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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 26. Januar 1874.)

In Sachen der Verpflegung von kranken und mittellosen r u s s i s c h e n Staatsangehörigen hat der Bundesrath beschlossen, an sämmtliche eidgenössische Stände ein Kreisschreiben folgenden Inhalts zu erlassen : ,,Getreue, liebe Eidgenossen !

,,Durch Kreisschreiben vom 24. April 1872 hatten wir die Ehre, Sie auf Grund einer Note der russischen Gesandtschaft in Bern vom 12. gì. Mts.*) in Kenntniß zu sezen, die kaiserliche, Regierung habe beschlossen, vermittelst eines Spezialfonds den Spitälern oder andern Anstalten der öffentlichen Wohlthätigkeit in der Schweiz durch die Verpflegung kranker und mittelloser russischer Staatsangehöriger erwachsenden Kosten zu vergüten und gleicher Weise auch die Kosten von deren Heimschaffung, wenn diese noch möglich, zu tragen.

,,Da sich seither zwischen der russischen Gesandtschaft und uns Differenzen über den Sinn des Wortlauts jener Erklärung erhoben, so haben wir jene durch Note vom 9. Juni v. J. ersucht, durch eine präzisere Redaktion die Tragweih; der Absichten der kaiserlichen Regierung zu bestimmen. In Antwort hierauf haben wir unterm 26. v. Mts. von der genannten Gesandtschaft die nachfolgende Note (in französischer Sprache) erhalten : ""Der Unterzeichnete, Minister von Rußland, hat der kais. Regierung die Note vom 9. Juni abbin zur Kenntniß gebracht, mit welcher der h. Bimdesrath den Wunsch ausspricht, es möchten durch eine genaue Redaktion die Fälle bestimmt werden, in denen die kais. Regierung die Kosten der Unterhaltung und ärztlichen Behandlung der Unterthanen des russischen Reiches in der Schweiz Übernehmen will.

,,,,Der Unterzeichnete hat nun die Ehre, dem Bundesrathe mitzutheilen, daß die kais. Regierung, um ihrerseits jedem weiteren *) Siehe Bundesblatt v. J. 1872, Band II, Seite 9G.

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Mißverständnis hierüber vorzubeugen, zunächst für nothwendig erachtet, zu defiairen, in was für Anstalten die russischen Unterthancn aufgenommen werden können, und sodann die Falle der Erstattung der von ihnen verursachten Kosten zu präcisiren.

,,,,Die kais. Regierung hält dafür, daß ihre Unterthanen im Auslande nur in Anstalten der drei folgenden Kategorien aufgenommen werden können: 1) In Hospizien und Krankenhäusern, wo man nur Greise und Gebrechliche aufnimmt; es sind dies Asyle, \vo die aufgenommenen Individuen den Rest oder einen namhaften Theil ihres Lebens zubringen.

2) In Anstalten, welche -- sei es von der Regierung, oder durch öffentliche oder private Wohlthätigkeit i n1 s Leben gerufen -- dazu bestimmt sind, Geisteskranke aufzunehmen und zu pflegen.

3) In Spitäler, Lazarete und andere Anstalten jeden Namens, welche dazu bestimmt sind, ein momentanes Asyl zu gewähren, besonders zur Heilung von Krankheiten irgend welcher Art, mit Ausnahme der Geisteskrankheiten.

,,,,Die Kosten der Unterhaltung und der Behandlung der dürftigen russischen Unterthanen in den Anstalten der ersten Kategorie (eigentliche Hospizien), sowie die Kosten ihrer Heimkehr nach Rußland, werden von der kais. Regierung aus dem Kapital für öffentliche Unterstüzung erstattet, jedesmal wenn nachgewiesen wird, daß der betreffende russische Angehörige wirklich dürftig ist.

,,,,Die Kosten der Unterhaltung, der Pflege und der Heimbeförderung der in Folge Geisteskrankheit in eine der Anstalten der zweiten Kategorie aufgenommeneu russischen Unterthanen werden vom Staate bezahlt (gemäß Annex 2 des Art. 368 des T. X. des Civilgcsezbuchs, Nachtrag der Geseze vom Jahr 1863), wenn nachgegewiesen ist, daß der Kranke kein Vermögen besizt.

,,,,In den entgegesezten Fällen werden die hievor angeführten Kosten aus dem Privatvermögen des Kranken bezahlt und entweder direkte durch die Betheiligten oder durch Vermittlung der kaiserlichen Regierung erstattet.

