BBl 2023 www.fedlex.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

23.036 Botschaft zur Genehmigung des Strassburger Übereinkommens von 2012 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt und über seine Umsetzung (Änderung des Bundesgesetzes über die Seeschifffahrt unter der Schweizer Flagge) sowie zur Genehmigung der Änderung des Übereinkommens über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt vom 5. April 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, die Entwürfe zu folgenden Bundesbeschlüssen: 1.

Bundesbeschluss über die Genehmigung des Strassburger Übereinkommens von 2012 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Seeschifffahrt unter der Schweizer Flagge

2.

Bundesbeschluss über die Genehmigung der Änderung des Übereinkommens über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

5. April 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-1106

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Übersicht 2007 wurde beschlossen, das Strassburger Übereinkommen von 1988 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt (CLNI 1988) aufgrund inflationsbedingter Entwicklungen, die eine Überarbeitung der Haftungshöchstbeträge notwendig machten, zu ersetzen. Ausserdem sollte das System der Haftungsbeschränkungen für weitere Staaten attraktiv gestaltet werden. Seit 1. Juli 2019 ist das Strassburger Übereinkommen von 2012 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt (CLNI 2012) in Kraft.

Heute ist im Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (CDNI) nur das Einleiten fester und flüssiger Abfälle ins Wasser geregelt. Mit der Änderung des Übereinkommens wird neu auch die unkontrollierte Entgasung erfasst. Damit wird eine Lücke geschlossen, was die Umweltvorgaben in der Binnenschifffahrt verstärkt.

Strassburger Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt Ausgangslage Das CLNI 1988, das von der Schweiz am 21. Mai 1997 ratifiziert wurde, regelte die Frage der Haftungsbeschränkung auf dem Rhein und der Mosel. Nebst der Schweiz hatten Deutschland, Luxemburg und die Niederlande das CLNI 1988 ratifiziert. Um das einheitliche Haftungsbeschränkungsregime des CLNI für einen grösseren Kreis von Staaten attraktiver zu gestalten, wurde am 27. September 2012 eine Neuauflage des Übereinkommens verabschiedet, nämlich das neue Strassburger Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt (CLNI 2012). Das neue Übereinkommen soll dasjenige aus dem Jahr 1988 ersetzen, das am 1. Juli 2019 ausser Kraft getreten ist.

Inhalt der Vorlage Mit der Erhöhung der Haftungshöchstbeträge im CLNI 2012 soll der Teuerung der letzten rund 30 Jahre Rechnung getragen werden. Dies ist insbesondere auch im Interesse der geschädigten Personen und erhöht zudem die Akzeptanz für Staaten, die innerstaatlich keine Haftungsbegrenzungen kennen.

Bedingt durch den Beitritt zum CLNI 2012 ist eine Anpassung des Seeschifffahrtsgesetzes erforderlich, da dieses noch auf das CLNI 1988 als haftungsbeschränkende Grundlage verweist. In diesem Rahmen werden zudem die Begrifflichkeiten im CLNI 2012 und im Seeschifffahrtsgesetz harmonisiert sowie eine Gesetzeslücke bezüglich Haftungsbeschränkung von Bergern oder Rettern geschlossen.

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Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt Ausgangslage Das für die Schweiz am 1. November 2009 in Kraft getretene CDNI etabliert ein System der Abfallentsorgung. Es verbietet das Einleiten fester und flüssiger Abfälle ins Wasser. Das gestiegene Bewusstsein für Umweltanliegen hat die Konferenz der Vertragsparteien veranlasst, zusätzlich die flüchtigen Schadstoffe, die bei der Entgasung der Binnenschiffe freigesetzt werden, unter den Anwendungsbereich des CDNI zu stellen.

Inhalt der Vorlage Die Vorlage enthält den Antrag auf Genehmigung einer Anpassung des CDNI im Hinblick auf ein Verbot des unkontrollierten Entgasens, das nicht an einer offiziellen Annahmestelle erfolgt.

Neben dem allgemeinen Verbot des unkontrollierten Entgasens wurden Bestimmungen aufgenommen, die dem Befrachter die Kosten des Entgasens auferlegen. Diese Verpflichtung folgt, wie die restlichen Bestimmungen des CDNI, dem Verursacherprinzip.

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Botschaft 1

Strassburger Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Das Strassburger Übereinkommen von 19881 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt (CLNI 1988) wurde von den Mitgliedstaaten der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR), bestehend aus Belgien, Deutschland, Frankreich, der Niederlande und der Schweiz, ausgearbeitet und an einer diplomatischen Konferenz am 4. November 1988 angenommen. Das Übereinkommen trat am 1. September 1997 in Kraft und am 1. Juli 2019 ausser Kraft. Es legte Haftungshöchstbeträge für Schäden fest, die in der Binnenschifffahrt verursacht werden. Vertragsparteien waren Deutschland, die Niederlande, Luxemburg und die Schweiz. Der Beitritt war nach Artikel 16 Absatz 1 CLNI 1988 nur den Vertragsparteien der Revidierten Rheinschifffahrts-Akte vom 17. Oktober 18682 oder des Vertrags vom 27. Oktober 19563 über die Schiffbarmachung der Mosel gestattet: mithin nur Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich.

Das Strassburger Übereinkommen vom 27. September 20124 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt (CLNI 2012) löste das CLNI 1988 ab. Das Übereinkommen trat am 1. Juli 2019 in Kraft. Die Hauptmotivation für die Erarbeitung eines neuen Übereinkommens bestand darin, die starren Haftungshöchstbeträge an die Inflation anzupassen sowie die Beitrittsmöglichkeit zu erweitern, damit alle an der Binnenschifffahrt interessierten Staaten die Möglichkeit zum Beitritt zum CLNI 2012 haben. Das primäre Interesse besteht darin, für sämtliche Rhein- und Donaustaaten ein kohärentes Haftungsregime zu schaffen. Damit erhalten die Binnenreeder die Gewissheit, dass sie im gesamten europäischen Binnenschifffahrtsverkehr in gleichem Ausmass haften. Diese Rechtsvereinheitlichung dient der Förderung des Schiffsverkehrs in Europa und ist daher aus schweizerischer Sicht zu begrüssen.

Die Förderung der europäischen Binnenschifffahrt entlastet einerseits Strasse und Schiene und fördert andererseits die klimapolitischen Ziele, indem vermehrt Güter über die Wasserstrassen transportiert werden. Im Verhältnis zum Gütertransport auf

1 2 3 4

SR 0.747.206 SR 0.747.224.101 Diese ist abrufbar unter http://moselkommission.org > Downloads > Regelwerke > Moselvertrag.

SR 0.747.206; BBl 2023 1001

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der Strasse oder per Flugzeug trägt die Binnenschifffahrt weit weniger zu den Treibhausgasemissionen bei.5

1.1.2

Geprüfte Alternativen

Die Revisionsarbeiten hatten im Juni 2007 begonnen. In deren Verlauf kam die Arbeitsgruppe überein, statt eines Zusatzprotokolls aus rechtstechnischen Gründen ein neues Übereinkommen auszuarbeiten. Ausserdem beschloss sie, die Haftungshöchstbeträge anzuheben. Ein Grund hierfür war vor allem die wiederholte Anhebung der für die Seeschifffahrt geltenden Haftungshöchstbeträge im Übereinkommen vom 19. November 19766 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen. Da dieses Übereinkommen als Vorbild für das CLNI 1988 gedient hatte, erschien es wünschenswert, auch im Binnenschifffahrtsrecht die Haftungshöchstbeträge anzuheben.

