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23.021 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Zulassung als Strassentransportunternehmen vom 17. Mai 2023

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Zulassung als Strassentransportunternehmen.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2021

M 21.4580

Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Informationsaustausch. Der Schweizer Polizei Zugriff auf das europäische Strassentransportregister ermöglichen

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. Mai 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2023-1467

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Übersicht Das Bundesgesetz über die Zulassung als Strassentransportunternehmen (STUG) soll geändert werden, damit der faire Wettbewerb im Strassenverkehr gestärkt und die Kriterien für die Zulassung als Strassentransportunternehmen mit den Vorschriften der EU in Einklang gebracht werden.

Ausgangslage Nach der Verabschiedung des «Mobilitätspakets I» durch das Europäische Parlament und den Rat im Jahr 2020 gelten im Strassenverkehrssektor neue Rechtsvorschriften, die unter anderem den Markt- und Berufszugang sowie die Vorgaben zu den Entsendevorschriften und der Amtshilfe zwischen EU-Mitgliedstaaten im Bereich Strassenverkehr im EU-Raum zum Gegenstand haben. Im grenzüberschreitenden Verkehr betreffen sie die Einführung von Kriterien für den Zugang zum Beruf (Lizenz) für Unternehmen, die leichte Güterfahrzeuge (vor allem Lieferwagen), deren Gesamtgewicht 2,5 Tonnen übersteigt, jedoch höchstens 3,5 Tonnen beträgt, zu gewerblichen Zwecken einsetzen, und die Implementierung von Massnahmen zur besseren Kontrolle von sogenannten «Briefkastenfirmen». Im Mobilitätspaket I sind ausserdem die Verwaltungszusammenarbeit sowie die Amtshilfe zwischen den EU-Mitgliedstaaten bei der Zulassung zum Markt und Beruf geregelt.

Inhalt der Vorlage Mit dieser Vorlage soll das Schweizer Recht mit den neuen EU-Vorschriften in Einklang gebracht werden. Weiter sind Rechtsgrundlagen für die Schweizer Teilnahme am europäischen Register der Strassentransportunternehmen vorgesehen. Beides erfordert eine Änderung des STUG.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Ausgangslage 1.1 Bisherige Vorschriften zur Zulassung als Strassentransportunternehmen 1.2 Handlungsbedarf und Ziele 1.3 Überblick über die Vorlage 1.4 Abgrenzung der Vorlage 1.5 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.5.1 Zugang zum Beruf 1.5.2 Entsendungen 1.6 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.7 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

5 6 7 8 9 9 10 12 12

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Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

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3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

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4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.1.1 Ausdehnung der Lizenzpflicht 4.1.2 Briefkastenfirmen 4.1.3 IMI-Modul 2020/1055 4.1.4 ERRU 4.1.5 Verbot und Sanktionierung vorschriftswidriger Aufträge im Güterverkehr 4.1.6 Diverse Anpassungen des STUG 4.2 Umsetzungsfragen

14 14 14 15 16 17

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

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6

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft 6.5 Auswirkungen auf die Umwelt

28 28

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

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7

17 18 18

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7.5

Datenschutz

Abkürzungsverzeichnis Bundesgesetz über die Zulassung als Strassentransportunternehmen (STUG) (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Bisherige Vorschriften zur Zulassung als Strassentransportunternehmen

Am 1. Juni 2002 ist das Abkommen vom 21. Juni 19991 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse (Landverkehrsabkommen, LVA) in Kraft getreten. Ebenfalls am 1. Juni 2002 ist die Änderung des Übereinkommens vom 4. Januar 19602 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Übereinkommen) in Kraft getreten. Dieses Abkommen regelt in seinem Anhang P in gleicher Weise den Zugang zum Markt im Bereich des Landverkehrs zwischen den EFTA-Staaten.

Im Verkehr zwischen der Schweiz und den EU- bzw. den übrigen EFTA-Staaten traten mit diesem Datum Änderungen in der bisherigen Praxis bei der Durchführung von Güter- und Personenbeförderungen auf der Strasse zwischen der Schweiz und dem Gebiet der EU oder EFTA in Kraft. Es fand eine Angleichung der Vorschriften im Bereich Markt- und Berufszugang an die in der EU sowie den übrigen EFTA-Staaten geltenden Vorschriften statt.

Die Schweiz hat zu diesem Zweck das Bundesgesetz vom 20. März 20093 über die Zulassung als Strassentransportunternehmen (STUG) erlassen, das die Zulassung als Transportunternehmen im Personen- und Güterverkehr auf der Strasse regelt und die Kriterien für die Zulassung zum Beruf festlegt.

Die Liberalisierung und Harmonisierung wurde in der EU 2009 mit der Verabschiedung des ersten Strassenverkehrspakets konsolidiert, das die folgenden Rechtsakte umfasst:

1 2 3 4

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6

­

Verordnung (EG) Nr. 1071/20094;

­

Verordnung (EG) Nr. 1072/20095;

­

Verordnung (EG) Nr. 1073/20096.

SR 0.740.72 SR 0.632.31 SR 744.10 Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG des Rates, ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 51.

Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs, ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 72.

Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 88.

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Mit der am 26. September 20147 beschlossenen Änderung des STUG sind seit dem 1. Januar 2016 Regelungen in Kraft, die dem ersten EU-Strassenverkehrspaket von 2009 gleichwertig sind. Dies wurde durch den Beschluss Nr. 1/2015 des Gemischten Landverkehrsausschusses Gemeinschaft/Schweiz vom 16. Dezember 20158 zur Änderung der Anhänge 1, 3, 4 und 7 des LVA bestätigt.

Insbesondere wurden Zulassungsregelungen für alle Strassentransportunternehmen im Güterverkehr eingeführt, die gewerbsmässig die Güterbeförderung mit Lastwagen, Sattelmotorfahrzeugen oder Fahrzeugkombinationen ausführen, deren Gesamtgewicht nach Fahrzeugausweis 3,5 Tonnen (davor 6 Tonnen) übersteigt.

Nebst den Vorschriften zur Zulassung als Strassentransportunternehmen erliess die EU in den vergangenen Jahren immer umfassendere Sozialvorschriften (Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, harmonisierte Lenk- und Ruhezeiten) und umfangreiche technische Normen (Fahrzeuggewicht und -abmessungen, Führerausweis, Ausbildung der Fahrerinnen und Fahrer usw.).

1.2

Handlungsbedarf und Ziele

Die Europäische Kommission (EU-Kommission) hat schnell erkannt, dass die bestehenden Rechtsvorschriften nicht ausreichen, um Sozialdumping wirksam zu bekämpfen, und dass in diesem Sektor für einen faireren Wettbewerb gesorgt werden muss.

Sie hat daher ein neues Gesetzespaket mit dem Titel «Mobilitätspaket» auf den Weg gebracht und am 31. Mai 2017 veröffentlicht.

Es handelt sich um ein umfassendes Paket, das in drei Teile gegliedert ist. Im ersten Teil geht es vor allem darum, die Regelungen für den Zugang zum Beruf («Briefkastenfirmen», Kabotage und leichte Güterfahrzeuge) und die Sozialvorschriften (Ruheund Lenkzeiten der Fahrerinnen und Fahrer, intelligente Fahrtenschreiber, Mindestlohn für entsandte Arbeitnehmende) anzupassen oder zu überarbeiten. Der zweite Teil des Pakets betrifft intelligente Gebührensysteme für die Infrastrukturnutzung. Der dritte Teil befasst sich schliesslich mit der Verbesserung der Umwelt- und Klimaverträglichkeit des Strassenverkehrs, der Erhöhung der Verkehrssicherheit sowie der automatisierten Mobilität und Digitalisierung im Strassenverkehr.

Nach drei Jahren Verhandlungen verabschiedete die EU am 8. Juli 2020 eine zentrale Reform für den Strassenverkehr, nämlich den ersten Teil des «Mobilitätspakets» (nachfolgend «Mobilitätspaket I»). Dieses Teilpaket umfasst die folgenden Rechtsakte: ­ 7 8 9

Verordnung (EU) 2020/10549; AS 2015 3191 AS 2016 433 Verordnung (EU) 2020/1054 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen an die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten, und der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 hinsichtlich der Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern, ABl. L 249 vom 31.7.2020, S. 1.

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­

Verordnung (EU) 2020/105510;

­

Richtlinie (EU) 2020/105711.

Bei den neuen Bestimmungen handelt es sich um Massnahmen zur Bekämpfung des Sozialdumpings und zur Förderung eines fairen Wettbewerbs in der Branche.

1.3

Überblick über die Vorlage

Diese Botschaft befasst sich mit der Umsetzung in schweizerisches Recht des Teils des Mobilitätspakets I, der in der Verordnung (EU) 2020/1055 enthalten ist. Zudem schafft es die Voraussetzungen, um die Durchführungsverordnungen (EU) 2016/48012 und 2017/144013 zur Vernetzung der nationalen elektronischen Register der Strassenverkehrsunternehmen in der Schweiz vollständig umsetzen zu können.

Die Verordnung (EU) 2020/1055 führte einerseits Kriterien für den Zugang zum Beruf (Lizenz) für Unternehmen ein, die leichte Güterfahrzeuge mit mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen zu gewerblichen Zwecken im Güterverkehr einsetzen, und sieht andererseits Massnahmen zur besseren Kontrolle von sogenannten «Briefkastenfirmen» vor. Indem Strassentransportunternehmen, die solche leichte Güterfahrzeuge im Güterverkehr einsetzen, eine Zulassungsbewilligung erwerben müssen, wird eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber herkömmlichen Strassentransportunternehmen (Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht) verhindert, da für Transporte mit leichten Lieferwagen bislang keine Zulassungspflicht bestand. Die Verordnung ist in der EU seit dem 21. Februar 2022 in Kraft. Die erweiterte Lizenzpflicht für Unternehmen, die leichte Güterfahrzeuge mit mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen zu gewerblichen Zwecken im grenzüberschreitenden Güterverkehr einsetzen, gilt in der EU seit dem 21. Mai 2022.

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13

Verordnung (EU) 2020/1055 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009, (EG) Nr. 1072/2009 und (EU) Nr. 1024/2012 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor, ABl. L 249 vom 31.7.2020, S. 17.

Richtlinie (EU) 2020/1057 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Festlegung besonderer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71/EG und der Richtlinie 2014/67/EU für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor und zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EG bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, ABl. L 249 vom 31.7.2020, S. 49.

Durchführungsverordnung (EU) 2016/480 der Kommission vom 1. April 2016 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Vernetzung der nationalen elektronischen Register der Kraftverkehrsunternehmen und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1213/2010, ABl. L 87 vom 2.4.2016, S. 4.

Durchführungsverordnung (EU) 2017/1440 der Kommission vom 8. August 2017 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/480 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Vernetzung der einzelstaatlichen elektronischen Register der Kraftverkehrsunternehmen, ABl. L 206 vom 9.8.2017, S. 3.