, ,,,,Was die bedürftigen russischen Unterthanen betrifft, die wegenirgendwelcher Krankheit, ausgenommen Geisteskrankheit, in Anstalten der dritten Kategorie Aufnahme finden, werden die Kosten ihrer Pflege von der kais. Regierung nur dann erstattet, wenn der schweizerische Bundesrath, als Reciprocität, einwilligt, seinerseits ebenfalls die Kosten zn erstatten, welche durch die Pflege bedürftiger schweizerischer Angehöriger in gleichartigen Anstalten in Rußland entstehen..

199 ,,,,Da die kaib. Regierung den "Wunsch hegt, die Verfügung betreffend die hilfsbedürftigen Rübsen in der Schweiz auszudehnen,, und die eidgenossische Regierung eine ahnliche Geneigtheit an den Tag gelegt hat, so ist der Unterzeichnete von seiner Regierung, beauftragt worden, dem h. Bundesrathe den Vorschlag zu machen, eine Vereinbarimg abzuschließen, derzufolge die Regierung von Rußland und diejenige der schweizerischen Eidgenossenschaft sich gegenseitig verpflichten, die durch die Pflege ihrer Angehörigen in den Spitalern, d. h. in den Anstalten der dritten, oben erwähnten Kategorien verursachten Kosten zu erstatten.

,,,,Die kaib. Regierung glaubt hoffen zu dürfen, es werde der Bundesrath, um eine strikte Reciprocitat für alle Fälle herzustellen,, wo es sich um Unterstuzung schweizerischer Angehöriger in Rußland handelt, für billig erachten, seinerseits die Kosten zu erstatten, welche die Unterhaltung und Pflege hilfsbedürftiger Schweizer, die in Rußland in Hospizien oder Irrenanstalten (1. und 2. Kategorie) aufgenommen werden, verursachen mochte, sowie die Auslagen für deren Heimbeforderung zu ubernehmen.

,,,,Indem der Unterzeichnete den Bundesrath ersucht, ihm gefalligst von der Aufnahme, welche seine Mittheilung gefunden, Kenntniß zu geben, benuzt er diesen Anlaß zur erneuerten Versicherung ausgezeichneter Hochachtung.

,, ,, B e r n , den 26. Dezember 1873.

M. G o r t c h a c o w.""

,,Sie sehen aus dieser Note, daß es sich jezt nicht mehr, wie am 12. April 1872, um eine einseitige Erklärung handelt, durch welche die russische Regierung sich zur Vergütung der Unterhaltungsund Heimschaffungskosten für in schweizerischen Spitalern oder andern Anstalten der öffentlichen Wohltätigkeit verpflegte, dürftige dortseitige Angehörige verpflichten wurde, sondern vielmehr um ein Uebereinkommen, durch welches die betreffendem Regierungen sich dahin einigen wurden, sich gegenseitig jene Kosten zu verguten.

,,Nachdem es sich sonach um den Abschluß eines Uebereinkommens handelt, glauben wir, es durfte praktisch sein und im Interesse der Beförderung liegen, die Unterhandlungen nicht, wie die russische Gesandtschaft vorschlagt, auf den Grundsaz der gegenseitigen Vergütung, sondern vielmehr auf denjenigen der unentgeltlichen Verpflegung zu basiren, analog wie derselbe z. B. am 24. Mai und am 12. Juni
1865 zwischen dem Bundesrath im Namen einer großem Zahl von Kantonen und der badischen Regierung (A. S.

VIII, 420) vereinbart worden ist.

,,Indem wir diese Frage Ihrer Prüfung unterstellen, ersuchen wir Sie, uns Ihre Ansicht bezuglich des Vorschlages der russischen Regierung durch Beantwortung folgender Fragen mitzutheilen :

200 1) Sind Sie geneigt, mit jener Regierung durch unsere Vermittlung eine Erklärung, betreffend gegenseitige Vergütung der Pflege- und Heimschaffungskosteii für dürftige Angehörige beider Staaten, die in einer der in der Note der russischen Gesandtschaft sub 3 aufgeführten Anstalten untergebracht worden sind, auszuwechseln ?

2) Würden Sie vorziehen, diese Erklärungen auf den Grundsaz gegenseitiger Unentgeltlichkeit zu basiren?

3) Ware es nicht passend, diese Erklärung auch auf die Beerdigungskosten auszudehnen ?