1.1.3

Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis

Die Erarbeitung des Entwurfs für ein neues Übereinkommen erfolgte in einer Arbeitsgruppe der ZKR. Vertreten waren Sachverständige aus verschiedenen Binnenschifffahrtsstaaten Europas: Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Schweiz, Slowakei, Tschechien und Ungarn.

In der Zeit vom 25. bis 27. September 2012 fand auf Einladung der ZKR in Strassburg eine diplomatische Konferenz zur Verabschiedung des neuen Übereinkommens statt.

An der Konferenz nahmen 13 Staaten (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Polen, Schweiz, Serbien, Slowakei, Tschechien, Ungarn) sowie fünf nichtstaatliche Organisationen (Europäische Binnenschifffahrts-Union, Europäische Schifferorganisation, European Transport Workers Federation, Internationale Vereinigung zur Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Binnenschifffahrt und zur Führung des Binnenschiffsregisters in Europa, Union europäischer Industrie- und Handelskammern) teil.

Der von der ZKR-Arbeitsgruppe ausgearbeitete und an der diplomatischen Konferenz zur Beschlussfassung vorgelegte Entwurf eines revidierten CLNI hatte nicht nur eine Ausdehnung des geografischen Anwendungsbereichs zum Gegenstand, sondern auch eine Anhebung der Haftungshöchstbeträge. Der Entwurf sah zudem eine neue Regelung für die Wirkung des Haftungsfonds und insbesondere ein neues, vereinfachtes Verfahren zur Änderung der Haftungshöchstbeträge vor.

Am 27. September 2012 verabschiedete die Konferenz per Akklamation das CLNI 2012. Belgien, Frankreich und Luxemburg unterzeichneten das Übereinkommen noch am Tag seiner Verabschiedung. Bis zum Ablauf der Unterzeichnungsfrist am 26. Sep5

6

Mottschall, Moritz / Bergmann, Thomas (2013): Treibhausgas-Emissionen durch Infrastruktur und Fahrzeuge des Strassen-, Schienen- und Luftverkehrs sowie der Binnenschifffahrt in Deutschland. 3., korrigierte Fassung Januar 2015.

SR 0.747.331.53

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tember 2014 unterzeichneten es noch vier weitere Staaten, nämlich Deutschland, die Niederlande, Polen und Serbien.

1.1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 20207 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 20208 über die Legislatuplanung 2019­2023 angekündigt. Die Ratifikation des CLNI 2012 ist trotzdem angezeigt, weil seit dem Ausserkrafttreten des CLNI 1988, am 1. Juli 2019, keine Haftungsbeschränkung für die Schweizer Binnenschiffer auf den ehemals vom CLNI 1988 erfassten geografischen Anwendungsbereich mehr gilt.

Die Ratifikation hat keine Auswirkungen auf die Finanzplanung des Bundes.

Die Rechtsvereinheitlichung der Rahmenbedingungen auf geografisch zusammenhängenden Binnenwasserstrassen schafft wirtschaftlich gleich lange Spiesse. Dies unterstützt die Wirtschaftsförderung der Schweiz.

1.2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Die Vernehmlassung wurde am 29 Mai 2019 eröffnet und dauerte bis am 30. September 2019. Es sind acht Stellungnahmen eingegangen, davon sieben mit inhaltlichen Äusserungen: die Kantone Freiburg und Thurgau, die Sozialdemokratische Partei der Schweiz, die Schweizer Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft, der Schweizerische Gewerbeverband (SGV), der Schweizerische Gewerkschaftsbund sowie Dr. Thomas Burckhardt von der Kanzlei Simonius & Partner. Nidwalden hat auf eine inhaltliche Stellungnahme verzichtet.

Der Beitritt zum CLNI 2012 sowie auch die entsprechende Änderung im Bundesgesetz über die Seeschifffahrt unter der Schweizer Flagge vom 23. September 19539 (Seeschifffahrtsgesetz) wird in allen Stellungnahmen unterstützt. Der SGV verlangt in seiner Stellungnahme, dass die neuen Haftungsobergrenzen im CLNI 2012 nur für den grenzüberschreitenden Schiffsverkehr und nicht für die gesamte Schweizer Binnenschifffahrt gelten. Dr. Thomas Burckhardt empfiehlt in seiner Stellungnahme, im Sinne einer einheitlichen Begriffsverwendung im CLNI 2012 und im Seeschifffahrtsgesetz, den Begriff «Schiffseigentümer» anstatt «Binnenreeder» in Artikel 126 Seeschifffahrtsgesetz zu verwenden. Zudem rät er, die Begriffe «Berger» und «Retter» im Sinne der Begriffsbestimmungen im CLNI 2012 «an passender Stelle» ins Gesetz aufzunehmen.

Die vorgeschlagene Verwendung des Begriffs «Schiffseigentümer» anstelle von «Binnenreeder» in Artikel 126 Absatz 2 Seeschifffahrtsgesetz schafft Kohärenz zwi7 8 9

BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 SR 747.30

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schen dem Seeschifffahrtsgesetz und dem CLNI 2012 und somit Rechtssicherheit.

Auch die Aufnahme der Begriffe «Berger» und «Retter» in Artikel 126 Seeschifffahrtsgesetz ist im Sinne der Begriffsbestimmung des CLNI 2012 sinnvoll.

Der räumliche Geltungsbereich wird im CLNI 2012 auf «jedes Binnengewässer, einschliesslich jedes Sees» (Art. 1 Ziff. 2 Bst. e CLNI 2012) erweitert. Dies wird vom SGV kritisch beurteilt, da die Schweiz für ihre nationalen Gewässer mit wenigen Ausnahmen das System von Haftungsobergrenzen nicht kennt. Die Binnengewässer innerhalb der Schweiz können jedoch, mit einer Ausnahme, mittels Erklärung beim Beitritt zum CLNI 2012 vom Anwendungsbereich ausgeschlossen werden. Einzig die Verbindung E10-09 (Rhein von Niffer nach Rheinfelden) kann nicht vom Anwendungsbereich des CLNI 2012 ausgenommen werden. Damit wird der Geltungsbereich des CLNI 2012 demjenigen des CLNI 1988 entsprechen.

1.3

Grundzüge des Übereinkommens

1.3.1

Überblick über den Inhalt des Übereinkommens

Das CLNI 2012 umfasst wie das CLNI 1988 22 Artikel und gliedert sich in fünf Teile: Kapitel I (Recht auf Haftungsbeschränkung), Kapitel II (Haftungshöchstbeträge), Kapitel III (Haftungsfonds), Kapitel IV (Anwendungsbereich) und Kapitel V (Schlussbestimmungen). Im ersten Kapitel werden die Begriffe definiert sowie die der Haftungsbeschränkung unterliegenden und die ausgenommenen Ansprüche bestimmt. Im zweiten Kapitel werden die Haftungshöchstbeträge und die Rechnungseinheit festgehalten. Kapitel III beschreibt die Errichtung eines Haftungsfonds, dessen Verteilung sowie dessen Wirkung. Im vierten Kapitel werden der Anwendungsbereich und bestimmte Ausschlussmöglichkeiten definiert. Im fünften Kapitel sind die Schlussbestimmungen festgehalten. Dazu zählen u. a. das Inkrafttreten, die Möglichkeit der Anbringung von Vorbehalten und der Kündigung des Übereinkommens sowie die Einführung eines vereinfachten Verfahrens für die Änderung von Haftungshöchstbeträgen.

