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Schweizerisches Bundesblatt.

4l. Jahrgang. II.

Nr. 19.

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4. Mai 1889

Bundesgesetz über

Schuldbetreibung und Konkurs.

(Vom 11. April 1889.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des Art. 64 der Bundesverfassung, beschließt:

Erster Titel, Allgemeine Bestimmungen.

I. Organisation.

Erster Artikel. Da? Gebiet jedes Kantons bildet für die Durchführung der Schuldbetreibungen und der Konkurse einen oder mehrere Kreise.

Die Kantone bestimmen die Zahl und die Größe dieser Kreise.

Ein Konkurskreis kann mehrere Betreibungskreise umfassen.

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2. In jedem Betreibungskveise besteht ein BetreibungsDasselbe wird durch den Betreibungsbeamten geleitet.

Dem Betreibungsbeamten ist ein Stellvertreter beigeordnet. Der Stellvertreter ersetzt den Betreibungsbeamten, wenn dieser sich im Ausstände befindet oder an der Leitung des Amtes verhindert ist.

Die Kantone bestimmen im Uebrigen die Organisation des Betreibungsamtes.

amt.

3. In jedem Konkurskreise besteht ein Konkursamt, dessen Organisation Sache der Kantone ist.

li. Die Verrichtungen des ßetreibungs- und des Konkursamtes können der nämlichen Amtsstelle übertragen werden.

5. Die Betreibungsbeamten und die Vorsteher des Konkursamtes (Konkursbeamten) sind für den Sehaden verantwortlich, welchen sie oder die von ihnen ernannten Angestellten durch ihr Verschulden verursachen, und können dafür gerichtlich belangt werden.

Der nämlichen Haftbarkeit unterliegen diejenigen Angestellten des Betreibungs- und des Konkursamtes, deren Ernennung der öffentlichen Gewalt zukommt.

6. Soweit die Beamten und Angestellten oder deren Bürgen den Schaden, für welchen sie verantwortlich sind, nicht ersetzen können, haftet der Kanton.

Die Kantone haben das Recht des Rückgriffs gegen die Wahlkreise, von denen die Beamten und Angestellten ernannt sind.

Die Kantone sind berechtigt, von den Beamten und Angestellten, für welche sie verantwortlich sind, Sicherheitsleistung zu verlangen.

7. Der Anspruch auf Schadenersatz verjährt in einem Jahre von dem Tage hinweg, an welchem der Geschädigte von der Schädigung Kenntniß erlangt hat. jedenfalls aber mit

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dem Ablauf von zehn Jahren von dem Tage der Schädigung an gerechnet.

Wird jedoch die Klage aus einer strafbaren Handhing hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährung vorschreibt, so gilt diese auch für den Civilanspruch.

8. Die Betreibungs- und die Konkursämter führen über ihre Amtsverrichtungen, sowie über die bei ihnen einlaufenden Begehren und Erklärungen Protokoll.

Jedermann, der ein Interesse nachweist, kann diese Protokolle einsehen und sich Auszüge aus denselben geben lassen.

Die Protokolle der Betreibungs- und der Konkursämter sind, Gegenbeweis vorbehalten, für ihren Inhalt beweiskräftig.

9. Die Betreibungs- und die Konkursämter haben Geldsummen, Wertpapiere und Werthsachen, über welche nicht binnen jlrei Tagen nach dem Eingänge verfügt wird, der Depositenanstalt zu übergeben.

10. Ein Beamter oder Angestellter darf keine Amtshandlungen vornehmen : 1) in eigener Sache ; 2) in Sachen seiner Ehefrau, seiner Verlobten, seiner Verwandten und Verschwägerten in auf- und absteigender Linie und seiner Verwandten und Verschwägerten in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grade; 3} in Sachen einer Person, deren gesetzlicher Vertreter, Bevollmächtigter oder Angestellter er ist.

Der Betreibungsbeamte, der sich in einem solchen Falle befindet, übermittelt ein an ihn gerichtetes Begehren sofort seinem Stellvertreter und benachrichtigt hievon den Gläubiger.

11. Den Beamten und Angestellten des Betreibungsund des Konkursamtes ist untersagt, für ihre Rechnung be-

448 züglich einer vom Amte einzutreibenden Forderung oder eines von ihm zu verwertenden Gegenstandes mit irgend Jemand Rechtsgeschäfte abzuschließen. Rechtshandlungen, welche dieser Vorschrift zuwiderlaufen, sind ungültig.

12. Das Betreibungsamt hat Zahlungen für Rechnung des betreibenden Gläubigers entgegenzunehmen.

Die Schuld erlischt durch die Zahlung an das Betreibungsamt.

13. Zur Ueberwachung der Betreibungs- und der Konkursämter hat jeder Kanton eine Aufsichtsbehörde zu bezeichnen.

Die Kantone können überdieß für einen oder mehrere Kreise untere Aufsichtsbehörden bestellen.

14. Die Aufsichtsbehörde hat die Geschäftsführung jedes Amtes 'alljährlich mindestens einmal zu prüfen.

Ein Beamter oder Angestellter kann von ihr mit einer der nachbenannten Ordnungsstrafen belegt werden: 1) Rüge; 2) Geldbuße bis auf Fr. 200; 2) Amtseinstellung für die Dauer von höchstens sechs Monaten ; 4) Amtsentsetzung.

15. Der Bundesrath übt die Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen aus und sorgt für die gleichmäßige Anwendung dieses Gesetzes.

Er erläßt die eur Vollziehung dieses Gesetzes erforderlichen Verordnungen und Réglemente.

Er kann an die kantonalen Aufsichtsbehörden Weisungen erlassen und von denselben jährliche Berichte verlangen.

Er sorgt insbesondere dafür, daß die Betreibungsämter in den Stand gesetzt werden, Verzeichnisse der ia ihrem Kreise wohnenden, der Konkursbetreibung unterliegenden Peiaonen zu führen.

449 16. Der Bundesrath setzt den Gebührentarif fest. , Die im Betreibungs- und Konkursverfahren errichteten Schriftstücke sind stempelfrei.

17. Mit Ausnahme der Fälle, in welchen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden, sei es, daß die Verfügung Vorschriften dieses Gesetzes verletzt, sei es, daß sie den Verhältnissen nicht angemessen erscheint.

Die Beschwerde muß binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntniß erhalten hat, angebracht werden.

Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.

18.

Der Entscheid einer untern Aufsichtsbehörde kann, binnen zehn Tagen seit dessen Mittheilung, an die kantonale Aufsichtsbehörde weitergezogen werden.

Wegen Rcchtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann gegen eine untere Aufsichtsbehörde jederzeit bei der kantonalen Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden.

19. Ein gesetzwidriger Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde kann, binnen zehn Tagen seit dessen Mittheilung, an den Bundesrath weitergezogen werden.

Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann gegen die kantonale Aufsichtsbehörde jederzeit beim Bundesrathe Beschwerde geführt werden.

20.

Bei der Wechselbetreibung betragen die Fristen für Anhebung der Beschwerde und Weiterziehung derselben bloß fünf Tage; die Behörde hat die Beschwerde binnen fünf Tagen zu erledigen.

21. Die Behörde, welche eine Beschwerde begründet erklärt, verfügt die'Aufhebung oder die Berichtigung -der an-

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gefochtenen Handlung ; sie ordnet die Vollziehung von Handlungen ap, deren Vornahme der Beamte unbegründetermaßen verweigert oder verzögert.

22. Die Kantone bezeichnen die richterlichen Behörden , welche für die in diesem Gesetze dem Richter zugewiesenen Entscheidungen zuständig sind.

Es können Einzelrichter, Gerichte oder Ausschüsse von solchen zuständig erklärt werden.

23. Die Kantone bezeichnen ferner: 1) die Behörden, welche für die Bewilligung von Arresten (Art. 271 bis 281) zuständig sind; 2) die Behörden, welche für die Ausweisung von Miethern und Pächtern (Art. 282). zuständig sind; 3) die Behörden, welche für das Nachlaßverfahren (Art. 293 bis 317) zuständig sind. Es steht den Kantonen frei, hiefür eine einzige oder zwei Instanzen aufzustellen.

Die genannten Verrichtungen können sowohl an Gerichtsais an Verwaltungsbehörden übertragen werden.

24. Die Kantone bezeichnen die Anstalten, welche gehalten sind, in den in diesem Gesetze vorgesehenen Fällen Depositen anzunehmen (Depositenanstalten). Sie haften für die von diesen Anstalten verwahrten Depositen.

25. Die Kantone haben festzustellen : 1) die Prozeßbestimmungen für die Streitsachen, welche im beschleunigten Verfahren zu behandeln sind. Dieses Verfahren ist so einzurichten, daß die Parteien auf kurz bemessenen Termin geladen werden und die Prozesse binnen sechs Monaten seit Anhebung der Klage durch Haupturtheil der letzten kantonalen Instanz erledigt werden können; 2) das summarische Prozeßverfahren betreffend Rechtsv.orschläge und Konkursbegehren;

451 3) die zur Vollziehung dieses Gesetzes erforderlichen Strafbestimmungen. · 26. Die Kantone können unter Vorbehalt bundesgesetzlicher Bestimmungen über die politischen Rechte der Sehvveizerbürger (Art. 66 der Bundesverfassung) die öffentlichrechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses feststellen.

Die Aufhebung dieser Rechtsfolgen (Rehabilitation) hat jedoch einzutreten, wenn der Konkurs widerrufen wird oder wenn sämmtliche zu Verlust gekommene Gläubiger befriedigt sind oder der Rehabilitation beistimmen.

27. Die Kantone können die gewerbsmäßige Vertretung der Gläubiger oi'ganisiren. Insbesondere können sie die Ausübung dieses Berufes von dem Nachweis persönlicher Tauglichkeit und Ehrenhaftigkeit und von einer Sicherheitsleistung abhängig machen und die Gebühren für die einschlägigen Verrichtungen festsetzen.

Niemand kann verpflichtet werden, sich der Vermittlung eines berufsmäßigen Vertreters zu bedienen. Die Gebühren eines solchen dürfen dem Schuldner nicht angerechnet werden.

28. Die Kantone haben dem Bundesrathe die Betreibungs- und Konkurskreise, die Organisation der Betreibungs- und Konkursämter, die von ihnen in Ausführung dieses Gesetzes bezeichneten Behörden, sowie die Namen der Betreibungsbeamten, ihrer Stellvertreter und der Konkursbeamten zur Kenntniß zu bringen.

Der Bundesrath sorgt für angemessene Bekanntmachung dieser Angaben.

29. Die von den Kantonen in Ausführung der Artikel 13, 25, 27, 45 und 111 erlassenen Gesetze und Verordnungen unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes.

452 30. Das gegenwärtige Gesetz findet nicht Anwendung auf: 1) die Zwangsliquidation der Eisenbahnen; 2) die Zwangsliquidation der Emissionsbanken; 3) die Zwangsvollstreckung gegen Kantone, Bezirke und Gemeinden, soweit hierüber besondere eidgenössische oder kantonale Vorschriften bestehen.

IT. Verschiedene Vorschriften.

31. Ist eine Frist nach Tagen bestimmt, so wird derjenige Tag nicht mitgerechnet, von welchem an die Frist zu laufen beginnt.

Ist eine Frist nach Monaten oder nach Jahren besümmt, so endigt sie mit demjenigen Tage, der durch seine Zahl dem Tage entspricht, mit welchem sie zu laufen beginnt.

Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endigt die Frist mit dem letzten Tage dieses Monats.

Ist der letzte Tag einer Frist ein Sonntag oder ein staatlich anerkannter Feiertag, so endigt dieselbe am nächstfolgenden Werktag.

Die Frist läuft am letzten Tage Abends sechs Uhr ab.

32. Wird für eine Mittheilung die Post benützt, so gilt die Frist als eingehalten, wenn die Aufgabe zur Post vor Ablauf der Frist erfolgt ist.

33. Die in diesem Gesetze aufgestellten Fristen können durch Vertrag nicht abgeändert werden.

Der Schuldner kann darauf verzichten, die Nichtbeachtung einer Frist geltend zu machen.

34. Alle Mittheilungen der Betreibungs- und der Konkursämter werden schriftlich erlassen und, sofern das Gesetz nicht etwas Anderes vorschreibt, durch rekommandirten Brief oder durch Uebergabe gegen Empfangsbescheinigung zugestellt.

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35. Die öffentlichen Bekanntmachungen erfolgen durch das kantonale Amtsblatt und außerdem, wenn der Schuldner der Konkursbetreibung unterliegt, durch das Schweizerische Handelsamtsblatt. Im letztern Falle ist für die Berechnung von Fristen und für die Feststellung der mit der Bekanntmachung verbundenen Rechtsfolgen die Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatte maßgebend.

Wenn die Verhältnisse es erfordern, kann die Bekanntmachung auch durch andere Blätter oder auf dem Wege des öffentlichen Ausrufs geschehen.

36. Eine Beschwerde, Weiterziehung oder Berufung hat nur auf besondere Anordnung der Behörde, an welche sie gerichtet ist, oder ihres Präsidenten aufschiebende Wirkung. Von einer solchen Anordnung ist den Parteien sofort Kenntniß zu geben.

37. Der Ausdruck ,,Grundpfand" (,,grundversichert a ) im Sinne dieses Gesetzes umfaßt die Hypothek, die Gült, die Grundlast und jedes Vorzugsrecht auf bestimmte Liegenschaften, sowie ^as Pfandrecht an Zubehörden einer Liegenschaft (0. 211, Abs. l und 3).

Der Ausdruck ,,Faustpfand" begreift auch das Pfandrecht an Forderungen, die Viehverpfändung durch Eintragung in öffentliche Bücher (0. 210, Abs. 3) und das Retentionsrecht.

Der Ausdruck ,,Pfand"1 umfaßt sowohl das Grundpfaud als das Faustpfand.

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Zweiter Titel, Schuldbetreibung.

I. Arten der Schuldbetreibung.

38. Auf dem Wege der Schuldbetreibung werden die Zwangsvollstreckungen durchgeführt, welche auf eine Geldzahlung oder eine Sicherheitsleistung gerichtet sind.

Die Schuldbetreibung beginnt mit der Zustellung des Zahlungsbefehles und wird entweder auf dem Wege der Pfändung oder der Pfandverwerthung oder des Konkurses fortgesetzt.

Der Betreibungsbeamte bestimmt, welche Betreibungsart anwendbar ist.

39. Die Betreibung wird auf dem Wege des Konkurses, und zwar als ,,Ordentliche Konkursbetreibung" (Art. 159 bis 174) oder als ,,Wechselbetreibung" (Art. 177 bis 189), fortgesetzt, wenn der Schuldner in einer der nachbezeichneten Eigenschaften im Handelsregister eingetragen ist: 1) als Inhaber einer Einzelfirma (0. 865, Abs. 2 und 4); 2) als Mitglied einer Kollektivgesellschaft (0. 553): 3) als unbeschränkt haftendes Mitglied einer Kommanditgesellschaft (0. 591); 4) als Mitglied des Vorstandes einer Kommanditaktiengesellschaft (0. 676); 5) als Kollektivgesellschaft (0. 552); 6) als Kommanditgesellschaft (0. 590); 7) als Aktien- oder Kommanditaktiengesellschaft (0. 623 und 676); 8) als Genossenschaft (0. 678); 9) als Verein (0. 716).

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Außerdem unterliegt der Konkursbetreibung, wer kraft Artikel 865, Abs. l, des Obligationenrechts in das Handelsregister sich hat eintragen lassen.

Die Eintragung äußert ihre Wirkung erst mit dem auf die Bekanntmachung im Schweizerischen Handelsamtsblatt folgenden Tage.

40. Die Personen, welche im Handelsregister eingetragen waren, unterliegen, nachdem die Streichung durch das Schweizerische Handelsamtsblatt bekannt gemacht worden ist, noch während sechs Monaten der Konkursbetreibuqg.

Eine Betreibung, für welche der Gläubiger vor Ablauf dieser Frist die Konkursandrohung oder den Zahlungsbefehl zur WechselbetreibiiDg verlangt hat, wird auf dem Wege des Konkurses fortgesetzt.

41. Für pfandversicherte Forderungen wird die Betreibung, auch gegen die der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner, durch Verwerthung des Pfandes (Art. 151 bis 158) fortgesetzt. Vorbehalten bleibt die Bestimmung des Artikels 177 über Wechselbetreibung.

Für grundpfändlich gesicherte Zinse oder Annuitäten kann nach der Wahl des Gläubigers entweder die Pfandverwerthung oder, je nach der Person des Schuldners, die Betreibung auf Pfändung oder auf Konkurs stattfinden 42. In allen ändern Fällen wird die Betreibung auf.

dem Wege der Pfändung (Art. 88 bis 150) fortgesetzt.

Wenn ein Schuldner in das Handelsregister eingetragen wird, so sind die anhängigen Pfändungsbegehren gleichwohl zu vollziehen, so lange nicht über ihn der Konkurs eröffnet ist.

43. Die Betreibung für Steuern, Abgaben, Gebühren, Sportein, Bußen und andere im öffentlichen Rechte begründete Leistungen an öffentliche Kassen oder an Beamte

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erfolgt, auch gegen die der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner, auf dem Wege der Pfändung oder der Pfandverwerthung.

44. Die Verwerthung von Gegenständen, welche auf Grund strafrechtlicher oder fiskalischer Gesetze mit Beschlag belegt sind, geschieht nach den zutreffenden eidgenössischen oder kantonalen Gesetzesbestimmungen.

45. Die Kantone können über die Betreibung für Forderungen der Pfandleihanstalten besondere Vorschriften aufstellen.

II. Ort der Betreibung.

46. Der Schuldner ist an seinem Wohnsitze zu betreiben.

Die im Handelsregister eingetragenen juristischen Personen und Gesellschaften sind an ihrem Sitze, nicht eingetragene juristische Personen am Hauptsitze ihrer Verwaltung zu betreiben.

47. Hat der Schuldner einen gesetzlichen Vertreter, so ist die Betreibung am Wohnsitze des letztern zu führen und es sind diesem die Betreibungsurkunden zuzustellen.

Ist der gesetzliche Vertreter noch nicht ernannt, so erfolgt die Betreibung am Amtssitze derjenigen Behörde, welcher die Ernennung oder die einstweilige Sorge für die Vermögensverhältnisse des Schuldners obliegt, und es sind ihr die Betreibungsurkunden zuzustellen.

Für Forderungen jedoch, welche aus einem gemäß Artikel 34 und 35 des Obligationenrechts bewilligten Geschäftsbetriebe herrühren, ist die Betreibung gegen den Schuldner selbst am Orte des Geschäftsbetriebes zu führen.

48. Schuldner, welche keinen festen Wohnsitz haben, können da betrieben werden, wo sie sich aufhalten.

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49. Wenn nach dem kantonalen Rechte die Beständtheile einer Verlassenschaft eine besondere Masse bilden, die zur Befriedigung der Erbschaftsgläubiger dienen soll, so wird die Betreibung, in der auf den Verstorbenen anwendbaren Art, gegen die Erbmasse an dem Orte geführt, wo der Verstorbene zur Zeit seines Todes betrieben werden konnte.

50. Im Auslande wohnende Schuldner, welche in der Schweiz eine Geschäftsniederlassung besitzen, können für die auf Rechnung der letztern eingegangenen Verbindlichkeiten am Sitze derselben betrieben werden.

Im Auslande wohnende Schuldner, welche in der Schweiz zur Erfüllung einer Verbindlichkeit ein Spezialdomizil gewählt haben, können für diese Verbindlichkeit am Orte desselben betrieben werden.

51. Haftet für dje Forderung ein Faustpfand, so kann die Betreibung entweder am Wohnsitze des Schuldners oder am Orte, wo sich das Pfand oder der weïthvollste Theil desselben befindet, angehoben werden.

