Protokoll vom 28. November 2003 über explosive Kriegsmunitionsrückstände1 (Protokoll V) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermässige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können Abgeschlossen in Genf am 28. November 2003

Die Hohen Vertragsparteien, in der Erkenntnis, dass explosive Kriegsmunitionsrückstände nach Konflikten schwerwiegende humanitäre Probleme verursachen, eingedenk der Notwendigkeit, ein Protokoll über Abhilfemassnahmen allgemeiner Art nach Konflikten zu schliessen, um die Gefahren und Wirkungen explosiver Kriegsmunitionsrückstände auf ein Mindestmass zu beschränken, sowie in dem Bestreben, durch die in einem Technischen Anhang niedergelegten freiwilligen bewährten Verfahren zur Verbesserung der Verlässlichkeit von Munition allgemeine vorbeugende Massnahmen zu treffen und somit das Vorkommen explosiver Kriegsmunitionsrückstände auf ein Mindestmass zu beschränken, sind wie folgt übereingekommen: Art. 1

Allgemeine Bestimmungen und Anwendungsbereich

1. Die Hohen Vertragsparteien kommen im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen und den für sie geltenden Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts überein, die in diesem Protokoll niedergelegten Verpflichtungen sowohl einzeln als auch in Zusammenarbeit mit anderen Hohen Vertragsparteien einzuhalten, um die von explosiven Kriegsmunitionsrückständen ausgehenden Gefahren und Wirkungen nach Konflikten auf ein Mindestmass zu beschränken.

2. Dieses Protokoll findet Anwendung auf explosive Kriegsmunitionsrückstände im Hoheitsgebiet der Hohen Vertragsparteien einschliesslich ihrer inneren Gewässer.

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Die amtliche schweizerische Übersetzung ist mit den Aussenministerien Deutschlands, Österreichs und Liechtensteins abgestimmt. Deutschland und Österreich werden in ihren amtlichen deutschsprachigen Übersetzungen durchgehend die in der nachfolgenden Übersicht wiedergegebenen abweichenden Begriffe verwenden und die daraus folgenden notwendigen grammatischen Anpassungen vornehmen: In den für Deutschland und Österreich In den für die Schweiz und Liechtenstein amtlichen deutschsprachigen Übersetzun- amtlichen deutschsprachigen Übersetzungen gen verwendete Begriffe: verwendete Begriffe: explosive Kampfmittel explosive Munition explosive Kampfmittelaltlasten bestehende explosive Kriegsmunitionsrückstände explosive Kampfmittelrückstände explosive Kriegsmunitionsrückstände

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3. Dieses Protokoll findet Anwendung auf aus Konflikten entstandene Situationen nach Artikel 1 Absätze 1 bis 6 des Übereinkommens in der am 21. Dezember 2001 geänderten Fassung.

4. Die Artikel 3, 4, 5 und 8 dieses Protokolls finden auf explosive Kriegsmunitionsrückstände Anwendung, die nicht bestehende explosive Kriegsmunitionsrückstände im Sinne des Artikels 2 Absatz 5 dieses Protokolls sind.

Art. 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Protokolls 1.

bedeutet explosive Munition konventionelle sprengstoffhaltige Munition mit Ausnahme von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen, wie sie im Protokoll II zu dem Übereinkommen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung definiert sind;

2.

bedeutet nicht zur Wirkung gelangte explosive Munition explosive Munition, die mit Zündmitteln versehen, gezündet, entsichert oder anderweitig einsatzbereit gemacht und in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt wurde. Sie wurde abgefeuert, abgeworfen, gestartet oder ausgestossen und ist entgegen ihrer Bestimmung nicht explodiert;

3.

bedeutet aufgegebene explosive Munition explosive Munition, die während eines bewaffneten Konflikts nicht eingesetzt wurde, die von einer an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Partei zurückgelassen oder weggeworfen wurde und die sich nicht mehr unter der Kontrolle der Partei befindet, von der sie zurückgelassen oder weggeworfen wurde. Aufgegebene explosive Munition kann mit Zündmitteln versehen, gezündet, entsichert oder anderweitig einsatzbereit gemacht worden sein oder nicht;

4.

bedeutet explosive Kriegsmunitionsrückstände nicht zur Wirkung gelangte explosive Munition und aufgegebene explosive Munition;

5.

bedeutet bestehende explosive Kriegsmunitionsrückstände nicht zur Wirkung gelangte explosive Munition und aufgegebene explosive Munition, die vor dem Inkrafttreten dieses Protokolls für die Hohe Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet sie sich befinden, vorhanden waren.