1.3.2

Würdigung

Das CLNI 2012 stellt eine sinnvolle Weiterentwicklung des Haftungsregimes in der europäischen Binnenschifffahrt dar: Die Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen für geografisch zusammenhängende Binnenwasserstrassen ist eine Voraussetzung für wirtschaftlich gleich lange Spiesse. Das Ziel der Weiterentwicklung, nämlich die Schaffung grösserer Rechtssicherheit im internationalen Binnenschifffahrtsverkehr und die Erhöhung der Haftungsbeträge für Geschädigte, insbesondere der verstärkte Schutz von Reisenden in der Personenschifffahrt, wurde erreicht.

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1.3.3

Sprachfassungen des Übereinkommens

Das Übereinkommen ist in deutscher, englischer, französischer und niederländischer Sprache abgefasst, wobei jede Sprachversion gleichermassen verbindlich ist.

1.4

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Übereinkommens

Die nachfolgenden Erläuterungen beschränken sich auf die inhaltlichen Neuerungen gegenüber dem CLNI 1988.

Art. 1

Zur Beschränkung der Haftung berechtigte Personen, Begriffsbestimmungen

Der Begriff «Reeder» wurde aus der Definition des Schiffseigentümers in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a entfernt. Die Bereederung eines Binnenschiffes ist nicht mit dem Eigentumsbegriff gleichzusetzen, da sie kein Eigentum voraussetzt. Daher wurde es als überflüssig angesehen, den Reeder-Begriff beizubehalten. Zusätzlich wird definiert, wann ein Befrachter als Schiffseigentümer anzusehen ist: Der Befrachter wird nur dann als Eigentümer angesehen, wenn ihm das Schiff «zu dessen Verwendung überlassen wird». Damit wird der Reisecharterer vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen.

Buchstabe b definiert den Schiffsbegriff. Im CLNI 1988 konnte die Sport- und Vergnügungsschifffahrt optional durch die Erklärung eines Vorbehaltes ausgeschlossen werden. Neu wird dies durch den Zusatz, dass das Schiff ein «zum Erwerb durch Schifffahrt verwendetes Binnenschiff» sein muss, erreicht.

Buchstabe d definiert den Begriff «gefährliche Güter» neu, und zwar mittels eines Verweises auf das Europäische Übereinkommen vom 26. Mai 200010 über die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstrassen in seiner jeweils geltenden Fassung.

Die Definition der Wasserstrasse fehlt im ursprünglichen CLNI 1988. Als Wasserstrasse gilt jedes Binnengewässer, einschliesslich jedes Sees.

Art. 2

Der Beschränkung unterliegende Ansprüche

Artikel 2 bleibt weitgehend deckungsgleich mit demjenigen des CLNI 1988. Einzig die nicht abschliessende Aufzählung in Absatz 1 Buchstabe a wurde um den Begriff «Wehre» ergänzt, da dieser Ausdruck nicht zwingend vom Ausdruck «Schleuse» mitumfasst wird.

Art. 3

Von der Beschränkung ausgenommene Ansprüche

Artikel 3 Buchstabe a enthält eine Erweiterung der ausgenommenen Ansprüche auf Sondervergütungen wegen Bergungsmassnahmen für ein Schiff, das selbst oder auf10

SR 0.747.208

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grund seiner Ladung Umweltschäden zu verursachen droht. Der Grund der Anpassung ist das Internationale Übereinkommen vom 28. April 198911 über die Bergung. Dessen Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe a sieht die Möglichkeit vor, das Übereinkommen nicht auf Binnengewässer anzuwenden. Das CLNI 2012 stellt mit der Neuformulierung klar, dass bei Nichtanwendung des Bergungsübereinkommens Ansprüche auf Sondervergütung nicht den Haftungsbeschränkungen des CLNI 2012 unterliegen.

Die grosse Haverei (vorsätzlich herbeigeführter Schaden an Schiff oder Ladung zum Schutz eines höheren Rechtsguts) wird neu separat in Artikel 3 Buchstabe b aufgeführt. Materiell ergeben sich dadurch keine Änderungen.

Im Vergleich zum CLNI 1988 ist in Artikel 3 Buchstabe e der Verweis auf Artikel 7 aufgenommen worden. Dies war erforderlich, weil neu auch Haftungshöchstbeträge für Schäden aus der Beförderung von gefährlichen Gütern eingeführt wurden.

Art. 6

Allgemeine Höchstbeträge

Angesichts der Inflation seit 1988 wurden die allgemeinen Haftungshöchstbeträge verdoppelt. In der Seeschifffahrt waren diese Beträge in der Zwischenzeit zwei Mal angehoben worden. Aus Rücksicht auf die osteuropäischen Staaten, die eine hohe Zunahme der Versicherungsbeiträge bis hin zur Untragbarkeit befürchteten, wurde mit Artikel 15 Absatz 3 die Grundlage geschaffen, die Anwendung des Übereinkommens um höchstens acht Jahre nach dessen Inkrafttreten hinausschieben zu können.

Dieser Ausschluss ist auf Kleinfahrzeuge im jeweiligen Binnenverkehr beschränkt.

Absatz 2 enthält ausschliesslich redaktionelle Änderungen. Wie in Artikel 2 wurde die Aufzählung um den Ausdruck «Wehre» ergänzt. Weiter wurde anstelle der Formulierung «eine Vertragspartei» die Formulierung «ein Staat, der Vertragspartei ist» gewählt.

Art. 7

Höchstbeträge für Ansprüche wegen Schäden aus der Beförderung gefährlicher Güter

Bei Artikel 7 handelt es sich um einen neuen Artikel. Thematisch werden die gefährlichen Güter separat aufgeführt im Gegensatz zum CLNI 1988, wo für Schäden aus der Beförderung gefährlicher Güter die allgemeinen Haftungshöchstbeträge gelten.

Die gesonderte Regelung rechtfertigt sich durch das erhöhte Risiko bei der Beförderung gefährlicher Güter und folgt dem Gedanken der Rechtsvereinheitlichung bei der Haftung für den Transport gefährlicher Güter.

Das erhöhte Risiko widerspiegelt sich in den Haftungshöchstbeträgen. Buchstabe a verweist für Ansprüche aus Tod oder Körperverletzung auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a und legt eine Verdoppelung der Beträge sowie einen Mindesthaftungsbetrag von 10 Millionen Rechnungseinheiten fest. Für alle übrigen Ansprüche gelten mit Verweis auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b ebenfalls eine Verdoppelung sowie ein Mindestbetrag von 10 Millionen Einheiten.

Den Vertragsstaaten bleibt es vorbehalten, höhere Beträge festzulegen, sei dies in anderen Übereinkommen oder im innerstaatlichen Recht (Art. 18 Abs. 1 Bst. b).

11

SR 0.747.363.4

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Absatz 2 enthält eine mit Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c vergleichbare Regelung für Ansprüche wegen Tod oder Körperverletzung aufgrund der Beförderung gefährlicher Güter. Soweit der nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a errechnete Haftungshöchstbetrag nicht zur vollständigen Erfüllung dieser Ansprüche ausreicht, steht den Gläubigern der nach Buchstabe b festgesetzte Haftungshöchstbetrag zur Verfügung. Werden gegen den Haftpflichtigen auch sonstige Ansprüche geltend gemacht, so können diese bei der Verteilung des nach Buchstabe b errechneten Haftungshöchstbetrags gleichrangig mit den sonstigen Ansprüchen geltend gemacht werden.

Art. 8

Höchstbetrag für Ansprüche von Reisenden

Eine klarere Strukturierung des Artikels 7 CLNI 1988 sorgt für eine bessere Verständlichkeit. Die Struktur der Berechnung der Haftungshöchstbeträge nach Massgabe der Beförderungskapazität wurde beibehalten. Analog zu den allgemeinen Höchstbeträgen in Artikel 6 wurden auch diese Beträge angehoben.

