BBl 2023 www.fedlex.admin.ch Massgebend ist die signierte elektronische Fassung

zu 16.470 Parlamentarische Initiative Verzugszinssatz des Bundes. Anpassung an Marktzinsen Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 28. April 2023 Stellungnahme des Bundesrates vom 16. August 2023

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 28. April 20231 betreffend die parlamentarische Initiative 16.470 «Verzugszinssatz des Bundes. Anpassung an Marktzinsen» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. August 2023

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 29. September 2016 reichte Nationalrat Fabio Regazzi die parlamentarische Initiative 16.740 «Verzugszinssatz des Bundes. Anpassung an Marktzinsen» ein. Angesichts der damaligen schwierigen wirtschaftlichen Lage mit dem starken Schweizerfranken und der Belastung gewisser Bankeinlagen mit Negativzinsen war er der Ansicht, dass der in Artikel 104 des Obligationenrechts (OR)2 vorgesehene Verzugszinssatz von 5 Prozent die Schweizer KMU in eine schwierige Lage brachte und daher angepasst werden müsse.

Am 19. Oktober 2017 beschloss die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (nachfolgend: die Kommission), der parlamentarischen Initiative Folge zu geben. Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates hat am 26. April 2018 diesem Beschluss zugestimmt. Am 19. Juni 2020 beschloss der Nationalrat, die Behandlungsfrist der parlamentarischen Initiative bis zur Frühjahrsession 2022 zu verlängern. Am 3. Februar 2022 beschloss die Kommission mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung, dem Nationalrat zu empfehlen, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben.

Am 18. März 2022 lehnte der Nationalrat diese Empfehlung ab und beschloss mit 98 zu 93 Stimmen ohne Enthaltungen, die Behandlungsfrist der parlamentarischen Initiative bis zur Frühjahrssession 2024 zu verlängern.

An ihrer Sitzung vom 23. Juni 2022 verabschiedete die Kommission den Bericht und den Vorentwurf, mit zwei Varianten: Variante 1 mit einem auf den Swiss Average Rate Overnight (nachfolgend: SARON) gestützten variablen Zinssatz, und Variante 2 mit einem auf 3 Prozent gesenkten starren Zinssatz. Das Vernehmlassungsverfahren dauerte vom 7. Juli bis zum 28. Oktober 2022. Der Ergebnisbericht3 zeigt, dass diese Vorschläge sehr unterschiedlich aufgenommen wurden: Mit 15 Kantonen, einer politischen Partei und 6 Organisationen ist eine Mehrheit der Teilnehmenden von der vorgeschlagenen Reform nicht überzeugt und spricht sich für die Beibehaltung des Status quo aus. Von den Befürwortern einer Gesetzesänderung ziehen 9 Kantone, 4 politische Parteien und eine Organisation die Variante 1 (variabler Zinssatz) vor. Insgesamt wird die vorgeschlagene Änderung von den politischen Parteien unterstützt (4 von 5), von den Kantonen (15 von 25) und der Wirtschaft (6 von 8) jedoch grösstenteils abgelehnt.

An ihrer Sitzung vom 28. April 2023 hat die Kommission
die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zur Kenntnis genommen. Trotz Ablehnung jeglicher Gesetzesänderung durch eine Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden, beschloss die Kommission mit 15 zu 7 Stimmen, den parlamentarischen Vorstoss nicht abzuschreiben und ihrem Rat einen Entwurf vorzulegen. Dabei hat sie sich einstimmig für die Variante 1 (variabler Zinssatz) entschieden, ohne eine Änderung vorzunehmen, und

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SR 220 Vernehmlassungsbericht vom 28. April 2023, abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > Parl.

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die Vorlage mit 17 zu 5 Stimmen bei 0 Enthaltungen angenommen. Eine Minderheit der Kommission beantragt, auf die Vorlage nicht einzutreten.

