9

5

N o

4

# S T #

7

Bundesblatt 108. Jahrgang

Bern, den 1.März 1956

Band I

Erscheint wöchentlich, frei» 30 Franken im Jahr, Iß Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stampili & Cie. in Bern

# S T #

7074

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 27ter betreffend das Filmwesen (Vom 24. Februar 1956) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir haben die Ehre, Ihnen hiermit den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 27ter betreffend das Filmwesen zu unterbreiten.

Zur Erläuterung und Begründung dieser Vorlage gestatten wir uns folgendes auszuführen.

I. Der Film - seine Geschichte und seine Bedeutung 1. Mit der am 28. Dezember 1895 in Paris erfolgten ersten öffentlichen und entgeltlichen Filmvorführung war ein Ereignis eingetreten, über das sich damals kaum jemand Gedanken machte. Viele Zeitgenossen glaubten sogar, dass es sich um eine der zahlreichen kurzfristigen Erfindungen und Neuerungen handle, die entweder nach kurzer Zeit wieder verschwinden oder aber nie über das Schaubudenniveau hinauszuwachsen vermögen. In Wirklichkeit hatten sich aber bei der Entstehung des Films Chemie, Optik, Mechanik und Elektrizitätslehre in einer einmaligen Kombination zusammengefunden und ein Phänomen hervorgebracht, das nach der Presse und vor dem Eadio bestimmt war, innert kürzester Zeit zu einer Massenwirkung ohne Beispiel zu gelangen.

Besonders in Frankreich und Italien, bald aber auch in Schweden und Dänemark darauf in Amerika und vielen andern Ländern schössen Filmproduzenten und Kinos wie Pilze aus der Erde. 1912/1913 ziehen J.Lasky, M.Goldfish und Cecil B. de Mille wegen Geldschwierigkeiten und aus meteorologischen Gründen aus New York «in ein in der Nähe von Los Angeles gelegenes Dörfchen namens Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

32

458 Hollywood» - die spätere Weltmetropole der Filmindustrie. Der Siegesmarsch des neuen Ausdrucksmittels Film hatte auf breiter Front begonnen.

In der Schweiz erschien der Film erstmals im Jahre 1896 im Eahmen der Schweizerischen Landesausstellung in Genf. Um die Jahrhundertwende errichtete der Ahne des inländischen Kinowesens, Georg Hipleh-Walt, in Zürich das erste ständige Kino, dem rasch weitere folgten. Nach dem durch den ersten Weltkrieg bedingten Stillstand nahm das Filmwesen einen neuen Aufschwung.

Heute zählt unser Land 553 Kinos mit rund 196 600 Plätzen.

Fast ebenso alt wie das "Vorführwesen ist die Produktion in unserem Lande.

Die Anfänge der Tätigkeit vereinzelter inländischer Filmschaffender reichen in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg zurück. Kurz nach dem Ende des Krieges setzte eine systematischere Produktion ein. Im Jahre 1924 wurde die PraesensFilm AG in Zürich gegründet, die anfänglich gleich den andern Produzenten nur Eeklamefilme herstellte. Sie drehte später abendfüllende Kulturfilme (z.B.

«Abessinienflug»), um sich schliesslich mit beträchtlichem Erfolg hauptsächlich der Produktion von Spielfilmen zu widmen. 1933 drehte diese Gesellschaft den ersten schweizerischen Dialekt-Spielfilm «Wie d'Warret würkt».

Als das Geburtsjahr des schweizerischen Spielfilms pflegt man heute das Jahr 1938 zu betrachten, in welchem die Praesens den Film «Füsilier Wipf» herausbrachte. Dieser Film, uraufgeführt in Basel am S.September 1938, bedeutet insofern den Beginn einer eigentlichen schweizerischen Spielfilmproduktion, als er als erster Spielfilm sowohl thematisch als auch filmtechnisch zu befriedigen vermochte. Er verschaffte der einheimischen Filmproduktion ganz allgemein einen starken, allerdings durch spekulative Erwägungen mitbedingten Auftrieb, der nicht -nur erfreuliche Folgen zeitigte. Geeignete und weniger geeignete Elemente betätigten sich, insbesondere nach 1939, zum Teil aus rein kommerziellen Gründen als Filmproduzenten. Da ihre Grundlage in der Regel weder in wirtschaftlicher noch in künstlerischer Beziehung genügte, verschwanden sie meist nach der Herstellung ihres ersten und einzigen Filmes wieder von der Bildfläche. Im Zuge dieser ungesunden spekulativen Aufblähung der einheimischen Filmproduktion wurden bereits im Jahre 1939 drei Spielfilme produziert; 1940 waren es 9,
1941 sogar 13. Von diesen Filmen erreichten qualitativ nur wenige ein einigermassen befriedigendes Niveau. So verdienen aus der Produktion 1941 lediglich «Landammann Stauffacher» (Praesens-Film) und «Eomeo und Julia auf dem Dorf e » (Pro-Film) Erwähnung. Nach 11- Filmen im Jahre 1942 und 5 im Jahre 1943 - darunter «Marie-Louise» der Praesens-Film - ging die unerfreuliche Konjunktur glücklicherweise zurück.

Weniger stürmisch und - aus Filmmarktgründen - weniger spekulativ gestaltete sich die Entwicklung auf dem Sektor der D o k u m e n t a r f i l m p r o duktion. Der dokumentarische Filmstil liegt der schweizerischen Lebensauffassung und Geisteshaltung besonders nahe. Nicht umsonst zeichneten sich auch die besten inländischen Spielfilme (z.B. der im Ausland mehrfach ausgezeichnete Praesens-Film «Die letzte Chance», 1944) durch ihren stark dokumentarischen Charakter und eine entsprechende Atelierferne aus. Die schweize-

459 rische Kurzfilmproduktion hat kurz vor und sodann nach dem zweiten Weltkrieg - während des Krieges übernahm der Armeefilmdienst zum Teil die entsprechenden Aufgaben - eine auch international anerkannte Stellung zu erreichen und zu behaupten vermocht. An internationalen Filmanlässen (Filmkunstschau Venedig, Festivals in Cannes und Edinburgh, Filmkongresse) wurden ihre Leistungen wiederholt gewürdigt. Der Dokumentarfilm machte die spekulativen Auswüchse des Spielfilms zu Anfang der vierziger Jahre nicht mit, sondern entwickelte sich bescheidener, dafür aber stetiger und organischer.

Eine filmgeschichtlicri wichtige Zäsur hatte die E r f i n d u n g des Tonfilms gebracht. Am 23. Oktober 1927 war in Amerika der bekannt gewordene Film «The Jazz Singer» mit dem Neger AI Jolson uraufgeführt worden. Durch den Lichtton wurde der Film um das akustische Element bereichert, zugleich wurde ihm aber die Internationalität in dem Sinne genommen, dass das gesprochene Wort keineswegs mehr überall verstanden wurde, so dass die Filme nachsynchronisiert (das heisst in der jeweiligen Nationalsprache nachgesprochen) oder untertitelt werden mussten. Nach gewissen wirtschaftlichen Erschütterungen, die die technische Umstellung in den Kinos und die begrenzte Auswertung in sprachlicher Hinsicht mit sich brachten, setzte sich auch der Tonfilm durch.

Der in den letzten Jahren erfolgte Übergang zum-«p la s tischen» Film (Breitwandverfahren, Naturai Vision, Cinemascope, Cinerama, «Kaumfilm» usw.) hat, filmgeschichtlich und filmkünstlerisch gesehen, nicht die gleiche Bedeutung wie seinerzeit der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm; er bedeutet lediglich eine weitere Differenzierung der Filmdarbietung, ohne diese in ihrem Grundcharakter wesentlich zu ändern. Vielfach wird von filmkundiger Seite sogar ausgeführt, dass der «plastische» 'Film, mindestens vorläufig, eher eine Verarmung bedeute.

Am G.August 1982 wurde in Venedig im Eahmen der Biennale die I.Internationale Filmkunstschau eröffnet. Damit war der Film endgültig salonfähig geworden. Sein «Schaubudenzeitalter» war beendet. Er war zu einer modernen Grossmacht geworden.

2. Psychologische und soziologische B e d e u t u n g des Films.-In psychologischer Hinsicht ist die sogenannteKinosituation durch einige spezifische Merkmale gekennzeichnet, die unabdingbar zum Phänomen
Film gehören.

Durch die Verdunkelung des Zuschauerraumes wird das Zeitgefühl geändert und die Kritikfähigkeit eingedämmt; dadurch, dass sich der Film primär an das Auge wendet, wird seine Bildsprache ohne wesentliche intellektuelle Anstrengungen verstanden. Daher auch seine suggestive Kraft. Zudem hat sieh mit der Zeit eine eigentliche «Filmbildsprache» entwickelt; die Aufeinanderfolge der einzelnen Bildsequenzen (der sogenannte Bildrhythmus) und der Einstellungen (Gross-, Nah- und Totalaufnahmen) sowie deren Dauer sind wesentliche Elemente der filmischen Grammatik, die jeder Kinobesucher zwar selten bewusst erkennt, aber in ihrer Wirkung erlebt. Die mit der «Kinosituation» verbundene Passivität, ausgefüllt durch die Entgegennahme einer Bilderzählung, lockert die gewohnte Zensur zwischen dem Bewusstsein und dem ;Ünterbewussten und

460

vermag deshalb direkt an letzteres zu appellieren; der Film wird stärker als jede andere Kunstgattung auch mit dem Unbewussten erlebt. Wegen der Eingängigkeit der filmischen Bildsprache und der Appellmöglichkeit an das unkritische Unbemtsste (dessen Sprache ja auch Bilder und Symbole sind) haben die totalitären Staatssysteme der Betreuung des Films stets ihre besondere Beachtung geschenkt.

In soziologischer Hinsicht ist das Wort vom Kino als dem «Theater des kleinen Mannes» durchaus zutreffend, obwohl zunehmend auch die wirtschaftlich und sozial bessergestellten Kreise der Bevölkerung das Lichtspieltheater aufsuchen. Die Unverbindlichkeit des Kinobesuches, der fehlende Umkleidezwang, die eher bescheidenen Eintrittspreise und die Wahrscheinlichkeit einer angenehmen, entspannenden Unterhaltung, die aus dem Alltag hinausführt, wirken magnetisch auf zahllose Menschen und führen sie in die Kinos. Der Beschauer erlebt Abenteuer, die ihm versagt sind, die er aber doch im Abglanz mitnehmen kann; er lebt in gesellschaftlichen Welten, die ihm im Alltag verschlossen sind, und er kann seine derartigen Sehnsüchte am Surrogat des Filmes befriedigen; ferne Länder und Kontinente werden ihm nahegebracht, die sein Auge nie sehen wird. Die «Traumfabrik» des Films liefert ihm Material für seine Tagträume und Phantasie.

u. Gegenwärtiger Stand und Organisation des Filmwesens in der Schweiz 1. Die drei Sparten des Filmwesens

Die Filmwirtschaft ist in drei Sparten aufgegliedert; die Produktion, das heisst die Herstellung von Filmen, den Verleih, das beisst die Vermittlung der Streifen zwischen Herstellung und Vorführung, und die Lichtspieltheater, die dem Publikum die Filme vorführen.

In der Frühzeit des Films, das heisst von 1895 bis etwa 1904, verkauften die Produzenten die Kopien der von ihnen hergestellten Filme direkt an die Kinos.

Die enorme Entwicklung des Filmes führte aber bald zur Notwendigkeit, ein Zwischenglied zwischen die Produktion und die immer zahlreicher werdenden Kinos einzuschalten, eben den Verleih. Dieser befasst sich mit der Übernahme der Filme vom Produzenten und deren Ausleihe an die Theater. Daraus ergibt sich, dass der Filmverleih eine wirtschafts- und kulturpolitisch wichtige Schlüsselstellung einnimmt, zumal in einem Lande wie der Schweiz, die nur wenig eigene Filme herstellt und deshalb fast ausschliesslich auf die Einfuhr ausländischer Filme angewiesen ist.

a. Die gewerbsmässige Filmproduktion umfasst in unserem Lande derzeit etwa 80 Firmen. Nur zwei davon (Praesens-Film AG und Gloria-Spielfilm AG, beide in Zürich) stellen Spielfilme her; die anderen Produzenten schaffen Auftragsfilme für Behörden und private Auftraggeber (Werbe- und eigentliche Eeklamefilme aus den Gebieten der Industrie, des Verkehrswesens, der öffentlichen Hygiene, der Forschung usw.).

461 Die Spielfilmproduktion hat keinen leichten Stand. Wegen der Dreisprachigkeit des Landes und der Kleinheit des Kinoparkes ist es völlig ausgeschlossen, einen Spielfilm auch, nur annähernd in der Schweiz zu amortisieren.

Die Spielfilmproduktion ist deshalb unbedingt auf den Export angewiesen.

Dieser ist zwar nach zahlreichen Ländern möglich, doch verschlingen fremdsprachige Versionen und die allgemeinen Vertriebskosten einen nicht unwesentlichen Teil des Bruttoerträgnisses. Anderseits verfügt die inländische Spielfilmproduktion weder über die technischen noch über die personellen und finanziellen Mittel, um eine mehr oder weniger laufende Produktion herauszubringen.

Derzeit ist als Atelier für die Herstellung schweizerischer Spielfilme nur eine bescheidene Möglichkeit in Zürich vorhanden. Die Filmschaffenden künstlerischer Richtung (Drehbuchautoren, Filmregisseure, Kameraleute, Schnittmeister usw.) sind in unserem Lande jvenig zahlreich, was sich aus dem Fehlen entsprechender Möglichkeiten für den Nachwuchs erklärt. In finanzieller Hinsicht endlich muss pro Spielfilm mit einer Investition von 800 000 bis l Million Franken gerechnet werden. Die Produzenten sind deshalb in der Eegel darauf angewiesen, die ersten grösseren Erträgnisse aus dem In- und Ausland abzuwarten, ehe an eine neue Finanzierung gedacht werden kann, was die Pausen zwischen den Produktionen vergrössert und die ständigen Generalunkosten vermehrt, so dass der einzelne Film stark mit ihnen belastet wird. Nach der spekulativen Hausse in den Jahren 1940 bis 1943 (siehe Kapitel I) sank deshalb die Produktion auf jährlich durchschnittlich l Spielfilm ab (siehe Tabelle I).

Anders liegt der Fall auf dem Gebiete der A u f t r a g s f i l m p r o d u k t i o n .

Die letzten Jahre waren recht erfreulich. Die sogenannten freien Produktionen, das heisst die ohne Auftrag und nach freier Sujetwahl des Produzenten hergestellten Dokumentarfilme, sind allerdings leider fast verschwunden, weil das Eisiko zu gross und die Exportmöglichkeiten zu klein sind. Der schweizerische Verleih eines solchen Beiprogrammfilmes bringt bestenfalls knapp 10 Prozent der Herstellungskosten herein; selbst beim Verkauf in eine Anzahl Länder ist es fraglich, ob die restlichen 90 Prozent in Form von Lizenzzahlungen realisiert werden können, da allgemein zuviel
Kurzfilme hergestellt werden und die Preise gedrückt sind. Bei Auftragsfilmen weiss der Produzent wenigstens, dass die Produktionskosten bezahlt werden. Es ist aber klar, dass lange nicht alle Auftragsfilme exportgeeignet sind. Liegt diese Qualität vor, so stossen wir leider immer wieder in zahlreichen Ländern auf nationale Protektionsgesetze, welche die Einfuhr fremder Dokumentarfilme massiv einschränken bis praktisch unterbinden. Die eigene Kurzfilmproduktion geniesst nicht nur einen mehr oder weniger weitgehenden Vorführzwang (Italien, Frankreich, England), sondern ausserdem noch staatliche finanzielle Unterstützung, was naturgemäss die eigene Produktion ankurbelt und den Bedarf nach ausländischen Produktionen herabsetzt oder völlig ausschliesst. Aus diesen Gründen gelangen verhältnismässig wenig schweizerische Beiprogrammfilme ins Ausland, was sehr bedauerlich ist.

Dass das Auftragsfilmwesen, bei aller anerkennenswerten Hilfe für unsere Produzenten, nicht geeignet ist, filmisch zu neuen Horizonten vorzustossen, liegt auf der Hand.

462 b. Auf dem Filmverleihgebiet betätigen sich heute in der Schweiz zirka 40 Unternehmen. Die Einfuhr von Spielfilmen ist k o n t i n g e n t i e r t (BEB Nr. 54 vom 26. September 1938 mit entsprechenden Verfügungen unseres Departements des Innern), während die Einfuhr aller andern Filmarten frei ist und lediglich formeller Bewilligungen bedarf. Die Kontingentierung geschieht nicht nach Ländern, sondern nach I m p o r t e u r e n (sogenannte Individualkontingente). Diese filmpolitische Massnahme wurde im Interesse einer gewissen quantitativen Steuerung der Einfuhr und des Schutzes der unabhängigen Filmverleiher getroffen; ausserdem vermittelt sie der Behörde wertvolle statistische Unterlagen.

Wir unterscheiden beim Verleih zwischen abhängigen Verleihbetrieben (Filialen) und sogenannten unabhängigen. Die Filialen (derzeit noch 6 Firmen, die alle amerikanische Produktionen vertreten) sind vom Mutterhause abhängig und arbeiten ohne eigenes wirtschaftliches Eisiko; sie transferieren nach Abzug der schweizerischen Generalunkosten die Erträgnisse der von ihnen ausgewerteten Filme nach dem Ausland. Bei den andern Verleihern handelt es sich um schweizerische Gesellschaften oder Einzelpersonen, die Filme auf eigenes Eisiko einführen und auswerten und vom ausländischen Produzenten rechtlich und organisatorisch unabhängig sind. Die Umwandlung von bestehenden unabhängigen Verleihen in Agenturen oder die Neueröffnung von solchen ist nach den erwähnten Erlassen unzulässig. Dass der Hauptzweck der Kontingentierung, nämlich der Schutz des unabhängigen Verleihs und die Möglichkeit der Neueröffnung von unabhängigen Verleihbetrieben, erreicht worden ist, ergibt sich aus folgender Übersicht : Prozentualer Anteil der Agenturen bzw. des unabhängigen Verleihs an der Einfuhr Jahr

1939 1945 1948 1950 1951 1952 1953 1954 1955

Agenturen Prozent

43 42 28 31 29 31 ' 28 29 28

Unabhängige Prozent

57 58 72 69 71 69 72 71.

72

Aber auch gesamthaft konnte im Verlaufe der Jahre im Interesse einer gewissen Marktregelung und der Vermeidung einer Spielfilmschwemme schrittweise eine Senkung der Filmeinfuhr herbeigeführt werden (siehe Tabelle II).

Im Jahre 1955 haben die Filialen die ihnen zugeteilten Kontingente zu 87 Pro-

463

zent, die Unabhängigen zu 76 Prozent ausgenützt. Heute werden noch 3/6 der Stichjahrimporte zugeteilt.

Der einzelne Verleiher übernimmt die Filme einzeln oder in Staffeln. In · der Regel muss er einen gewissen Prozentsatz der Einnahmen, die ihm ·vom Kino her zufliessen, an den Produzenten als den sogenannten Produzentenanteil transferieren. Bei durchschnittlichen Filmen beträgt dieser Anteil häufig 50 Prozent, bei kostspieligeren 60 Prozent und gelegentlich erheblich mehr. Sehr oft, besonders bei Spitzenfilmen, muss der Verleiher zusätzlich zur prozentualen Beteiligung des Produzenten noch eine Minimalgarantie zusichern, deren Spitze in Sonderfällen schon um 100 000 Franken lag, und die auf jeden Fall, das heisst unabhängig vom Einspielergebnis, zu zahlen ist. Es stellt dies eine Art Risikoverteilung zwischen Produzent und Verleiher dar.

Gelegentlich bevorschusst auch ein Verleiher eine Produktion durch Vorauszahlung einer solchen Minimalgarantie vor Drehbeginn des Filmes; anlässlich der Abrechnung wird sie dann in Abzug gebracht. Fixabschlüsse, das heisst Übernahmen eines Filmes durch einen Verleiher zu einem festen Pauschalpreis und ohne prozentuale Beteiligung des Produzenten, sind zur Seltenheit geworden.

Die L i z e n z d a u e r beträgt in der Regel 5 Jahre und wird bei erfolgreichen Filmen ein- oder mehrmals verlängert. Nach Auslauf der Lizenz müssen die Filme an den Produzenten zurückgesandt oder (mit notariellem Attest) vernichtet werden; diese - oft in der Öffentlichkeit kritisierte - Massnahme entspringt der rein kommerziellen Erwägung einer Vermeidung der Übersättigung des Filmmarktes. Die Negative bleiben natürlich erhalten; in den verschiedenen Filmarchiven werden zudem mit Zustimmung der Produzenten und unter Aus-schluss einer kommerziellen Verwendung Positivkopien aufbewahrt.

Bei der Abhängigkeit des schweizerischen Filmmarktes von der ausländischen Produktion ist es verständlich, dass gewisse Bindungen entstehen. Die Behörde wacht sorgfältig über die Handänderungen beim Verleih, um gegebenenfalls auf Grund der Vorschriften über die Beschränkung der Einfuhr die Umwandlung in Filialen zu verhindern oder die Neuentstehung von solchen zu unterbinden.

Eine weitere Abhängigkeit entsteht gegenüber dem ausländischen Produzenten in jenen Fällen, wo der Verleiher die von ihm auszuwertenden
Filme nicht einzeln auswählt, sondern Staffeln von 3 bis 5 Filmen oder noch mehr übernimmt bzw. übernehmen muss. Man nennt dies «Blind- und Blockbuchen». Auch hier liegt das wirtschaftliche Prinzip der Risikoverteilung zugrunde. Zur Abdeckung seiner Verpflichtungen ist der Verleiher in diesen Fällen seinerseits auf Blind- und Blockabschlüsse gegenüber den Kinos bedacht.

Die Filialbetriebe haben innerhalb der von ihnen vertretenen Produktion lediglich eine Selektionsmöglichkeit aus der Gesamtproduktion des Mutterhauses.

c. Über die Entwicklung der L i c h t s p i e l t h e a t e r in unserem Lande gibt Tabelle III Auskunft. Die Anzahl der Kinoplätze auf 1000 Einwohner hat sich von 31 im Jahre 1946 auf 39 im Jahre 1955 erhöht. In wirtschaftlicher Hinsicht

464

hatten die Kinos, parallel zur allgemein wirtschaftlich erfreulichen Lage, gute Jahre. Die Bruttoeinnahmen der Theater dürften für die ganze Schweiz heute ' bei 75 Millionen Franken liegen. Etwa 60 bis 65 Prozent davon verbleiben beim Kinosektor; 16 bis 17 Millionen Franken gehen als Filmlizenzen ins Ausland.