Nach Absatz 1 ergibt sich der Haftungshöchstbetrag für Personenschäden aus einer Multiplikation der Anzahl effektiv beförderter oder maximal zugelassener Personen mit einem Betrag von 100 000 Rechnungseinheiten. Im CLNI 1988 war ein Betrag von 60 000 Rechnungseinheiten vorgesehen. Der neue Betrag entspricht einer Erhöhung von 66,66 Prozent. Weggefallen sind die bisher enthaltenen absoluten Haftungshöchstbeträge. Damit werden die Ansprüche der Reisenden ab einer gewissen Fahrgastzahl nicht mehr limitiert und damit der Gläubigerschutz gestärkt. Die Rechtsstellung der Reisenden erfährt eine weitere Verbesserung durch die Festlegung des Mindesthaftungsbetrages von 2 Millionen Rechnungseinheiten, das entspricht einer Steigerung um rund 178 Prozent im Vergleich zum CLNI 1988.

Art. 9

Rechnungseinheiten

Wie im CLNI 1988 werden die Rechnungseinheiten als Sonderziehungsrechte gemäss dem Internationalen Währungsfond definiert. Angepasst wurden der Verweis auf die Artikel sowie der Ausdruck «v. H.», welcher durch den Ausdruck «Prozent» ersetzt wurde.

Art. 10

Mehrere Ansprüche

Artikel 10 übernimmt weitgehend die Regelungen von Artikel 9 CLNI 1988. Die in dieser Bestimmung genannten Beträge wurden an die Erhöhung der Haftungshöchstbeträge in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a Ziffern iv und v sowie Artikel 8 angepasst.

Infolge der Aufnahme einer Sonderregelung für Ansprüche wegen Schäden aus der Beförderung gefährlicher Güter (Art. 7) wurde zudem ein neuer Absatz 3 eingefügt.

Absatz 3 sieht eine entsprechende Anwendung der Absätze 1 und 2 für diese Haftungshöchstbeträge vor, wobei zugleich die in Absatz 2 genannten Rechnungseinheiten an die höheren Haftungshöchstbeträge von Artikel 7 anpasst werden. Da sich nach Artikel 7 die Haftungshöchstbeträge grundsätzlich auf das Doppelte der allgemeinen Haftungshöchstbeträge belaufen, sind nach Absatz 3 auch die in Absatz 2 für Schubund Koppelverbände genannten Beträge von 200 Rechnungseinheiten zu verdoppeln.

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Art. 11

Haftungsbeschränkung ohne Errichtung eines Haftungsfonds

Das CLNI 2012 verzichtet auf die Anwendung des Prinzips der lex fori. Eine Beibehaltung erschien den Parteien als nicht zweckmässig. Damit wird das Prinzip abgeschafft, nachdem sich das anzuwendende Recht nach dem Ort des angerufenen Gerichts richtet.

Art. 12

Errichtung des Fonds

Das CLNI 2012 regelt wie bereits das CLNI 1988 nur die Grundzüge des Verfahrens und überlässt sämtliche Ausführungsbestimmungen den Vertragsstaaten. Artikel 12 enthält lediglich sprachliche Neuerungen im Vergleich zum CLNI 1988. In Absatz 1 wird nunmehr klargestellt, dass die haftbare Person im Rahmen der Artikel 6, 7, 8 und 10 mehrere Fonds errichten kann. Die Möglichkeit der Einrichtung mehrerer Fonds war bereits unter dem CLNI 1988 möglich, wurde jedoch im Vertragstext nicht explizit genannt. Die Ausführungsbestimmungen in der Seeschifffahrtsverordnung vom 20. November 195612 sehen diese Möglichkeit bereits heute in Artikel 45 Absatz 1 vor.

Art. 13

Verteilung des Fonds

Mit Ausnahme der geänderten Verweise auf die Artikel des Übereinkommens ist Artikel 13 identisch mit Artikel 12 des CLNI 1988.

Art. 14

Wirkung der Errichtung eines Fonds

Artikel 14 Absatz 1 enthält wichtige materielle Änderungen in Bezug auf die Geltendmachung des Anspruchs eines Gläubigers. Während das CLNI 1988 nach der Anhängigkeit eines Anspruchs gegenüber dem Fonds jede weitere Geltendmachung eines Anspruchs gegen das Vermögen der Person, durch oder für die der Fonds errichtet wurde, ausschloss, setzt das CLNI 2012 diesen Zeitpunkt schon früher an: Bereits wenn die Möglichkeit eines Anspruchs besteht, ist eine weitere Geltendmachung in derselben Rechtssache gegen das Vermögen der betroffenen Person ausgeschlossen.

Dies hat zur Folge, dass der Gläubiger nach dem CLNI 2012 seinen Anspruch nur noch in dem Land verfolgen kann, wo der Fonds errichtet wurde. Bei den Verhandlungen zum CLNI 2012 war man zum Schluss gekommen, dass ein haftungsbeschränkendes Übereinkommen, das dem Gläubiger die Wahl überlässt, ob er eine Haftungsbeschränkung gegen sich gelten lassen will oder nicht, nicht zielführend sei. Durch die Neufassung von Absatz 1 erfährt die Stellung des Haftpflichtigen einen effektiveren Schutz.

Art. 15

Anwendungsbereich

Der geografische Anwendungsbereich wird erweitert. Neu sollen räumlich sämtliche Gebiete eines Vertragsstaates erfasst werden. Im CLNI 1988 war der Anwendungsbereich gemäss Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a auf den Rhein sowie die Mosel be-

12

SR 747.301

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schränkt. Der Gedanke der Vereinheitlichung auf europäischer Ebene soll sämtliche bedeutenden Wasserstrassen, insbesondere die Donau, umfassen.

Der Wortlaut von Absatz 1 würde aber bedeuten, dass sämtliche Wasserstrassen, d. h.

auch schweizerische Binnengewässer, dem Übereinkommen unterstehen. Da eine Haftungsbeschränkung gemäss dem schweizerischen Zivilrecht systemwidrig ist, wurde auf Wunsch der Schweiz eine Ausnahmemöglichkeit in Absatz 2 geschaffen: Wasserstrassen, die nicht in Anlage I des Europäischen Übereinkommens vom 19. Januar 199613 über die Hauptbinnenwasserstrassen von internationaler Bedeutung aufgeführt sind, können mittels Notifikation bei der Unterzeichnung, Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt oder jederzeit danach vom Geltungsbereich ausgeschlossen werden. Die Schweiz betreffend ist einzig die Verbindung E10-09 (Rhein von Niffer nach Rheinfelden) nicht vom Anwendungsbereich des CLNI 2012 ausnehmbar, was dem CLNI 1988 entspricht und somit bei entsprechender Notifikation durch die Schweiz zu einem gleichbleibenden räumlichen Geltungsbereich führt. Aufgrund der gemachten Ausführungen spricht sich der Bundesrat für eine Erklärung der Schweiz gemäss Artikel 15 Absatz 2 Buchstaben a und b CLNI 2012 aus.

Nach Absatz 3 kann eine Vertragspartei darüber hinaus die Anwendung des Übereinkommens während acht Jahren auf Kleinfahrzeuge, die ausschliesslich im Binnenverkehr eingesetzt werden, ausschliessen. Die zeitliche Ausschlussmöglichkeit ist ein Kompromiss mit den osteuropäischen Staaten. Diese befürchten, dass die mögliche Erhöhung der Versicherungsbeiträge für Unternehmen mit Kleinfahrzeugen existenzgefährdend sein könnte.