Für grundversicherte Forderungen findet die Betreibung nur da statt, wo das verpfändete Grundstück liegt. Wenn die Betreibung sich auf mehrere, in verschiedenen Betreibungskreisen gelegene Grundstücke bezieht, ist dieselbe in demjenigen Kreise zu führen, in welchem der werthvollste Theil der Grundstücke sich befindet.

52. Ist für eine Forderung Arrest gelegt, so wird die Betreibung da angehoben, wo sich der Arrestgegenstand befindet. Die Konkursandrohung und die Konkurseröffnung können jedoch nur da erfolgen, wo ordentlicherweise die Betreibung stattzufinden hat.

53. Verändert der Schuldner seinen Wohnsitz, nachdem ihm die Pfändung angekündigt oder nachdem ihm die

458 Konkursandrohung oder der Zahlungsbefehl zur Wechselbetreibung zugestellt worden ist, so wird die Betreibung am bisherigen Orte fortgesetzt.

54. Gegen einen flüchtigen Schuldner wird der Konkurs an dessen letztem Wohnsitze eröffnet.

55. Der Konkurs kann in der Schweiz gegen den nämlichen Schuldner gleichzeitig nur an Einem Orte eröffnet sein. Er gilt da als eröffnet, wo er zuerst erkannt wird.

III. Betreibungsferien und Rechtsstillstand.

56. Außer im Arrest verfahren oder wenn es sich um unaufschiebbare Maßnahmen zur Erhaltung von Vermögensgegenständen handelt, dürfen Betreibungshandlungen nicht vorgenommen werden : 1) in der Zeit vor acht Uhr Morgens und nach sieben Uhr Abends; 2) an Sonntagen und staatlich anerkannten Feiertagen;.

3) während der Betreibungsferien, nämlich sieben Tage vor und sieben Tage nach Ostern, Pfingsten, dem eidgenössischen Bettag und Weihnachten. Diese Bestimmung gilt jedoch nicht für die Wechselbetreibung; 4) gegen einen Schuldner, dem der Rechtsstillstand (Art. 57 bis 62) oder eine Nachlaßstundung (Art. 295) gewährt ist.

57. Für einen Burger, welcher sich im eidgenössischen oder kantonalen Militärdienste befindet, und für die Personen, deren" gesetzlicher Vertreter er ist, besteht während der Dauer des Dienstes Rechtsstillstand.

Ausgenommen sind Diejenigen, welche sich in der Eigenschaft von Militärbeamten, In'struktoren u. s. w. im Dienste befinden.

459' 58. Für einen Schuldner, dessen Ehegatte oder dessen Verwandter oder Verschwägerter in auf- oder absteigender Linie gestorben ist, besteht am Todestage und während der fünf folgenden Tage Rechtsstillstand.

59. Hinsichtlich der Betreibung für Erbschaftschulden besteht am Todestage des Erblassers und während der fünf folgenden Tage, sowie während der für Antritt oder Ausschlagung der Erbschaft eingeräumten Ueberlegungsfrist Rechtsstillstand.

Eine zu Lebzeiten des Erblassers angehobene Betreibung kann gegen die Erbmasse in dem in Artikel 49 vorgesehenen Falle fortgesetzt werden.

Gegen die Erben kann sie nur dann fortgesetzt werden, wenn es sich um eine Betreibung auf Pfand ver werlhung handelt oder wenn in einer Betreibung auf Pfändung die in den Artikeln 110 und 111 angegebenen Fristen für die Theilnahme an der Pfändung bereits abgelaufen sind.

60. Wird ein Verhafteter betrieben, welcher keinen Vertreter hat, so setzt ihm der Betreibungsbeamte eine Frist zur Bestellung eines solchen, sofern nicht von Gesetzes wegen der Vormundschaftsbehörde die Ernennung obliegt. Während dieser Frist besteht für den Verhafteten Rechtsstillstand.

^

61. Einem schwer kranken Schuldner kann der Betreibungsbeamte für eine bestimmte Zeit Rechtsstillstand gewähren.

62. Im Falle einer Epidemie oder eines Landesunglücks, sowie in Kriegszeiten kann die Kantonsregierung mit Zustimmung des Bundesrathes für ein bestimmtes Gebiet oder für bestimmte Theile der Bevölkerung den Rechtstillstaud beschließen.

63.

Die Betreibungsferien und Rechtsstillstäade hemmen den Fristenlauf nicht. Wenn indessen das Ende

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einer Frist in die Zeit der Ferien oder des Rechtsstillstandes fällt, so ,,wird die Frist bis zum dritten Tage nach dem Ende der Ferienzeit oder des Rechtsstillstandes verlängert.

IV. Zustellung der Betreibungsurkunden.

64. Die Betreibungsurkunden werden dem Schuldner in seiner Wohnung oder an dem Orte, wo er seinen Beruf auszuüben pflegt, zugestellt. Wird er daselbst nicht angetroffen, so kann die Zustellung an eine zu seiner Haushaltung gehörende erwachsene Person oder an einen Angestellten geschehen.

Wird keine der erwähnten Personen 'angetroffen, so ist die Betreibungsurkunde zu Händen des Schuldners einem Gemeinde- oder Polizeibeamten zu übergeben.

65. Ist die Betreibung gegen eine juristische Person oder eine Gesellschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung an den Vertreter derselben. Als solcher gilt: 1) für eine Gemeinde, einen Kanton oder die Eidgenossenschaft der Präsident der vollziehenden Behörde; 2) für etne Aktiengesellschaft, eine Genossenschaft oder einen im Handelsregister eingetragenen Verein jedes Mitglied der Verwaltung oder des Vorstandes, sowie jeder Prokurist; 3) für eine anderweitige juristische Person der Präsident der Verwaltung oder der Verwalter; 4j für eine Kollektivgesellschaft oder Kommanditgesellschaft jeder zur Vertretung der Gesellschaft befugte Gesellschafter und jeder Prokurist.

Werden die genannten Persoaen in ihrem GeschäftsJokale nicht angetroffen, so kann die Zustellung auch an einen ändern Beamten oder Angestellten erfolgen.

461 66. Wohnt der Schuldner nicht am Orte der Betreibung, so werden die Betreibungsurkunden der von ihm daselbst bezeichneten Person oder in dem von ihm bestimmten Lokale abgegeben.

Mangels einer solchen Bezeichnung erfolgt die Zustellung durch Vermittlung des Betreibungsamtes des Wohnortes oder durch die Post.

Wohnt der Schuldner im Auslande, so erfolgt die Zustellung durch die Vermittlung der dortigen Behörden oder durch die Post.

Ist der Wohnort des Schuldners unbekannt, so wird die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt.

In den in Absatz 2, 3 und 4 genannten Fällen kann der Betreibungsbeamte die Fristen den Umständen gemäß veru längern.

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Y. Anhebung der Betreibung.

67. Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder milnd.lich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben : 1) der Name und Wohnort des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten, sowie, wenn der Gläubiger im Auslande wohnt, das von demselben in der Schweiz gewählte Domizil. Im Falle mangelnder Bezeichnung wird angenommen, dieses Domizil befinde sich im Lokale des Betreibungsamtes; 2) der Name und Wohnort des Schuldners und, gegebenen Falles, seines gesetzlichen Vertreters; 3) die Forderungssumme oder die Summe, für welche Sicherheit verlangt wird, in gesetzlicher Schweizerwährung ; c bei verzinslichen Forderungen der Zinsfuß und der Tag, seit welchem der Zins gefordert wird; 4) die Forderungsurkunde und deren Datum ; in Ermanglung einer solchen der Grund der Forderung.

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462 Für eine pfandversichevte Forderung sind außerdem die in Artikel 151 vorgesehenen Angaben zu machen.

Der Eingang des Betreibungsbegehrens ist dem Gläubiger auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.

68. Der Schuldner trägt die Betreibungskosten. Dieselben sind vom Gläubiger vorzuschießen. Wenn der Vorschuß nicht geleistet ist, kann das Betreibungsamt unter Anzeige an den Gläubiger die Betreibungshandlung einstweilen unterlassen.

Der Gläubiger ist berechtigt, von den Zahlungen des Schuldners die Betreibungskosten vorab zu erheben.

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VI. Zahlungsbefehl und Rechtsrorschlag.

69. Nacli Empfang des Betreibungsbegehrens erläßt das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl.

Der Zahlungsbefehl enthält: 1) die Angaben des Betreibungsbegehrens; 2) die Aufforderung, binnen zwanzig Tagen den Gläubiger für die Forderung sammt Betreibungskosten zu befriedigen oder, falls die Betreibung auf Sicherheitsleistung geht, sieherzustellen; 3) die Mittheilung, daß der Schuldner, welcher die Forderung oder einen Theil derselben oder das Recht, sie auf dem Betreibungswege geltend zu machen, bestreiten will, innerhalb zehn Tagen nach Zustellung, des Zahlungsbefehls dem Betreibungsamte dies zu erklären (Rechtsvorschlag zu erheben) hat ; 4) die Androhung, daß, wenn der Schuldner weder dem Zahlungsbefehl nachkommt, noch Rechtsvorschlag erhebt, die Betreibung ihren Fortgang nehmen werde.

70.

Der Zahlungsbefehl wird doppelt ausgefertigt.

Die eine Ausfertigung ist für den Schuldner, die andere für den Gläubiger bestimmt. Lauten die beiden Urkunden nicht

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gleich, so ist die dem Schuldner zugestellte Ausfertigung maßgebend.

Werden Mitschuldner gleichzeitig betrieben, so ist jederrf ein besonderer Zahlungsbefehl zuzustellen, ausgenommen wenn mehrere einen gemeinsamen Vertreter haben.

71. Die Zustellung des Zahlungsbefehls an den Schuldner hat spätestens an dem auf den Eingang des Betreibungsbegehrens folgenden Tage zu geschehen.

Wenn gegen den nämlichen Schuldner mehrere Betreibungsbegehren vorliegen, so sind die sämmtlichen Zahlungsbefehle gleichzeitig zuzustellen.

In keiaem Falle darf einem später eingegangenen Begehren vor einem frühern Folge gegeben werden.

72. Die Zustellung geschieht durch den Betreibungsbeamten oder einen Angestellten des Amtes oder durch die Post in der nach der Postordnung für Bestellung gerichtlicher Akten zu befolgenden Weise.

Bei der Abgabe hat der Ueberbringer auf beiden Ausfertigungen zu bescheinigen, an welchem Tage und an wen die Zustellung erfolgt ist.

78. Auf Verlangen des Schuldners wird der Gläubiger aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist den Forderungstitel im Original oder in amtlich beglaubigter Abschrift beim Betreibungsbeamten zur Einsicht aufzulegen.

Kommt der -Gläubiger dieser Aufforderung nicht nach, so wird der Ablauf der Bestreitungsfrist dadurch nicht gehemmt; in einem nachfolgenden Rechtsstreite hat jedoch der Richter beim Entscheide über die Prozeßkosten den Umstand zu berücksichtigen, daß der Schuldner den Forderungstitel nicht einsehen konnte.

74. Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies innerhalb zehn Tagen nach der Zustellung des

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Zahlungsbefehls dem Betreibungsamte mündlich oder schriftlich zu erklären.

Bestreitet der Betriebene die Forderung nur theilweise, so hat er den bestrittenen Betrag genau anzugeben, widrigenfalls der Rechtsvorschlag als nicht erfolgt betrachtet wird.

Die Erklärung des Rechtsvovschlags ist dem Betriebenen auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.

75. Wer seinen Rechtsvorschlag begründet, verzichtet damit nicht auf weitere Einreden.

76. Der Inhalt des Rechtsvorschlags wird dem Betreibenden auf der für ihn bestimmten Ausfertigung des Zahlungsbefehls mitgetheilt; erfolgte kein Rechtsvorschlag, so ist dies auf derselben vorzumerken.

Diese Ausfertigung wird dem Betreibenden unmittelbar nach dem Rechtsvorschlag, und wenn ein solcher nicht erfolgt ist, sofort nach Ablauf der Bestreitungs.frist zugestellt.

77. Wenn der Betriebene ohne seine Schuld verhindert war, innerhalb der gesetzlichen Frist Recht vorzuschlagen, so kann er den Rechtsvorschlag noch nachträglich und zwar bis zur Verwerthung oder Konkurseröffnung anbringen.

Der Rechtsvorsehlag ist in einem solchen Falle binnen drei Tagen seit dem Wegfall des Hindernisses beim Richter anzubringen; gleichzeitig sind die Beweismittel einzulegen oder anzugeben, aufweiche der Betriebene zur Rechtfertigung der Versäumniß sich beruft.

Der Richter kann bei Empfang des Rechtsvorschlags die vorläufige Einstellung der Betreibung verfügen; er entscheidet über die Zulassung des Rechtsvorschlages nach Einvernahme der Parteien.

78. Der Rechtsvorschlag bewirkt die Einstellung der Betreibung.

465 Bestreitet der Schuldner nur einen Theil der Forderung, so kann die Betreibung für den unbestrittenen Betrag fortgesetzt werden.

79.. Ein Gläubiger, gegen dessen Betreibung Rechtsvorschlag erhoben ist, hat zur Geltendmachung seines Anspruchs den ordentlichen Prozeßvveg zu betreten.

80. Beruht indessen die Forderung auf einem vollstreckbaren .gerichtlichen Urtheile, so kann der Gläubiger beim Richter die Aufhebung des Rechtsvorschlags (Rechtsöffnung) verlangen.

Gerichtliche Vergleiche und gerichtliche Schuldanerkennungen sind vollstreckbaren gerichtlichen Urtheilen gleichgestellt ; ebenso, innerhalb des Kantonsgebiets, die über öffentlich-rechtliche Verpflichtungen (Steuern u. s. f.) ergangenen Beschlüsse und Entscheide der Verwaltungsorgane, welche der Kanton vollstreckbaren gerichtlichen Urtheilen gleichstellt.

81. Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Urtheile einer Behörde des Bundes oder desjenigen Kantons, in welchem die Betreibung angehoben ist, so wird die Rechtsöffnung gewährt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, daß die Schuld seit Erlaß des Urtheils getilgt oder gestundet worden, oder die Verjährung anruft.

Handelt es sich um ein in einem ändern Kantone ergangenes vollstreckbares Urtheil, so kann der Betriebene überdies die Kompetenz des Gerichtes, welches das Urtheil erlassen hat, bestreiten oder die Einwendung erheben, daß er nicht regelrecht vorgeladen worden oder nicht gesetzlich vertreten gewesen sei.

Gegenüber einem Urtheile, das in einem fremden Staate erlassen worden ist, mit 'welchem ein Vertrag über gegenseitige Vollziehung gerichtlicher Urtheile besteht, kann der Betriebene die Einwendungen erheben, welche im Staatsvertrage vorgesehen sind.

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82. Beruht die Forderung auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung, so kann der Gläubiger die provisorische Rechtsöffnung verlangen.

Der Richter spricht dieselbe aus, sofern der Betriebene nicht Einwendungen, welche die Schuldauerkennung entkräften, sofort glaubhaft macht.

83.

Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung ertheilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Maßgabe des Artikels .162 die Aufnahme des Gilterverzeichnisses beantragen.

Der Betriebene kann indessen binnen zehn Tagen seit der Rechtsöffnung auf dem Wege des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.

Unterläßt er dies oder wird er abgewiesen, so wird die Rechtsöffnung eine endgültige; desgleichen, gegebenen Falles, die Pfändung.

84. Im Rechtsöffnungsverfahren entscheidet der Richter nach Einvernahme der Parteien binnen fünf Tagen seit Anbringung des Begehrens.

85. Ein Schuldner, welcher durch Urkunden beweist, daß die Schuld sammt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, kann jederzeit beim Gerichte, im erstem Falle die Aufhebung, im letztern Falle die Einstellung der Betreibung bewirken.

86.

Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcheç infolge dessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem ordentlichen Prozeßwege den bezahlten Betrag zurückfordern.

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Die Rückfoi'derungsklage kann nach der Wahl des Klägers entweder beim Gerichte des Betreibungsortes oder dort angehoben werden, wo der Beklagte seinen ordentlichen Gerichtsstand hat.

In Abweichung von Artikel 72 des Obligationenrechts wird dieses Rückforderungsrecht von keiner ändern Voraussetzung als dem Nachweise der Nichtschuld abhängig gemacht.

87. Für den Zahlungsbefehl in der Betreibung Pfandverwerthung gelten die besondern Bestimmungen Artikel 151 bis 153, für den Zahlungsbefehl und Rechts verschlag in der. Wechselbetreibung diejenigen Artikel 178 bis 189.

auf der den der

Dritter Titel, Betreibung1 auf Pfäiiduiig.

I. Pfändung.

88. Nach Ablauf der Frist von zwanzig Tagen seit der Zustellung des Zahlungsbefehls kann der Gläubiger das Pfändungsbegehren stellen.

Dieses Recht erlischt mit Ablauf eines Jahres seit der Zustellung des Zahlungsbefehls. Ist ein Rechtsvorschlag erfolgt, so fällt die Zeit zwischen der Auhebung und der gerichtlichen Erledigung der Klage nicht in Berechnung.

Der Eingang des Pfändungsbegehrens ist dem Gläubiger auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.

468 89. Innerhalb drei Tagen nach Empfang des Begehrens hat das Betreibungsamt die Pfändung zu vollziehen oder durch das Betreibungsamt des Orts, wo die zu pfändenden Vermögensstucke liegen, vollziehen zu lassen.

90. Dem Schuldner wird die Pfändung spätestens am vorhergehenden Tage unter Hinweis auf die Bestimmung des Artikels 91 angekündigt.

91.

Der Schuldner ist bei Straffolge verpflichtet, der Pfändung beizuwohnen oder sich bei derselben vertreten zu lassen ; er hat, soweit dies zu einer genügenden Pfändung nöthig ist, seine Vermögensgegenstände anzugeben, mit Einschluß derjenigen, welche sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seiner Forderungen und Rechte gegenüber Dritten.

Dem Beamten sind auf Verlangen Räumlichkeiten und Behältnisse zu öffnen. Er kann nöthigenfalls die Polizeigewalt in Anspruch nehmen.

92. Unpfändbar sind: 1) die dem Schuldner und seiner Familie zum nothwendigen persönlichen Gebrauche dienenden Kleider, Effekten und Betten, sowie die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände; 2) das unentbehrliche Kochgeschirr und die nothwendigsten Hausgeräthe: 3) die dem Schuldner und seiner Familie zur Ausübung ihres Berufs notwendigen Werkzeuge, Geräthsehaften, Instrumente und Bücher; 4) nach der Wahl des Schuldners eine Milchkuh, drei Ziegen oder drei Schafe, nebst dem zum Unterhalte und zur Streu auf einen Monat erforderlichen Futter und Stroh, sofern die Thiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie unentbehrlich sind;

469

5) die dem Schuldner und seiner Familie für zwei Monate nothwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel; 6) die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Wehrmannes ; 7) die gemäß Artikel 521 des Obligationenrechts als unpfändbar bestellten Leibrenten ; 8) die Pension eines Bürgers oder seiner Hinterlassenen, wenn derselbe im eidgenössischen oder kantonalen Militär- oder Polizeidienst verunglückt ist; 9) die Unterstützungen von Seite der Hülfs-, Krankenund Armenkassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten; 10) die Pensionen und Kapitalbeträge, welche als Entschädigung für Körperverletzung oder Gesundheitsstörung dem Betroffenen, oder, im Falle seines Todes, seiner Familie geschuldet werden oder ausbezahlt worden sind.

93.

Lohnguthaben, Gehalte und Diensteinkommen jeder Art, Nutznießungen und deren Erträgnisse, Alimentationsbeträge, Alterspensionen, Renten von Versicherungsund Alterskassen können nur soweit gepfändet werden, als sie nicht nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten dem Schuldner und seiner Familie unumgänglich nothwendig sind.

94. Hängende und stehende Früchte können nicht gepfändet werden : 1) auf den Wiesen vor dem 1.-April; 2) auf den Feldern vor dem 1. Juni; 3) in den Rebgeländen vor dem 20. August.

