BBl 2023 www.fedlex.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

zu 21.403 Parlamentarische Initiative Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung Bericht der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates vom 14. Dezember 2022 Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Februar 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates vom 14. Dezember 20221 betreffend die Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Februar 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

1

BBl 2023 ...

2023-0540

BBl 2023 598

BBl 2023 598

Stellungnahme 1

Ausgangslage

1.1

Entstehungsgeschichte

Das Bundesgesetz vom 4. Oktober 20022 über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung (KBFHG) ist seit dem 1. Februar 2003 in Kraft. Der Bund strebt mit diesem befristeten Impulsprogramm eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung an. Zu diesem Zweck gewährt er Finanzhilfen für die Schaffung eines bedarfsgerechten Kinderbetreuungsangebots in der Schweiz.

Seit dem 1. Juli 2018 beteiligt sich der Bund zusätzlich an Subventionserhöhungen der Kantone, um die Betreuungskosten der Eltern zu senken.3 Das Impulsprogramm war ursprünglich auf acht Jahre befristet und wurde seither mehrmals verlängert. Am 30. September 2022 haben die eidgenössischen Räte der Verlängerung des KBFHG bis Ende 2024 zugestimmt.4 Am 18. Februar 2021 beschloss die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) mit 15 zu 9 Stimmen, die parlamentarische Initiative «Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung» (21.403) einzureichen. Die Initiative verlangt, das befristete Impulsprogramm abzulösen und in eine stetige Unterstützung zu überführen. Diese soll eine massgebliche Vergünstigung der Elternbeiträge und eine Verbesserung der frühkindlichen Bildung bewirken, mit dem Ziel, die Entwicklungschancen der Kinder zu erhöhen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Die neue gesetzliche Regelung soll das Subsidiaritätsprinzip wahren und den individuellen Familienmodellen Rechnung tragen.

Am 29. März 2021 gab die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerats (WBK-S) der Initiative mit 7 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen Folge. Am 16. April 2021 und am 27. Mai 2021 beschloss die WBK-N, eine Subkommission einzusetzen, mit dem Auftrag, einen Gesetzesentwurf zur Konkretisierung des Initiativanliegens auszuarbeiten. Am 28. April 2022 hat die WBK-N die durch die Subkommission ausgearbeitete Vorlage beraten und verabschiedet. Sie schickte die Vorentwürfe des Gesetzes und des Bundesbeschlusses vom 17. Mai 2022 bis zum 7. September 2022 in die Vernehmlassung.

Am 27. Oktober 2022 und am 17. November 2022 nahm die WBK-N die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Kenntnis. Sie änderte den Gesetzesvorentwurf und den Vorentwurf des Bundesbeschlusses. Die WBK-N stimmte am 8. Dezember 2022 dem Gesetzesentwurf mit 17 Stimmen zu 7
Stimmen bei 1 Enthaltung und am 14. Dezember 2022 dem Entwurf des Bundesbeschlusses mit 15 zu 8 Stimmen zu und beschloss, die Vorlage ihrem Rat zu unterbreiten und den Bundesrat zur Stellungnahme einzuladen.

2 3 4

SR 861 AS 2018 2247 BBl 2022 2404

2 / 18

BBl 2023 598

1.2

Massnahmen auf Bundesebene

1.2.1

Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit

Für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung sind verschiedene Massnahmen erforderlich. Dazu zählt die Schaffung von familienergänzenden Betreuungsplätzen, die der Bund seit 2003 über das KBFHG unterstützt. Bis Ende 2022 hat der Bund die Schaffung von rund 71 900 Plätzen mitfinanziert, davon rund 42 100 in Kindertagesstätten und rund 29 800 in schulergänzenden Einrichtungen. Bislang ist der Bund hierfür Verpflichtungen von insgesamt 450 Millionen Franken eingegangen. Auf Antrag des Bundesrates wurde das KBFHG per 1. Juli 2018 um zwei neue Förderinstrumente erweitert: Zum einen kann der Bund Kantone und Gemeinden mit Finanzhilfen unterstützen, wenn sie ihre Subventionen für die familienergänzende Kinderbetreuung erhöhen, um die Betreuungskosten der Eltern zu senken.

Zum anderen kann der Bund einen Beitrag an Projekte leisten, die das Betreuungsangebot besser auf die Bedürfnisse der Eltern abstimmen. Dafür sprach das Parlament einen Verpflichtungskredit in der Höhe von 176,8 Millionen Franken.5 Am 28. April 2021 hat der Bundesrat die Gleichstellungsstrategie 20306 verabschiedet. Eines der vier Handlungsfelder der Strategie ist das Handlungsfeld «Vereinbarkeit und Familie». Massnahmen in diesem Handlungsfeld sollen dazu beitragen, dass Frauen und Männer von Rahmenbedingungen profitieren, welche die Vereinbarkeit von Privat-, Familien- und Erwerbsleben sowie die ausgeglichene Aufteilung von bezahlter Arbeit und unbezahlter Haus- und Familienarbeit begünstigen.

1.2.2

Verbesserung der Chancengerechtigkeit für Kinder im Vorschulalter

Am 3. Februar 2021 hat der Bundesrat den Bericht «Politik der frühen Kindheit ­ Auslegeordnung und Entwicklungsmöglichkeiten auf Bundesebene» in Erfüllung des Postulats der WBK-N (19.3417) und des Postulats Gugger (19.3262) verabschiedet.

Im Bericht wird aufgezeigt, auf welchen rechtlichen Grundlagen der Bund die frühe Förderung von Kindern unterstützen kann, um die Chancengerechtigkeit für Kinder im Vorschulalter zu verbessern. Da die frühe Förderung von Kindern ein Querschnittsthema ist, sind die Zuständigkeiten beim Bund auf verschiedene Departemente und Bundesämter verteilt. Die Unterstützungsmassnahmen des Bundes decken zahlreiche Themenbereiche ab. Dazu zählen die frühkindliche Gesundheitsförderung und Prävention, die kulturelle Teilhabe ab der frühen Kindheit, Gesundheit und Bewegung, Ernährung und Lebensmittelsicherheit, Kindesschutz, Kinderrechte und die Integration während der frühen Kindheit. Der Bundesrat hat anlässlich der Verabschie-

5

6

Finanzhilfen für die Schaffung von familienergänzenden Betreuungsplätzen für Kinder: Bilanz nach neunzehn Jahren, BSV, 2022. Kann abgerufen werden unter: www.bsv.admin.ch > Finanzhilfen > Familienergänzende Kinderbetreuung.