Art. 17

Inkrafttreten

Nach Absatz 1 tritt das Übereinkommen am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt folgt, zu dem vier Staaten ihre Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde hinterlegt haben, oder an dem Tag, an dem das CLNI 1988 ausser Kraft tritt. Massgeblich ist der spätere Zeitpunkt von beiden. Im Ergebnis bedeutet diese Regelung, dass beide Erfordernisse ­ die Ratifikation des CLNI 2012 durch vier Staaten und das Ausserkrafttreten des CLNI 1988 ­ erfüllt sein müssen. Durch diese Regelung sollte sichergestellt werden, dass das CLNI 2012 nicht neben dem CLNI 1988 gilt, sondern nur ein einziges Haftungsbeschränkungsregime in Kraft ist. Das CLNI 2012 ist am 1. Juli 2019 in Kraft getreten. Bisher haben Belgien, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Serbien und Ungarn das CLNI mittels Ratifikation, Annahme, Genehmigung oder Beitritt angenommen.

Bedingt dadurch, dass an der diplomatischen Konferenz zur Annahme des CLNI 2012 in Strassburg Unklarheit darüber bestand, wann das CLNI 1988 ausser Kraft tritt, haben die vier Vertragsstaaten des CLNI 1988 ­ Deutschland, Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz ­ auf der Konferenz schriftlich erklärt, dass das CLNI 1988 an dem Tag ausser Kraft treten soll, an dem die Kündigung des Übereinkommens

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SR 0.747.207

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durch drei der vier Vertragsstaaten wirksam wird. Deutschland, Luxemburg und die Niederlande haben das CLNI 1988 mit Wirkung zum 1. Juli 2019 gekündigt.

Absatz 2 regelt, wann das CLNI 2012 für solche Staaten in Kraft tritt, die das Übereinkommen ratifizieren, nachdem die Voraussetzungen von Absatz 1 bereits erfüllt wurden. Für Staaten, die das Übereinkommen nach dessen völkerrechtlichem Inkrafttreten ratifizieren oder ihm beitreten, tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den Ablauf von drei Monaten nach Hinterlegung der entsprechenden Urkunde folgt. Wenn die Urkunde drei oder mehr Monate vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens nach Absatz 1 hinterlegt wurde, tritt das Übereinkommen erst am Tag des Inkrafttretens nach Absatz 1 in Kraft.

Art. 18

Vorbehalte

In Abweichung zu Artikel 18 CLNI 1988 können von den Vertragsstaaten jederzeit Vorbehalte erklärt werden.

In Absatz 1 wurde der Vorbehalt zum Ausschluss von Ansprüchen aus der Sport- und Vergnügungsschifffahrt gestrichen. Diese Schiffe fallen bereits gemäss der Definition für Schiffe gemäss Artikel 1 Buchstabe b nicht mehr unter den Anwendungsbereich des Übereinkommens.

Der Bundesrat spricht sich dafür aus, die Vorbehalte gemäss Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben a und c zu erklären. Aus umweltpolitischen Überlegungen ist die Wasserverschmutzung (Bst. a) weiterhin einer unbegrenzten Haftung zu unterstellen (Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 199114). Ein Vorbehalt bei der Haftungsbeschränkung von Ansprüchen (Bst. c) nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben d und e ist angezeigt, weil mit der Beseitigung eines Wracks sowie mit der Bergung der Ladung eines Schiffes erfahrungsgemäss hohe Kosten verbunden sind. Dies führt zu einem umfassenden Gläubigerschutz. Von einem Vorbehalt gemäss Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b wird abgesehen: Die Haftungsbegrenzung bei Schäden aus der Beförderung gefährlicher Güter wurde neu in Artikel 7 mit einem Mindesthaftungsbetrag von 10 Millionen Sonderziehungsrechten geregelt. Der Bundesrat ist der Meinung, dass damit für Personenund Sachschäden ein hinreichender Gläubigerschutz gewährleistet ist. Leichter (besatzungslose Wasserfahrzeuge ohne echten eigenen Antrieb; Bst. d) spielen in den schweizerischen Häfen keine Rolle, weshalb hier kein Vorbehalt angebracht wird.

Überdies geht von Leichtern, da sie nicht motorisiert sind, ein verhältnismässig geringes Risiko aus.

Art. 19

Kündigung

Die Kündigung wird gemäss Absatz 2 sechs Monate nach ihrer Notifikation wirksam.

Anders als nach Artikel 19 Absatz 2 CLNI 1988 bedarf es also nicht des Ablaufs eines Jahres. Die Sechsmonatsfrist greift allerdings dann nicht, wenn die Kündigung aus Anlass eines vereinfachten Revisionsverfahrens erklärt wird. In einem solchen Fall richtet sich die Frist nach Artikel 20 Absatz 3 und kann unter Umständen kürzer sein.

14

SR 814.20

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Art. 20

Vereinfachtes Verfahren zur Änderung von Haftungshöchstbeträgen

Artikel 20 CLNI 1988 wurde aufgrund des Bedürfnisses nach Flexibilität und einer einfacheren Anpassung der Haftungshöchstbeträge angepasst. Als Vorbild diente Artikel 24 des Übereinkommens vom 28. Mai 199915 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr. Die Initiierung eines Revisionsverfahrens auf Antrag einer Vertragspartei ist nicht mehr erforderlich.

Zur Einleitung eines Revisionsverfahrens prüft der Generalsekretär der ZKR im Fünfjahresrhythmus und auf Grundlage der Inflationsrate, ob und in welchem Umfang sich der Wert der Haftungshöchstbeträge verändert hat. Hat sich der Wert der Haftungshöchstbeträge um mehr als 10 Prozent verringert, muss der Generalsekretär nach Absatz 2 den Vertragsstaaten des Übereinkommens den unter Zugrundelegung des Inflationsfaktors errechneten aktuellen Wert der Haftungshöchstbeträge mitteilen.

Gleiches gilt nach Absatz 4, gemäss dem der Generalsekretär auf Verlangen eines Drittels der Vertragsstaaten eine Überprüfung vornimmt und der in Absatz 1 genannte Inflationsfaktor seit der vorherigen Überprüfung oder, falls eine solche noch nicht erfolgt ist, seit Inkrafttreten des Übereinkommens 5 Prozent überstiegen hat.

Der vom Generalsekretär der ZKR geänderte Betrag gilt nach Absatz 2 ein Jahr nach dessen Notifikation als angenommen, sofern nicht innerhalb dieser Frist ein Drittel der Vertragsstaaten die Änderung ablehnt.

Gemäss Absatz 3 tritt eine nach Absatz 2 angenommene Änderung neun Monate nach dem Annahmezeitpunkt in Kraft. Gebunden sind hieran alle Staaten, die zum Zeitpunkt der Annahme Vertragspartei des Übereinkommens sind oder die danach Vertragspartei geworden sind. Eine Ausnahme gilt nur für Staaten, die das Übereinkommen wenigstens drei Monate vor Inkrafttreten der Änderung kündigen. Die Kündigung wird in diesem Fall mit Inkrafttreten der Änderung wirksam.

Änderungen von Haftungshöchstbeträgen gemäss Artikel 20 sind Änderungen von beschränkter Tragweite im Sinne von Artikel 7a Absatz 3 Buchstabe a Regierungsund Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199716 (RVOG). Sie verändern die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien nicht, sondern stellen sicher, dass diese, durch die Anpassung der Höchstbeträge an die Inflation, unverändert bleiben. Die Ablehnung oder Annahme einer solchen Änderung liegt daher in der Kompetenz des Bundesrates.

Art. 21

Verwahrer

In Artikel 21 wurde in Abweichung zum CLNI 1988 lediglich eine Klarstellung eingefügt: Der Generalsekretär wird als Verwahrer definiert.