Die finanziellen Eegelungen zwischen Verleih und Kino sind in der Struktur ähnlich wie jene zwischen Produktion und Verleih. In vielen Fällen, besonders bei den Erstaufführungstheatern der Städte und grösseren Ortschaften, bezahlt der Kinoinhaber dem Verleiher einen gewissen Prozentsatz der Einnahmen, höchstens jedoch 50 Prozent, öfters, besonders bei Spitzenfilmen, muss jedoch neben dem Prozentsatz vom Kino noch eine Minimalgarantie zugesichert werden. Eine grössere Gruppe von Kinos, die sich vor allem aus Eeprisentheatern in den Städten und aus Landkinos zusammensetzt, bezahlt Fixpreise.

2. Verbandskonventionen über die Organisation des Filmmarktes

In den Dreissigerjahren schlössen sich die Kinos der Westschweiz sowie diejenigen der deutschsprachigen Schweiz und des Tessins zuerst in losen, dann in wohlorganisierten Verbänden zusammen («Association cinématographique, de la Suisse romande» - «Schweizerischer Lichtspieltheaterverband, deutsche und italienische Schweiz»). Die Filmverleiher sind ihrerseits im «Filmverleiherverband in der Schweiz» zusammengefasst. Im Laufe der Jahre bildeten diese Verbände ein gemeinsames Instrument aus, den sogenannten Interessenver'trag, in dem einerseits die Kinos, andererseits die Filmimporteure erfasst wurden. Die filmpolitisch wichtigste Formel bestimmt, dass nur Mitglieder des Verleiherverbandes Filme an die Kinos liefern und dass sie Filme nur an Mitglieder der beiden schweizerischen Lichtspieltheaterverbände verleihen dürfen (gewisse Ausnahmen mehr nebensächlicher Art sind vorgesehen). Durch diese Bestimmung erhielt der Interessenvertrag einen monopolartigen Charakter.

Ein Aussenseiter, sei er Filmimporteur oder Kinobesitzer, ist nicht in der Lage, seine Filme zu placieren bzw. Filme von einem Verleiher zu beziehen. Diese straffe filmmarktliche Organisation wird oft angegriffen. Sie weist in der Tat gewisse Schattenseiten auf; andererseits hat sie beim Fehlen einer hinreichenden gesetzlichen Ordnung die Entstehung eines Chaos verhindert und vermag der Behörde kompetente Verhandlungspartner zu stellen, die für die Durchführung einmal getroffener Abmachungen garantieren können. Dass in solchen Fällen das Verbandsinteresse vor dem Gemeinwohl rangiert, entspricht einer allgemeinen Erscheinung des Wirtschaftslebens. Eine gewisse Korrektur gegenüber dem Überwuchern des Verbandsinteresses ist jedoch in der Tatsache zu sehen, dass als übergeordnete Organe im Falle von Aufnahmen neuer Mitglieder (Verleiher oder Kinos) von Bundesrichtern präsidierte sogenannte paritätische Kommissionen entscheiden. Ihre Entscheide beruhen auf einer Prüfung vor allem der wirtschaftlichen Bedürfnisfrage. Vom I.Juni 1989 bis 81.Oktober 1955 wurden beispielsweise für das deutsche und italienische Sprachgebiet

465 insgesamt 173 Gesuche für Kinoeröffnungen entschieden, wovon 87 bewilligt wurden, und zwar 32 an bereits brancheangehörige und 55 an bisher branchefremde Bewerber: 86 Gesuche wurden abgelehnt, wobei es sich aber in einer Eeihe von Fällen um vorläufige Ablehnung handelte, denen bei späterer Wiederholung der Gesuche Bewilligungen folgten.

Die heutige Organisation des Filmwesens in unserem Lande beruht demnach einmal auf der staatlichen Massnahme der Einfuhrkontrolle und der individuellen Kontingentierung der Spielfilmeinfuhr und zum andern auf dem privatrechtlichen Interessenvertrag zwischen Verleiherverband und Kinoverbänden. Obwohl die Behörde bei der Erteilung von Spielfilmkontingenten naturgemäss nicht an die Aufnahme- oder Ablehnungsentscheide der Verbände gebunden ist, konnten im Sinne eines gewissen Ausgleichs von Interessengegensätzen bislang wesentliche Konflikte vermieden werden. Mit Eücksicht auf ihre kulturellen Zielsetzungen erhielten einige Verleiher Kontingente, ohne Mitglied des Verleiherverbandes zu sein. Trotz der aufgelockerten Kontingentierungspraxis unseres Departements des Innern ist die Filmwirtschaft jedoch an der Beibehaltung der staatlichen Massnahme interessiert. Der Einsturz dieser Stütze hätte beim gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung mit höchster Wahrscheinlichkeit sehr rasch eine Überfremdung zuerst des inländischen Filmverleihs und dann auch des Kinoparkes zur Folge. Verschiedene Ansätze in dieser Eichtung waren in den Jahren nach dem Kriege vorhanden, konnten jedoch auf Grund teilweise der staatlichen, teilweise der Verbandsmassnahmen an der Verwirklichung verhindert werden.

3. Kulturelle Organisationen Verschiedene Organisationen unseres Landes nehmen sich in besonderer Weise der Betreuung gewisser Filmbesucher an. Im «Schweizerischen Filmbund» als einer Dachorganisation sind vor allem die am künstlerisch wertvollen Spielfilm interessierten Kreise zusammengeschlossen, unter ihnen der «Bund schweizerischer Filmgilden und Ciné-Clubs», der sich aktiv für Qualitätsfilme einsetzt und deren Vorführung unter Umständen patronisiert. Der vor einigen Jahren gegründete «Schweizerische Verband zur Förderung der Filmkultur» hat sich in seinen Statuten ebenfalls eine kulturelle Zielsetzung gegeben, jedoch in einer gewissen Anlehnung an die Filmwirtschaft. Der «Bund
schweizerischer Kulturfilmgemeinden», eine Abteilung des Schweizer Schul- und Volkskinos in Bern, umfasst etwa 30 Sektionen in der deutschsprachigen Schweiz und widmet sich ausschliesslich der Pflege des Kulturfilms; seine Darbietungen erfolgen in der Eegel in Form von Sonntags-Matinéen.

Von breiten Kreisen der Bevölkerung werden die Filmausschüsse und Filmdienste der Schweizerischen Arbeiterbildungszentrale, des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes und des Schweizerischen Katholischen Volksvereins getragen. Sie befassen sich nicht nur theoretisch und durch Teilnahme an den filmpolitischen Auseinandersetzungen mit den kulturellen, ethischen und sozialen Fragen des Filmwesens, sondern leisten zum Teil auch selbst

466

praktische Arbeit durch die Auswahl und Vermittlung guter Filme sowie durch Betätigung auf dem Gebiet einer umfassenden konkreten Filmbewertung. Das gleiche gilt vom Schweizerischen Protestantischen Film- und Kadioverband.

Der organisatorische Ausbau des Lehr- und Unterrichtsfilms ist in unserem Lande leider noch im Eückstand. Nach zahlreichen Vorarbeiten konnte jedoch im Jahre 1950 die «Vereinigung schweizerischer Unterrichtsfilmstellen» gegründet und eine gewisse Organisation auch auf diesem Felde erreicht werden.

Das in Basel im Jahre 1943 gegründete Schweizerische Filmarchiv wurde 1950 aus finanziellen Gründen nach Lausanne transferiert, wo es zweckmässig untergebracht ist.

ni. Postulate der eidgenössischen Bäte und Vorschläge kultureller Kreise betreffend eine Filmgesetzgebung des Bundes In filmpolitischer Hinsicht sind im Laufe der Jahre zahlreiche Vorstösse im Schosse Ihrer Behörde unternommen sowie mannigfache Anregungen und Wünsche von dritter Seite geäussert worden, und zwar in filmwirtschaftlicher wie in filmkultureller Richtung. Die nachfolgende Übersicht soll in knappster Form darüber orientieren.

1. Am 4. September 1937 sind Ihnen die gemeinsamen Filmthesen von 32 kulturell orientierten schweizerischen Organisationen verschiedener politischer und weltanschaulicher Eichtung zugegangen, worin unter Ziffer B/l erklärt wird, zur Ordnung des schweizerischen Filmwesens sei unter anderem die Schaffung eines eidgenössischen Eahmengesetzes notwendig.

2. Wenig später, am 21. Oktober 1937, hat Herr Nationalrat Wilhelm Meile im Verlaufe der nationalrätlichen Beratungen über die Filmkammervorlage folgendes Postulat eingereicht: «Der Bundesrat wird eingeladen, durch die Schweizerische Filmkammer so bald wie möglich die Frage abklären zu lassen, ob ein Kahmengesetz über das Filmwesen geschaffen werden soll. Auf Grund dieser Vorarbeiten soll vom Bundesrat geprüft werden, ob nicht den eidgenössischen Bäten eine Gesetzesvorlage über das Filmwesen unterbreitet werden soll. Eine baldige Kegelung der Filmfragen ist aus nationalen, wirtschaftlichen und ethischen Gründen notwendig.»

Dieses Postulat ist vom Nationalrat am 26. April 1938 angenommen worden.

3. Im Zusammenhang mit dem (nach Kriegsende aufgehobenen) BEB vom 12. März 1943 über die Herstellung einer schweizerischen Filmwochenschau und deren Vorführung in den Lichtspieltheatern des Landes haben am I.Juli 1943 die ständerätliche und am 20. Oktober 1943 die nationalrätliche Vollmachtenkommission folgendes Postulat eingereicht : «Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und beförderlich darüber Bericht und Antrag vorzulegen, ob nicht auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung die schweizerische Filmproduktion gefördert und das Lichtspielwesen geregelt werden sollte.»

Dieses Postulat ist am 21.September 1943 vom Ständerat und am S.Dezember 1943 vom Nationalrat angenommen worden.

467

4. Mit Schreiben vom 27.Oktober 1947 hat die Arbeitsgemeinschaft Pro Helvetia (heute Stiftung Pro Helvetia) sich gegenüber unserem Departement des Innern dahin ausgesprochen, dass das Filmwesen einer umfassenden Kegelung auf eidgenössischer Ebene bedürfe und der Bund sich dazu die nötigen Kompetenzen in der Bundesverfassung einräumen lassen sollte.

5. In ihrer Plenarsitzung vom 22. April 1948 hat die Filmkammer ihrerseits beschlossen, unserem Departement des Innern zu beantragen, es sei eine Revision der Bundesverfassung in die Wege zu leiten, die dem Bunde zu den Kompetenzen verhelfen solle, deren er zu einer umfassenden, nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die kulturellen Belange des Filmwesens regelnden eidgenössischen Filmgesetzgebung bedürfe. Auf Grund dieses Beschlusses unterbreitete das Filmkammersekretariat dem Departement des Innern in der Folge einen Bericht über eine Bundesgesetzgebung auf dem Gebiete des Filmwesens.

6. Am 30.März 1949 hat Herr Emil Frei im Nationalrat folgendes Postulat eingereicht : «In Anbetracht der grossen staatspolitischen, kulturellen, moralischen und wirtschaftlichen Bedeutung des Filmes ist eine umfassende eidgenössische Filmgesetzgebung dringend notwendig. Um dafür die rechtliche Grundlage zu erhalten, wird der Bundesrat eingeladen, zu prüfen, ob nicht den eidgenössischen Bäten zuhanden von Volk und Ständen ein Vorschlag für einen entsprechenden Artikel der Bundesverfassung vorzulegen sei.»

Dieses Postulat ist vom Nationalrat am 28. September 1950 angenommen wo.rden.

7. Im Zusammenhang mit dem Postulat Frei hat der Schweizerische Filmbund dem Departement des Innern am S.Mai 195.3 Vorschläge für die in einem Filmrahmengesetz des Bundes zu regelnden Materien eingereicht (nachdem er schon in einer Zuschrift vom 16.April 1949 die Wünschbarkeit der Schaffung eines Verfassungsartikels betont hatte, der den Bund zur umfassenden Regelung des Filmwesens ermächtigen würde).

8. Eine Eeihe bisher nicht erwähnter Postulate des Nationalrates aus den vergangenen Jahren beziehen sich auf besondere filmpolitische Probleme, so das am 2.Dezember 1947 angenommene Postulat Cottier betreffend die Verbreitung der Schweizer Filmwochenschau im französischen Sprachgebiet des Landes, das am 24. Juni 1948 angenommene Postulat der Geschäftsprüfungskommission des .Nationalrates betreffend Erhöhung des Filmzolls zwecks Förderung der schweizerischen Filmproduktion, das am 6. Juni 1950 angenommene Postulat Studer-Escholzmatt betreffend Massnahmen gegen die unseriöse Kinoreklame, das am 13. Dezember 1950 angenommene Postulat Duttweiler betreffend Hilfeleistung an die schweizerische Filmindustrie, das am 16.März 1954 angenommene Postulat Frei betreffend Erstrebung eines interkantonalen Konkordats zum Schutz der Jugend und des Volkes vor den Wirkungen minderwertiger Filme, das am gleichen Tag angenommene Postulat Oprecht betreffend Förderung der schweizerischen Filmproduktion mittels angemessener fiskalischer Belastung der Einfuhr ausländischer Filme, das am 29. September 1954 ange-

468

nommene Postulat Huber betreffend Film und Presse, das am 15. März 1955 angenommene Postulat Aebersold betreffend Beitragsleistung an den Schweizerischen Kulturfilmfonds sowie das Postulat Frei vom 28. September 1955 betreffend Massnahmen zur Bekämpfung der Schundfilme und der Schundliteratur. Wir werden auf die Gegenstände bzw. den rechtspolitischen Gehalt dieser Postulate weiter unten zurückkommen.

9. Namens der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission hat am 15. Juni 1954 deren Eeferent, Herr Nationalrat Aleardo Pini, den Wunsch nach einer baldigen Filmvorlage geäussert, die über die Leitgedanken einer Filmpolitik des Bundes Auskunft geben würde.

Nach der Begründung der angeführten Postulate, dem Inhalt der eingegangenen Vorschläge sowie zahlreichen andern Stimmen wird auf filmpolitischem Gebiet besonders an die folgenden Desiderata gedacht, die sich allerdings teilweise überschneiden und teilweise überholt sind. Die Formulierungen sind durchwegs den betreffenden Exposés und Eingaben entnommen.

Kampf gegen private Monopole in der Filmwirtschaft Schutz der Filmwirtschaft gegen Überfremdung Bewilligungspflicht mit Bedürfnisklausel für alle Sparten der Filmwirtschaft, besonders auf dem Gebiet des Lichtspieltheatergewerbes Förderung der einheimischen Spiel- und Dokumentarfilmproduktion, insbesondere durch Äufnung eines Filmfonds Stärkere fiskalische Belastung der Filmeinfuhr Lösung der Schmalfilmfrage (Befreiung des kulturell bedeutsamen Schmalfilms von gewissen filmkommerziell bedingten Fesseln) Förderung der filmkulturellen Bestrebungen im allgemeinen und der Filmbesucherorganisationen im besondern Verbot des Blind- und Blockbuchens Intensivierung des Kampfes gegen Schund und Schmutz im Film durch Vereinheitlichung der Filmzensur nach gewissen Eichtlinien, insbesondere auf dem Gebiete der Filmreklame Schutz und Förderung des einheimischen Filmwesens in den Beziehungen zum Ausland in wirtschaftlicher, kultureller und politischer Hinsicht Ausbau der Schweizer Filmwochenschau Schaffung eines Filmarchivs Förderung der Filmkritik, insbesondere durch Schaffung einer hochstehenden Filmzeitschrift Hebung der beruflichen Ausbildung der Filmschaffenden Vermehrter Einsatz des Films als Bildungsmittel

469

Die Stellungnahme zu diesen Vorschlägen und Anregungen wird sich aus den Ausführungen der Kapitel VI bis X dieser Botschaft ergeben.

IV. Die Filmgesetzgebung ausländischer Staaten ·Der folgende summarische Überblick über die Filmpolitik des Auslandes beschränkt sich auf Staaten, deren Verhältnisse einigermassen mit den schweizerischen vergleichbar sind. Ausser Betracht bleiben daher einerseits die UdSSR und die übrigen Staaten des Sowjetblocks, wo das ganze Filmwesen, von der Produktion bis zur Vorführung, unmittelbar oder mittelbar verstaatlicht ist, anderseits Indien und Japan, obwohl sie nach dem Umfang ihrer Filmproduktion an die Vereinigten Staaten heranreichen. Unter den Vergleichsländern weisen Italien, Frankreich und England durch die Intensität und die innere Verwandtschaft ihrer Filmpolitik weitgehend gemeinsame Züge auf. Deutlich hebt sich davon die rechtliche und politische Behandlung des Films in den Vereinigten Staaten ab.

In Italien werden die filmpolitischen Belange durch die der Ministerpräsidentschaft unterstellte Direzione generale dello spettacolo wahrgenommen, unter Mitwirkung mehrerer Kollegialorgane. Die Ministerpräsidentsohaft verfügt auf Antrag' einer dieser Kommissionen über die Verwendung eines Filmfonds, dem aus der Staatskasse Mittel in der Höhe von l Prozent der von den Kinotheatern eingespielten Bruttoeinnahmen zugewiesen werden (1954 rund 500 Millionen Lire). Daraus werden Beiträge zu allgemeinen filmpolitischen Zwecken ausgerichtet. Die individuelle Produktionshilfe besteht in a. einem Vorführungsobligatorium zugunsten der von einem Fachaussohuss empfohlenen italienischen Filme, verbunden mit einer erheblichen Beduktion der von den Kinoinhabern geschuldeten Vergnügungssteuer; b. Qualitätsprämien und andern nachträglichen Subventionen an die Herstellung von Filmen, um eine Kontinuität der Produktion zu ermöglichen; c. Kreditgewährung durch ein mit Beteiligung des Schatzamtes gegründetes, aber mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgerüstetes Filmkreditinstitut, das die Herstellung eines italienischen Films durch Darlehen bis zu 60 Prozent der mutmasslichen Gestehungskosten finanzieren kann. - Allgemeine Fragen der Filmein- und -ausfuhr werden durch eine interministerielle Kommission unter dem Vorsitz des Unterstaatssekretärs im Aussenhandelsministerium begutachtet. Die
für die Ausfuhr vorgesehenen Filme unterliegen einer ßpezialzensur. Der Bau und Umbau permanenter und die Eröffnung ambulanter Kinobetriebe bedarf einer Bewilligung der genannten Generaldirektion, die sowohl die Bedürfnisfrage als auch die Fähigkeit des Bewerbers durch eine besondere Fachkommission prüfen lässt. Die Filmzensur wird als obligatorische Vorzensur erstinstanzlich durch eine aus je einem richterlichen Magistraten, einem höheren Beamten des Innenministeriums und einem Beamten der Direzione generale dello spettacolo zuhanden dieser letzteren Amtsstelle ausgeübt, die das Visum erteilt.

Das italienische filmpolitische System findet sich in seinen Hauptlinien wieder in Frankreich. Nur dass sich hier der staatliche Filmkredit auf Exportgarantien beschränkt. Zusammen mit den verschiedenen Sparten der Filmindustrie hat in Frankreich auch das Kinogewerbe Anspruch auf Beiträge, namentlich zwecks Modernisierung.

Der Filmfonds wird durch einen Zuschlag zur Vergnügungssteuer auf den Eintrittskarten und durch eine fiskalische Zensurgebühr (taxe de sortie) geäufnet und vom Centre national de la cinématographie unter Aufsicht einer Kommission verwaltet.

Das Centre national, eine teilweise durch Beiträge der filmwirtschaftlichen Spitzenverbände finanzierte selbständige öffentliche Anstalt, amtet als administrative Zentral-

470 stelle für alle wirtschaftlichen und kulturellen Filmfragen. Sein Generaldirektor setzt auch den Verleihschlüssel, d. h. die Quote der den Verleihern als Filmmiete zu vergütenden Nettoeinnahmen der Kinos fest.

Auch in England wird die Produktionsförderung in erster Linie auf dem Wege des staatlichen Vorführobligatoriums (screen quota) und der Ausdehnung des Filmkredits angestrebt. Dieser ist unmittelbar Sache eines selbständigen, mit Staatskapital finanzierten öffentlichen Kreditinstituts unter Aufsicht des Handelsministeriums. Das Handelsministerium selbst bildet die administrative Zentralstelle in allen f unwirtschaftlichen Fragen. Es sind ihm zu diesem Behuf e zwei permanente Expertengremien (Cinematograph film council und National film production council) angeschlossen. Die Herstellung von Kurzfilmen im Auftrage der verschiedenen. Ministerien geschieht entweder in verwaltungseigenen Regiebetrieben oder in privaten Unternehmen unter Leitung des Informationsministeriums bzw. des Kolonialministeriums. Filmkulturelle Zentrale ist daa halbstaatliche British film Institute, dessen Kosten teilweise aus Staatsgeldern gedeckt werden. Reichliche Staatsbeiträge fliessen zugunsten der Entwicklung des Schulfilms. Die Subventionen an die Produzenten von Spiel- und Kurzfilmen für den kommerziellen Markt stammen dagegen aus einem Filmfonds privatrechtlichen Charakters und werden durch höhere.Eintrittspreise auf den teureren Kinoplätzen und damit kombinierte Steuervergünstigungen wettgeschlagen. Als Surrogat der fehlenden zentralen staatlichen Filmzensur wirkt eine finanziell von der Verleiherschaft getragene, aber sonst von der Filmwirtschaft unabhängige private Körperschaft, das British board of film censors. Verleihgeschäfte und Kinounternehmen unterliegen der Bewilligungspflicht (Handelsministerium). In den einschlägigen Bestimmungen kommt die Besorgnis über die wachsende vertikale und horizontale Vertrustung, die den Cinematograph film council seit 1944 beschäftigt, deutlich zum Ausdruck. Blind- und V orbuchen von Filmen sind bei Ungültigkeit des Verleihvertrages und unter Androhung von Busse grundsätzlich v e r b o t e n .

In ähnlichen Bahnen wandelt Spanien, vielleicht mit schärferer kultureller und ideologischer Profilierung seines Filmrechts. Die Privilegien zugunsten eigener Filmproduktionen
können unter Umständen auf ausländische Filme ausgedehnt werden.