Gleichstellungsstrategie 2030. Kann abgerufen werden unter: www.gleichstellung2030.ch.

3 / 18

BBl 2023 598

dung des Berichts entschieden, die Zusammenarbeit und Koordination auf Bundesebene im Bereich der frühen Förderung von Kindern künftig zu verstärken.

Am 16. Juni 2022 hat der Ständerat das Postulat Baume-Schneider «Schaffung einer nationalen Beobachtungsstelle für die frühe Kindheit» (21.3741) angenommen. Der Bundesrat wird beauftragt, die Möglichkeit zur Schaffung einer nationalen Beobachtungsstelle für die frühe Kindheit zu untersuchen.

Am 29. Juni 2022 hat der Bundesrat den Bericht «Frühe Sprachförderung in der Schweiz» in Erfüllung der Motion Eymann (18.3834) verabschiedet. Der Bericht gibt einen Überblick zum Konzept der frühen Sprachförderung und zur Praxis in den Kantonen. Laut Bericht ist eine Verbesserung der frühen Sprachförderung zuallererst über eine Unterstützung der familienergänzenden Betreuungseinrichtungen und der Angebote der frühen Bildung zu erreichen.

1.3

Arbeitsmarktbeteiligung und Fachkräftebedarf

Sowohl hinsichtlich der Arbeitsmarktbeteiligung als auch der Rollenteilung in Beruf und Familie bestehen in der Schweiz grosse Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Im internationalen Vergleich ist die Erwerbsquote der Frauen in der Schweiz hoch, deren Erwerbspensen sind indessen sehr tief. Auf Vollzeitäquivalente umgerechnet entspricht die Erwerbsbeteiligung der 15- bis 64-jährigen Frauen 60 Prozent.

Als Grund für die tiefen Erwerbspensen wird insbesondere die Betreuung von Kindern und Angehörigen genannt, die nach wie vor deutlich häufiger von den Frauen wahrgenommen wird.7 Kinder im Haushalt beeinflussen die Rollenteilung von Frauen und Männern stark: 78 Prozent der erwerbstätigen Mütter mit Kindern unter 25 Jahren arbeiten Teilzeit, bei den Vätern macht dieser Anteil 12 Prozent aus.8 Das Erwerbsverhalten von Müttern und Vätern hat wirtschaftliche, sozialpolitische und gleichstellungspolitische Konsequenzen. Die Mütter erzielen im Vergleich zu den Vätern ein deutlich geringeres Erwerbseinkommen, was insbesondere nach einer Trennung oder Scheidung häufig mit erhöhten finanziellen Risiken einhergeht und sich negativ auf den Aufbau ihrer Altersvorsorge auswirkt. Die Unterschiede im Erwerbseinkommen von Müttern und Vätern entstehen primär nach der Geburt des ersten Kindes und bleiben langfristig bestehen; die Mütter kompensieren ihre Erwerbseinbussen über die Zeit nicht.9 Mütter, die die Familiengründung zum Anlass nehmen, ihre Erwerbstätigkeit aufzugeben oder ihr Erwerbspensum zu reduzieren, stehen dem Arbeitsmarkt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zur Verfügung.

7

8

9

Schweizerische Arbeitskräfteerhebung. SAKE in Kürze 2020, Bundesamt für Statistik, 2021. Kann abgerufen werden unter: www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > Kataloge und Datenbanken > Publikationen.

Familien in der Schweiz. Statistischer Bericht 2021, Bundesamt für Statistik, 2021, S. 26.

Kann abgerufen werden unter: www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > Bevölkerung > Familien.

Bischof, Severin et al. (2023): Die wirtschaftliche Situation von Familien in der Schweiz.

Bedeutung von Geburten und Scheidungen/Trennungen. Forschungsbericht im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) (Publikation in Vorbereitung).

4 / 18

BBl 2023 598

Der Schweizer Arbeitsmarkt hat einen hohen Bedarf an Fachkräften. Die Zuwanderung von ausländischen Fachkräften spielt bei der Deckung der Nachfrage nach Fachkräften eine wesentliche Rolle. Der Bundesrat möchte jedoch nur so viel Zuwanderung wie nötig.10 Allerdings nimmt der internationale Wettbewerb um die Fachkräfte zu. Damit die benötigten Fachkräfte nachhaltig verfügbar sind, ist die Erschliessung und Förderung des inländischen Fachkräftepotenzials in der Schweiz entscheidend.

Diese Zielsetzung wird in vier zentralen Handlungsfeldern verfolgt: mit der Nachund Höherqualifizierung entsprechend den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes, der Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der Schaffung guter Bedingungen für eine Erwerbstätigkeit bis zum Rentenalter und darüber hinaus sowie der Förderung von Innovationen zur Erhöhung der Produktivität. Der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit kommt folglich für die Deckung der wachsenden Nachfrage nach Fachkräften eine hohe Bedeutung zu.

Die Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung sind in der Schweiz im Durchschnitt bedeutend höher als im benachbarten Ausland. Dieser Unterschied ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass der Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand in der Schweiz im Vergleich mit den Nachbarländern markant tiefer ist.11 Die hohen Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung sind ­ neben den negativen Steueranreizen ­ ein wesentlicher Grund, der die Eltern von einer Erwerbstätigkeit abhält.12

2

Anträge der WBK-N

2.1

Die Vorlage der Mehrheit

Bundesbeitrag an die Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung Der Bund soll sich künftig dauerhaft an den Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung beteiligen. Für jedes Kind soll von der Geburt bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit ein Rechtsanspruch auf einen Bundesbeitrag bestehen, sofern es in einer privaten oder öffentlichen Einrichtung (z. B. Kindertagesstätte, Tagesstruktur) oder in einer Tagesfamilie familienergänzend betreut wird. Der Bundesbeitrag wird den Eltern unabhängig von ihrer finanziellen Situation gewährt. Er ist kein Ersatz für allfällige Subventionen der Kantone, Gemeinden und Arbeitgeber.