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Kurzer Rückblick

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Bundesrat mit dem in Artikel 104 OR vorgesehenen Verzugszinssatz von 5 Prozent befasst. Im Rahmen der Motion 08.3169 «Stopp dem Zahlungsschlendrian» schickte er 2010 einen Vorentwurf in die Vernehmlassung, der einen erhöhten Verzugszinssatz von 10 Prozent nur für den kaufmännischen Verkehr vorsah, während bei allen anderen Transaktionen der geltende Zinssatz von 5 Prozent beibehalten werden sollte. Nachdem dieser Vorschlag in der Vernehmlassung stark kritisiert wurde, beantragte der Bundesrat dem Parlament, die Motion abzuschreiben4, was im März 2013 dann auch geschah.

Zehn Jahre später muss sich nun der Bundesrat mit einem gegenteiligen Vorschlag auseinandersetzen, der eine Senkung des Verzugszinssatzes zur Folge hätte. Aufgrund des aktuellen SARON-Zinssatzes würde der Verzugszins gemäss Antrag der Kommission nämlich 3 Prozent betragen.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Verzugszinssatz kürzlich mit der Umsetzung der Motion 16.30555 im öffentlichen Recht des Bundes harmonisiert wurde. Für die direkte Bundessteuer, die Mehrwertsteuer und die anderen vom Bund erhobenen Abgaben und Steuern beträgt somit dieser Zinssatz seit dem 1. Januar 2022 4 Prozent. Für die Sozialversicherungen beläuft er sich hingegen auf 5 Prozent.

2.2

Allgemeine Überlegungen

Nach Auffassung des Bundesrates gibt es keinen Bedarf für eine Anpassung von Artikel 104 OR. Ebensowenig unterstützt er den Antrag der Kommission, den starren Verzugszinssatz von 5 Prozent durch einen auf dem SARON basierten variablen Zinssatz zu ersetzen. Die Hauptgründe dafür sind die folgenden: ­

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Wie einige Teilnehmende zu Recht an der Vernehmlassung anmerkten, hat sich vorab das wirtschaftliche Umfeld seit 2016, und damit seit Einreichung der parlamentarischen Initiative, stark verändert. Die damalige Situation wurde jedoch als Hauptgrund für die Revision angeführt. Zu dem Zeitpunkt waren die Referenzzinssätze extrem niedrig oder sogar negativ, was einige Banken unter anderem dazu veranlasste, Guthaben auf Sparkonten nicht mehr zu verzinsen. Seit 2022 liegt der über drei Monate aufgezinste SARON (nachfolgend: SAR3MC) allerdings wieder im positiven Bereich, ist seitdem lau-

Bericht des Bundesrates vom 4. April 2012 zur Abschreibung der Motion der freisinnigdemokratischen Fraktion 08.3169 «Stopp dem Zahlungsschlendrian», BBl 2012 4651.

Mo Jauslin 16.3055 «Harmonisieren der Zinsen bei Bundessteuerlassen» vom 8. März 2016, abrufbar unter: www.parlament.ch.

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fend gestiegen und hat Anfang Juni 2023 rund 1,31 % erreicht6. Die schwierige Lage, in der sich die Unternehmen damals befanden, wie auch das Risiko, dass weitere Kosten an die Konsumentinnen und Konsumenten überwälzt werden, bestehen somit nicht mehr, ganz im Gegenteil.

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­

Entgegen der Auffassung einer Mehrheit der Kommission soll mit dem Verzugszins nicht nur der Schaden ausglichen werden, welcher der Gläubigerin oder dem Gläubiger aus dem Verzug entsteht. Er soll ebenso die säumige Schuldnerin oder den säumigen Schuldner dazu bewegen, die bestehenden Schulden möglichst schnell zu begleichen, und damit die sogenannte Zahlungsmoral verbessern. Im Bericht der Kommission wird im Übrigen zu Recht darauf hingewiesen, dass sich mit der Erhöhung des Verzugszinses im kaufmännischen Verkehr die Zahlungsdisziplin7 in den Ländern der Europäischen Union verbessert hat, was seinen Einfluss auf das Zahlungsverhalten beweist.

