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Evaluationsverfahren Neues Kampfflugzeug Bericht der GPK-N vom 9. September 2022 Stellungnahme des Bundesrates vom 9. Dezember 2022

Sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 9. September 20221 betreffend Evaluationsverfahren Neues Kampfflugzeug nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

9. Dezember 2022

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ignazio Cassis Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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2022-4108

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Der Bundesrat fällte am 30. Juni 2021 den Typenentscheid für die Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge zugunsten des US-amerikanischen Modells F-35A. Dieser Entscheid basierte auf einem umfangreichen und systematischen Evaluationsprozess für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge, welcher von 2018 bis zur Typenwahl im Juni 2021 dauerte. Zusammengefasst ist der F-35A von allen evaluierten Kandidaten nicht nur das technisch fortschrittlichste, sondern auch das mit Abstand kostengünstigste Modell.

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) beschloss am 16. November 2021, die Rechtmässigkeit und Zweckmässigkeit des Evaluationsverfahrens für das neue Kampfflugzeug zu untersuchen.2 Am 9. September 2022 veröffentlichte die GPK-N ihren Bericht und hielt fest: «Die technische Evaluation lief rechtlich korrekt ab und Armasuisse traf die nötigen Massnahmen, um die Gleichbehandlung der Anbieter und ein objektiviertes, nachvollziehbares Verfahren sicherzustellen. Auch die gewählte, neue Bewertungsmethodik (AHP-Methode) war rechtmässig.»3 Die GPK-N stellte weiter fest, «dass sich der Bundesrat im Verfahren an die rechtlichen und von ihm selber definierten politischen Vorgaben gehalten hat. Das Beschaffungsrecht räumt dem Bundesrat bei Rüstungsbeschaffungen grundsätzlich einen grossen Handlungsspielraum ein. Je nach Definition der Rahmenbedingungen hätte er somit beim Entscheid auch übergeordnete politische Überlegungen einbeziehen können. Aufgrund der von ihm zu Beginn des Verfahrens definierten Rahmenbedingungen stellte der Bundesrat beim Typenentscheid aber fest, dass ein Einbezug aussenpolitscher Überlegungen gar nicht möglich war. Diese frühzeitige und aus ihrer Sicht unnötige Einschränkung des Handlungsspielraums identifizierte die GPK-N als Hauptproblem des Beschaffungsverfahrens.»4 Die GPK-N ersucht mit Schreiben vom 9. September 2022 den Bundesrat, bis am 15. Dezember 2022 zu den Feststellungen und Empfehlungen der GPK-N Stellung zu nehmen.

Der Bundesrat bedauert, dass bereits vor der Publikation des Berichts der GPK-N, während der Bearbeitungsphase im Juli 2022, Inhalte daraus an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Solche Indiskretionen schaden sowohl dem laufenden Beschaffungsvorhaben als auch den Institutionen, umso mehr, als vorzeitig veröffentlichte Inhalte nicht zwingend auch im definitiven Bericht enthalten sind, sich aber in der öffentlichen Meinung festsetzen.

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Medienmitteilung der GPK-N vom 16. November 2021: www.parlement.ch > Services > News > Neues Kampfflugzeug: GPK-N untersucht Rechtmässigkeit und Zweckmässigkeit des Evaluationsverfahrens.

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Stellungnahme des Bundesrates

Die Grundsatzentscheide für die Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge wurden vom Bundesrat am 8. November 2017 gefällt: Der Bundesrat beschloss am 8. November 2017, die Rüstungsbeschaffung im Einladungsverfahren durchzuführen und damit dem «wirtschaftlich günstigsten Angebot» den Zuschlag zu erteilen (Art. 37 der Verordnung vom 11. Dezember 19955 über das öffentliche Beschaffungswesen). Eine Evaluation erachtete er als nötig, um in der Folge auf solider Basis entscheiden zu können, welches Flugzeug in Anbetracht von Leistung, Preis und möglicherweise weiterer Kriterien beschafft werden soll.