Eine vor oder an den bezeichneten Tagen vorgenommene Veräußerung der Ernte ist dem pfändenden Gläubiger gegenüber ungültig.

Die gemäß der Kantonalgesetzgebung den Hypothekargläubigern zustehenden Rechte bleiben vorbehalten.

470

93. In erster Linie wird das bewegliche Vermögen mit Einschluß der Forderungen gepfändet. Dabei fallen zunächst die Gegenstände des täglichen Verkehrs in die Pfändung; jedoch werden entbehrlichere Vermögensstücke vor den weniger entbehrlichen gepfändet.

Das unbewegliche Vermögen wird nur gepfändet, soweit das bewegliche zur Deckung der Forderung nicht ausreicht oder wenn Gläubiger und Schuldner gemeinsam es verlangen.

In letzter Linie werden Vermögensstucke gepfändet, auf welche ein Arrest gelegt ist, oder welche vom Schuldner als dritten Personen zugehörig bezeichnet oder von dritten Personen beansprucht werden.

Wenn Futtervorräthe gepfändet werden, sind auf Verlangen des Schuldners auch Viehstücke in entsprechender Anzahl zu pfänden.

Im Uebrigen soll der Beamte, soweit thunlich, die Interessen des Gläubigers sowohl als des Schuldners berücksichtigen.

96. Der Schuldner hat sich bei Straffolge jeder vom Betreibungsbeamten nicht bewilligten Verfügung über die gepfändeten Vermögensstücke zu enthalten. Er wird vom pfändenden Beamten hierauf ausdrücklich aufmerksam gemacht.

97. Der Beamte schätzt die gepfändeten Gegenstände, nöthigenfalls mit Zuziehung von Sachverständigen.

Es wird nicht mehr gepfändet als nöthig ist, um die pfändenden Gläubiger für ihre Forderungen sammt Zinsen und Kosten zu befriedigen.

98. Geld, Banknoten, Inhaberpapiere, Wechsel und andere indossable Papiere, Gold- und Silbersachen und andere Kostbarkeiten werden vom Betreibungsamte in Verwahrung genommen.

Andere bewegliche Sachen können einstweilen in den Händen des Schuldners oder eines dritten Besitzers gelassen

471

werden gegen die Verpflichtung, dieselben jederzeit zur Verfügung zu halten.

Wenn indessen der Gläubiger es verlangt oder der Betreibungsbeamte es für angemessen erachtet, sind auch diese Sachen in amtliche Verwahrung zu nehmen oder einem Dritten zu übergeben.

Die Besitznahme durch das Betreibungsamt ist auch dann zuläßig, wenn ein Dritter Pfandrecht au der Sache hat. Gelangt dieselbe nicht zur Verwerthung, so wird sie dem Pfandgläubiger zurückgegeben.

99. Bei der Pfändung von Forderungen oder Ansprüchen, für welche nicht eine an den Inhaber oder an Ordre lautende Urkunde besteht, wird dem Schuldner des Betriebenen angezeigt, daß er rechtsgültig nur noch an das Betreibungsamt leisten könne.

100.

Das Betreibungsamt sorgt für die Erhaltung der gepfändeten Rechte und erhebt Zahlung für fällige Forderungen.

101.

Die Pfändung einer Liegenschaft wird der Amtsstelle angezeigt., welche die Grund- und Hypothekenbücher führt, mit.Angabe des Betrages, für welchen die Pfändung erfolgt ist.

Die benachrichtigte Amtsstelle hat die Pfändung vorzumerken und dem Betreibungsamte darüber eine Bescheinigung auszustellen.

102.

Die Pfändung einer Liegenschaft erfaßt, unter Vorbehalt der den Hypothekargläubigern nach der Kantonalgesetzgebung zustehenden Rechte, auch die Früchte und sonstigen Erträgnisse der Liegenschaft.

Das Betreibungsamt sorgt für die Verwaltung und Bewirthschaftung der Liegenschaft.

472

103.

Das Betreibungsamt sorgt für die Einheimsung der Früchte (Art. 94 und 102}.

Im Falle des Bedürfnisses sind die Früchte zum Unterhalt des Schuldners und seiner Familie in Anspruch zu nehmen.

104. Wird ein Nießbrauch oder ein Antheil an einer unvertheilten Erbschaft, an Gesellschaftsgut oder an einem ändern Gemeinschaftsvermögen gepfändet, so zeigt das Betreibungsamt die Pfändung den betheiligten Dritten an.

105.

Der Gläubiger hat dem Betreibungsamte auf Verlangen die Kosten der Aufbewahrung und Unterhaltung gepfändeter Vermögensstücke vorzuschießen.

106.

Wird eine im Gewahrsam des Schuldners befindliche Sache von demselben als Eigenthum oder Pfand eines Dritten bezeichnet oder von einem Dritten als Eigeuthum oder Pfand beansprucht, so nimmt das Betreibungsamt hievon in der Pfändungsurkunde Vormerkung oder zeigt es, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.

Gleichzeitig wird dem Gläubiger und dem Schuldner eine Frist von zehn Tagen angesetzt, innerhalb welcher sie beim Betreibungsamt den Anspruch des Dritten bestreiten können.

Erfolgt keine Bestreitung, so gilt der Anspruch des Dritten als anerkannt.

107.

Bestreitet der Gläubiger oder der Schuldner den Anspruch des Dritten, so fordert das Betreibungsamt den Letztern auf, binnen zehn Tagen gerichtliche Klage zu erheben.

Kommt der Dritte der Aufforderung nach, so verfügt das Gericht in Hinsicht auf den streitigen Gegenstand die Einstellung der Betreibung bis zum Austrag der Sache.

473

Während der Einstellung der Betreibung ist der Lauf deiin Artikel 116 gesetzten Fristen gehemmt.

Kommt der Dritte der Aufforderung nicht nach, so wird angenommen, er verzichte auf seinen Anspruch.

^>

Bin Dritter, der nicht in die Lage gesetzt wurde, nach Maßgabe dieser Bestimmungen vorzugehen,-kann seinen Anspruch an der gepfändeten Sache oder an deren Erlös, so lange dieser nicht vertheilt. ist, geltendmachen.

108.

In Bezug auf gestohlene und verlorene Sachen gelten die Vorschriften der Artikel 206 und 207 des Obligationenrechts. Als öffentliche Steigerung im Sinne von Artikel 206 des Obligationenrechts gilt auch ein vom Betreibungsamte vorgenommener Verkauf aus freier .Hand.

109.

Wenn die gepfändete Sache sich nicht im Gewahrsam des Schuldners, sondern bei einem Dritten befindet, welcher das Eigenthurn oder ein Pfandrecht an derselben beansprucht, so setzt das Betreibungsamt dem Gläubiger eine Frist von zehn Tagen, innerhalb welcher er gegen den Dritten gerichtliche Klage erheben kann. Wird diese Frist nicht benützt, so gilt der Anspruch des Dritten als anerkannt.

110.

Gläubiger, welche innerhalb dreißig Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung das Pfändungsbegehren ^teilen, nehmen an derselben Theil. Die Pfändung wird jeweilen insoweit ergänzt, als zur Deckung sämmtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe nothwendig ist.

Gläubiger, deren Pfändungsbegehren erst nach Ablauf der dreißigtägigen Frist einlaufen, bilden in derselben Weise weitere Gruppen mit gesonderter Pfändung.

Bereits gepfändete Vermögensstücke können neuerdings gepfändet werden, jedoch nur soweit, als deren Erlös nicht den Gläubigern, für welche die vorgehende Pfändung stattgefunden hat, auszurichten sein wird.

474

111.

Die Kantone können der Ehefrau, den Kindern, Mündeln und Verbeiständeten des Schuldners das Recht einräumen, für Forderungen aus dem ehelichen, elterlichen oder vormundschaftlichen Verhältnisse während der dreißigtägigen Frist auch ohne vorgängige Betreibung an einer Pfändung theilzunehmen. Es steht den Kantonen frei, zu Gunsten dieser Personen die Frist zur Theilnahme um zehn Tage zu verlängern.

Das Betreibungsamt gibt dem Schuldner und den Gläubigern von einem solchen Ansprüche Kenntniß, unter Ansetzung einer Frist von zehn Tagen, innerhalb welcher sie denselben bestreiten können.

Wird der Anspruch bestritten, so findet die Theilnahme nur mit dem Rechte einer provisorischen Pfändung statt und der Ansprecher hat binnen zehn Tagen Klage zu erheben, widrigenfalls seine Theilnahme dahinfällt. Der Prozeß wird im beschleunigten Verfahren geführt.

112.

Ueber jede Pfändung wird eine mit der Unterschrift des vollziehenden Beamten oder Angestellten zu versehende Urkunde (.Pfändungsurkunde) aufgenommen. Dieselbe bezeichnet den Gläubiger und den Schuldner, den Betrag der Forderung, Tag und Stunde der Pfändung, die gepfändeten Vermögensstücke sammt deren Schätzung, sowie, gegebenen Falles, die Ansprüche Dritter.

Werden Gegenstände gepfändet, auf welche bereits ein Arrest gelegt ist, so wird die Theilnahme des Arrestgläubigers an der Pfändung (Art. 281) vorgemerkt.

Ist nicht genügendes oder gar kein pfändbares Vermögen vorhanden, so wird dieser Umstand in der Pfändungsurkunde festgestellt.

113.

Dem Gläubiger und dem Schuldner ist binnen drei Tagen nach der Pfändung eine Abschrift der Pfändungsurkunde zuzustellen.

475

114.

Die Theilnahme neuer Gläubiger an einer Pfändung und die Ergänzungen derselben werden auf der Pfändungsurkunde nachgetragen.

Der Gläubiger, welcher als Theilnehmer hinzutritt, erhält eine Abschrift der ganzen Pfändungsurkunde, die ändern Gläubiger und der Schuldner erhalten je eine Abschrift des Nachtrags.

115.

War kein pfändbares Vermögen vorhanden, so bildet die Pfändungsurkunde den Verlustschein im Sinne des Artikels 149.

War nach der Schätzung des Beamten nicht genügendes Vermögen vorhanden, so dient die Pfändungsurkunde dem Gläubiger als provisorischer Verlustschein und äußert als solcher die in den Artikeln 271, Ziff. 5, und 285 bezeichneten Rechts Wirkungen.

II. Verwerthung.

1. Verwerihungsbegehren.

116.

Der Gläubiger kann die Verwerthung der gepfändeten beweglichen Vermögensstücke und Forderungen frühestens einen Monat und spätestens ein Jahr; diejenige der gepfändeten Liegenschaften frühestens sechs Monate und spätestens zwei Jähre nach der Pfändung verlangen.

Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung Theil, so laufen diese Fristen von dem Tage des letzten Pfändungsbegehrens.

117.

Das Recht, die Verwerthung zu verlangen, steht in einer Gläubigergruppe jedem .einzelnen Theilnehmer zu.

Gläubiger, welche Vermögensstücke gemäß Artikel 110, Absatz 3, nur für den Mehrerlös gepfändet haben, können gleichfalls deren Verwerthung verlangen.

476

118.

Ein Gläubiger, dessen Pfändung eine bloß provisorische ist, kann die Verwerthung nicht verlangen. Inzwischen laufen für ihn die Fristen des Artikels 116 nicht.

119.

Die gepfändeten Vermögensstücke werden gemäß den in den Artikeln 122 bis 143 enthalteneu Vorschriften verwerthet.

Die Verwerthung wird eingestellt, sobald der Erlös den Gesammtbetrag der Forderungen erreicht, für welche die Pfändung eine endgültige ist. Soweit die Pfändung eine provisorische ist, darf außer den in Artikel 124, Abs. 2, genannten Fällen keine Verwerthung stattfinden.

120.

Das Betreibungsamt benachrichtigt den Schuldner binnen drei Tagen von dem Verwerthungsbegehren.

121. Wenn binnen der gesetzlichen Frist das Verwerthungsbegehren nicht gestellt oder zurückgezogen und nicht erneuert wird, so erlischt die Betreibung.

2. Verwerthung der beweglichen Sachen und der Forderungen.

122.

Bewegliche Sachen und Forderungen werden vom Betreibungsamte frühestens zehn Tage und spätestens einen Monat nach dem Verwerthungsbegehren verkauft.

Die Verwerthung hängender oder stehender Früchte darf ohne Zustimmung des Schuldners nicht vor der Reife stattfinden.

123.

Wenn der Schuldner sich verpflichtet, monatliche Abschlagszahlungen von mindestens einem Viertel der Betreibungssumme an das Betreibungsamt zu leisten, und die erste Zahlung geleistet hat, kann der Betreibungsbeamte die Verwerthung um höchstens drei Monate hinausschieben.

Der Aufschub fällt dahin, wenn die Abschlagszahlungen nicht pünktlich erfolgen.

'

479

der Gläubiger oder Einzelnen von ihnen für gemeinschaftliche Rechnung zum Nennwerth an Zahlungsstatt angewiesen.

In diesem Falle treten die Gläubiger bis "zur Höhe ihrer Forderungen in die Rechte des betriebenen Schuldners ein.

Unter der gleichen Bedingung können die pfändenden Gläubiger oder Einzelne von ihnen, ohne Nachtheil für ihre Rechte gegenüber dem betriebenen Schuldner, aber auf ihre Gefahr, die Eintreibung eines gepfändeten Anspruchs übernehmen. Das Ergebniß dient vorab zur Deckung der Auslagen und der Forderungen derjenigen Gläubiger, welche in dieser Weise vorgegangen sind.

132.

Sind Vermögensbestandtheile anderer Art zu verwerthen, wie ein Nießbrauch oder ein Antheil an einer unvertheilten Erbschaft, an Gesellschaftsgut oder an einem ändern. Gemeinschaftsvermögen, so ersucht der Betreibungsbeamte die Aufsichtsbehörde um Bestimmung des Verfahrens.

Die Aufsichtsbehörde kann, nach Anhörung der Betheiligten, die Versteigerung anordnen oder die Verwerthung einem Verwalter übertragen oder eine andere Vorkehrung treffen.

3. Verwerthung der Liegenschaffen.

-133. Liegenschaften werden vom Betreibungsamt im Laufe des zweiten Monats nach dem Verwerthungsbegehren öffentlich versteigert.

Artikel 123 findet Anwendung.

134. Die Steigerungsbedingungen sind vom Betreibungsamte in ortsüblicher Weise aufzustellen und so einzurichten, daß sich ein möglichst günstiges Ergebniß erwarten läßt.

Dieselben werden mindestens zehn Tage vor der Steigerung im Lokale des Betreibungsamtes zu Jedermanns Einsicht aufgelegt.

480

135.

Die Steigerungsbedingungen bestimmen, ob die Liegenschaft frei und ledig von allen Belastungen verkauft werde, oder, ändern Falles, welche Lasten (Hypotheken, Gülten, Grundrenten, Reallasten, Dienstbarkeiten u. dgl.)

gemäß dem kantonalen Rechte nach dem Verkaufe noch auf der Liegenschaft ruhen und vom Erwerber übernommen werden sollen.

Die Steigerungsbedingungen stellen ferner fest, welche Kosten dem Erwerber obliegen.

136.

Die Versteigerung geschieht gegen Baarzahlung oder unter Gewährung eines Zahlungstermins von höchstens sechs Monaten.

Der Uebergang des Eigenthums an der Liegenschaft erfolgt sofort nach der Versteigerung in der vom kantonalen Rechte vorgeschriebenen Weise.

137.

Wenn ein Zahlungstermin gewährt wird, haftet die Liegenschaft für die Kaufsumme sammt Zins als Pfand.

Es kann noch anderweitige Sicherheit ausbedungen werden. In diesem Falle erhält der Erwerber das Verfügungsrecht über die Liegenschaft erst, nachdem er die Sicherheit geleistet hat. Inzwischen bleibt die Liegenschaft auf Rechnung und Gefahr des Ervverbers in der Verwaltung des Betreibungsamtes.

138.

Die Steigerung wird mindestens einen Monat vorher öffentlich bekannt gemacht.

Die Bekanntmachung enthält : 1) Ort, Tag und Stunde der Steigerung ; 2) die Angabe des Tages, von welchem an die Steigerungsbedingungen aufliegen ; 3) die Aufforderung an die Pfandgläubiger und alle übrigen Betheiligten, dem Betreibungsamte binnen zwanzig Tagen ihre Ansprüche an der Liegenschaft, insbesondere für Zinsen und Kosten, einzugeben. Diese

477

124.

Auf Begehren des-Schuldners kann der Verkauf stattfinden, auch wenn der Gläubiger noch nicht berechtigt ist, denselben zu verlangen.

Der Betreibungsbeamte kann jederzeit solche Gegenstände verkaufen, welche. schneller WerthVerminderung ausgesetzt sind oder einen kostspieligen Unterhalt erfordern.

125.

Der Verkauf geschieht auf dem Wege der öffentlichen Steigerung. Ort, Tag und Stunde derselben werden vorher öffentlich bekannt gemacht.

Die Art der Bekanntmachung, sowie die Art und Weise, der Ort und der Tag der Steigerung werden vom Betreibungsbeamten so bestimmt, daß dadurch die Interessen der Betheiligten bestmögliche Berücksichtigung finden. Die Bekanntmachung durch das Amtsblatt ist in diesem Falle nicht geboten.

Sofern der Schuldner, der Gläubiger und die betheiligten Dritten in der Schweiz einen bekannten Wohnort oder einen Vertreter haben, werden sie wenigstens drei Tage vor der Steigerung von Zeit und Ort derselben in Kenntniß gesetzt.

126.

Der Verkaufsgegenstand wird dem Meistbietenden nach dreimaligem Aufruf zugeschlagen, sofern das Angebot den Schätzungswert!! erreicht und den Betrag allfälliger dem betreibenden Gläubiger im Range vorgehender pfandversicherter Forderungen übersteigt.

Ist kein solches Angebot erfolgt, so wird eine zweite Steigerung angeordnet. Die Bieter der ersten Steigerung sind ihres Angebotes entbunden.

127.

Die zweite Steigerung wird spätestens einen Monat nach der ersten abgehalten. Der Artikel 125 ist für dieselbe ebenfalls maßgebend.

Der Verkaufsgegenstand wird bei der zweiten -Steigerung dem Meistbietenden zugeschlagen, sofern das Angebot Bundesblatt. 41. Jahrg. Bd. II.

32

478

den Betrug allfälliger dem betreibenden Gläubiger im Range vorgehender pfand versicherter Forderungen übersteigt.

Erfolgt kein solches Angebot, so fallt die Betreibung in Hinsicht auf diesen Gegenstand dahin.

128.

Gold- und Silbersachen dürfen nicht unter ihrem Metallwerthe zugeschlagen werden.

129.

Die Versteigerung geschieht gegen Baarzahlung.

Der Betreibungsbeamte kann jedoch einen Zahlungstermin von höchstens zwanzig Tagen gestatten. Die Uebergabe findet in jedem Falle nur gegen Erlegung des Kaufpreises statt.

Wird die Zahlung nicht rechtzeitig geleistet, so hat das Betreibungsamt eine neue Steigerung anzuordnen. Auf diese Steigerung findet Artikel 127, Absatz 2, Anwendung.

Der frühere Ersteigerer und seine Bürgen haften für den Ausfall und allen weitem Schaden. Der Zinsverlust wird hiebei zu fünf vom Hundert berechnet.

130.

An die Stelle der Versteigerung kann Verkauf aus freier Hand treten: 1) wenn alle Betheiligten es begehren; 2) wenn Werthpapiere oder andere Gegenstände, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, zu verkaufen sind und der angebotene Preis dem Tageskurse gleichkommt ; 3} wenn auf Gold- oder Silbersachen, für welche bei der Steigerung die Angebote den Metallvverth nicht erreichten, dieser Preis angeboten wird; 4) im Falle des Artikels 124, Absatz 2.

131.