10

11

12

Informationsveranstaltung zur Begrenzungsinitiative in Chur vom 26.08.2020.

Kann abgerufen unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > «Der Bundesrat will nur soviel Zuwanderung wie nötig».

Bundesrat (2015): Vollkosten und Finanzierung von Krippenplätzen im Ländervergleich.

Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 13.3259 Christine Bulliard-Marbach «Krippen vergünstigen und den Sektor dynamisieren» vom 22. März 2013, 8.

Kann abgerufen werden unter: www.parlament.ch/centers/eparl/curia/2013/20133259/ Bericht%20BR%20D.pdf.

Credit Suisse (2021): So viel kostet ein Kitaplatz in der Schweiz.

Kinderbetreuungskosten im regionalen Vergleich. Kann abgerufen werden unter: www.credit-suisse.com > docs > ch.

5 / 18

BBl 2023 598

Der Bundesbeitrag beläuft sich während den ersten vier Jahren nach Inkraftsetzung des Gesetzes auf 20 Prozent der durchschnittlichen Kosten eines familienergänzenden Betreuungsplatzes. Danach legt der Bundesrat den Bundesbeitrag pro Kanton in Abhängigkeit von dessen Beiträgen für die institutionelle familienergänzende Kinderbetreuung fest. Für die Bemessung des Bundesbeitrags bestimmt der Bundesrat einen Schwellenwert. Die Höhe dieses Schwellenwerts entspricht der Höhe der Beiträge, die ein Kanton mindestens für die familienergänzende Kinderbetreuung gewähren muss, damit der Bundesbeitrag in der nachfolgenden vierjährigen Periode bei 20 Prozent der durchschnittlichen Kosten eines familienergänzenden Betreuungsplatzes bleibt. Liegt die Höhe der Beiträge eines Kantons unter diesem Schwellenwert, wird der Bundesbeitrag linear gekürzt. Die Kürzung ist allerdings begrenzt: Der Bundesbeitrag muss in allen Kantonen mindestens 10 Prozent der durchschnittlichen Kosten eines familienergänzenden Betreuungsplatzes betragen. Der Bundesrat legt den Schwellenwert alle vier Jahre so fest, dass die Kantone einen Anreiz haben, ihre Beiträge im Bereich der institutionellen familienergänzenden Kinderbetreuung zu erhöhen; zudem soll damit verhindert werden, dass die Kantone ihre Beiträge im gleichen Umfang senken, wie sich der Bund an den Kosten beteiligt.

Im Weiteren sieht der Entwurf vor, dass die Höhe des Bundesbeitrages unter Berücksichtigung der besonderen lokalen Verhältnisse zu bemessen ist. Die Kantone sind für die gesetzeskonforme Auszahlung der Bundesbeiträge an die Eltern verantwortlich und rechnen mit dem Bund ab. Gemäss Vorlage würde sich der Bund im ersten Jahr nach Inkraftsetzung des Gesetzes mit rund 710 Millionen Franken jährlich an den Kosten der Eltern für die institutionelle familienergänzende Kinderbetreuung beteiligen. In der ersten vierjährigen Periode ist davon auszugehen, dass infolge der im Gesetz vorgesehenen Massnahmen und der demografischen Entwicklung die institutionelle familienergänzende Kinderbetreuung vermehrt in Anspruch genommen wird.

Die Kosten für den Bundesbeitrag belaufen sich am Ende der ersten Periode gemäss WBK-N auf rund 860 Millionen Franken.

Programmvereinbarungen Das zweite vorgesehene Förderinstrument im Gesetzesentwurf sind Programmvereinbarungen zwischen dem Bund
und den Kantonen. Mit diesem Instrument soll der Bund den Kantonen globale Finanzhilfen zur Weiterentwicklung der familienergänzenden Kinderbetreuung und für Massnahmen zur Weiterentwicklung ihrer Politik der frühen Förderung von Kindern gewähren.

Der Bund kann den Kantonen auf der Basis von strategisch festgelegten Wirkungszielen Finanzhilfen gewähren. Er kann damit Folgendes unterstützen: ­

die Schaffung von familienergänzenden Betreuungsplätzen für Kinder im Vorschul- und Schulalter sowie für Kinder mit Behinderungen im Vorschulalter zur Schliessung von Angebotslücken;

­

Massnahmen zur besseren Abstimmung der familienergänzenden Betreuungsangebote auf die Bedürfnisse der Eltern, insbesondere hinsichtlich der Erweiterung und Flexibilisierung der Betreuungszeiten;

­

Massnahmen zur Verbesserung der pädagogischen und betrieblichen Qualität der Angebote der familienergänzenden Kinderbetreuung;

6 / 18

BBl 2023 598

­

Massnahmen der Kantone zur Weiterentwicklung ihrer Politik der frühen Förderung von Kindern.

Der Gesetzesentwurf sieht drei vierjährige Vertragsperioden vor. Für die erste Periode beantragt die WBK-N einen Verpflichtungskredit von 224 Millionen Franken.

Statistiken Schliesslich schafft der Gesetzesentwurf eine Rechtsgrundlage für den Aufbau und die Durchführung einer Bundesstatistik in den Bereichen der familienergänzenden Kinderbetreuung sowie der Politik der frühen Förderung von Kindern. Diese Statistiken fehlen bislang, weshalb die WBK-N gewillt ist, diese Lücke zu schliessen. Der entsprechende Artikel verankert die Mitarbeit der Kantone bei der Erstellung der Statistiken und verpflichtet sie, dem Bundesamt für Statistik die entsprechenden Daten in standardisierter Form zur Verfügung zu stellen.