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1.4

Abgrenzung der Vorlage

Der Teil des Mobilitätspakets I, der sich auf die Lenk- und Ruhezeiten sowie den Fahrtenschreiber bezieht (Verordnung [EU] 2020/1054), ist in den EU-Mitgliedstaaten bereits seit August 2020 in Kraft, wobei einige Bestimmungen gestaffelt Gültigkeit erlangen (2022, 2023, 2025 und 2026). Dadurch werden die Verordnungen (EG) Nr. 561/200614 und (EU) Nr. 165/201415 geändert, welche beide Teile des LVA sind. Die vorliegende Botschaft befasst sich nicht mit der Übernahme der Verordnung (EU) 2020/1054.

Da die Änderungen von unterschiedlicher Tragweite sind und verschiedene Rechtsgebiete betreffen, erfolgt die Übernahme ins nationale Recht anhand von drei separaten Revisionspaketen: Das Revisionspaket 1 zur Chauffeurverordnung vom 19. Juni 199516 (neue Möglichkeiten zu den Arbeits-, Lenk- und Ruhezeitvorschriften) wurde bereits umgesetzt und ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Die Vernehmlassung zum Revisionspaket 2 (Anpassungen zum Fahrtschreiber und zu den Fahrtschreiberkarten in der Verordnung vom 19. Juni 199517 über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge) wurde 2022 eröffnet, und die Vernehmlassung zum Revisionspaket 3 (Erweiterung des Geltungsbereichs der Chauffeurverordnung im grenzüberschreitenden Verkehr auf den gewerblichen Gütertransport mit Fahrzeugen und Fahrzeugkombinationen mit einem Gesamtgewicht von mehr als 2,5, jedoch höchstens 3,5 Tonnen) soll 2023 eröffnet werden.

Der Teil des Mobilitätspakets I, der sich auf die Entsendung von Kraftfahrerinnen und -fahrern im Strassenverkehrssektor (Richtlinie [EU] 2020/1057) bezieht, ist ebenfalls nicht Bestandteil der vorliegenden Botschaft (vgl. Ziff. 1.5.2). Die Richtlinie (EU) 2020/1057 führt spezifische Regeln in Bezug auf die Entsendung von Kraftfahrern im Güter- und Personenverkehr auf der Strasse ein, welche teilweise von der EU-Richtlinie 96/71/EG18 (Entsenderichtlinie, EntsRL) abweichen. Diese lex specialis, die in der EU spätestens am 2. Februar 2022 umgesetzt werden musste, bezieht sich auf die

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15

16 17 18

Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Strassenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates, ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 1.

Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Strassenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Strassenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Strassenverkehr, ABl. L 60 vom 28.2.2014, S. 1.

SR 822.221 SR 741.41 Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1.

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allgemeinen Entsenderichtlinien (EntsRL und Richtlinie 2014/67/EU19) und die bei Entsendungen vorgesehene Amtshilfe.

Schweizer Transportunternehmen, welche ab dem 2. Februar 2022 Fahrten in die EU durchführen, müssen ihre Meldung wie bis anhin gemäss den nationalen Vorschriften des Gastlandes absetzen.

Artikel 2 der Richtlinie (EU) 2020/1057 passt die Richtlinie 2006/22/EG20 an, welche eine einheitliche und wirksame Durchsetzung der Vorschriften zu Arbeits- und Ruhezeiten zum Ziel hat. Mit der Anpassung in Artikel 2 der Richtlinie werden einheitliche Strassenkontrollen in den EU-Mitgliedstaaten angestrebt sowie die bestehenden nationalen Risikoeinstufungssysteme ausgeweitet. Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) sieht betreffend Umsetzung der Vorgaben aus Artikel 2 keinen Handlungsbedarf und geht davon aus, dass die Äquivalenz zum EU-Recht mit dem bestehenden nationalen Recht erreicht werden kann.

1.5

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

1.5.1

Zugang zum Beruf

Die Verordnung (EU) 2020/1055 zielt darauf ab, die Kriterien für den Zugang zum Beruf (Zulassungsbewilligung) auf diejenigen Strassentransportunternehmen auszuweiten, die im grenzüberschreitenden Güterverkehr Fahrzeuge einsetzen, deren Gesamtgewicht 2,5 Tonnen übersteigt, jedoch höchstens 3,5 Tonnen beträgt. Bislang brauchen nur Unternehmen, welche dafür Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht einsetzen, eine Zulassungsbewilligung. Innerhalb der EU ist die Ausdehnung dieser Vorschrift auf Unternehmen, die ausschliesslich innerstaatlichen Verkehr durchführen, freiwillig.

Aufgrund der Rückmeldungen aus der Vernehmlassung und der zu erwartenden Auswirkungen schlägt der Bundesrat vor, die Inhalte der Verordnung (EU) 2020/1055 zu übernehmen und so die Zulassungspflicht auf Schweizer Strassentransportunternehmen auszudehnen, welche Fahrzeuge mit einem jeweiligen Gesamtgewicht von mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen im grenzüberschreitenden Güterverkehr einsetzen.

Von dieser Massnahme dürften gemäss groben Schätzungen ungefähr 1000 Unternehmen betroffen sein. Es fallen nur Unternehmen neu unter die Zulassungspflicht, die nicht bereits heute Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen für den nationalen oder internationalen gewerblichen Güterverkehr einsetzen (vgl. Ziff. 6).

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Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des BinnenmarktInformationssystems (,,IMI-Verordnung"), ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11.

Richtlinie 2006/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über Mindestbedingungen für die Durchführung der Verordnungen (EWG) Nr. 3820/85 und (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr sowie zur Aufhebung der Richtlinie 88/599/EWG des Rates, ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 35.

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Geprüft und verworfen hat der Bundesrat die Variante, die Zulassungspflicht auf alle Schweizer Strassentransportunternehmen auszudehnen, welche Fahrzeuge mit einem jeweiligen Gesamtgewicht von mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen ausschliesslich im Binnenverkehr einsetzen. Der Bundesrat sieht vor, die Entwicklung in den Mitgliedstaaten der EU bezüglich der Einführung der Lizenzpflicht für den Binnenverkehr zu beobachten und gestützt darauf in einigen Jahren erneut die Ausweitung der Lizenzpflicht auch für die Schweiz zu prüfen.

Gemäss Auswertung des Bundesamtes für Statistik (BFS) ist davon auszugehen, dass bei einer Ausweitung der Zulassungspflicht auf den gesamten Güterverkehr (unabhängig davon, ob grenzüberschreitend oder nur im Binnenverkehr tätig) zwischen 12 000 und 37 000 Firmen neu unter die Zulassungspflicht fallen dürften (vgl. Ziff. 6), da diese Unternehmen Fahrzeuge mit mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen im Binnen- und internationalen gewerblichen Transport einsetzen. Dies bedeutet einen Mehraufwand sowohl für die Unternehmen, die neu unter die Zulassungspflicht fallen, als auch für das Bundesamt für Verkehr (BAV), welches für die Erteilung der Zulassungsbewilligungen zuständig ist, als Aufsichtsbehörde und als zuständige Behörde für die Strafverfolgung bei Widerhandlungen gegen die Zulassungsvorschriften agiert.

1.5.2

Entsendungen

Die Vernehmlassungsvorlage zum Entwurf des Bundesgesetzes über den internationalen Personen- und Güterverkehr auf der Strasse enthielt neben Anpassungen im STUG eine Ergänzung des Entsendegesetzes vom 8. Oktober 199921 (EntsG) zur Gewährung von Amtshilfe durch die kantonalen Vollzugsbehörden bei Entsendungen im Strassentransport. Im EntsG wären damit gewisse Teile der Richtlinie (EU) 2020/1057 aufgenommen worden, die besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern sowie insbesondere eine Definition, wann eine Entsendung vorliegt und folglich die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen respektiert werden müssen, enthält. Diese gelten als lex specialis zur EntsRL. Eine Übernahme der Richtlinie (EU) 2020/1057 zur Entsendung von Kraftfahrern hätte Auswirkungen auf die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit (FlaM), weil sämtliche Transportfahrten, auch bilaterale Fahrten, nicht mehr als Entsendung mit den damit verbundenen administrativen Anforderungen und Kontrollmöglichkeiten gelten würden. Das würde heissen, dass die Entsenderegeln gemäss dem Freizügigkeitsabkommen im Verhältnis EU­Schweiz nicht mehr anwendbar und damit die Kontrollmöglichkeiten bei fast sämtlichen Fahrten aus der EU in die Schweiz nicht mehr möglich wären. Dies gilt auch für Kontrollen im Rahmen der Beobachtung des Arbeitsmarktes im Sinne von Artikel 360b des Obligationenrechts22.

Aufgrund dieser Ausgangslage hat der Bundesrat in seinem Vernehmlassungsentwurf drei verschiedene Varianten präsentiert. Die Vernehmlassenden wurden zur Gesamtübernahme der Richtlinie (EU) 2020/1057 (Variante 1), zur Nichtübernahme (Vari21 22

SR 823.20 SR 220

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ante 2) oder zur teilweisen Übernahme (Variante 3) befragt. Von diesen Möglichkeiten hat der Bundesrat die Variante 3 vorgeschlagen, wonach die Schweiz die Richtlinie (EU) 2020/1057 vorerst nur teilweise übernehmen würde, d. h. ohne die Definition von Entsendungen (Rechtsangleichung im Bereich Amtshilfe). Damit würden für das Vorliegen einer Entsendung das Abkommen über die Freizügigkeit 23 (FZA) und das EntsG weiterhin anwendbar bleiben, allerdings mit der Aufhebung der 8-tägigen Voranmeldefrist in der Verordnung vom 21. Mai 200324 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Mit den Anpassungen im EntsG sollte aber eine Grundlage für den Informationsaustausch und für die Gewährung von Amtshilfe durch die Schweiz geschaffen werden. Der Anwendungsbereich beschränkte sich auf Entsendungen im Strassentransportgewerbe im Rahmen der Richtlinie (EU) 2020/1057. Die Amtshilfe käme dann zur Anwendung, wenn ein EU-Mitgliedstaat eine Kontrolle durchführen wollte und dazu Informationen oder Dokumente vom Unternehmer in der Schweiz benötigte, welche von diesem nicht erhältlich sind.

Gesamthaft betrachtet fand der Vorschlag des Bundesrates zur Teilübernahme keine oder keine bedingungslose Zustimmung.

In Gesprächen, die die Verwaltung parallel zum Vernehmlassungsverfahren mit der aufseiten der EU zuständigen Generaldirektion Mobilität und Verkehr (DG MOVE) geführt hat, und anlässlich der Sitzung des gemischten Landverkehrsausschusses Gemeinschaft/Schweiz vom 2. Dezember 2022 hat die DG MOVE mitgeteilt, dass sie eine teilweise Übernahme der Richtlinie (EU) 2020/1057 ablehnt. Ein einheitlicher Anwendungsbereich müsse sichergestellt werden. Die Regeln über die Amtshilfe könnten nicht vom Geltungsbereich respektive der Definition einer Entsendung abgespalten werden, weil die Umsetzung im Schweizer Recht sonst Fälle von Entsendungen enthalte, welche die EU in der Richtlinie (EU) 2020/1057 ausdrücklich ausgeschlossen hat. Die EU respektive deren Mitgliedstaaten würden der Schweiz keine Amtshilfe im Sinne der Richtlinie leisten, wenn die Schweiz im Rahmen einer FlaMKontrolle darum ersuchen würde.