Der Bundesrat hat damals das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) beauftragt, die Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums gemäss folgenden Eckwerten zu planen: a.

Die Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums (Kampfflugzeuge zum Ersatz von F/A-18 und F-5 und ein bodengestütztes Luftverteidigungssystem grösserer Reichweite) kann mit einem Finanzvolumen von maximal 8 Milliarden Franken geplant werden.

b.

Um gleichzeitig auch die Erneuerung der Boden- und Führungssysteme finanzieren zu können, soll der Armee in den kommenden Jahren eine Wachstumsrate des Zahlungsrahmens in der Grössenordnung von 1,4 Prozent p.a. (real) eingeräumt werden. Zudem soll die Armee den Aufwand für den Betrieb real stabilisieren, sodass der Ausgabenzuwachs grösstenteils für Rüstungsinvestitionen zur Verfügung steht.

Das VBS wurde ausserdem beauftragt, dem Bundesrat bis im Februar 2018 Varianten über mögliche Vorlagen (Planungsbeschluss; Änderung des Militärgesetzes; weitere) zu unterbreiten.

Weiter hat der Bundesrat das VBS ermächtigt, bei den Kampfflugzeugen folgende Anbieter einzuladen: Airbus (Eurofighter), Boeing (F/A-18 Super Hornet), Dassault (Rafale), Lockheed-Martin (F-35A) und Saab (Gripen).

Am 9. März 2018 beschloss der Bundesrat, der Schweizer Stimmbevölkerung die Möglichkeit zu geben, über die Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen und eines neuen bodengestützten Systems zur Luftverteidigung abzustimmen. Das VBS wurde beauftragt, den Entwurf eines Planungsbeschlusses gemäss den Grundsatzentscheiden des Bundesrates vom Herbst 2017 auszuarbeiten. Der nächste Schritt war die Eröffnung einer Vernehmlassung durch den Bundesrat am 23. Mai 2018. Der Bundesrat entschied, dass eine Referendumsabstimmung so früh wie möglich stattfinden soll, d. h. noch bevor sich der Bundesrat für einen Flugzeugtyp entscheidet.

Die vom Parlament 2018 überwiesene Motion 17.3604 «Luftwaffe. Grundsatzentscheid vor das Volk!» wurde damit umgesetzt. Dieses Vorgehen ermöglichte es, einerseits früh genug die politische Legitimation für dieses Beschaffungsvorhaben zu erhalten und andererseits unnötige Planungsarbeiten zu vermeiden. Der Bundesrat hielt schon damals fest, dass die Verpflichtungskredite für die Beschaffung der neuen 5

Aufgehoben am 1. Januar 2021; AS 2020 691.

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Kampfflugzeuge und der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite mit der Armeebotschaft 2022 zu beantragen seien.

Der Bundesrat beauftragte das VBS zusätzlich, die Evaluation von Kampfflugzeugen und bodengestützter Luftverteidigung mit Anfragen an Hersteller und allenfalls auch ausländische Regierungen formell zu beginnen.

Das VBS veröffentlichte am 23. März 2018 im Rahmen der ersten Offertanfrage und am 10. Januar 2020 im Rahmen der zweiten Offertanfrage die Anforderungen an ein neues Kampfflugzeug und an ein neues System zur bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite.6 Die Anforderungen betrafen insbesondere die geforderten Fähigkeiten der zu beschaffenden Mittel sowie das Bemessungsmodell für die Flottengrösse und das Logistikpaket.

In den Anforderungen wurden überdies die Vorgaben für die Anbieter sowie Vorgaben und gewünschte Charakteristika zu sicherheits- und rüstungspolitischen sowie volkswirtschaftlichen Aspekten der Schweiz festgelegt.

Am 26. Juni 2019 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zu einem Planungsbeschluss über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge zuhanden des Parlaments.7 Weiter entschied der Bundesrat am 26. Juni 2019, dass das neue System zur bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite nach dem üblichen Verfahren beschafft werden soll, d.h. ohne Möglichkeit eines Referendums. Aufgrund der Wechselbeziehungen wurde die Beschaffung in zeitlicher und technischer Abstimmung mit der Beschaffung der Kampfflugzeuge geplant.