2.2

Wesentliche Minderheiten

Eine Minderheit (Umbricht Pieren) lehnt die Vorlage gänzlich ab. Sie ist der Ansicht, dass die familienergänzende Kinderbetreuung und die frühe Förderung von Kindern in die Zuständigkeit der Kantone und Gemeinden fallen und daher keine Unterstützung durch den Bund vorzusehen ist. Eine weitere Minderheit (Gutjahr) möchte den Gesetzesentwurf an die WBK-N zurückweisen mit dem Auftrag, eine neue Vorlage auszuarbeiten, damit alle Eltern, welche für die Kinderbetreuung bezahlen, von staatlichen finanziellen Unterstützungen profitieren können.

Eine Minderheit (Wasserfallen Christian) möchte die Vorlage auf den Bundesbeitrag begrenzen und auf die Programmvereinbarungen mit den Kantonen verzichten. Eine weitere Minderheit (Umbricht Pieren) möchte auf alle Gesetzesdispositionen, die die Politik der frühen Förderung von Kindern betreffen, verzichten.

Eine Minderheit (Gutjahr) möchte im Mehrheitsmodell den Prozentsatz für den Bundesbeitrag auf maximal 10 Prozent beschränken und eine Kürzung bis 0 Prozent vorsehen. Eine weitere Minderheit (Fivaz) möchte am Anreizsystem der Vernehmlassungsvorlage (Sockelbeitrag 10 % und Zusatzbeitrag von max. 10 %) festhalten, allerdings eine lineare Berechnung des Zusatzbeitrags einführen. Zwei weitere Minderheiten möchten vom Anreizsystem abrücken und sehen einen konstanten Bundesbeitrag von 10 Prozent (Umbricht Pieren) respektive 15 Prozent (Wasserfallen Christian) vor.

Eine Minderheit (Umbricht Pieren) möchte, dass der Bundesbeitrag nur jenen Eltern gewährt wird, deren kumulierter Beschäftigungsgrad mehr als 100 Prozent beträgt.

Eine Minderheit (de Montmollin) möchte, dass der Bundesrat in der Verordnung den kumulierten Mindestbeschäftigungsgrad der beiden Eltern festlegt, der den Anspruch auf den Bundesbeitrag begründet.

Eine Minderheit (de Montmollin) möchte den Rechtsanspruch auf den Bundesbeitrag auf Kinder von der Geburt bis zum Ende der Primarschulstufe begrenzen. Eine weitere Minderheit (Umbricht Pieren) möchte den Rechtsanspruch auf den Bundesbeitrag auf Kinder beschränken, die im Vorschulalter sind.

7 / 18

BBl 2023 598

Eine Minderheit (Kutter) möchte auf die Bemessung des Bundesbeitrags nach den besonderen lokalen Verhältnissen verzichten und den Bundesbeitrag stattdessen nach einem schweizerischen Durchschnittswert festlegen.

3

Kosten

Die Kosten für das beantragte Modell der Mehrheit der WBK-N und die Minderheitsmodelle sind der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen: Übersicht zu den Kosten für die zwei Förderinstrumente Bundesbeitrag

Programmvereinbarungen

Kosten in Mio. Fr.

im ersten Jahr nach Inkraftsetzung des Gesetzes

Kosten in Mio. Fr.

für die ersten vier Jahre nach Inkraftsetzung des Gesetzes

Mehrheit der WBK-N

710

Minderheit Gutjahr zu Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 E-UKibeG (Malus-System mit einem Bundesbeitrag von max. 10 %)

360

Minderheit Fivaz zu den Art. 7, 8 und 9 E-UKibeG (Bonus-System mit einem Sockelbeitrag von 10 % und einem Zusatzbeitrag von max. 10 %)

610

Minderheit Wasserfallen Christian zu den Art. 7, 8 und 9 E-UKibeG (Bundesbeitrag von 15 %, ohne Anreiz-System)

530

Minderheit Umbricht Pieren zu den Art. 7, 8 und 9 E-UKibeG (Bundesbeitrag von 10 % der effektiv in Rechnung gestellten Kosten, ohne Anreiz-System)

max. 360

8 / 18

224 (56 Mio. Fr.

pro Jahr)

BBl 2023 598

Minderheit Kutter zu Art. 7 Abs. 1, 2 und 4 E-UKibeG (Modell der Mehrheit der WBK-N mit einheitlichem Bundesbeitrag für die ganze Schweiz)

Bundesbeitrag

Programmvereinbarungen

Kosten in Mio. Fr.

im ersten Jahr nach Inkraftsetzung des Gesetzes

Kosten in Mio. Fr.

für die ersten vier Jahre nach Inkraftsetzung des Gesetzes

710

Minderheit Wasserfallen Christian zum 3. Abschnitt (Art. 13­16) E-UKibeG (keine Programmvereinbarungen)

0

Durchführungskosten Die Durchführungskosten für die beiden Förderinstrumente belaufen sich auf 16 Millionen Franken für vier Jahre. Bei einem Verzicht auf die Programmvereinbarungen würden sich diese Kosten wesentlich verringern, weil der Aufwand für die Verhandlung und Durchführung der Programmvereinbarungen mit den Kantonen entfallen würde.

4

Stellungnahme des Bundesrates

4.1

Allgemeine Würdigung der Kommissionsvorlage

Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass die familienergänzende Kinderbetreuung weiterhin gefördert werden müsse und dass die öffentliche Hand die Eltern finanziell stärker entlasten soll. Dies insbesondere auch im Kontext des Fachkräftemangels. Er lehnt aber einen Bundesbeitrag, mit dem die Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung gesenkt werden sollen, grundsätzlich ab. Zum einen ist die familienergänzende Kinderbetreuung in der Kompetenz der Kantone und auch in der Verantwortlichkeit der Arbeitgeber, zum anderen erlaubt die angespannte finanzielle Situation des Bundes kein weiteres Engagement. Zudem würde dieser Bundesbeitrag bei anderen wichtigen und vom Parlament beschlossenen Aufgaben des Bundes zu Einsparungen führen. Wenn das Parlament auf die Vorlage eintritt, müssen für den Bundesrat gewisse Bedingungen erfüllt sein, insbesondere eine stärkere finanzielle Beteiligung der Kantone.