Art. 3

Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kriegsmunitionsrückstände

1. Jede Hohe Vertragspartei und jede an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Partei trägt entsprechend diesem Artikel die Verantwortung für alle explosiven Kriegsmunitionsrückstände im Gebiet unter ihrer Kontrolle. Kontrolliert eine Partei nicht das Gebiet, in dem sie explosive Munition verwendet hat, die zu explosiven Kriegsmunitionsrückständen geworden sind, so leistet sie nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten bilateral oder über einen gemeinsam vereinbarten Dritten, unter anderem über das System der Vereinten Nationen oder andere einschlägige Organisationen, Hilfe unter anderem technischer, finanzieller, materieller oder personeller Art, soweit praktisch möglich, um die Kennzeichnung und Räumung, 5602

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Beseitigung oder Zerstörung dieser explosiven Kriegsmunitionsrückstände zu erleichtern.

2. Nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten und so früh wie praktisch möglich kennzeichnet und räumt, beseitigt oder zerstört jede Hohe Vertragspartei und jede an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Partei explosive Kriegsmunitionsrückstände in betroffenen Gebieten unter ihrer Kontrolle. Gebiete, die von explosiven Kriegsmunitionsrückständen betroffen sind, welche nach Absatz 3 als schwerwiegende humanitäre Gefahr bewertet werden, sind bei der Räumung, Beseitigung oder Zerstörung vorrangig zu behandeln.

3. Nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten und so früh wie praktisch möglich ergreift jede Hohe Vertragspartei und jede an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Partei die folgenden Massnahmen in betroffenen Gebieten unter ihrer Kontrolle, um die von explosiven Kriegsmunitionsrückständen ausgehenden Gefahren zu begrenzen: a)

Untersuchung und Bewertung der von explosiven Kriegsmunitionsrückständen ausgehenden Bedrohung;

b)

Einschätzung und Ermittlung der vorrangigen Erfordernisse und der Durchführbarkeit hinsichtlich der Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung;

c)

Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kriegsmunitionsrückstände;

d)

Ergreifung von Massnahmen zur Mobilisierung von Mitteln für die Durchführung dieser Tätigkeiten.

4. Bei der Durchführung der oben genannten Tätigkeiten berücksichtigen die Hohen Vertragsparteien und die an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien internationale Normen einschliesslich der Internationalen Normen für Minenaktionen (International Mine Action Standards, IMAS).

5. Die Hohen Vertragsparteien arbeiten gegebenenfalls sowohl untereinander als auch mit anderen Staaten, einschlägigen regionalen und internationalen Organisationen sowie nichtstaatlichen Organisationen bei der Bereitstellung von Hilfe unter anderem technischer, finanzieller, materieller und personeller Art zusammen ­ einschliesslich, wenn die Umstände es zulassen, bei der Ergreifung gemeinsamer Massnahmen, die notwendig sind, um diesen Artikel umzusetzen.

Art. 4

Aufzeichnung, Aufbewahrung und Weitergabe von Informationen

1. Die Hohen Vertragsparteien und die an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien zeichnen und bewahren in grösstmöglichem Umfang und soweit durchführbar Informationen über den Einsatz explosiver Munition oder die Aufgabe von explosiver Munition auf, um die zügige Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kriegsmunitionsrückstände, die Aufklärung über Gefahren und die Bereitstellung einschlägiger Informationen an die Partei, die die Kontrolle über das Gebiet ausübt, und an die Zivilbevölkerung in diesem Gebiet zu erleichtern.