In der Botschaft zum Planungsbeschluss hielt der Bundesrat entsprechend seinem Grundsatzentscheid vom 8. November 2017 in Bezug auf die Evaluation, die Typenwahl und die Beschaffung des neuen Kampfflugzeuges in Abschnitt 3.5 Folgendes fest8:

3.5

Evaluation, Typenwahl und Beschaffung

Beschaffung und Instandhaltung erfolgen gemäss den Grundsätzen des Bundesrates für die Rüstungspolitik nach dem Wettbewerbs- und Wirtschaftlichkeitsprinzip. Für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge (wie auch parallel dazu der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite) wird das Einladungsverfahren angewendet.

In der Evaluation werden alle für die Beurteilung wichtigen Daten erfasst und, soweit nach Erfahrungswerten angezeigt, durch eigene Erprobung nachgeprüft.

Dazu gehören Leistungsdaten, aber auch die Kosten ­ nicht nur die Kosten der Beschaffung, sondern alle über die gesamte Nutzungsdauer voraussehbaren Kosten einschliesslich Unterhalt, Instandhaltung und Instandstellung (ohne Werterhaltungsprogramme, weil deren Kosten nicht zuverlässig abschätzbar sind, und auch ohne die Kosten der Ausserdienststellung).

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Abrufbar unter www.vbs.admin.ch > Sicherheit > Armee > Air2030 > Dokumente > Anforderungen an die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs (NKF) und eines neuen Systems der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite (Bodluv GR).

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3.5.1

Evaluation

Ab November 2017 fanden Gespräche mit den Flugzeugherstellern statt, zunächst mit den Verteidigungsministerien, in der Folge mit gemischten Teams der Verteidigungsministerien und der Herstellerunternehmen. Im Juli 2018 ging ein «request for proposals» an die Hersteller, eine erste Offertanfrage. Die Hersteller reichten am 25. Januar 2019 Offerten für 30 und für 40 Kampfflugzeuge (inkl. Lenkwaffen und einem definierten Logistikpaket) ein sowie eine Berechnung, wie viele Flugzeuge nötig wären, um 4 Wochen lang permanent 4 Flugzeuge in der Luft haben zu können.

Vom April bis Juni 2019 wurden die Kampfflugzeuge in der Schweiz erprobt.

Gegenüber der Evaluation 2008 und aufgrund der damals gemachten Erfahrungen (die Anhaltspunkte dafür geben, welche Daten überprüft werden sollten) wurde das Testprogramm optimiert, was eine Verkürzung und damit auch eine Reduktion des Aufwands ermöglichte. Die Flugzeuge waren in Payerne basiert, starteten und landeten aber auch in Meiringen, um Lärmmessungen an beiden Orten zu ermöglichen.

Gegen Ende 2019 soll eine zweite Offertanfrage erfolgen, die bis zum Sommer 2020 beantwortet werden soll. Anschliessend an die Analyse dieser zweiten Offerten wird der Evaluationsbericht erstellt, der auch den Bezug zum System der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite enthalten und dem Bundesrat als Grundlage für den Entscheid zur Typenwahl dienen soll.

3.5.2

Typenwahl

Die Kandidaten werden mit einer Kosten-Nutzen-Analyse miteinander verglichen.

Kosten Für die Kosten werden sowohl die Beschaffungskosten der Systeme als auch deren Betriebskosten während einer dreissigjährigen Nutzung berücksichtigt. Dagegen werden die Kosten für allfällige Kampfwertsteigerungs- und Werterhaltungsprogramme sowie Ausserdienststellungskosten nicht berücksichtigt, weil diesbezügliche Vorhersagen mit hohen Unsicherheiten verbunden sind.