Geldforderungen des Schuldners, welche keinen Markt- oder Börsenpreis haben, werden, wenn sämmtliche pfändende Gläubiger es verlangen, entweder der Gesammtheit

481 Aufforderung ist mit der Eröffnung zu begleiten, daß die Nichtangemeldeten von der Theilnahme am Ergebnisse der Verwerthung insoweit ausgeschlossen werden, als ihre Rechte nicht durch die öffentlichen Bücher festgestellt sind.

Eine entsprechende Aufforderung wird auch an die Besitzer von Dienstbarkeiten gerichtet, falls dies nach kantonalem Rechte nothwendig ist.

139.

Dem Gläubiger, dem Schuldner, einem allfälligen dritten Eigenthümer der Liegenschaft und allen in den öffentlichen Büchern eingetragenen Betheiligten werden, sofern sie einen bekannten Wohnsitz oder einen Vertreter haben, Exemplare der Bekanntmachung zugestellt.

140.

Vor der Versteigerung hat der Betreibungsbeamte die auf der Liegenschaft ruhenden Lasten (Hypptheken, Gülten, Grundrenten, Reallasten, Dienstbarkeiten u. dgl.) durch einen Auszug aus dem Grundbuche (Hypothekenbuch, Grundlasten konti öle u. dgl.) zu ermitteln.

Das Verzeichniß der Lasten wird den an der Pfändung theilnehmenden Gläubigern und dem Schuldner unter Ansetzung einer zehntägigen Bestreitungsfrist mitgetheilt. Die Artikel 106 und 107 sind anwendbar.

Außerdem wird vom Beamten eine Schätzung der Liegenschaft angeordnet und deren Ergebniß den Pfandgläubigern mitgetheilt.

141.

Die Liegenschaft wird dem Meistbietenden nach dreimaligem Aufruf zugeschlagen, sofern das Angebot den Schätzungswert!! erreicht und den Betrag allfälliger dem betreibenden Gläubiger im Range vorgehender pfandversicherter Forderungen übersteigt.

Ist kein solches Angebot erfolgt, so wird eine zweite Steigerung angeordnet. Die Bieter der ersten Steigerung sind ihres Angebotes entbunden.

482

142.

Die zweite Steigerung wird spätestens zwei Monate nach der ersten abgehalten. Die Artikel 138 und 139 sind für die zweite Steigerung ebenfalls maßgebend.

In der Bekanntmachung ist das höchste Angebot der ersten Steigerung anzugeben.'

Die Liegenschaft wird bei der zweiten Steigerung dem Meistbietenden zugeschlagen, sofern das Angebot den Betrag allfälliger dem betreibenden Gläubiger im Range vorgehender pfand versicherter Forderungen übersteigt.

Erfolgt kein solches Angebot, so fällt die Betreibung in Hinsicht auf diese Liegenschaft dahin.

143.

Erfolgt die Zahlung nicht rechtzeitig, so wird die Uebertragung der Liegenschaft rückgängig gemacht und das Betreibungsamt ordnet sofort eine peue Steigerung an.

Auf diese Steigerung findet Artikel 142, Abs. 2, Anwendung.

Der frühere Ersteigerer und seine Bürgen haften für den Ausfall und allen weitern Schaden. Der Zinsverlust wird hiebei zu fünf vom Hundert berechnet.

4. Vertheilung.

144.

Die Vertheilung findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwerthet sind.

Es können schon vorher Absehlagsvertheilungen vorgenommen werden.

Aus dem Erlöse werden vorab die Kosten der Verwerthung und der Vertheilung bezahlt.

Der Reinerlös wird den betheiligten Gläubigern bis zur Höhe ihrer Forderungen, einschließlich des laufenden Zinses und der Betreibungskosten, ausgerichtet.

Die auf Forderungen mit provisorischer Pfändung entfallenden Beträge werden einstweilen bei der Depositenanstalt hinterlegt.

483

145. Wenn der Erlös den Betrag der Forderungen nicht deckt, so ergänzt das Betreibungsamt, unbeschadet der Rechte inzwischen erfolgter Pfändungen, unverzüglich die Pfändung und verwerthet die Gegenstände mit Beförderung, ohne besonderes Begehren eines Gläubigers und ohne an die ordentlichen Fristen gebunden zu sein.

146.

Können nicht sämmtliche Gläubiger befriedigt werden, so entwirft das Betreibungsamt den Plan für die. Rangordnung der Gläubiger CKollokationsplan).

Die Gläubiger erhalten den Rang, den sie gemäß Artikel 219 im Konkurse des Schuldners einnehmen würden.

Dabei ist für die Einreihung in die ersten drei Klassen der Zeitpunkt des Pfändungsbegehrens maßgebend.

147.

Der Kollokationsplan wird beim Betreibungsamte aufgelegt und jeder Betheiligte hievon unter Zustellung eines seine Forderung betreffenden Auszuges benachrichtigt.

148.

Jeder Gläubiger kann den Kollokationsplan binnen zehn Tagen nach Empfang des Auszuges durch Klage gegen die Betheiligten beim Gericht des Betreibungsortes anfechten.

Der Prozeß wird im beschleunigten Verfahren geführt.

149.

Jeder an der Pfändung théilnehmende Gläubiger erhält für den ungedeckt bleibenden Betrag seiner Forderung einen Verlustschein.

Der Verlustschein gilt als Schuldanerkennung im Sinne des Artikels 82 und gewährt dem Gläubiger die in Artikel 271, Ziffer 5, und in Artikel 285 erwähnten Rechte.

Der Gläubiger kann während sechs Monaten nach Zustellung des Verlustscheines ohne neuen Zahlungsbefehl die Betreibung fortsetzen.

484

Der Schuldner hat für die durch den Verlustschein verurkundete Forderung keine Zinsen zu zahlen. Mitschuldner, Bürgen und sonstige Rückgriffsberechtigte, welche an Schuldners Statt Zinsen bezahlen müssen, können ihn nicht zum Ersätze derselben anhalten.

Die Forderung ist gegenüber dem Schuldner un verjährbar; dagegen verjährt sie gegenüber dessen Erben, wenn der Gläubiger unterläßt, sein Forderungsrecht innerhalb eines Jahres nach dem Erbschaftsantritte geltend zu machen.

130.

Sofern die Forderung eines Gläubigers vollständig-gedeckt wird, hat derselbe die Forderungsurkunde zu quittiren und dem . Betreibungsbeamten zu Händen des Schuldners herauszugeben. Vorbehalten bleibt das kantonale Recht bezüglich der Entkräftung von Hypothekartiteln.

Wird eine Forderung nur theihveise gedeckt, so behält der Gläubiger die Urkunde; das Betreibungsamt hat auf derselben zu bescheinigen oder durch die zuständige Beamtung bescheinigen zu lassen, für. welchen Betrag die Forderung noch zu Recht besteht.

Bei Liegenschaftsverwerthungen veranlaßt der Beamte in Betreff der Hypotheken und Grundlasten die erforderlichen Tilgungen und Umschreibungen in den öffentlichen Büchern.

Vierter Titel.

Betreibung auf Pfandverwcrtlmng.

151.

Wer für eine durch Faustpfand oder Grundpfand gesicherte Forderung Betreibung anhebt, hat im Be-

485 treibungsbegehren, außer den in Artikel 67 aufgezählten Angaben, aufzuführen: den Pfandgegenstand, sowie gegebenen Falles den Namen des Dritten, welcher das Pfand bestellt oder den Pfandgegenstand zu Eigenthum erworben hat.

Ein Gläubiger, der auf Gruud eines Faustpfandes betreibt, an welchem ein nachgehendes Pfandrecht eines Dritten besteht (0. 217), hat diesen Letztem von der Anhebung der Betreibung zu benachrichtigen.

152^ Nach Empfang des Betreibungsbegehrens erläßt das Betreibungsamt einen Zahlungsbefehl gemäß Artikel 69, jedoch mit folgenden Besonderheiten : 1) Die dem Schuldner anzusetzende Zahlungsfrist beträgt einen Monat, wenn es sich um ein Faustpfand, sechs Monate, wenn es sich urn ein Grundpfand handelt.

2) Die Androhung lautet dahin, daß, wenn der Schuldner weder dem Zahlungsbefehle nachkommt, noch Rechtsvorschlag erhebt, das Pfand versteigert werde.

153.

Die Ausfertigung des Zahlungsbefehls erfolgt gemäß Artikel 70.

Hat ein Dritter das Pfand bestellt oder den Pfandgegenstand zu Eigenthum erworben, so wird ihm, sofern sein Wohnort bekannt ist, gleichfalls eine Ausfertigung zugestellt.

Im Uebrigen finden mit Bezug auf Zahlungsbefehl und Rechtsvorschlag die Bestimmungen der Artikel 71 bis 86 Anwendung.

154.

Der Gläubiger kann die Verwerthung .eines Faustpfandes frühestens einen Monat und spätestens ein Jahr, diejenige eines Grundpfandes frühestens sechs Monate und spätestens zwei Jahre nach der Zustellung des Zahlungsbefehls verlangen. Ist ein Rechtsvorschlag erfolgt, so fällt die Zeit zwischen der Anhebung und der gerichtlichen Erledigung der Klage nicht in Bereahnung.

486

Wenn binnen der gesetzlichen Frist das Verwerthungsbegehren nicht gestellt oder zurückgezogen und nicht erneuert wird, so erlischt die Betreibung.

155.

Wenn der Gläubiger das Verwerthungsbegehren gestellt hat, finden die Artikel 97, Abs. l, 102, Abs. 2, 103, 106, 107, 108 und 109 auf das Pfand entsprechende Anwendung.

Das Betreibungsamt benachrichtigt den Schuldner binnen drei Tagen von dem Verwerthungsbegehren.

Q

156.

Für die Verwerthung gelten die Artikel 122 bis 143, der Artikel 135 indessen mit der Maßgabe, daß der dem betreibenden Pfandgläubiger zukommende Antheil am Zuschlagspreise, anderweitige Vereinbarung der Betheiligten vorbehalten, in Geld zu bezahlen und die Belastung der Liegenschaft (Hypothek u. s. w.), welche zu Gunsten des Betreibenden bestand, in den öffentlichen Büchern als erloschen zu streichen ist.

157.

Aus dem Pfanderlöse werden vorab die Kosten der Verwerthung und der Vertheilung bezahlt.

Der Reinerlös wird den Pfandgläubigern bis zur Höhe ihrer Forderungen einschließlich des laufenden Zinses und der Betreibuugskosten ausgerichtet.

Können nicht sämmtliche Pfandgläubiger befriedigt werden, so setzt der Betreibungsbeamte, unter Berücksichtigung des Art. 219, Abs. 2 und 3, die Rangordnung der Gläubiger und deren Antheile fest.

Die Artikel 147, 148 und 150 finden entsprechende Anwendung.

"ö158.

Dem betreibenden Pfandgläubiger wird, wenn wegen ungenügenden Angebotes (Art. 127, Abs. 2, und 142, Abs. 2) die Verwerthung des Pfandes nicht stattfinden konnte, oder wenn der Erlös seine Forderung nicht deckt, eine diese Thatsache verurkuridende Bescheinigung ausgestellt.

489

166.

Nach Ablauf von zwanzig Tagen seit der Zustellung der Konkursandrohung kann der Gläubiger unter Vorlegung dieser Urkunde und des Zahlungsbefehls beim Konkursgerichte das Konkursbegehren stellen.

Dieses Recht erlischt mit Ablauf eines Jahres seit der Zustellung des Zahlungsbefehls. Ist Recht vorgeschlagen worden, so fällt die Zeit zwischen der Anhebung und der gerichtlichen Erledigung der Klage nicht in Berechnung.

167. Zieht der Gläubiger das Konkursbegehren zurück, so kann er es vor Ablauf eines Monats nicht erneuern.

168. Ist das Konkursbegehren gestellt, so wird den Parteien wenigstens drei Tage vorher die gerichtliche Verhandlung angezeigt. Es steht denselben frei, vor Gericht zu erscheinen, sei es persönlich, sei es durch Vertretung.

169.

Der Gläubiger, welcher das Konkursbegehren stellt, haftet für die bis zur ersten Gläubigerversammlung (Art. 235) entstehenden Kosten.

Das Gericht kann von dem Gläubiger einen entsprechenden Kostenvorschuß verlangen.

170.

Das Gericht kann sofort nach Anbringung des Konkursbegehrens die zur Wahrung der Rechte der Gläubiger nothwendigen vorsorglichen Anordnungen treffen.

171.

Das Gericht entscheidet ohne Aufschub, auch in Abwesenheit der Parteien. Es spricht die Konkurseröffnung aus, sofern nicht einer der in den Artikeln 172 und 173 erwähnten Fälle vorliegt.

172.

Das Gericht weist das Konkursbegehren ab: 1) wenn die Konkursandrohung von der Aufsichtsbehörde aufgehoben ist; 2) wenn dem Schuldner ein nachträglich angebrachter Rechtsvorschlag gemäß Artikel 77 bewilligt wird;

490

3") wenn der Schuldner durch Urkunden beweist, daß die Schuld, Zinsen und Kosten Inbegriffen, getilgt ist oder daß der Gläubiger ihm Stundung gewährt hat.

173.

Wird von der Aufsichtsbehörde infolge einer Beschwerde die Einstellung der Betreibung verfügt, so setzt das Gericht das Erkenntniß über das Konkursbegehren aus.

Findet das Gericht von sich aus, daß der Schuldner nicht der Konkursbetreibung unterliegt oder daß ein nicht handlungsfähiger Schuldner in gesetzwidriger Weise betrieben ist, so setzt es gleichfalls das Erkenntniß aus und überweist den Fall der Aufsichtsbehörde.

Der Beschluß der Aufsichtsbehörde wird dem Konkursgerichte mitgetheilt. Hierauf erfolgt das gerichtliche Erkenntniß.

174.

Gegen das Erkenntniß, welches die Konkurseröffnung ausspricht oder das Konkursbegehren abweist, kann binnen zehn Tagen seit der Mittheiluüg desselben bei der obern Gerichtsinstanz Berufung eingelegt werden.

Wenn die obere Geriehtsinstanz der Berufung aufschiebende Wirkung zuerkennt, so kann sie die in Artikel 170 erwähnten vorsorglichen Anordnungen treffen.

175.

Der Konkurs gilt von dem Zeitpunkte an als eröffnet, in welchem er erkannt wird.

Das Gericht stellt diesen Zeitpunkt im Konkurserkenntnisse fest.

176.

Das Konkurserkenntniß wird, sobald es vollstreckbar geworden ist, dem Konkursamte und dem Handelsregisterführer mitgetheilt.

II. Wechselbetreibung.

177.

Für Forderungen, die sich auf einen Wechsel oder Check gründen, kann, auch wenn sie pfandversichert sind, beim Betreibungsamte die Wechselbetreibung verlangt werden, sofern der Schuldner der Konkursbetreibung unterliegt.

487

Nach Zustellung dieser Urkunde kann der Gläubiger die Betreibung, je nach der Person des Schuldners, auf dem Wege der Pfändung oder des Konkurses führen, sofern nicht nach der kantonalen Hypothekargesetzgebung die Schuld erloschen ist. Betreibt er binnen Monatsfrist, so ist ein neuer Zahlungsbefehl nicht erforderlich.

Fünfter Titel, Betreibung auf Konkurs.

I. Ordentliche Konkursbetreibung.

159.

Nach Ablauf der Frist von zwanzig Tagen seit der Zustellung des Zahlungsbefehls kann der Gläubiger beim Betreibungsamte verlangen, daß dem Schuldner der Konkurs angedroht werde.

160.

Die Konkursandrohung enthält: 1) die Angaben des Betreibungsbegehrens; 2) das Datum des Zahlungsbefehls; 3) die Anzeige, daß der Gläubiger nach Verfluß von zwanzig Tagen das Konkursbegehren stellen kann ; 4) die Mittheilung, daß der Schuldner, welcher die Statthaftigkeit der Konkursbetreibung bestreiten will, gemäß Artikel 17 binnen zehn Tagen bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde zu führen hat.

Der Schuldner wird zugleich daran erinnert, daß er berechtigt ist, einen Nachlaßvertrag vorzuschlagen.

488

161.

Die Zustellung der Konkursandrohung erfolgt binnen drei Tagen nach Eingang des Begehrens.

Ein Doppel derselben wird dem Gläubiger zugestellt, sobald die Zustellung an den Schuldner erfolgt ist.

Die Zustellung geschieht in der in Artikel 72 vorgeschriebenen Weise.

162.

Das für die Eröffnung des Konkurses zuständige Gericht (Konkursgericht) hat auf Verlangen des Gläubigers, sofern es zu dessen Sicherung geboten erscheint, die Aufnahme eines Verzeichnisses aller Vermögensbestandtheile des Schuldners (Güterverzeichniß) anzuordnen.

163- Das Güterverzeichniß wird durch das Betreibungsamt aufgenommen. Die Aufnahme darf nicht vor der Zustellung der Konkursandrohung stattfinden.

Die Artikel 90, Anwendung.

91 und 92 finden entsprechende

164.

Der Schuldner ist bei Straffolge verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die aufgezeichneten Vermögensstücke vorhanden bleiben oder durch gleichwerthige ersetzt werden; er darf jedoch davon so viel verbrauchen, als nach dem Ermessen des Betreibuugsbeamten zu seinem und seiner Familie Lebensunterhalt erforderlich ist.

Der Betreibungsbeamte macht den Schuldner auf seine Verpflichtung aufmerksam.

165.

Die durch das Güterverzeichniß begründete Verpflichtung des Schuldners wird vom Betreibungsbeamten aufgehoben, wenn sämmtliche betreibende Gläubiger einwilligen.

Sie erlischt von Gesetzeswegen vier Monate nach der Anfertigung des Verzeichnisses.

491 Der Wechsel oder Check ist dem Betreibungsamte zu übergeben.

178.

Sind die Voraussetzungen der Wechselbetreibung vorhanden, so stellt das Betreibungsamt dem Schuldner unverzüglich einen Zahlungsbefehl zu.

Der Zahlungsbefehl enthält : 1) die Angaben des Betreibungsbegehrens; 2) die Aufforderung, den Gläubiger binnen fünf Tagen für die Forderung sammt Betreibungskosten zu befriedigen oder, falls die Betreibung auf Sicherheitsleistung geht (0. 744--746 und 748), innerhalb dieser Frist sicherzustellen ; 3) die Eröffnung, daß der Schuldner während der nämlichen Frist von fünf Tagen einen Rechts vorschlag unter Angabe der Gründe beim Betreibungsamte schriftlich eingeben oder wegen Mißachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes bei der Aufsichtsbehörde in Gemäßheit der Artikel 17 und 20 Beschwerde führen kann; 4) die Erwähnung der Rechtsfolgen, denen nach Maßgabe des Artikels 188 der Schuldner durch Nichtbeachtung des Zahlungsbefehls sich aussetzt.

Die Artikel 70 und 72 sind anwendbar.

179.

Die Eingabe des Rechtsvorschlags ist dem Betriebenen auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.

ISO. Der Inhalt des Rechtsvorschlags wird dem Betreibenden auf der für ihn bestimmten Ausfertigung des Zahlungsbefehls mitgetheilt ; wurde ein Rechtsvorschlag nicht eingegeben, so wird dies in derselben vorgemerkt.

Diese Ausfertigung wird dem Betreibenden sofort nach Eingabe des Rechtsvorschlags oder, falls ein solcher nicht erfolgte, unmittelbar nach Ablauf der Eingabefrist zugestellt.

181.

Das Betreibungsamt legt den Rechtsvorschlag unverzüglich dem Gerichte vor; dasselbe entscheidet mit

492

oder ohue Einvernahme der Parteien binnen fünf Tagen über die Bewilligung des Rechtsvovschlags.

182.