Der Bundesrat erachtet die mit der Vorlage der WBK-N einhergehenden Kosten für den Bundesbeitrag in der Höhe von 710 Millionen Franken im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes und steigenden Kosten in den Folgejahren sowie die zusätzlichen 56 Millionen Franken jährlich für die Programmvereinbarungen angesichts der angespannten finanziellen Situation des Bundes als nicht finanzierbar. Zudem gilt es zu beachten, dass primär die Kantone und Gemeinden die Verantwortung für die 9 / 18

BBl 2023 598

familienergänzende Kinderbetreuung und die frühe Förderung von Kindern tragen.

Sofern das Parlament auf die Vorlage eintritt, müssen die Kosten für den Bundesbeitrag erheblich reduziert werden und muss auf die Programmvereinbarungen verzichtet werden.

Die vorgeschlagene Statistik zur Politik der frühen Förderung von Kindern lehnt der Bundesrat ab, weil diese aufgrund des von ihm beantragten Verzichts auf die Programmvereinbarungen in der alleinigen Zuständigkeit der Kantone und Gemeinden verbleibt.

4.2

Beurteilung der Förderinstrumente

Sollte das Parlament auf die Vorlage eintreten, beurteilt der Bundesrat die Förderinstrumente wie nachstehend ausgeführt.

4.2.1

Bundesbeitrag an die Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung

Neben Transferleistungen wie den Familienzulagen, die die Kosten des Unterhalts eines oder mehrerer Kinder teilweise ausgleichen, kann ein Bundesbeitrag an die Kosten der Eltern, wie er von der WBK-N vorgeschlagen wird, nach Auffassung des Bundesrats einen Beitrag leisten, damit Eltern stärker als bisher in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

Der Bundesbeitrag an die Kosten der Eltern für die institutionelle familienergänzende Kinderbetreuung käme allen Eltern zugute, die diese in Anspruch nehmen. Der Bund würde einen Beitrag leisten, damit insbesondere die Mütter ihr Beschäftigungspotenzial, unabhängig von ihrem Einkommen und ihrer beruflichen Qualifikation, besser ausschöpfen können.

Zweck des Bundesbeitrags Gemäss dem Zweck der Vorlage beteiligt sich der Bund an den Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung, damit diese eine Erwerbstätigkeit ausüben oder eine Ausbildung absolvieren können. Die Eltern sollen nur dann Anspruch auf den Bundesbeitrag haben, wenn sie ihre Kinder familienergänzend institutionell betreuen. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die Absolvierung einer Ausbildung der Eltern ist gemäss Vorlage aber keine zwingende Voraussetzung für den Anspruch auf einen Bundesbeitrag.

Der Bundesrat vertritt die Ansicht, dass der Bundesbeitrag nur jenen Eltern gewährt werden soll, die einer Erwerbstätigkeit ausüben oder eine Ausbildung absolvieren und die ihre Kinder aus diesen Gründen nicht selber betreuen können. Diese Einschränkung der Anspruchsberechtigung entspricht den Zielsetzungen der Vorlage: Sie soll zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels beitragen. Damit wird ausgeschlossen, dass Bundesbeiträge an Eltern ausgerichtet werden, die ihr Kind aus anderen Gründen familienergänzend betreuen lassen bzw. ihr Kind auch selber betreuen könnten.

10 / 18

BBl 2023 598

Der Bundesrat beantragt aus diesen Gründen, der Minderheit de Montmollin zuzustimmen und den Gesetzesentwurf dahingehend anzupassen, dass der Bundesrat in der Verordnung den kumulierten Mindestbeschäftigungsgrad (Erwerbstätigkeit und Ausbildung) der beiden Eltern festlegt, der den Anspruch auf den Bundesbeitrag begründet. Den unterschiedlichen Familienformen (z. B. Situation von Einelternhaushalten) soll dabei Rechnung getragen werden.

Anspruch auf den Bundesbeitrag Laut der Vorlage der WBK-N soll jedes Kind von der Geburt bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit Anspruch auf einen Bundesbeitrag haben, sofern es institutionell betreut wird. Der Bundesrat teilt die Auffassung der WBK-N insofern, als sowohl Eltern mit Vorschulkindern als auch Eltern mit Schulkindern finanziell entlastet werden sollen. Für die Eltern von Jugendlichen im Alter von 13-15 Jahren fallen jedoch in der Regel keine Betreuungskosten, sondern nur noch Verpflegungskosten an. Bei der Berechnung des Bundesbeitrags wurden die Verpflegungskosten nicht einberechnet, da Eltern, die ihr Kind familienergänzend betreuen lassen, finanziell nicht bessergestellt sein sollen als Eltern, die ihr Kind zuhause betreuen; auch bei einer privaten Betreuung fallen täglich Kosten für die Verpflegung an. Aus diesem Grund fällt die Kostenschätzung zum Vorschlag der Mehrheit der WBK-N gleich hoch aus wie jene für die Minderheit de Montmollin, die die obere Altersgrenze an das Ende der Primarstufe setzen möchte. Aus Sicht des Bundesrates ermöglicht die Minderheit de Montmollin, den Kreis der anspruchsberechtigten Kinder gezielt einzugrenzen, sodass der Bundesbeitrag jene Eltern entlastet, die hohe Betreuungskosten tragen.

Der Bundesrat beantragt aus diesen Gründen, der Minderheit de Montmollin zuzustimmen und den Gesetzesentwurf dahingehend anzupassen, dass jedes Kind von der Geburt bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit der Primarstufe (8P Harmos) Anspruch auf einen Bundesbeitrag hat, sofern es institutionell betreut wird.

Höhe und Ausgestaltung des Bundesbeitrags Nach Auffassung des Bundesrats soll der Bundesbeitrag die Eltern substanziell entlasten. Eine neue Bundesausgabe von schätzungsweise 710 Millionen Franken im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes und steigenden Kosten in den Folgejahren lehnt der Bundesrat in Anbetracht der
aktuellen strukturellen Defizite in der Finanzplanung und der weiteren Herausforderungen im Bundeshaushalt (Sicherheit, Migration, Klima, Gesundheit, Demografie) jedoch ab. Ein Bundesbeitrag in der Höhe von 10 Prozent der durchschnittlichen Kosten eines familienergänzenden Betreuungsplatzes wäre für den Bund finanziell verkraftbar. Es entstünden Kosten in der Höhe von rund 360 Millionen Franken im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes. Für die Eltern würde ein Bundesbeitrag in dieser Höhe eine effektive Entlastung darstellen.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mit einem Bundesbeitrag unter 10 Prozent keine wirksame Entlastung der Eltern erzielt werden kann.