Die für die Theater obligatorische Filmwochenschau wird in Staatsregie hergestellt.

InDänemarkliegt der Schwerpunkt der staatlichen Filmpolitik auf dem Theatersekt or. Eröffnung und Betrieb der Kinotheater unterliegen dort einer die polizeiliche Überwachung in kultur- und wirtschaftspolitischer Richtung ergänzenden Bewilligungspflicht. Die Bewilligung kann grundsätzlich nur je einem Theater erteilt werden. Merkmale dieser Bewilligungspflicht: Bedürfnisklausel, Fähigkeitsausweis, finanzielle und personelle Unabhängigkeit des Bewilligungsinhabers gegenüber andern Filmunternehmen, Verpflichtung, auf dem Markte die kulturell und künstlerisch wertvollsten Filme auszuwählen (sofern die Wahl nicht zum vorneherein durch ein vom Justizministerium verfügtes temporäres V o r f ü h r o b l i g a t o r i u m für in- oder ausländische Kulturfilme gelenkt wird) sowie Pflicht zur entgeltlichen Überlassung des Theaters an Schulen und gemeinnützige Vereinigungen für filmkulturelle Veranstaltungen. Die Kinoinhaber schulden eine direkte und progressive Sondersteuer zugunsten des nationalen Filmfonds, eines unselbständigen Zweckvermögens des Staates, das indessen nur zum Teil filmkulturellen Zwecken, namentlich der Produktionsförderung, verhaftet ist und vom Justizministerium gemeinsam mit dem nationalen Filmrat verwaltet wird. Die staatliche Filmzentrale (Statens Filmcentral) hat ein mehr faktisches als rechtliches Monopol auf den Verleih von Filmen aller Art (namentlich im Schmalforma't) für die Jugend- und Erwachsenenschulung. Blind- und Blockbuchen sind den Verleihern bei Busse untersagt. Von der halbstaatlichen, zur Hauptsache über den Filmfonds finanzierten Produktionsgenossenschaft Dansk K u l t u r f i l m werden wissenschaftliche und Dokumentarfilme, u. a. irn Auftrage des

471 Filmausschusses der Ministerien, hergestellt. Die einheimischen privaten Filmproduzenten unterstützt der Staat, indem er ihnen 25 Prozent der auf ihren Filmen vereinnahmten Lustbarkeitssteuern als Subventionen ausschüttet und ihnen die von ihren Theatern geschuldete Abgabe an den Filmforids erlässt. Seit Kriegsende sind in Dänemark gegen 50 Spielfilme hergestellt worden. Auf den ausländischen Spielfilmen (jährliche Einfuhr 250-300 Filme) ist ein Zoll von 10 Prozent ad valorem und von 30 Kronen per Kilogramm zu entrichten.

Als filmpolitisches Charakteristikum Norwegens erscheint die hohe Quote kommunalen Eigentums an den rund 400 Kinotheatern. Die Gemeinden besitzen heute rund 50 Prozent des Theaterparks. Die Gewinne der gemeindeeigenen Theater und die gemeindlichen Vergnügungssteuern auf den privaten Theatern bilden eine nicht zu unterschätzende Fiskalquelle, die beispielsweise der Stadt Oslo die Mittel für ihre kulturellen, vor allem dramatisch-musikalischen Veranstaltungen liefert. Einer staatlichen Filmzentrale obliegen ungefähr dieselben Aufgaben wieder gleichnamigen dänischen Anstalt. Der Staat ermuntert die nationale Filmproduktion trotz geringerer Bevölkerungszahl als in Dänemark werden jedes Jahr mehrere Spielfilme gedreht - einerseits durch Vergünstigungen auf seiner Vergnügungssteuer, anderseits durch Kredite und Beiträge aus einem von der Staatskasse alimentierten Filmfonds (Statens Filmfonds) auf Empfehlung des Filmrates (Statens Filmrad).

Ohne besondere administrative Organe - das einzige auf den Film spezialisierte Staatsorgan ist die ähnlich wie in Norwegen zentralisierte Zensur (Statens Biografbyra) - subventioniert auch Schweden seit 1951 seine Spielfilmproduktionsindustrie, und zwar im Umfang von 20 Prozent des Staatsanteils der Vergnügungssteuer auf den Filmvorführungen mit nationalem Programm. Die ausserordentlich starke Kinodichte - rund 2500 Theater mit rund 650 000 Plätzen bei einer Bevölkerung von 7,1 Millionen Seelen - rief zwangsläufig einer Beschränkung der Kinoneubauten. Diese nahm nicht die Form einer staatlichen Bewilligungspflicht an, sondern eines Kartells der Mer rein privaten Filmwirtschaft nach Art des schweizerischen Interessen Vertrages unter Mitwirkung der rund 450 «genossenschaftlichen» Theater und der Produktionsindustrie, deren Konzerne ähnlich den
englischen auch Verleih- und Theaterbetriebe umfassen.

Hauptaufgabe des National film board in Kanada ist die Herstellung von Kurzfilmen im öffentlichen Interesse, meistens im Auftrage der Zentral- und Provinzverwaltungen. Dieses Filmamt verbreitet seine Filme über ein Netz von Provinzialund Lokalagenturen planmässig auf dem nichtkommerziellen «Markt» ausserhalb der Kinotheater. Es arbeitet mit dem Canadian film Institute zusammen, einer gemeinnützigen privaten Körperschaft, welche die filmkulturellen Bemühungen des Staates nach der internationalen Seite hin ergänzt. Die Filmpolizei ist Sache der Provinzen.

In Österreich sind die Gesetzgebungskompetenzen so ausgeschieden, dass der Bund im Bereiche des Filmwesens- ein offenbares Übergewicht über die Länder hat.

Diesen verbleibt im wesentlichen die Filmpolizei, die sie in Lichtspielgesetzen regeln.

Wie die Länder das Kinogewerbe, so hat der Bund das Produktions- und das Verleihgewerbe als konzessionspflichtig erklärt. Die Konzession wird vom Bundesministerium für Handel in Würdigung der Fähigkeit des Bewerbers, der Wettbewerbsverhältnisse und - beim Verleihgewerbe - des Bedürfnisses erteilt. Die Fachverbände «Filmindustrie» und «Lichtspieltheater» der Bundeshandelskammer und die entsprechenden Fachgruppen der Landeshandelskammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Zwangsmitgliedschaft. Sie wahren die Interessen der Filmwirtschaft gegenüber dem Staat, ohne dass dieser sie bisher mit administrativen Obliegenheiten betraut hätte, wie e? nach dem Gesetze möglich wäre. Der allgemeine Exportförderungsfonds des Bundes garantiert bis zu einem gewissen Grade auch Filmkredite. Das Filmgewerbe wird mit einer Sonderabgabe auf dem Umsatz (10-30 Groschen je Ein-

472 trittskarte) besteuert. Bund und Länder teilen sich im Verhältnis l : 8 in den Ertrag dieses sogenannten Kulturgroschens. Unter den kulturellen Zwecken, für deren Förderung der Kulturgroschen verwendet werden darf, anerkennt die Praxis auch die Dokumentarfilmproduktion. Über die Verwendung der Gelder im einzelnen entscheidet das Bundesministerium für Unterricht auf Antrag eines Beirats. Viele filmkulturelle Massnahmen verdanken im übrigen ihr Dasein den ausgedehnten schulrechtlichen Kompetenzen des Bundes, dessen Hauptstelle für Lichtbild und Bildungsfilm im Unterrichtsministerium mit sieben Landes- und 92 Bezirkabildstellen eine Pflanzstätte staatlicher Filmpolitik ist.

In Westdeutschland vollzog sich nach Ende des zweiten Weltkrieges eine radikale Abkehr von der staatsmonopolistischen Entwicklung, die sich 1983 mit der Errichtung der Reichsfilmkammer angebahnt hatte. Die heutige Bundesrepublik neigt dazu, die Gesetzgebung über die Filmwirtschaft in den Händen des Bundes zu konzentrieren, während die Kulturpolitik ein Reservat der Länder sein soll, die sogar mit ausländischen Staaten selbständig Kulturabkommen abschliessen können. Der Bund hat nach der Verfassung allerdings die «konkurrierende» Befugnis, Rahmenvorschriften u. a. über die «allgemeinen Rechtsverhältnisse des Films» zu erlassen. Einzige staatliche Produktionsförderungsmassnahme sind die Vergnügungssteuervergünstigungen der Länder zugunsten sogenannter prädikatisierter, d. h. als wertvoll oder besonders wertvoll empfohlener Filme. Diese Prädidakte werden durch eine öffentlich-rechtliche, aus einem «Konkordat» zwischen den Länderverwaltungen hervorgegangene gemeinsame Filmbewertungsstelle der Länder in Wiesbaden verliehen. Daneben besteht die ebenfalls in Wiesbaden domizilierte Freiwillige Filmselbstkontrolle, ein Organ der «Spitzenorganisation» (e.V.), des filmwirtschaftüchen Dachverbandes, das nach dem Muster des «British board of film censors» und des amerikanischen «Hays-office» die fehlende staatliche Filmprüfung zu ersetzen versucht. Statutengemäss gehören den Organisationen der Filmselbstkontrolle zur Hälfte Vertreter des Bundes, der Länder, der Kirche und des Bundesjugendrings an.

Die Filmpolitik Hollands, wo es an staatlichen filmpolitischen Massnahmen einzig die zentral ausgeübte Zensur und bescheidene Subventionen zu
filmkulturellen Zwecken gibt, empfängt ihr Gepräge aus einem straffen, die ganze Filmwirtschaft umfassenden privaten Kartell mit eigenen Schiedsgerichten, dem «Filmbund» (Nederlandsche Bioscoop-Bond). Immerhin leiht dieser auch filmkulturellen Bestrebungen ein williges Ohr. So verpflichtet er die Kinotheater, jährlich mindestens 12 von ihm ausgelesene holländische Dokumentarfilme je eine Woche lang neben der nationalen Wochenschau in den ordentlichen Programmen zu zeigen. Die Filmeinfuhr ist kontingentiert.

Die Vereinigten Staaten von Amerika kennen kein eigentliches Filmsonderrecht. Das Staatsdepartement ist natürlich berechtigt, der «Motion picture export association» der amerikanischen Produzentenschaft im Kampfe um die ausländischen Filmmärkte nötigenfalls diplomatische Hilfe angedeihen zu lassen und durch seine «Division of international motion pictures» die Auslandszentrale des «U. S. information service» mit ausgewählten Kurzfilmen zu beliefern, die jene Abteilung teilweise selbst herstellt. Sodann muss sich die Filmwirtschaft den allgemeinen Antitrustgesetzen beugen. Eine filmwirtschaftliohe Machtzusammenballung kann unter Umständen gezwungen werden, Beteiligungen abzustossen und sich auf ein vernünftiges Mass zurückzubilden. Blind- und Blockbuchen sind von vorneherein als rechtswidrige Hinderung des Wettbewerbes (restraint of trade) analog gewissen Kartellabreden verpönt. - Eine Institution, deren Bedeutung über diejenige der «Freiwilligen Filmselbstkontrolle» in Westdeutschland weit hinausgeht, stellt das sogenannte Hays-Office dar, so genannt nach dem Senator Will H. Hays (Kabinett Harding). Die «League of decency», eine mächtige Organisation amerikanischer Katholiken, gab schon früh Filmbewertungen heraus, die stark respektiert

473 wurden und deshalb, bei-ablehnendem oder kritischem Befund, bei den betroffenen Filmen eine empfindliche wirtschaftliche Einbusse bewirkten. Das ging so weit, dassdie amerikanischen Pilmproduzenten genötigt waren, sich den Kriterien der «League of decency» anzupassen. Im Jahre 1922 traten deshalb die Filmgewaltigen Zukor, Fox, Goldwyn, Selznick und Laemmle an Senator Hays und offerierten ihm 100 000 Dollars im Jahr für ein Bureau, das - als freiwillige Zensurstelle - Filmstoffe, Drehbücher, Filmpläne usw. vor deren Realisierung zu überprüfen hätte. In der Folge bewährte sich diese Zensurstelle, die ursprünglich lediglich für eine Probedauer von drei Jahren gedacht war. Hays selbst stand ihr bis 1945 vor. Auf Grund dieser freiwilligen Selbstzensur der Filmproduzenten stellte sich in den Staaten das Zensurproblem kaum.

Dadurch, dass nach dem zweiten Weltkrieg der europäische Film in den Vereinigten Staaten FUSS zu fassen begann, traten gewisse Änderungen auch auf dem Gebiete der Filmzensur ein. - Gliedstaaten und Gemeinden, die in Schulsachen zuständig sind, lassen sich den Schulfilm vieles kosten.

Ein ausführlicher, zugleich mit Quellenangaben versehener Bericht über die Filmgesetzgebung ausländischer Staaten wird Ihren vorberatenden Kommissionen zur Verfügung gehalten.

V. Das geltende Recht in der Schweiz l. Filmscmderrecht a. Kantone Als Rechtsquelle des Filmsonderrechts kommen in erster Linie kantonale Erlasse in Frage. Diese betreffen die Filmpolizei, das heisst die Abwehr der dem Film innewohnenden gröbsten psychischen und physischen Gefahren.

Alle Kantone besitzen heute solche Erlasse. Sie stammen vereinzelt aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Ihre Form wechselt von Kanton zu Kanton. Die einzelnen sicherheits-, bau- und feuerpolizeilichen Beschränkungen werden als Bedingungen begriffen, an welche die gebührenpflichtige Bewilligung (Konzession, Patent) für die Ausübung des Kino- bzw. (an vier Orten) des Verleihgewerbes geknüpft ist. Bedingungen, die in der Person des Betriebsinhabers erfüllt sein müssen, gehen wegen der Handels- und Gewerbefreiheit nirgends bis zum eigentlichen, gewerbepolitischen Fähigkeitsausweis.

Nach den für die Filmzensur massgebenden Kriterien des kantonalen Rechts ist im allgemeinen die Vorführung unsittlicher, verrohender oder anstössiger Filme verboten. Einige Kantone betonen ausdrücklich, dass zu den anstössigen Filmen auch solche zählen, die das religiöse Empfinden verletzen.

Herrschendes Zensursystem ist - jedenfalls in der Praxis - die Nachzensur, genauer die Anmeldung des Films durch den Theaterinhaber in Verbindung mit nachträglicher oder ausnahmsweise vorgängiger, fakultativer Besichtigung durch die Zensurbehörde. Als solche wird ungefähr in der Hälfte der Kantone ein zentrales, fast stets nebenamtlich tätiges Kollegialorgan bezeichnet, während in den andern die Gemeinden, teilweise unter Mitwirkung einer kantonalen Behörde, die Zensur besorgen. Diese Zensur erstreckt sich auch auf die Filmreklame, das heisst die Reklame für den Film: Über die blosse Zensur hinaus Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

33

474

weist der Filmjugendschutz. Dieser besteht im wesentlichen darin, dass Jugendlichen unter einem gewissen Alter der Besuch von Filmvorstellungen untersagt wird, es sei denn, diese seien als Jugendvorstellungen mit einem pädagogisch einwandfreien, von der Schulbehörde genehmigten Programm ausgestaltet. Das Schutzalter beträgt in der überwiegenden Anzahl der Kantone 16, in den übrigen 18 Jahre.

Im einzelnen ebenfalls nicht leicht zu überblicken sind die Vorschriften des kantonalen Schulrechts über die Verwendung des Films in der Schule. Die Schulverwaltungen der Kantone Basel-Stadt und St. Gallen und der Stadt Zürich verfügen über verwaltungseigene Filmämter. Die Schulen der übrigen Kantone können sich einer der beiden privatrechtlich organisierten Schulfilmzentralen in Bern oder Zürich anschliessen. Diese bilden zusammen mit den staatlichen Filmstellen die Vereinigung schweizerischer Unterrichtsfilmstellen (VESU), ein Dachorgan, das seinerseits mit der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren zusammenarbeitet.

fr. Bund Während das Filmsonderrecht der Kantone überwiegend polizeiliche und in sehr geringem Umfang kulturpolitische Zwecke verfolgt, haben die Erlasse des Bundes, die als Filmsonderrecht betrachtet werden können, überwiegend k u l t u r - und wirtschaftspolitische Ziele im Auge. Sie stammen alle aus der Zeit unmittelbar vor und nach Beginn des zweiten Weltkrieges. Ihre Reihe eröffnet der Bundesbeschluss vom 28. April 1938 über die Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer 1), die, wie es in Artikel l, Absatz 2, heisst, «auf eine planmässige Zusammenarbeit der am schweizerischen Filmwesen beteiligten oder interessierten Kreise im Sinne des geistigen, kulturellen,politischen und wirtschaftlichen Landesinteresses hinwirken» und «den zuständigen Behörden als beratendes und antragstellendes Fachorgan zur Seite stehen» soll.

Es handelt sich um eine laut Organisationsreglement vom 24.Mai 1949/28.Dezember 1950/18. August 1955 2) insgesamt 27 Mitglieder zählende Expertenkommission des Departements des Innern.

Als sich unter der Oberfläche einer verheerenden Filmschwemme gewisse Bestrebungen abzeichneten, die einheimische Filmwirtschaft, namentlich den Verleih, stärker in den Händen ausländischer Filmkonzerne zu konzentrieren, was eine Staats-, kultur-. und wirtschaftspolitisch gleichermassen
unerfreuliche Überfremdung dieses Gewerbezweiges, eine entsprechende Einseitigkeit in der Herkunft der Filme und deren Qualitätseinbusse bewirkt hätte, mussten zum Schütze des unabhängigen Verleihgewerbes die gesamte Filmeinfuhr der Bewilligungspflicht im Sinne einer Überwachung unterworfen und die Einfuhr von Spielfilmen k o n t i n g e n t i e r t werden. Die bezüglichen'Erlasse, nämlich der Bundesratsbeschluss Nr. 54 vom 26. September 1938 über die Beschränkung *) BS 4, 238.

*) AS .1949, 485; 1950,1527; 1955, 775.

475 der Einfuhr l ) und zwei zugehörige Verfügungen 2 ) des Departements deslnnern, stützen sich auf den noch bis 31. Dezember 1956 geltenden Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1938/22. Juni 1939 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland 3) und damit letzten Endes auf die Zollartikel der Bundesverfassung.

Am I.August 1940 begann die Schweizer Filmwochenschau, als Instrument der geistigen Landverteidigung ihr Erscheinen, nachdem durch Bundesratsbeschluss vom 16. April 1940 4), später ergänzt durch Bundesratsbeschluss vom 12.März 19435), die beide auf den ausserordentlichen Vollmachten beruhten, ihre Vorführung in allen Lichtspieltheatern des Landes obligatorisch erklärt worden war. Trägerin des Wochenschauunternehmens ist eine vom Bund am 14. Januar 1942 ins Leben gerufene privatrechtliche Stiftung mit Sitz in Genf. Das staatliche Vorführobligatorium ist im Zuge des Abbaues der Vollmachten durch Bundesratsbeschluss vom 28. Oktober 19456) auf Ende 1945 aufgehoben und teilweise durch ein Verbandsobligatorium abgelöst worden, das der Schweizerische Lichtspieltheaterverband deutsche und italienische Schweiz zulasten seiner Mitglieder beschloss, während in der französischen Schweiz fortan völlige Freiwilligkeit herrschte. Unter diesen Bedingungen vermochten die Abonnementsgebühren noch weniger als früher die Herstellungskosten zu decken. Die Zuschüsse des Bundes sind mit Bundesbeschluss vom 11. Juni 19527) auf 300 000 Franken jährlich festgesetzt worden.

2. Allgemeines Recht Wenn man sich fragt, ob und wie weit das Filmsonderrecht im Eahmen der geltenden Bundesverfassung ausbaufähig ist, so empfiehlt es sich, zuerst die ungeschriebenen kulturellen Bundeskompetehzen zu streifen. Dieses Verf assungsgewohnhei t sr echt, bestätigt in derFinanzbotschaft vom 22. Januar 1948 8), in der Botschaft über die Filmwochenschau vom S.Dezember 195l9) und in der Sparbotschaf t vom 19.Mai 195310), ermächtigt nach Praxis und Lehre den Bund nur zu f i n a n z i e l l e n Leistungen, die manchmal, wie der Beitrag an die Filmwochenschau, nicht bloss budgetmässig gewährt, sondern in einem Bundesbeschluss verankert werden.

Unter den Normen der geschriebenen Verfassung ist zunächst an Artikel 8 B V zu erinnern. Er räumt dem Bund die primäre Kompetenz ein, Staatsverträge abzuschliessen, die, wenn sie rechtsetzender Art, einmal ratifiziert und in der Gesetzessammlung publiziert sind, im Bange Bundesgesetzen gleichstehen.

*) BS 4, 239.

2

) ) ) 8 ) 6 ) ') 8 ) ") 1°) 3

4

BS 4, 242; AS 1952, 206.

BS 10, 539; AS 1951, 913; (1954,1313).

AS 1940, 360.

AS 1943, 208.

AS 1945, 903.

BB1 1952, II, 391.

BEI 1948, I, 592.

BEI 1951, III, 982.

BB1 1953, II, 492/493.

476 Dieses Völkerrecht hat für unser Land filmpolitisch verhältnismässig geringe Bedeutung, zumal wir langfristige und umfassende bilaterale Kulturabkommen, ob sie sich auf den Filmaustausch erstrecken oder nicht, aus grundsätzlichen Erwägungen stets glaubten ablehnen zu müssen. Höchstens die internationale Vereinbarung vom 25. September 1952 über die Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters 1), ein unter der Ägide der UNESCO geschaffenes multilaterales Kulturabkommen, dem auch die Schweiz angehört, ist filmpolitisch insofern erheblich, als darnach auch gewisse Kategorien von Filmen zoll- und gebührenfrei sind.

Der hin und wieder erörterte Gedanke, an die in A r t i k e l 27Ms B V verankerten Primarschulsubventionen zwecks vermehrter Förderung des Schulfilms gewisse Bedingungen zu knüpfen, bedürfte zu seiner Verwirklichung einer entsprechenden Novelle zu Artikel 6 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1953 über die Unterstützung der öffentlichen Primarschule 2).