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2. Die Hohen Vertragsparteien und die an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien, die explosive Munition eingesetzt oder aufgegeben haben, welche zu explosiven Kriegsmunitionsrückständen geworden sein könnte, stellen, soweit durchführbar und unter Berücksichtigung ihrer berechtigten Sicherheitsinteressen, solche Informationen unverzüglich nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten der Partei oder den Parteien, die die Kontrolle über das betroffene Gebiet ausüben, bilateral oder über einen gemeinsam vereinbarten Dritten, unter anderem über die Vereinten Nationen oder auf Ersuchen über andere einschlägige Organisationen, von denen die informierende Partei überzeugt ist, dass sie Aufklärung über Gefahren und die Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kriegsmunitionsrückstände durchführen oder durchführen werden, zur Verfügung.

3. Bei der Aufzeichnung, Aufbewahrung und Weitergabe dieser Informationen sollten die Hohen Vertragsparteien Teil 1 des Technischen Anhangs berücksichtigen.

Art. 5

Sonstige Vorsichtsmassnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung, einzelner Zivilpersonen und ziviler Objekte vor den Gefahren und Wirkungen explosiver Kriegsmunitionsrückstände

Die Hohen Vertragsparteien und die an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Parteien ergreifen alle praktisch möglichen Vorsichtsmassnahmen in von explosiven Kriegsmunitionsrückständen betroffenem Gebiet unter ihrer Kontrolle, um die Zivilbevölkerung, einzelne Zivilpersonen und zivile Objekte vor den Gefahren und Wirkungen explosiver Kriegsmunitionsrückstände zu schützen. Praktisch mögliche Vorsichtsmassnahmen sind solche Vorsichtsmassnahmen, die unter Berücksichtigung aller zu dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umstände einschliesslich humanitärer und militärischer Erwägungen durchführbar oder praktisch möglich sind. Zu diesen Vorsichtsmassnahmen können Warnungen, Aufklärung der Zivilbevölkerung über Gefahren, Kennzeichnung, Absperrung und Überwachung des von explosiven Kriegsmunitionsrückständen betroffenen Gebiets, wie in Teil 2 des Technischen Anhangs beschrieben, gehören.

Art. 6

Vorkehrungen zum Schutz humanitärer Missionen und Organisationen vor den Wirkungen explosiver Kriegsmunitionsrückstände

1. Jede Hohe Vertragspartei und jede an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Partei a)

schützt humanitäre Missionen oder Organisationen, die mit Zustimmung dieser Partei in dem Gebiet tätig sind oder tätig sein werden, das von dieser Hohen Vertragspartei oder an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Partei kontrolliert wird, soweit praktisch möglich vor den Wirkungen explosiver Kriegsmunitionsrückstände;

b)

stellt einer solchen humanitären Mission oder Organisation auf Ersuchen soweit praktisch möglich Informationen über die Lage aller explosiven Kriegsmunitionsrückstände zur Verfügung, die ihr in dem Gebiet, in dem die

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ersuchende humanitäre Organisation oder Mission tätig werden wird oder tätig ist, bekannt sind.

2. Dieser Artikel lässt das bestehende humanitäre Völkerrecht, sonstige internationale Übereinkünfte, soweit sie anwendbar sind, und Beschlüsse des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, sofern in ihnen ein umfassenderer Schutz vorgesehen ist, unberührt.

Art. 7

Hilfe betreffend bestehende explosive Kriegsmunitionsrückstände

1. Jede Hohe Vertragspartei hat das Recht, von anderen Hohen Vertragsparteien, von Staaten, die nicht Vertragsparteien sind, und von einschlägigen internationalen Organisationen und Einrichtungen gegebenenfalls Hilfe bei der Behandlung der von bestehenden explosiven Kriegsmunitionsrückständen ausgehenden Probleme zu erbitten und zu erhalten.