In Abwägung der Rückmeldung aus der Vernehmlassung (Stellungnahmen der Sozialpartner, eines Teils der Kantone und der politischen Parteien) und der Haltung der DG MOVE hat der Bundesrat entschieden,
die Varianten der teilweisen oder integralen Übernahme der Richtlinie (EU) 2020/1057 derzeit nicht weiterzuverfolgen und dem Parlament in der Botschaft vorerst keine Anpassung des EntsG zu beantragen.

Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die Übernahme der Richtlinie (EU) 2020/1057 zu einem späteren Zeitpunkt thematisiert wird. Sie könnte im Rahmen künftiger Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU erneut aufgenommen werden.

Entsprechend heisst die Vorlage neu «Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Zulassung als Strassentransportunternehmen», da es sich nicht mehr um einen Mantelerlass handelt, welcher zwei Gesetze ändert.

Der Regelungsunterschied zur EU ist trotz der derzeitigen Nichtübernahme der EUEntsenderegeln im Transportbereich in der Praxis nicht gross. So ist beispielsweise gemäss einem Rundschreiben des Staatssekretariats für Migration und des Staatssek23 24

SR 0.142.112.681 SR 823.201

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retariats für Wirtschaft vom 28. Februar 201725 der Güterverkehr und der Gelegenheitsverkehr im Personentransport bereits heute von der Meldepflicht ausgenommen.

Allerdings gilt dies nicht für den regelmässigen Linienverkehr, für welchen die EUTransporteure melde- oder bewilligungspflichtig sind. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Rechtsordnungen besteht also weiterhin darin, dass keine Amtshilfe und kein Austausch bestimmter Daten mit den EU-Mitgliedstaaten vorgesehen ist und dass die Definition der Entsendung im Bereich des Landverkehrs beibehalten wird.

Da es bei einer Übernahme so gut wie keine Entsendungen in die Schweiz mehr gäbe, würde die Schweiz jedoch auch nicht von der Verwaltungszusammenarbeit und dem Informationsaustausch profitieren.

1.6

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 202026 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 202027 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt.

Eines der Ziele der Legislaturplanung 2019­2023 lautet, einen Beitrag zu einer tragfähigen Weltwirtschaftsordnung zu leisten und der Schweizer Wirtschaft den Zugang zu internationalen Märkten und zum EU-Binnenmarkt zu sichern.

Für den Wohlstand der Schweiz ist der hindernisfreie Zugang ihrer Wirtschaft zum EU-Binnenmarkt von besonderer Bedeutung. Die EU wird im Bereich des Landverkehrs der bedeutendste Wirtschaftspartner der Schweiz bleiben. Um die Beziehungen der Schweiz zur EU zu vertiefen, möchte der Bundesrat den bilateralen Weg konsolidieren, verstetigen und weiterentwickeln, indem er eine umfassende und koordinierte Herangehensweise verfolgt, die sämtliche offenen Dossiers mit der EU umfasst. Die im Rahmen dieser Botschaft vorgeschlagene Gesetzesänderung ist Teil dieser Strategie.

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die Forderungen des nachstehenden parlamentarischen Vorstosses werden mit dieser Vorlage aufgegriffen: 2021

M 21.4580

Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Informationsaustausch. Der Schweizer Polizei Zugriff auf das europäische Strassentransportregister ermöglichen

Der Bundesrat beantragt daher, diesen parlamentarischen Vorstoss im Rahmen der Botschaft als erfüllt abzuschreiben.

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www.sem.admin.ch/dam/sem/de/data/rechtsgrundlagen/weisungen/fza/ 20170228-rs-transportdienstleistungen-d.pdf.download.pdf/ 20170228-rs-transportdienstleistungen-d.pdf BBl 2020 1777 BBl 2020 8385

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2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation und das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung eröffneten gemeinsam am 23. Februar 2022 die Vernehmlassung zum Entwurf des Bundesgesetzes über den internationalen Personen- und Güterverkehr auf der Strasse. Dabei wurden 236 Adressatinnen und Adressaten zur Teilnahme an der Vernehmlassung eingeladen. Die Vernehmlassung dauerte bis zum 31. Mai 2022. Insgesamt sind in dieser Zeit 23 Stellungnahmen eingetroffen.28 Die Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützen die Zielsetzung der Vorlage, den fairen und nachhaltigen Strassenverkehr zu fördern sowie die schweizerischen Rechtsvorschriften im Sinne des LVA denjenigen der EU anzupassen, mit grosser Mehrheit.

Eine Mehrheit hält den Vorschlag für zweckmässig, die Lizenzpflicht auf diejenigen Schweizer Strassentransportunternehmen auszuweiten, die Güterfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen einsetzen.

Lediglich die Beschränkung auf den grenzüberschreitenden Verkehr ist umstritten.

Fast die Hälfte der Teilnehmenden ist der Ansicht, dass die Lizenzpflicht auch auf Unternehmen ausgeweitet werden soll, die solche Fahrzeuge ausschliesslich im Binnenverkehr einsetzen.

Die Massnahmen, die auf die Vermeidung von sogenannten «Briefkastenfirmen» zielen, werden von einer klaren Mehrheit unterstützt. Es wird jedoch erwartet, dass die Kosten und der Nutzen des entsprechenden Moduls des europäischen BinnenmarktInformationssystems (IMI) klar ersichtlich sind, bevor weitere Schritte zur Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für den Zugang zu diesem Modul eingeleitet werden.

Im Vernehmlassungsverfahren hat sich ein Grossteil gegen die Variante einer vollständigen Übernahme der Richtlinie (EU) 2020/1057 ausgesprochen. Auch die vom Bundesrat vorgeschlagene Variante einer Teilübernahme wurde mehrheitlich abgelehnt respektive nur unter gewissen Bedingungen akzeptiert. Einige Teilnehmende stimmen einer Teilübernahme nur zu, wenn es zwischen der Schweiz und der EU keinerlei Unterschiede hinsichtlich des auszutauschenden Datenumfanges gibt, d. h. die Amtshilfe gegenseitig auf gleiche Weise erfolgt. Andere befürworteten zwar grundsätzlich eine Teilübernahme, bei welcher das EntsG für das Vorliegen einer Entsendung massgebend
ist, lehnten den Wegfall der 8-tägigen Voranmeldefrist für Strassentransporte aber ab. Sie verlangen, dass bei einer Teilübernahme der Schutz der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie des Kabotageverbots mit Kontrollen gewährt bleiben muss. In einer weiteren Stellungnahme wurde bei einer Teilübernahme die Sicherstellung der Kontrollen mittels Fahrtenschreiber der ausländischen Fahrerinnen und Fahrer gefordert. Eine weitere Partei lehnte den Vernehmlassungsentwurf wegen der Gefährdung der Unabhängigkeit der Schweiz und der unkontrollierbaren Kostenfolgen grundsätzlich ab (vgl. Ziff. 1.5.2).

28

Der Ergebnisbericht ist einsehbar unter www.fedlex.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2023 > UVEK.

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3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Mit der Anpassung der Bestimmungen über die Zulassung von Strassentransportunternehmen zielt diese Vorlage auf eine Harmonisierung mit der Verordnung (EU) 2020/1055 ab, die in der EU bereits eingeführt wurde und für die Mitgliedstaaten am 21. Februar 2022 in Kraft trat. Zurzeit und bis auf Weiteres besteht keine sogenannte Lizenzpflicht (Pflicht zur Zulassungsbewilligung) im Güterverkehr für in der Schweiz immatrikulierte Fahrzeuge mit mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Transportunternehmen mit Sitz in der Schweiz können anlässlich einer Kontrolle in der EU auf ein entsprechendes Bestätigungsschreiben des BAV zurückgreifen. Diese Zwischenlösung wurde von der DG MOVE gutgeheissen.

Mit den im STUG vorgenommenen Anpassungen im Bereich der gegenseitigen Amtshilfe und des Informationsaustauschs sollen zudem die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sich die Schweiz anschliessend mittels der erforderlichen Abkommen an das europäische Register der Strassentransportunternehmen (European Register of Road Transport Undertakings, ERRU) und an das IMI anschliessen könnte.

Um die Gleichwertigkeit der übernommenen Vorschriften mit dem EU-Recht formell zu bestätigen, wird die EU-Kommission eingeladen, nach Verabschiedung des Gesetzes und der Verordnungen eine entsprechende Prüfung der schweizerischen Rechtsakte vorzunehmen. Eine erste informelle Vorprüfung hat ergeben, dass der Erlassentwurf weitgehend den EU-Vorschriften entspricht. Eine fehlende Vorgabe wurde nach der Vernehmlassung eingefügt (vgl. Ziff. 4.1.5).

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

4.1.1

Ausdehnung der Lizenzpflicht

Der Bestand von Güterfahrzeugen mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen hat international, aber auch in der Schweiz, in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein bedeutender Teil davon für den gewerblichen Güterverkehr verwendet wird. Genaue Zahlen liegen nicht vor.

Gründe für die starke Zunahme sind unter anderem die Regulierungsunterschiede für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen und den Fahrzeugen bis 3,5 Tonnen. So ist für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen keine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) zu bezahlen; sie sind nicht der Chauffeurverordnung unterstellt, nicht vom Nacht- und Sonntagsfahrverbot betroffen und unterliegen aktuell auch nicht der Zulassungspflicht. In der Schweiz erbringen leichte Güterfahrzeuge über die Hälfte der Fahrleistungen im Strassengüterverkehr. Aufgrund der kleinen Ladegewichte ist ihre Transportleistung allerdings prozentual viel tiefer.

Bis dato sind ungefähr 6000 schweizerische Transportunternehmen mit Fahrzeugen mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht im Güterverkehr tätig und benötigen daher 14 / 34

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bereits heute eine Zulassungsbewilligung für nationale und internationale gewerbliche Transporte.

Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden zwischen Unternehmen, die im grenzüberschreitenden Verkehr Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen einsetzen, und Unternehmen, die dafür ausschliesslich leichte Güterfahrzeuge mit mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen einsetzen, soll das STUG angepasst werden. Neu sollen die Kriterien für den Zugang zum Beruf auf Unternehmen ausgedehnt werden, die leichte Güterfahrzeuge mit mehr als 2,5 Tonnen zu gewerblichen Zwecken im grenzüberschreitenden Verkehr einsetzen (vgl. Ziff. 1.5.1).

Unternehmen, die nichtgewerbliche Transporte mit leichten Güterfahrzeugen durchführen (z. B. ein Sanitärinstallateur, der einen Lieferwagen mit bis zu 3,5 Tonnen Gesamtgewicht für den Transport seiner Geräte verwendet), bleiben weiterhin von der Zulassungspflicht befreit. Die Zulassungen sind fünf Jahre gültig und müssen dann erneuert werden.

4.1.2

Briefkastenfirmen

Um das Phänomen der «Briefkastenfirmen» anzugehen und zwischen den EUMitgliedstaaten gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, soll die tatsächliche und dauerhafte Niederlassung der Strassentransportunternehmen sichergestellt werden. Die Vorschriften zur Niederlassung werden deshalb in der Verordnung (EU) 2020/1055 präzisiert. Dabei soll ein unverhältnismässig hoher Verwaltungsaufwand vermieden werden. Um auch zwischen der Schweiz und der EU in diesem Bereich gleiche Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen, sollen die entsprechenden Regelungen ins Schweizer Recht übernommen werden.

