscheinen eines vierten Bandes zum Abschlüsse gelangen wird.

Mit thunlichster Förderung der Herausgabe der Sammlung staatsrechtlicher Entscheidungen der administrativen Bundesbehörden seit 1874 wird der Buodesrath einem in weitern Kreisen gefühlten Bedürfnisse Befriedigum; verschaffen.

Y. Verhältnisse zu auswärtigen Staaten, a. Verträge und Konventionen.

Der Niederlassungs- und Konsularvertrag mit Serbien ist zwischen den Kontrahenten zum Austausche gelangt.

Mit der sudamerikanischen Republik Ecuador sind die Unterhandlungen bezüglich eines die Ordnung der Niederlassungs-, Han-

193 dels- und Konsularverhältnisse zweckenden Vertragsprojektes, einkommens über gegenseitige Vollziehung von Requisitorien bis zum Abschlüsse gediehen.

im Sinne der Meistbegünstigung besowie eines provisorischen UeberAuslieferung von Verbrechern und in Zivil- und Strafsachen ebenfalls

Der mit Argentinien vereinbarte Auslieferungsvertrag harrt noch der Genehmigung des Kongresses dieser Republik. Wir hoffen, daß es den Bemühungen des Bundesrathes gelingen werde, mit der Regierung der argentinischen Republik, besonders angesichts der sich mehrenden schweizerischen Auswanderung nach Argentinien, in Bälde die schwebenden Unterhandlungen zu einem Freundschafts-, Niederlassungs- und Handelsvertrage einem befriedigenden Abschlüsse entgegenzuführen.

Mit Oesterreich-Ungarn ist ein neuer Auslieferungsvertrag abgeschlossen worden, dessen Genehmigung jedoch noch aussteht.

Mit den Niederlanden wurden die Verhandlungen über Revision des als ungenügend befundenen Auslieferungsvertrages von 1853 wieder aufgenommen.

Im Allgemeinen begrüßen wir die Bestrebungen des Bundesrathes, allmälig, soviel möglich, mit allen civilisirten Staaten Auslieferungsverträge zu schließen, um die Zahl der Fälle, in welchen die Verbrecher durch Flucht in auswärtige Staaten sich Straflösigkeit zu sichern vermögen, im Interesse der öffentlichen Moral auf ein Minimum zu reduziren, wobei es immerhin sehr am Platze erscheint, wenn die bisher gemachten Erfahrungen bei Abschluß neuer und bei Revision bestehender Auslieferungsverträge gebührende Verwerthung finden.

Der Bundesrath hat im Berichtjahre die schweizerische Gesandtschaft in Paris beauftragt, bei der französischen Regierung die definitive Regelung der gegenseitigen Uebernahme von armen, alten, gebrechlichen und arbeitsunfähigen Personen anzuregen, wie eine solche Uebereinkunft betreffend gegenseitige unentgeltliche Verpflegung der Geisteskranken und der verlassenen Kinder seit 1882 zwischen Frankreich und der Schweiz besteht.

Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß die diesfalls angeknüpften Unterhandlungen von Erfolg gekrönt sein werden. Wir erblicken in der vertraglichen Ordnung dieser Angelegenheit eine erfreuliche Rücksichtnahme auf ein unseres Erachtens wohl begründetes Gebot der Humanität und müssen nur wünschen, daß bei der Redaktion einer solchen Uebereinkunft die größtmögliche Präzision der Ausdrucksweise und die vollste Klarheit des Inhaltes erzielt

194 werden möchte, damit im gegebenen Falle Dicht unangenehme Kollisionen entstehen.

b. Spezielle Fälle internationaler Natur.

1. In einem interessanten Falle -- Diggelmann -- ergaben sich zwischen den französischen und schweizerischen Gerichten Differenzen über Auslegung und Anwendung des Staatsvertrages zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869. Wir würden es als sehr wünschenswert!! anaehen, wenn einer Wiederholung solcher für die Betheiligten nachtheiligen und eine bedauerliche Rechtsunsieherheit verursachende Rechtsvorkommnisse für die Zukunft vorgebeugt werden könnte.

Wir finden uns veranlaßt, an den Bucdesrath die Einladung zu richten, behufs Erzvceckung der unbedingt wunschbaren Klarheit entweder auf Vereinbarung einer protokollarischen Erklärung hinzuwirken oder, wenn nothwendig, eine Revision des Staatsvertrages selbst in Aussicht zu nehmen.