Das Gericht

bewilligt

den Rechtsvorschlag:

1) wenn durch Urkunden bewiesen wird, daß die Schuld an den Inhaber des Wechsels oder Checks bezahlt oder dmxh denselben nachgelassen oder gestundet ist; 2) - wenn Fälschung des Titels glaubhaft gemacht wird ; 3) wenn eine aus dem Wechselrechte hervorgehende Einrede begründet erscheint; 4) wenn eine andere, nach Artikel 811 des Obligationenrechts zuläßige Einrede erhoben wird und deren Inhalt glaubhaft erscheint, in diesem Falle jedoch nur gegen gleichzeitige Hinterlegung der Forderungssumme in Geld oder Werthschriften.

183.

Verweigert das Gericht die Bewilligung des Rechtsvorschlags, so kann es vorsorgliche Maßnahmen treffen, insbesondere die Aufnahme des Güterve.rzeichnisses gemäß Artikel 162 bis 165 anordnen.

Das Gericht kann nöthigenfalls auch dem Gläubiger eine Sicherheitsleistung auferlegen (0. 812).

184.

Der Entscheid über die Bewilligung des Rechtsvorschlags wird den Parteien sofort mitgetheilt.

Ist der Rechtsvorschlag nur nach Hinterlegung des streitigen Betrages bewilligt worden, so wird der Gläubiger aufgefordert, binnen zehn Tagen die Klage auf Zahlung anzuheben. Kommt der Gläubiger dieser Aufforderung nicht nach, so wird die Hinterlage zurückgegeben.

185.

Gegen den Entscheid über die Bewilligung des Rechtsvorschlags können die Parteien innerhalb fünf Tagen nach dessen Mittheilung bei der obern kantonalen Gerichtsinstanz Berufung einlegen.

493 186.

Ist der .RechtsVorschlag bewilligt, so wird die Betreibung eingestellt; der Gläubiger hat zur Geltendmachung seines Anspruchs den ordentlichen Prozeßweg zu betreten.

187.

tewilligung hat, kann Artikels 86

Wer infolge der Unterlassung oder Nichteines Rechtsvorschlags eine Nichtschuld bezahlt das Rückforderungsrecht nach Maßgabe des ausüben.

188. Ist ein Rechtsvoi'schlag nicht eingegeben, oder ist er beseitigt, nichtsdestoweniger aber dem Zahlungsbefehle nicht genügt worden, so kann der Gläubiger unter Vorlegung des Forderungstitels und des Zahlungsbefehls, sowie, gegebenen Falles, des Gerichtsentscheides, das Konkursbegehren stellen.

Dieses Recht erlischt mit Ablauf eines Monats seit der Zustellung des Zahlungsbefehls. Hat der Schuldner einen Rechtsvorschlag eingegeben, so fällt die Zeit zwischen der Eingabe desselben und dem Entscheid über dessen Bewilligung, sowie, im Falle der Bewilligung, die Zeit zwischen der Anhebung und der gerichtlichen Erledigung der Klage nicht in Berechnung.

189.

Das Gericht spricht binnen drei Tagen nach Anbringung des Konkursbegehrens ohne Parteiverhandlung
Die Artikel 169, 170,173, 175 und 176 sind anwendbar.

III. Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung.

190.

Ein Gläubiger kann ohne vorgängige Betreibung beim Gerichte die Konkurseröffnung verlangen : 1) gegen jeden Schuldner, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist oder der die Flucht ergriffen hat, um sich seinen Verbindlichkeiten zu entziehen, oder der betrügerische Handlungen zum Nachtheile der Gläubiger begangen oder zu begehen versucht oder bei einer Betreibung auf Pfändung Bestandtheile seines Vermögens verheimlicht hat ; Bundesblatt. 41. Jahrg. Bd. II.

33

494

2) gegen einen der Konkursbetreibung unterliegender» Schuldner, der seine Zahlungen eingestellt hat; 3) im Falle des Artikels 309.

Der Schuldner wird, wenn er in der Schweiz wohnt . oder in der Schweiz einen Vertreter hat, mit Ansetzung einer kurzen Frist vor Gericht geladen und einvernommeji.

191.

Der Schuldner selbst kann die Konkurseröffnung bewirken, indem er sich beim Gerichte zahlungsunfähig erklärt.

192S. Der Konkurs kann gegen Aktiengesellschaften und Genossenschaften · ohne vorgängige Betreibung in den durch die Artikel 657 und 704 des Obligationenrechts vorgesehenen Fällen erkannt werden.

193.

Eine ausgeschlagene Verlassenschaft wird, unter Beobachtung der im siebenten Titel enthaltenen Bestimmungen, vom Konkursamte liquidirt.

194.

Die Artikel 169, 170, 174, 175 und 176 sind auf die ohne vorgängige Betreibung erfolgten Konkurseröffnungen anwendbar. Die durch Artikel 176 vorgeschriebene Mittheilung an den Handelsregisterführer findet indessen nicht statt, wenn der Schuldner nicht zu den der Konkursbetreibung unterliegenden Personen gehörte.

IV. Widerruf des Konkurses.

195.

Das Konkursgericht spricht den Widerruf de* Konkurses aus und setzt den Schuldner in die Verfügung über sein Vermögen wieder ein, wenn derselbe von sämmtlichen Gläubigern die schriftliche Erklärung beibriogt, daß sie ihre Konkurseingabe zurückziehen, oder wenn ein Nachlaßvertrag zu Stande gekommen ist.

495 Der Widerruf des Konkurses kann vom Ablauf der Eingabefrist au bis zum Schluße des Verfahrens verfügt werden.

Der Widerruf des Konkurses wird öffentlich bekannt gemacht.

196.

Das Konkursgericht verfügt die Einstellung der nach Artikel 193 eröffneten Liquidation einer Verlassenschaft, wenn vor Schluß des Verfahrens ein Erbberechtigter den Antritt der Erbschaft erklärt und .für die Bezahlung der Schulden hinreichende Sicherheit leistet.

Sechster Titel, Ronkursrecht.

I. Wirkungen des Konkurses auf das Vermögen des Schuldners.

197.

Sämmtliches Vermögen, das dem Gemeinschuldner zur Zeit der Konkurseröffnung angehört, bildet, gleichviel wo sich dasselbe befindet, eine einzige Masse (Konkursmasse), die zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger dient. Ausgenommen sind die in Artikel 92 bezeichneten Vermögeustheile.

Vermögen, das dem Gemeinschuldner vor Schluß des O i Konkursverfahrens anfällt, gehört, gleichfalls zur Konkursmasse.

198. Vermögensstücke, an denen Pfandrechte haften, werden, unter Vorbehalt des den Pfandgläubigern gesicherten Vorzugsrechtes, zur Konkursmasse gezogen.

496 199.

Gepfändete Vermögensstücke, deren Verwerthung im Zeitpunkte der Konkurseröffnung noch nicht stattgefunden hat, und Arrestgegenstände fallen in die Konkursmasse.

Der Erlös bereits verwerteter Vermögensstucke dagegen wird gemäß Artikel 144 bis 150 vertheilt und nur ein Ueberschuß fällt 'in die Konkursmasse.

200.

Zur Konkursmasse gehört ferner Alles, was nach Maßgabe der Artikel 214 und 285 bis 292 Gegenstand der Anfechtungsklage ist.

201. Wenn sich in den Händen des Gemeinschuldners ein Inhaberpapier oder ein Ordrepapier befindet, welches ihm bloß zur Einkassirung oder als Deckung für eine bestimmt bezeichnete künftige Zahlung übergeben oder indossili worden ist, so kann derjenige, .welcher das Papier übergeben oder indossirt hat, die Rückgabe desselben verlangen.

202.

Wenn der Gemeinschuldner-eine fremde Sache verkauft und zur Zeit der Konkurseröffnung den Kaufpreis noch nicht erhalten hat, so kann der bisherige Eigenthümer gegen Vergütung dessen, was der Gemeinschulduer darauf zu fordern hat, Abtretung der Forderung gegen den Käufer oder die Herausgabe des inzwischen von der Konkursverwaltung eingezogenen Kaufpreises verlangen, 203.

Wenn eine Sache, welche der Gemeinschuldner gekauft und noch nicht bezahlt hat, an ihn abgesendet, aber zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht in seinen Besitz übergegangen ist, so kann der Verkäufer die Rückgabe derselben verlangen, sofern nicht die Konkursverwaltung den Kaufpreis bezahlt.

Das Rücknahmerecht ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Sache vor der öffentlichen Bekanntmachung des Konkurses von einem gutgläubigen Dritten auf Grund eines Frachtbi'iefes. Connossements oder Ladescheines zu Bigenthum oder Pfand erworben worden ist.

497 204.

Rechtshandlungen, welche der Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung in Bezug auf Vermögensstücke, die zur Konkursmasse gehören, vornimmt, sind den Konkursgläubigern gegenüber ungültig.

Hat jedoch der Gemeinschuldner vor der öffentlichen Bekanntmachung des Konkurses einen von ihm ausgestellten eigenen oder einen auf ihn gezogenen Wechsel bei Verfall bezahlt, so ist diese Zahlung gültig, sofern der Wechselinhaber von der Konkurseröffnung keine Kenntniß hatte und im Falle der Nichtzahlung den wechselrechtlichen Regreß gegen Dritte mit Erfolg hätte ausüben können.

205. Forderungen, welche zur Konkursmasse gehören, können nach Eröffnung des Konkurses nicht mehr durch Zahlung an den Gemeinschuldner getilgt werden; eine solche Zahlung bewirkt den Konkursgläubigern gegenüber nur insoweit Befreiung, als das Geleistete in die Konkursmasse gelangt ist.

Erfolgte jedoch die Zahlung vor der öffentlichen Bekanntmachung des Konkurses, so ist der Leistende von der Schuldpflicht befreit, wenn ihm die Eröffnung des Konkurses nicht bekannt war.

206.

Alle gegen den . Gemeinschuldner anhängigen Betreibungen sind aufgehoben ; neue Betreibungen können während der Dauer des Konkursverfahrens nicht angehoben werden.

207. Mit Ausnahme dringlicher Fälle werden Civilprozesse, in welchen der Gemeinschuldner Kläger oder Be-klagter ist, eingestellt und können erst zehn Tage nach der zweiten Gläubigerversammlung (Art. 252) wieder aufgenommen werden.

Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Entschädigungsklagen wegen Ehr- oder Körperverletzungen und auf Prozesse über Civilstands- und Ehesachen oder Unterhaltsansprüche.

Während der in Absatz l bestimmten Zeit laufen die Verjährungs- und Verwirkungsfristen nicht.

498

II. Wirkungen des Konkurses auf die Rechte der Gläubiger.

208. Die Konkurseröffnung bewirkt gegenüber der Konkursmasse die Fälligkeit sämmtlicher Schuldverpflichtungen des Gemeinschuldners. Der Gläubiger kann neben der Hauptforderung die Zinsen bis zum Eröffnungstage und die Betreibungskosten geltend machen.

Von noch nicht verfallenen unverzinslichen Forderungen wird der Zwischenzins (Diskonto) zu fünf vom Hundert in Abzug gebracht.

209.

Mit der Eröffnung des Konkurses hört gegenüber dem Gemeinschuldner der Zinsenlauf für alle Forderungen, mit Ausnahme der pfandversicherten, auf.

210- Forderungen unter aufschiebender Bedingung oder mit Ungewisser Verfallzeit werden im Konkurse zum vollen Betrage zugelassen ; der Gläubiger ist jedoch zum Bezüge des auf ihn entfallenden Antheils an der Konkursmasse nicht berechtigt, so lange die Bedingung nicht erfüllt oder der Verfalltag nicht eingetreten ist.

Für Leibrentenforderungen gilt Artikel 522 des Obligationenrechts.

211.

Forderungen, welche nicht eine Geldzahlung zum Gegenstande haben, werden in Geldforderungen von entsprechendem Werthe umgewandelt.

Die Konkursverwaltung hat indessen das Recht, die Verpflichtung des Gemeipschuldners zu erfüllen. Der Gläubiger kann in diesem Falle verlangen, daß ihm die Erfüllung' sichergestellt werde.

Vorbehalten bleibt die Bestimmung von Artikel 315 des Obligationenrechts betreffend die Pacht.

212.

Ein Verkäufer, welcher dem Gemeinschulduer die verkaufte Sache vor der Konkurseröffnung übertragen hat, kann nicht mehr von dem Vertrage zurücktreten und

499

die übergebene Sache zurückfordern, auch wenn er sich dies ausdrücklich vorbehalten hat.

213.

Ein Gläubiger kann seine Forderung mit einer Forderung, welche dem Gemeinschuldner ihm gegenüber zusteht, verrechnen.

Die Verrechnung ist jedoch ausgeschlossen: 1) wenn ein Schuldner des Gemeinschuldners erst nach der Konkurseröffnung Gläubiger desselben wird ; 2) wenn ein Gläubiger des Gemeinschuldners erst nach der Konkurseröffnung Schuldner desselben oder der Konkursmasse wird ; 3) wenn die Forderung des Konkursgläubigers auf einem Inhaberpapiere beruht.

Im Konkurse einer Aktiengesellschaft können rückständige Aktien betrage, im, Konkurse einer Genossenschaft rückständige statutarische Beiträge nicht mit Forderungen gegen die Gesellschaft (Genossenschaft) verrechnet werden.

214.

Die Verrechnung ist anfechtbar, wenn ein Schuldner des Gemeinschuldners vor der Konkurseröffnung, aber in Kenntniß von der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners, eine Forderung an denselben erworben hat, um sich oder einem Ändern durch die Verrechnung unter Beeinträchtigung der Konkursmasse einen Vortheil zuzuwenden.

215.

Forderungen aus Bürgschaften des Gemeinschuldners können im Konkurse geltend gemacht werden, auch wenn sie noch nicht fällig sind.

Die Konkursmasse tritt für den von ihr bezahlten Betrag in die Rechte des Gläubigers gegenüber dem Hauptschuldner und den Mitbürgen ein (0. 504). Wenn jedoch auch über den Hauptschuldner oder einen Mitbürgen der Konkurs eröffnet wird, so finden die Artikel 216 und 217 Anwendung.

500 216.

Wenn über mehrere. Mitverpflichtete gleichzeitig .der Konkurs eröffnet ist, so kann der Gläubiger in jedem Konkurse seine Forderung im vollen Betrage geltend machen.

Ergeben die Zutheilungen aus den verschiedenen Konkursmassen mehr als den Betrag der ganzen Forderung, so fällt der Ueberschuß nach Maßgabe der unter den Mit verpflichteten, bestehenden Rückgriffsrechte an die Massen zurück.

So lange der Gesammtbetrag der Zutheilungen den vollen Betrag der Forderung nicht erreicht, haben die Massen wegen der geleisteten Theilzahlungen keinen Rückgriff gegen einander.

217.

Ist ein Gläubiger von einem Mitverpflichteten des Gemeinschuldners für seine Forderung theilweise befriedigt worden, so wird gleichwohl im Konkurse des Letztern die Forderung in ihrem vollen ursprünglichen Betrage aufgenommen , gleichviel, ob der Mitverpflichtete gegen den.

Gemeinschuldner rückgriffsberechtigt ist oder nicht.

Das Recht zur Eingabe der Forderung im Konkurse steht dem Gläubiger und dem Mitverpflichteten zu.

Der auf die Forderung entfallende Antheil an der Konkursmasse kommt dem Gläubiger bis zu seiner vollständigen Befriedigung zu. Aus dem Ueberschusse erhält ein rückgriffsberechtigter Mitverpfliehteter den Betrag, den er bei selbstständiger Geltend machung des Rückgriffsrechtes erhalten würde. Der Rest verbleibt der Masse.

218.

Wenn über eine Kollektivgesellschaft und einen Theilhaber derselben gleichzeitig der Konkurs eröffnet ist, so können die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse des Theilhabers nur den im Konkurse der Gesellschaft unbezahlt gebliebenen Rest ihrer Forderungen geltend machen. Hinsichtlich der Zahlung dieser Restschuld durch die einzelnen Gesellschafter gelten die Bestimmungen der Artikel 216 und 217.

Wenn über einen Theilhaber, nicht aber gleichzeitig über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet ist, so können

501 die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse des Theilhabers ihre Forderungen im vollen Betrage geltend machen. Der Konkursmasse stehen die durch Artikel 215 der Konkursmasse eines Bürgen gewährten Rückgriffsrechte zu.

219.

Die pfandversicherten Forderungen werden au» dem Ergebnisse der Verwerthung der Pfänder vorweg bezahlt.

Hafteten mehrere Pfänder für die nämliche Forderung, so werden die daraus erlösten Beträge im Verhältnisse ihrer Höhe zur Deckung der Forderung verwendet.

Der Rang der Grundpfandgläubiger unter einander richtet sich nach dem kantonalen Rechte. Das kantonale Recht bestimmt ferner, ob und inwieweit die Zinse einer grundversicherten Forderung Pfandrecht genießen.

Die nicht pfandversicherten Forderungen, sowie der ungedeckte Betrag der pfandversicherten Forderungen werde» in folgender Rangordnung auf den Erlös der ganzen übrigen Konkursmasse angewiesen : a.

b.

c.

d.

Erste Klasse.

Die Lohnbeträge der Dienstboten für das letzte Jahr vor der Konkurseröffnung.

Die Besoldungen der Commis und Büreauangestellten für das letzte Halbjahr vor der Konkurseröffnung.

Die Lohnbeträge der auf Tag- oder Stücklohn gedungenen Arbeiter, der Fabrikarbeiter und anderer auf Tag- oder Wochenlohn gedungenen Personen, für das letzte Vierteljahr vor der Konkurseröffnung.

Die Beerdigungskosten.

Zweite Klasse.

a. Die Forderungen von Personen, deren Vermögen kraft Vormundschaft oder elterlicher Gewalt dem Gemeinschuldner anvertraut war, für Alles, was derselbe ihnen in dieser Eigenschaft schuldig geworden ist.

Dieses Vorzugsrecht gilt nur dann, wenn der Konkurs während der Dauer der vormundschaftlichen oder elterlichen Verwaltung oder innerhalb Jahresfrist

502 nach- deren Beendigung eröffnet worden ist. Die Dauer eines Prozeß- oder Betreibungsverfahrens fällt dabei nicht in Berechnung.

b. Die Forderungen der Arbeiterkassen gegenüber dem Arbeitgeber.

Dritte Klasse.

Die Forderungen der staatlich anerkannten Aerzte, der Apotheker und Hebammen, sowie sonstige Forderungen wegen Pflege und Wartung des Gemeinschuldners und seiner .Hausgenossen für das letzte Jahr vor der Konkurseröffnung.

Vierte Klasse.

Der nach dem kantonalen Rechte privilegirte Theil der Forderung der Ehefrau des Gemeinschuldners für ihr zugebrachtes Frauengut (in die Ehe gebrachtes oder während der Ehe durch Erbschaft oder Schenkung von Seite dritter Personen erworbenes Vermögen), soweit dasselbe kraft gesetzlich anerkannten Güterrechts im Eigenthum oder in der Verwaltung des Ehemannes sich befindet.

Der privilegirte Theil des zugebrachten .Frauengutes darf nicht mehr als die Hälfte desselben betragen.

Auf dem privilegirten Theile wird der Werth derjenigen Vermögensstücke, welche die Ehefrau als Eigenthümerin zurücknimmt, sowie der Betrag, welchen sie auf Grund eines ihr zustehenden Pfandrechts erhält, angerechnet.

Fünfte Klasse.

Alle übrigen Forderungen mit Einschluß der Forderung der Ehefrau für den nicht privilegh'ten Theil ihres zugebrachten Frauengutes.

22O. Die Gläubiger der nämlichen Klasse haben unter sich gleiches Recht.

Die Gläubiger einer nachfolgenden Klasse haben erst dann Anspruch auf den Erlös, wenn die Gläubiger der vorhergehenden Klasse befriedigt sind.'

503

Siebenter Titel, Konkursverfahren.

I. Feststellung der Konkursmasse.

221.