Der Bundesrat ist der Meinung, dass bei der Ausgestaltung des Bundesbeitrags auf ein Anreiz-System für die Kantone (Malus- oder Bonus-System) zu verzichten ist. Ein solches System würde dazu führen, dass die Eltern, deren Kind in einem Kanton betreut wird, der sich finanziell nur geringfügig für eine Senkung der Kosten der familienergänzenden Kinderbetreuung engagiert, doppelt bestraft würden: Sie hätten 11 / 18

BBl 2023 598

vergleichsweise hohe Betreuungskosten, weil der Kanton diese kaum subventionieren würde, und würden zusätzlich einen niedrigen oder ­ je nach Modell ­ gar keinen Bundesbeitrag erhalten. Eine solche Ungleichbehandlung der Eltern durch den Bund ist aus Sicht des Bundesrates stossend. Zudem hat sich in der Evaluation der Finanzhilfen gemäss KBFHG für Subventionen von Kantonen und Gemeinden gezeigt, dass die Kantone ihre Subventionen dann erhöhen, wenn der politische Wille im Kanton dafür gegeben ist, unabhängig von einer allfälligen Mitfinanzierung durch den Bund.

Daher haben sich erhebliche Mitnahmeeffekte ergeben.13 Die Wirkung der vorgeschlagenen Anreiz-Systeme ist daher ausgesprochen zweifelhaft. Gegen solche Anreiz-Systeme spricht schliesslich auch der unverhältnismässig hohe Durchführungsaufwand.

Der Bundesrat beantragt aus diesen Gründen, in Anlehnung an die Minderheit Wasserfallen Christian, einen Bundesbeitrag ohne Anreiz-System, mit einem fixen Prozentsatz der durchschnittlichen Kosten eines familienergänzenden Betreuungsplatzes, zu unterstützen. Der Bundesrat beantragt, dass der Gesetzesentwurf dahingehend angepasst wird, dass die Höhe des Bundesbeitrags 10 Prozent dieser Kosten entspricht.

Festlegung des Bundesbeitrags nach lokalen Verhältnissen Die Mehrheit der WBK-N schlägt vor, dass der Bundesrat bei der Berechnung des Bundesbeitrags die besonderen lokalen Verhältnisse berücksichtigt. Sie will damit dem Umstand Rechnung tragen, dass sich die Kosten der Eltern für die institutionelle familienergänzende Kinderbetreuung regional stark unterscheiden. Laut der Minderheit Kutter soll der Bundesbeitrag hingegen nach den durchschnittlichen Vollkosten eines familienergänzenden Betreuungsplatzes in der Schweiz bemessen werden. Aufgrund einer allfälligen linearen Kürzung des Bundesbeitrags (Art. 8 E-UKibeG) könnten sowohl gemäss dem Vorschlag der Mehrheit als auch gemäss dem Vorschlag der Minderheit Kutter bei gleichem Betreuungsumfang (zusätzliche) Unterschiede in der Höhe des Bundesbeitrages entstehen.

Der Bundesrat erachtet die von der Mehrheit geforderte Berücksichtigung der besonderen lokalen Verhältnisse als problematisch: Nach Auffassung des Bundesrates ist es die Aufgabe der Kantone und Gemeinden, bei der Subventionierung der familienergänzenden Kinderbetreuungsangebote ihre besonderen
lokalen Verhältnisse, wie das regionale Lohn- und Mietkostenniveau, sowie die geltenden Qualitätsstandards zu berücksichtigen. Mit der Berücksichtigung der besonderen lokalen Verhältnisse würde der Bund Anreize für die einzelnen Kantone schaffen, die Kosten möglichst hoch anzusetzen. Dies widerspricht den Bestrebungen der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), die Qualitätsanforderungen an die

13

Stern, Susanne et al. (2022): Evaluation Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung: Wirkungen der Finanzhilfen für Subventionserhöhungen in Kantonen.

Forschungsbericht 8/22 im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen.

12 / 18

BBl 2023 598

Betreuungsangebote schweizweit zu vereinheitlichen.14 Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass die regionalen Kostenunterschiede bei den Betreuungsangeboten auch einhergehen mit unterschiedlichen durchschnittlichen Lohnniveaus der Eltern ­ relativ betrachtet, dürfte dies einen wesentlichen Teil der Kostenunterschiede kompensieren.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat ein Forschungsbüro damit beauftragt, zu untersuchen, nach welchen Kriterien die besonderen lokalen Verhältnisse berücksichtigt werden könnten. Die Forschenden sind zum Schluss gekommen, dass es keine geeigneten Indikatoren gibt, die eine unterschiedliche Bemessung der Vollkosten rechtfertigen würden. Sie weisen zudem darauf hin, dass eine Ausdifferenzierung des Bundesbeitrags nach den lokalen Gegebenheiten mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden wäre.15 Der Bundesrat beantragt aus diesen Gründen, dass der Gesetzesentwurf in Anlehnung an die Minderheit Kutter dahingehend angepasst wird, dass der Bundesbeitrag nach den durchschnittlichen Kosten eines familienergänzenden Betreuungsplatzes in der Schweiz bemessen wird.

Finanzierung des Bundesbeitrags Nach Auffassung des Bundesrats soll der Bundesbeitrag die Eltern substanziell entlasten. Eine neue Bundesausgabe von schätzungsweise 710 Millionen Franken im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes und steigende Kosten in den Folgejahren lehnt der Bundesrat in Anbetracht der aktuellen strukturellen Defizite in der Finanzplanung und der weiteren Herausforderung im Bundeshaushalt (Sicherheit, Migration, Klima, Gesundheit, Demografie) jedoch ab. Zudem würde dieser Bundesbeitrag bei anderen wichtigen Aufgaben des Bundes zu Einsparungen führen. Ein Bundesbeitrag in der Höhe von 10 Prozent der durchschnittlichen Kosten eines familienergänzenden Betreuungsplatzes würde zu Kosten von rund 360 Millionen Franken im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes führen. Für die Eltern würde ein Bundesbeitrag in dieser Höhe eine effektive Entlastung darstellen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mit einem Bundesbeitrag unter 10 Prozent keine wirksame Entlastung der Eltern mehr erzielt werden kann.