Konkret muss ein Unternehmen, das eine Zulassungsbewilligung erhalten will, über eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung (Sitz) im jeweiligen Land (hier somit in der Schweiz) verfügen. Um diese Anforderung zu erfüllen, muss ein Unternehmen unter anderem im Niederlassungsstaat über Räumlichkeiten verfügen, in denen auf die Originale seiner Unternehmensunterlagen elektronisch oder in sonstiger Form zugegriffen werden kann. Weiter muss das Unternehmen die Nutzung seiner Fahrzeugflotte so organisieren, dass sichergestellt ist, dass die Unternehmensfahrzeuge spätestens acht Wochen nach Verlassen des Mitgliedstaats zum Unternehmensstandort zurückkehren. Die zusätzlichen neuen Kriterien, die für den Nachweis der tatsächlichen und dauerhaften Niederlassung massgebend sind, werden im Rahmen der Verordnungsanpassung (Revision der Verordnung vom 2. September 201529 über die Zulassung als Strassentransportunternehmen im Personen- und Güterverkehr (STUV)) geregelt und sind damit nicht Teil dieser Vorlage.

29

SR 744.103

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4.1.3

IMI-Modul 2020/1055

Die Verwaltungszusammenarbeit und die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten betreffend den tatsächlichen und dauerhaften Sitz des Unternehmens erfolgt durch das mit der Verordnung (EU) Nr. 1024/201230 (IMI-Verordnung) eingerichtete Binnenmarkt-Informationssystem, genannt IMI. Das IMI ist eine über das Internet zugängliche Anwendung, die von der EU-Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten entwickelt wurde, um den Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten zu erleichtern. Der zentralisierte Kommunikationsmechanismus richtet sich an die zuständigen Behörden in den jeweiligen Ländern. Aktuell gibt es in der EU 17 IMI-Module. Jedes dieser Module ist unabhängig. Die Schweiz muss entsprechend für jedes Modul einzeln einen Zugang beantragen, sofern ein entsprechendes Interesse besteht.

Jeder Staat, der am IMI teilnimmt, benennt eine Behörde, die für den Informationsaustausch zuständig ist. Die Verordnung (EU) 2020/1055 regelt Fristen und Abläufe zum Ersuchen und Erteilen von Auskünften. Der Informationsaustausch über das IMI der Verordnung (EU) 2020/1055 erfolgt einzig zur Frage der Niederlassung, damit festgestellt werden kann, ob es sich bei den jeweiligen Unternehmen um Briefkastenfirmen handeln könnte.

Mit dieser Vorlage wird beabsichtigt, die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Schweiz bei der EU-Kommission den Zugang zum IMI nach der Verordnung (EU) 2020/1055 beantragen könnte. Die Aufnahme der bislang in Artikel 1 Absatz 1 STUV geregelten Zulassungsvoraussetzung des dauerhaften und tatsächlichen Sitzes ins STUG (Art. 4 Abs. 1 Bst. d STUG) sowie die Übernahme der zusätzlichen Niederlassungsvorschriften aus der Verordnung (EU) 2020/1055 auf Verordnungsstufe (STUV) bedeuten, dass die Schweiz eine der Voraussetzungen zur Teilnahme am IMI nach der Verordnung (EU) 2020/1055 erfüllt. Zudem müssen die weiteren Voraussetzungen nach Artikel 23 Absatz 1 der IMI-Verordnung erfüllt sein, damit die Schweiz am IMI teilnehmen kann. Dazu gehört, dass der Austausch oder die Bereitstellung der Informationen in einem Abkommen zwischen der Schweiz und der EU geregelt wird.

Deshalb soll der Bundesrat mit der Anpassung des STUG die Kompetenz erhalten, ein entsprechendes Abkommen abschliessen zu können. Des Weiteren muss die Schweiz einen angemessenen Schutz
personenbezogener Daten gewährleisten.

Ob die Schweiz tatsächlich am IMI teilnimmt, ist abhängig vom tatsächlichen Nutzen, von den Kosten, dem Abschluss eines entsprechenden Abkommens mit der EU und von allfälligen Alternativlösungen, welche von der EU zugelassen werden müssten.

Da die EU-Kommission bisher kein Abkommen zur Teilnahme am IMI nach der Verordnung (EU) 2020/1055 mit einem Drittstaat abgeschlossen hat, konnten im Rahmen der Gespräche zwischen dem BAV und der DG MOVE keine Kostenschätzungen genannt werden (vgl. Ziff. 6.1). Der Bundesrat wird zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden müssen, ob das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen gegeben und eine IMI-Teilnahme in diesem Bereich sinnvoll ist. Ausserdem sind Gespräche zu einem 30

Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des BinnenmarktInformationssystems und zur Aufhebung der Entscheidung 2008/49/EG der Kommission («IMI-Verordnung»), Abl. L 316 vom 14.11.2012, S.1.

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möglichen IMI-Abkommen EU-seitig abhängig von den Fortschritten bei der Klärung der institutionellen Fragen.

4.1.4

ERRU

Die Verordnung (EU) 2020/1055 regelt den Informationsaustausch über das ERRU.

Mit Übernahme der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 wurde 2016 im STUG die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen (Art. 9a Abs. 3 STUG), dass auf Anfrage sachdienliche Daten des Registers zur Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Verkehrsleiters oder einer Verkehrsleiterin mit den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten oder Drittstaaten ausgetauscht werden können. Der Informationsaustausch zwischen der Schweiz und der EU basiert heute auf der Verordnung (EU) Nr. 1213/201031, welche Teil des Anhangs 1 des LVA ist. Diese Verordnung ist jedoch in der EU nicht mehr in Kraft. Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2016/480 gibt die EU Regeln für die Vernetzung der nationalen elektronischen Register der Strassentransportunternehmen über das ERRU vor. Bis 2017 konnte die Kommunikation zwischen den Behörden über eine sogenannte «Peer-to-Peer-Konfiguration» erfolgen. Die Mitgliedstaaten konnten sich somit direkt austauschen. Seit 2017 verlangt die EU jedoch, dass dieser Austausch über eine von der EU verwaltete Zentralstelle läuft, um Systemfehler im Zusammenhang mit den Benachrichtigungen zu erkennen.

Neu soll der Austausch zwischen der Schweiz und der EU ebenfalls über das ERRU erfolgen. Das setzt voraus, dass die Schweiz sich am ERRU beteiligt und die entsprechenden Durchführungsverordnungen (EU) 2016/480 und 2017/144032 übernimmt, damit diese ebenfalls in den Anhang 1 des LVA aufgenommen werden können.

Mit dem Mobilitätspaket I baut die EU zudem das nationale Register aus. Neu werden die amtlichen Kennzeichen, die Anzahl beschäftigter Personen und die Risikoeinstufung aufgeführt. Das ASTRA als zuständige Behörde ist zum Schluss gekommen, dass es bis auf Weiteres das Risikoeinstufungssystem nicht einführen wird. Entsprechend wird das Risikoeinstufungssystem zum jetzigen Zeitpunkt nicht in das Gesetz aufgenommen.

4.1.5

Verbot und Sanktionierung vorschriftswidriger Aufträge im Güterverkehr

Eine erste Äquivalenzprüfung der Schweizer Gesetzesentwürfe durch die DG MOVE hat ergeben, dass im Erlassentwurf, welcher in die Vernehmlassung geschickt wurde, eine wesentliche Vorschrift aus der Verordnung (EU) 2020/1055 nicht übernommen 31

32

Verordnung (EU) Nr. 1213/2010 der Kommission vom 16. Dezember 2010 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Vernetzung der einzelstaatlichen elektronischen Register der Kraftverkehrsunternehmen, ABl. L 335 vom 18.12.2010, S. 21.

Durchführungsverordnung (EU) 2017/1440 der Kommission vom 8. August 2017 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/480 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Vernetzung der einzelstaatlichen elektronischen Register der Kraftverkehrsunternehmen, ABl. L 206 vom 9.8.2017, S. 3.

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wurde und auch das derzeit geltende Schweizer Recht eine entsprechende Bestimmung nicht enthält: Das angepasste EU-Recht (neuer Art. 14a der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009) sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften über Sanktionen gegen Versender, Spediteure, Auftragnehmer und Unterauftragnehmer erlassen, wenn diese wussten oder angesichts aller relevanten Umstände hätten wissen müssen, dass mit den Verkehrsdiensten, die sie in Auftrag gegeben haben, gegen Kapitel II oder III der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 verstossen wird.

Dadurch soll verhindert werden, dass Unternehmen aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung Druck auf Strassentransportunternehmen ausüben. Um Aufträge solcher marktführenden Unternehmen zu erhalten, sollen die Strassentransportunternehmen nicht gezwungen sein, vorschriftswidrige Güterbeförderungen durchzuführen.

Damit zwischen dem EU-Recht und dem Schweizer Recht keine Regelungsdifferenz vorliegt, wurde im STUG eine entsprechende Verbotsnorm (Art. 8a) sowie eine darauf gestützte Strafbestimmung (Art. 11 Abs. 3bis) aufgenommen.

Da das STUG bislang nur die Zulassung als Strassentransportunternehmen zum Gegenstand hat, musste der Regelungsgegenstand auf die Beauftragung zur Güterbeförderung ausgedehnt werden (Art. 1 Abs. 1bis). Unternehmen dürfen einem Strassentransportunternehmen keine Aufträge zur Güterbeförderung erteilen, die gegen die Bestimmungen über das Erfordernis einer Zulassung oder einer Fahrerbescheinigung oder gegen die Kabotagevorschriften verstossen. Ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoss gegen dieses Verbot wird mit Busse bestraft.

4.1.6

Diverse Anpassungen des STUG

Nebst der Übernahme der Verordnung (EU) 2020/1055 enthält diese Vorlage weitere Anpassungen des STUG, insbesondere Präzisierungen zu den Kompetenzen des Bundesrates zum Abschluss internationaler Abkommen und Beschlüsse, welche unter den Anwendungsbereich des STUG fallen. Die Ausführungen zu den diversen Anpassungen finden sich in den Erläuterungen (vgl. Ziff. 5).

4.2

Umsetzungsfragen

Die Verordnung (EU) 2020/1055 enthält verschiedene Bestimmungen bzw. Änderungen und Konkretisierungen zu Bestimmungen, die in der Schweiz heute auf Verordnungsstufe (STUV) geregelt sind. Die im STUG verankerten Grundsätze und Bestimmungen müssen daher bei der Umsetzung der Gesetzesrevision auf Verordnungsstufe gemäss der Verordnung (EU) 2020/1055 konkretisiert werden. Ausserdem sollen die Verweise auf EU-Rechtsakte aktualisiert werden.

Der Bundesrat wird über die Inkraftsetzung der neuen Vorschriften bestimmen. In diesem Rahmen sieht er auch eine Übergangsfrist betreffend die Zulassungspflicht vor. Damit kann zum einen den Unternehmen eine gewisse Vorlaufzeit zur Vorbereitung verschafft werden, zum anderen kann der Anfall neuer Zulassungsgesuche beim BAV als Zulassungsbehörde etwas geglättet werden.