2. Der Bundesrath wurde in einem Spezialfalle veranlaßt, einen Fragesteller dahin zu bescheiden, daß gemäß Art. 17 des NiederlassungsVertrages zwischen der Schweiz und Italien vom Jahr 1868 für die Theilung des Nachlasses eines in Italien verstorbenen Schweizers und für die Bestellung der Vormundschaft über dessen minderjährige Kinder dit; heimatliche Gesetzgebung maßgebend sei.

3. Der Transit von Deutschen, welche aus Italien ausgewiesen sind und durch die Schweiz in ihre Heimat geschafft werden sollen, hat sozusagen stetig zugenommen. Während im Jahre 1886 95 aus Italien ausgewiesene Deutsche die Schweiz zu passiren hatten, betrug im Jahre 1887 deren Zahl 134, im Berichtjahre 110. Nach Maßgabe des Art. 5 der Uebereinkunft zwischen der Schweiz und Italien über den Polizeidienst auf den internationalen Stationen der Gotthardbahn vom 16. Februar 1881 hat die den Kantonen aus diesen Transporten erwachsenden Kosten Italien zu tragen. Der Bundesrath macht mit Recht darauf aufmerksam, daß behufs Vermeidung großer Inkonvenienzen sowohl für die Schweiz als für Italien die Bewachung solcher Individuen eine sorgfältigere werden muß, als dies bisher vielfach der Fall gewesen. Es mag hier die Bemerkung eingeflochten werden, daß die Rückvergütung dieser Kosten, nach gemachten Erfahrungen, ohnehin etwas langsam sich effektuirte, und es erscheint daher der Wunsch nicht unberechtigt, daß der Bundesrath seine Verwendung für Liquidirung solcher

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Kosteurechnungen bei der italienischen Regierung auch fortan eintreten lassen wolle.

4. An eine Kantonsregierung erließ der Bundesrath anläßlich eines Spezialfalles die Einladung, sämmtliche Gemeindebehörden aufzufordern, den Vorschriften des Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reiche vom 27. April 1876 bei Abschiebung hilfsbedürftiger Personen genaue und gewissenhafte Beobachtung zu verschaffen. Wir halten diese Mahnung namentlich mit Bezug auf die Verumständungen des betreffenden Falles für durchaus begründet, und es ist nicht zu übersehen, daß die Bundesbehörde, wenn ein Anlaß zu sachbezüglichen Reklamationen gegenüber dem Deutschen Reiche sich bieten sollte, mit viel mehr Nachdruck zu interveniren in der Lage sein wird, wenn die schweizerischen Grenzkantone sich angelegen sein lassen, die Bestimmungen des vorerwähnten Vertrages genau zu erfüllen. Wir wünschen lebhaft, daß der in Art. 10 des Niederlassungsvertrages aufgestellte Grundsatz, wonach jeder der kontrahirenden Theile verpflichtet ist, für die Verpflegung der kranken Angehörigen des anderen Staates zu sorgen, bis deren Rückkehr in die Heimat ohne Nachtheil für ihre und Anderer Gesundheit geschehen kann, in allen Fällen und unbedingt seine Anwendung finde.

5. Bei den vom 30. September bis 6. Oktober 1888 in Brüssel stattgefundenen Verhandlungen des internationalen Kongresses für Handelsrecht waren sowohl die Schweiz, als die Universität Genf durch Delegationen vertreten.

Wir registriren gerne die erfreuliche Thatsache, daß neben der belgischen Kommission und hervorragenden belgischen Juristen auch eine nicht unerhebliche Anzahl französischer Delegirter ihre Zustimmung zum modernen Wechselrechte ausgesprochen haben, was einen günstigen Ausblick auf das Zustandekommen einer internationalen Gestaltung des Wechselrechtes eröffnet.

·VI. Cmlstand und Ehe.

1. Auf die Ehescheidungsklage einer im Kanton Waadt angesessenen Engländerin wurde, in Gemäßheit der Bestimmungen des Art. 56 des Bundesgesetzes vom 24. Dezember 1874 betreffend den Civilstand und die Ehe, erst eingetreten, nachdem der Nachweis erbracht worden war, daß das im Kanton Waadt ergehende Urtheil in der Heimat der Klägerin werde anerkannt werden. Es ist sehr zu wünschen, daß die sämmtlichen Schweiz. Gerichte in

196 ähnlichen Fällen mit gleicher Behutsamkeit vorgehen und vom grundsätzlichen Standpunkte unter keinen Umständen abgehen.