2. Jede Hohe Vertragspartei, die hierzu in der Lage ist, leistet, soweit notwendig und praktisch möglich, Hilfe bei der Behandlung der von bestehenden explosiven Kriegsmunitionsrückständen ausgehenden Probleme. Dabei berücksichtigen die Hohen Vertragsparteien auch die humanitären Ziele dieses Protokolls sowie internationale Normen einschliesslich der Internationalen Normen für Minenaktionen (International Mine Action Standards, IMAS).

Art. 8

Zusammenarbeit und Hilfe

1. Jede Hohe Vertragspartei, die hierzu in der Lage ist, leistet Hilfe bei der Kennzeichnung und Räumung, Beseitigung oder Zerstörung explosiver Kriegsmunitionsrückstände, sowie bei der Aufklärung der Zivilbevölkerung über Gefahren und bei damit zusammenhängenden Tätigkeiten, unter anderem über das System der Vereinten Nationen, sonstige einschlägige internationale, regionale oder nationale Organisationen oder Einrichtungen, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, nationale Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds und deren Internationale Föderation, nichtstaatliche Organisationen oder auf bilateraler Ebene.

2. Jede Hohe Vertragspartei, die hierzu in der Lage ist, leistet Hilfe bei der Betreuung und Rehabilitation sowie der sozialen und wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Opfer explosiver Kriegsmunitionsrückstände. Diese Hilfe kann unter anderem über das System der Vereinten Nationen, einschlägige internationale, regionale oder nationale Organisationen oder Einrichtungen, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, nationale Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds und deren Internationale Föderation, nichtstaatliche Organisationen oder auf bilateraler Ebene geleistet werden.

3. Jede Hohe Vertragspartei, die hierzu in der Lage ist, leistet einen Beitrag zu den innerhalb des Systems der Vereinten Nationen eingerichteten Treuhandfonds sowie zu anderen einschlägigen Treuhandfonds, um die Hilfeleistung im Rahmen dieses Protokolls zu erleichtern.

4. Jede Hohe Vertragspartei hat das Recht, an einem möglichst umfassenden Austausch von Ausrüstung und Material sowie von wissenschaftlichen und technologischen Informationen, mit Ausnahme von waffenbezogener Technologie, teilzuneh5605

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men, die für die Durchführung dieses Protokolls notwendig sind. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, diesen Austausch im Einklang mit der innerstaatlichen Gesetzgebung zu erleichtern, und erlegen der Bereitstellung von Räumungsausrüstung und damit zusammenhängenden technologischen Informationen für humanitäre Zwecke keine ungebührlichen Beschränkungen auf.

5. Jede Hohe Vertragspartei verpflichtet sich, Informationen an die im System der Vereinten Nationen eingerichteten einschlägigen Datenbanken zu Minenaktionen weiterzugeben, insbesondere Informationen über die verschiedenen Mittel und Technologien zur Räumung explosiver Kriegsmunitionsrückstände, Listen von Fachleuten, Expertenagenturen oder nationale Kontaktstellen für die Räumung explosiver Kriegsmunitionsrückstände sowie, auf freiwilliger Basis, technische Informationen über die einschlägigen Arten explosiver Munition.

6. Die Hohen Vertragsparteien können den Vereinten Nationen, sonstigen geeigneten Gremien oder anderen Staaten durch sachdienliche Angaben begründete Hilfeersuchen unterbreiten. Diese Ersuchen können dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zugeleitet werden, der sie allen Hohen Vertragsparteien und einschlägigen internationalen Organisationen und nichtstaatlichen Organisationen übermittelt.

7. Bei Ersuchen, die an die Vereinten Nationen gerichtet werden, kann der Generalsekretär der Vereinten Nationen im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Mittel geeignete Schritte unternehmen, um die Sachlage zu beurteilen, und in Zusammenarbeit mit der ersuchenden Hohen Vertragspartei und anderen Hohen Vertragsparteien, denen die in Artikel 3 beschriebene Verantwortung zufällt, die geeignete Hilfeleistung empfehlen. Der Generalsekretär kann den Hohen Vertragsparteien auch über eine solche Beurteilung sowie über die Art und den Umfang der benötigten Hilfe, einschliesslich möglicher Beiträge aus dem innerhalb des Systems der Vereinten Nationen eingerichteten Treuhandfonds, berichten.