Nutzen Für die Evaluation des Nutzens werden folgende Kriterien berücksichtigt: ­

Wirksamkeit (operationelle Wirksamkeit, Einsatzautonomie) mit 55 Prozent Gewichtung;

­

Produktesupport (Wartungsfreundlichkeit, Supportautonomie) mit 25 Prozent Gewichtung;

­

Kooperation (militärische Ausbildungszusammenarbeit, z. B. Nutzung von Luftraum, Flug- und Schiessplätzen, Simulationsinfrastruktur sowie Kooperation mit dem Lieferanten bzw. der Regierung des Herstellerlandes 5 / 12

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während der Nutzung, z. B. in den Bereichen Instandhaltung, Ersatzteilbewirtschaftung, Weiterentwicklung) mit 10 Prozent Gewichtung; ­

direkte Industriebeteiligung (Umfang und Qualität des direkten Offsets als Teil der Kompensationsgeschäfte) mit 10 Prozent Gewichtung.

Die in der Evaluation erhobenen Leistungs- und Kosteninformationen werden nicht veröffentlicht; ihre Geheimhaltung entspricht legitimen militärischen oder kommerziellen Bedürfnissen.

Im Rahmen der Flugerprobungen führt die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) Lärmmessungen an den Standorten Payerne und Meiringen durch. Mit Modellen kann sie gestützt auf diese Messungen auch die Lärmbelastung für andere Standorte wie Emmen berechnen. Die Ergebnisse der Lärmmessungen werden veröffentlicht und fliessen in die Bewertung der Kandidaten ein.

Die Luftwaffe verbraucht rund 2 Prozent des insgesamt in der Schweiz getankten Kerosins. Ihr Anteil an den CO2-Emissionen aller in der Schweiz energetisch genutzten Brenn- und Treibstoffe beträgt rund 0,3 Prozent. Die CO2-Emissionen werden bei der Bewertung der Kandidaten berücksichtigt. Da die technische Machbarkeit für den Einsatz von Biokraftstoffen auch in der militärischen Luftfahrt in den letzten Jahren erwiesen wurde, werden die Entwicklungen in diesem Bereich im Auge behalten. Was die Herstellung von Biokraftstoffen betrifft, gilt in der Schweiz allerdings der Grundsatz, dass Pflanzen zuerst als Nahrungsmittel, dann als Futtermittel und erst zuletzt als Treibstoff verwendet werden.

Weiter hielt der Bundesrat gestützt auf den Grundsatzentscheid vom 8. November 2017 in Unterabschnitt 4.1.2 der Botschaft zum Planungsbeschluss über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge zu den aussenpolitischen Aspekten fest9:

4.1.2

Aussenpolitische Aspekte

Bei der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge handelt es sich um ein Geschäft mit einem beträchtlichen Finanzvolumen. Es ist davon auszugehen, dass die Regierungen aller Herstellerländer daran interessiert sind, dass der Zuschlag auf Hersteller in ihrem Land fällt.

Grundsätzlich müssen die Anforderungen (Leistungsfähigkeit, Eignung für die Schweiz, Kosten, militärische und industrielle Kooperationsangebote) erfüllt sein und die sachlichen Kriterien dominieren. Beschaffungsentscheide dürfen nicht von sachfremden Überlegungen zulasten des Nutzwertes für die Armee dominiert werden. Der Bundesrat ist aber bei der Typenwahl frei. Bei gleichwertigen Angeboten können aussenpolitische Aspekte eine Rolle spielen.

Die Schweiz hat bislang alle Waffensysteme aus westlichen Ländern beschafft.

Sie hat auch für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge nur westliche Länder eingeladen, Offerten einzureichen. Weder Neutralitätsrecht noch Neutralitätspolitik machen spezifische Vorgaben in Bezug auf die Wahl der Hersteller; die 9

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Schweiz ist frei in der Wahl der Anbieter, sofern mit der Beschaffung nicht kriegführende Staaten in internationalen Konflikten begünstigt werden. Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, als neutraler Staat bei den Beschaffungen verschiedene Allianzen oder politische Lager zu berücksichtigen.