Bessere Anhaltspunkte bieten die Zollartikel, Artikel 28/29 BV. Die Bolle der Filmzölle und zollähnlichen Einfuhrgebühren als einer Finanzquelle, die der Bund unter Vorbehalt jener Verfassungsbestimmungen, des Völkerrechts und der handelspolitischen Bücksichten filmpolitisch ausnützen kann, darf nicht unterschätzt werden. Die filmpolitischen Massnahmen, deren Finanzierung die höhere f i s k a l i s c h e Belastung der Filmeinfuhr in erster Linie dienen würde, könnten hingegen selbst nicht etwa auf Artikel 29, A b s a t z 8, BV abgestützt werden. Mit den besonderen Massnahmen, die der Bund nach dieser Bestimmung unter ausserordentlichen Umständen vorübergehend, nötigenfalls abweichend von der Handels- und Gewerbefreiheit treffen kann, sind nach herrschender Lehre die auf Abwehr einer illiberalen fremden Handelspolitik gerichteten sogenannten kompensatorischen Beschränkungen des Waren- und Zahlungsverkehrs, vom Schutzzoll bis zur Kontingentierung, gemeint. Binnenwirtschaftliche Massregeln gehören nicht dazu. Gerade als solche würden sich aber filmpolitische Massnahmen, wenn und soweit sie auch wirtschaftliche Zwecke verfolgen, meistens darstellen. Die verfassungsrechtliche Basis der in Abschnitt l b hiervor erwähnten Filmeinfuhrüberwachung und der den Schutz des unabhängigen einheimischen Verleihgewerbes
bezweckenden Spielfilmeinfuhrkontingentierung muss daher als schmal bezeichnet werden.

Daraus machen die Botschaften vom 9.Februar 1951 und 18. August 1954 zu den beiden letzten Verlängerungen der Geltungsdauer dieses Bundesbeschlusses 3) kein Hehl.

Als Eechtsgrundlage für filmpolitische Massnahmen mit wirtschaftlichem Einschlag nicht schlecht geeignet erscheinen auf den ersten Blick die Wirts c h a f t s a r t i k e l . So wäre der Bund kraft A r t i k e l 31Ws, A b s a t z 2 ,BV unter anderem theoretisch befugt, die Gesetzgebung über die Filmpolizei, ein Stück Gewerbepolizei, die heute in den Händen der Kantone liegt, selbst an die Hand !

) AS 1953, 461.

2 ) AS 1953, 948.

3 3 ) ) BEI 1951 I 416-418, 1954 I 286 ff.

477

zu nehmen. Es Messe jedoch dem Sinne der Verfassung Gewalt antun, wenn aus den Wirtschaftsartikeln die Befugnis zu Massnahmen abgeleitet würde, deren entscheidende Zwecke im Überwirtschaftlichen haften. Die Zwecke spezifisch filmpolitischer Massnahmen, die sich nicht .in gewerbepolizeilicher Abwehr erschöpfen, sondern in der Überzeugung von der Notwendigkeit weiter-gehender Vorkehrungen wurzeln, bewegen sich auf k u l t u r - und staatspolitischer Ebene. Hier wollen die Wirtschaftsartikel nicht passen. Es wäre daher unbefriediegend, die künftigen Massnahmen zur Förderung der Filmproduktion oder die geltende Überwachung der Filmeinfuhr auf Artikel Sl1*18, A b s a t z 2, eine künftige Bewilligungspflicht für die Eröffnung neuer Kinobetriebe oder die geltende Spielfilmeinfuhrkontingentierung auf Artikel SI*518, A b s a t z 3, lit. a, BV abzustützen, abgesehen davon, dass der für solche Eingriffe in die Handels- und Gewerbefreiheit erforderliche Nachweis der Existenzgefährdung der begünstigten Gewerbezweige schwer zu erbringen wäre.

Die Heranziehung von A r t i k e l 31Ms, Absatz 3, lit. (i, B V, um die Auswüchse des Kartells der Filmwirtschaftsverbände zu bekämpfen, würde dieselben verfassungsrechtlichen Zweifel heraufbeschwören. An dieser Schwierigkeit kranken letztlich auch die Bemühungen, die Filmschaffenden den auf Grund von A r t i k e l 34ter, A b s a t z l, lit. g , BV erlassenen Vorschriften des Bundes über die berufliche Ausbildung in Industrie, Gewerbe, Handel, Landwirtschaft und Hausdienst zu unterwerfen und zu ihren Gunsten beispielsweise Stipendien im Sinne von Artikel 50, lit. d , des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1930 ^ über die berufliche Ausbildung flüssig zu machen. Diese Vorschriften sind auf künstlerisches Personal, zu dem die Filmschaffenden überwiegend zählen, von vorneherein nicht anwendbar.

In diesem Zusammenhang nicht zu vergessen ist sodann die Kompetenz des Bundes zur S t e u e r r e t o r s i o n gegenüber dem Ausland nach Artikel 6, ht. a, des BB vom 29. September 1950 über die Finanzordnung 1951 bis 1954 2).

Sollte diese oder eine ähnliche Bestimmung im Verlaufe der B u n d e s f i n a n z r e f o r m den neuen Finanzartikeln der Bundesverfassung einverleibt werden, so würden sich, bei der Diskrepanz zwischen der zuweilen harten Besteuerung der aus der Auswertung
schweizerischer Filme im Ausland anfallenden Lizenzen durch ausländische Staaten einerseits und der relativ milden schweizerischen Besteuerung der aus der Auswertung ausländischer Filme in der Schweiz anfallenden Lizenzen anderseits, interessante Perspektiven für eine Sondersteuer auf den ins Ausland fliessenden Filmlizenzen eröffnen. (Vorbehalten bleiben müssten die Doppelbesteuerungsabkommen.) Übrigens könnte die Umsatzsteuer auf der Wareneinfuhr bis zu einem gewissen Grade als solche «Lizenzsteuer» ausgestaltet werden, wenn als steuerpflichtiger Wert eines Films stets die Summe der tatsächlich geschuldeten Lizenzen veranschlagt würde. Es würde sich um die Verallgemeinerung einer schon im geltenden Becht - Artikel 49 WUStB, in Verbindung mit Artikel 3 der Verfügung Nr. l des Finanz- und Zolldepartements !) B S 4, 48.

2 ) AS 1950, 1465.

478

über die Warenumsatzsteuer vom S.August 19521) - vorgesehenen Methode handeln.

Die Garantie der Pressefreiheit (Art. 55 BV) erstreckt sich auch auf die Fi Im kr i t i k in der Presse, soweit diese ihres Namens würdig und nicht zur blossen Textreklame erniedrigt ist. Aber sie gewährleistet das Eecht auf freie Filmkritik nur gegenüber rechtswidrigen Eingriffen des Staates. Aktueller wäre die Gewährleistung gegenüber offenen und versteckten Beeinträchtigungen durch die private Filmwirtschaft, denen leider, wie das Bundesgericht in einem krassen Falle neulich geurteilt hat 2 ), unter dem heutigen Bundesrecht kaum abzuhelfen ist. Wir verweisen auf die Ausführungen zum Postulat Huber betreffend Film und Presse in Kapitel IX, Abschnitt 4 &.

An sich birgt die dem Bund in Artikel 64 .BV eingeräumte Kompetenz, auf dem Felde des materiellen Privatrechts zu legiferieren, gewisse Möglichkeiten, Filmpolitik zu treiben. Das gilt in erster Linie für das Filmurheberrecht. Es ist denn auch zu erwarten, dass eine künftige Totalrevision des Bundesgesetzes vom T.Dezember 1922/24. Juni 1955 über das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst 3 ) den Filmwerken vertiefte Aufmerksamkeit schenken wird. Gerade in diesem Punkte sind die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes veraltet, wie wir im Zusammenhang mit dessen Anpassung an die 1948 in Brüssel revidierte Berner Übereinkunft vom 9. September 1886 festgestellt haben 4 ). Auf dem Boden des Privatrechtes würde ein filmpolitisches Problem ferner dann gelöst, wenn die Sanktion eines Verbotes - man hat dabei vor allem das Blind- und Blockbuchen im Auge - in der Nichtigkeit des ihm zuwiderlaufenden Eechtsgeschäftes bestände, ohne dass seine Beobachtung verwaltungsrechtlich oder, strafrechtlich erzwungen werden sollte. (Strafrechtliche Sanktionen dürfte der Bund übrigens auf Grund von A r t i k e l 64bls BV androhen.) Leichtere zivilrechtliche Behelfe gegen Kartelle und andere wettbewerbshindernde Abreden, wie sie den Verfechtern der freien Marktwirtschaft vorschweben, wären hingegen kaum spezifisch auf den Film gemünzt, würden jedoch vermutlich auch von den film wirtschaftlichen Aussenseitern, die bisher auf die Boykottklage aus Artikel 28 ZGB und Artikel 41 OE angewiesen waren, als Fortschritt begrüsst, anstatt oder neben öffentlich-rechtlichen Vorkehren aus Artikel
31bis, Absatz 3, lit. d, BV.

Aus der Planung und Vollziehung filmpolitischer Erlasse nicht wegzudenken sind permanente Expertenkommissionen, welche wir nach Artikel 104 BV bestellen können. Eine solche Expertenkommission ist die Filmkammer.

Die Tatsache, dass Artikel 104 B V nur von Expertenkommissionen spricht, schliesst nicht aus, der Filmkammer in Erlassen, die sich auf andere Verfassungsbestimmungen stützen, zusätzlich zu den begutachtenden Befugnissen noch Entscheidungsbefugnisse zu übertragen.

1 ) 2 ) 3

AS 7952, 604.

BGE 80 II 29 ff i. S. Seelig c. Studio 4 AG.

) BS 2, 817; AS 1955, 855.

«) BEI 1954, II, 646.

479 VI. Notwendigkeit der Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für gesetzliche Massnahmen des Bundes auf dem Gebiete des Filmwesens 1. An der Bedeutung, die dem Phänomen «Film» im modernen Leben zukommt, kann nicht mehr gezweifelt werden. Ob der Film eine Kunst im vollen Sinne des .Wortes sei, das zu prüfen und zu entscheiden ist hier nicht der Ort.

Tatsache ist, dass er in seinen bedeutendsten Leistungen eine hohe künstlerische Stufe erreicht hat und entsprechenden Ansprüchen gerecht zu werden vermag.

Seine mechanische Komponente und die darin liegenden Möglichkeiten der spekulativen Ausbeutung führen allerdings leicht zu einer Entfremdung gegenüber der Kunst. Ausschlaggebend ist in unserm Zusammenhang aber der Umstand, dass der Film durch seine spezifischen Gestaltungs- und Ausdrucksmöglichkeiten den Bedürfnissen des modernen Menschen in besonderer Weise entgegenkommt. Daraus erklärt sich ohne weiteres die ungewöhnliche Ausbreitung des Filmwesens in den vergangenen Jahrzehnten. Diese Verbreitung liest sich am deutlichsten aus der Kinostatistik ab. Seit 1937, das heisst dem Jahr des Erscheinens unserer Botschaft an Ihre Behörde über die Schaffung einer Schweizerischen. Filmkammer, ist die Zahl der Kinos in der Schweiz trotz den verbandsrechtlichen Schranken erneut beträchtlich gestiegen, nämlich von 355 auf 553 (Ende 1955), wodurch die Zahl der Sitzplätze eine Erhöhung von 132 000 auf rund 196 600 erfahren hat. Betrug die Zahl der Kinoplätze, bezogen auf 1000 Einwohner unseres Landes, im Jahre 1937 schätzungsweise durchschnittlich noch 30, so ist sie inzwischen auf 39 angewachsen ; für die einzelnen Kantone schwankt sie heute zwischen 12 (Kanton Appenzell IR) und 73 (Kanton Neuenburg), für die grösseren Städte zwischen 40 (Bern) und 87 (La Chaux-de-Fonds). Die Zahl der jährlichen Kinobesuche in der Schweiz dürfte auf gegen 35 Millionen zu schätzen sein, was pro Tag ungefähr 100 000 Besuche ausmacht. Die gesamten Billetteinnahmen der Kinos betragen nach Angabe des Schweizerischen Lichtspieltheaterverbandes bzw. der SUISA ungefähr 75 Millionen Franken im Jahr (Billettsteuer nicht inbegriffen). Nach Schätzungen des genannten Berufsverbandes wären im Kinogewerbe unseres Landes Kapitalien im Totalbetrag von gegen 300 Millionen Franken investiert. - Geben solche Zahlen zunächst auch nur
das äussere Bild wieder, so kann aus ihnen doch die Bedeutung abgeleitet werden, die das Filmwesen im täglichen Leben auch unseres Landes erreicht hat.

Die starke Vertretung der wirtschaftlich und sozial weniger gehobenen Stände im Kinopublikum und die Tatsache, dass das Kino eine besondere Anziehungskraft auf junge Menschen ausübt, sind ein Grund mehr, den Film nicht als quantité négligeable zu behandeln. Desgleichen wäre es inkonsequent, sich gegenüber dem Film deshalb als desinteressiert zu erklären, weil der Kinobesuch für viele Menschen zu einer Art Flucht vor der Wirklichkeit geworden ist und bisweilen sogar zur Kinohörigkeit ausartet. Solche Erscheinungen sprechen nicht gegen, sondern für eine sorgfältige Beschäftigung mit den Problemen des Filmwesens. Der Film muss heute durchaus ernst genommen werden. Es unter-

480

liegt im übrigen keinem Zweifel, dass die Leistungen der Filmproduktion einer ständigen Vertiefung fähig sind. Auch in den letzten Jahren hat sich erwiesen, dass der Film nicht nur als Mittel der Information und Belehrung sowie einer gesunden Entspannung und Erholung (Unterhaltungsfilm), sondern auch als Vermittler innerer Erhebung und läuternder Erschütterung wesentliche Aufgaben zu erfüllen berufen ist.

2. Es ist nun von vornherein klar, dass der Staat sich nicht mit allen Fragen und Bezirken des Filmwesens zu befassen hat. Zahlreiche Gebiete können und müssen ohne weiteres der Privatinitiative und dem schöpferischen Impuls der Filmschaffenden überlassen werden. Dass staatliche Instanzen auf dem Gebiete des Films innerhalb bestimmter Grenzen aber doch zum Eechten zu sehen haben, ergibt sich aus der Eigenart der Materie. Dabei fallen folgende Merkmale ins Gewicht : 'a. Durch seine technische Beschaffenheit und die Bedingungen seiner Vorführung übt der Film eine ungemein intensive psychologische und soziologische Wirkung auf den Menschen aus, eine Wirkung, die sozusagen für jeden Zweck gebraucht und missbraucht werden kann.

b. Dem Film haftet infolge des mit dem einschlägigen Geschäft verbundenen Unsicherheitsfaktors ausgesprochen spekulativer Charakter an, was sich im Bestreben nach Abwälzung bzw. Verminderung des Eisikos und in allen wirtschaftlichen und kulturellen Folgen dieses Sachverhalts äussert.

c. Die internationale V e r f l e c h t u n g des Filmwesens, beruhend einerseits auf der Abhängigkeit des Verleih- und des Kinogewerbes von der Filmproduktion des Auslandes, anderseits auf der Abhängigkeit der eigenen Filmproduktion von den Möglichkeiten des. Vertriebes im Ausland, schafft Zusammenhänge und Probleme, die in manchem unmittelbar an staatspolitische Inteessen heranreichen.

Die Wirksamkeit dieser drei Faktoren wird heute noch gesteigert durch die Entwicklung des sogenannten dreidimensionalen Films mit seinen psychologischen und wirtschaftlichen Aspekten sowie durch die Ausbreitung des naturgemäss mit dem Film konkurrierenden Fernsehens. Zwischen dem rastlosen Neuerungsstreben auf filmtechnischem Gebiet und dem Umsichgreifen des Fernsehens bestehen übrigens enge Zusammenhänge.

Vergegenwärtigt man sich die unter den Gesichtspunkten des Gemeinwohls sich ergebende Problematik des
Filmwesens und misst man anderseits die Bedeutung zahlloser gesetzlich normierter Materien an derjenigen, die dem Filmwesen für das Wohl und Wehe des einzelnen Bürgers, der Familie, der Gesellschaft und des Staates zukommt, so leuchtet die grundsätzliche Berechtigung staatlicher Massnahmen auf diesem Gebiete ohne Mühe ein. Wir stehen nicht an, von der sozialen N o t w e n d i g k e i t einer F i l m g e s e t z g e b u n g zu sprechen.

3. Man könnte nun zunächst den Standpunkt vertreten, der Film als Erscheinung des kulturellen Lebens sei ausschliesslich der Kompetenzsphäre

481 der Kantone zuzuweisen bzw. dort zu belassen. Die Kantone haben bereits ihre Gesetzgebung über das Kinogewerbe. Sie sollen sie behalten. Darüber hinaus würde noch die eine und andere Frage des Filmwesens eine zweckmässige und sinnvolle Lösung im Eahmen der kantonalen Bechtsordnung finden. Auf der andern Seite darf aber nicht übersehen werden, dass der Film nicht nur dem kulturellen Gebiet angehört, sondern auch eine technische und eine wirtschaftliche Seite aufweist. Die aus seiner technischen K o m p o n e n t e und seiner internationalen V e r f l e c h t u n g sich ergebenden Tatsachen und Tendenzen schaffen eine ganze Eeihe gesetzgeberischer und verwaltungsrechtlicher Probleme, die über die naturgegebenen Wirkungsmöglichkeiten des kantonalen Gemeinwesens hinausgreifen. Dabei ist auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass die durch eine straffe Organisation und ein zielbewusstes Vorgehen charakterisierte Filmwirtschaft unseres Landes eine ausgesprochen gesamtschweizerische Struktur besitzt und dass sie gegenüber den Behörden oft geschlossen auftritt, während die am Film k u l t u r e l l interessierten Kreise, gesamthaft betrachtet, ein ziemlich loses Gefüge darstellen, was ein dem Wesen der Sache wenig entsprechendes Kräfteverhältnis zur Folge hat.

Aus dem kulturellen Element des Phänomens «Film» dürfen also keine falschen Schlüsse in gesetzgebungspolitischer Hinsicht gezogen werden. Wenn die Gesetzgebung unserer Kantone im Gegensatz zu derjenigen ausländischer Staaten sich zur Hauptsache stets auf eine gewisse Ordnung des Kinogewerbes beschränkt und sogar innerhalb dieser Sparte nur bestimmte Verhältnisse normiert hat, so liegt die Erklärung dafür eben weitgehend in dem Umstand, dass die Materie einer umfassenden Filmgesetzgebung der Natur der Sache nach den Eahmen der kantonalen Eechtssetzung sprengt. Anderseits dürfte ein vergleichender Blick auf die Bestimmungen des ersten Abschnittes der Bundesverfassung sowie auf die geltende Gesetzgebung des Bundes genügen, um davon zu überzeugen, dass in der Erstrebung einer B u n d e s g e s e t z g e b u n g über das Filmwesen im Prinzip kein Versuch einer ungerechtfertigten Zentralisation erblickt werden kann. Sie haben zu dieser Frage grundsätzlich übrigens bereits im Zusammenhang mit der Behandlung und Verabschiedung unserer Botschaften vom
13. Juli 1937 und vom 19. März 1938 über die Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer in positivem Sinne Stellung genommen, indem die im Bundesbeschluss vom 28.April 1938 vorgesehene S c h a f f u n g einer Schweizerischen Filmkammer unter anderem gerade den Sinn hatte, zwischen den Kantonen und dem Bund die Grenzen einer staatlichen Ordnung und Förderung des schweizerischen Filmwesens abzustecken. In der gleichen Linie liegen die oben in Kapitel III erwähnten Postulate Ihrer Behörde.

4. Aus Kapitel V der vorliegenden Botschaft ergibt sich, dass das geltende Verfassungsrecht und die geltenden Gesetze des Bundes keine hinreichende Grundlage für die als nötig erachteten Massnahmen filmpolitischen Charakters bilden.

Der Bundesbeschluss vom 28. April 1938 über die Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer statuiert ausschliesslich die Einsetzung eines Fachorgans

482

und stellt im Grunde genommen lediglich einen Verwaltungsakt Ihrer Behörde dar. In analoger Weise bildet der Bundesbeschluss vom 11. Juni 1952 betreffend die Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Stiftung «Schweizer Filmwochenschau» einen blossen Finanzerlass. Der Bundesratsbeschluss Nr. 54 über die Beschränkung der Einfuhr vom 26. September 1938 und die darauf sich stützenden Vollziehungserlasse haben ihr rechtliches Fundament im Bundesbeschluss über wirtschaftliche Mässnahmen gegenüber dem Ausland vom 14. Oktober 1983/22. Juni 1939, dessen Geltungsdauer gemäss Bundesbeschluss vom 30. September 1954 Ende 1956 ablaufen wird. Alle übrigen Normen des Bundesrechts, die sich auf das Filmwesen anwenden lassen, bilden Bestandteile von Gesetzen oder Verordnungen allgemeinen Charakters, weshalb sie das Filmwesen nur sekundär und fragmentarisch erfassen.

Was das Verfassungsrecht des Bundes betrifft, so decken die Wirtschafts-: artikel (Art. 31 ff, BV) infolge ihres Gegenstandes und ihrer ratio legis nur den wirtschaftlichen Bereich des Filmwesens, während die Interessen primär staatspolitischer und kultureller Natur unberücksichtigt bleiben. Die Zollartikel der Bundesverfassung (Art. 28/29) endlich erstrecken sich sogar nur auf einen Teil des wirtschaftlichen interessenkomplexes, wobei gerade der filmpolitisch vorwiegend in Betracht fallende binnenwirtschaftliche Bezirk ausserhalb ihrer Eeichweite liegt.

Soll eine der Natur und der Bedeutung des Filmwesens angemessene Filmgesetzgebung auf eidgenössischer Ebene ermöglicht werden, so ist dies also nur gestützt auf einen V e r f a s s u n g s a r t i k e l sui generis möglich.

5. Noch ist das Verhältnis eines Verfassungsartikels über das Filmwesen zur Pressefreiheit einerseits, zu einem Verfassungsartikel über den Bundspruch und das Fernsehen anderseits klarzustellen.

a. Da der Film nicht unter den Begriff der Presse fällt, erstreckt sich die verfassungsrechtlich gewährleistete Pressefreiheit auch nicht auf den Film. Wir haben dies in unserer Botschaft an Ihre Behörde vom 19. Oktober 1951 über die Revision des Artikels 55 der Bundesverfassung (S. 13) ausdrücklich festgestellt.

b. Durch Postulat des Ständerates vom 27. März 1952 sind wir beauftragt worden, Ihnen Bericht und Antrag über eine Eevision des Artikels 36 der Bundesverfassung betreffend
das Post- und Telegraphenregal des Bundes und anschliessend über einen Gesetzesentwurf betreffend Eundspruch und Fernsehen zu unterbreiten. Bei der Behandlung unseres Berichtes an Ihre Behörde vom 13. Januar 1953 über die Ordnung des schweizerischen Eundspruchdienstes haben wir am 22. September 1953 im Nationalrat ein Postulat der Kommission entgegengenommen, das uns einlädt, Ihnen innerhalb einer Frist von vier Jahren Bericht zu erstatten und Antrag zu stellen «über die Schaffung einer besondern Eechtsgrundlage für den schweizerischen Eundspruchdienst und das Fernsehen».