4) Wünschen Sie die drei in der Note der russischen Gesandtschaft aufgestellten Kategorien aufrecht erhalten zu sehen..

O o oder ziehen Sie vor, eine einzige Erklärung für alle Anstalten der öffentlichen Wohlthätigkeit, ohne Unterscheidung bestimmter Kategorien, auszustellen?

,,In Gewärtigung Ihrer bezüglichen Mittheilungen benuzen wir inzwischen diesen Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, nebst uns in den Schuz des Allmächtigen zu empfehlen."·

(Vom 31. Januar 1874.)

Hrn.

,, ,, Hrn.

,,

Der Bundesrath ernannte zu Instruktoren der Artillerie : a. D e f i n i t i v .

unterm 8. März 1873 Ulrich W i l l i , in Meilen (Zürich), provisorisch gewählt Gottlieb B ä u m li u, in Rothenhauals Instruldoren II.

sen (Thurgau), Klasse (Bd.-Blatt v.

Ferdinand V i g i e r , in Solothurn, 1873, S. 478).

b. P r o v i s o r i s c h .

Auguste F o r n e r o d , Stabsmajor, in Avenches (Waadt), als Instruktor II. Klasse; Heinrich J e n n y , Train Wachtmeister, in Hauptweil (Thurgau), als Unterinstruktor.

201 In Sachen des S p a r k a s s e n w e s e n s beschloß der Bun·desrath, an sämmtliche Kantonsregierungen folgendes Kreisschreiben au erlassen: ,,Getreue, liebe Eidgenossen!

,,Als Herr Diakon Spyri in Neumünster bei Zürich im Jahr 1864 unter Mitwirkung des Bundesrathes seine Statistik der Ersparnißkassen der Schweiz herausgab, sprach er am Schlüsse seiner Vorrede zu dem genannten Werke den Wunsch aus, es möchte etwa alle 5 Jahre eine Uebersicht aller Sparkassen der Schweiz erscheinen, namentlich um diejenigen Männer, welche mit solchen Erfolgen im Stillen an diesem schönen Werke arbeiten, von Neuem au ermuthigen und anzufeuern.

,,Dieser Wunsch hat nun zwar keinen prinzipiellen Entscheid seitens der Bundesbehörden zur Folge gehabt. Nachdem aber neulich die Schweiz vom statistischen Bureau des Königreichs Italien «ingeladen worden ist, an der von ihm im Auftrag des statistischen Kongresses unternommenen internationalen Sparkassenstatistik mitzuwirken durch Einsendung der die Schweiz betreffenden Angaben, und somit eine Vergleichung der Leistungen der Schweiz auf diesem Gebiete mit den Leistungen 'der andern Nationen Europa's in Aussicht genommen wird, liegt es bei dem Aufschwung, welchen das Sparkassenwesen in der Schweiz genommen hat, sehr in unserm Interesse, daß neuere Angaben als von 1862 über die Schweiz vorgelegt werden können.

,,Der Bundesrath glaubt daher, dieser Einladung Folge leisten au sollen, und das um so mehr, als Herr Diakon Spyri, welcher bereits zwei Mal in rühmlicher Weise die Sparkassen der Schweiz und jahrelang diejenigen des Kantons Zürich statistisch behandelt hat, sich bereit erklärt, diese Arbeit noch einmal ausführen zu wollen.

,,Um Herrn Diakon Spyri hierin zu unterstüzen, ersuchen wir Sie, beiliegendes Circulai- den Verwaltungen der Ersparnißkassen Ihres Kantons zuzustellen, mit der Einladung, Ihnen bis zum 15.

April d. J. die in demselben verlangten Angaben mitzutheilen, und verbinden hiemit die Bitte, Sie möchten die eingelangten Antworten bis auf den 1. Mai d. J. dem eidg. Departement des Innern zukommen lassen.a

Bundesblatt. Jahrg. XX VI. Bd. I.

18

202

An die Verwaltungen der Ersparnisskassen in der Schweiz.

Tit.!

Seit dem Erscheinen der Statistik der Ersparnißkassen der schweizerischen Eidgenossenschaft, welche sich auf die Rechnungsergebnisse des Jahres 1862 gründete, ist ein Zeitraum von zehn Jahren verflossen, der an sich schon groß genug ist, um eine neue.