Sofort, nach Empfang des Konkurserkenntnisses schreitet das Konkursamt zur Aufnahme des Inventars über das zur Konkursmasse gehörende Vermögen und trifft die zur Sicherung desselben erforderlichen Maßnahmen.

Befinden sich Vermögensstücke in einem ändern Konkurskreise, so hat das Amt dieses Kreises mitzuwirken.

222.

Der Gemeinschulduer ist bei Straffolge verpflichtet, dem Konkursamte alle seine Vermögensstücke anzugeben und zur .Verfügung zu stellen.

Ist der Gemeinschuldner gestorben oder flüchtig, so liegt dieselbe Pflicht allen erwachsenen Personen ob, die mit ihm in einem Haushalte lebten.

Das Konkursamt macht diejenigen, denen diese Pflicht obliegt, auf dieselbe aufmerksam.

223.

Magazine, Waarenlager, Werkstätten, Wirthschaften u. dgl. sind vom Konkursamte sofort fcu schließen und unter Siegel zu legen, falls sie nicht bis zur ersten Gläubigerversammlung unter genügender Aufsicht verwaltet werden können.

Baares Geld, Wertpapiere, Geschäfts- und Hausbücher, sowie sonstige Schriften von Belang nimmt das Konkursamt in Verwahrung.

Alle übrigen Vermögensstücke sollen, so lange sie nicht im Inventar verzeichnet sind, unter Siegel gelegt sein; die Siegel können nach der Aufzeichnung neu angelegt werden, wenn das Konkursamt es für nöthig erachtet.

504

Das Konkursamt sorgt für die Aufbewahrung der Gegenstände, die sich außerhalb der vom Gemeinschuldner benützten Räumlichkeiten befinden.

224. Die in Artikel 92 bezeichneten Vermögenstheile werden dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung überlassen, aber gleichwohl im Inventar aufgezeichnet.

225.

Sachen, welche als Eigenthum dritter Personen bezeichnet oder von dritten Personen als ihr Eigenthum beansprucht werden, sind unter Vormerkung dieses Umstandes gleichwohl im Inventar aufzuzeichnen.

226.

Die aus den öffentlichen Büchern ersichtlichen Rechte Dritter an Liegenschaften des Gemeinschuldners werden von Amtes wegen im Inventar vorgemerkt.

227.

In dem Inventar wird der Schätzungswert!!

jedes Vermögensstückes verzeichnet.

228. Das Inventar wird dem Gemeinschuldner mit der Aufforderung vorgelegt, sich über dessen Vollständigkeit und Richtigkeit zu erklären.

Die Erklärung des Gemeinschuldners wird in das Inventar aufgenommen und ist von ihm zu unterzeichnen.

229. Der Gemeinschuldner ist bei Straffolge verpflichtet, während des Konkursverfahrens zur Verfügung -der Konkursverwaltung zu stehen ; er kann dieser Pflicht nur durch besondere Erlaubnis enthoben werden; nöthigenfalls wird er mit Hülfe der Polizeigewalt zur Stelle gebracht.

Die Konkursverwaltung kann dem Gemeinschuldner, namentlich wenn sie ihn anhält, zu ihrer Verfügung zu bleiben, einen billigen Unterhaltsbeitrag gewähren.

Die Konkiirsverwaltung bestimmt, wie lange der Gemeinschuldner und seine Familie im Genüsse der bisherigen Wohnung zu belassen sind.

505 230.

Wird keinerlei in die Masse gehörendes Vermögen vorgefunden, so macht das Konkursamt dem Konkursgerichte hievon Anzeige. Das Konkursgericht beschließt die Einstellung des Konkursverfahrens.

Das Konkursamt macht die Einstellung öffentlich bekannt, mit der Anzeige, daß, falls nicht binnen zehn Tagen ein Gläubiger die Durchführung des Konkursverfahrens begehre und für die Kosten hinreichende Sicherheit leiste, das Verfahren geschlossen werde.

II. Schuldenruf.

231.

Wenn das Konkursamt findet, daß der Erlös deibei der Aufnahme des Inventars vorgefundenen Vermögensstücke voraussichtlich zur Deckung der Kosten des ordentlichen Konkursverfahrens nicht hinreicht, so zeigt es dies dem Konkursgerichte an.

Theilt das Gericht die Ansicht des Konkursamtes, so verwerthet das Letztere die Masse im summarischen Verfahren, sofern nicht ein Gläubiger vor der Vertheilung des Erlöses das ordentliche Konkursverfahren begehrt und für die Kosten desselben einen hinreichenden Vorschuß leistet.

Im summarischen Konkursverfahren werden die Gläubiger durch öffentliche Bekanntmachung aufgefordert, ihre Forderungen binnen zwanzig Tagen dem Konkursamte einzugeben. Das Amt verwerthet die Vermögensstücke mit bestmöglicher Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger uad vertheilt den Erlös ohne weitere Förmlichkeit. Der Schluß des Verfahrens wird öffentlich bekannt gemacht.

In allen übrigen Fällen tritt das ordentliche Verfahren nach Maßgabe der folgenden Artikel ein.

232.

Das Konkursamt macht die Eröffnung des Konkurses öffentlich bekannt, sobald feststeht, daß das ordentliche Verfahren einzutreten hat.

506 Die Bekanntmachung enthält: 1) die Bezeichnung des Gemeinschuldners und seines Wohnortes, sowie des Zeitpunktes der Konkurseröffnung; 2) die Aufforderung an die Gläubiger des Gemeinschuldners und an alle diejenigen, welche Ansprüche auf die in seinen Händen befindlichen Vermögensstücke haben, binnen einem Monat seit der Bekanntmachung ihre Forderungen oder Ansprüche, unter Einlegung der Beweismittel (Schuldscheine, Buchauszüge u. s. w.) in Original oder amtlich beglaubigter Abschrift, dem Konkursamte einzugeben. Für Gläubiger, welche außerhalb Europa's wohnen, kann das Konkursamt die Eingabefrist verlängern; 3) die Aufforderung an die Schuldner des Gemeinschuldners, sich binnen der Eingabefrist als solche anzumelden, mit Strafandrohung für den Unterlassungsfall ; 4) die Aufforderung an diejenigen, welche Sachen des Gemeinschuldners als Pfandgläubiger oder aus anderen Gründen besitzen , dieselben, ohne Nachtheil für ihr Vorzugsrecht, binnen der Eingabefrist dem Konkursamte zur Verfügung zu stellen, mit Strafandrohung für den Unterlassungsfall und mit der Beifügung, daß im Falle ungerechtfertigter Unterlassung das Vorzugsrecht erlösche; 5) die Einberufung einer spätestens zehn Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung des Konkurses abzuhaltenden ersten Gläubigerversammlung, mit der Anzeige, daß Mitschuldner und Bürgen des Gemeinschuldners, sowie Gewährspflichtige der Versammlung beiwohnen können.

238. Jedem Gläubiger, dessen Namen und Wohnort bekannt ist, stellt das Konkursamt ein Exemplar der Bekanntmachung durch, nichtrekommandirte Sendung zu.

234. Bei der Liquidation einer ausgeschlagenen Verlassenschaft wird, falls schon ein erbrechtlicher Schuldenruf

507 vorangegangen ist, die Eingabefrist auf zehn Tage gesetzt;, dabei wird angezeigt, daß die infolge des Schuldenrufes bereits angemeldeten Gläubiger einer nochmaligen Eingabe enthoben sind.

III.

Verwaltung.

235.

In der ersten Gläubigerversammlung leitet eia Konkursbeamter die Verhandlungen und bildet mit zwei von ihm bezeichneten Gläubigern das Bureau.

Das Bureau entscheidet über die Zulassung von Personen, welche, ohne besonders eingeladen zu sein, an den Verhandlungen theilnehmen wollen.

Die Versammlung ist beschlußfähig, wenn wenigstens der vierte Theil der bekannten Gläubiger anwesend oder vertreten ist. Sind vier oder weniger Gläubiger anwesend oder vertreten, so kann gültig verhandelt werden, sofern dieselben wenigstens die Hälfte der bekannten Gläubiger ausmachen.

Die Versammlung beschließt mit der absoluten Stimmenmehrheit der Gläubiger. Bei gleichgetheilten Stimmen kommt dem Vorsitzenden der Stichentscheid zu. Allfällige Anstände über die Berechnung der Stimmen werden durch das Bureau entschieden.

236.

Kommt die Versammlung nicht zu Stande, so wird dies festgestellt. Das Konkursamt besorgt in diesem Falle die Verwaltung und Verwerthung der Masse bis zur zweiten Gläubigerversammlung.

237.

Ist die Gläubigerversammlung beschlußfähig, soerstattet ihr das Konkursamt Bericht über die Aufnahme des Inventars und den Bestand der Masse.

Die Versammlung entscheidet, ob sie das Konkursamt oder eine oder mehrere von ihr zu wählende Personen al» Konkursverwaltung einsetzen wolle.

508 Im einen wie im ändern Falle kann die Versammlung aus ihrer Mitte einen Gläubigerausschuß ernennen und demselben namentlich folgende Obliegenheiten übertragen : 1) Beaufsichtigung der Geschäftsführung der Konkursverwaltung, Begutachtung der von dieser vorgelegten Fragen, Einspruch gegen jede den Interessen der Gläubiger zuwiderlaufende Maßregel; 2) Ermächtigung zur Fortsetzung des vom Gemeinschuldner betriebenen Handels oder Gewerbes mit Festsetzung der Bedingungen ; "3) Genehmigung von Rechnungen, Ermächtigung zur Führung von Prozessen, sowie zum Abschluß von Vergleichen und Schiedsvertragen; 4) Erhebung von Widerspruch gegen Konkursforderungen, welche die Verwaltung zugelassen hat ; 5) Anordnung von Abschlagsvertheilungen an die Konkursgläubiger im Laufe des Konkursverfahrens.

238. Die Gläubigerversammlung kann über Fragen, -deren Erledigung keinen Aufschub duldet, Beschlüsse fassen, insbesondere über die Fortsetzung des Gewerbes oder Handels des Gemeinschuldners, über die Frage, ob Werkstätten , Magazine oder Wirthschaftsräume des Gemeinschuldners offen bleiben sollen, über die Fortsetzung schwebender Prozesse, über die Vornahme von Verkäufen aus freier Hand.

Wenn der Gemeinschuldner einen Nachlaßvertrag vorschlägt, kann die Gläubigerversammlung die Verwerthung ·einstellen.

239.

Gegen Beschlüsse der Gläubigerversammlung kann jeder Gläubiger binnen fünf Tagen bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde führen.

Die Aufsichtsbehörde entscheidet innerhalb kurzer Frist, nach Anhörung des Konkursamtes und, wenn sie es für zweckmäßig erachtet, des Beschwerdeführers und derjenigen Gläubiger, die einvernommen zu werden verlangen.

509 240. Die Konkursverwaltung hat alle zur Erhaltung und Verwerthung der Masse gehörenden Geschäfte zu besorgen; sie vertritt die Masse vor Gericht.

241. Die in ~den Artikeln 5, 8, Abs. l und 2, 9, 11, 13, 17 und 19 für die Koukursämter aufgestellten Be.stimrnungen gelten auch für eine von den Gläubigern gewählte Konkursverwaltung.

242. Die Konkurs Verwaltung verfügt über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten als Eigenthum angesprochen werden.

Hält die Konkursverwaltung den Anspruch für unbegründet, so setzt sie dem Dritten eine Frist von zehn Tagen zur Anhebung der Klage an; wird die Frist nicht eingehalten, so gilt der Anspruch als verwirkt.

243.

Unbestrittene fällige Guthaben der Masse werden von der Koukursverwaltung, nötbigenfalls auf dem Betreibungswege, eingezogen.

Sachen, welche einer schnellen Werthverminderung ausgesetzt sind oder einen kostspieligen Unterhalt erfordern, werden ohne Aufschub verwerthet ; ebenso kann die Verwerthung von Wertpapieren und anderen Gegenständen, die einen Börsen- oder Blarktpreis haben, sofort angeordnet werden.

Die übrigen Bestandteile der Masse werden verwerthet, nachdem die zweite Gläubigerversammlung stattgefunden hat.

IV. Erfahrung der Konknrsforderungen.

Kollokation der Gläubiger.

244. Nach Ablauf der Eingabefrist prüft die Konkursverwaltung die eiogegebenen Forderungen und macht die zu ihrer Erwahrung nöthigen Erhebungen. Sie holt über jede Konkurseingabe die Erklärung des Gemeinschuldners ein.

Bundesblatt. 41. Jahrg. Bd. II.

34

510 245.

Die Konkursverwaltung entscheidet über die Anerkennung der Forderungen. Sie ist hiebei an die Erklärung des Gemeinschuldners nicht gebunden.

246.

Die aus den Grund- und Hypothekenbüchern ersichtlichen Forderungen werden sammt dem laufenden Zinse unter die Konkursforderungen aufgenommen, auch, wenn sie nicht eingegeben wurden.

247.

Innerhalb zwanzig Tagen nach Ablauf der Eingabefrist entwirft die Konkursverwaltung den Plan für die Kangordnung der Gläubiger (Kollokationsplan) nach den in den Artikeln 219 und 220 aufgestellten Vorschriften. , Ist ein Gläubigerausschuß ernannt, so wird der Entwurf demselben zur Genehmigung unterbreitet; allfällige Abänderungen sind von ihm binnen drei Tagen anzubringen.

Nötigenfalls können diese Fristen durch die Aufsichtsbehörde verlängert werden.

248.

Im Kollokationsplane werden auch die abgewiesenen Forderungen, mit Angabe des Abweisungsgrundes, vorgemerkt.

249.

Der Kollokationsplan wird beim Konkursamte zur Einsicht aufgelegt.

Die Konkursverwaltung macht die Auflegung öffentlich bekannt.

Jedem Gläubiger, dessen Forderung ganz oder ,>theilweise abgewiesen worden ist oder welcher nicht den beanspruchten Rang erhalten hat, wird die Auflegung des Kpllokationsplanes und die Abweisung seiner Forderung besonders angezeigt.

250. Ein Gläubiger, welcher den Kollokationsplan anfechten will, hat binnen zehn Tagen seit der öffentlichen Bekanntmachung der Auflegung beim Konkursgerichte Klage anzuheben.

511

Behauptet der Kläger, daß seine'Forderung mit Unrecht abgewiesen oder herabgesetzt, oder daß sie nicht im gebührenden Range aufgeführt sei, so ist die Klage gegen die Masse anzustellen ; will er dagegen die Zulassung eines ändern Gläubigers oder den diesem angewiesenen Rang bestreiten, so ist die Klage gegen den Gläubiger zu richten.

Im letztern Falle dient der" Betrag, um welchen der Antheil des Beklagten an der Konkursmasse herabgesetzt wird, zur Befriedigung des Klägers bis zur vollen Deckung seiner Forderung mit Einschluß der Prozeßkosten. Ein allfälliger Ueberschuß wird nach Maßgabe des berichtigten Kollokationsplanes vertheilt.

Der Prozeß wird im beschleunigten Verfahren geführt.

251.

Verspätete- Konkurseingäben können bis zum Schlüsse des Konkursverfahrens angebracht werden.

Der Gläubiger hat sämmtliche durch die Verspätung verursachten Kosten zu tragen und kann zu einem entsprechenden Vorschuße angehalten werden.

Auf Abschlagsvertheilungen, welche vor seiner Anmeldung stattgefunden haben, hat derselbe keinen Anspruch.

Hält die Konkursverwaltung eine verspätete Konkurseingabe für begründet, so ändert sie den Kollokationsplan ab und macht die Abänderung öffentlich bekannt.

Der Artikel 250 ist anwendbar. °

T. Yerwerthung.

252.

Nachdem die Konkursverwaltung die eingegebe' nen Forderungen geprüft und über deren Zulassung entschieden hat, beruft sie die Gläubiger, deren Forderungen von ihr ganz oder theilweise anerkannt sind, zu einer frühestens zwanzig Tage nach der Einladung abzuhaltenden zweiten Versammlung ein.

Soll in dieser Versammlung über einen Nachlaßvertrag verhandelt werden, so wird dies im Berufungsschreiben angezeigt.

512

Ein Mitglied der Konkucsverwaltung führt in der Versammlung den Vorsitz. Der Artikel 235, Absatz 3 und 4, findet entsprechende Anwendung.

253. Die Konkursverwaltung erstattet der Gläubigerversammlung einen umfassenden Bericht über den Gang der Verwaltung und über den Stand der Aktiven und Passiven.

Die Versammlung beschließt über die Bestätigung der Konkursverwaltung und, gegebenen Falles, des Gläubigerausschusses und ordnet unbeschränkt alles Weitere für die Durchführung des Konkurses an.

254. Kommt die Versammlung nicht zu Stande, so wird dies festgestellt. Die bisherige Konkur.sverwaltung und der Gläubigerausschuß bleiben bis zum Schlüsse des Verfahrens im Amte.

255. Weitere Gläubigerversammlungen werden einberufen, wenn die Mehrheit der Gläubiger oder der Gläubigerausschuß es verlangt oder wenn die Konkursverwaltung es für nothvvendig hält.

256. Die zur Masse gehörenden Vermögensgegenstände werden auf Anordnung der Konkursverwaltung öffentlich versteigert oder, falls die Gläubiger es beschließen, aus freier Hand verkauft.

Verpfändete Vermögensstücke dürfen nur mit Zustimmung der Pfandgläubiger anders als durch Verkauf an öffentlicher Steigerung "e> verwerthet werden.

257.

Ort, Tag und Stunde der Steigerung werden öffentlich bekannt gemacht.

Sind Liegenschaften zu verwerthen, so erfolgt die Bekanntmachung mindestens einen Monat vor dem Steigerungstage und es wird in derselben der Tag angegeben, von welchem an die Steigerungsbedingungea beim Konkursamte zur Einsicht aufgelegt sein werden.

513 Den Grundpfandgläubigern werden Exemplare der Bekanntmachung, mit Angabe der Schätzungssumme, besonders zugestellt.

258. Bewegliche Sachen werden nach dreimaligem Aufruf dem Meistbietenden zugeschlagen.

Liegenschaften werden nach dreimaligem Aufruf zugeschlagen, sofern das Angebot die Schätzungssumme erreicht.

Ist kein solches Angebot erfolgt, so wird eine zweite Steigerung angeordnet. Die Bieter der ersten Steigerung sind ihres Angebotes entbunden.

Bei der zsveiten Steigerung, welche innerhalb zwei Monaten nach der ersten stattfindet, wird die Liegenschaft dem Meistbietenden zugeschlagen. Für die zweite Steigerung sind die Bestimmungen des Artikels 257 gleichfalls maßgebend.

In der Bekanntmachung ist das höchste Angebot der ersten Steigerung anzugeben.

259. Hinsichtlich der Steigerungsbedingungen finden die Artikel 128, 129, 134, 135, 136, 137 und 143 Anwendung; an die Stelle des Betreibungsamtes tritt die Konkursverwaltung.

260.

Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesammtheit der Gläubiger verzichtet.

Das Ergebniß dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Ueberschuß ist an die Masse abzuliefern.

Tl. Vertheilnng.

261.

Nach Eingang des Erlöses der ganzen Konkursmasse und nachdem der Kollokationsplan in Rechtskraft erwachsen ist, stellt die Konkursverwaltung die Vertheilungsliste und die Schlußrechnung auf.

514 262.

Sämmtliche aus der Eröffnung und Durchführung des Konkurses erwachsenen Kosten werden vorab gedeckt.

Auf den Erlös von Pfandgegenständen werden nur die Kosten ihrer Verwaltung und Verwerthung verlegt.

263.

Die Vertheilungsliste und die Schlußrechnung werden während zehn Tagen beim Konkursamte aufgelegt.

Die Auflegung wird jedem Gläubiger .unter Beifügung eines seinen Antheil betreffenden Auszuges angezeigt.

264.