In unserer Botschaft an Sie vom S.März 1955 über die Gestaltung des schweizerischen Fernsehens *) haben wir festgestellt, dass während des Fernseh-UberJ

) BEI 1955, I, 421.

483

brückungsbetriebes, das heisst bis Ende 1957, die Bundesverfassung durch einen Artikel zu ergänzen ist, der dem Bund die umfassende Gesetzgebungshoheit in Eadio- und Fernsehfragen gibt.

Nicht nur aus zeitlichen Gründen, sondern auch aus sachlichen Erwägungen, die mit der Natur der einschlägigen Materien zusammenhängen, erachten wir eine selbständige Behandlung der verfassungsrechtlichen Fundierung einer Bundesgesetzgebung über das Filmwesen als notwendig. Ganz abgesehen von den technischen Verschiedenheiten zwischen -Film einerseits, Bundspruch und Fernsehen anderseits, ergeben sich grundlegende Unterschiede auf rechtlicher Ebene aus der Tatsache, dass dem Bund auf dem Gebiet der elektrischen oder radioelektrischen Zeichen-, Bild- und Lautübertragung ein Eegal zusteht, während das Filmwesen eine durchaus privatwirtschaftliche Domäne darstellt.

Durch das Vorhandensein eines Kegais werden sowohl der Umfang der gesetzgeberischen Möglichkeiten als auch die Beziehungen zu den Benutzern der betreffenden Einrichtungen und Anlagen und das Verhältnis zur Eechtssphäre der Kantone entscheidend beeinflusst. Das schliesst allerdings die Notwendigkeit einer gewissen Harmonisierung der für die getrennt behandelten Materien geltenden bzw. zu erlassenden Eechtsnormen sowie einer gegenseitigen gesetzlichen Grenzbereinigung keineswegs aus. In erhöhtem Grad wird dies für den Fall gelten, dass das Fernsehen sich früher oder später mit den Kinovorführungen verbinden sollte.

Vu. Umfrage bei den Kantonsregierungen und bei den kulturellen und wirtschaftlichen Organisationen des Landes

Auf Grund einer sich über nahezu 20 Jahre erstreckenden Beschäftigung mit den Problemen des Filmwesens hatte unser Departement des Innern bereits vor einiger Zeit den Text zu einem Verfassungsartikel über diese Materie entworfen. Er lautete folgendermassen : «Artikel 27ter 1

Der Bund ist befugt, zum Schütze und zur Förderung eines unabhängigen schweizerischen Filmwesens gesetzliche Bestimmungen zu erlassen und entsprechende Massnahmen zu treffen, insbesondere zur Förderung der schweizerischen Filmproduktion, zur Eegelung der Filmeinfuhr und zur Hebung der Filmkultur.

' 2 Die Eröffnung und der Betrieb neuer Kinosäle kann von der persönlichen Befähigung des Inhabers und vom Bedürfnis abhängig gemacht werden.

3 Die Kinozensur, die Zensur der Kinoreklame, der Jugendschutz, das Unterrichtsfilmwesen sowie der Erläss und die Durchführung bau- und betriebspolizeilicher Bestimmungen und das Bewilligungsverfahren für die Eröffnung neuer Kinosäle fallen in die Zuständigkeit der Kantone.» Dieser erste Vorentwurf war als Textgrundlage für die weitere Behandlung der Angelegenheit gedacht und im Interesse einer umfassenden Abklärung der

484

Dinge absichtlich weit gefasst. Er stellte in seiner Grundstruktur eine Generalkompetenzklausel für den Bund mit speziellen Vorbehalten für die Kantone dar.

Nachdem die Schweizerische Filmkammer als administratives Fachorgan und als Vertretung der öffentlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Interessen im Bereiche des Films sich gutachtlich zum Vorentwurf des Departements des Innern geäussert und sogar eine Ausdehnung der Bewilligungspflicht auf alle drei Sparten des Filmgewerbes (Produktion, Verleih und Vorführung) sowie die Ersetzung des speziellen Kriteriums der Befähigung durch das generelle des öffentlichen Interesses empfohlen hatte, ermächtigten wir das Departement des Innern am l I.März 1955, seinen Vorentwurf den Kantonsregierungen und den wirtschaftlichen und kulturellen Spitzenverbänden mit den nötigen Erläuterungen zur Vernehmlassung zuzustellen. Das Departement leitete die Vorlage in der Folge mit einem Bundschreiben und einem erläuternden Bericht an die Kantonsregierungen und an insgesamt 93 Organisationen (16 Filmorganisationen wirtschaftlicher und kultureller Bichtung, 45 kulturelle Fachorganisationen, 14 gemeinnützige Organisationen und 18 wirtschaftliche Organisationen). Antworten gingen ein von 23 Kantonen und von folgenden 71 Organisationen : Verband schweizerischer Filmproduzenten Filmverleiherverband in der Schweiz Schweizerischer Lichtspieltheaterverband Association cinématographique suisse romande Schweizerischer Filmbund Vereinigung schweizerischer Unterrichtsfilmstellen Schweizer Schul- und Volkskino Schweizer Kulturfilmbund Schweizerischer Protestantischer Film- und Radioverband Schweizerischer Verband zur Förderung der Filmkultur Cinémathèque Suisse Verband schweizerischer Kino-Liegenschaitseigentümer Schweizerischer Schriftstellerverein Schweizerischer Buchhändler- und Verlegerverein Société des libraires et éditeurs de la Suisse romande Schweizerischer Bühnenverlegerverband Gemischte Pressepolitische Kommission Verein der Schweizer Presse Schweizerischer Zeitungsverlegerverband Schweizerische Vereinigung freier Berufsjournalisten Schweizerischer Freisinnig-Demokratischer Presseverband Verein schweizerischer katholischer Publizisten Schweizerischer Tonkünstlerverein Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur Verband schweizerischer Bühnen Gesellschaft schweizerischer
Dramatiker Société romande des auteurs dramatiques, radiophoniques et de cinéma Vereinigung schweizerischer Bühnenschriftsteller Schweizerischer Bühnenkünstlerverband Centre national suisse du théâtre Gesellschaft schweizerischer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen Schweizerischer Werkbund Stiftung Pro Helvetia

485 Schweizerische Geisteswissenschaftliche Gesellschaft Vereinigung schweizerischer Bibliothekare Schweizerischer Verband der Akademikerinnen Schweizerische Zentrale für Hochschulwesen Verein Schweizerischer Gymnasiallehrer Schweizerischer Lehrerverein Schweizerischer Lehrerinnenverein Société pédagogique de la Suisse romande Schweizerischer Katholischer Lehrerverein Verband schweizerischer Erziehungsinstitute und Privatschulen Verband der Schweizerischen Volkshochschulen Schweizerische Rundspruchgesellschaft (Fernsehdienst) Schweizerische Arbeiterbildungszentrale Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund Schweizerischer Katholischer Volksverein Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft Bund schweizerischer Frauenvereine Schweizerischer Gemeinnütziger Frauenverein Schweizerischer Katholischer Frauenbund . Stiftung Pro Juventute Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände Cartel romand d'hygiène sociale Union suisse pour la moralité publique Vereinigung für Rechtsstaat und Individualrechte Schweizerischer Handels- und Industrie-Verein Schweizerischer Gewerbeverband Zentralverband schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen Schweizerische Bankiervereinigung Schweizerischer Bauernverband Schweizerischer Gewerkschaftsbund Nationale Arbeitnehmergemeinschaft Christlichnationaler Gewerkschaftsbund der Schweiz Landesverband freier Schweizer Arbeiter Verband schweizerischer Konsumvereine Migros-Genossenschafts-Bund Schweizerische Zentrale für Verkehrsförderung Schweizerischer Fremdenverkehrsverband SUISA Schweizerische Gesellschaft der Urheber und Verleger

Die Ergebnisse der durchgeführten Konsultation zeigen in den Hauptpunkten, schematisch dargestellt, nachstehendes .Bild.

1. Grundsätzliche Frage betreffend die Notwendigkeit der Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für eine eidgenössische Filmgesetzgebung

Bejahung: Verneinung:

19 Kantone (davon l mit Vorbehalt) 62 Organisationen 3 Kantone (davon 2 mit Bezug auf den heutigen Zeitpunkt) 5 Organisationen

486

2. Allgemeine Stellungnahme zum ersten Vorentwurf des Departements des Innern Vorbehaltlose Zustimmung: 5 Kantone 10 Organisationen Mit Abänderungsvorschlägen: 15 Kantone (davon 2 nur bedingt) 42 Organisationen 8. Generalkompetenzklausel für den Bund mit speziellen Vorbehalten für die Kantone Dafür: 10 Kantone (davon l mit Vorbehalt) 30 Organisationen Dagegen: 9 Kantone 17 Organisationen 4. Eidgenössischer Fähigkeitsausweis als Voraussetzung für die Eröffnung und den Betrieb neuer Kinounternehmungen Dafür: 5 Kantone 11 Organisationen Dagegen: 14 Kantone (wovon 4 unter Hinweis auf die gewerbepolizeilichen Kompetenzen der Kantone) 81 Organisationen 5. Eidgenössische Bedürfnisklausel für die Eröffnung und den Betrieb neuer Kinounternehmen Dafür: 9 Kantone 31 Organisationen Dagegen: 11 Kantone (wovon 4 für kantonale Kompetenz) 12 Organisationen 6. Verhältnis zur Gesetzgebung über den Bundspruch und das Fernsehen 3 Kantone vertreten die Auffassung, dass die verfassungsrechtliche Fundierung einer eidgenössischen Filmgesetzgebung zeitlich mit der entsprechenden Aufgabe hinsichtlich des Bundspruchs und des Fernsehens verbunden werden sollte (l Kanton befürwortet sogar die Ausarbeitung einer einheitlichen Vorlage). Für eine materielle oder wenigstens zeitliche Verbindung treten ebenfalls 5 Organisationen ein, während 2 Organisationen sich entschieden für eine Trennung der Materien aussprechen.

Wir sind uns selbstverständlich bewusst, dass einer rein zahlenmässigen Darstellung, wie sie vorstehend figuriert, sehr relativer Wert zukommt, und dass für eine richtige Würdigung der Ergebnisse der Enquête die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Stellungnahmen berücksichtigt werden müssen. Auch ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die Kantone als auch die konsultierten Organisationen zum Fragenkomplex einer eidgenössischen Filmgesetzgebung zahlreiche interessante und wertvolle Erwägungen, Anregungen und Vorschläge beige-

487

steuert haben. Als wichtige Themen der betreffenden Vernehmlassungen erwähnen wir bloss die Förderung der Filmproduktion und filmkultureller Bestrebungen, den notwendigen Zusammenhang zwischen Filmeinfuhrbeschränkung und Kontrolle der Eröffnung neuer Kinounternehmen, den Grundsatz, wonach gesetzliche Bestimmungen des Bundes über das Filmwesen subsidiären Charakter haben sollen, die Mitwirkung der filmwirtschaftlichen und der interessierten kulturellen Organisationen beim Vollzug der Ausführungsgesetze des Bundes sowie die Notwendigkeit eines rechtlichen Schutzes der Freiheit der Pressekritik öffentlicher Filmvorführungen. Wir müssen es uns aus Baumgründen leider versagen, hier auf das reichhaltige Material der Enquête näher einzugehen. Da uns jedoch daran liegt, dass auch Ihre Behörde Gelegenheit zu genauerer Einblicknahme erhalte, lassen wir Ihren Kommissionen einen vom Departement des Innern verfassten, vervielfältigt vorliegenden umfangreichen Bericht über die eingegangenen Vernehmlassungen zur Verfügung halten.

Aus eigenem Antrieb haben zum Problem einer eidgenössischen Filmgesetzgebung die Interfraktionelle parlamentarische Gruppe für Filmfragen und die Sozialdemokratische Partei der Schweiz Stellung genommen.

Die I n t e r f r a k t i o n e l l e parlamentarische Gruppe für Filmfragen hält eine eidgenössische Filmgesetzgebung für notwendig, hat sich jedoch gegen die Berücksichtigung gewerbepolitischer Gesichtspunkte im Verfassungsartikel ausgesprochen (Sitzungen vom 22. März und 21. Juni 1955).

Die Stellungnahme der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (Eingabe an das Departement des Innern vom 14. Juni 1955) zielt auf einen Kundspruch, Fernsehen und Filmwesen umfassenden einheitlichen Verfassungsartikel, legt den Akzent auf das kultur- und staatspolitische Kriterium und fordert die Einführung der Bewilligungspflicht für die Eröffnung und den Betrieb neuer Lichtspieltheater.

Die ausgiebigen Äusserungen der Schweizerpresse zum ersten Vorentwurf des Departements des Innern ergeben keine wesentliche Änderung an dem aus der Enquête des Departements resultierenden Bild.

Die schweizerischen Presseorganisationen sind selbstverständlich im Eahmen der Enquête des Departements des Innern zu Worte gekommen. Vertreten durch die Gemischte Pressepolitische Kommission, haben sie sich in ihrer gemeinsamen Vernehmlassung vom 14. Juni 1955 unter grundsätzlicher Bejahung der Notwendigkeit einer verfassungsmässigen bundesrechtlichen Ordnung des Filmwesens auf die Darlegung der presserechtlichen, pressepolitischen und pressewirtschaftlichen Gesichtspunkte beschränkt. Mit allem Nachdruck, wenn auch in allgemeiner Form, wird dabei auf die Notwendigkeit hingewiesen, für die Filmkritik.die nötige Freiheit zu gewährleisten und rechtlich zu verankern. «Der Gesetzgeber», so heisst es in der zusammenfassenden Eingabe der Pressepolitischen Kommission, «möge die geeignete Form finden, um eine un-

488

erwünschte Behinderung der freien Filmkritik auszuschliessen. Das öffentliche Interesse erheischt offensichtlich eine solche Ordnung» (ähnlich die konsultierten Theaterorganisationen, während der Schweizerische Filmbund, der Schweizerische Schriftstellerverein, die Stiftung Pro Helvetia, der Schweizerische Lehrerverein, die Schweizerische Arbeiterbildungszentrale, der Schweizerische Katholische Volksverein und der Schweizerische Gewerkschaftsbund ohne weiteres die Aufnahme einer entsprechenden Klausel in einen Filmartikel der Bundesverfassung vorschlagen).

Vni. Ausscheidung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen 1. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen schliesst keinen grundsätzlichen Wertunterschied in sich. Entscheidend ist ganz einfach die Frage, welches Gemeinwesen besser in der Lage ist. die betreffende Aufgabe zu lösen.

Nach sorgfältiger Prüfung des Materials der in Kapitel VII behandelten Enquête hat das Departement des Innern einen neuen, die eingegangenen Vernehmlassungen nach Möglichkeit berücksichtigenden Vorentwurf zu einem Verfassurigsartikel über das Filmwesen ausgearbeitet. Der neue Entwurf hat folgenden Wortlaut: « Artikel 27^ 1 Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen zu erlassen über die Förderung der einheimischen Filmproduktion und filmkultureller Bestrebungen, über die Eegelung der Filmeinfuhr und über die Eröffung und Umwandlung von Betrieben der Filmvorführung.

2 Vor Erlass solcher Bestimmungen sind die Kantone und die kulturellen und wirtschaftlichen Verbände des Filmwesens anzuhören.

3 Die Verbände des Filmwesens können zur Mitwirkung beim Vollzug der Ausführungsbestimmungen herangezogen werden.

4 Die Zensur der Filmvorführungen und der Kinoreklame, der Jugendschutz, das Unterrichtsfilmwesen, der Erlass und die Durchführung bau- und betriebspolizeilicher Bestimmungen bleiben in der Zuständigkeit der Kantone.

5 Sofern der Bund die Eröffnung und die Umwandlung von Betrieben der Filmvorführung von Bewilligungen abhängig macht, sind die Kantone für deren Erteilung und für die Ordnung des Verfahrens zuständig.» Im neuen Text sind die K o m p e t e n z e n des Bundes unter Verzicht auf die Generalklausel aufgezählt: Befugnis zum Erlass gesetzlicher Bestimmungen über die Förderung der einheimischen Filmproduktion und filmkultureller Bestrebungen,
über die Eegelung der Filmeinfuhr und über die Eröffnung und Umwandlung von Betrieben der Filmvorführung.

Dem Zuständigkeitsbereich der Kantone werden ausdrücklich vorbehalten: die Zensur der Filmvorführungen und der Kinoreklame, der Jugend-

489 schütz, das Unterrichtsfilmwesen, der Brlass und die Durchführung bau- und betriebspolizeilicher Bestimmungen sowie die Bewilligung und das Bewilligungsverfahren im Falle des Erlasses bundesrechtlicher Bestimmungen über die Eröffnung und die Umwandlung von Betrieben der Filmvorführung. Dazu kommt noch der Anspruch auf Konsultation vor dem Erlass gesetzlicher Bestimmungen durch den Bund.

Da die Kantone nach Artikel 3 der Bundesverfassung alle Eechte ausüben, die nicht der Bundesgewalt übertragen sind, könnte man die Ansicht vertreten, der ausdrückliche Vorbehalt kantonaler Kompetenzen in Absatz 4 des vorstehenden Entwurfs sei im Hinblick auf die Begrenzung der Befugnisse des Bundes überflüssig. Das mag im Eahmen des vorliegenden Eevisionsprojektes formalrechtlich zutreffen. Dagegen ist zu berücksichtigen, dass auf Grund des geltenden Verfassungsrechtes der Bund wohl die Möglichkeit hätte, auch im Bereiche der Filmpolizei zu legiferieren, indem Artikel 31Ws, Absatz 2, der Bundesverfassung ihm die allgemeine, mit'der Zuständigkeit der Kantone (Art. 31, Abs. 2) konkurrierende Befugnis verleiht, Vorschriften über die Ausübung von HandeLund Gewerbe zu erlassen. Aber auch abgesehen hiervon empfiehlt sich die ausdrückliche Erwähnung bestimmter Eeservate der kantonalen Gesetzgebung; denn schon innerhalb des durch Absatz l des neuen Entwurfes abgesteckten Feldes könnten früher oder später Zweifel über die Tragweite der Bundeskompetenzen entstehen ; und schliesslich dürfte der in Absatz 4 zum Ausdruck gebrachte Vorbehalt einem Erfordernis verfassungspolitischer Psychologie entsprechen. Dass der Aufzählung kantonaler Kompetenzen in Absatz 4 im übrigen nicht limitativer Charakter zukommt, dürfte nach dem Gesagten klar sein.

Was die vorgesehene Begrenzung der Zuständigkeit des Bundes betrifft, so wäre es dem natürlichen Werdegang unserer Bundesverfassung gemäss, den Verfassungsartikel nötigenfalls in der Zukunft mit einem grundlegend veränderten Entwicklungsstand des Filmwesens in Übereinstimmung zu bringen.

Wir sind der Auffassung, dass der neue Entwurf des Departements des Innern den Voraussetzungen und Notwendigkeiten der heutigen Situation entspricht. Vor der Darlegung der damit umrissenen Materie einer eidgenössischen Filmgesetzgebung seien nachstehend einige Ausführungen zu den in die Kompetenzsphäre
der Kantone fallenden Aufgaben gemacht.

2. Zensur una Jugendschutz. Die Notwendigkeit einer Zensur und eines besondern Jugendschutzes auf dem Gebiete des Films wird bei unbefangener Betrachtung der Dinge und sachlicher Abwägung der Interessen von niemandem ernstlich bestritten werden. Sie ergibt sich aus der weiter oben dargelegten Eigenart des Filmwesens mit all ihren Auswirkungen und aus der Bedeutung der vor schädigenden Einflüssen zu schützenden Lebensgüter und Gemeinschaftswerte.

Für die Filmwirtschaft wäre eine zentralisierte Kinozensur eine Vereinfachung; doch darf diese technische Erwägung hier nicht den Ausschlag geben. Die Zuständigkeit für die Zensur der Filmvorführungen und der Kinoreklame muss aus Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

34

490

prinzipiellen Gründen bei den Kantonen bleiben. Sie müsste es, vom Bund aus betrachtet, selbst dann, wenn eine Mehrheit von Kantonen sich bereit erklären würde, auf diese Zensurhoheit zu verzichten.

Als unser Justiz- und Polizeidepartement im Jahre 1922 im Eahmen allgemeinerer Bestrebungen, ein interkantonales Filmzensurkonkordat herbeizuführen, bei den Kantonen hinsichtlich einer freiwilligen oder obligatorischen Vorzensur durch den Bund sondierte, war die Eeaktion von Seiten der Kantone nicht positiv. Bei der Behandlung eines vom Nationalrat am 9. Dezember 1921 angenommenen Postulates Zimmerli, durch das wir eingeladen worden waren, zu prüfen «ob nicht in Artikel 31 der Bundesverfassung eine Bestimmung aufzunehmen sei, welche den Kantonen die Befugnis einräumt, das Kinematographengewerbe den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen zu unterwerfen», drückte der Nationalrat am S.Oktober 1926 den Wunsch aus, unser Justiz- und Polizeidepartement möchte die Initiative zum Abschluss interkantonaler Zensurabkommen ergreifen und ferner prüfen, ob nicht auf Grund eines Bundesgesetzes die Vorzensur noch besser geordnet werden könnte. An der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren vom 22. November 1926 in Bern wurde dann mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass die Durchführung von Zensurkonkordaten auf grosse Schwierigkeiten stossen würde, weshalb die Konferenz sich mit 18 gegen 3 Stimmen für ein Bundesgesetz aussprach. Als zehn Jahre später von unserem Departement des Innern die Vorbereitungen zur Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer an die Hand genommen wurden, galt es aber von vornherein als feststehend, dass die Kinozensur und der zugehörige Jugendschutz eine Domäne der Kantone bleiben müssten. Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden durch unsere in Kapitel VI hiervor erwähnten Botschaften und hat im Bundesbeschluss vom 28. April 1938 über die Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer (Art. l, Abs. 3) seine ausdrückliche Bestätigung gefunden. Wir haben in der Folge konsequent an dieser Linie festgehalten.