Aufnahme auch auf diesem so wichtigen Gebiete der Nationalökonomie wünschbar erscheinen zu lassen. Dazu kommt, daß derinternationale statistische Kongreß das Sparkassenwesen ebenfalls in den Kreis seiner Arbeiten gezogen und Italien beauftragt hat,, ein Fragenschema zu entwerfen. Wenn es nun an sich schon für uns Schweizer selbst von hohem Interesse ist, die Entwiklung der Sparkassen während dieser zehn Jahre zu verfolgen, so wird eine neue Erhebung zur Nothwendigkeit, damit unser Vaterland, das, gerade in der Art und Weise der Gründung der Ersparnißkassen, in der Freiheit ihrer Verwaltung und in der nur von einige» Städten übertroffenen Benuzung derselben durch das Volk eine ganz eigenthümliche Stellung einnimmt, auch auf diesem Gebiete in der Reihe der übrigen Länder nicht fehle. Wir sind daher überzeugt, daß Sie den Entschluß des schweizerischen Bundesrathes,, eine Sparkassenstatistik der Schweiz erscheinen zu lassen, mit Freuden begrüßen, und gerne den Fragebogen, den wir Ihnen durch die Kantonsregierungen zukommen lassen, mit den nothwendigen Angaben ausfülllen.

So sehr es nun vom rein wissenschaftlichen Standpunkte wünschbar wäre, daß alle Länder das von Italien ausgearbeitete Fragenschema in jedem einzelnen Punkte annehmen würden, so sind wir dennoch hie und da von demselben abgewichen, indem wir die eigenthümlichen Verhältnisse unseres Landes berüksichtigen mußten, und vor Allem glaubten, daß die Verwaltungen der Ersparnißkassen, die ja zum größten Theil ihr gemeinnüziges Amt ohne eine Entschädigung verwalten, nicht zu sehr in Anspruch genommen werden sollten. Obgleich nun die Fragen etwas zahlreicher sind als im Jahre 1862, so hoffen wir doch, daß die Antworten Ihnen nicht schwer fallen '· sollten.

Bei dieser Statistik haben wir die Jahre 1862, 1867 und 1872 zu Grunde gelegt. Von dem ersteren besizen wir die meisteü Angaben und werden das, was wir noch wünschen, in unserm Fragen-

203 schema ausdrüklich bezeichnen. Wir ersuchen Sie nun, Ihre Antworten bis zum 15. April d. J. amtlich und mit Ihrer Unterschrift auf der Adresse Ihrer Kantonsregierung zu Händen des eidg. Departements des Innern einzusenden, und theilen Ihnen mit, daß das leztere den Unterzeichneten mit der Bearbeitung dieser Statistik betraut hat.

.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung vollkommenster Hochachtung von Ihrem ergebensten J. L. S p y r i , Diacon.

N e u m ü n s t e r (Zürich), im Januar 1874.

Fragen-Schema.

a. O r g a n i s a t i o n .

1) Statuten der Jahre .

.

. 1862, 1867, 2) Gründungsjahr der errichteten Kassen seit 1862

1872

b. R e c h n u n g s e r g e b n i s s e .

1) Zahl aller Einleger .

.

.

2) Vermögen der Kasse .

.

.

3) Guthaben der Einleger .

.

4 ) Reservefond .

.

.

.

5) Zahl der Einleger während des Rechnungsjahres .

.

.

.

6) Zahl derer, die ihr Guthaben während des Rechnungsjahres zurükgezogen haben .

.

.

.

7) Jahreseinzahlungen .

.

.

8) Rükzahlungen während des Jahres 9) Gesammtverkehr während des Jahres

1862, 1867,

1872

1862, 1862, 1862, 1862,

1872 1872 1872 1872

1867, 1872 1862, 1867, 1872 1867, 1872 1867, 1872

1867, 1867, 1867, 1867,

204 c. B e s o n d e r e B e m e r k u n g e n .

1) Anlage der Gelder.

1862, 1867, 1872.

a. in Schuldbriefen .

. Fr.

b. ,, Aktien .

,, c. ,, Obligationen von Kantonen, Gesellschaften, Gemeinden .

,, d. ,, Oblighi's mit Bürgschaft ,, e. ,, Gebäuden .

.

. ,, f. ,, Mobilien ,, 2) Verluste.

a. von .

b. ,,

.

.

.

.

,, 186'2--1867 ,, 1867--1872

3) V e r w a l t u n g s k o s t e n .