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5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Titel Aufgrund der geringfügigen Erweiterung des Gegenstands des Gesetzes (Art. 1 Abs. 1bis) und zwecks Übereinstimmung des deutschen und des französischen Erlasstitels wird der deutsche Titel zu «Bundesgesetz über die Strassentransportunternehmen» geändert. Die Abkürzung «STUG» bleibt unverändert.

Gliederungstitel vor Art. 1 Im Sinne einer klaren Systematik sollen die Artikel 1 und 2 des STUG unter dem neuen Gliederungstitel «1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen» zusammengefasst werden.

Art. 1 Sachüberschrift und Abs. 1bis Aufgrund der Neugliederung des ersten Abschnitts erhält Artikel 1 neu eine Sachüberschrift. Diese lautet «Gegenstand und anwendbares Recht». Der Artikel regelt in den Absätzen 1 und 1bis den Gegenstand des STUG. In Absatz 2 geht es wie bis anhin um das Verhältnis zum Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 200933 (PBG).

Das EU-Recht sieht neu vor (Art. 14a der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009), dass die Mitgliedstaaten Sanktionsvorschriften für Versender, Spediteure, Auftragnehmer und Unterauftragnehmer erlassen, die wissen oder hätten wissen müssen, dass die Durchführung der von ihnen in Auftrag gegebenen Güterbeförderungen einen Verstoss gegen die Vorschriften dieser Verordnung darstellt. Der Regelungsgegenstand des STUG ist bislang auf die Zulassung als Strassentransportunternehmen beschränkt.

Damit ein entsprechendes Verbot der Erteilung vorschriftswidriger Aufträge (Art. 8a STUG) und die daran anknüpfende Strafbestimmung (Art. 11 Abs. 3bis STUG) in diesem Gesetz verankert werden können, wird der Regelungsgegenstand mit Absatz 1bis entsprechend ausgeweitet.

Gliederungstitel vor Art. 2 Der bisherige Gliederungstitel vor Artikel 2 wird aufgrund der Umstrukturierung der einleitenden Bestimmungen an dieser Stelle aufgehoben und neu vor Artikel 3 eingefügt.

Art. 2

Begriffe

Die neue Fassung von Artikel 2 ist kürzer als bis anhin. Die Definitionen der Strassentransportunternehmen im Personen- und Güterverkehr (bisherige Bst. a und b) sind neu in Artikel 3 zu finden. Eine Integration in die Bestimmung über die Zulassungsbewilligung erscheint sachgerechter.

33

SR 745.1

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Neu werden in dieser Bestimmung nur noch drei wesentliche Begriffe dieses Gesetzes definiert. Dabei können sowohl die Definition der Motorfahrzeuge (Bst. a) als auch diejenige für Verkehrsleiter und Verkehrsleiterin (Bst. c) unverändert übernommen werden.

Die aktuelle Revision wird ausserdem genutzt, um die Definition der gewerbsmässigen Personen- und Güterbeförderung gesetzlich zu verankern (Bst. b). Die Definition wird aus den Erläuterungen des BAV zu den Transporten, die ohne Lizenz durchgeführt werden, übernommen und gibt die jahrelange Praxis des BAV wieder. Inhaltlich ändert sich folglich nichts am Begriff der Gewerbsmässigkeit im Bereich der Zulassung als Strassentransportunternehmen. Da die Definition der Gewerbsmässigkeit jedoch nicht nur für den Gütertransport, sondern auch im Bereich der Personenbeförderung anwendbar sein muss, wurde die für den Bereich der Personenbeförderung bestehende Definition (Art. 2 Abs. 1 Bst. b PBG) mitberücksichtigt. Der Begriff der wirtschaftlichen Gegenleistung wird dabei sehr offen ausgelegt. Er umfasst alle Arten von Vergütungen, also insbesondere die Bezahlung von Geld, den Tausch von Waren und Dienstleistungen, aber auch weitere unmittelbare und mittelbare geschäftliche Vorteile.

Gliederungstitel vor Art. 3 Der bisher vor Artikel 2 stehende Gliederungstitel des 2. Abschnitts (Zulassung als Strassentransportunternehmen) wird dort aufgehoben und neu vor Artikel 3 eingefügt.

Art. 3 Abs. 1, 1bis, 1ter und 2 zweiter Satz Aufgrund der Anpassungen des ersten Abschnitts erhält Artikel 3 ebenfalls einige Änderungen.

Absatz 1 enthält eine verkürzte Formulierung des bisherigen Grundsatzes. Inhaltlich gibt es keine Anpassung. Sowohl Strassentransportunternehmen im Güter- als auch solche im Personenverkehr bedürfen grundsätzlich einer Zulassung.

Die Absätze 1bis und 1ter geben die bisherige Definition von Strassentransportunternehmen im Personen- und Güterverkehr (bisheriger Art. 2 Bst. a und b) wieder und halten fest, welche Strassentransportunternehmen eine Zulassungsbewilligung benötigen und welche Unternehmen vom Grundsatz der Zulassungspflicht ausgenommen sind.

Im Bereich des Personenverkehrs ändert sich dabei nichts an der bestehenden Rechtslage. Auf eine ausdrückliche Erwähnung, dass die ausschliessliche Beförderung von Personen zu nicht gewerbsmässigen
Zwecken nicht der Zulassungspflicht untersteht, kann künftig verzichtet werden. Diese Ausnahme ergibt sich bereits e contrario aus Absatz 1bis.

Im Bereich der Strassentransportunternehmen des Güterverkehrs gibt es eine wesentliche Änderung: Bis heute fallen Strassentransportunternehmen nur unter die Zulassungspflicht, wenn das Gesamtgewicht der verwendeten Fahrzeuge bzw. Fahrzeugkombinationen nach Fahrzeugausweis 3,5 Tonnen übersteigt. Mit der Änderung des EU-Rechts wird das für das Zulassungserfordernis massgebende Gesamtgewicht im grenzüberschreitenden Güterverkehr herabgesetzt. Strassentransportunternehmen, 20 / 34

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welche Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen verwenden, deren Gesamtgewicht gemäss Fahrzeugausweis 2,5 Tonnen übersteigt, jedoch höchstens 3,5 Tonnen beträgt, unterstehen neu ebenfalls der Zulassungspflicht.

Wie bereits erläutert wurde, stellt es der durch die Verordnung (EU) 2020/1055 revidierte Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 den Mitgliedstaaten frei, ob sie das Zulassungserfordernis für Fahrzeuge mit mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen auch auf den rein innerstaatlichen Güterverkehr ausdehnen wollen.

Im Rahmen dieser Vorlage wird von dieser Möglichkeit abgesehen. Strassentransportunternehmen mit Fahrzeugen von mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen Gesamtgewicht sollen nur dann unter das Zulassungserfordernis fallen, wenn sie grenzüberschreitend und somit nicht ausschliesslich im Binnenverkehr Güter befördern.

Von der Zulassungspflicht explizit ausgenommen sind damit Strassentransportunternehmen, die für die gewerbsmässige Güterbeförderung ausschliesslich Lieferwagen und Fahrzeugkombinationen verwenden, deren Gesamtgewicht nach Fahrzeugausweis 2,5 Tonnen übersteigt, jedoch höchstens 3,5 Tonnen beträgt, und die diese Fahrzeuge ausschliesslich zur Güterbeförderung in der Schweiz einsetzen.

Aufgrund der Ausweitung des Zulassungserfordernisses im Güterverkehr auf leichte Güterfahrzeuge fallen künftig auch Lieferwagen in den Anwendungsbereich des STUG. Sie sind deshalb neu explizit in Absatz 1bis Buchstabe b erwähnt.

Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 sieht bereits heute vor, dass Unternehmen, die ausschliesslich Fahrzeuge mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h einsetzen, nicht unter das Zulassungserfordernis fallen. Dies ist auch in der Schweiz bereits heute gängige Praxis. Da die Erfahrungen des BAV allerdings gezeigt haben, dass diesbezüglich in der Branche teilweise Unsicherheiten bestehen, soll diese Ausnahme vom Zulassungserfordernis ausdrücklich in Absatz 1ter Buchstabe c aufgenommen werden.

Unabhängig von Artikel 3 STUG bleiben wie bis anhin die in Anhang 4 des LVA genannten Beförderungen vom Zulassungserfordernis ausgenommen (Art. 1 Abs. 3 STUV).

Zurzeit ist weder auf Gesetzes- noch auf Verordnungsstufe die 5-jährige Gültigkeitsdauer der Zulassungsbewilligung ausdrücklich verankert. Bis
anhin wurde diese vielmehr aus der regelmässigen Kontrolle abgeleitet, welche gemäss Artikel 8 Absatz 1 STUG mindestens alle fünf Jahre vorgenommen werden muss. Mit der Aufnahme in Absatz 2 soll eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage der bereits gängigen Praxis geschaffen werden. Für die Erneuerung der Bewilligung muss ein neues Gesuch eingereicht werden.

Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 hält fest, dass die Lizenz auf den Namen eines Unternehmens ausgestellt wird und zudem nicht übertragbar ist. Mit dieser Ergänzung im STUG wird das Schweizer Recht an die Vorgaben der EU angepasst. Dies entspricht ebenfalls der bereits heute gängigen Praxis und wird auch heute schon auf den vom BAV ausgestellten Zulassungsbewilligungen vermerkt.

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Art. 3a

Grenzüberschreitender Personen- und Güterverkehr

Die Begriffe für internationale Abkommen mit Drittstaaten sollen vereinheitlicht werden. Bislang spricht Artikel 3a von Vereinbarungen, während der bisherige Artikel 9a Absatz 3 von Abkommen spricht. Da der Regelungsgegenstand beider Bestimmungen der Gleiche ist, sollten die gewählten Begriffe einheitlich sein. Der Ausdruck «Vereinbarungen» wird deshalb durch den Ausdruck «Abkommen» ersetzt.

Mit der Umformulierung von Absatz 1, insbesondere Buchstabe b, soll klargestellt werden, dass es nicht nur bilaterale Abkommen gibt. Mit den von der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (Protokoll vom 17. Oktober 195334 über die Europäische Konferenz der Verkehrsminister) beschlossenen Kontingenten besteht seit 1974 (vgl. Resolution No. 2635) auch ein multilaterales System, welches auf der Basis der Gegenseitigkeit die Erbringung von Güterverkehrsdienstleistungen durch ausländische Unternehmen in der Schweiz ermöglicht.

Mit einem entsprechenden Beschluss des Bundesrates zur Mitwirkung am multilateralen System erhält die Schweizerische Vertretung an der Verkehrsministerkonferenz die Befugnis, an den Entscheiden über die entsprechenden gegenseitigen Kontingente mitzuwirken. Die Beschlüsse der Verkehrsministerkonferenz können dann, soweit sie hierfür geeignet (self-executing) sind, unmittelbar in der Schweiz vollzogen werden.

Infolge der Änderungen in Absatz 1 muss Absatz 2 terminologisch angepasst werden.

Inhaltlich bleibt er unverändert. Mit «Voraussetzungen nach diesem Gesetz» können dem Regelungsgegenstand des STUG nach einzig die Zulassungsvoraussetzungen gemeint sein. Mit dieser Bestimmung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Staaten, die nicht der EU angehören, andere Anforderungen an die Zulassung der Unternehmen stellen als die Schweiz und die EU. Der gemäss den bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und diesen Staaten vereinbarte Verkehr kann so dennoch durchgeführt werden.