Die Zuständigkeit der Kantone auf dem Gebiete der Filmzensur bedeutet natürlich nicht, dass Bestimmungen allgemeiner Bundesgesetze, die sich auch auf den Film und die Filmreklame erstrecken, hier keine Anwendung finden dürften. Es handelt sich dabei
einerseits um die Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Art. 204 und Art. 212, letzterer speziell zum Schütze Jugendlicher) und der Zoll- und Postgesetzgebung (Art. 36, Abs. 4, des Bundesgesetzes vom I.Oktober 1925 über das Zollwesen1), Artikel 25 des Bundesgesetzes vom 2. Oktober 1924 betreffend den Postverkehr 2 )) über Veröffentlichungen und andere Gegenstände unsittlicher Natur, anderseits um die allgemeinen Staatsschutzbestimmungen des Bundes. Für Kriegszeiten muss sodann selbstverständlich eine - unter vorwiegend militärischen und aussenpolitischen Gesichtspunkten durchzuführende - ausserordentliche Zensur durch eidgenös!) BS 6, 478.

2 ) BS 7, 761 f.

491

sische Organe im Sinne der Wahrung der äussern und innern. Sicherheit des Landes sowie der. Behauptung seiner Unabhängigkeit und Neutralität vorbehalten bleiben.

Von einer, zentralisierten Filmzensur, wäre sie rechtspolitisch vertretbar, könnte praktisch kaum ein durchgreifender Erfolg erwartet werden. Die einen Kantone würden sie als zu lax, andere wahrscheinlich als zu rigoros erachten.

Dadurch geriete sie voraussichtlich bald' in vielen Kantonen in Misskredit und sähe sich vor grosse Schwierigkeiten gestellt.

Man darf über der Notwendigkeit einer gesetzlichen Ordnung des Filmwesens übrigens nicht die primären Aufgaben der Familie, der Kirche und der Schule auf diesem Gebiet vergessen. Ergänzend treten die zahlreichen gemeinnützigen Institutionen und Vereinigungen des Landes hinzu, wobei tiefere Wirkungen natürlich nicht von der Organisation als solcher, sondern nur vom Wirken von Mensch zu Mensch erhofft werden können. Würden das Meiden schlechter und die vermehrte Berücksichtigung wertvoller Filme zielbewusst und auf breiter Grundlage durchgeführt, so wäre rascher, als gemeinhin angenommen wird, ein Wandel nicht nur in der Programmgestaltung der Kinotheater und im Angebot des Filmverleihs, sondern auch im Niveau der ausländischen Filmproduktion wahrzunehmen. Darüber liegen durchaus konkrete und schlüssige Erfahrungen vor. Ganz allgemein ist zu sagen, dass staatliche Massnahmen zum Schütze der geistigen und sittlichen Lebensgüter auf die Dauer wirkungslos bleiben, wenn ihre Durchführung vom Volk nicht tatkräftig unterstützt wird.

Am einfachsten liesse sich die Ordnung im Filmwesen natürlich durchführen, wenn diese Aufgabe von der Filmwirtschaft selbst zielbewusst und konsequent an die Hand genommen würde. Die von Amerika, England und Deutschland her bekannte «Selbstkontrolle» weist in besagte Eichtung. In diesem Zusammenhang möchten wir hier auf die Bestimmungen der Statuten des Schweizerischen Lichtspieltheater-Verbandes (deutsches und italienisches Sprachgebiet) über die Bekämpfung der unseriösen Kinoreklame hinweisen, die folgendermassen lauten (Art. 37) : (i1 Unlautere und sonstwie unseriöse Reklame in Wort und Bild ist untersagt und wird vom Vorstand gemäss Artikel 43 der Statuten geahndet.

2 Als unlauter gilt insbesondere die unwahre sowie jede andere irreführende oder gegen Treu und
Glauben im Wettbewerb verstossende Reklame.

3 Als unseriös gilt insbesondere jede Reklame, die a. dem öffentlichen Recht widerspricht; b. mit dem nationalen Interesse nicht vereinbart werden kann; c. nach Ansicht aller anständig und normal denkenden Menschen gegen die Sittlichkeit verstösst; d. ohne Zweifel offensichtlich geschmacklos ist; e. dem Ansehen und den berechtigten Interessen des Kinogewerbes im allgemeinen und des Verbandes im besondern in erheblichem Mass abträglich ist; oder /. auf die Konkurrenz anspielt.»

492 Leider wird die Anwendung dieser Bestimmungen nur auf eingegangene Klage hin in Erwägung gezogen. Solche Klagen werden.jedoch sowohl von behördlicher als auch von privater Seite entgegengenommen.

Eine im Herbst 1954 durch die Schweizer Presse gegangene Mitteilung des dem Schweizerischen Lichtspieltheater-Verband nahestehenden Filmwirtschaftlichen Pressedienstes über die Herstellung minderwertiger Filme und die Auswüchse des Blind- und Blockbuchens scbliesst mit folgenden Sätzen : «Das Kinogewerbe, das die Verantwortung für die Filme leider zum Teil der Produktion und für die Reklame dem Verleih überlassen muss, will nicht länger die moralischen Schulden der andern Sparten der Filmwirtschaft begleichen, und es ist gewillt, durch unmissverständliche Forderungen auf eine unablässige Hebung der Filmprogramme hinzuwirken. Dabei ist es freilich auf die Unterstützung jener Publikumkreise angewiesen, die ihr Interesse dem guten Film zuwenden. »

Es ist Aufgabe aller verantwortungsbewussten Menschen und Gemeinschaften, von den praktischen Möglichkeiten, die mit einer solchen Bereitschaftserklärung geboten werden, Gebrauch zu machen.

8. Unterricht. Das Unterrichtswesen ist in der Eidgenossenschaft grundsätzlich Sache der Kantone. Diese Situation wirkt sich unmittelbar auch auf jene Bezirke des Unterrichtswesens aus, die mit dem Film zusammenhängen.

a. Als «Unterrichtsfilmwesen» im Sinne der von uns vorgeschlagenen Verfassungsbestimmung ist der U n t e r r i c h t durch den Film zu verstehen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Film als Unterrichtsmittel in mancher Beziehung anregend und fördernd wirkt. Doch darf sein pädagogischer Wert auch nicht überschätzt werden. Nach dem Urteil erfahrener und mit der Materie vertrauter Lehrer ist das stehende Lichtbild als Unterrichtsmittel dem bewegten Film im allgemeinen überlegen. Es bietet umfassendere und tiefergreifende Möglichkeiten, da der Inhalt des ruhenden Bildes voll ausgeschöpft werden kann.

b. Nicht weniger wichtig als der Unterricht durch den Film ist der Unterricht über den Film. Die Bedeutung eines solchen Unterrichtsfaches auf den höheren Schulstufen liegt auf der Hand, sobald man bedenkt, wie früh der junge Mensch mit der Welt des Films in Berührung kommt und ein Verhältnis dazu finden muss. Auf diesem Gebiet liesse sich nach dem Beispiel ausländischer Staaten auch in unserem Land viel aufbauende Arbeit leisten. Es versteht sich von selbst, dass der Film als Unterrichtsfach grundsätzlich ebenfalls unter die kantonale Schulhoheit fällt.

4. Kantonale Gewerbepolizei. Wie Zensur und Jugendschutz, so bilden auch die das Filmgewerbe betreffende Baupolizei und die Betriebspolizei im engern Sinne Bestandteile der allgemeinen Gewerbepolizei der Kantone. Innerhalb dieses Bereiches dürfen vom filmpolitischen Standpunkte aus noch zwei Fragen ein besonderes Interesse beanspruchen: die der gewerbepolizeilichen Behandlung des im Fernsehen zur Verwendung gelangenden Films und das Problem des Verhältnisses zwischen Presseberichterstatter (Filmkritiker) und Kinotheater.

493 a. Filmsendungen im Fernsehen. Auf die in den Fernsehprogrammen figurierenden Filme lässt sich die behördliche Zensur der Kantone aus Gründen tatsächlicher Natur nicht wohl unmittelbar anwenden. Die mit der Zusammenstellung und Durchführung dieser Programme betraute Schweizerische Bundspruchgesellschaft übt deshalb, wie wir bereits in unserer Botschaft an Sie vom S.März 1955 über die Gestaltung,des Schweizerischen Fernsehens1) ausgeführt und in der Antwort auf die Kleine Anfrage Alfred Grütter vom 22. März 1955 am 1. Juli 1955 bestätigt haben, eine materiell auf den kantonalen Zensurentscheiden fussende Selbstzensur aus. Über die Zulassung Jugendlicher zu öffentlichen Fernsehvorführungen haben einige Kantone gestützt auf die ihnen zustehenden gewerbepolizeilichen Befugnisse (Art. 31, Abs. 2, der Bundesverfassung) Spezialbestimmungen erlassen (Tessin: Dekret des Staatsrates vomii.Mai 1954; Obwalden: Beschluss des Eegierungsrates vom 12. Januar 1955; Solothurn: Verordnung des Regierungsrates vom 12.Oktober 1955). Dass im übrigen die für Gastwirtschaftsbetriebe geltenden allgemeinen Polizeivorschriften der Kantone ohne weiteres auch auf den Besuch von Fernsehvorführungen in solchen Betrieben Anwendung finden, bedarf keiner weiteren Begründung.

fe. Stellung des P r e s s e b e r i c h t e r s t a t t e r s gegenüber demKinounternehmer. Da das geltende Bundesrecht nach Auffassung des Bundesgerichts2) keine Norm enthält, die dem Filmkritiker gegenüber dem Theaterbesitzer einen Eechtsanspruch auf Zutritt zu den Filmvorführungen verleihen würde, kommt dem kantonalen Recht für diesen Bezirk erhöhte Bedeutung zu.

Bereits vor Jahren hat der K a n t o n Luzern seinem Lichtspielgesetz eine · Klausel eingefügt, wonach der Inhaber eines Lichtspieltheaters verpflichtet ist, «ständigen Filmreferenten ortsansässiger Tageszeitungen den unentgeltlichen Zutritt zu den Vorführungen zu gestatten» (§ 18, Abs. 4, des Gesetzes vom 3. März 1942). Offenbar unter dem Eindruck des Streitfalles, der Gegenstand des oben erwähnten Entscheides des Bundesgerichtes bildete, ist man auf das Problem seither auch im gesetzgebungspolitischen Bereich anderer Kantone aufmerksam geworden.

Hinsichtlich der das Filmwesen berührenden eidgenössischen Gesetzgebungsprobleme im Bereich der Presse und des Fernsehens sowie in bezug auf das
Verhältnis dieser Probleme zu einer eidgenössischen Filmgesetzgebung verweisen wir auf die Ausführungen in Kapitel VI, Abschnitt 5, lit. b, und Kapitel IX, Abschnitt 4, lit. a und b.

5. Vollziehung bundesrechtlicher Bestimmungen über die Eröffnung und Umwandlung von Betrieben der Filmvorführung. Wenn wir die Vollziehung und das sogenannte formelle Recht auf dem Gebiete einer eidgenössischen Bewilligungspflicht für neue Kinos der Kompetenzsphäre der Kantone zuweisen möchten, so liegt auch darin ein f ö d e r a l i s t i s c h e s Moment. Bilden Rechtsauslegung und R'echtsanwendung doch keine mechanischen Funktionen, sondern, innerhalb der !) BEI 1955, I, 429.

2 ) BGE 80 II 26 ff.

494 durch das Gesetz bestimmten Grenzen, einen durchaus produktiven Vorgang.

Die in Aussicht genommene Lösung würde es ermöglichen, bei der Beurteilung der Gesuche die von Ort zu Ort verschiedenen Verhältnisse und Auffassungen angemessen zu berücksichtigen. Für eine gewisse Rechtsgleichheit in der Auslegung und Anwendung des Gesetzes wäre durch die Möglichkeit der Beschwerde an unsere Behörde nach der allgemeinen Bestimmung des Artikels 125, Absatz l, lit. fc, des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege1) gesorgt - eine Möglichkeit, die gegebenenfalls durch die gesetzliche Begründung eines besondern Rekursrechtes ersetzt werden könnte.

6. Konkordate. Auf Grund des Artikels 7 der Bundesverfassung sind die Kantone befugt, auch über Gegenstände des Filmwesens untereinander Konkordate abzuschliessen. Diese Möglichkeit würde nach Annahme des Filmartikels für diejenigen Materien gelten, die weiterhin in der Zuständigkeit der Kantone bleiben sollen.

Praktische Bedeutung kommt dem Konkordatsgedanken vor allem für das Gebiet der Zensur zu. Es ist freilich festzustellen, dass die bisherigen Verhandlungen um das Zustandekommen eines oder mehrerer Filmzensurkonkordate jeweils keine zielbewusste und tragende Bewegung zu zeitigen vermocht haben.

Zum erstenmal wurde der Gedanke eines interkantonalen Zensurkonkordates im Jahre 1913 an der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren in Herisau erörtert. Die Behandlung des Themas erhielt neuen Antrieb durch das oben (Abschnitt 3) erwähnte Postulat Zimmerli aus dem Jahre 1921. Doch konnte bei den Kantonen nie eine Mehrheit für ein umfassendes Zensurkonkordat erreicht werden. Die gleiche Erfahrung wurde neuerdings bei einer Enquete gemacht, die unser Departement des Innern im Zusammenhang mit dem Postulat Frei b e t r e f f e n d Film und J u g e n d k r i m i n a l i t ä t bei den Kantonen durchgeführt hat. Wir werden durch dieses, vom Nationalrat am 16.März 1954 angenommene Postulat ersucht, «die Initiative zu einem Konkordat unter den Kantonen zu ergreifen, welches sich zur Aufgabe setzt, alle in der Rechtsbefugnis der Kantone liegenden Massnahmen zu treffen zum wirksameren Schütze unserer Jugendlichen und unseres Volkes vor den gefährlichen Wirkungen der Kriminal-, Gangster- und anderer minderwertiger
Filme». In seiner Antwort auf die Begründung des Postulats durch Herrn Frei musste der Vorsteher des Departements des Innern mitteilen, dass der Gedanke eines solchen Konkordats beim überwiegenden Teil der Kantone zurzeit keine grosse Begeisterung auslöst, dass nach dem Ergebnis der vom Departement veranstalteten Rundfrage keinesfalls mit der Beteiligung sämtlicher Kantone gerechnet werden könnte, und dass unter diesen Umständen eher an den Ausbau eines Netzes bescheidenerer, auf gegenseitige Information über die Zensurpraxis gerichteter Übereinkünfte zwischen einzelnen Kantonen zu denken wäre. Damit soll der Gedanke eines umfassenderen Konkordats aber nicht begraben sein. Auch hier bleiben die in der Zukunft liegenden Entwicklungsmöglichkeiten vorbehalten.

!) BS 3, 567.

495 IX. Die Materie einer eidgenössischen Filmgesetzgebung 1. Allgemeines Grundsätzlich sind in dem von uns vorgeschlagenen Text eines Verfassungsartikels über das Filmwesen (Abs. 1) nach den oben entwickelten Kriterien jene Aufgaben dem Bunde zugedacht oder als Domäne eines Zusammenwirkens zwischen Bund und Kantonen aufgefasst, die von den Kantonen überhaupt nicht oder nicht in sachgemässer und umfassender Weise bzw. nicht allein gelöst werden können. Dazu gehört naturgemäss in erster Linie all das, was die Unabhängigkeit des schweizerischen Filmwesens betrifft und was mit der ausländischen Provenienz des Grossteils der Filme in einem spezifischen, direkten oder indirekten Zusammenhang steht. Im Begriff der «Unabhängigkeit» liegt zunächst ein nationales bzw. politisches Element. Mittelbar werden dadurch in einem gewissen Masse aber auch ethische und künstlerische Aspekte erfasst.

Man denke bloss an die Folgen, die eine unkontrollierte und hemmungslose Entfaltung ausländischer Geschäfts- und Propagandainteressen - mit oder ohne politischen Einschlag - für die Beschaffenheit der in unserem Land zur Vorführung gelangenden Filme hätte.

Es ist selbstverständlich nicht möglich, sich in bezug auf die gesetzliche Ausführung des Verfassungsartikels im einzelnen heute schon festzulegen. Dagegen sei im folgenden die unter den Gesichtspunkten des Gemeinwohls sich ergebende und innerhalb dieser Interessensphäre für eine eidgenössische Filmgesetzgebung relevante Problematik in grossen Zügen dargelegt.

2. Filmgewerbe a. Produktion. Es bedarf keiner langen Begründung für den Satz, dass die eigene Produktion den Lebensnerv jedes unabhängigen Filmwesens darstellt.

Wenden wir den Blick unter diesem Gesichtspunkt dem schweizerischen Filmwesen zu, so stehen wir vor der beherrschenden Tatsache, dass unser Verleihgewerbe und unsere Kinos für ihre Filme nahezu vollständig auf die ausländische Produktion angewiesen sind. Während seit Kriegsende im Jahr durchschnittlich ein schweizerischer Spielfilm geschaffen worden ist, führten wir jährlich im Durchschnitt gegen 500 ausländische Spielfilme ein. Neben den allgemeinen kulturellen und politischen Schattenseiten eines solchen Zustandes ergibt sich noch ein besonderes Problem, nämlich dasjenige der Sprache, in der die Tonfilme vorgeführt werden. Eine Vernachlässigung der
Sprache in der Erziehung oder im öffentlichen Leben bedeutet immer einen kulturellen Zerfall. Auch im Filmwesen muss der Sprachkultur alle Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zum Beispiel kann die Tatsache, dass ungefähr die Hälfte der in die Schweiz eingeführten Spielfilme angelsächsischer Herkunft und demgemäss entweder englisch gesprochen oder aber in einer unserer Landessprachen (für das deutsche Sprachgebiet selten) nachsynchronisiert, also sprachlich nach dem visuellen Element vergewaltigt sind, vom kulturpolitischen Standpunkt aus nicht als

496 ideal bezeichnet werden. Ein Grund mehr, dem Anliegen der Förderung unserer eigenen Filmproduktion wohlwollend zu begegnen.

Der Schweizer Film hat ausser seiner allgemeinen kulturellen Aufgabe noch einige besondere Funktionen Staats- und kulturpolitischen Charakters. Er ist berufen, zur Überbrückung politischer und weltanschaulicher Gegensätze im Volke beizutragen und sich im Bahmen des sogenannten internen schweizerischen K u l t u r a u s t a u s c h e s fruchtbar auszuwirken. Anderseits kommt ihm eine wesentliche Eolle in unseren Beziehungen zu den Schweizern im Ausland zu. Der Film bildet ein zugleich wirksames und begehrtes Bindemittel zwischen der Heimat und den Schweizerkolonien im Ausland. Leider konnte den zahlreichen und dringenden Wünschen unserer in der Ferne weilenden Landsleute nach Schweizerfilmen bisher nur in ganz ungenügender Weise entsprochen werden. Endlich ist der Film als integrierender Bestandteil der schweizerischen K u l t u r w e r b u n g im Ausland zu betrachten. Die gleichen Eigenschaften, die der Beliebtheit und der Wirksamkeit des Films im allgemeinen zugrunde liegen, machen ihn zu einem geeigneten Träger unserer kulturellen Auslandswerbung. Vergegenwärtigt man sich, dass es heute auf Erden 93 000 Kinos mit zusammen 53 Millionen Sitzplätzen gibt und dass jährlich schätzungsweise 10 Milliarden Eintrittskarten gelöst werden, so ist schon aus dieser rein äusseren Situation abzuleiten, welche Möglichkeiten sich dem Film als Werbemittel auch bei geringem Produktionsvolumen eröffnen. Mit verhältnismässig bescheidenen Mitteln kann hier unter Umständen eine sehr starke Wirkung erzielt werden. Erste Voraussetzung muss natürlich stets ein bedeutendes Qualit ä t s n i v e a u des Filmes sein. Doch weist ein gediegener Schweizerfilm Züge auf, die nur ihm eigen sind ; er ist in diesem Sinne unersetzlich, und gerade darin liegt zu einem wesentlichen Teil seine künstlerische Eechtfertigung.

Dass die schweizerische Filmproduktion seit Jahren mit grossen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, ist eine notorische Tatsache. Der grosse und berechtigte Erfolg einzelner schweizerischer Spielfilme im Ausland vermag daran nichts zu ändern. In der finanziell bedingten Unmöglichkeit auch jener Produktionsfirmen, die sich über ihre Leistungsfähigkeit längst ausgewiesen haben,
eine Kontinuität der Spielfilmproduktion zu erreichen, kommt das mangelhafte wirtschaftliche Fundament deutlich zum Ausdruck.

Was die f r e i e , d.h. von einem interessierten Auftraggeber unabhängige schweizerische Dokumentarfilmproduktion betrifft, so ist sie, wie wir schon in Kapitel II festgestellt haben, in den letzten Jahren fast ganz verschwunden. Diese Erscheinung hängt mit dem kleinen Absatzgebiet unseres Landes sowie mit den durch handelspolitische Schranken und durch filmpolitische Schutzmassnahmen des Auslandes verursachten Exportschwierigkeiten zusammen. Wie sollte eine freie Produktion noch möglich sein, wenn die Herstellung eines guten Dokumentarfilms gegen 50 000 Franken kostet, der sogenannte Produzentenanteil im Inland aber auch im günstigsten Fall nicht einmal 1/10 dieser Summe beträgt und der Export, falls er nach ausserordentlich mühsamen Verhandlungen im einen

497 oder andern Fall überhaupt gelingt, auch aus. einem grösseren Land nicht mehr als 2500 Pranken bis maximal 6000 Franken einbringt ?

Ein besonderes Problem - zugleich künstlerischer und wirtschaftlicher Natur - ergibt sich für unsere Filmproduktion aus der M e h r s p r a c h i g k e i t des Landes sowie aus der Tatsache, dass die M u n d a r t einem echten Schweizerfilm auch künstlerisch durchaus gemäss ist. Diese Verhältnisse schaffen sowohl für den Verleih im Inland als auch für den Export zusätzliche Schwierigkeiten.

Berücksichtigt man schliesslich die durch die technischen Neuerungen (Farbfilm, plastischer Film, Konkurrenz des Fernsehens) für die Zukunft zu erwartende Steigerung der finanziellen Ansprüche an den Schweizerfilm, so dürfte vollends klar werden, dass dieser Zweig unseres kulturellen Schaffens nicht einfach seinem Schicksal überlassen werden darf.