Art. 9

Allgemeine vorbeugende Massnahmen

1. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Situationen und Fähigkeiten wird jede Hohe Vertragspartei ermutigt, allgemeine vorbeugende Massnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, das Vorkommen explosiver Kriegsmunitionsrückstände auf ein Mindestmass zu beschränken, darunter die in Teil 3 des Technischen Anhangs genannten Massnahmen, ohne darauf begrenzt zu sein.

2. Jede Hohe Vertragspartei kann freiwillig Informationen im Zusammenhang mit Bemühungen um die Förderung und Einführung bewährter Gepflogenheiten in Bezug auf Absatz 1 austauschen.

Art. 10

Konsultationen der Hohen Vertragsparteien

1. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, einander über alle Fragen im Zusammenhang mit der Wirkungsweise dieses Protokolls zu konsultieren und miteinander zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zweck wird bei Zustimmung einer Mehrheit, mindestens jedoch von achtzehn Hohen Vertragsparteien, eine Konferenz der Hohen Vertragsparteien abgehalten.

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2. Die Arbeit der Konferenzen der Hohen Vertragsparteien umfasst: a)

die Überprüfung des Status und der Wirkungsweise dieses Protokolls;

b)

die Prüfung von Fragen betreffend die nationale Durchführung dieses Protokolls, einschliesslich der jährlichen nationalen Berichterstattung oder Aktualisierung;

c)

die Vorbereitung von Überprüfungskonferenzen.

3. Die Kosten der Konferenz der Hohen Vertragsparteien werden von den Hohen Vertragsparteien und den sich an der Konferenz beteiligenden Staaten, die keine Vertragsparteien sind, in Übereinstimmung mit dem entsprechend angepassten Beitragsschlüssel der Vereinten Nationen getragen.

Art. 11

Einhaltung

1. Jede Hohe Vertragspartei verpflichtet ihre Streitkräfte sowie ihre zuständigen Behörden und Ministerien zur Erstellung sachgerechter Vorschriften und Dienstanweisungen sowie dazu, dass ihr Personal eine den einschlägigen Bestimmungen dieses Protokolls entsprechende Ausbildung erhält.

2. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, einander bilateral, über den Generalsekretär der Vereinten Nationen oder im Rahmen sonstiger geeigneter internationaler Verfahren zu konsultieren und zusammenzuarbeiten, um Probleme zu lösen, die sich hinsichtlich der Auslegung und Anwendung dieses Protokolls ergeben können.

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Technischer Anhang Dieser Technische Anhang enthält Vorschläge zu bewährten Gepflogenheiten zur Erreichung der in den Artikeln 4, 5 und 9 dieses Protokolls enthaltenen Ziele. Dieser Technische Anhang wird von den Hohen Vertragsparteien freiwillig durchgeführt.

1. Aufzeichnung, Aufbewahrung und Freigabe von Informationen über nicht zur Wirkung gelangte explosive Munition und aufgegebene explosive Munition a)

Aufzeichnung von Informationen: Ein Staat sollte sich bemühen, in Bezug auf explosive Munition, die gegebenenfalls nicht zur Wirkung gelangt ist, folgende Informationen so genau wie möglich aufzuzeichnen: i) die Lage von Gebieten, die Einsatzziele explosiver Munition waren; ii) die ungefähre Anzahl explosiver Munition, die in den unter Ziffer i bezeichneten Gebieten eingesetzt wurde; iii) Art und Charakter der explosiven Munition, die in den unter Ziffer i bezeichneten Gebieten eingesetzt wurde; iv) die ungefähre Lage bekannter und vermuteter nicht zur Wirkung gelangter explosiver Munition.