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Empfehlungen der GPK-N

3.1

Empfehlung 1: Erhaltung des Spielraums bei grossen Rüstungsbeschaffungen

Empfehlung 1:

Erhaltung des Handlungsspielraums bei grossen Rüstungsbeschaffungen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, dass sein Handlungsspielraum bei künftigen Rüstungsbeschaffungen erhalten bleibt unddiesbezügliche Fragen frühzeitig geklärt werden, beispielsweise durch eine systematische Einschätzung des BJ im Rahmen der Ämterkonsultation oder des Mitberichtsverfahrens.

Der Bundesrat teilt mit Blick auf Empfehlung 1 grösstenteils die Analyse der GPK-N.

Er erachtet aber die Empfehlung 1 der GPK-N als erfüllt: Der Bundesrat verfügt aufgrund der rechtlichen Vorgaben der Beschaffungsverfahren über politischen Spielraum.

Das Beschaffungsverfahren für das neue Kampfflugzeug richtete sich nach dem damals geltenden Bundesgesetz vom 16. Dezember 199410 über das öffentliche Beschaffungswesen (aBöB). Dieses liess ­ wie das heute geltende BöB ­ zu, dass eine Beschaffung ohne Ausschreibung im Einladungsverfahren oder freihändig erfolgt.

Gestützt auf Artikel 10 Absatz 4 Buchstabe a BöB ist der Bundesrat nicht verpflichtet, das Beschaffungsrecht auf Rüstungsbeschaffungen von Kampfflugzeugen anzuwenden.

Am 23. März 2018 veröffentlichte das VBS die Anforderungen an ein neues Kampfflugzeug (NKF) und ein neues System der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite (Bodluv GR) (vgl. Ziff. 2). Mit diesen Anforderungen wurden die erforderlichen Rahmenbedingungen für den jeweiligen Start und die Umsetzung der beiden Projekte geschaffen. Durch die Bekanntgabe der Evaluationskriterien (KostenNutzen-Analyse und Definition der Ermittlung des Nutzens) war das Verfahren für die Anbieter von Anfang an transparent, systematisch und gesetzeskonform aufgegleist.

Im Voraus definierte Rahmenbedingungen liegen im Interesse der Vergabebehörde und der Anbieter. Sie stellen einen geregelten Beschaffungsprozess sicher und ermöglichen eine klare Kommunikation mit den sich im Wettbewerb befindenden Anbietern. Mit dem gewählten Vorgehen wurde sichergestellt, dass sich die Anbieter in der 10

SR 172.056.1

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Zusammenarbeit mit der Schweiz auf klare Spielregeln verlassen konnten und nicht befürchten mussten, dass ein Entscheid für oder gegen einen Anbieter auf der Basis von unklaren Kriterien oder nicht nachvollziehbaren Gründen gefällt würde.

Wie in Ziffer 2 ausgeführt, hat der Bundesrat seinen Handlungsspielraum ausgelotet und klar festgelegt. So hat er in der Botschaft zum Planungsbeschluss insbesondere festgehalten, dass bei gleichwertigen Angeboten aussenpolitische Aspekte eine Rolle spielen können. Das Parlament und die Stimmbevölkerung haben diesem Vorgehen und den Entscheiden des Bundesrates mit der Annahme des Bundesbeschlusses über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge zugestimmt.

Neben klaren sachlich-technischen Kriterien, die für die Korrektheit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit eines Beschaffungsprojekts wichtig sind, besteht auch Spielraum für die Berücksichtigung anderweitiger, etwa politischer Überlegungen. Solche Überlegungen können vor allem dann eine Rolle spielen und von der Entscheidbehörde in die Gesamtbewertung einbezogen werden, wenn mehrere Anbieter die sachlich-technischen Kriterien erfüllen und die Ergebnisse der Evaluation nicht zu weit auseinander liegen. Weichen hingegen die Ergebnisse aus der Evaluation deutlich auseinander (inkl. Kosten-Nutzen-Analyse), verringert sich der Handlungsspielraum für die Entscheidbehörde. Diese kann den Vergabeentscheid nicht ungeachtet der Evaluationsergebnisse und allfällig vorgängig definierter Kriterien fällen. Ein rein politischer Entscheid würde Sinn und Zweck des Evaluationsverfahren in Frage stellen und die Glaubwürdigkeit und Reputation der Behörde beschädigen.