2. Die Ansicht des Bundesrathes, daß die im Auslande abgeschlossene Ehe eines Schweizerbürgers mit seiner Nichte, sofern die am Orte der Eheschließung geltenden gesetzlichen Vorschriften dies ermöglichen, auch in der Schweiz als gültig anzuerkennen sei, begegnete im Schöße unserer Kommission verschiedenen Bedenken, indem im schweizerischen Ehegesetze das Verbot der Verehelichung zwischen Oheim und Nichte als ein impedimentum Juris, publici betrachtet werden könnie, welches durch die willkürliche Verlegung des Wohnsitzes der Nupturienten nicht soll umgangen werden können.

Jedenfalls wird es am Platze sein, bei der im Wurfe liegenden Revision des Ehegesetzes auch solche Fälle in's Auge zu fassen.

3. Bei Trauung eines Franzosen mit einer Bürgerin des Kantons Waadt unterließ der betreffende Civilstandsbeamte die so-, fortige Beurkundung der von den Eheleuten beabsichtigten Legitimation eines vorehelich gebornen Kindes. Derselbe wurde angewiesen, die Anzeige der Legitimation auch noch nach der erfolgten Trauung der Eltern anzunehmen, obschon die Anerkennung dieser Legitimation in Frankreich nicht ganz außer Zweifel steht, weil nach dem französischen Recht voreheliche Kinder nur dann legitimirt werden, wenn sie von den Eltern vor der Verehelichung, oder im Eheakte selbst anerkannt worden sind.

Dieser Fall beweist neuerdings, wie wichtig es für Civilstaudsbeamte ist, wenn sie die Trauung auswärtiger Staatsangehöriger vorzunehmen haben, die Gesetzgebung der Heimat des Ehemannes vor dem Eheabschlusse genau zu kennen.

4. Zum Eheabschïusse eines bayerischen Staatsangehörigen im Auslande ist ein Zeugniß der heimatlichen Distrikts-Verwaltungsbehörde unbedingt erforderlieh, daß gegen die beabsichtigte Eheschließung kein gesetzliches Hinderniß obwaîte.

Wegen Nichtbeachtung dieses Erfordernisses wurde die bayerische Nationalität einer im Jahre 1874 mit einem bayerischen Staatsangehörigen in St. Gallen getrauten, ursprünglichen Bürgerin des Kantons St. Gallen nicht anerkannt.

Es bildet auch dieses Vorkommniß ein weiteres Beleg für die Richtigkeit unserer sub Nr. 3 ausgesprochenen Ansicht.

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YII. Handelsregister.

1. Gemäß Art. 898 des Obligationenrechts waren sämmtliche Aktiengesellschaften und Genossenschaften, deren Statuten den Vorschriften des Obligationenrechts nicht entsprachen, verpflichtet, dieselben bis zum 31. Dezember 18v87 mit diesem Gesetze in Uebereinstimmung zu bringen.

Sehr viele dieser Gesellschaften scheinen sich aber an diesen Termin nicht gehalten zu haben, und es ist nicht ersichtlich, daß gegen dieselben, wie dies zweifellos gerechtfertigt gewesen wäre, strafend eingeschritten worden sei.

Nach den uns vielfach gewordenen Mittheilungen wird von den Handelsregisterführern in der Regel von der denselben zustehenden Strafbefugniß gegenüber fehlbaren Eintragspflichtigeo ein zu seltener Gebrauch gemacht.

2. Im Berichtjahre haben sich die Rekurse gegen Verfügungen des eidg. Handelsregisterbüreau auf die geringe Zahl von 2 reduzirt.

In beiden Fällen erfolgte Abweisung.

Wir glauben hieraus die Schlußfolgerung ziehen zu dürfen, daß sich auch in diesem noch neuen, mannigfache Schwierigkeiten darbietenden Gebiete der schweizerischen Gesetzgebung in verhältnißmäßig kurzer Zeit eine feste und bestimmte Spruchpraxis der zuständigen Behörden gebildet hat, was im Interesse der Sicherheit des Rechtes und Verkehres begrüßt werden muß.

3. Wir gehen mit dem Bundesrathe einig, daß eine fleißige Inspektion der Registerbüreaux nothwendig ist und wesentlich dazu beitragen wird, die namentlich in formeller Hinsicht gegen die Registerführung noch vielfach laut werdenden Aussetzungen verschwinden zu machen.

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VIII. Rekurswesen.

1. Statistik.

Im Jahre 1888 haben sich die Rekursfälle nicht unerheblich vermehrt; es unterlagen, mit Einrechnung der aus dem Vorjahre anhängig gebliebenen Fälle, nicht weniger als 149 der bundesräthlichen Entscheidung, wovon 143 im Berichtjahre ihre Erledigung fanden. In 96 Rekurse wurde materiell nicht eingetreten, l Rekurs wurde zurückgezogen, 3 durch Entgegenkommen der kantonalen Behörden beseitigt, 35 abgewiesen und bloß 8 begründet erklärt.