Weiter hat das Bundesgericht erkannt, dass dem Verzugszins ein pönales Element zu Ungunsten der Schuldnerin oder des Schuldners inhärent sei.8

­

Nach Auffassung des Bundesrates ist die Zahlungsmoral ein wesentlicher Aspekt des Verzugszinses und darf nicht völlig ausser Acht gelassen werden: Die Schuldnerin oder der Schuldner in Verzug darf nicht in eine so komfortable Situation gebracht werden, dass die unmittelbare Begleichung der Schuld keinerlei Vorteil mehr bieten würde. In gewisser Weise wird dies von der Kommission eingestanden, indem sie einerseits den Referenzzinssatz um 2 Prozentpunkte erhöhen und andererseits einen Mindestzinssatz von 2 Prozent festlegen will. Damit bestätigt die Kommission deutlich ihre Absicht, einen gewissen Druck auf die Schuldnerin oder den Schuldner aufrechtzuerhalten, selbst wenn der Referenzzinssatz wieder negativ werden sollte. Ähnlich dem Vorwurf einer gewissen Schematisierung durch den aktuellen Zinssatz von 5 Prozent kann man auch der Erhöhung um 2 Prozentpunkte und dem Mindestzinssatz von 2 Prozent vorwerfen, dass sie auf Schätzungen oder Durchschnittswerte basieren, welche die wirtschaftliche Lage nur teilweise widerspiegeln.

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Der Bundesrat ist nicht überzeugt vom Argument der Kommissionsmehrheit, wonach der starre Zinssatz von 5 Prozent die Gläubigerin oder den Gläubiger dazu verleite, die Schuldenforderung durch den Einsatz gewisser Verzögerungstaktiken aufzuschieben, um dadurch eine bessere Rendite als mit einer Anlage auf dem traditionellen Markt zu erzielen. Dies ist vorab im Handelsbereich kaum vorstellbar. Aktuelle Daten zeigen, dass bei 83 Prozent der Schweizer Unternehmen Zahlungsrückstände vorkommen und zu Schwierigkeiten führen. Dies betrifft insbesondere die KMU, die oft über wenig Liquidität verfügen und von wenigen Aufträgen abhängig sind.9 Für die Wirtschaft ist es daher zentral, sich auf die Einhaltung der Zahlungsfristen verlassen zu können.

www.six-group.com > Marktdaten > Indizes > Log-In Data Center > SARON.

Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates, S. 6, BBl 2023 1336.

BGE 130 III 312, E. 7.1; Thévenoz, CR CO I, N. 12 zu Art. 104.

www.kmu.admin.ch > Aktuell > Monatsthema > 2022 > Was tun bei Zahlungsverzug und Zahlungsausfällen?

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Im nichtkaufmännischen Bereich ist ebenfalls nicht ersichtlich, in welcher Situation es für eine Gläubigerin oder einen Gläubiger vorteilhaft wäre, die offenen Ansprüche nicht so schnell wie möglich einzufordern. Beruht die Forderung zum Beispiel auf einer unerlaubten Handlung, wird ein gewissenhafter Anwalt seiner Kundschaft kaum raten, das Vorgehen zu verzögern, nur um durch den Verzugszins eine höhere Entschädigung zu erhalten. In einer solchen Situation ist eine rasche Liquiditätsbeschaffung ausschlaggebend. Verzögerungsmanöver sind bereits ausreichend durch die Pflicht zur Geltendmachung von Forderungen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben geregelt, so wie es in Artikel 2 des Zivilgesetzbuches (ZGB)10 und Artikel 52 der Zivilprozessordnung (ZPO)11 vorgesehen ist.

Der Bundesrat ist daher der Ansicht, dass ein möglicher Missbrauch des Verzugszinses ein Randproblem darstellt und nicht ausreicht, um eine Änderung von Artikel 104 OR zu rechtfertigen.