Aufgrund der kantonalen Zuständigkeit in diesem Aufgabenbereich erscheint eine namhafte finanzielle Beteiligung der Kantone als geboten und angezeigt. Die Mehrausgaben des Bundes
belaufen sich im Einführungsjahr (voraussichtlich 2025) auf 360 Millionen Franken. Kann diesen Mehrausgaben keine Gegenfinanzierung gegenübergestellt werden, so müsste die für die Bereinigung des Voranschlags und des Finanzplans ohnehin nötige Sparvorgabe bei den schwach gebundenen Bundesausgaben von 2 auf rund 3.5 Prozent erhöht werden.

14

15

Empfehlungen der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK) und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zur Qualität und Finanzierung der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung.

November 2022. Kann abgerufen werden unter: www.sodk.ch > Dokumentation > Empfehlungen oder www.edk.ch > Dokumentation > Rechtstexte und Beschlüsse > Empfehlungen.

Stern Susanne et al. (2023): Bundesbeitrag an die Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung. Berechnungsgrundlage. Bericht im Auftrag des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) (Publikation in Vorbereitung).

13 / 18

BBl 2023 598

Eine angesichts der kantonalen Zuständigkeit naheliegende Möglichkeit zur Gegenfinanzierung besteht in der Senkung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer gemäss Artikel 196 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199016 über die direkte Bundessteuer (DBG). Eine Senkung des Kantonsanteils gemäss Absatz 1 um 0.7 Prozentpunkte von derzeit 21.2 Prozent auf neu 20.5 Prozent würde zu Mehreinnahmen von rund 200 Millionen Franken jährlich führen. Die Nettobelastung des Bundes würde sich demzufolge im Einführungsjahr noch auf 160 Millionen Franken jährlich belaufen, was trotzdem noch zusätzliche Sparvorgaben nötig machen würde.

Es ist davon auszugehen, dass infolge der im Gesetz vorgesehenen Massnahmen und der demografischen Entwicklung die institutionelle familienergänzende Kinderbetreuung vermehrt in Anspruch genommen wird. Die Kosten der neuen Subvention wachsen daher stärker als die Gegenfinanzierung. Die Sparvorgaben werden folglich mit der Zeit ansteigen. Ohne Korrekturmöglichkeit führt dies zu einer zunehmenden Nettobelastung des Bundes, wobei die übersteigenden Kürzungen im ungebundenen Aufgabenbereich finanziert werden müssten. Steigt die Nettobelastung des Bundes auf jährlich über 200 Millionen Franken an ­ sechsmal mehr als der Bund heute für die familienergänzende Kinderbetreuung einsetzt ­ soll der Kantonsanteil gemäss neuem Artikel 196 Absatz 1ter DBG ein zweites ­ und letztes ­ Mal um weitere 0.4 Prozentpunkte gesenkt werden (auf dannzumal 20.1 Prozent), um so die Gegenfinanzierung der Kosten für den Bundesbeitrag nochmals zu erhöhen.

Ein solcher Korrekturmechanismus ist nicht nur aus Sicht der Bundesfinanzen begründbar. Sind die Kostensteigerungen auf die (erwünschte) höhere Inanspruchnahme der institutionellen familienergänzenden Kinderbetreuung zurückzuführen, profitieren auch die Kantone von den Standortvorteilen.

Der Bundesrat beantragt aus diesem Grund, die Gegenfinanzierung und die Übernahme eines Grossteils der Kosten über die Senkung des Anteils der Kantone an der direkten Bundessteuer in der vorangehend vorgestellten Weise sicherzustellen. Die Bestimmungen im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (Art. 196) sind entsprechend anzupassen und zu ergänzen.

4.2.2

Programmvereinbarungen

Die Mehrheit der WBK-N sieht zusätzlich zum Bundesbeitrag an die Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung die Einführung von Programmvereinbarungen vor. Die Minderheit Wasserfallen Christian beantragt, diese nicht in die Vorlage aufzunehmen.

Die in den Programmvereinbarungen vorgesehenen Förderbereiche decken sich weitgehend mit den in den vergangenen Jahren durch den Bund finanzierten Massnahmen für die Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung und der frühen Förderung von Kindern. So leistet der Bund bereits seit 2003 Finanzhilfen für die Schaffung von Betreuungsplätzen und seit 2018 Finanzhilfen für Projekte zur besseren Abstimmung des familienergänzenden Betreuungsangebots auf die Bedürfnisse der Eltern.