Nachdem die Bestrebungen, die für die Förderung der .einheimischen Filmproduktion nötigen finanziellen Mittel auf privatwirtschaftlichem Wege durch die Erhebung eines sogenannten Kinofünfers (Zuschlag auf den Kinobilletten) zu beschaffen, kein greifbares Ergebnis gezeitigt hatten, reichte Herr Nationalrat Hans Oprecht am 29.September 1953 ein P o s t u l a t folgenden Wortlauts ein: «Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen, ob nicht in Ausführung der von den beiden eidgenössischen Katen angenommenen Postulate über die Filmgesetzgebung und über Soforthilfe an die Filmindustrie von Bundes wegen die schweizerische Produktion von Spiel- und Dokumentarfilmen durch Massnahmen zu unterstützen sei, die ihr ermöglichen, auf dem Filmmarkt konkurrenzfähig zu werden. Die, dafür notwendigen finanziellen Mittel können durch eine den international üblichen Ansätzen angepasste fiskalische Belastung der Einfuhr ausländischer Filme aufgebracht werden.»

Dieses Postulat ist vom Nationalrat am 16.März 1954 angenommen worden.

Es schuf eine neue Ausgangslage für die Verwirklichung einer zunächst als Provisorium gedachten Soforthilfe an die schweizerische Filmproduktion. Die Sache schien sich anfänglich auf gutem Weg zu befinden. Es war beabsichtigt, die erforderlichen finanziellen Mittel durch Erhöhung der auf dem Bundesratsbeschluss Nr. 54 vom 26. September 1938 über die Beschränkung der Einfuhr bzw. auf einem zugehörigen Vollziehungserlass des Departements des Innern beruhenden Einfuhrgebühren auf ausländischen Filmen zu beschaffen. Das Projekt hatte sich beim Departement des Innern bereits zum Vorentwurf eines Bundesbeschlusses mit entsprechendem Botschaftsentwurf verdichtet. Eine genauere Prüfung der Dinge führte dann aber zu Feststellungen rechtlicher und gesetzgebungspolitischer Natur, die einen Verzicht auf diese Sondervorlage als notwendig erscheinen Hessen. So wurde denn auch das Postulat Oprecht vorerst durch das Gesamtproblem einer eidgenössischen Filmgesetzgebung absorbiert.

Dem mit ihm materiell in einem gewissen Zusammenhang stehenden, vom Nationalrat am 15.März 1955 angenommenen P o s t u l a t Aebersold b e t r e f f e n d Beitragsleistung an den Schweizerischen K u l t u r f i l m f o n d s suchten wir vorläufig durch die von Ihnen gutgeheissene Einsetzung eines entsprechenden Kreditbegehrens in den Voranschlag der Eidgenossenschaft für 1956 Eechnung zu tragen.

498 Über den Aufbau einer künftigen, auf klarem verfassungsrechtlichem Fundament beruhenden Förderung der schweizerischen Filmproduktion durch den Bund werden wir uns gegebenenfalls später zu äussern haben. Dieser Aufbau, so wie wir ihn uns vorstellen, sei hier nur in seinen Grundzügen umrissen. Was die finanziellen Modalitäten betrifft, so würde unseres Erachtens je nach den Voraussetzungen des konkreten Falles die Gewährung einer Eisikogarantie, eines "Vorschusses, eines Beitrages à fonds perdu oder einer sogenannten Prämie - letztere für besonders wertvolle Filme und als Voraussetzung für die Kontinuität der Produktion des betreffenden Unternehmens - in Erwägung zu ziehen sein. Die Beurteilung der Filmprojekte, insbesondere der Drehbücher und der künstlerischen Besetzungslisten, stellt im behördlichen Bereich kein einfaches Problem dar. Wir sind der Auffassung, dass diese Prüfung aus der Verwaltung im engern Sinne herausgehoben und einem Gremium besonders qualifizierter Persönlichkeiten, sei es im Rahmen der Schweizerischen Filmkammer, sei es in Anlehnung an die Stiftung Pro Helvetia, sei es endlich nach den durchaus positiven Erfahrungen, die mit der Schweizer Filmwochenschau gemacht worden sind - auf der Grundlage einer eigens zu diesem Zweck zu errichtenden Stiftung, übertragen werden müsste. Diese Auffassung entspringt den gleichen grundsätzlichen Erwägungen, die auf dem umfassenden Gebiet der schweizerischen Kulturpflege und Kulturwerbung zur Errichtung der Stiftung Pro Helvetia und auf jenem der Schweizer Filmwochenschau ebenfalls zur Schaffung eines selbständigen Instituts geführt haben, also dem Bestreben nach einer möglichst freiheitlichen Lösung.

Dass die Förderung der schweizerischen Filmproduktion nicht nur ein finanzielles Problem ist, geht aus bereits früher Gesagtem hervor. Wesentliche Bedeutung kommt in meist ebenso unmittelbarer Weise dem E x p o r t p r o b l e m zu. Unser Volkswirtschaftsdepartement wird sich denn auch weiterhin bemühen, dem Schweizerfilm den Weg ins Ausland zu öffnen und zu ebnen.

Sodann bestehen Zusammenhänge zwischen dem Schicksal des S c h w e i z e r f i l m s und der Beschränkung der F i l m e i n f u h r . Sie werden im nächsten Abschnitt zu beleuchten sein.

Abschliessend sei hier bemerkt, dass wir dem Gedanken einer wirksamen Unterstützung des
schweizerischen Filmschaffens durch die Eidgenossenschaft nicht nur im Hinblick auf die schwierige Lage der einheimischen Filmproduktion, sondern auch aus allgemeinen filmpolitischen Gründen grosse Bedeutung beimessen, da auf diesem Gebiet des Filmwesens in besonders sinnfälliger Weise zum Ausdruck kommt, dass einer eidgenössischen Filmpolitik durchaus positive, a u f b a u e n d e Ziele gesetzt sind.

b. Einfuhr- und Verleihgeioerbe. Infolge der ausländischen Provenienz der meisten in unserm Lande zur Vorführung gelangenden Filme nehmen der Filmverleih und der von ihm besorgte Filmimport, wie schon in Kapitel II bemerkt, eine Schlüsselstellung im schweizerischen Filmwesen ein. Die mit der Filmeinfuhr in mehr oder minder starkem Grade stets verbundenen w i r t s c h a f t lichen, kulturellen und politischen Einflüsse aus dem Ausland

499 schaffen für unser Filmwesen ebensoviel Probleme und, wo diese Einflüsse ein gewisses Mass überschreiten, Gefahren, die auch unter allgemeinen Staats- und kulturpolitischen Gesichtspunkten ernst genommen werden müssen. Die Zusammenhänge des Verleihs mit der Produktion einerseits, dem Kinogewerbe anderseits haben zur Folge, dass es auf dem Filmgebiet sozusagen kein E i n f u h r - und Verleihproblem gibt, das nicht zugleich seine direkte oder indirekte Auswirkung auf die beiden andern Sparten des Filmgewerbes hätte.

Unmittelbare Funktion der seit 1938 auf Grund des Bundesbeschlusses über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland geltenden Beschränkung der F i l m e i n f u h r ist der wirtschaftliche Schutz des relativ unabhängigen schweizerischen Filmverleihs. Was für die Produktion und, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, für das Kinogewerbe gilt, trifft auch auf den Verleih zu: w i r t s c h a f t l i c h ungesunde und u n g e o r d n e t e Verhältnisse bilden immer auch einen f r u c h t b a r e n Boden für u n e r w ü n s c h t e und schädliche Einflüsse kultureller und politischer Art.

Viele Kenner der Verhältnisse sind der Auffassung, dass die Beschränkung der Filmeinfuhr und die dadurch verhütete «Filmschwemme» sich unmittelbar positiv auf das Qualitätsniveau der in die Schweiz eingeführten Filme auswirke.

Es müssen hier, wie gesagt, noch weitere Zusammenhänge beachtet werden, und zwar sowohl in der Eichtung auf die schweizerische Filmproduktion als auch im Verhältnis zum Kinogewerbe.

Über die E ü c k w i r k u n g e n auf die schweizerische F i l m p r o d u k tion ist in aller Kürze folgendes zu bemerken: Geben die Massnahmen zur Beschränkung der Filmeinfuhr ein taugliches und durchaus sinnvolles Mittel an die Hand, vom Ausland Entgegenkommen in bezug auf den Export schweizerischer Filme zu erlangen, so würde umgekehrt eine schrankenlose Filmeinfuhr den Schweizerfilm nicht nur an die Wand drücken, sondern ihn im Gefolge einer diesfalls zu erwartenden Überfremdung unseres Kinogewerbes, d. h. seines sukzessiven Übergangs in ausländische Hände, überhaupt aus den Kinos unseres Landes verbannen. Im übrigen ist der Verleih manchmal auch an der Filmproduktion als solcher, d.h. der Herstellung bestimmter Filme, interessiert, was in der Übernahme von Garantien oder gar
Kapitalanteilen gegenüber dem Produzenten zum Ausdruck kommt. Der Verleih begibt sich also in gewissen Fällen mit dem einen FUSS selbst auf das Gebiet der Produktion.

Auf der andern Seite'besteht die Abhängigkeit der Kinos vom Verleih nicht nur in der Tatsache, dass erstere für den Bezug ihrer Filme auf die Verleiher bzw. das Ausland angewiesen sind, sie geht viel weiter, indem die Verleiher die ihnen von den ausländischen Produzenten aufgebürdeten Garantien, Lasten und Eisiken ihrerseits auf die Kinos abzuwälzen trachten. Man denke hier beispielsweise an das ominöse Institut des Blind- und Blockbuchens.

Aus all diesen Gründen erweist sich das Filmeinfuhr- und Verleihgewerbe als der Angelpunkt der schweizerischen Filmwirtschaft. An diesem Punkte wird eine eidgenössische Filmgesetzgebung in erster Linie anzusetzen

500 haben. Im Eahmen einer neufundierten Einfuhrbeschränkung wird u.a. daran zu denken sein, ausser der zurzeit geltenden Kontingentierung des Spielfilmimports auch die Einfuhr von Dokumentarfilmen und bestimmter anderer Kategorien von Kurzfilmen zu kontingentieren, dies insbesondere, um ein Verhandlungsinstrument gegenüber dem Ausland zur Belebung unseres notleidenden Dokumentarfilmexports zu besitzen.

Selbstverständlich wird eine sinnvolle Filmeinfuhrpolitik stets auf die f r e i e E n t f a l t u n g der gemeinnützig, insbesondere erzieherisch, sozial, wissenschaftlich und allgemein k u l t u r e l l orientierten U n t e r n e h m u n g e n Rücksicht nehmen müssen. Schon unter dem gegenwärtigen System der Einfuhrkontingentierung erhalten solche Kreise, wenn sie sich über eine entsprechende Tätigkeit ausweisen können, ohne Mühe ein ausserordentliches Einfuhrkontingent oder sogar die Bewilligung zur kontingentfreien Einfuhr. Mit andern Worten: die Einfuhrkontingentierung darf weder zu einer Fernhaltung wertvoller Filme von unserem Lande noch zu einer Einengung idealer Bestrebungen und echten kulturellen Lebens führen. Dies liefe dem Zweck der Kontingentierung stracks zuwider.

c. Kinogewerbe. Wir glauben nach unseren bisherigen Darlegungen keine spezielle Begründung mehr dafür geben zu müssen, dass eine' übermässige, nur geschäftlichen Überlegungen entspringende Vermehrung der Kino theater unseres Landes die Selbständigkeit dieses Gewerbes gegenüber dem Ausland in Frage stellen bzw. mehr und mehr beeinträchtigen würde. Ganz abgesehen davon, dass rücksichtsloses Geschäftsstreben in einem ideologisch und politisch «interessanten» Wirtschaftszweig zahlreiche (wenngleich zunächst verborgene) Einbruchsstellen für das Ausland bietet und fast von selbst unerwünschten Einflüssen von dieser Seite ruft, bringen die bereits existierenden Kinounternehmen, auch wenn sie in schweizerischem Geist geleitet werden, gegenüber ausländischen Zumutungen und Angeboten unter vermehrten wirtschaftlichen Schwierigkeiten natürlich weniger Widerstandsfähigkeit auf als unter gesunden ökonomischen Verhältnissen. Was eine Ü b e r f r e m d u n g unseres Kinogewerbes kulturell und politisch aber bedeuten würde, dürfte sich aus den von uns beleuchteten Zusammenhängen ohne Mühe ableiten lassen. Eine gewisse behördliche Kontrolle
der N e u e r ö f f n u n g von F i l m v o r f ü h r u n g s b e t r i e b e n drängt sich daher aus k u l t u r - und staatspolitischen Grün den auf. Dass dabei auch die grundlegende U m w a n d l u n g schon bestehender Unternehmen einbezogen werden muss, soll die beabsichtigte Kontrolle nicht durch die Möglichkeit ausgedehnter Gesetzesumgebungen illusorisch gemacht werden, liegt wohl auf der Hand. Dagegen sind wir der Auffassung, dass auf einen e i d g e n ö s s i s c h e n F ä h i g k e i t s a u s w e i s für die Ausübung des Kinogewerbes ansgeichts der Ergebnisse der von unserem Departement des Innern bei den Kantonsregierungen und den interessierten Verbänden durchgeführten Umfrage verz i c h t e t werden muss. Ein solcher Verzicht ist um so vertretbarer, als die K a n t o n e auf Grund ihrer g e w e r b e p o l i z e i l i c h e n Kompetenzen (Art. 31, Abs. 2, der Bundesverfassung) die Möglichkeit haben, die Erteilung ihier Poli-

501

zeibewilligung auch vom Vorhandensein bestimmter persönlicher Eigenschaften und Voraussetzungen beim Bewerber abhängig zu machen.

Wenn nun aber von einigen Kantonen und Verbänden - sie bilden zusammen nach der Zahl allerdings nur eine kleine Minderheit - die Ansicht vertreten wird, die Beschränkung der Filmeinfuhr gewährleiste auf eidgenössischer Ebene hinreichend die Unabhängigkeit des schweizerischen Filmwesens, weshalb von Bundes wegen überhaupt keine Notwendigkeit zu einer Kontrolle über die Neueröffnung von Kinobetrieben bestehe, so können wir dieser Betrachtungsweise auf Grund unserer Kenntnis der internationalen filmwirtschaftlichen und filmpolitischen Zusammenhänge unmöglich folgen. Der erwähnten These stehen folgende Tatsachen gegenüber: 1. Die Filmeinfuhrbeschränkung, wie sie vom Bund seit Ende der dreissiger Jahre ausgeübt wird und unseres Erachtens auch im Eähmen einer verfassungsrechtlich fundierten eidgenössischen Filmgesetzgebung in Betracht fallen wird, bezieht sich auf die Importvolumina ohne Kücksicht auf Inhalt, Qualität und ·Herkunft der Filme.

2. Völlig unberührt von dieser Einfuhrkontrolle bleibt die - für bestimmte ausländische Interessen nicht unerhebliche - landesinterne Verteilung der importierten Filme von den Verleihern an die Kinotheater.

3. Die Filmverleiher, welches auch ihr rechtliches und organisatorisches Verhältnis zu den Produktions- und Vertriebskonzernen des Auslandes sein mag, sind durch ihre Abhängigkeit vom Angebot und von den Lieferungen dieser Konzerne sowie durch die daraus sich ergebende geschäftliche Verbundenheit stets einem gewissen Druck von ausländischer Seite ausgesetzt. Je nach den zu einer bestimmten Zeit die Verhältnisse des schweizerischen Filmmarktes gestaltenden Faktoren kann dieser Druck sich mehr oder weniger auswirken und unter Umständen, sich fortpflanzend, auch gegenüber unserem Kinogewerbe spürbar bzw. wirksam werden.

4. Es bedarf für Agenten ausländischer Interessen gar nicht immer des Umweges über den Filmverleih. Versuche, sich im schweizerischen Kinogewerbe durch finanzielle und personelle Beteiligung oder gar durch die -- anfänglich vielleicht versteckte - Erwerbung von Betrieben festzusetzen, um auf diese Weise allmählich eine für politische, ideologische oder kommerzielle Beherrschungstendenzen einzusetzende Position aufzubauen,
können direkt unternommen und durchgeführt werden. Lichtspieltheater figurieren im Kampfdispositiv des modernen Propagandakrieges, der bekanntlich an keinen Landesgrenzen haltmacht, in den vordersten Linien. Vom Kinopark her lässt sich auch das gesamte Filmwesen eines Landes rückwirkend (in der Eichtung auf den Verleih und die Produktion) umkrempeln.

Warum - wird man fragen - ist das schweizerische Kinogewerbe unter den genannten Umständen trotz dem Fehlen einer Überwachung durch den Bund bisher nicht der Überfremdung anheimgefallen ? Die Erklärung liegt, abgesehen von anderen zeitbedingten, dem Wandel unterworfenen Faktoren, in den zwischen

502 dem Filmverleiherverband und den beiden Lichtspieltheaterverbänden geltenden Interessenverträgen, deren Marktordnung im Verein mit der behördlichen Einfuhrkontingentierung das Eindringen ausländischer Interessen in das Kinogewerbe unseres Landes verhindert hat. Diese Feststellung lässt sich durch konkrete Beispiele belegen. Die Verbandskonventionen weisen anderseits aber auch problematische Züge auf (s. unten ht. d, bb). Überdies ist ihre Geltung nicht für alle Zeiten gesichert ; vielmehr lassen die Verhandlungen über die Erneuerung der Interessenverträge jeweilen ziemlich tiefgehende Meinungsverschiedenheiten in Erscheinung treten. Würde der Verleih nun eines definitiven gesetzlichen Schutzes teilhaftig, ohne dass der Gesetzgeber in der Lage wäre, auch der Theatersparte einen entsprechenden Bückhalt zu bieten, so würde das Interesse der Verleiher an einer Weiterführung der Verbandskonventionen stark abnehmen. Die damit bewirkte Gleichgewichtsstörung in der Filmwirts c h a f t könnte dann leicht dazu führen, dass die vertragliche Marktordnung in die Brüche ginge. Das Eesultat wäre schliesslich ein chaotischer Zustand, charakterisiert durch planlose Vermehrung der Lichtspieltheater, Niveausenkung der Programme infolge übermässiger Konkurrenz, Anfälligkeit der Kinoinhaber gegenüber Beeinflussungsversuchen aus dem Ausland und ungehemmte Entfaltung ausländischer Beherrschungstendenzen politischer oder kommerzieller Natur. Unter solchen Verhältnissen würde die Beschränkung der Filmeinfuhr filmpolitisch in der Luft hängen und sich schliesslich in einem dem Landesinteresse z u w i d e r l a u f e n d e n Sinne auswirken.

Diese notgedrungen skizzenhafte Darstellung dürfte genügen, um zu zeigen, dass Filmeinfuhrbeschränkung und Möglichkeit der Einführung einer gewissen Kontrolle über die N e u e r ö f f n u n g von Lichtspielunternehmen filmpolitisch zusammengehören. Es besteht eine innere Korrelation zwischen beiden Massnahmen. Nur muss Klarheit darüber herrschen, dass solche Massnahmen dem kulturellen und politischen Landesinteresse, nicht den Sonderinteressen einer Wirtschaftsgruppe zu dienen haben.

Gewisse f i l m w i r t s c h a f t l i c h e Rückwirkungen derartiger Schutzmassnahmen ergeben sich aus dem komplexen Wesen des Films, in dem das wirtschaftliche Element untrennbar mit dem kulturellen
verbunden ist. Die Eeflexwirkungen dürfen aber nicht zu der Annahme verleiten, als handle es sich hier im Grunde um nichts anderes als um einen Schutz gewerbepolitischer Natur.

Würde letzteres zutreffen, käme die Schaffung einer besondern verfassungsrechtlichen Grundlage gar nicht in Frage, da in diesem Fall die Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung, insbesondere Artikel 31bls, massgebend wären.

Die Frage liegt nahe, ob die unter kultur- und staatspolitischen Gesichtspunkten als notwendig erscheinende Möglichkeit der Statuierung einer Bewilligungspflicht für die Eröffnung und Umwandlung von Betrieben der Filmvorführung nicht dem Kompetenzbereich der K a n t o n e zugewiesen werden sollte. Wir haben auch diesen Aspekt des Problems sorgfältig geprüft, sind jedoch zu einem negativen Schluss gekommen. Der wesentliche Zusammenhang mit den i n t e r n a t i o n a l e n filmwirtschaftlichen und filmpolitischen Verhältnissen und

503 die Notwendigkeit einer g e s a m t s c h w e i z e r i s c h e n Planmässigkeit des .Vorgehens begründen hier unseres Erachtens ein spezifisch bundesrechtliches Gesetzgebungsthema. Dadurch, dass die Vollziehung der vom Bundesgesetzgeber erlassenen materiellen Normen unter Vorbehalt des Eekurses an die Bundesbehörde den Kantonen zustehen würde (s. Kapitel VIII, Abschnitt 6), wäre den legitimen Erwägungen föderalistischer Natur wohl angemessen Bechnung getragen.

Wir betrachten die Verbindung der Befugnis zur Kegelung der Filmeinfuhr mit der Kompetenz zum Erlass von Bestimmungen über die Eröffnung und Umwandlung von Filmvorführungsbetrieben aus den dargelegten Gründen als einen K a r d i n a l p u n k t der gegenwärtigen Vorlage. Die in Frage stehende Bewilligungspflicht für Vorführungsbetriebe stellt im Grunde einfach die organische und f o l g e r i c h t i g e Weiterentwicklung des in der E i n f u h r beschränkung nur teilweise verwirklichten filmpolitischen Gedankens dar. Vergegenwärtigt man sich die mit der Filmimportkontrolle, insbesondere mit den - praktisch einer Bewilligungspflicht gleichkommenden Individualkontingenten während mehr als 15 Jahren gemachten Erfahrungen und die Tatsache, dass gestützt darauf nahezu alle Kantone und Verbände die Weiterführung dieser Massnahme als gerechtfertigt und notwendig bezeichnen, so darf die Beurteilung auch in bezug auf die allfällige Einführung einer Bewilligungspflicht -für neue Lichtspielunternehmen zuversichtlich sein. Wir sagen: die allfällige Einführung einer Bewilligungspflicht; denn es hat unserseits die Meinung, dass der Bund von der einschlägigen Befugnis nur im Falle der N o t w e n d i g k e i t , d.h. bei entsprechender Entwicklung der Verhältnisse in der Filmwirtschaft, Gebrauch zu machen hätte.

d. Gemeinsame Probleme des Verleih- und des Kinogewerbes.

aa. Blind- und Blockbuchen. Diese in den vorangehenden Kapiteln wiederholt erwähnte typische Erscheinung einer auf Abwege geratenen Filrawirtschaft bildet ein beliebtes Thema für Filmpolitiker, die sich für eine Ordnung des Filmwesens einsetzen. Verschiedene Länder haben in den vergangenen Jahren versucht, das Problem durch gesetzliche Verbote zu lösen. Nach Mitteilung von fachkundiger Seite werden solche Vorschriften aber leicht umgangen.