Art. 22

Sprachen

Im Unterschied zum CLNI 1988 wird neben der deutschen, französischen und niederländischen auch die englische Sprache als gleichermassen verbindliche Urschrift bezeichnet.

15 16

SR 0.748.411 SR 172.010

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1.5

Grundzüge des Umsetzungserlasses

Die beantragte Neuregelung macht eine Überarbeitung des Seeschifffahrtsgesetzes notwendig. Bei den vorgeschlagenen Anpassungen handelt es sich im Wesentlichen um eine Anpassung des Verweises auf das CLNI 2012 anstatt auf das CLNI 1988 und damit auf das aktuell geltende internationale Recht. Darüber hinaus dienen die Anpassungen von Artikel 126 Seeschifffahrtsgesetz der Schaffung von Kohärenz in der Terminologie zwischen Seeschifffahrtsgesetz und dem CLNI 2012 sowie der Schliessung der Lücke einer Regelung für «Berger» und «Retter».

1.6

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Umsetzungserlasses

Art. 126 Randtitel, Abs. 1 Artikel 126 Absatz 1 des Seeschifffahrtsgesetzes wird dahingehend angepasst, dass der Begriff des Binnenreeders definiert wird. Der Begriff «Binnenreeders» in Artikel 126 wird neu durch statischen Verweis auf die Definition des Schiffseigentümers im CLNI 2012 definiert. Durch diesen Verweis ist eine Harmonisierung der Begriffsdefinitionen im Seeschifffahrtsgesetz und im CLNI 2012 gewährleistet, ohne dass der Begriff «Schiffseigentümer» im Rahmen des Seeschifffahrtsgesetzes weiter tangiert wird.

Art. 126 Abs. 2 In Artikel 126 Absatz 2 des Seeschifffahrtsgesetzes wird festgehalten, dass für die Beschränkung der Haftung des Binnenreeders das CLNI 1988 anwendbar ist. Diese Bestimmung muss mit der Genehmigung des CLNI 2012 aktualisiert werden und entsprechend auf das neue Übereinkommen verweisen.

Weiterhin wurden zum Schliessen der Lücke im Gesetz bezüglich Haftungsbeschränkung der «Berger» und «Retter» die im Vernehmlassungsverfahren vorgeschlagenen Änderungen in Artikel 126 übernommen (vgl. Ziff. 1.2).

Die Begriffe «Berger» und «Retter» wurden bisher in der Schweizerischen Seeschifffahrtsgesetzgebung nicht verwendet, jedoch werden die Begriffe «Hilfeleistung» und «Bergung», wie etwa in Artikel 127 Absatz 4 des Seeschifffahrtsgesetzes, im Kontext der Binnenschifffahrt erwähnt. Eine Haftungsbeschränkung für «Hilfeleistung» und «Bergung» beziehungsweise «Berger» und «Retter» ist im Gesetz in Bezug auf Seeschiffe durch den Verweis in Artikel 49 Absatz 1 auf das Übereinkommen von 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen geregelt. In diesem Übereinkommen sind auch Haftungsbeschränkungen für «Berger» und «Retter» festgehalten.

Im Seeschifffahrtsgesetz fehlt jedoch die Erwähnung einer Anwendbarkeit von Artikel 49 auf die Binnenschifffahrt. Deshalb ist hier von einer Lücke im Seeschifffahrtsgesetz auszugehen. Da «Berger» und «Retter» bereits im CLNI 1988 als zur Beschränkung der Haftung berechtigte Personen festgehalten sind, ist im Hinblick auf die fehlende Aufnahme ins Gesetz von einem Versehen des Gesetzgebers auszugehen (sogenannte echte Lücke). Diese Auslegung wird durch die Tatsache gestützt, dass 15 / 26

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sowohl in der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 22. Februar 195217 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Seeschifffahrt unter der Schweizerflagge als auch in der Botschaft vom 3. Mai 199518 betreffend verschiedene internationale Übereinkommen und Protokolle im Bereich der See- und Binnenschifffahrt sowie Anpassung des Seeschifffahrtsgesetzes vom Ziel zur Harmonisierung der innerstaatlichen Regelungen mit den internationalen Bestimmungen zur Binnenschifffahrt berichtet wird. Eine Absicht zum Ausschluss der «Hilfeleistung» und «Bergung» in der Binnenschifffahrt von Haftungsbeschränkungen wird dabei nicht geäussert. Die vorgeschlagene Aufnahme der Begriffe in Artikel 126 stellt zwar eine materielle Änderung im Seeschifffahrtsgesetz dar, führt jedoch lediglich zu einer Harmonisierung mit den bereits auf völkerrechtlicher Ebene bestehenden und für die Schweiz seit dem Inkrafttreten des CLNI 1988 verbindlichen Bestimmungen.

Mittels Aufnahme der Begriffe «Berger» und «Retter» in Artikel 126 entsprechend der Definition im CLNI 2012 kann diese Lücke geschlossen werden.

1.7

Auswirkungen des Vertrags und des Umsetzungserlasses

1.7.1

Auswirkungen auf den Bund

Durch einen Beitritt zum CLNI 2012 sind weder finanzielle noch personelle Auswirkungen für den Bund zu erwarten, weshalb auf eine detaillierte Untersuchung verzichtet wurde.

1.7.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Durch die Annahme dieser Vorlage sind keine Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete zu erwarten, weshalb auf eine detaillierte Untersuchung verzichtet wurde.

1.7.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Annahme der Vorlage führt zu einer breiteren Rechtsvereinheitlichung in der Binnenschifffahrt, wovon hiesige Reedereien profitieren. Damit einhergehend werden Schweizer Reeder gegenüber Anbietern aus dem Osten nicht benachteiligt und bleiben kompetitiv.

17 18

BBl 1952 I 253 BBI 1995 IV 241

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1.7.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Durch die Annahme dieser Vorlage sind keine Auswirkungen auf die Gesellschaft zu erwarten, weshalb auf eine detaillierte Untersuchung verzichtet wurde.

1.7.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Durch die Annahme dieser Vorlage sind keine Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten, weshalb auf eine detaillierte Untersuchung verzichtet wurde.

1.7.6

Andere Auswirkungen

Es kommen wirtschaftliche Auswirkungen für die privaten Akteure in Betracht. Die Annahme dieser Vorlage könnte zu einer Zunahme der Versicherungsprämien bei den wirtschaftlichen Akteuren, namentlich den Binnenschifffahrtsreedern, führen. Auf der anderen Seite wird der Gläubigerschutz gestärkt. Die zeitgemässe Anpassung der Haftungshöchstbeträge wird zu einer breiteren Akzeptanz des CLNI und die Möglichkeit des Beitritts durch eine grössere Anzahl Vertragsstaaten zu einer Vereinheitlichung des Haftungsrechts in der Binnenschifffahrt führen. Dies hat den Vorteil, dass schweizerische Reeder keine wettbewerblichen Nachteile mehr zu erwarten haben. Aufgrund dieser eindeutig überwiegenden Vorteile wurde auf eine detaillierte Überprüfung der finanziellen Auswirkungen für private Akteure verzichtet.

1.8

Rechtliche Aspekte

1.8.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)19, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 7a Abs. 1 RVOG).

1.8.2

Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Der Beitritt der Schweiz zum CLNI 2012 ist mit allen weiteren Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Die Schweiz hatte bereits das CLNI 1988 ratifiziert, welches das

19

SR 101

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Vorgängerübereinkommen des CLNI 2012 war. Nebst Frankreich hat bisher nur die Schweiz als Mitgliedstaat der ZKR das CLNI 2012 noch nicht ratifiziert.