­

Der in Artikel 104 OR vorgesehene Verzugszinssatz gilt für den kaufmännischen wie auch nichtkaufmännischen Verkehr. Seit Annahme der Richtlinie 2011/7/EU12 ist das schweizerische System in Europa eher eine Ausnahme geworden. In diesem Zusammenhang hatte der Bundesrat im Jahr 2010 die Möglichkeit geprüft, den Verzugszinssatz nur für kaufmännische Beziehungen auf 10 Prozent zu erhöhen. Diese Idee wurde allerdings nach der Vernehmlassung verworfen13. Mit der Annahme des Antrags der Kommissionsmehrheit wäre die Schweiz in zweierlei Hinsicht einzigartig: Kaufmännische und nichtkaufmännische Transaktionen würden weiterhin gleichbehandelt werden. Vor allem aber wäre der verrechnete Verzugszins im europäischen Vergleich eher niedrig, wie die folgende Tabelle zeigt (Zahlen basieren auf den im Mai 2023 gültigen Daten): Land

Kaufmännischer Verkehr

Bürgerlicher Verkehr

Deutschland

10,62 %

6,62 %

Frankreich

10,5 %

4,47 %

Österreich

11,08 %

4%

Italien

10,5 %

5%

Belgien

10,5 %

5,25 %

Schweiz (Entwurf)

10 11 12 13

3%

3%

SR 210 SR 272 Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. L 48 vom 23.02.2011.

Siehe Ziffer 2.1.

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Vor diesem Hintergrund ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Senkung des Verzugszinssatzes ein falsches Signal an die Schuldnerinnen und Schuldner senden würde. Diese könnten insbesondere versucht sein, ihre Schulden bei Schweizer Unternehmen weniger schnell zu begleichen als bei ausländischen Unternehmen.

Bei einer Flexibilisierung des Verzugszinssatzes würde deutlich, dass eine Erhöhung um 2 Prozentpunkte und ein Mindestzinssatz von 2 Prozent vor allem für den Handelsbereich viel zu tief angesetzt sind. Ein Grund dafür ist aus Sicht des Bundesrates der problematische Bezug zwischen dem Verzugszinssatz und dem Marktzinssatz, wodurch das gesetzte Ziel nicht erreicht werden kann. Soweit die Kommissionsmehrheit die Revision mit dem Hinweis auf das Niveau der Habenzinsen für Guthaben und Spareinlagen begründet, liegt ihrem Ansatz ein ökonomisches Missverständnis zu Grunde: Wenn ein Unternehmen wegen Zahlungsrückstands oder -ausfalls eines Schuldners eine ungesicherte Kreditlinie auf seinem Geschäftskonto beanspruchen muss, zahlt es dafür typischerweise Sollzinsen in der Höhe von mindestens 9 % pro Jahr zuzüglich einer eventuellen Kreditkommission, wie in der Vernehmlassung ausgeführt wurde.14 Im Vergleich dazu nehmen sich die 5 % gemäss dem aktuellen Artikel 104 OR nach wie vor bescheiden aus. In der vorgeschlagenen Form führt dies jedenfalls zu einem im europäischen Vergleich unverhältnismässig tiefen Zinssatz.

14

­

Wie mehrere Teilnehmende an der Vernehmlassung betonten, darf man auch nicht ausser Acht lassen, dass der feste Zinssatz von 5 Prozent seit Beginn des OR existiert und daher in der Praxis gut bekannt ist. Zudem ist er einfach anzuwenden, allgemein verständlich und vor allem relativ ausgewogen, wenn man bedenkt, dass er für den kaufmännischen wie auch nichtkaufmännischen Verkehr eingesetzt wird.