198 2. Rekursgegenstände.

6. Aufenthalts- und Niederlassungsrechte.

1. Auf eiue Anfrage der französischen Botschaft über die Stellung der Fremden zu den Kantonsbehörden, hinsichtlich der von jenen beizubringenden Ausweise, wurde vom Bundesrathe u. A. der Bescheid ertheilt, daß die Kantone die Aufenthalter nicht strenger behandeln dürfen als die Niedergelassenen.

Es wird aus diesem Satze auch die Konsequenz gezogen, daß in einem Kantone von einem Aufenthalter, mag auch desseo Aufenthalt Jahrzente dauern, unter keinen Umständen mehr als eine Kanzleigebühr von Fr. 6 im Total abverlangt werden dürfe. Wir halten diese Ansicht nicht für absolut unanfechtbar und stellen in Frage, ob in dem Umstände, daß in einzelnen Kantonen von den Aufenthaltern sehr mäßige periodische Gebühren, welche in der Regel Fr. l per Jahr nicht übersteigen, verlangt werden, ein Verstoß gegen die Bundesverfassung erblickt werden könne.

2. In einem Spezialfalle erklärte der Bundesrath den Rekurs eines Bürgers, welchem die Niederlassung aus dem Grunde verweigert worden war, weil er schon früher in dem Kantone, in welchem er wiederum sich ansäßig zu machen beabsichtigte, in'» Falliment gerathen und nachher an einem ändern Domizil der öffentlichen Wohlthätigkeit anheimgefallen war, als begründet. Der Bundesrath unterschied dabei zwischen Verweigerung und Entzug der Niederlassung; die Schranke wird, im Hinblicke auf Art. 45, Absatz 2, der Bundesverfassung mit Bezug auf erstere wesentlich enger gezogen, als bezüglich des letztern, wofür die Bestimmungen des Art. 45, Absatz 3, zur Anwendnng kommen.

c. Konfessionelle Verhältnisse.

0 Die Aufzählung der einschlägigen Rekursentscheide ist unseres Erachtens keine erschöpfende. Von Interesse erscheinen namentlich die Rekursfalle Meier und Steiner, welche bekanntlich auch an die Bundesversammlung gezogen wurden, von der in Uebereinstimmung mit dem Bundesrathe grundsätzlich festgestellt wurde, daß der Inhaber der väterlichen Gewalt über die religiöse Erziehung eines Kindes, so lange dasselbe das 16. Altersjahr nicht zurückgelegt hat, ausschließlich zu bestimmen berechtigt ist.

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B, Polizeiverwaltung, I. Auslieferung yon Verbrechern und Angeschuldigten.

Die Auslieferungsgeschäfte erreichten im Jahr 1888 die hohe Ziffer von 295, nämlich 118 Auslieferungsbegehren seitens der Schweiz an das Ausland und 177 seitens fremder Staaten an die Schweiz.

1. Statistik. 2. Verfahren.

a. In Paris wurde im Februar 1886 der Engländer Francis Packe verhaftet, als er eine Anzahl Werthpapiere zu veräußern suchte, welche im Jahre 1885 in Basel mittelst Einbruch-Diebstahls entwendet worden waren. Auf erfolgte Auslieferung nach Basel wurde Packe dort zu 8 Jahren Zuchthaus verurtheilt, auf erwirkte Revision dieses Erkenntnisses aber mittelst eines zweiten Urtheils von der Thäterschaft, resp. Gehülfenschaft bei fraglichem Diebstahle freigesprochen.

Auf Verlangen der französischen Regierung verfügte das schweizerische Bundesgericht im Oktober 1887 die Rückauslieferung von Packe an Frankreich, um ihn wegen Hehlerei vor die französischen Gerichte zu stellen. Im April 1888 wurde durch Beschluß des französischen Kassationshofes die Freilassung des Packe angeordnet, weil die französischen Gerichte zur strafrechtlichen Beurtheilung des Engländers Packe, welcher bei einem in Basel von einem Unbekannten verübten Diebstahle auf französischem Gebiete der Hehlerei sich schuldig gemacht, nicht kompetent seien, da die Hehlerei kein selbstständiges Delikt, sondern nur eine Spezies der Gehülfenschaft bilde und ein im Ausland begangener Diebstahl gemäß Art. 5 des französischen Code d'instruction criminelle in Frankreich nur dann verfolgt werden könne, wenn der Thäter Franzose sei.