Sofort nach Ablauf der Auflegungsfrist schreitet die Konkursverwaltung zur Vertheüung.

Die Bestimmungen des Artikels 150 finden entsprechende Anwendung.

Die den Forderungen unter aufschiebender Bedingung oder mit Ungewisser Verfallzeit zukommenden Antheile werden bei der Depositenanstalt hinterlegt.

265.

Bei der Vertheüung erhält jeder Gläubiger für den ungedeckt bleibenden Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. In demselben wird angegeben, ob die Forderung vom Gemeinschuldner anerkannt oder bestritten worden ist. Im erstem Falle gilt der Verlustschein als Schuldanerkennung im Sinne des Artikels 82.

Der Verlustschein hat die in Artikel 149 bezeichneten Rechtswirkungen. Jedoch kann auf Grund desselben eine neue Betreibung nur dann angehoben werden, wenn der Schuldner zu neuem Vermögen gekommen ist.

Bestreitet der Gemeinschuldaer, daß er zu neuem Vermögen gekommen sei, so entscheidet das Gericht darüber im beschleunigten Verfahren.

7 266.

Abschlagsvertheilungen können vorgenommen werden, sobald die Frist zur Anfechtung des Kollokationsplanes abgelaufen ist.

515

267.

Die Forderungen derjenigen Gläubiger, welche am Konkurse nicht theilgenommen haben, unterliegen denselben Beschränkungen, wie diejenigen, für welche ein Verlustschein ausgestellt worden ist.

TU. Schluß des Konkursverfahrens.

208.

Nach der Vertheilung legt die Konkursverwaltung dem Konkursgerichte einea Schlußbericht vor.

Findet das Gericht, daß das Konkursverfahren vollständig durchgeführt sei, so erklärt es dasselbe für geschlossen.

Gibt die Geschäftsführung der Verwaltung dem Gerichte zu Bemerkungen Anlaß, so bringt es dieselben der Aufsichtsbehörde zur Kenntniß.

Das Konkursamt macht den Schluß des Konkursverfahrens öffentlich bekannt.

269.

Werden nach^ Schluß des Konkursverfahrens Vermögensstücke entdeckt, welche zur Masse gehörten, aber nicht zu derselben gezogen wurden, so nimmt das Konkursamt dieselben in Besitz und besorgt ohne weitere Förmlichkeit die Verwerthung und die Vertheilung des Erlöses an die zu Verlust gekommenen Gläubiger nach deren Rangordnung.

Auf gleiche Weise verfährt das Konkursamt mit hinterlegten Beträgen, welche frei werden.

Handelt es sich um einen zweifelhaften Rechtsanspruch, so bringt das Konkursamt den Fall durch öffentliche Bekanntmachung oder briefliche Mittheilung zur Kenntniß der Konkursgläubiger und es finden die Bestimmungen des Artikels 260 entsprechende Anwendung.

270.

Das Konkursverfahren soll binnen sechs Monaten seit der Eröffnung des Konkurses durchgeführt sein.

Diese Frist kann nöthigenfalls durch die Aufsichtsbehörde verlängert werden.

516

Achter Titel, Arrest.

271. Der Gläubiger kann für eine verfallene Forderung,, soweit dieselbe nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners mit Arrest belegen lassen, wenn eine der nachfolgenden Voraussetzungen (Arrestgründe) vorliegt: 1) wenn der Schuldner keinen festen Wohjisitz hat; 2) wenn der Schuldner in der Absicht, sich der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu entziehen, Vermögensgegenstände bei Seite schafft, sich flüchtig macht oder Anstalten zur Flucht trifft; 3) wenn der Schuldner auf der Durchreise begriffen ist oder zu den Personen gehört, welche Messen und Märkte besuchen, für Forderungen, die ihrer Natur _ nach sofort zu erfüllen sind ; 4) wenn der Schuldner nicht in der Schweiz wohnt; 5) wenn dem Gläubiger ein provisorischer oder endgültiger Verlustschein zugestellt ist.

In den unter Ziffer l und 2 genannten Fällen kann der Arrest auch für eine nicht verfallene Forderung verlangt werden; derselbe bewirkt gegenüber dem Schuldner die Fälligkeit der Forderung.

Vorbehalten verträgen.

bleiben die Bestimmungen von Staats-

272.

Der Arrest wird von der zuständigen Behörde des Ortes, wo das Vermögensstück sich befindet, bewilligt, sofern der Gläubiger seine Forderung und das Vorhandensein eines Arrestgrundes glaubhaft macht.

517

273.

Der Gläubiger haftet für den aus einem ungerechtfertigten Arrest erwachsenden Schaden und kann zur Sicherheitsleistung verhalten werden.

Die Schadenersatzklage ist beim Gerichte des Arrestortes anzustellen.

274. Die Arrestbehörde beauftragt den Betreibungsbeamten oder einen ändern Beamten oder Angestellten mit der Vollziehung des Arrestes und stellt demselben den Arrestbefehl zu.

Der Arrestbefehl enthält: 1) den Namen und den Wohnort des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten und des Schuldners; 2) die Angabe der Forderung, für welche der Arrest gelegt wird ; 3") die Angabe des Arrestgrundes; 4) die Angabe der mit Arrest zu belegenden Gegenstände ; 5} den Hinweis auf die Schadenersatzpflicht des Gläubigers und, gegebenen Falls, auf die ihm auferlegte Sicherheitsleistung.

275.

Der Arrest wird nach den in den Artikeln 91 bis 109 für die Pfändung aufgestellten Vorschriften vollzogen.

276.

Der mit dem Vollzug betraute Beamte oder Angestellte verfaßt die Arresturkunde, indem er auf dem Arrestbefehl die Vornahme des Arrestes mit Angabe der Arrestgegenstände und ihrer Schätzung bescheinigt, und übermittelt dieselbe sofort dem Betreibungsamte.

Das Betreibungsamt stellt binnen drei Tagen nach Empfang der Arresturkunde dem Gläubiger und dem Schuldner eine Abschrift derselben zu.

277.

Die Arrestgegenstände werden dem Schuldner zur freien Verfügung überlassen, sofern er Sicherheit leistet,

518 daß im Falle der Pfändung oder der Konkurseröffnung die Arrestgegenstände oder an ihrer Stelle andere Vermögensslilcke von gleichem Werthe vorhanden sein werden. Die Sicherheit ist zu leisten durch Hinterlage oder durch Solidarbürgschaft einer im Betreibungskreise des Arrestortes wohnenden Person.

278.

Hatte der Gläubiger nicht schon vor der Bewilligung des Arrestes Betreibung oder Klage angehoben, so ist er gehalten, binnen zehn Tagen nach Zustellung der Arresturkunde die Betreibung anzuheben.

Erhebt der Schuldner Rechtsvorschlag, so ist der Gläubiger gehalten, binnen zehn Tagen seit dessen Mittheilung Rechtsöffnung zu verlangen oder die Klage auf Anerkennung ·seines Forderungsrechtes anzustellen. Wird der Kläger im Rechtsöffnungsverfahren abgewiesen, so hat er binnen zehn Tagen nach Mittheilung des Urtheils. die Klage einzuleiten.

Hatte der Gläubiger schon vor der Bewilligung des Arrestes seine Forderung gerichtlich eingeklagt, so ist er gehalten, binnen zehn Tagen nach Mittheilung des Urtheils die Betreibung anzuheben.

Der Arrest fällt dahin, wenn der Gläubiger die bezeichneten Fristen nicht einhält, wenn er die angehobene Klage oder Betreibung zurückzieht oder erlöschen läßt, oder wenn er mit seiner Klage vom Gerichte endgültig abgewiesen wird.

279. Gegen den Ärrestbefehl findet weder Berufung noch Beschwerde statt.

Ein Schuldner, welcher den Arrestgrund bestreiten will, hat binnen fünf Tagen seit Zustellung der Arresturkunde die Aufhebung des Arrestes durch Klage beim Gerichte des Arrestortes zu verlangen. Der Prozeß wird irn beschleunigten Verfahren geführt. Während desselben laufen die in Artikel 278 aufgestellten Fristen nicht.

519 280.

Hat der Schuldner nicht Recht vorgeschlagen oder ist der Rechtsvorschlag beseitigt, so wird die Betreibung, je nach der Person des Schuldners, auf dem Wege der -Pfändung oder des Konkurses fortgesetzt.

281.

Werden nach Ausstellung des"Arrestbefehls die Arrestgegenstände von einem ändern Gläubiger gepfändet, 'bevor der Arrestgläubiger selber das Pfändungsbegehren .stellen kann, so nimmt der Letztere von Rechtes wegen provisorisch an der Pfändung Theil.

Der Gläubiger kann die vom Arreste herrührenden ö Kosten aus dem Erlöse der Arrestgegenstände vorwegnehmen.

Im Uebrigen begründet der Arrest kein Vorzugsrecht.

Neunter Titel, Besondere Bestimmungen über Mietile und Pacht.

282.

Bei der Betreibung für Mieth- und Pachtzinsforderungen ist auf Verlangen des Gläubigers in den Zahlungsbefehl die in den Artikeln 287 und 312 des Obligationenrechts erwähnte Androhung aufzunehmen und derselben beizufügen, daß nach Ablauf der gesetzlichen Frist der Gläubiger von der zuständigen Behörde die sofortige Ausweisung des Miethers oder Pächters verlangen könne.

520

In denjenigen Fällen, in welchen der Artikel 287 des Obligationenrechts dem Vermiether für die Auflösung des.

Mietvertrags die Ansetzung einer Frist von sechs Tagen gestattet, ist die Frist zur Anbringung des Rechtsvorschlags auf drei Tage herabzusetzen.

283. Vermiether und Verpachtet- können, auch wenn die Betreibung nicht angehoben ist, zur einstweiligen Wahrung ihres Retentionsrechtes (0. 294, 295 und 297) die Hülfe des Betreibungsamtes in Anspruch nehmen.

Ist Gefahr im Verzüge, so kann die Hülfe der Polizei oder der Gemeindebehörde nachgesucht werden.

Das Betreibungsamt nimmt ein Verzeichniß der dem Retentionsrecht unterliegenden Gegenstände auf und setzt dem Gläubiger eine Frist zur Änhebung der Betreibung auf Pfandverwerthung an.

284. Wurden Gegenstände heimlich oder gewaltsam fortgeschafft, so können dieselben in den ersten zehn Tagen nach der Fortschaffung mit Hülfe der Polizeigewalt in die vermietheten oder verpachteten Räumlichkeiten zurückgebracht werden. Rechte gutgläubiger Dritter bleiben vorbehalten. Ueber streitige Fälle entscheidet der Richter im beschleunigten Prozeßverfahren.

Zehnter Titel, Anfechtungsklage.

285.

Die Anfechtungsklage hat zum Zwecke, die in den Artikeln 286--288'erwähnten Rechtshandlungen ungültig erklären zu lassen.

521 Zur Anstellung dieser Klage sind berechtigt : 1) jeder Gläubiger, welcher einen provisorischen oder endgültigen Verlustschein erhalten hat ; 2) die Konkursverwaltung oder, nach Maßgabe der Artikel 260 und 269, Abs. 3, jeder einzelne Konkursgläubiger.

286.

Anfechtbar sind mit Ausnahme gebräuchlicher Gelegenheitsgeschenke alle Schenkungen und unentgeltlichen Verfügungen, welche vom Schuldner innerhalb der letzten sechs Monate vor der Pfändung oder Konkurseröffnung vorgenommen worden sind.

Den Schenkungen sind gleichgestellt: 1) Rechtsgeschäfte, bei denen der Schuldner eine Gegenleistung angenommen hat, die zu seiner eigenen Leistung in einem Mißverhältnisse steht.

2) Rechtsgeschäfte, durch welche der Schuldner sich oder einem Dritten eine Leibrente oder einen Nießbrauch erworben hat.

287. Anfechtbar sind im Weitern die folgenden Rechtshandlungen, sofern der Schuldner sie innerhalb der letzten sechs Monate vor der Pfändung oder Konkurseröffnung vorgenommen hat und im Zeitpunkte der Vornahme bereits überschuldet war : 1) Begründung eines Pfandrechtes zur Sicherung bereits bestehender Verbindlichkeiten, deren Erfüllung sicherzustellen der Schuldner nicht schon früher verpflichtet war; 2) Tilgung einer Geldschuld auf andere Weise als durch Baarschaft oder durch anderweitige übliche Zahlungsmittel ; 3) Zahlung einer nicht verfallenen Schuld.

Die Anfechtbarkeit ist indessen ausgeschlossen, wenn der Begünstigte beweist, daß er die Vermögenslage des Schuldners nicht gekannt hat.

522 288.

Anfechtbar sind endlich, ohne Rücksicht auf dea Zeitpunkt ihrer Vornahme, alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner in der dem ändern Theile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachtheiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachtheil anderer zu begünstigen.

289.

Der Richter urtheilt bei Anwendung der Artikel 286 bis 288 unter Würdigung der Umstände nach freiem Ermessen.

29(1. Die Anfechtungsklage kann gegen diejenigen Personen angestellt werden, welche mit dem Schuldner die anfechtbaren Rechtsgeschäfte abgeschlossen haben oder von ihm in anfechtbarer Weise befriedigt worden sind, gegen ihre Erben und gegen bösgläubige Dritte. Die Rechte gutgläubiger Dritter werden durch die Anfechtungsklage nicht berührt.

291.

Wer durch eine anfechtbare Rechtshandlung Vermögen des Schuldners erworben hat, ist zur Rückgabe desselben verpflichtet. Die Gegenleistung ist zu erstatten, soweit sie sich noch in den Händen des Schuldners befindet oder dieser durch sie bereichert ist. Darüber hinaus kann ein Anspruch nur als Forderung gegen den Schuldner geltend gemacht werden.

Bestand die anfechtbare Rechtshandlung in der Tilgung einer Forderung, so tritt dieselbe mit der Rückerstattung des Empfangenen wieder in Kraft.

Der gutgläubige Empfänger einer-Schenkung ist nur bis zum Betrag seiner Bereicherung zur Rückerstattung verpflichtet.

292.

Die Anfechtungsklage verjährt durch Ablauf von fünf Jahren seit der anfechtbaren Rechtshandlung.

523;

Elfter Titel, ·Nachlassvertrag.

293.

Ein Schuldner, welcher die Rechtswohlthat des Nachlaßvertrages erlangen will, hat der zuständigen Behörde den Entwurf eines Nachlaß Vertrages 'einzureichen, unter Beilegung einer Bilanz, aus welcher seine Vermögenslage ersichtlich ist, sowie eines Verzeichnisses seiner Geschäftsbücher, wenn er zur Führung von solchen verpflichtet ist (0. 877)..

0 Auf das Begehren kann nur dann eingetreten werden, wenn die Mehrheit der Gläubiger dem Entwurfe unterschriftlich zustimmt und zugleich die auf diese Mehrheit entfallendeForderungssumme die Hälfte des Gesammtbetrages der Forderungen übersteigt. Die pfandversicherten und privilegirtenGläubiger und die Ehefrau des Schuldners, sowie deren Forderungen, werden hiebei nicht mitgerechnet.

Die Zustimmung eines Gläubigers zum Entwurfe verpflichtet denselben nicht zur Annahme des Nachlaßvertrags.

294.

Die Nachlaßbehörde entscheidet nach Anhörungdes Schuldners, ob auf das Begehren einzutreten sei; die Vermögenslage des Schuldners, der Stand seiner Buchführung^, sein Geschäftsgebaren und die Ursachen der Nichterfüllung seiner Verbiodlichkeiten sind hiebei in Berücksichtigung zu.

ziehen.

Wo eine obere kantonale Nachlaßbehörde besteht, kaniider Entscheid, innerhalb zehn Tagen nach dessen Mittheilung,-, an dieselbe weitergezogen werden.

524

295.

Tritt die Nachlaßbehörde auf das Begehren ein, so gewährt sie dem Schuldner eine Stundung von zwei Monaten (Nachlaßstundung) und setzt ihm gleichzeitig einen Sachwalter. Als solcher kann auch der Betreibungsbeamte oder ein Konkursbeamter bezeichnet werden.

Der Sachwalter hat die Handlungen des Schuldners zu Überwachen und insbesondere die in den Artikeln 298 u. ff.

bezeichneten Aufgaben zu erfüllen.

In Bezug auf die Geschäftsführung des Sachwalters finden die Artikel 8, 11 und 17 entsprechende Anwendung.

Die Stundung kann auf den Antrag des Sachwalters -um höchstens zwei Monate verlängert werden.

296. Die Bewilligung der Stundung wird öffentlich bekannt gemacht und dem Betreibungsamte mitgetheilt.

297.

Während der Stundung kann gegen den Schuldner eine Betreibung weder angehoben noch fortgesetzt werden und ist der Lauf jeder Verjährungs- oder Verwirkungsfrist, welche durch Betreibung unterbrochen werden kann, gehemmt.

298.

Dem Schuldner ist gestattet, unter der Aufsicht des Sachwalters sein Geschäft fortzubetreiben; jedoch kann er seit der öffentlichen Bekanntmachung der Stundung nicht mehr in rechtsgültiger Weise Liegenschaften veräußern oder belasten, Pfänder bestellen, Bürgschaften eingehen und unentgeltliche-Verfügungen treffen.

Wenn der Schuldner eine nach Abs. l ungültige: Handlung vornimmt oder den Weisungen des Sachwalters zuwiderhandelt, so macht der letztere der Nachlaßbehörde hievon Anzeige. Die Behörde -kann nach Anhörung des Schuldners die Stundung widerrufen.> Die Artikel 307- und 308 sind anwendbar.

· ·

525 299.

Der Sachwalter nimmt sofort nach seiner Ernennung ein Inventar über sämmtliche Vermögensbestandtheile des Schuldners auf und schätzt die einzelnen Vermögensstilcke.

300.

Der Sachwalter fordert durch öffentliche Bekanntmachung die Gläubiger auf, ihre Forderungen binnen zwanzig Tagen einzugeben, mit der Androhung, daß sie im Unterlassungsfalle bei den Verhandlungen über den Nachlaßvertrag nicht stimmberechtigt wären.

Durch die nämliche Bekanntmachung beruft der Sachwalter zur Berathung des Nachlaßgesuchs eine frühestens nach eiaem Monat abzuhaltende Gläubigerversammlung ein, mit der Beifügung, daß die Akten während zehn Tagen vor der Versammlung eingesehen werden können.

301.

Der Sachwalter holt die Erklärung des Schuldners über die eingegebenen Forderungen ein.

302. In der Gläubigerversammlung leitet der Sachwalter die Verhandlungen; er erstattet Bericht über die Vermögenslage des Schuldners.

Der Schuldner ist gehalten, der Versammlung beizuwohnen, um ihr auf Verlangen Aufschlüsse zu ertheilen.

. Der Entwurf des Nachlaßvertrags wird den versammelten Gläubigern zur unterschriftlichen Genehmigung vorgelegt.

Die Zustimmungserklärungen können auch innerhalb der nächsten zehn Tage nach der Versammlung gegeben werden.

3O3. Ein Gläubiger, welcher dem Nachlaßvertrag nicht zugestimmt hat, geht durch denselben seiner Rechte gegen Mitschuldner, Bürgen und Gewährspflichtige nicht «verlustig.

Ein Gläubiger," welcher dem Nachlaßvertrag zugestimmt hat, geht seiner Rechte gegen die genannten Personen nicht verlustig, sofern er denselben mindestens zehn Tage vor der Gläubigerversammlung deren Ort und Zeit mitgetheilt und.

Bnndesblatt. 41. Jahrg. Bd. II. .

35

526

ihnen die Abtretung seiner Forderung gegen Zahlung angeboten hat.

Der Gläubiger kann auch, unbeschadet seiner Rechte, Mitschuldner, Burgen und Gewährspflichtige ermächtigen, an seiner Statt über den Beitr.itt zum Nachlaßvertrage zu entscheiden.

304.