Eine Lösung der Frage ist keineswegs
einfach. Weder genügen rein privatrechtliche Bestimmungen (Nichtigkeit derartiger Vereinbarungen), noch auch scheint das öffentliche Eecht eines einzelnen Landes dem Übel selbständig auf den Leib rücken zu können; vielmehr wird es nach den gemachten Erfahrungen wahrscheinlich nötig sein, das Problem auf ganz b r e i t e r , also i n t e r n a t i o naler Basis a n z u p a c k e n und zu lösen. Auf keinen Fall wäre gegenüber dem vorhandenen Mißstand Eesignation am Platze. Es mus s eine Lösung erstrebt werden; denn dass einem Verleiher bzw. einem Kinoinhaber Serien von Filmen aufgezwungen werden, die er aus finanziellen oder aus kulturellen und ethischen Gründen gar nicht zu übernehmen wünscht, ist im Grunde genommen ein auf dem Eücken des Volkes betriebener Unfug.

504 bb. P r i v a t r e c h t l i c h e M a r k t o r d n u n g . Wir haben bereits in Kapitel II, Abschnitt 2, festgestellt, dass die auf K o n v e n t i o n e n zwischen dem Filmverleiherverband und den beiden Lichtspieltheaterverbänden beruhende Marktordnung positive und negative Aspekte aufweise. Als Vorzüge erscheinen grundsätzlich betrachtet - die Freiwilligkeit der Ordnung (in concreto beschränkt durch den geschlossenen Kreis), die damit gegebene Verantwortung der Beteiligten sowie das Zurücktreten der für staatliche Organe stärker zur Geltung gelangenden aussenpolitischen Gesichtspunkte und handelspolitischen Schranken. Zur Schattenseite gehören der monopolistische Charakter, die einseitig wirtschaftliche und verbandspolitische Orientierung und deshalb ein gelegentlicher Mangel an Verständnis für kulturelle und staatspolitische Bedürfnisse und Notwendigkeiten.

Unter den bestehenden Verhältnissen kommt der vertragsrechtlichen Marktordnung in Verbindung mit der Kontingentierung der Filmeinfuhr, wie wir in Abschnitt c hiervor gesehen haben, die Bedeutung eines Dammes gegen den Einbruch rücksichtsloser ausländischer Interessen in die schweizerische Filniwirtschaft zu.

Die auf den Interessenverträgen der Filmwirtschaft beruhende Ordnung kann vom kulturellen Standpunkt aus nicht als ideal bezeichnet werden. Man darf aber auch nicht nur die negativen Seiten sehen. Wenn die Statuten des Filmverleiherverbandes in der Schweiz und des Schweizerischen Lichtspieltheaterverbandes konkrete Bestimmungen gegen die wirtschaftliche Überfremdung des schweizerischen Filmwesens enthalten, wenn der Schweizerische Lichtspieltheaterverband seit Jahren wesentlich zur Erhaltung der Existenzgrundlage der Schweizer Filmwochenschau beiträgt und wenn der gleiche Verband sich eine Zeitlang konkret um eine Besserung der Verhältnisse auf dem Gebiete der Kinoreklame bemüht hat, so dürfen diese Dinge nicht einfach ignoriert werden. Schon deshalb nicht, weil durch das blosse Feststellen von Mängeln weder das Gute geschaffen noch eine Bereitschaft, zum Guten geweckt wird.

3. Filmkulturelle Bestrebungen Institutionell verstanden, umfasst der Begriff « Filmkultur » einen Komplex von Vereinigungen, Institutionen und Bestrebungen, die miteinander nur lose in Beziehung stehen und gegenüber der Phalanx der Filmwirtschaft in vielem
als der schwächere Teil erscheinen. Darin dürfte für den Staat ein Grund mehr liegen, sich auch der filmkulturellen Bestrebungen anzunehmen. Im einzelnen fallen unter diesen Titel u.a. das nicht gewerbsmässige Filmwesen - entsprechend zu gliedern in Herstellung, Beschaffung und Vorführung der Filme -, das kulturell orientierte Schmalfilmwesen, die künstlerische Ausbildung der Filmschaffenden (Nachwuchs), die Filmschulung Erwachsener, die Besucherorganisationen, Filmzeitschriften, Filmarchive, die Filmkritik sowie der Amateurfilm. Es wird zu gegebener Zeit zu prüfen sein, welche dieser kulturellen Bestrebungen für eine Förderung durch den Bund in Betracht fallen, und unter welchen Bedingungen.

505 Nachstehend noch einige kurze Bemerkungen im vorliegenden Zusammenhang: Den! S c h m a l f i l m , der sich durch seine technische Beschaffenheit (Dimensionen, Gewicht, keine Feuergefahr) und seine geringeren Kosten für kulturelle Zwecke besonders gut eignet, ist von unsern Filmwirtschaftsverbänden das Leben bisher nicht leicht gemacht worden. Auch dies hängt, wenigstens teilweise, mit der internationalen Verflechtung des Filmwesens zusammen. Nach einer stillschweigenden Übereinkunft werden Schmalkopien von Filmen mit Eücksicht auf die Auswertung der Normalkopien in der Kegel erst einige Zeit nach der Produktion gezogen. Die Qualität des Schmalfilms kann heute einen Grad erreichen, der den Laien kaum mehr einen Unterschied im Vergleich zum Normalfilm erkerinen lässt. Der Schmalfilm wird wahrscheinlich stets an Bedeutung zunehmen.

Der Filmschulung Erwachsener messen wir zwar nicht die gleiche, doch ähnliche Bedeutung bei wie der Erziehung der Jugend zum guten Film.

Es wäre eine oberflächliche Betrachtung der Dinge, wollte man Kurse und Vorführungen, die zu diesem Zweck von verantwortungsbewussten Institutionen (z. B. Volkshochschulen) veranstaltet werden, als blosse Liebhaberei betrachten.

Die Filmschulung als Ganzes ist deshalb so wichtig, weil sie nicht nur den einzelnen Menschen zur sinnvoll wertenden Auswahl hinführt, sondern durch die Eückwirkung der Besuchsfrequenz der Kinos auf die gesamte Filmwirtschaft das Problem des guten Films an der Wurzel erreicht und deshalb bei klugem, zielbewusstem Vorgehen auf die Dauer zu einem entsprechenden Wandel in der Programmgestaltung der Kinos führen könnte.

4. Abgrenzung gegenüber der Bundesgesetzgebung über das Fernsehen und über die Presse

a. Wir haben in Kapitel VI, Abschnitt 5, lit. b, die Gründe genannt, weshalb das F e r n s e h e n - zusammen mit dem Eundspruch - uns dem Film gegenüber grundsätzlich eine getrennte Behandlung zu erfordern scheint. Man könnte sich nun aber fragen, ob ein Filmartikel der Bundesverfassung und eine darauf sich stützende Gesetzgebung das Fernsehen nicht wenigstens insoweit unmittelbar berücksichtigen sollten, als der Film im Fernsehen Verwendung findet. Auch in dieser Beziehung haben wjr uns für eine formelle Trennung der Materien entschieden, da das Fernsehrecht des Bundes analog dem ebenfalls den Eegalien zugeordneten Kundspruchrecht als Einheit aufgefasst werden muss. Nachdem hinsichtlich der Zensur der in den Fernsehprogrammen figurierenden Filme ein Modus vivendi mit den Kantonen vereinbart worden ist und einige Kantone mit dem Erlass von Bestimmungen über die Zulassung Jugendlicher zu öffentlichen Fernsehvorführungen die auf diesem Gebiet bestehende behördliche Aufgabe wahrgenommen und zum Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht haben (s. oben Kapitel VIII, Abschnitt 4. lit. à), dürfte das Problem der rechtlichen Behandlung des Films im Bereiche des Fernsehens bzw. das Begehren nach Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

35

506 rechtsgleicher Behandlung innerhalb und ausserhalb des Fernsehens für die Filmwirtschaft doch an Schärfe verloren haben.

b. Dem Wesen der Presse ist ebenfalls ein einheitliches und selbständiges bundesrechtliches Statut gemäss. Dies dürfte im Grundsatz von niemandem bestritten werden. Wir möchten daraus aber auch die Konsequenz für die formelle Behandlung des Begehrens nach rechtlichem Schutz der Freiheit der Pressekritik ö f f e n t l i c h e r Filmveranstaltungen (s. Kapitel VII) ziehen. Die Frage fällt übrigens in den Problemkreis des vom Nationalrat am 29.September 1954 angenommenen Postulats Huber, das folgenden Wortlaut hat : «Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen und den eidgenössischen Räten Vorschläge darüber zu unterbreiten, wie, unter Wahrung berechtigter privater Interessen, das Verhältnis zwischen der Presse, den Eigentümern von Saalbauten und den Veranstaltern öffentlicher Theater-, Filmvorführungen und ähnlicher Veranstaltungen so geregelt werden kann, dass die Erfüllung der im öffentlichen Interesse gelegenen Aufgaben gewährleistet ist, insbesondere die öffentliche Berichterstattung und Kritik, die Belehrung und Unterhaltung durch wertvolle Darbietungen und die Erhaltung gesunder wirtschaftlicher Verhältnisse. »

In seiner Antwort auf die Begründung dieses Postulats durch dessen Urheber hatte sich der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements bereit erklärt, die einschlägigen Fragen, soweit sie presserechtlicher Natur sind, im Rahmen der Eevision des Artikels 55 der B u n d e s v e r f a s s u n g zu prüfen.

Im übrigen darf hier nochmals darauf hingewiesen werden, dass das Verhältnis der Filmkritiker zu den Kinotheatern auch im Bereich der Gesetzgebung bzw. Gesetzgebungspolitik einzelner Kantone Beachtung gefunden hat (s.,oben Kapitel VIII, Abschnitt 4, lit. o).

X. Grundsätzliche Bemerkungen über Tragweite, Auslegung und gesetzliche Ausführung des vorgeschlageneu Verfassungsartikels

1. Angesichts der Bedeutung, die dem Filmwesen heute im öffentlichen Leben, d.h. für das Gemeinwohl zukommt, erscheint der von uns mit dieser Botschaft Ihnen unterbreitete Entwurf zu einem Filmartikel der Bundesverfassung als durchaus massvoller Vorschlag. Nicht nur ist auf die Generalklausel («Schutz und Förderung eines unabhängigen'schweizerischen Filmwesens») und auf andere allgemeine Elemente («entsprechende Massnahmen» neben den «gesetzlichen Bestimmungen» - «Hebung der Filmkultur») sowie auf den Fähigkeitsausweis verzichtet worden: den Kantonen und den Verbänden .des Filmwesens wird überdies ein Mitspracherecht- bei der Vorbereitung gesetzlicher Bestimmungen des Bundes eingeräumt und für die genannten Verbände die Möglichkeit einer Mitwirkung beim Vollzug der Ausführungsgesetze statuiert. Wir betrachten den .gegenwärtigen Entwurf als das Minimum dessen,' was in den wenigstens ^potentiellen Bereich einer sinnvollen eidgenössischen. Filmgesetzgebung gehört.

. ..-· ,. .·· . · ;·:..·.·.

:

507 2. Bei der Auslegung des vorliegenden Textes zu einem Verfassungsartikel muss, gemäss den Voraussetzungen und den Zielen einer eidgenössischen Filmgesetzgebung, durchwegs ein spezifisch kultur- und staatspolitisches Kriterium zu Eate gezogen werden. Dabei kommt einer klaren Scheidung der drei Gesetzgebungsdomänen gewerbepolitischer, gewerbepolizeilicher und kultur- und staatspolitischer Orientierung grundlegende Bedeutung zu. Auf rein gewerbepolitische oder gewerbepolizeiliche Belange - darüber muss Klarheit bestehen - haben andere Bestimmungen der Bundesverfassung Anwendung zu finden.

3. Selbstverständlich wird für eine eidgenössische Filmgesetzgebung keine blinde Nachahmung des Auslands in Frage kommen, sondern nur die Erstrebung.von Lösungen, die unserer schweizerischen Auffassung und unserer Eigenart gemäss sind. Damit wiederum ist ein Dreifaches gegeben: a. Eine eidgenössische Filmgesetzgebung wird ihrem Wesen nach subsidiären Charakter tragen müssen, d.h. nur dort Platz greifen dürfen, wo Lösungen auf dem Boden der Freiwilligkeit, verbandsrechtliche Massnahmen und die Gesetzgebung der Kantone nicht zum Ziele führen können. Auf diesen Punkt wurde in den Vernehmlassungen bedeutender Verbände mit Eecht grosses Gewicht gelegt.

b. Wenn es sich um staatliche Kulturpflege im engern Sinne handelt, so gilt dies stets nach Massgabe der grundsätzlichen Auffassung, dass das kulturelle Leben unseres Landes der Freiheit nicht entraten kann und dass eine Förderung des schweizerischen Kulturschaffens durch den Bund sich, wie es im Bundesbeschluss vom 28. September 1949 *) über die Stiftung «Pro Helvetia» formuliert ist, «auf die in den Kantonen sowie in den verschiedenen Sprachgebieten und Kulturkreisen des Landes frei wirkenden Kräfte» stützen muss. In diesem Zusammenhang möge noch ausdrücklich festgestellt sein, dass gewissen Aufgaben, deren der Bund sich auf Grund des von uns vorgeschlagenen Verfassungsartikels unter dem Titel der Förderung filmkultureller Bestrebungen annehmen würde, kein Ausschliesslichkeitscharakter im Verhältnis zu den Kantonen zukäme. Die verfassungspolitische Rechtfertigung von Massnahmen des Bundes kann eben auch in der Notwendigkeit eines Zusammenwirkens von Bund und Kantonen auf bestimmten Gebieten liegen.

c. Eine gut beratene eidgenössische Filmpolitik wird sich unablässig
um das Ziel einer Z u s a m m e n a r b e i t zwischen Filmgewerbe und Filmkultur bemühen. Mögen auch Hindernisse entgegenstehen : das Ziel bleibt doch gültig.

Eine Zusammenarbeit, wie sie uns vorschwebt, wäre die unserem Staatsgedanken am besten entsprechende Lösung und würde staatliche Massnahmen auf weite Strecken überhaupt unnötig machen.

, t 4. Es liegt in der Natur der Dinge, dass die Ausführung einzelner Bestimmungen des vorgeschlagenen Verfassungsartikels Abweichungen von der Handels; .und ' G e w e r b q f r e i h e i t implizieren würde. Das gilt von der Regë*) AS 1949, II, 1347.

.

' · · ' · ' · '·'"·' ''·'-'·' ·'·'··'

508 lung der Filmeinfuhr und von der Normierung der Eröffnung und Umwandlung von Betrieben der Filmvorführung. Ein ausdrücklicher Vorbehalt im Filmartikel ist nicht notwendig, da Artikel 31, Absatz l, der Bundesverfassung die auf dieser und der ihr entsprechenden Gesetzgebung beruhenden Ausnahmen von der Handels: und Gewerbefreiheit in allgemeiner Weise vorbehält. Keine Abweichungen von der Handels- und Gewerbefreiheit kommen unseres Erachtens für die Förderung der einheimischen Filmproduktion und filmkultureller Bestrebungen in Frage. Mag das Obligatorium der Vorführung einer bestimmten Quote einheimischer Filme in den bedeutendsten Filmproduktionsländern Europas heute eine durchaus geläufige, ja selbstverständliche Schutzmassnahme darstellen: als unmittelbarer Eingriff des Staates in die Qualitätsauslese auf kulturellem Gebiete scheint sie uns der schweizerischen Auffassung zu widerstreben.

5. Wie wir schon zu Beginn des Kapitels IX bemerkt haben, sind Festlegungen in bezug auf die Ausführung des vorgeschlagenen Verfassungsartikels heute im einzelnen noch nicht möglich. Für jede gesetzgeberische Frage müssen eine sorgfältige Prüfung der Spezialmaterie und die Berücksichtigung der - auf dem Filmgebiet verhältnismässig rasch vonstatten gehenden - künftigen Entwicklung der Dinge vorbehalten bleiben.

6. Die Frage, ob auf Grund eines Verfassungsartikels über das Filmwesen ein umfassendes Bundesgesetz oder eine Mehrheit von Bundesgesetzen b z w . Bundesbeschlüssen zu erlassen wäre, muss hier ebenfalls offen bleiben. Auf Grund unserer bisherigen Erfahrungen wären wir eher geneigt, dem letzteren Modus den Vorzug'zu geben. Unsere Gründe sind folgende: Bücksicht auf eine organische Eechtsentwicklung, zweckmässiges zeitliches Disponieren nach dem Dringlichkeitsgrad der einzelnen Probleme, Möglichkeit einer durchgreifenden Bearbeitung der einzelnen Materien sowie leichtere Anpassung gesetzlicher Bestimmungen an die rasche Weiterentwicklung des Filmwesens. Freilich wird bei einer Teilung der Gesetzgebungsmaterie darauf Bedacht genommen werden müssen, dass dem Einfluss von Sonderinteressen auf das Schicksal der Filmgesetzgebung im ganzen nicht Vorschub geleistet werde.

Dass wir dem Gedanken eines «eidgenössischen Filmvogts» durchaus abhold sind, dürfte aus dem Inhalt der vorliegenden Botschaft mit hinreichender Klarheit hervorgehen. Als vollends abwegig müsste der Wunsch bezeichnet werden, auf dem Weg einer eidgenössischen Filmgesetzgebung die Verstaatlichung des schweizerischen Filmwesens anzustreben. In dieser Beziehung hat schon der Urheber des Postulats Nr. 5616 betreffend Filmgesetzgebung, Herr Nationalrat Emil Frei, bei der Begründung eines andern von ihm eingereichten Filmpostulats in der Sitzung des Nationalrats vom 16.März 1954 die nötigen Klarstellungen gemacht.

509 Man darf von einer eidgenössischen Filmgesetzgebung nicht alles erwarten.

Wir möchten hier nochmals auf die grundlegende Bedeutung einer freiwilligen Zusammenarbeit der am schweizerischen Filmwesen beteiligten und interessierten Kreise als wesentliche Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung der Dinge hinweisen. Eine solche Zusammenarbeit hätte, wie gesagt, zur Folge, dass der Bund von den ihm zugedachten verfassungsrechtlichen Befugnissen nur einen sparsamen Gebrauch machen müsste. Im übrigen ist die Förderung des guten Films, verbunden mit der Bekämpfung des schlechten, eine Aufgabe, die sich für jeden einzelnen Staatsbürger und für alle verantwortungsbewussten Gemeinschaften stellt.

Wir empfehlen Ihnen, auf die Beratung der Vorlage einzutreten und unsern Entwurf zum Beschluss zu erheben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 24.Februar 1956.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Feldmann Der Bundeskanzler: Ch. Oser

510 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 27ter betreffend das Filmwesen Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Artikel 85, Ziffer 14, Artikel 118 und Artikel 121, Absatz l, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 24. Februar 1956, beschliesst :

I.

In die Bundesverfassung wird folgende Bestimmung aufgenommen: Art. 27^ 1

Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen zu erlassen über die Förderung der einheimischen Filmproduktion und filmkultureller Bestrebungen, über die Begelung der Filmeinfuhr und über die Eröffnung und Umwandlung von Betrieben der Filmvorführung.

2 Vor Erlass solcher Bestimmungen sind die Kantone und die kulturellen und wirtschaftlichen Verbände des Filmwesens anzuhören.

3 Die Verbände des Filmwesens können zur Mitwirkung beim Vollzug der Ausführungsbestimmungen herangezogen werden.

4 Die Zensur der Filmvorführungen und der Kinoreklame, der Jugendschutz, das Unterrichtsfilmwesen sowie der Erlass und die Durchführung bau- und betriebspolizeilicher Bestimmungen bleiben in der Zuständigkeit der Kantone.

5 Sofern der Bund die Eröffnung und die Umwandlung von Betrieben der Filmvorführung von Bewilligungen abhängig macht, sind die Kantone für deren Erteilung und für die Ordnung des Verfahrens 'zuständig.

II.

Dieser Beschluss wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

2471

511 Tabelle I Anzahl der in der Schweiz hergestellten Spielfilme 1933-1954

1933 1934

l 21) 32) l 3) 2 3 2 2 l 2) 1 !)

l !)

2 9

1935 1936 1937 1938 1939 1940

1941 1942 1943 1944 1945 1947. . . .'"^ 1948 1949 1951 1952 1953.

1954 1955

·

13 11 5 2 l l l l l 2 2 l 3

1

) Gemeinschaftsproduktion mit Prankreich.

) Gemeinschaftsproduktion mit Deutschland.

8 ) In Österreich mit ausländischen Filmschaffenden hergestellt.

2

Tabelle II Liste der jährlich eingeführten

Spielfilme

Jahr

Filme

Jahr

Filme

1934 1935 1936 1937 1938 1939 !)

1940 1941 19432) 19442) 1945 3)

578 676 666 651 710 502 352 472 283 158 606

1946. . . .'

1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955

420 439 507 472 507 455 450 527 438 513

1

) Wirksamkeit der Einführung der Kontingentierung.

) Filmsperre in Lissabon.

3 ) Aufhebung der Filmsperre.

2

512 Tabelle III

Kinos in der Schweiz und Plätze pro 1000 Einwohner Deutsche Schweiz

Jahr

1935.

1936.

1937.

1938.

1939.

.1940.

1941.

1942.

1943.

1944.

1945.

1946.

1947.

1948.

1949.

1950.

1951.

1952.

1953.

1954.

1955.

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

. ..

199 ISO207 202 202 206 206 211 211 219 219 242 242 260 260 291 291 322 321 328 337

Französische Schweiz

.

122 122 125 123 123 122 122 105 105 108 108 115 115 120 120 139 139 149 166 167 171

Tessin

Total

22

22 23 23 23 23 23 22 22 23 23 23 23 25 25 29 29 38 43 44 45

.

343 343 355 348 348 351 351 338 338 350 350 380 380 405 405 459 459 509 530 539 553

Plätze pro 1000 Einwohner

-- --

:--

--

31 31 33 33 36 36 38 38 39 39

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 27ter betreffend das Filmwesen (Vom 24. Februar 1956)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1956

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

09

Cahier Numero Geschäftsnummer

7074

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

01.03.1956

Date Data Seite

457-512

Page Pagina Ref. No

10 039 324

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.