.

,,

1862, 1867, 1872

4) Schenkungen für gemeinnüzige Zweke .

,,

1862, 1867, 1872

(Vom 6. Februar 1874.)

Der Bundesrath ernannte zum Schweiz. Vizekonsul in Odessa: Hrn. Gottlieb H ä n y , von Kölliken (Aargau), seit mehreren Jahren Buchhalter und Korrespondent beim Hause TYithen in Odessa.

Herr Frid. Jenny, Schweiz. Vizekonsul in dort seit 1858, ist kürzlich in Zürich gestorben.

205 Der Bundesrath hat für zwei Eisenbahnen Fristverlängerung gewährt, nemlich: 1) für die Eisenbahn von U s t e r nach S a al a n d , bis zum 1.

Februar 1875; 2) für die Eisenbahn von U s t e r nach E f f r e t i k o n , bis zum 26. Mai künftigen Jahres.

Das Post- und Telegraphendepartement hat vom Bundesrathe die Ermächtigung erhalten, mit den Regierungen von Basel-Landschaft, Aargau und Neuenburg über Errichtung von Telegraphenbüreaux in R e i g o l d s w y l , R o t h r i s t und G r a n d - S a v a g n i e r Verträge abzuschließen.

(Vom 7. Februar 1874.)

Der eidg. Untersuchungsrichter und der Bundesanwalt, welche durch Beschluß vom 29. Januar 1874 mit der Untersuchung gegen den oder die Urheber, Austheiler und Verbreiter, sowie gegen allfällige Unterzeichner des Aktenstüks: ,,Appel des Catholiques suisses aux Puissances signataires du traité de Vienne contre la violation de ce traité par les Autorités suisses"1 beauftragt worden sind, haben ihre Berichte über die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung dem Bundesrathe abgegeben und beantragt, es sei der Sache nicht weitere Folge zu geben.

Der Bericht des Bundesanwalts, Hrn. Nationalrath Berdex, vom heutigen Tage, mit welchem der Antrag des Untersuchungsrichters einbegleitet wird, lautet folgendermußen : ,,Der Untersuchungsrichter erachtet, daß die Sache auf sich beruhen bleiben sollte. Ich theile diese Ansicht und pflichte seinen Schlüssen bei, und erlaube mir, zu deren Unterstüzung einige der in meinen frühem zwei Berichten mitgetheilten Ergebnisse der Untersuchung in Erinnerung zu bringen.

,,Der Verfasser des ,,Appel "· scheint der Abbé Defourny, Pfarrer zu Beaumont en Argonne zu sein; diese Thatsache findet sich durch die in der Untersuchung erhobenen Aussagen erhärtet.

206 ' ,,Wenn aber auch der Abbé Defourny den ,,Appel" verfaßt hat, so ist doch der erste Gedanke nicht bei ihm entstanden. Vor zwei Monaten hat ein in England wohnhafter Engländer Herrn Urquhart aufgefordert, eine Denkschrift in gleichem Sinne zu verfassen. Erst auf die Weigerung des Herrn Urquhart, der die Sache zu mißbilligen erklärt, hat die fragliche Persönlichkeit sich an den Abbé Defourny gewendet.

,,Da sowohl der Abbé Defourny als die Person, welche ihn veranlaßt hat. den Appel zu verfassen,, der Schweiz fremd und auch nicht im Lande wohnhaft sind, so kann keine Rede davon sein, sie vor unsere Gerichte zu ziehen, indem der Art. 37 des Bundesstrafrechts nur von Bürgern oder Einwohnern der Schweiz spricht.

,,Was den Herrn David Urquhart betrifft, so besteht gegen ihn keine Anschuldigung, welche seine Versezung in Anklagezustand begründen könnte.

,,In Betreff des Abbé Collet hat die Untersuchung genügende Inzichten ergeben zum Beweise, daß er nicht nur von der Abfassung fies ,,Appel" Kenntniß gehabt hat, sondern daß er auch beauftragt war, die Drukexemplare in Empfang zu nehmen und zu verbreiten.

,,So ist entgegen den Ableugnungen des Abbé Collet festgestellt, daß er selbst 15 Exemplare des ,,Appel" an hochgestellte Personen des Auslandes, l nach Montbélianì, 5 nach Oesterreich-Ungarn, 3 nach Preußen, 2 nach Schweden, 2 nach Norwegen und 2 nach Rußland versendet hat.