Ist ein Staat gezwungen, explosive Munition im Verlauf einer Operation aufzugeben, so sollte er sich bemühen, die aufgegebene explosive Munition in sicherer Form zurückzulassen und folgende Informationen über diese Munition aufzuzeichnen: v) die Lage der aufgegebenen explosiven Munition; vi) die ungefähre Menge der aufgegebenen explosiven Munition an jeder einzelnen Stelle; vii) die Art der aufgegebenen explosiven Munition an jeder einzelnen Stelle.

b)

Aufbewahrung von Informationen: Hat ein Staat Informationen nach Buchstabe a aufgezeichnet, so sollten diese so aufbewahrt werden, dass sie in Übereinstimmung mit Buchstabe c abgerufen und anschliessend freigegeben werden können.

c)

Freigabe von Informationen: Informationen, die von einem Staat nach den Buchstaben a und b aufgezeichnet und aufbewahrt wurden, sollten unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen und sonstigen Verpflichtungen des Staates, der die Informationen zur Verfügung stellt, wie folgt freigegeben werden: i) Inhalt: In Bezug auf nicht zur Wirkung gelangte explosive Munition sollten die freigegebenen Informationen Einzelheiten enthalten über: (1) die ungefähre Lage bekannter und vermuteter nicht zur Wirkung gelangter explosiver Munition; (2) die Art und ungefähre Anzahl explosiver Munition, die in den Zielgebieten eingesetzt wurde;

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(3) das Verfahren zur Bestimmung der explosiven Munition einschliesslich Farbe, Grösse und Form sowie andere einschlägige Kennzeichnungen; (4) das Verfahren für die sichere Entsorgung der explosiven Munition.

In Bezug auf aufgegebene explosive Munition sollten die freigegebenen Informationen Einzelheiten enthalten über: (5) die Lage der aufgegebenen explosiven Munition; (6) die ungefähre Anzahl der aufgegebenen explosiven Munition an jeder einzelnen Stelle; (7) die Art der aufgegebenen explosiven Munition an jeder einzelnen Stelle; (8) das Verfahren zur Bestimmung der aufgegebenen explosiven Munition einschliesslich Farbe, Grösse und Form; (9) Informationen über die Art und die Methoden der Verpackung aufgegebener explosiver Munition; (10) den Bereitschaftsgrad; (11) die Lage und Art aller in einem Gebiet mit aufgegebener explosiver Munition bekanntermassen vorhandenen Sprengfallen.

ii) Empfänger: Die Informationen sollten der Partei oder den Parteien freigegeben werden, die die Kontrolle über das betroffene Gebiet ausüben, sowie den Personen oder Einrichtungen, von denen der freigebende Staat sich vergewissert hat, dass sie an der Räumung nicht zur Wirkung gelangter explosiver Munition oder aufgegebener explosiver Munition in dem betroffenen Gebiet sowie an der Aufklärung der Zivilbevölkerung über die Gefahren nicht zur Wirkung gelangter explosiver Munition oder aufgegebener explosiver Munition beteiligt sind oder beteiligt sein werden.

iii) Mechanismus: Ein Staat sollte, soweit praktisch möglich, die international oder lokal eingerichteten Mechanismen für die Freigabe von Informationen nutzen, darunter den Minenaktionsdienst der Vereinten Nationen (United Nations Mine Action Service, UNMAS), das System für das Management von Informationen über Minenaktionen (Information Management System for Mine Action, IMSMA) und sonstige Expertenagenturen, die der freigebende Staat für geeignet hält.

iv) Zeitrahmen: Die Informationen sollten so früh wie möglich freigegeben werden, wobei Probleme wie etwaige laufende militärische und humanitäre Massnahmen in den betroffenen Gebieten, die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Informationen und einschlägige Sicherheitsfragen zu berücksichtigen sind.

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2. Warnung, Aufklärung über Gefahren, Kennzeichnung, Absperrung und Überwachung Schlüsselbegriffe a)

Unter Warnung versteht man die rechtzeitige Erteilung von Sicherheitshinweisen an die Zivilbevölkerung mit dem Ziel, die von explosiven Kriegsmunitionsrückständen ausgehenden Gefahren in betroffenen Gebieten auf ein Mindestmass zu beschränken.

b)

Die Aufklärung der Zivilbevölkerung über Gefahren sollte durch Programme zur Aufklärung über Gefahren zur Erleichterung des Informationsaustauschs zwischen betroffenen Gemeinschaften, Regierungsbehörden und humanitären Organisationen erfolgen, damit die betroffenen Gemeinschaften über die Bedrohung durch explosive Kriegsmunitionsrückstände unterrichtet sind. Programme zur Aufklärung über Gefahren sind üblicherweise langfristig angelegt.