Nach Ablauf von zehn Tagen seit der Gläubigerversammlung unterbreitet der'Sachwalter der Nachlaßbehörde alle Aktenstücke satnml seinem Gutachten darüber, ob der Nachlaßvertrag angenommen und zu bestätigen sei.

Die Behörde trifft beförderlich ihren Entscheid.

Die Zeit der Verhandlung wird öffentlich bekannt gemacht, mit der Anzeige an die Gläubiger, daß sie ihre Einwendungen gegen den Nachlaßvertrag in der Verhandlung anbringen können.

305.

Der Nachlaßvertrag gilt als angenommen, wenn zwei Drittheile der Gläubiger demselben zugestimmt haben und die von ihnen vertretene Forderungssumme zwei Dritttheile des Gesammtbetrags der Forderungen ausmacht.

Die privilegirten Gläubiger und die Ehefrau des Schuldners werden hiebei weder für ihre Person noch für ihre Forderung mitgerechnet; pfandversicherte Forderungen zählen nur zu demjenigen Betrage mit, welcher nach der Schätzung des Sachwalters, ungedeckt ist.

Die Nachlaßbehörde entscheidet, ob und zu welchem Betrage bedingte Forderungen und solche mit Ungewisser Verfallzeit, sowie bestrittene Forderungen mitzuzählen sind.

Dem gerichtlichen Entscheide über .den Rechtsbestand der Forderungen wird dadurch nicht vorgegriffen.

306. 'jDie Bestätigung' eines von den Gläubigern', angenommenen" Nachlaßvertrages durch die Nachlaßbehörde erfolgt nur, wenn folgende Voraussetzungen zutreffen :

527

1) wenn der Schuldner nicht zum Nachtheil seiner Gläubiger unredliche oder sehr leichtfertige Handlungen begangen hat; 2) wenn die angebotene Summe in rich tigern Verhältnisse zu den Hülfsmitteln des Schuldners steht. Dabei können auch dessen Erbanwartschaften in Anschlag gebracht werden; 3) wenn die Vollziehung des Nachlaßvertrages und die vollständige Befriedigung der angemeldeten privilegirten Gläubiger hinlänglich sichergestellt sind, es sei denn, daß die Letztern hierauf verzichten.

307. Wo eine obere kantonale Nachlaßbehörde besteht, kann der Entscheid über den Nachlaß v ertrag, innerhalb zehn Tagen nach dessen Mittheilung, an dieselbe weitergezogen werden.

308. Der Entscheid wird, sobald er in Rechtskraft erwachsen ist, öffentlich bekannt gemacht und dem Betreibungsamte mitgetheilt.

Mit der öffentlichen Bekanntmachung des Entscheides fallen die Wirkungen der Stundung dahin.

309. Wird gegenüber einem der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner der Nachlaß vertrag verworfen oder die Stundung widerrufen, so kann jeder Gläubiger binnen zehn Tagen nach der Bekanntmachung die sofortige Konkurseröffnung verlangen.

310. Wenn die Nachlaßbehörde den Nachlaßvertrag bestätigt, so setzt sie denjenigen, deren Forderungen bestritten sind, eine peremtorische Frist zur ' gerichtlichen Geltendmachung derselben an. ''*'* ' 311. Der bestätigte Nachlaßvertrag ist für sämmtliche Gläubiger rechtsverbindlich ausgenommen sind nur die Pfandgläubiger t für / den, durch das- Pfand gedeckten Forderungsbetrag.

528 312.

Infolge des Nachlaßvertrages fallen die Pfändungen in Bezug auf alle Vermögensstucke, welche nicht schon vor der Stundung verwerthet worden sind, dahin.

313.

Der Schuldner hat auf Anordnung der Nachlaßbehörde die auf bestrittene Forderungen entfallenden Beträge bis zur Erledigung des Prozesses bei der Depositenanstalt zu hinterlegen.

314. Jedes Versprechen, durch welches der Schuldner einem Gläubiger mehr zusichert, als was ihm nach dem Nachlaßvertrage gebührt, ist ungültig.

315. Ein Gläubiger, gegenüber welchem die Bedingungen des Nachlaßvertrages nicht erfüllt werden, kann unbeschadet der ihm durch denselben gewährten Rechte bei der Nachlaßbehörde mit Bezug auf seine Forderung die Aufhebung des Nachlasses verlangen.

Der Artikel 307 findet entsprechende Anwendung.

316.

Jeder Gläubiger kann bei der Nachlaßbehörde den Widerruf eines auf unredliche Weise zu Stande gekommenen Nachlaßvertrages verlangen.

Die Artikel 307, 308 und 309 finden entsprechende Anwendung.

317.

Wenn ein Schuldner, über welchen der Konkurs eröffnet ist, einen Nachlaßvertrag vorschlägt, so begutachtet die Konkursverwaltung den Vorschlag zu Händen der Gläubigerversammlung. Die Verhandlung über denselben findet frühestens in der zweiten Gläubigerversammlung statt.

Die Artikel 302 bis 307 und 310 bis 316 finden entsprechende Anwendung, mit der Maßgabe, .daß die Konkursverwaltung an die Stelle des Sachwalters tritt.

529

Der Entscheid über den Nachlaß vertrag wird der Konkursverwaltung mitgetheilt. Lautet derselbe auf Bestätigung, so beantragt die Konkursverwaltung beim Konkursgerichte den Widerruf des Konkurses.

Zwölfter Titel.

(Jebergangsbestimniungeii.

818.

Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1892 in Kraft.

Der Artikel 333 tritt schon mit der Aufnahme des Gesetzes in die eidgenössische Gesetzessammlung in Kraft.

Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes werden alle demselben entgegenstehenden Vorschriften sowohl eidgenössischer als auch kantonaler Gesetze, Verordnungen und Konkordate aufgehoben, soweit nicht durch die folgenden Artikel etwas Anderes bestimmt wird.

319.

Dieses Gesetz findet keine Anwendung: 1) auf Betreibungen, welche vor dem 1. Januar 1892 zur Pfändung oder zum Pfandverwerthungsbegehren geführt haben.

Bin im Kanton Thurgau vor dem 1. Januar 1892 durch Betreibung entstandenes Generalpfandreclit ist bei der ersten nach dem neuen Rechte gegen den betriebenen Schuldner stattfindenden Pfändung in der Weise in ein Spezialpfandrecht umzuwandeln, daß zunächst zu Gunsten der durch das Generalpfandrecht

530

gesicherten Forderung eine tntsprechende Anzahl bestimmt bezeichneter Gegenstände ausgeschieden wird; 2) auf Arreste, welche vor dem 1. Januar 1892 erwirkt worden sind ; 3) auf Konkurse, über welche vor dem 1. Januar 1892 ein Erkenntniß der zuständigen Behörde ergangen ist, und auf Vermögensabtretungen oder Zahlungsunfähigkeitserklärungen , die vor diesem Zeitpunkte erfolgt sind. Immerhin ist auch auf solche Konkurse und Vermögensabtretungen der Artikel 195 dieses Gesetzes betreffend den Widerruf des Konkurses anwendbar; 4) auf ausgeschlagene Verlassenschaften, deren Liquidation vor dem 1. Januar 1892 angeordnet wurde.

Die Durchführung der unter Ziffer l--4 hievor erwähnten Betreibungen, Arreste, Konkurse, Vermögensabtretungen und Verlassenschaftsliquidationen geschieht nach dem bisherigen kantonalen Rechte, mit der Beschränkung jedoch, daß auf Grund desselben keine Konkurse mehr erkannt und keine Nachpfändungen vollzogen werden können.

Gläubiger, welchen das kantonale Gesetz gegenüber einer Pfändung ein Vorzugs- oder Antheilsrecht einräumt, können dasselbe, sei es durch Anschluß an die Pfändung, sei es auf dem Wege einer besonderen Pfändung, nach Maßgabe des kantonalen Verfahrens ausüben.

320.

Die in Artikel 319, Ziff. l und 2, erwähnten Betreibungen und Arreste müssen, sofern sie bewegliche Gegenstände betreffen, binnen einem Jahre, und sofern sie Liegenschaften betreffen, binnen drei Jahren, vom 1. Januar 1892 an gerechnet, ausgetragen sein, ansonst dieselben erlöschen. Die Dauer allfälliger Betreibungsstreitigkeiten wird hiebei nicht eingerechnet. Nach Ablauf der dreijährigen Frist kann in Anwendung des kantonalen Betreibungsrechtes weder ein Rückkaufs-, noch ein Zug:, Nachschlags- oder Ueberschlagsrecht auf Liegenschaften ausgeübt werden.

531

Es ist den Kantonen freigestellt, diese Fristen abzukürzen.

321.

Die in Artikel 319, Ziff. 3 und 4, erwähnten Konkurse, Vermögensabtretungen und Liquidationen müssen bis zum 1. Januar 1895 durchgeführt sein. Nötigenfalls kann dieser Termin durch die Aufsichtsbehörde weiter hinausgerückt werden.

Wenn nach bisherigem kantonalem Rechte ein vor dem 1. Januar 1892 ergangenes Konkurserkenntniß nicht unmittelbar, sondern erst auf ein weiteres Begehren des Gläubigers vollziehbar war, so ist dieses Begehren vor dem 1. Februar 1892 zu stellen, widrigenfalls das Konkurserkenntniß dahinfällt.

322.

War vor dem 1. Januar 1892 dem Schuldner ein Zahlungsbefehl oder eine gleichwerthige Betreibungsurkunde zugestellt worden, so vertritt diese Urkunde den Zahlungsbefehl dieses Gesetzes, vorausgesetzt, daß dieselbe, für den Rechtsvorschlag eine bestimmte Frist anberaumt.

Der Gläubiger kann jedoch die Betreibung erst nach Ablauf der im kantonalen Recht dem Schuldner gewährten Zahlungsfrist fortsetzen. Ist dieselbe kürzer als diejenige des Bundesgesetzes, so kommt die letztere zur Anwendung.

Es steht dem Gläubiger frei, die bisherige Betreibung fallen zu lassen und gemäß den Bestimmungen dieses Gesetzes eine neue Betreibung anzuheben.

Die Kantone haben in ihren Einführuugsbestimmungen diejenige Betreibungshaudlung des bisherigen kantonalen Rechts zu bezeichnen, welche dem Zahlungsbefehle dieses Gesetzes entspricht.

323.

Vor dem 1. Januar 1892 rechtshängig gemachte Betreibungsstreitigkeiten werden nach dem bisherigen kantonalen Rechte erledigt, auch wenn die Betreibung nicht unter Artikel 319, Ziff. l, dieses Gesetzes fällt.

532 324. Alle nach Zustellung des Zahlungsbefehls vom Gläubiger vorgenommenen oder veranlaßten weiteren Betreibungshandlungen , wie z. B. Pfandungsbegehren, Pfändungsandrohungen, Pfändungsankündigungen, Bestellung eines Generalpfandrechts, Konkursandrohungen, Konkursbegehren, fallen mit dem 1. Januar 1892 dahin, wenn sie bis zu diesem Zeitpunkte nicht bereits eine der in Artikel 319, Ziff. l und 3, angeführten Vollstreckungsmalaregeln zur Folge gehabt haben.

Hatte indessen eine solche Betreibungshandlung zur Folge, den Schuldner in seiner Verfügungsfreiheit zu beschränken, so dauert diese Beschränkung weiter, jedoch nicht länger als bis zum 31. März 1892.

Wenn kraft dieses Artikels im Kanton Thurgau ein Konkursantrag dahinfällt, welcher durch einen sogenannten Gläubigerruf infolge eines Pfandheimschlages oder einer Betreibungsgant mit ungenügendem Erlöse veranlaßt war, so fällt auch der Pfandheimschlag dahin und an die Stelle des Gläubigerrufes infolge" einer Betreibungsgant tritt eine neue Versteigerung, bei welcher nach den Vorschriften des Artikels 142, Abs. 2 und 3, des gegenwärtigen Gesetzes zu verfahren ist.

325.

Eine vor dem 1. Januar 1892 angehobene und nicht gemäß Artikel 319, Ziff. l, nach kantonalem Rechte durchzuführende Wechselbetreibung kann auf Grund dieses Gesetzes nur als ordentliche Konkursbetreibung weiter geführt werden. Will der Gläubiger auf dem Wege der Wechselbetreibung vorgehen, so hat er die Betreibung von Neuem anzuheben.

Hatte der Schuldner den Betrag der Wechselschuld hinterlegt, so ist im einen wie im ändern Falle die Hinterlage aufrecht zu erhalten, sofern bis zum 20. Januar 1892 vom Gläubiger die in Artikel 184 dieses Gesetzes vorgesehene Klage erhoben worden ist.

53 a ,,^ 326.

Wird über einen Schuldner nach dem 31. Dezember 1891 der Konkurs eröffnet, so regelt sich die Frage, ob damit die vor der Konkurseröffnung durch Pfändung oder Arrest erworbenen Rechte untergehen, nach den Bestimmungen des bisherigen kantonalen Rechts.

327.

Im Kanton Bern kann eine Forderung, für welche vor dem 1. Januar 1892 eine ,,Obligation" ausgestellt oder in einem ,,Grundpfandgeschäft" Hab und Gut des Schuldners verschrieben worden ist, und im Kanton Solothurn kann eine vor dem genannten Zeitpunkte entstandene Forderung, welche nach der solothurnischen Gesetzgebung Handschriftrecht genossen hat, bei einem vor dem 1. Januar 1900 eröffneten Konkurse oder einer vor diesem Tage vollzogenen Pfändung in einer besondern Rangklasse zwischen der vierten und fünften Klasse zur Befriedigung angewiesen werden, in beiden Kantonen jedoch nur, sofern die Forderung vor dem 1. Januar 1893 in ein öffentliches Buch eingetragen wurde. Im Kanton Solothurn sind dem öffentlichen, Buche die unter der Kontrole des Staates stehenden Notariatsprotokolle gleichgestellt".

Treffen mehrere solcher Forderungen zusammen, so bestimmt sich der Rang unter ihnen nach dem bisherigen kantonalen Rechte.

In diese Zwischenklasse sind ferner im Kantoo Schaffhausen, sowohl bei Konkursliquidationen als bei Pfändungen, solche Gläubiger einzureihen, welche in Ansehung der durch die ,,Auffalls-Warnung" vor Inkrafttreten dieses Gesetze» erlangten Rechte, nach Maßgabe der Gesetzgebung dieses Kantons, ein Konkursvorrecht genießen; ebenso im Kanton St. Gallen bei einem vor dem 1. Januar 1893 eröffneten Konkurse oder einer vor diesem Tage vollzogenen Pfändung diejenigen Forderungen, zu deren Gunsten unter der Herrschaft des kantonalen Rechtes Fahrhabe oder Liegenschaften gepfändet (,,geschätzt") worden sind, für den durch den Pfändungserlös nicht gedeckten Betrag.

534 328.

Ein Gläubiger, welcher vor dem l. Januar 1892 in einem Konkurse oder bei einer Pfändung zu Verlust gekommen und nach Maßgabe des kantonalen Rechts für den Verlustbetrag noch forderungsberechtigt ist, wird vom 1. Januar 1892 an dem Inhaber eines in Anwendung, dieses Gesetzes ausgestellten Verlustscheines rechtlich gleichgestellt.

329.

Den Kantonen, deren bisherige Gesetzgebung bei Liegenschaftssteigerungen den Zuschlag nur gestattete, sofern das Angebot einen bestimmten Minimalpreis erreichte, ist freigestellt, eine solche Bestimmung noch bis zum 1. Januar 1900 aufrechtzuerhalten.

330.

Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Nachlaßvertrag finden nur auf solche Nachlaßbegehren Anwendung, welche nach dem 31. Dezember 1891 eingereicht werden. Vor diesem Zeitpunkte eingereichte Begehren sind nach Maßgabe des bisherigen kantonalen Rechts zu erledigen ; die für die Annahme des Nachlaßvertrags erforderliche Mehrheit indessen ist vom 1. Januar 1892 an nach der Bestimmung des Artikels 305 dieses Gesetzes zu berechnen.

Für die Aufhebung oder den Widerruf eines Nachlaßvertrages sind, auch wenn derselbe unter der Herrschaft des kantonalen Rechts zu Stande gekommen ist, ausschließlich die Artikel 315 und 316 dieses Gesetzes maßgebend.

Schuldner, deren Vermögen am 1. Januar 1892 einer Konkursliquidation unterworfen oder ganz oder theilweise gepfändet oder mit Arrest belegt ist, können ein Nachlaßbegehren nur einreichen, wenn das bisherige kantonale Recht ihnen dies gestattete.

331.

Eine Anfechtungsklage kann nach Maßgabe der Artikel 285--292 dieses Gesetzes auch gegen solche Rechtshandlungen angehoben werden, welche vor dem 1. Januar 1892 vorgenommen worden sind, sofern die kantonale Gesetzgebung die Anfechtung der Handlung zuließ und die Anfechtbarkeit am 1. Januar 1892 nicht durch Verjährung erloschen war.

535 Die in diesem Gesetze vorgesehene fünfjährige Verjährungsfrist findet auf solche Rechtshandlungen unter Anrechnung des bereits verstrichenen Zeitraumes Anwendung; es bedarf aber in allen Fällen zur Vollendung der Verjährung noch des Ablaufs von mindestens zwei Jahren seit dem 1. Januar 1892.

Wo der Richter im Zweifel- darüber ist, zu welcher Zeit eine Handlung vorgenommen wurde, spricht die Vermuthung für die Anwendbarkeit dieses Gesetzes.

332.

Die Betreibungen, Arreste, Konkurse und Verlassenschaftsliquidationen, für welche laut Artikel 319 das kantonale Recht maßgebend bleibt, werden von den bisherigen Behörden und Beamten zu Ende geführt.

Es bleibt indessen den Kantonen freigestellt, diese Verrichtungen ganz oder theilweise den mit dem 1. Januar 1892 eintretenden neuen Behörden und Beamten zu übertragen.

Die bisherigen Behörden und Beamten haben ihren Nachfolgern die zur richtigen Ueberleitung des Dienstes erforderlichen Mittheilungen zu machen.

333.

Die in den Artikeln 320, 321, 327, 329, 330 und 332 dieses Gesetzes vorgesehenen Einführungsbestimmungen sind von den Kantonen vor dem 1. Juli 1891 dem Bundesrathe vorzulegen.

Die Kantone sind ferner gehalten, bis zu dem genannten Zeitpunkte dem Bundesrathe die in Artikel 28 dieses Gesetzes vorgeschriebenen Mittheilungen zu machen und die in den Artikeln 13, 25, 27, 45 und 111 vorgesehenen Gesetze und Verordnungen zur Genehmigung zu unterbreiten. Die Mittheilung der Namen der Beamten und der Besetzung der Behörden, welchen die Vollziehung dieses Gesetzes anheimfällt, hat bis zum 31. Oktober 1891 zu geschehen.

334.

Alle Streitigkeiten, welche über die Frage entstehen, ob in einem einzelnen Falle das bisherige kantonale

536 Recht oder das Bundesgesetz anwendbar sei, können auf dem Wege des Rekurses in den durch die Artikel 17 bis 20 dieses Gesetzes bestimmten Fristen dem Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden und des Bundesrathes unterbreitet werden.

335. Der Bundesrath wird beauftragt, gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten.

Also beschlossen vom Ständerathe, B e r n , den 10. April 1889.

Der Präsident: Schoch.

Der Protokollführer: Schatzmann.

Also beschlossen vom Nationalrathe, B e r n , den 11. April 1889.

Der Präsident: E. Ruffy.

Der Protokollführer : Bingier.

537

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s rat h beschließt: Aufnahme des vorstehenden Bundesgesetzes in das Bundesblatt.

B e r n , den 24. April 1889.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

N o t e . Datum der Publikation: 4. Mai 1889.

Ablaut der Einspruchsfrist: 2. August 1889.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs. (Vom 11. April 1889.)

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1889

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19

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04.05.1889

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