16

SR 642.11

14 / 18

BBl 2023 598

Gestützt auf Artikel 26 des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes vom 30. September 201117 (KJFG) hat der Bund den Kantonen 2014­2022 Finanzhilfen für kantonale Programme zum Aufbau und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendpolitik gewährt. Im Rahmen dieser befristeten Anschubfinanzierung hat der Bund den Kantonen auch Finanzhilfen für die frühe Förderung von Kindern ausgerichtet.18 Der Bundesrat fordert die Kantone und Gemeinden deshalb auf, ihre Kompetenz auszuschöpfen und künftig eigenständig für den Aufbau eines bedarfsgerechten familienergänzenden Kinderbetreuungsangebots zu sorgen sowie ihre Politiken der frühen Förderung von Kindern selbstständig weiterzuentwickeln.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Abschluss einer Programmvereinbarung für die Kantone freiwillig ist. Dies führt zu einer unerwünschten Ungleichbehandlung der Eltern: Im Unterschied zum Bundesbeitrag würden die Bundesmittel nicht allen Eltern zugutekommen, die ihre Kinder familienergänzend betreuen lassen, sondern nur den Eltern in Kantonen, die mit dem Bund eine Programmvereinbarung abschliessen. Ein weiterer Nachteil von Programmvereinbarungen ist der hohe Durchführungsaufwand: Mit einem Verzicht auf die Programmvereinbarungen könnten die veranschlagten Durchführungskosten reduziert werden. Hinzu kommt, dass der Bundesrat grundsätzlich Vorbehalte hat, in diesen Bereichen Programmvereinbarungen mit den Kantonen vorzusehen. Das Instrument der Programmvereinbarung ist grundsätzlich ein bewährtes Instrument, um gemeinsam mit den Kantonen bestimmte Politikbereiche zu fördern. Die Programmvereinbarung wurde aber als Instrument zur gemeinsamen Finanzierung von Aufgaben in der gemeinsamen Zuständigkeit von Bund und Kantonen konzipiert. Sie ermöglicht eine partnerschaftliche Zusammenarbeit und Rollenklärung zwischen den Staatsebenen. Bei der familienergänzenden Kinderbetreuung und der frühen Förderung von Kindern handelt es sich aber nicht um Verbundaufgaben: Die Zuständigkeit liegt primär bei den Kantonen und Gemeinden. Sie sind verantwortlich für die Bereitstellung eines bedarfsgerechten Betreuungsangebots. Mit den in der Vorlage vorgesehenen Programmvereinbarungen besteht somit die Gefahr, dass die kantonalen Massnahmen zur Verbesserung des Angebots übersteuert werden.

Primäres Ziel der Vorlage sollte nach Ansicht des
Bundesrates eine Neuausrichtung der Bundesunterstützung im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung sein: Weg von den erfahrungsgemäss wenig wirksamen Finanzhilfen an die Kantone für angebotsseitige Massnahmen hin zu einer subjektorientierten Finanzierung mit dem Ziel, die Eltern direkt finanziell zu entlasten.

Der Bundesrat beantragt aus den genannten Gründen, der Minderheit Wasserfallen Christian zuzustimmen und den Gesetzesentwurf dahingehend anzupassen, dass auf die Programmvereinbarungen verzichtet wird. Infolgedessen beantragt der Bundesrat, nicht auf den Entwurf des Bundesbeschlusses einzutreten.

17 18

SR 446.1 Bolliger, Christian und Sager, Patricia (2017): Stand der Ausrichtungen von Finanzhilfen gemäss Artikel 26 KJFG. Forschungsbericht 12/17 im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen.

15 / 18

BBl 2023 598

4.3

Finanzielle Auswirkungen

Die Kosten für den vom Bundesrat beantragten Bundesbeitrag in der Höhe von 10 Prozent der durchschnittlichen Kosten eines familienergänzenden Betreuungsplatzes würden sich im ersten Jahr nach Inkraftsetzung des Gesetzes auf rund 360 Millionen Franken belaufen. Mit der oben skizzierten Gegenfinanzierung über die Senkung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer würde sich die Nettobelastung des Bundes für den Bundesbeitrag im Einführungsjahr auf 160 Millionen Franken belaufen (vgl. Ziff. 4.2.1). Steigt die Nettobelastung des Bundes auf über 200 Millionen Franken jährlich, soll deshalb die Gegenfinanzierung durch die Kantone durch eine weitere Senkung des Kantonalanteils einmalig angepasst werden.

Hinzu kämen die Durchführungskosten, die bei einem Verzicht auf die Programmvereinbarungen tiefer ausfielen.

5

Antrag des Bundesrates

Antrag zum Gesetzesentwurf Sollte das Parlament auf die Vorlage eintreten, beantragt der Bundesrat, diese wie folgt anzupassen: ­

Einschränkung des Zwecks des Gesetzes auf die Senkung der Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung (Streichung von Art. 1 Abs. 2 Bst. b­d, Art. 2 Bst. b und Art. 3 Bst. c E-UKibeG);

­

Festlegung des kumulierten Mindestbeschäftigungsgrads der beiden Eltern, der den Anspruch auf den Bundesbeitrag begründet, in der Verordnung (Anpassung von Art. 4 Abs. 1 E-UKibeG);

­

Einschränkung des Geltungsbereichs des Gesetzes auf die institutionelle familienergänzende Kinderbetreuung ab der Geburt bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit der Primarstufe (Anpassung von Art. 2, Art. 3 und Art. 4 Abs. 2 E-UKibeG);

­

Festlegung der Höhe des Bundesbeitrags auf 10 Prozent der durchschnittlichen Kosten eines familienergänzenden Betreuungsplatzes (Anpassung von Art. 7 Abs. 1 und Streichung von Art. 8 und Art. 9 E-UKibeG);

­

Bemessung des Bundesbeitrags nach den durchschnittlichen Kosten eines familienergänzenden Betreuungsplatzes in der Schweiz (Anpassung von Art. 7 Abs. 1, 2 und 4 E-UKibeG);

­

Verzicht auf die Programmvereinbarungen (Streichung des 3. Abschnitts [Art. 13­16] und von Art. 21 Abs. 3 E-UKibeG);

­

Verzicht auf die Erstellung einer Statistik im Bereich der Politik der frühen Förderung von Kindern (Anpassung von Art. 17 E-UKibeG).

Antrag zum Bundesbeschluss Der Bundesrat beantragt, nicht auf den Entwurf des Bundesbeschlusses der WBK-N einzutreten.

16 / 18

BBl 2023 598

Antrag zur Anpassung des Bundesgesetzes über die Direkte Bundessteuer Sollte das Parlament auf die Vorlage eintreten, beantragt der Bundesrat, dass Artikel 196 Absatz 1 DBG dahingehend angepasst wird, dass der Prozentsatz des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer gesenkt wird. Zusätzlich soll ein neuer Absatz 1ter in Artikel 196 DBG eingeführt werden, in dem eine nochmalige Senkung des Kantonsanteils um weitere 0.4 Prozentpunkte vorgesehen wird, sofern die Nettobelastung des Bundes für den Bundesbeitrag 200 Millionen Franken jährlich übersteigen sollte.

17 / 18

BBl 2023 598

18 / 18