Bewährte Gepflogenheiten betreffend Warnungen und Aufklärung über Gefahren.

c)

Alle Programme zur Warnung und zur Aufklärung über Gefahren sollten, wenn möglich, bestehende nationale und internationale Normen einschliesslich der Internationalen Normen für Minenaktionen berücksichtigen.

d)

Warnung und Aufklärung über Gefahren sollten sich an die betroffene Zivilbevölkerung richten; hierzu gehören Zivilpersonen, die in Gebieten oder in der Nähe von Gebieten leben, in denen sich explosive Kriegsmunitionsrückstände befinden, und Zivilpersonen, die solche Gebiete durchqueren.

e)

Eine Warnung sollte in Abhängigkeit von Umfeld und verfügbaren Informationen so früh wie möglich erfolgen. Ein Warnprogramm sollte so früh wie möglich durch ein Programm zur Aufklärung über Gefahren ersetzt werden.

Warnung und Aufklärung über Gefahren sollten die betroffenen Gemeinschaften zum frühestmöglichen Zeitpunkt erreichen.

f)

An einem Konflikt beteiligte Parteien sollten Dritte, wie beispielsweise internationale Organisationen und nichtstaatliche Organisationen, hinzuziehen, wenn sie nicht über die Mittel und Fähigkeiten verfügen, eine wirksame Aufklärung über Gefahren durchzuführen.

g)

An einem Konflikt beteiligte Parteien sollten, wenn möglich, zusätzliche Mittel für Warnung und Aufklärung über Gefahren zur Verfügung stellen.

Dazu könnten gehören: Bereitstellung logistischer Unterstützung, Herstellung von Materialien zur Aufklärung über Gefahren, finanzielle Unterstützung und allgemeine kartographische Informationen.

Kennzeichnung, Absperrung, und Überwachung eines von explosiven Kriegsmunitionsrückständen betroffenen Gebiets h)

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Wenn möglich sollten die an einem Konflikt beteiligten Parteien jederzeit während eines Konflikts und danach möglichst früh und möglichst umfassend sicherstellen, dass Gebiete, in denen sich explosive Kriegsmunitions-

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rückstände befinden, gekennzeichnet, abgesperrt und überwacht werden, um Zivilpersonen in Übereinstimmung mit den folgenden Bestimmungen wirksam fern zu halten.

i)

Bei der Kennzeichnung mutmasslich gefährlicher Gebiete sollten Warnschilder verwendet werden, die so gekennzeichnet sind, dass sie die betroffene Gemeinschaft verstehen kann. Schilder und andere Begrenzungsmarkierungen für gefährliche Gebiete sollten soweit möglich sichtbar, lesbar, widerstandsfähig und umweltbeständig sein und deutlich erkennbar machen, welche Seite der gekennzeichneten Begrenzung als innerhalb des von explosiven Kriegsmunitionsrückständen betroffenen Gebiets liegend und welche Seite als sicher angesehen wird.

j)

Für die Überwachung und Wartung dauerhafter und provisorischer Kennzeichnungssysteme sollte eine geeignete Struktur eingerichtet werden, die in nationale und lokale Programme zur Aufklärung über Gefahren eingebunden ist.