­

In Anlehnung an das vorangegangene Argument muss man anerkennen, dass das Ergebnis der Vernehmlassung ziemlich eindeutig ist: 15 Kantone, eine politische Partei und 6 Organisationen haben sich für die Beibehaltung des Status quo ausgesprochen. Sie machten darauf aufmerksam, dass der Zinssatz als in der schweizerischen Rechtstradition fest verankert zu betrachten ist, dass die vorgeschlagenen Varianten die Gläubigerinnen und Gläubiger dazu verleiten könnten, vertraglich einen höheren als auf dem Markt üblichen Zinssatz festzulegen, und dass das geltende Recht einfach und verständlich sei.

Umgekehrt machten sie geltend, dass ein variabler Zinssatz Kosten für die Wirtschaft generieren und, bei einer jährlichen Anpassung, auf jeden Fall eine Diskrepanz zur wirtschaftlichen Realität aufweisen würde. Der Bundesrat schliesst sich all diesen Überlegungen an und sieht sich dadurch in seiner Auffassung bestätigt.

Vernehmlassungsbericht vom 28. April 2023 (Fn. 3), S. 8.

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­

2.3

Zuletzt ist noch zu bedenken, dass es sich bei Artikel 104 OR um dispositives Recht handelt, wodurch es den Parteien freisteht, jeweils einen höheren oder niedrigeren Verzugszinssatz zu vereinbaren, oder ihn sogar ganz auszuschliessen15. Die Bestrebungen des Gesetzgebers zur Vermeidung gewisser Schwierigkeiten, die je nach Situation mit einem festen Zinssatz von 5 Prozent entstehen könnten, haben damit einen weniger entscheidenden Einfluss als behauptet.

Zum Eintreten

Aufgrund der Erwägungen unter Ziffer 2.2 beantragt der Bundesrat, auf den Entwurf nicht einzutreten und der Kommissionsminderheit zu folgen. Der starre Verzugszinssatz von 5 Prozent ist in der schweizerischen Rechtstradition fest verankert, hat sich bewährt und ist einfach und verständlich für alle Wirtschaftsakteure und Privatpersonen. Weiter hat sich das aktuelle wirtschaftliche Umfeld seit der Einreichung der parlamentarischen Initiative verändert, sodass eine Entlastung der Unternehmen weniger dringend erscheint. Grundsätzlich erscheint die vorgeschlagene Anbindung des Verzugszinssatzes an den Marktzinssatz nicht sinnvoll. Und schliesslich soll vermieden werden, dass die Unterschiede zwischen den jeweiligen Verzugszinssätzen der Schweiz und der Europäischen Union noch grösser werden.

2.4

Zum Textvorschlag

Falls dem Antrag der Kommissionsmehrheit Folge gegeben wird, schlägt der Bundesrat zwei Änderungen vor: einerseits eine formale Anpassung ohne Einfluss auf den gesetzestechnischen Hintergrund, und andererseits eine materielle Anpassung in Bezug auf den Mindestzinssatz und den Zuschlag.

Bezüglich der Form teilt der Bundesrat die Ansicht der Kommission, wonach der Verzugszinssatz auf der Basis des SARON berechnet werden könnte. Aus gesetzestechnischer Sicht erachtet es der Bundesrat allerdings nicht als sinnvoll, den SARON ausdrücklich im Gesetzestext zu erwähnen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass dieser Referenzzinssatz durch einen anderen16 abgelöst werden, die Berechnungsbasis sich wandeln oder die Bezeichnung sich ändern kann. Es würde sich unweigerlich die Frage stellen, wie der Verzugszins berechnet werden soll und ob der vom Gesetzgeber vorgesehene Verweis auf den SARON dabei statisch oder dynamisch ist. Dies kann zu unerwünschter Rechtsunsicherheit führen. Jährlich für eine einfache Berechnung eine bundesrätliche Verordnung zu erlassen wäre zudem unnötig schwerfällig. Es wird daher vorgeschlagen, im Gesetzestext den SARON generell-abstrakt zu beschreiben sowie die Berechnungsgrundlage des Referenzzinssatzes (Zuschlag, Mindest- und Höchstzinssatz usw.) festzulegen, während der Bundesrat mit den Einzelheiten beauftragt würde. Eine bundesrätliche Verordnung wird dabei ausdrücklich auf den SARON verweisen sowie auf eine dreimonatige Beobachtungsperiode zur Ermitt15 16

BGE 125 III 443, E. 3d; 119 V 131, E. 4a.