1.8.3

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200220 (ParlG) sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten. Da der Beitritt zum CLNI 2012 eine Anpassung des Seeschifffahrtsgesetzes nach sich zieht und die Haftungshöchstbeträge eine wichtige rechtsetzende Anpassung für Unternehmen darstellen, ist der Bundesbeschluss über die Genehmigung des CLNI 2012 dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

Nach Artikel 141a der Bundesverfassung (BV) können die Verfassungs- oder Gesetzesänderungen, die der Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrags dienen, der dem Referendum untersteht, in den Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden. Die Anpassung von Artikel 126 Seeschifffahrtsgesetz dient der Umsetzung des CLNI 2012 und ergibt sich unmittelbar aus den darin enthaltenen Verpflichtungen. Der Entwurf des Umsetzungserlasses soll deshalb nicht als separate Vorlage dem Referendum unterstellt, sondern in den Genehmigungsbeschluss integriert werden.

1.8.4

Beitritt zum Übereinkommen

Gemäss Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe c CLNI 2012 steht dieses den Staaten, die es nicht unterzeichnet haben, zum Beitritt offen. Da die Schweiz nicht zu den Unterzeichnerstaaten gehörte, erfolgt die Zustimmung, durch das Übereinkommen gebunden zu sein, mittels Beitritt.

20

SR 171.10

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2

Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rheinund Binnenschifffahrt

2.1

Ausgangslage

2.1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Das geltende Übereinkommen vom 9. September 199621 über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (CDNI) enthält eine Lücke, nämlich das Fehlen des Verbots der unkontrollierten Entgasung von gewissen Schiffsladungen. Jährlich werden grosse Mengen Flüssigladungen transportiert, worunter auch viele flüchtige organische Verbindungen (Volatile Organic Compounds; VOC) und umweltgefährliche Stoffe fallen. Ein Teil der Ladung bleibt nach der Entladung eines Schiffs in Form von Dämpfen im Ladungsbereich zurück. Diese Dämpfe sind aus den Ladungstanks zu entfernen, um das Schiff für die nächste Ladung ausreichend zu reinigen. Dieser Vorgang wird als Entgasen bezeichnet.

Zum heutigen Zeitpunkt werden diese schädlichen Dämpfe in die Atmosphäre ventiliert; sie können dabei auf das Wasser niederschlagen und sich so in Gewässern anreichern. Die Dämpfe werden häufig auch innerhalb kurzer Zeit in einem begrenzten Gebiet freigesetzt, was zu lokalen Spitzenlasten in der Atmosphäre, beispielsweise in Hafengebieten, führt.

2.1.2

Geprüfte Alternativen

Europaweit wurden bereits auf verschiedenen Ebenen nationale oder regionale Verbote ausgesprochen. Diese Entwicklung akzentuiert das Problem der Umweltverschmutzung auf Gebieten, wo keine Verbote bestehen. Es bestand daher ein gewisser Druck, das Verbot auf eine internationale Ebene zu heben, um einem «Abfalltourismus» vorzubeugen.

2.1.3

Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis

In die Verhandlungen wurden verschiedene Interessenvertreter miteinbezogen. Eine öffentliche Konsultation im Sommer des Jahres 2016 ermöglichte diesen die Eingabe von Stellungnahmen zu einem ersten Entwurf zur Anpassung des CDNI. Bei der Erarbeitung der vorliegenden Teilrevision wurde den Eingaben der Interessenvertreter, soweit diese Eingaben zweckdienlich waren, Rechnung getragen.

Die Konferenz der Vertragsparteien tagte als beschlussfassendes Gremium am 22. Juni 2017 in Strassburg. Das Verbot des unkontrollierten Entgasens war unumstritten und wurde dementsprechend einstimmig von den Vertragsstaaten des CDNI

21

SR 0.747.224.011

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(Luxemburg, Schweiz, Niederlande, Belgien, Deutschland und Frankreich) verabschiedet.

2.1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 2020 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 2020 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Die Annahme der Änderung hat keine Auswirkungen auf die Finanzplanung des Bundes, da ausdrücklich geregelt wird, dass die Kosten und Verantwortlichkeiten nach dem Verursacherprinzip verteilt werden.

Das Verbot der unkontrollierten Entgasung stellt sicher, dass hohe Umweltstandards auf dem Rhein einheitlich durchgesetzt werden. Mit einer Annahme der Änderung nimmt auch die Schweiz ihre Verantwortung zum Schutz der Umwelt wahr. Damit dient die Vorlage der Umsetzung der Agenda 2030 für eine Nachhaltige Entwicklung und konkret der Umsetzung von Ziel 6.3 zur Erhaltung der Wasserqualität und Verringerung von Verschmutzung.

2.2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Die Änderung des CDNI wird in fünf von sieben inhaltlichen Stellungnahmen vorbehaltlos unterstützt. Die Schweizer Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft rät in ihrer Stellungnahme dazu, abzuwarten bis die anderen ZKR-Mitgliedsstaaten die Änderung ratifiziert haben. Der Schweizerische Gewerbeverband äussert sich, mit Verweis auf zusätzliche Kosten für die Betreiber der Schifffahrt, ablehnend.

2.3

Grundzüge des Übereinkommens

2.3.1

Überblick über den Inhalt der Änderung

Die Änderung des CDNI betrifft diejenigen Artikel, in denen durch die Einführung des Verbots der Entgasung Anpassungen notwendig wurden.

Zusätzlich wurde in Artikel 13 eine rein redaktionelle Änderung aufgenommen.

2.3.2

Würdigung

Das Verbot des unkontrollierten Ventilierens und die Verpflichtung zur sachgerechten Entsorgung von Dämpfen, sprich den gasförmigen Rückständen flüssiger Ladung, sind eine zeitgemässe Ergänzung des CDNI. Es kann dadurch sichergestellt werden, dass hohe Umweltstandards auf dem Rhein einheitlich durchgesetzt werden. Das Entgasungsverbot wird stufenweise eingeführt, um die Entwicklung der erforderlichen 20 / 26

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Infrastruktur und der entsprechenden Logistiklösungen, wie Einheitstransporte oder kompatible Transporte, zu ermöglichen. Die Hafenbehörden der Kantone Basel-Stadt, Baselland sowie Aargau erhalten damit ausreichend Zeit, um die Ergänzung des Übereinkommens umzusetzen. Die Annahme der Ergänzung des CDNI stellt zudem einen wichtigen Anreiz zur Installation der erforderlichen Infrastruktur dar.

Das CDNI ist für sechs Länder in Kraft (Luxemburg, Schweiz, Niederlande, Belgien, Deutschland und Frankreich) und auf dem gesamten Rhein und auf allen Binnenschifffahrtsstrassen in Deutschland, den Niederlanden und Belgien sowie auf der Mosel in Luxemburg und in Frankreich anwendbar. Dieses Einzugsgebiet umfasst mehr als 80 Prozent der europäischen Binnenschifffahrtstätigkeit. Durch die Aufnahme eines Verbotes der Freisetzung flüchtiger organischer und umweltgefährlicher Stoffe in das Übereinkommen kann mit einer relativ kleinen Anpassung der grösste Teil der internationalen Binnenschifffahrt in Europa abgedeckt werden.

2.4 Art. 1

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Übereinkommens Begriffsbestimmungen

Buchstabe f definiert den Abfall aus dem Ladungsbereich. An dieser Stelle musste die Definition um den Ausdruck «Dämpfe» erweitert werden.

Buchstabe ff wurde neu eingefügt und definiert den Ausdruck «Dämpfe» als «gasförmige Verbindungen, die aus flüssiger Ladung verdunsten (gasförmige Rückstände flüssiger Ladung)».