Wir haben diesen Fall einer nähern Besprechung für werth erachtet; denn es erscheint derselbe ganz geeignet, den Wunsch einer internationalen Ordnung der Auslieferungs -Verträge zu begründen. Inzwischen wird der Bundesrath sehr gut thun, wenn er in seiner Bemühung, Auslieferungsverträge nach einem einheitlichen Schema zu gestalten, unentwegt ausdauert.

b. Die Gerichtsbehörden des Kantons Waadt übernahmen auf Begehren Frankreichs die strafrechtliche Beurtheilung eines in Cannes wegen Todtschlag in Untersuchung gestandenen und in seine Heimat

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zurückgekehrten Waadtlälnders, unter der ausdrücklichen Bedingung, daß das ergehende Waadtländer-Urtheil in Frankreich volle Anerkennung finde und dort die weitere Verfolgung des Individuums nach seiner definitiven Aburtheilung im Heimalkanton unterbleibe.

Den kantonalen Behörden ist zu empfehlen, in vorkommenden Fällen gleicher Weise vorzugehen, behufs Wahrung des wichtigen strafrechtlichen Grundsatzes : non bis in idem.

IL Bundesstrafrecht.

Der Bundesrath überwies, nach Einsichtnahme der bezüglichen Akten, zu deren Einforderung er sich veranlaßt gesehen, drei Radfahrer aus St. Gallen, welche in dem auf glarnerischem Gebiete liegenden Tunnel zwischen Weesen und Mühlahorn aus dem Wageufenster eines Bahnzuges mehrere Knallpatronen geworfen, die explodirt und dadurch falchen Allarm erregt hatten, zur Aburtheilung an die Gerichte dei Kantons Glarus. Wir finden uns, angesichts der bei den kantonalen Behörden damals gewalteten Kompetenzbedenken, bewogen, den vom Bundesrathe eingenommenen Standpunkt noch speziell zu billigen.

III. Lotterie und verbotene Spiele.

Der Bundesrath, durch die Presse sowohl, als durch direkte Mittheilungen aufmerksam gemacht, daß im Kursaal zu Luzern verbotene Spiele getrieben werden, erließ au die Regierung von Luzern die Einladung, dan Thatbestand festzustellen und eventuell von sieh aus die nöthigen Anordnungen zu treffen zur Unterdrückung der Hazardspiele.

Die Antwort der Regierung von Luzern fiel befriedigend aus; es bot sich vorläufig kein Grund zu strafrechtlichem Einschreiten.

Wir können nicht umhin, den Bundesrath zu ermuntern, gegen derlei Glücksspiele, wenn sie auch in noch so vornehme Kreise eingebürgert werden wollen, und angeblich zum Zwecke der Unterhaltung der Fremden veranstaltet werden, rücksichtslos vorzugeheu.

Die laut Zeitungsberichten von der bernischen Polizeikammer gegen die Veranstalter verbotener Spiele in Interlaken in jüngster Zeit ausgesprochene minime Geldbuße -- wir müssen uns diesf'alls aber eben auf bloße Mitteilungen der Presse beziehen -- erschien uns nicht geeignet, diesem Unfug wirksam zu steuern.

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IV. Fremdenpolizei.

1. Wir nehmen gerne Kenntniß von dem an die Kantonsregierungen gerichteten bundesräthlichen Kreisschreiben vom 28. Dezember 1888, wonach dieselben ersucht wurden, ihre Polizeiorgane ;zu instruiren, die Visa auf der Rückseite der Zwangspässe unentgeltlich einzutragen und jedes Individuum, welches nicht auf der im Zwangspasse vorgeschriebenenen Straße betreten wird, oder dessen Zwangspaß nicht die polizeilichen Visa der zurückgelegten Strecken enthält, unnachsichtlich per Schub weiter bis über die Grenzen zu schaffen. Diese Maßregel wird zweifellos dazu beitragen, dem Unwesen des zwecklosen Herumziehens deutscher Stromer eher ein Ziel zu setzen.

2. Ein von St. Gallen nach seiner Heimat?abgeschobener, geisteskranker Italiener wurde den tessinischen Behörden von der italienischen Polizei erst abgenommen, nachdem die Bewilligung der Heimschaffung dieses Individuums auf diplomatischem Wego bei Italien erwirkt worden war.

Die Regierung von Tessin konnte mit ihrem Gesuche an den Bundesrath um Intervention bei der Regierung von St. Gallen für Rückvergütung der durch die Verpflegung des Geisteskranken dem Kanton erwachsenen Kosten nicht berücksichtigt werden, da der Entscheid in solchen Fällen dem Bundesgerichte zusteht.

Die Grenzkantone namentlich werden gut daran thun, dieses Präcedenzfalles bei gegebenem Anlaße sich zu erinnern.