Auch in Zukunft müssen deshalb bei Rüstungsbeschaffungen die Rahmenbedingungen für die Evaluation und die Anforderungen (Leistungsfähigkeit, Eignung für die Schweiz, Kosten, militärische und industrielle Kooperationsangebote) an das spezifische Rüstungsgeschäft im Voraus definiert werden.

Weil bei solchen Beschaffungen aber politischer Handlungsspielraum besteht, muss gleichzeitig auch geklärt und festgelegt werden, ob und wie mit möglichen politischen Überlegungen umgegangen werden soll und welchen Stellenwert diesen im Projekt eingeräumt wird. Die Klärung dieser Frage muss ebenfalls in einer frühen Phase der Beschaffung erfolgen, und auch hier müssen allfällige Vorgaben
transparent gemacht werden, damit die Spielregeln für alle klar und gleich sind. Dafür braucht es keine speziellen Vorkehrungen, wie dies die GPK empfiehlt. Die rechtlichen Grundlagen lassen politischen Handlungsspielraum in Rüstungsbeschaffungen zu und dieser wird auch in Zukunft vom Bundesrat genutzt werden.

Die GPK-N schlägt in dieser Empfehlung ausserdem vor, dass der Einbezug und die entsprechende systematische Einschätzung des Bundesamtes für Justiz (BJ) im Rahmen der Ämterkonsultation oder des Mitberichtsverfahrens erfolgen soll.

Der Bundesrat hält dazu fest, dass dies der aktuellen Praxis der Vorbereitung und Beratung von Bundesratsgeschäften gemäss den Richtlinien für Bundesratsgeschäfte (Roter Ordner) bereits entspricht und im vorliegenden Fall eingehalten wurde: Bevor der Bundesrat über ein Geschäft beraten kann, bereitet die Bundesverwaltung dieses vor. Artikel 4 der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom

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25. November 199811 (RVOV) erläutert den Ablauf der Ämterkonsultation: Bei der Vorbereitung von Anträgen lädt das federführende Amt die mitinteressierten Verwaltungseinheiten unter Ansetzung angemessener Fristen zur Stellungnahme ein. So ist es Aufgabe des BJ, im Rahmen der Ämterkonsultation die Anträge in rechtlicher Hinsicht zu prüfen. Artikel 5 RVOV betrifft das Mitberichtsverfahren, welches der Entscheidvorbereitung auf Stufe Bundesrat dient. Ziel des Verfahrens ist, dass sich der Bundesrat in den Verhandlungen auf grundsätzliche Aspekte konzentrieren kann.

3.2

Empfehlung 2: Einbezug von Referenzen

Empfehlung 2:

Einbezug von Referenzen

Die GPK-N lädt den Bundesrat ein, zu prüfen, wie er bzw. Armasuisse sich auch bei Rüstungsbeschaffungen nicht nur auf die Angaben der Herstellerländer und auf eigene Erhebungen und Bewertungen stützen, sondern wo möglich auch Referenzen bei anderen Anwendern einholen und bewerten kann.

Der Bundesrat lehnt die Empfehlung 2 der GPK-N in Bezug auf grosse Rüstungsbeschaffungen wie das NKF ab, da deren Umsetzung in der Beschaffungspraxis bei grossen Rüstungsbeschaffungen keinen Mehrwert schafft.

Die Evaluation war darauf ausgelegt, sich nicht nur auf die Angaben der Hersteller zu verlassen. Die Angaben der Hersteller wurden auf der Basis einer umfassenden Erprobung überprüft, indem das System unter realen Bedingungen, d. h. in der Topographie der Schweiz, getestet wurde, was wesentlich aussagekräftiger ist.

Das Einholen von Referenzen birgt die Gefahr, dass unterschiedlich eingebettete Systeme miteinander verglichen werden. Aus diesem Grund sind Referenzen von anderen Ländern im Rahmen einer Evaluation wenig aussagekräftig.

Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass in Bezug auf die Empfehlung der GPK-N auch fraglich ist, ob sich ein Anwender in seiner Referenz überhaupt negativ zu einem Anbieter äussern würde, wenn er das evaluierte System selber ausgewählt hat, dieses betreibt oder sogar im eigenen Land produzieren lässt. Insofern würde das Einholen von Referenzen das Risiko bergen, dass nicht überprüfbare Informationen und Aussagen in der Evaluation berücksichtigt werden. Der Aufwand der Informationsbeschaffung steht folglich nicht im Verhältnis zur Belastbarkeit der gewonnenen Daten und Erkenntnisse.

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SR 172.010.1

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3.3 Empfehlung 3:

Empfehlung 3: Einbezug von aussenpolitischen Aspekten frühzeitig klären und regeln Einbezug von aussenpolitischen Aspekten frühzeitig klären und regeln

Die GPK-N empfiehlt dem Bundesrat, bei grossen Rüstungsgeschäften frühzeitig zu prüfen, inwiefern bei diesen aussenpolitische Aspekte einbezogen werden sollen und sodann die Ziele, Inhalte und Zuständigkeiten für die Verhandlungen mit anderen Staaten klar zu regeln.

Der Bundesrat erachtet die Empfehlung 3 der GPK-N als erfüllt. Wie in Ziffer 3.1 ausgeführt, lassen die rechtlichen Grundlagen bei Rüstungsbeschaffungen politischen Handlungsspielraum zu, wie den Einbezug von aussenpolitischen Aspekten. Es ist selbstverständlich, dass der Bundesrat auch bei zukünftigen grossen Rüstungsbeschaffungen aussenpolitische Aspekte entsprechend frühzeitig behandeln wird.

3.4 Empfehlung 4:

Empfehlung 4: Verbesserung der Koordination und Kommunikation Verbesserung der Koordination und Kommunikation

Die GPK-N empfiehlt dem Bundesrat, bei bedeutenden Rüstungsgeschäften künftig klarer zu regeln, wie die Koordination und gegenseitige Information im Bundesrat sowie die Verhandlungen und die Kommunikation mit den Vertretungen der betei- ligten Länder erfolgen soll.

Der Bundesrat erachtet die Empfehlung 4 der GPK-N als erfüllt, da die Koordination schon frühzeitig geregelt wurde und der Bundesrat entsprechend entschieden hat. Der Bundesrat hat das Vorgehen in seiner Stellungnahme zur Empfehlung 3 der GPK-N bereits erläutert.

3.5 Empfehlung 5:

Empfehlung 5: Kommunikation verbessern Kommunikation verbessern

Die GPK-N empfiehlt dem Bundesrat, zu prüfen, wie bei der Kommunikation von grossen Beschaffungsentscheiden mit aussenpolitischem Bezug das EDA einbezogen werden sollte. Zudem fordert sie den Bundesrat auf, in diesem Rahmen auch die Praxis der «closing meetings» kritisch zu hinterfragen.

Zum ersten Teil der Empfehlung 5 hält der Bundesrat fest, dass das VBS im Anschluss an den Typenentscheid des Bundesrates vom 30. Juni 2021 die Kommunikation an die verschiedenen Anspruchsgruppen und Partner sorgfältig und umsichtig, d. h. auch 10 / 12

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unter Einbezug des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), vorbereitet und planmässig durchgeführt hat. Insofern weist der Bundesrat die Kritik der GPK-N zurück.

Der Bundesrat teilt die Ansicht der GPK-N, die Praxis der «closing meetings», d. h.

der Abschlussgespräche mit den unterlegenen Anbietern, sei zu hinterfragen. Nach den vorliegenden Erfahrungen und wegen unterschiedlicher Auffassungen zwischen Vergabebehörde und Anbietern über «closing meetings» wird der Bundesrat prüfen, inwiefern unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsnormen auf diese verzichtet werden kann.

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