Die auf Artikel 7a Absatz 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199736 (RVOG) gestützte Kompetenz des Bundesrates, Änderungen von beschränkter Tragweite im Rahmen völkerrechtlicher Verträge selbstständig vorzunehmen, wird zunehmend restriktiv ausgelegt. Immer häufiger wird im Sinne von Artikel 7a Absatz 1 RVOG eine explizite Grundlage in einem Bundesgesetz vorausgesetzt.

Die inhaltliche
Aufnahme des revidierten EU-Rechts ins Schweizer Recht macht auch im Bereich der Zulassung als Strassentransportunternehmen im Personen- und Güterverkehr und der damit verbundenen Regelungen in den meisten Fällen eine Anpassung der Anhänge des LVA erforderlich.

Mit der vorgeschlagenen Kompetenzdelegation erhält der Bundesrat in Absatz 3 die notwendige Grundlage, um im Anschluss an eine Revision des STUG die erforderlichen Änderungen der Anhänge 1, 3 und 4 des LVA im Bereich der Zulassung als Strassentransportunternehmen im Personen- und Güterverkehr selbstständig genehmigen zu können. Dadurch wird erreicht, dass die Entwicklungen der Rechtsvor34 35 36

SR 0.740.1 www.itf-oecd.org/sites/default/files/docs/quo26e.pdf SR 172.010

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schriften der EU im Bereich der Zulassung als Strassentransportunternehmen berücksichtigt werden können und deren gleichwertige Umsetzung in der Schweiz festgehalten werden kann.

Art. 4 Abs. 1 Bst. d und Abs. 6 Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 sieht die dauerhafte und tatsächliche Niederlassung bereits heute als eine der vier Zulassungsvoraussetzungen vor. Auch in der Schweiz ist der dauerhafte und tatsächliche Sitz eine Voraussetzung für die Zulassungsbewilligung. Bislang ist dies jedoch nicht ausdrücklich als Zulassungsvoraussetzung in Artikel 4 Absatz 1 STUG aufgeführt, sondern lediglich auf Verordnungsstufe festgelegt. Artikel 1 Absatz 2 STUV hält fest, dass eine Zulassungsbewilligung nur an Unternehmen mit dauerhaftem und tatsächlichem Sitz in der Schweiz erteilt wird. Mit der Übernahme des EU-Rechts werden die Anforderungen an den Nachweis der tatsächlichen und dauerhaften Niederlassung auch in der Schweiz künftig strenger und erhalten damit zusätzliches Gewicht. Der dauerhafte und tatsächliche Sitz wird deshalb als eine der vier Zulassungsvoraussetzungen ausdrücklich in Absatz 1 Buchstabe d aufgenommen. Die Modalitäten und Anforderungen des Nachweises des dauerhaften und tatsächlichen Sitzes werden hingegen weiterhin auf Verordnungsstufe geregelt.

Die Voraussetzung der Zuverlässigkeit (Art. 5 STUG) muss zurzeit einzig von der Verkehrsleiterin oder dem Verkehrsleiter erfüllt werden (Art. 4 Abs. 2). Mit der Anpassung von Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 wird der Kreis der massgebenden Personen auf die geschäftsführenden Direktoren und Direktorinnen ausgedehnt. Es ist dabei den Mitgliedstaaten überlassen, weitere massgebende Personen zu bezeichnen, die den Nachweis der Zuverlässigkeit zu erbringen haben.

Absatz 6 bildet die Grundlage dafür, dass künftig nebst Verkehrsleiter oder Verkehrsleiterin auch die «für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen» eines Unternehmens den Nachweis der Zuverlässigkeit zu erbringen haben.

Begrifflich weicht das STUG damit vom EU-Recht ab. Allerdings ist damit keine Verschärfung im Vergleich zur EU zu sehen. Die Idee der Ausdehnung des EU-Rechts ist, dass die verantwortlichen Personen des Strassentransportunternehmens den Nachweis der Zuverlässigkeit erbringen müssen. Die Bezeichnungen
für Personen, die in den Strassentransportunternehmen für die Geschäftsführung verantwortlich sind, können dabei unterschiedlich sein und beschränken sich nicht auf die Bezeichnung als geschäftsführende Direktorinnen oder Direktoren. Letztendlich soll aber nicht die formale Bezeichnung innerhalb eines Unternehmens massgebend sein, sondern die effektive Funktion der in Frage stehenden Personen im Unternehmen. Der hier gewählte Begriff trägt diesem Anliegen besser Rechnung. Die Formulierung ist auf Artikel 6 der Eisenbahn-Netzzugangsverordnung vom 25. November 199837 und Artikel 8d Absatz 1 Buchstabe c des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 195738 abgestimmt.

Im Rahmen der Netzzugangsvoraussetzungen wird ebenfalls der Nachweis der Zu37 38

SR 742.122 SR 742.101

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verlässigkeit der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen verlangt. Mit der gewählten Formulierung wird auch klar, dass es sich je nach Organisationsstruktur eines Unternehmens um mehr als eine Person handeln kann, die neben Verkehrsleiter oder Verkehrsleiterin den Nachweis der Zuverlässigkeit zu erbringen haben. Die übrigen in Artikel 4 STUG aufgeführten Zulassungsvoraussetzungen haben die für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen nicht zu erfüllen.

Art. 5 Abs. 2 Diese Änderung betrifft nur den italienischen Text. In diesem wurde vor «in dubbio» das Wort «seriamente» eingefügt, damit die drei Sprachfassungen der Bestimmung übereinstimmen (dt. «ernsthafte», franz. «sérieux»).

Art. 6 Abs. 1 zweiter Satz Die Ausweitung des Zulassungserfordernisses auf Unternehmen, die für die Güterbeförderung Fahrzeuge verwenden, deren Gesamtgewicht 2,5 Tonnen übersteigt, jedoch höchstens 3,5 Tonnen beträgt, ist auch für den Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit relevant. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ist weniger kostenintensiv und erfordert deshalb auch nicht gleich viel Eigenkapital und Reserven wie die Verwendung von schweren Fahrzeugen. Die Anpassung von Artikel 7 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 trägt diesem Umstand Rechnung und macht die nachzuweisenden Beträge nebst der Anzahl auch vom jeweiligen Gesamtgewicht der einzelnen verwendeten Fahrzeuge abhängig.

Die Grundbeträge sowie deren Anpassung legt gemäss Absatz 2 weiterhin der Bundesrat auf Verordnungsstufe (Art. 3 STUV) fest.

Art. 8 Abs. 2 Hierbei handelt es sich lediglich um eine sprachliche Anpassung.

Art. 8a

Beauftragung von Strassentransportunternehmen im Güterverkehr

Das hier einzuführende Verbot gilt primär für Schweizer Unternehmen, die ein Schweizer Transportunternehmen mit einer Güterbeförderung beauftragen. Aufgrund des gemeinsamen europäischen Güterverkehrsmarktes ist ein Schweizer Unternehmen aber auch dann zu sanktionieren, wenn es einen vorschriftswidrigen Auftrag an ein Transportunternehmen der EU erteilt.

Kapitel II der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 deckt nur einen Teil der im grenzüberschreitenden Güterverkehr anwendbaren Bestimmungen über das Erfordernis einer Zulassung oder Fahrerbescheinigung ab. Es gilt primär für die Strassentransportunternehmen der EU, ist aber nach der Umsetzung in nationales Recht und aufgrund der Aufnahme in Anhang 1 des LVA auch für die Schweizer Transportunternehmen anwendbar. Darüber hinaus enthalten auch das STUG, das LVA selbst sowie die STUV Bestimmungen über das Erfordernis einer Zulassung oder Fahrerbescheinigung. Die erteilten Aufträge dürfen folgerichtig auch nicht gegen diese Bestimmungen verstossen.

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Im Bereich der Kabotage gilt zwischen der Schweiz und der EU weiterhin das Kabotageverbot gemäss Artikel 14 LVA. Das Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 regelt die Voraussetzungen, unter denen ein Strassentransportunternehmen innerhalb eines EU-Mitgliedstaates Kabotagebeförderungen durchführen darf. Für Schweizer Transportunternehmen ist Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 gemäss Anhang 1 Ziffer 1 des LVA nicht anwendbar. Die Durchführung eines an ein Schweizer Transportunternehmen erteilten Auftrages darf folglich primär keinen Verstoss gegen das LVA darstellen. Mit dem Verbot nach dieser Bestimmung sollen allerdings auch diejenigen Fälle geregelt werden, in denen ein Schweizer Unternehmen einem Strassentransportunternehmen der EU einen Auftrag erteilt, deren Durchführung einen Verstoss gegen Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 darstellt. Deshalb muss Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 ebenfalls aufgeführt werden. Im Sinne der Gleichwertigkeit soll verhindert werden, dass die Erteilung eines gegen Kapitel III verstossenden Auftrags für Auftraggeber der EU strafbar ist, in der Schweiz hingegen nicht. Eine unterschiedliche Regelung zwischen der Schweiz und der EU birgt die Gefahr, dass sich auftraggebende Unternehmen in der Schweiz niederlassen, um den Sanktionen entkommen zu können.

Das Verbot richtet sich ausschliesslich an Unternehmen, die ein Strassentransportunternehmen mit einer Güterbeförderung beauftragen. Für private Einzelpersonen, die beispielsweise für einen Paketversand ein Strassentransportunternehmen beauftragen, gilt das Verbot damit nicht.

Art. 9

Register der Strassentransportunternehmen

Das BAV führt bereits heute ­ anders als es die Sachüberschriften der bisherigen Artikel 9 und 9a vermuten lassen ­ lediglich ein Register. Das Register ist jedoch unterteilt in einen öffentlich zugänglichen Teil (bisheriger Art. 9) und einen nicht öffentlich zugänglichen Teil (bisheriger Art. 9a). Eine separate gesetzliche Regelung der beiden Teile des Registers ist unübersichtlich und nicht notwendig. Da die Übernahme des EU-Rechts zu einer Reihe von Anpassungen im Bereich des Registers der Strassentransportunternehmen und des damit verbundenen Informationsaustauschs sowie der gegenseitigen Amtshilfe führt, werden die Artikel 9 und 9a umfassend überarbeitet.

Artikel 9 hat künftig gesamthaft das vom BAV geführte Register der Strassentransportunternehmen zum Gegenstand. Das Register dient der Übersicht über die Strassentransportunternehmen im Personen- und Güterverkehr sowie der Beurteilung der Zuverlässigkeit der Strassentransportunternehmen. Daneben soll es dem BAV auch generell die Beurteilung ermöglichen, ob ein Unternehmen die massgebenden Vorschriften im Bereich der Zulassung als Strassentransportunternehmen im Personenund Güterverkehr einhält.

Absatz 1 hält als Grundsatz fest, dass das BAV ein Register über die Strassentransportunternehmen führt und zu welchem Zweck die Daten erhoben werden. Die Aussage der bisherigen Sachüberschrift von Artikel 9a (Beurteilung der Zuverlässigkeit von Verkehrsleitern und Verkehrsleiterinnen) wurde in die neue Zweckbestimmung integriert und dahingehend erweitert, dass das Register generell dazu dient, die Einhaltung der für die Zulassung massgebenden Vorschriften zu überprüfen.