VI. Politische Polizei.

Der Bundesrath war im Jahre 1888 in der Lage, fünf Ausweisungsdekrete, welche 11 Personen betrafen, in Anwendung des Art. 70 der Bundesverfassung, zu erlassen.

Wir sind mit dem Bundesrathe einverstanden, daß derartige Vorgänge politischer Natur im Interesse des Landes einer aufmerksamen und prompten Behandlung bedürfen, und schließen uns dessen Ansicht an, daß völkerrechtswidrige Handlungen, welche durch fremde Personen, zuweilen unterstützt durch Landesangehörige, auf dem Gebiete der Schweiz verübt oder versucht werden, mit dem größten Ernste verfolgt werden sollen.

Wir vertrauen darauf, daß der Bundesrath von einer eben so festen als klugen Haltung gegenüber verbrecherischen Unternehmungen anarchistischer Elemente, wie gegenüber dem unheilvollen, Bundesblatt. 41. Jahrg. Bd. III.

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verabscheuungswürdigen Treiben von Hetzspionen, unter welcher Marke dieselben auch auftreten mögen, unter keinen Umständen sieh werde abbringen lassen und die völkerrechtliche Stellung und Ehre der Schweiz. Eidgenossenschaft mit kräftiger Hand stetsfort wahren werde.

TU. Heimatrecht.

1. Wir haben aus dem Berichte die Ueberzeugung geschöpft, daß das Justiz- und Polizeidepartement durch Untersuchungen betreffend Feststellung der Heimatrechte von Familien und einzelnen Personen im Jahre 1888 wirklich in bedeutendem Maße beansprucht worden ist, was schon aus der Thatsache sich ergibt, daß in 81 Fällen dasselbe mit dein Heimatrechte von 259 Personen sich zu beschäftigen hatte.

Wir betonen den ächon im ständeräthlichen Berichte über die Geschäftsführung des Bundesrathes vom Jahre 1882 ausgesprochenen Wunsch, daß es der Thätigkeit und Energie des Departementes gelingen möge, das Kapitel der Heimatlosen beförderlichst gänzlich zu liquidiren, und erlauben uns, namentlich zu empfehlen, keine Mühe zu scheuen, um wenigstens mit den Pendenzen aus älterer Zeit gründlich aufzuräumen.

2. Für die Behörden der Kantone ist es von großer Wichtigkeit, bezüglich der Aufenthalter und Niedergelassenen, welche dent deutschen Reichsverbande angehören, die Vorschrift von § 24 des deutschen Reichsgesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870, wonach die Deutschen durch zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Auslande ihre Staatsangehörigkeit verlieren, wohl zu beachten. Die erwähnte zehnjährige Frist wird unterbrochen durch die Eintragung in die Matrikel eines Konsulates. "Die mit Handhabung der Fremdenpolizei betrauten kantonalen Organe werden vor drohenden Nachtheilen dadurch am wirksamsten sich schützen, daß sie diese Personen zur Beibringung g ü l t i g e r Legitimationspapiere verhalten und die bezügliche Niederlassungsbewilligung nicht über die Dauer der Gültigkeit dieser Papiere hinaus erstrecken, überhaupt durch geeignete Vorkehrungen dafür sorgen, daß diese Ausweispapiere r e c h t z e i t i g wieder erneuert werden. Das geeignetste Hülfsmittel erblickt der Bundesrath mit Recht darin, daß die in der Schweiz wohnhaften deutschen Staatsangehörigen durch die kantonalen Organe veranlaßt werden, sich in die Matrikel des zuständigen deutschen Konsulates in der Schweiz eintragen zu lassen.

203 Wir würden es als angezeigt erachten, daß der Bundesrath die Kantone mittelst Kreisschreiben hierauf noch speziell aufmerksam machen und einer Publikation in den kantonalen Amtsblättern dadurch rufen würde. Wir theilen unbedingt die Ansicht des Bundesrathes, daß Fndividuen, welche keine oder nicht gültige Ausweispapiere besitzen, insbesondere Stromer und Vaganten, nicht aus zu weit gehender Nachsicht, oder aus Unachtsamkeit geduldet, sondern rücksichtslos aus der Schweiz weggewiesen werden sollen.