3. Allgemeine vorbeugende Massnahmen Staaten, die explosive Munition herstellen oder beschaffen, sollten sich soweit möglich und angemessen darum bemühen, sicherzustellen, dass während der gesamten Lebensdauer explosiver Munition folgende Massnahmen durchgeführt und beachtet werden.

a)

Vorgehen bei der Herstellung von Munition i) Die Herstellungsabläufe sollten so gestaltet sein, dass die höchste Verlässlichkeit der Munition erreicht wird.

ii) Die Herstellungsabläufe sollten geprüften Massnahmen der Qualitätskontrolle unterliegen.

iii) Während der Herstellung explosiver Munition sollten international anerkannte geprüfte Normen der Qualitätssicherung angewendet werden.

iv) Zulassungstests sollten in Beschussprüfungen unter verschiedensten Bedingungen oder mit anderen anerkannten Verfahren durchgeführt werden.

v) Bei Verkauf und Weitergabe von explosiver Munition sollten strenge Verlässlichkeitsnormen verbindlich einzuhalten sein.

b)

Umgang mit Munition Um die bestmögliche Verlässlichkeit explosiver Munition dauerhaft sicherzustellen, werden die Staaten ermutigt, Normen betreffend bewährte Verfahren und Dienstanweisungen hinsichtlich Lagerung, Transport, Lagerung im Feld und Handhabung in Übereinstimmung mit folgenden Bestimmungen anzuwenden.

i) Explosive Munition sollte, wenn nötig, in sicheren Einrichtungen oder geeigneten Behältern gelagert werden, die explosive Munition und ihre Bestandteile erforderlichenfalls unter kontrollierten Umgebungsbedingungen schützen.

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ii)

iii) iv) v)

vi) vii) viii)

c)

Ein Staat sollte explosive Munition in und aus Einrichtungen zur Herstellung und Lagerung sowie im Feld so transportieren, dass Beschädigungen der explosiven Munition auf ein Mindestmass beschränkt werden.

Ein Staat sollte bei der Lagerung und beim Transport explosiver Munition erforderlichenfalls geeignete Behälter und kontrollierte Umgebungsbedingungen einsetzen.

Die Explosionsgefahr in Lagerbeständen sollte durch das Treffen geeigneter Lagerungsvorkehrungen auf ein Mindestmass beschränkt werden.

Die Staaten sollten geeignete Verfahren zur Registrierung, Verfolgung und Prüfung explosiver Munition einsetzen, die auch Informationen zum Herstellungsdatum jeder Serie, Partie oder Charge explosiver Munition einschliessen sollten, sowie Informationen darüber, wo die explosive Munition sich befand, unter welchen Bedingungen sie gelagert wurde und welchen Umwelteinflüssen sie ausgesetzt war.

Gelagerte explosive Munition sollte in regelmässigen Abständen gegebenenfalls in Beschussprüfungen getestet werden, um sicherzustellen, dass die Munition bestimmungsgemäss funktioniert.

Bestandteile gelagerter explosiver Munition sollten gegebenenfalls Labortests unterzogen werden, um sicherzustellen, dass die Munition bestimmungsgemäss funktioniert.

Erforderlichenfalls sollten auf Grund der durch Registrierungs-, Verfolgungs- und Prüfungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse geeignete Massnahmen, darunter Anpassungen der zu erwartenden Haltbarkeit der Munition, ergriffen werden, um die Verlässlichkeit gelagerter explosiver Munition aufrechtzuerhalten.

Ausbildung Die angemessene Ausbildung des gesamten Personals, das explosive Munition handhabt, transportiert und einsetzt, ist ein wichtiger Faktor bei der Sicherstellung der angestrebten zuverlässigen Funktionstüchtigkeit. Die Staaten sollten daher geeignete Ausbildungsprogramme erstellen und durchführen, um zu gewährleisten, dass das Personal hinsichtlich der Munition, die es handhaben muss, angemessen ausgebildet ist.

d)

Weitergabe Ein Staat, der plant, explosive Munition an einen anderen Staat weiterzugeben, der noch nicht im Besitz dieser Art explosiver Munition war, sollte sich bemühen sicherzustellen, dass der empfangende Staat über die Fähigkeiten verfügt, diese explosive Munition richtig zu lagern, zu warten und einzusetzen.

e)

Künftige Herstellung Ein Staat sollte Mittel und Wege prüfen, die Verlässlichkeit von explosiver Munition, die er herzustellen oder zu beschaffen beabsichtigt, mit dem Ziel zu verbessern, die grösstmögliche Verlässlichkeit zu erreichen.

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