,,Nachdem aber da? verbrecherische Vorhaben, bei dem der Abbé Collet sich betheiligt hat, verhindert worden ist, und der eingetretene Beginn der Ausfuhr nicht einen Versuch des im Art. 37 des Bundesstrafrechts vorgesehenen Verbrechens bildet, da der Abbé Collet Exemplare des ,,Appel" ins Ausland, nicht in die Schweiz versendet hat, so bin ich der Ansicht, daß die gegen ihn vorliegenden Thatsachen nicht unter die Bestimmungen des Art. 37 des Bundesstrafrechts fallen, und daß folglich die Versezung in Anklagezustand gegen den Abbé Collet nicht auszusprechen sei.

,,In Gemäßheit des Art. 29 der Bundesstrafrechtspflege beehre ich mich, Ihnen mit meinem Berichte denjenigen des Hrn. Untersuchungsrichters zu unterbreiten, wobei ich Sie ersuche, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung genehmigen zu wollen."

Auf den vom eidg. Justiz- und Polizeidepartement erstatteten Bericht und Antrag hat der Bundesrath folgende Schlußnahme gefaßt:

207 Der schweizerische Buudesrath, in Betracht, daß aus der in Bezug auf die Drukschrift, betitelt ,,Appel des Catholiques suisses aux Puissances signataires du Traité de Vienne contre la violation de ce Traité par les Autorités suisses1' geführten Untersuchung sich ergeben hat, daß Firmin Collet, französischer Geistlicher, wohnhaft in Genf, mehrere Exemplare dieser Drukschrift erhalten und versendet hat ; in Anwendung des Art. 57 der Bundesverfassung, beschließt: Art. 1. Firmin Collet ist aus dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft verwiesen.

Art. 2. Der Staatsrath des Kantons Genf ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.'

Mit Note vom 22. Januar d. J. hat der Schweiz. Generalkonsul in Rom, Hr. Louis Seh l a t t e r , dem Bundesrathe zur Kenntniß gebracht, daß die Stempeltaxe von L. 4. 20 für jährliche Pensionen unter L. 500*) nicht habe vermieden werden können, und daß man sich also den neuen Vorschriften habe unterziehen müssen.

Nun aber verlange die Intendanz der Finanzen nicht bloß diese Stempeltaxe, sondern fordere, daß dieselbe ihr zum voraus entrichtet werden müsse für jedes Jahr von 1871 an, welche Forderung mit allen ministeriellen Erlassen im Widerspruch stehe.

Der Herr Generalkonsul meldete ferner, daß er deßhalb, in Gemeinschaft mit der schweizerischen Gesandtschaft in Rom, alle möglichen Schritte gethan habe, um eine Abänderung der gedachten Taxerhebung zu erzielen, welche Schritte jedoch ohne Erfolg geblieben seien.

Auf dieses hin beschloß der Bundesrath, es sei durch die schweizerische Gesandtschaft in Rom bei der italienischen Regierung die Suspension der Anwendung der Taxe von L. 4. 20 auf Pensionen unter L. 500 für die Jahre 1871 bis 1873 zu erwirken.

*) Siehe die Bekanntmachung im Bundesblatt v. J. 1873, Band IV, Seite 236.

208 Vom Bundesrathe sind gewählt worden: (am 2. Februar 1874) als Gehilfe bei der Zolldirektion in Genf: Hr. Konrad Meß m er, von Erlen (Thurgau), gegenwärtig Kopist der Zolldirektion in Genf; (am 7. Februar 1874) als Zolleinnehmer in Moillesulaz : Hr. Hippolyte M o n n i e r , von Genf, gegenwärtig Kontroleur bei der gleichen Hauptzollstätte ; ,, Telegraphist in Neumünster: ,, Theodor Z w i n g l i , von EIgg, Postverwalter in Neumür.ster bei Zürich; ·n -n n Turgi : ,, Johannes W e r n l y , von Gebenstorf, Posthalter in Turgi (Aargau); ,, Telegraphistin in Langnau : Frau Rosina S c h ä r e r, von und in Langnau (Zürich); ,, ,, ,, Mayens : . Jgfr. Emma 8 o l i o z, Lehrerin> von und in Sitten; ,, ,, ,, Luthern: ,, Marie E g g e m a n n , von und in Luthern (Luzern).

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Aus den Verhandlungen des schweiz. Bundesrathes.

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07.02.1874

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