Als Annahmestellen werden unter Buchstabe j Einrichtungen definiert, die von den zuständigen Behörden neu zur Annahme auch von Dämpfen zugelassen sind.

Gemäss dem neuen Buchstaben nn wird der «Betreiber einer Annahmestelle» als eine Person definiert, die gewerbsmässig eine Annahmestelle betreibt.

Die «Freisetzung von Dämpfen» wird unter Buchstabe s als jegliches Ablassen von Dämpfen aus einem geschlossenen Ladetank ausser beim Entspannen des Tanks zum Zwecke der Öffnung der Ladeluken und zum Zwecke der Durchführung von Messungen der Dampfkonzentration sowie beim Ansprechen der Sicherheitsventile definiert.

Art. 3

Verbot der Einbringung, Einleitung und Freisetzung

Artikel 3 enthält die zentrale Verpflichtung der Staaten, der Verschmutzung des Rheins entgegenzuwirken. Das Verbot in Absatz 1 wird erweitert mit dem Zusatz, dass es auf den in Anlage 1 genannten Wasserstrassen untersagt ist, Dämpfe in die Atmosphäre freizusetzen. Der Verschmutzungsbereich wird mit der vorliegenden Anpassung nicht mehr nur auf eine Verschmutzung des Rheinwassers, sondern um die Verschmutzung der Atmosphäre erweitert.

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Art. 8

Finanzierung der Restentladung, des Waschens, des Entgasens sowie der Annahme und Entsorgung von Abfällen aus dem Ladungsbereich

Artikel 8 regelt den Grundsatz der Kostentragung für die Dienstleistungen gemäss Überschrift. Die Überschrift wurde ebenfalls um den Ausdruck «des Entgasens» ergänzt.

Artikel 8 wird um einen Absatz 1a erweitert, der nach dem allgemeinen Grundsatz des CDNI festhält, dass der Befrachter die Kosten für das Entgasen des Fahrzeugs entsprechend Teil B der Anwendungsbestimmung trägt.

Absatz 2 regelt die Kostenpflicht des Frachtführers, sofern bei der vorangegangenen Beförderung das Waschen oder Entgasen regelkonform erfolgt ist, das Fahrzeug aber dennoch nicht dem vorgeschriebenen Entladungsstandard entspricht. Neu wird festgehalten, dass auch im Fall des ungenügenden Entladungsstandards bei gasförmigen Rückständen der Frachtführer für die Entgasungskosten einzustehen hat.

Art. 11

Allgemeine Sorgfaltspflicht

Die allgemeine Sorgfaltspflicht umfasst die nach den Umständen gebotene Sorgfalt, um eine Verschmutzung der Wasserstrasse zu vermeiden. Neu enthält die Sorgfaltspflicht auch die Vermeidung einer Verschmutzung der Atmosphäre.

Art. 12

Verpflichtungen und Rechte des Schiffsführers

In Absatz 2 wird die Verpflichtung des Schiffsführers festgehalten, das Verbot zur Einleitung oder Einbringung von Schiffsabfällen und Teilen der Ladung in die Wasserstrasse zu beachten. Analog zu den anderen Anpassungen wurde auch dieser Absatz um das Verbot um die Freisetzung in die Atmosphäre ergänzt.

Art. 13

Verpflichtungen des Frachtführers, des Befrachters und des Ladungsempfängers sowie der Betreiber von Umschlagsanlagen und Annahmestellen

Die Anpassung von Artikel 13 steht in keinem Zusammenhang zum Verbot des Ventilierens von gasförmigen Schiffsabfällen. Es handelt sich um eine rein redaktionelle Anpassung (Streichung des 2. Absatzes) für eine bessere Kohärenz mit der Anwendungsbestimmung.

2.5

Auswirkungen

2.5.1

Auswirkungen auf den Bund

Durch die Annahme dieser Vorlage sind weder finanzielle noch personelle Auswirkungen für den Bund zu erwarten, weshalb auf eine detaillierte Untersuchung verzichtet wurde.

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2.5.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Durch die Annahme dieser Vorlage sind keine Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete zu erwarten, weshalb auf eine detaillierte Untersuchung verzichtet wurde.

2.5.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Annahme der Vorlage hat minime Auswirkungen auf die schweizerische Volkswirtschaft. Mit der Auferlegung der Kosten für die Entgasung gemäss Verursacherprinzip entstehen den betroffenen wirtschaftlichen Akteuren jedoch keine wettbewerbsrechtlichen Nachteile, da die Regelung für alle Schiffe gilt, die auf dem geografischen Anwendungsbereich des CDNI verkehren.

2.5.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Durch die Annahme dieser Vorlage sind keine Auswirkungen auf die Gesellschaft zu erwarten, weshalb auf eine detaillierte Untersuchung verzichtet wurde.

2.5.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Annahme dieser Vorlage führt zu einer Verringerung des Einbringens umweltschädlicher Stoffe in die Atmosphäre und wirkt sich somit positiv auf die Umwelt aus.

2.5.6

Andere Auswirkungen

Vertragsparteien müssen in Übereinstimmung mit Anlage 2 Teil B Artikel 5.02 CDNI die infrastrukturellen und sonstigen Voraussetzungen für die Abgabe und Annahme von Dämpfen schaffen oder schaffen lassen. Die Schaffung der notwendigen Infrastruktur wird in der Schweiz Privaten überlassen. Die Überwachung der Umsetzung erfolgt durch die Schweizerischen Rheinhäfen.

Unternehmen, die eine eigene Annahmestelle für Dämpfe einrichten möchten, benötigen für deren Nutzung eine Genehmigung der (örtlichen) zuständigen Behörden. Die Entscheidung, auch anderen die Nutzung dieser Einrichtung zu gewähren, obliegt dem Unternehmen, dem die Annahmestelle gehört. Heute verfügen einige Unternehmen über eigene Einrichtungen, die jedoch in der Regel nicht von Dritten genutzt werden dürfen.

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2.6

Rechtliche Aspekte

2.6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 7a Abs. 1 RVOG).

2.6.2

Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Annahme der Änderungen ist mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Die Annahme des Verbots der unkontrollierten Entgasung stellt eine Umsetzung der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung dar, indem das Ziel 6.3 zur Erhaltung der Wasserqualität und Verringerung von Verschmutzung gefördert wird.

2.6.3

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten.

Der vorliegende völkerrechtliche Vertrag stellt eine Anpassung eines bestehenden Übereinkommens dar. Das Verbot des Ventilierens und die Auferlegung der Kosten nach Verursacherprinzip stellen eine wichtige rechtsetzende Anpassung dar mit Auswirkungen auf schweizerische Unternehmen.

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Vertrags ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

2.6.4

Annahme der Änderung

Gemäss Artikel 19 Absatz 4 CDNI bedürfen Änderungen des Übereinkommens der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Vertragsparteien. Sie treten am ersten Tag des sechsten Monats nach der Hinterlegung der letzten Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde beim Verwahrer in Kraft. Als Verwahrer bestimmt das Übereinkommen in Artikel 21 Absatz 1 den Generalsekretär der ZKR.

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Die Schweiz hat die Änderung nicht unterschrieben, weshalb die Zustimmung zu den Änderungen durch Hinterlegung einer Annahmeurkunde erfolgen wird.

Nach Artikel 19 Absatz 5 treten Änderungen der Anlagen des CDNI zu dem vereinbarten Zeitpunkt, spätestens neun Monate nach der Beschlussfassung, in Kraft, sofern nicht eine Vertragspartei dem Verwahrer binnen sechs Monaten mitteilt, dass sie diese Änderungen ablehnt.

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