3. Eine Italienerin hatte im Kanton Neuenburg außerehelich einen Knaben geboren, welcher bei der Eintragung iu das Civilstandsamtsregister von seinem Vater, einem Oesterreicher, anerkannt wurde. Zufolge der österreichischen Gesetzgebung hat die Anerkennung eines unehelichen Kindes von Seite eines Oesterreichers für dasselbe nicht auch die österreichische Nationalität zur Folge; Oesterreich würde daher, als die Heimschaffung des erwähnten Knaben nothwendig wurde, denselben zu übernehmen sich geweigert haben; aber auch die italienische Regierung lehnte, obschon in dem vom italienischen Konsul in Genf der Mutter ausgestellten Passe der Knabe aufgeführt war, dessen Anerkennung ab, weil gemäß Art. 7 des italienischen Civilgesetzbuches das Kind einer Italienerin nur dann als Unterthan des Königreiches Italien angesehen werden könne, wenn dessen Vater nicht bekannt sei.

Die vom Bundesrathe bei der italienischen Regierung angebrachten Vorstellungen blieben erfolglos, und es wird denn kaum noch etwas anderes übrig bleiben, als diesen Knaben im Kanton Neuenburg einzubürgern. Gestützt auf dieses Vorkommniß halten wir es für geboten, daß die Civilstandsämter verständigt werden, die Anerkennung eines in der Schweiz geborenen, und der außerehelichen geschlechtlichen Verbindung eines Ausländers mit einer Ausländerin hervorgegangenen Kindes nur dann zu protokolliren, wenn über die Anerkennung dieses Kindes durch die Behörden des Staates, dem der Vater angehört, keinerlei Zweifel bestehen.

Wir werden uns erlauben, Ihnen ein Postulat des Inhaltes zu unterbreiten : ,,Der Bundesrath wird eingeladen, zu prüfen, ob nicht im Interesse einer möglichst sorgfältigen Behandlung und raschen Erledigung der stetig wachsenden Geschäfte des Justiz- und Polizeidepartementes eine Theilung desselben in mehrere Abtheilungen zweckdienlich sein würde."1

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Die Begründung dieses Postulates bleibt der mündlichen Berichterstattung vorbehalten.

Wir erwähnen im Anschlüsse an den ständeräthlichen Kominissionalbericht über die bundesräthliche Geschäftsführung von 1882 bloß, daß die im damaligen Berichtjahre eingelaufenen Geschäfte 1024 betrugen, welche im folgenden Jahre schon auf 1116 anstiegen und im gegenwärtigen Berichtjahre die hohe Zahl von 1665 erreicht haben, wodurch 11,066 geschäftliche Vorkehrungen nothwendig geworden sind.

Wir haben durch Einsichtnahme in die auf dem Departemeute diesfalls geführten Bücher uns überzeugt, daß auch mehrere andere Departemente vom Justizdepartemente über verschiedene, nicht selten ein eingehenderes Studium erfordernder Geschäfte, Gutachten einzuholen pflegen, wodurch begreiflicherweise die Arbeitslast des Justizdepartementes nicht unerheblich vermehrt wird.

Auf dem Justiz- und Polizeidepartemente sind gegenwärtig 15 Angestellte beschäftigt, zvm davon waren aber zum Theil längere Zeit, infolge Krankheit, vollständig arbeitsunfähig.

B. Geschäftsführung des Bundesgerichtes.

L Allgemeiner Theil.

Das Bundesgericht hebt in seinem Berichte hervor, daß die beiden Gerichtssäle an Uebelständen leiden, und wir halten diese Beschwerde für begründet wie dies auch durch ein Gutachten von Sachverständigen anerkannt wurde. Der vom Departemente des Innern diesfalls zu Rathe gezogene Erbauer des Bundesgerichtshauses scheint indessen den vom anderer Seite gemachten Vorschlägen, welche mehr auf dem Standpunkte der Zweckmäßigkeit beruhen, nicht sehr zugeneigt, weil er, wie das Bundesgericht bemerkt, offenbar die Schönheit der Zwackmäßigkeit nicht opfern will.

Wir theilen die Meinang des Bundesgerichtes, daß angesichts der im Wurfe liegenden Elevision des Gesetzes betreffend die Or-

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ganisation der Bundesrechtspflege der status quo einstweilen noch belassen werden soll, glauben aber, jetzt schon die Bemerkung einfließen lassen zu sollen, daß, wenn die Organisation des Bundesgerichtes die gleiche bleiben wird, wie sie jetzt ist, jedenfalls bald Hand angelegt werden müßte, um den größten Uebelständen, worunter ein Theil dieses Richterkollegiums unzweifelhaft leidet, in dieser oder jener Weise Abhülfe zu verschaffen.

Das Bundesgericht beklagt sich über empfindliche. Vermehrung der Geschäftslast; die Zahl der eingegangenen Geschäfte ist bereits auf 394 gestiegen, gegenüber 333 im Vorjahre.