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In Absatz 2 werden diejenigen Daten aufgeführt, die das BAV im öffentlich zugänglichen Teil des Registers bearbeitet. Inhaltlich gibt es keine Änderungen gegenüber der bestehenden Rechtslage. Sämtliche erwähnten Daten werden bereits heute vom BAV erfasst und sind öffentlich einsehbar.

Absatz 3 führt diejenigen Daten auf, die das BAV im nicht öffentlich zugänglichen Teil des Registers über die Strassentransportunternehmen erfasst. Die Buchstaben a­ f werden grösstenteils aus dem bisherigen Artikel 9a STUG übernommen.

Buchstabe a wird dahingehend ergänzt, dass für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nicht mehr einzig der Verkehrsleiter oder die Verkehrsleiterin massgebend ist, sondern auch der Kreis der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen nach Artikel 4 Absatz 6.

Buchstabe b wird an die Terminologie des Datenschutzgesetzes vom 25. September 202039 (DSG) angepasst (Art. 5 Bst. c Ziff. 5 DSG) und vereint neu die bisherigen Buchstaben b und c. Damit verschieben sich die folgenden Buchstaben entsprechend nach vorne.

Buchstabe c wird um den Begriff ernsthaft ergänzt und übernimmt damit die Terminologie aus Artikel 5 Absatz 2.

Auch Buchstabe d trägt dem Umstand Rechnung, dass neu nebst dem Verkehrsleiter oder der Verkehrsleiterin auch die für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen die Voraussetzung der Zuverlässigkeit erfüllen müssen.

Neu hinzu kommen ausserdem die Buchstaben f und g. Mit der Verordnung (EU) 2020/1055 ist Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 um drei weitere Buchstaben (g­i) ergänzt worden (vgl. Ziff. 1.4 und 4.1.4). Es handelt sich dabei um zusätzlich zu erfassende Angaben, die der besseren Kontrolle der Strassentransportunternehmen dienen sollen. Dabei handelt es sich erstens um die Anzahl der am 31. Dezember des Vorjahres im Unternehmen beschäftigten Personen (Bst. f). Diese Angabe hat das BAV jeweils bis zum 31. März des Folgejahres ins Register aufzunehmen, wobei die Strassentransportunternehmen diese Angaben dem BAV anzugeben haben. Zweitens erfasst das BAV künftig auch die amtlichen Kennzeichen der eingesetzten Fahrzeuge (Bst. g). Auch diese Angaben haben die Strassentransportunternehmen künftig ans BAV zu liefern.

Absatz 4 entspricht inhaltlich dem bisherigen Artikel 9a Absatz 4.

Absatz 5 entspricht dem bisherigen Artikel 9a Absatz 5
Buchstaben b­d. In Buchstabe c wird jedoch der Ausdruck «Frist» durch den Ausdruck «Einzelheiten» ersetzt.

Die Frist für die Vernichtung der Daten ist bereits auf Gesetzesstufe geregelt, weshalb es dazu keiner Kompetenzdelegation bedarf.

Art. 9a

Gegenseitige Amtshilfe und Informationsaustausch

Artikel 9a beinhaltet die bislang in Artikel 9a Absatz 3 geregelten Grundlagen zur gegenseitigen Amtshilfe sowie zum Informationsaustausch mit den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten einerseits und mit Drittstaaten andererseits. Die Amts39

AS 2022 491

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hilfe sowie der Informationsaustausch mit den zuständigen Behörden der EUMitgliedstaaten orientiert sich an den durch die Verordnung (EU) 2020/1055 revidierten Artikeln 16 Absatz 2 Unterabsätze 2­5 und 18 Absatz 8 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009. Die Amtshilfe und der Informationsaustausch mit den zuständigen Behörden von Drittstaaten richten sich nach den im Einzelfall anwendbaren bilateralen Abkommen.

Absatz 1 regelt die gegenseitige Amtshilfe mit den zuständigen Behörden der EUMitgliedstaaten und Drittstaaten. Diese beschränkt sich auf Auskünfte, welche die Voraussetzung des tatsächlichen und dauerhaften Sitzes im jeweiligen Staat betreffen.

Das BAV gibt den ersuchenden Behörden auf Anfrage Auskunft darüber, ob ein Strassentransportunternehmen die Voraussetzung des dauerhaften und tatsächlichen Sitzes in der Schweiz erfüllt. Im Gegenzug kann das BAV auf diesem Weg um solche Auskünfte ersuchen.

Absatz 2 regelt den Informationsaustausch über sämtliche Daten, welche die Behörden der EU-Mitgliedstaaten sowie das BAV in ihren jeweiligen nationalen Registern der Strassentransportunternehmen zu erfassen haben. Der Informationsaustausch über Daten nach Artikel 9 Absätze 2 und 3 Buchstaben a und d­g soll künftig über das elektronische Informationssystem ERRU (vgl. Ziff. 4.1.4) erfolgen. Er dient weiterhin dem in Absatz 1 umschriebenen Zweck der Verwaltungs- und Kontrolltätigkeit der zuständigen Behörden.

Mit Absatz 3 soll der Bundesrat einerseits die Möglichkeit erhalten, die für einen künftigen Anschluss der Schweiz an die bereits erläuterten elektronischen Informationssysteme der EU (ERRU, IMI) notwendigen Abkommen abschliessen zu können. Andererseits erhält der Bundesrat wie bis anhin die Kompetenz, die Einzelheiten der gegenseitigen Amtshilfe und des Informationsaustauschs regeln zu können.

Die Absätze 4 und 5 regeln die gegenseitige Amtshilfe sowie den Informationsaustausch mit Drittstaaten. Beides richtet sich nach dem im Einzelfall anwendbaren bilateralen Abkommen40. Eine separate Regelung für die Amtshilfe und den Informationsaustausch mit Drittstaaten bietet sich deshalb an, weil der Austausch mit Drittstaaten ­ im Gegensatz zum institutionalisierten Austausch mit der EU (z. B. via ERRU) ­ individueller ausgestaltet ist und weiterhin nach Massgabe der im Einzelfall anwendbaren Abkommen
erfolgt. Die Regelung konnte deshalb vom bisherigen Artikel 9a Absatz 3 übernommen werden. Der Umfang der Datenbekanntgabe und der ersuchten Auskünfte bleibt ebenfalls auf die Daten nach Artikel 9 Absätze 2 und 3 Buchstaben a und d­g beschränkt. Eine vom Austausch mit EU-Mitgliedstaaten abweichende Regelung lässt sich nicht rechtfertigen.

Das BAV kann die Daten wie bis anhin (bisheriger Art. 9a Abs. 3 und 5 Bst. b STUG sowie Art. 13 STUV) im Abrufverfahren zugänglich machen.

Gemäss Absatz 5 regelt der Bundesrat die Modalitäten des Zugriffs im Abrufverfahren. Darüber hinaus soll ihm wie bis anhin (bisheriger Art. 9a Abs. 6) die Kompetenz

40

Siehe beispielsweise Abkommen vom 1. Dezember 2000 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und dem Ministerrat von Bosnien und Herzegowina über den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr auf der Strasse (SR 0.741.619.191).

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zukommen, völkerrechtliche Verträge mit Drittstaaten über die Bekanntgabe der Daten abschliessen zu können.

Art. 11 Abs. 3bis Die Strafbestimmungen werden um Absatz 3bis ergänzt, damit ein Verstoss gegen das neu in Artikel 8a vorgesehene Verbot sanktioniert werden kann. Gemäss Artikel 106 Absatz 1 des Strafgesetzbuches41 liegt der Höchstbetrag der Busse bei 10 000 Franken.

Art. 12a

Übergangsbestimmungen zur Änderung vom ...

Da die Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 26. September 2014 obsolet geworden sind, können sie aufgehoben und die neuen Übergangsbestimmungen unter derselben Artikelnummer eingefügt werden.

Absatz 1 übernimmt die bisherige Übergangsfrist. Eine entsprechende Regelung braucht es weiterhin, da der Nachweis der Zuverlässigkeit der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen erst bei der Erneuerung bereits erteilter Zulassungsbewilligungen erbracht werden muss.

In Absatz 2 wird eine Übergangsbestimmung für diejenigen Strassentransportunternehmen geschaffen, die bei Inkrafttreten dieser Änderung bereits über eine Zulassungsbewilligung nach bisherigem Recht verfügen, nun jedoch auch für diejenigen Fahrzeuge, deren Gesamtgewicht 2,5 Tonnen übersteigt, jedoch höchstens 3,5 Tonnen beträgt, eine Zulassungsbewilligung benötigen. Um sicherzustellen, dass ein Strassentransportunternehmen die beiden Zulassungsbewilligungen nicht zu unterschiedlichen Zeitpunkten erneuern muss, entspricht die Gültigkeitsdauer der neu ausgestellten Zulassungsbewilligung für die leichten Güterfahrzeuge der Restdauer der bereits bestehenden Zulassungsbewilligung. Mit der zeitlichen Abstimmung der beiden Zulassungsbewilligungen kann sowohl den Strassentransportunternehmen als auch dem BAV ein erheblicher Aufwand erspart werden.

Absatz 3 enthält eine Übergangsbestimmung, welche den Informationsaustausch mit den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten regelt, solange sich die Schweiz dem in Artikel 9a Absatz 2 erwähnten elektronischen Informationssystem (ERRU) noch nicht gestützt auf die notwendigen separaten Abkommen angeschlossen hat. Bis zum Inkrafttreten dieser Abkommen erfolgt der Informationsaustausch wie bis anhin.

Diese Regelung entspricht dem bisherigen Recht (bisheriger Art. 9a Abs. 3) sowie der Regelung, die nach wie vor für den Austausch mit Drittstaaten gilt.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

Gegenwärtig sind etwas über 7000 schweizerische Transportunternehmen im Güterund Personenverkehr lizenzpflichtig. Etwas mehr als 1000 Transportunternehmen be41

SR 311.0

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fördern Personen, die übrigen Transportunternehmen sind im Güterverkehr tätig.