Dies ist beim LIBOR im Jahr 2021 passiert.

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lung eines Durchschnittswerts. Der Bundesrat kann zudem die Verwaltung beauftragen, den Zinssatz jährlich zu überprüfen. Ein solches Vorgehen gibt es bereits in Zusammenhang mit dem Konsumkredit17. In seiner Grundidee entspricht dies vollumfänglich dem Antrag der Kommission, bietet aber mehr Flexibilität. Sollte der SARON von einem der erwähnten Ereignisse betroffen sein, wäre es also möglich, sich mit einer Änderung der Verordnung an die neuen Gegebenheiten anzupassen, ohne eine aufwendige Gesetzesrevision durchlaufen zu müssen. Im ordentlichen Gesetzgebungsprozess ist es nämlich sehr oft unmöglich, rasch genug auf plötzliche und unvorhergesehene Ereignisse einzugehen.

Inhaltlich, und gestützt auf Artikel 104 Absatz 2 E-OR, beantragt der Bundesrat, den Zuschlag von 2 auf 3 Prozentpunkte zu erhöhen und einen Mindestzinssatz von 3 Prozent festzulegen, so wie es von einer aus 2 Kantonen, einer politischen Partei und 3 Organisation bestehenden Minderheit in der Vernehmlassung18 beantragt wurde.

Mit der Erhöhung des Zuschlags könnte der Unterschied zu den weiter oben erwähnten Ländern der Europäischen Union leicht abgeschwächt werden. Zudem wird damit der Grundsatz, wonach der Verzugszins die Schuldnerin oder den Schuldner zu einer möglichst raschen Begleichung der bestehenden Schulden bewegen soll, klarer unterstützt. Es hat sich nämlich gezeigt, dass sich mit dem höheren Zinssatz die Zahlungsdisziplin verbessert hat, was ebenfalls berücksichtigt werden sollte. Ausserdem ist darauf hinzuweisen, dass der auf der Basis des aktuellen SAR3MC berechnete flexible Zinssatz bei 4 Prozent zu liegen kommt und damit fast den Zinssatz von 5 Prozent erreicht.

Die redaktionelle Anpassung von Artikel 73 Absatz 1 OR und die Aufhebung von Artikel 104 Absatz 3 OR erfordern keine besonderen Bemerkungen und könnten gutgeheissen werden.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt, auf den Entwurf der Kommission nicht einzutreten und ihn subsidiär folgendermassen anzupassen: Art. 104 Abs. 2 2

Der Verzugszinssatz wird jährlich für das folgende Kalenderjahr festgelegt. Er entspricht dem durchschnittlichen Zinssatz für gesicherte Interbanken-Kredite in der Schweiz plus einem Zuschlag von 3 Prozentpunkten. Der daraus errechnete Zinssatz wird gemäss den kaufmännischen Rundungsregeln auf die nächstliegende ganze Zahl auf- oder abgerundet. Er liegt bei mindestens 3 % und höchstens 15 % pro Jahr. Der

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Artikel 14 des Bundesgesetzes vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (SR 221.214.1) beschreibt in groben Zügen den Höchstzinssatz und beauftragt den Bundesrat mit der Festlegung des Zinssatzes. Artikel 1 der Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz (SR 221.214.11) regelt die genauen Bemessungsgrundlagen und beauftragt das EJPD mit der jährlichen Überprüfung des Zinssatzes.

Vernehmlassungsbericht vom 28. April 2023 (Fn. 3), S. 6.

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Bundesrat regelt die Einzelheiten für die Festlegung des Verzugszinssatzes, insbesondere wie der Durchschnitt ermittelt wird.

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