Die Gerichtssitzungen sind zwar nicht häufiger geworden, aber länger an Dauer; die Nachmittagssitzungen, früher eine seltene Ausnahme, bildeten nun, so wird gesagt, bald die Regel.

Die Ueberlastung der Richter müsse als gewichtiger Grund für die Nothwendigkeit einer Revision des Gesetzes über Organisation der Bundesrechtspflege geltend gemacht werden.

Wir sind durchaus damit einverstanden, daß eine zu starke Ueberlastung der Mitglieder des Bundesgerichts nicht gerechtfertigt sein würde, und würden es bedauern, wenn gerade dadurch die Qualität der zu leistenden Arbeiten eine Benachtheiligung erfahren sollte; immerhin wird es aber zuläßig sein, bei Berathung des Hafner'schen Entwurfes sich zu fragen, ob das Heil einzig in Vermehrung der Richterzahl gefunden werden kann.

Wir maßen uns nicht an, unserm obersten schweizerischen Gerichtshofe Räthe zu ertheilen; wenn aber im Berichte des Bundesgerichtes über die in außerordentlichem Maße sich mehrenden, meist gänzlich grundlosen Rekurse wegen Rechtsverweigerung Beschwerde geführt und dabei noch hervorgehoben wird, daß solche Rekurse besonders aus gewissen Kantonen stammen und meistens die nämlichen Advokaten zu Urhebern haben, so wirft sich denn doch die Frage auf, ob nicht durch Dekretirung einer angemessenen Gerichtsgebühr uod eventuell auch durch Auferlegung einer ParteiEntschädigung, wie solches Art. 62 des jetzigen Bundesgesetzes über Organisation der Bundesrechtspflege zuläßt, diesem Gebahren in etwas gesteuert werden könnte. Wenn durch solche Maßregeln allerdings die Parteien und nicht deren Rathgeber direkt betroffen werden, so muß eben die Partei für die culpa in eligendo büßen, und wird übrigens das Publikum inskünftig vor derlei trölerischen
und wenig gewissenhaften Rechtsanwälten sich in Acht zu nehmen wissen.

Dabei erlauben wir uns, anläßlich auch die Frage noch zu streifen, ob es nicht vollständig gerechtfertigt und am Platze sein

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würde, wenn das Bunde sgericht, von der ihm zweifellos zustehenden Befugniß Gebrauch machend, Eingaben, die in beleidigenden!

Tone abgefaßt sind und Verunglimpfungen der Gegenpartei oder der kantonalen Behörden enthalten, einfach zurückzuweisen und den Unterzeichnern solcher Beschwerden eine wohlverdiente Ordnungsbuße auferlegen würde.

Den vom Bundesgerichte kundgegebenen Wunsch, daß in den kantonalen Urtheilen, die auf dem Wege des Weiterzuges au das Bundesgericht gelangen, auf eine möglichst genaue Präzisirung des Thatbestandes Bedacht genommen werden möchte, bezeichnen wir als wohlberechtigt, da das Bundesgericht auf diesen Thatbestand seine Urtheile zu gründen hat und ihm nach der Intention des Gesetzes keineswegs die Stellung eines Appellations-Gerichtes zukommt.

II. Besonderer Theil.

"Von den aus dem Vorjahre -übergegangenen 86 und während des Berichtjahres neu eingegangenen 394 Geschäften wurdeu in 88 Sitzungen 398 erledigt, und es gingen demnach auf das folgende Jahr über 82.

Von den in Hauptsache beurtheilten 58 Weiterziehungen wurden die kantonalen Urtheile bloß in 12 Fällen abgeändert, von den 221 erledigten staatsrechtlichen Beschwerden 41 ganz oder theilweise begründet erklärt, worunter einzig 5 wegen Rechtsverweigerung, während zahllose auf Verletzung des Art. 4 der Bundesverfassung basirte Beschwerden eingelaufen sind.

Ein vom Bundesrathe dem Bundesgerichte zugewiesener Straffall wurde durch die Assisen in Basel am 18. und 19. Juni erledigt und endigte mit Verurtheilung des Hauptbeklagten zu einer empfindlichen Geldbuße nebst Verfällung in die Kosten.

Die Statistik betreffend die mittlere Dauer der Streitfälle gibt zu keinen Bemerkungen Anlaß. Die Expedition der Urtheile darf als eine prompte anerkannt werden.

Wir schließen mit dem Antrage: der Geschäftsführung des Bundesgerichtes vom Jahr 1888 die Genehmigung zu ertheilen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission des Ständerathes über die Geschäftsführung des Bundesrathes und des Bundesgerichts im Jahre 1888. (Vom 11. Mai 1889.)

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1889

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25

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08.06.1889

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