Wenn neu Transportunternehmen, welche grenzüberschreitend Güter mit Fahrzeugen von mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen befördern, unter die Lizenzpflicht fallen, dürften ungefähr 1000 Firmen davon betroffen sein. Grundlage dieser Zahlen ist die Erhebung des BFS aus dem Jahr 2013, wobei in der damaligen Erhebung die Stichprobeneinheit das Fahrzeug und nicht das Unternehmen war. Dies macht es schwierig, die genaue Anzahl der Firmen bzw. Transportunternehmen zu ermitteln, die neu unter die Lizenzpflicht fallen würden. Hinzu kommt, dass in der Erhebung nicht zwischen gewerblichem Verkehr und Werkverkehr unterschieden wurde. Diese Unterscheidung ist wiederum ein massgebendes Kriterium dafür, ob ein Transportunternehmen lizenzpflichtig ist (gewerbsmässige Transporte) oder nicht (Werkverkehr). Es muss zudem festgehalten werden, dass die Verkehrsbranche dynamisch ist, die statistische Erhebung mittlerweile acht Jahre zurückliegt und sich in der Zwischenzeit auch die rechtlichen Grundlagen für die Zulassungsbewilligung geändert haben. Im Jahr 2016 wurde die Lizenzpflicht für Fahrzeuge von damals mehr als 6 Tonnen Gesamtgewicht auf Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen ausgeweitet. Da nebst den Verkehrsleiterinnen und Verkehrsleitern neu auch sämtliche geschäftsführenden Direktorinnen und Direktoren den Nachweis der Zuverlässigkeit erbringen müssen, bedeutet dies einen zusätzlichen Aufwand bei der Prüfung der Gesuche. Dies hat Auswirkungen auf sämtliche lizenzpflichtige Transportunternehmen. Mit den vorliegenden Anpassungen werden zusätzliche Daten von den Transportunternehmen erhoben. Die Erfassung dieser Daten im entsprechenden Register bedeutet einen zusätzlichen administrativen Aufwand beim BAV, abhängig von der Anzahl der neu lizenzpflichtigen Transportunternehmen.

Mit einer Ausweitung der Lizenzpflicht auf Unternehmen, die gewerbsmässig mit Lieferwagen im grenzüberschreitenden Verkehr Transporte durchführen, entsteht ein zusätzlicher Personalbedarf beim BAV von 200 Stellenprozenten. Aufgrund der Gesetzesänderung ist davon auszugehen, dass mit der Einführung der neuen Vorschriften und jeweils bei der Erneuerung der Lizenzen das Arbeitsvolumen phasenweise stärker zunimmt. Würde die Lizenzpflicht auf sämtliche
Unternehmen, die gewerbsmässig Güter mit Fahrzeugen von mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen befördern, ausgeweitet, unabhängig davon, ob diese ausschliesslich im Binnenverkehr oder auch grenzüberschreitend tätig sind, so würden gemäss einer Auswertung des BFS zwischen 12 000 und 37 000 Firmen neu unter die Lizenzpflicht fallen. Beim BAV wäre mit einem steigenden Personalbedarf von bis zu 1000 Stellenprozenten für die Bearbeitung der zusätzlichen Gesuche zu rechnen. Zur Bewältigung der Zusatzaufgaben wäre bei dieser Variante zusätzlich ein erhöhter Sachaufwand von über 500 000 Franken pro Jahr zu erwarten.

Die Höhe der Gebühreneinnahmen aus den zusätzlichen Erstzulassungen und Erneuerungen der Strassentransportunternehmen (Gültigkeitsdauer der Lizenz fünf Jahre) ist abhängig von der Anzahl Transportunternehmen, die künftig neu lizenzpflichtig werden, und der Anzahl Fahrzeuge, die eingesetzt werden. Pro Fahrzeug braucht es zudem eine beglaubigte Kopie der Lizenz. Diese ist ebenfalls gebührenpflichtig. Das BAV geht davon aus, dass die Einnahmen für Bussen und Gebühren aus den Zusatzaufgaben die zusätzlich entstehenden Personalkosten überkompensieren.

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Will die Schweiz am IMI-Modul nach der Verordnung (EU) 2020/1055 teilnehmen, so muss sie jährlich einen Beitrag für die Benutzung dieser Informatikanwendung bezahlen. Da die EU bisher mit keinem weiteren Drittstaat ein internationales Abkommen zur Teilnahme an diesem IMI-Modul abgeschlossen hat, konnte die EUKommission noch keine Zahlen zu den jährlichen Kosten nennen (vgl. Ziff. 4.1.3).

Das BAV geht von einem tiefen fünfstelligen Betrag aus. Diese Vorlage hat jedoch keine IMI-Teilnahme zur Folge. Sie schafft einzig die gesetzlichen Voraussetzungen, um zu einem späteren Zeitpunkt mittels eines separaten Abkommens die Teilnahme zu ermöglichen.

Gemäss ersten Schätzungen ist bei einem Anschluss der Schweiz an das ERRU von einmaligen Investitionskosten von 155 000 Franken und zusätzlich 61 000 Franken jährlichen Kosten auszugehen.

6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Eine Zunahme der lizenzpflichtigen Transportunternehmen bedeutet, dass die kantonalen Kontrollbehörden mehr Transportunternehmen kontrollieren werden, was zu einer höheren Belastung führt.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Tätigkeit als Strassentransportunternehmen soll für alle Leistungserbringer der Strassenverkehrsbranche gleichen und gemeinsamen Regeln unterstehen. Die Ausweitung der geltenden Regeln auf Transportunternehmen, die grenzüberschreitend leichte Nutzfahrzeuge einsetzen, bedeutet, dass der Berufszugang einheitlich geregelt ist, was nicht zuletzt die Qualität der Unternehmen dieser Branche und auch die Wettbewerbsfähigkeit unter den Transportunternehmen sicherstellt.

6.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Es sind keine besonderen Auswirkungen auf die Gesellschaft zu erwarten.

6.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage fördert den fairen Wettbewerb zwischen leichten und schweren Nutzfahrzeugen. Wie unter Ziffer 4.1.1 erwähnt, nimmt die Anzahl leichter Nutzfahrzeuge in Europa seit Jahren stark zu. Während die Fahrleistung leichter Nutzfahrzeuge in der Schweiz ungefähr derjenigen von schweren Nutzfahrzeugen entspricht, ist ihr Beitrag zu den Transportleistungen prozentual viel tiefer.

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Die starke Zunahme von Lieferwagen ist in erster Linie auf die Regulierungsunterschiede für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen und Fahrzeuge mit bis zu 3,5 Tonnen zurückzuführen. Die vorliegende Botschaft hat u. a. zum Ziel, bei der Lizenzpflicht für international tätige Schweizer Unternehmen gleich lange Spiesse zu schaffen, und bezweckt dadurch auch umweltfreundlichere Transporte.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage betrifft primär das STUG sowie nachgelagert dazu Anpassungen der STUV. Das STUG hat seine Verfassungsgrundlage in den Artikeln 63 Absatz 1, 92 und 95 Absatz 1 der Bundesverfassung42 (BV). Die beantragten Änderungen bewegen sich im Rahmen, der durch diese Artikel gesteckt wird. Die Vorlage ist verfassungsund gesetzeskonform.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das LVA beinhaltet keine explizite Verpflichtung zu einer integralen Übernahme des relevanten neuen EU-Rechts in seinem Anwendungsbereich. Eine weitestmögliche Angleichung der Vorschriften, die im Landverkehr in der Schweiz und in der EU gelten, ist notwendig, um das gute Funktionieren des Abkommens zu gewährleisten (vgl.

insb. Art. 52 Abs. 4 LVA). Im Bereich des Marktzugangs liegt es im Interesse der Schweiz, die Gleichwertigkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen aufrechtzuerhalten. Ohne Berücksichtigung der entsprechenden Rechtsentwicklungen des Mobilitätspakets würden die Unterschiede der Bestimmungen in der Schweiz und in der EU die einwandfreie Anwendung des LVA verhindern. Es ist deshalb das Ziel dieser Vorlage, die schweizerischen Bestimmungen denjenigen der EU anzupassen und so gleiche Wettbewerbsbedingungen im Strassentransport zu schaffen.

Nach erfolgtem Screening durch die EU-Kommission (vgl. Kapitel 3) würde nach Bestätigung der Gleichwertigkeit ein Beschluss des Gemischten Landverkehrsausschusses Gemeinschaft/Schweiz zur Änderung der entsprechenden Anhänge des LVA vorbereitet und verabschiedet (Art. 52 Abs. 4 LVA).

Mit der teilweisen Übernahme des Mobilitätpakets I ist eine Reihe von Anpassungen der Anhänge des LVA verbunden: Einerseits muss die Verordnung (EU) 2020/1055, mittels derer die beiden Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009 und 1072/2009 revidiert wurden, in die Liste der anwendbaren Bestimmungen in Anhang 1 Abschnitt 1 des LVA und Anhang P zum EFTA-Übereinkommen aufgenommen werden. Andererseits befreit Artikel 9 Absatz 3 LVA die in dessen Anhang 4 genannten Beförderungen von allen Lizenzregelungen und sonstigen Genehmigungspflichten im Verkehrsbereich.

Anhang 4 nennt in Ziffer 3 die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen, deren 42

SR 101

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zulässige Gesamtmasse, einschliesslich der Gesamtmasse der Anhänger, 3,5 Tonnen nicht übersteigt. Mit der Ausweitung des Zulassungserfordernisses auf Strassentransportunternehmen, die für die grenzüberschreitende Güterbeförderung Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,5 Tonnen, jedoch höchstens 3,5 Tonnen verwenden, muss Ziffer 3 entsprechend geändert werden. Befreit von der Lizenzpflicht bleiben im grenzüberschreitenden Güterverkehr weiterhin sämtliche Unternehmen, die für die Güterbeförderung ausschliesslich Fahrzeuge verwenden, deren zulässiges Gesamtgewicht gemäss Fahrzeugausweis 2,5 Tonnen nicht übersteigt.

7.3

Erlassform

Nach Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen. Dies ist mit dieser Vorlage gewährleistet.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder Subventionsbestimmungen noch Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen, die Ausgaben über einem der Schwellenwerte nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV nach sich ziehen.

7.5

Datenschutz

Mit der Übernahme des EU-Rechts werden zusätzliche Daten (Art. 9 Abs. 3 Bst. f und g STUG) von den Strassentransportunternehmen erhoben und im nicht öffentlich zugänglichen Teil des Registers des BAV (Art. 9 Abs. 3 STUG) bearbeitet. Die gegenseitige Amtshilfe und der Informationsaustausch mit den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten umfasst auch diese Daten. Sämtliche Auskünfte über Angaben des nicht öffentlich zugänglichen Teils des Registers bzw. über Angaben betreffend den Nachweis des tatsächlichen und dauerhaften Sitzes werden weiterhin lediglich den benannten und zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung ihrer Verwaltungs- und Kontrolltätigkeit gewährt.

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Abkürzungsverzeichnis ASTRA

Bundesamt für Strassen

BAV

Bundesamt für Verkehr

BFS

Bundesamt für Statistik

BV

Bundesverfassung, SR 101

DG MOVE

Generaldirektion Mobilität und Verkehr

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation

EG

Europäische Gemeinschaft

EntsG

Entsendegesetz vom 8. Oktober 1999, SR 823.20

EntsRL

Entsenderichtlinie, Richtlinie 96/71/EG vom 16. Dezember 1996

ERRU

European Register of Road Transport Undertakings

EU

Europäische Union

FlaM

Flankierende Massnahmen zur Personenfreizügigkeit

FZA

Abkommen vom 21. Juni 1999 über die Freizügigkeit, SR 0.142.112.681

IMI

Binnenmarkt-Informationssystem (Internal Market Information)

LSVA

Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe

LVA

Landverkehrsabkommen vom 21. Juni 1999, SR 0.740.72

PBG

Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009, SR 745.1

RVOG

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997, SR 172.010

STUG

Bundesgesetz vom 20. März 2009 über die Zulassung als Strassentransportunternehmen, SR 744.10

STUV

Verordnung vom 2. September 2015 über die Zulassung als Strassentransportunternehmen im Personen- und Güterverkehr, SR 744.103

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