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Schweizerisches Bundesblatt.

XXVI.Jahrgang..II..

Nr. 30.

9. Juli 1874.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken, Einrükun gsge b u hr per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Bundesgesez über

die Organisation der Bundesrechtspflege.

(Vom 27. Juni 1874.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung der Art. 106--114 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 und in Abänderung des Bundesgesezes vom 5. Brachmonat 1849 über den nämlichen Gegenstand, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 23. Mai 1874, beschließt:

I. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 1. Das Bundesgericht besteht aus n e u n M i t g l i e d e r n , und eben so vielen Ersazmännern.

Art. 2. Die Mitglieder des Bundesgerichts und die Ersazmänner werden von der Bundesversammlung gewählt. Hei der Wahl derselben soll darauf Bedacht genommen werden, daß alle drei Nationalsprachen vertreten seien (Art. 107 der Bundesverf.).

Art. 3. In das Bundesgericht kann jeder Schweizerbürger ernannt werden, der in den Nationalrath wählbar ist.

Die Mitglieder der Bundesversammlung und des Bundesrathes und die von diesen Behörden gewählten Beamten können nicht Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd.II.

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426 gleichzeitig Mitglieder des Bundesgerichts sein (Art. 108 der Bundesverf.)

Art. 4. Die Mi glieder des Bundesgerichts dürfen keine andere Beamtung, sei es irr Dienste der Eidgenossenschaft, sei es in einem Kantone bekleiden, .loch irgend einen andern Beruf oder Gewerbe treiben (Art. 108 der Bundesverf.)

Demgemäß dürfen sie auch nicht bei Erwerbsgesellschaften die Stellung von Direktoren oder von Mitgliedern des Verwaltungsrathes einnehmen.

Art. 5. Blutsverwandte und Verschwägerte in auf- und absteigender Linie unbeschränkt, und in der Seitenlinie bis und mit dem Grade von Geschwisterkindern, sowie Ehemänner von Schwestern können nicht gleichzeitig Mitglieder oder Ersazmänner des Bundesgerichtes sein.

Ebensowenig ist es zuläßig, daß zwei in einem solchen Ausschlußverhältniß stehende Personen bei dem Bundesgericht oder einer Abtheilung desselben in irgend einer Weise, sei es als Richter oder Gerichtschreiber oder Untersuchungsrichter oder Staatsanwalt, gleichzeitig angestellt seien.

Ein Justizbeamter, welcher durch Eingehung einer Ehe in ein Ausschlußverhältniß mit einem andern Beamten der Bundesrechtspflege eintritt, verzichtet damit auf seine Stelle.

Art. 6. Die Amtsdauer der Mitglieder und Ersazmänner des Bundesgerichts ist auf s e c h s J a h r e festgesezt.

Die erste Wahl findet unmittelbar nach dein Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesezes und des im Art. 11 vorgesehenen Bundesbeschlusses statt.

Stellen, welche während der Amtsdauer erledigt werden, sind in der nächstfolgenden Sizung der Bundesversammlung für den Rest der Amtsdauer wieder zu besezen.

Ari. 7. Der P r ä s i d e n t und der V i c e - P r ä s i d e n t des Bundesgerichtes werden von der Bundesversammlung aus den Mit,gliedern desselben auf zwei Jahre gewählt.

Sind Präsident und Vicepräsident verhindert, so führt das erstgewählte Mitglied den Vorsiz.

Art. 8. Dem Bundesgerichte steht die Wahl zweier Ger i c h t s sch r e i b er ar, von denen der eine der deutschen, der andere der romanischen Schweiz angehören soll. Beide sollen der deutschen und französischeen und wenigstens einer auch der italienischen Sprache mächtig sein. Diese Wahl geschieht durch geheimes Stimmenmehr auf eine Amtsdauer von 6 Jahren.

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Die Gerichtsschreiber führen beim Bundesgerichte und seinen Abtheilungen das Protokoll. Das Bundesgericht bezeichnet im Uebrigen den Geschäftskreis der beiden Gerichtsschreiber. In Fällen von Verhinderung eines Gerichtsschreibers bezeichnet der O Präsident einen Stellvertreter.

Art. 9. Das Bundesgericht stellt, innerhalb der Schranken des ihm hiefür anzuweisenden Kredites, das nothwendige Kanzleipersonal, sowie die zur Bedienung des Gerichtshofes erforderlichen Weibel an.

Art. 10. Zur Vornahme von Wahlen und zur Fassung aller in die Kompetenz des Bundesgerichtes fallenden civil- und staatsrechtlichen Entscheidungen ist die A n w e s e n h e i t von wenigstens s i e b e n M i t g l i e d e r n erforderlich.

Bei allen solchen Entscheidungen muß die Zahl der Richter, den Präsidenten Inbegriffen, eine u n g e r a d e sein. Der Präsident, nimmt Theil au der Berathung und Abstimmung.

Art. 11. Der A m t s s i z des Bundesgerichtes und seiner Kanzlei wird durch einen besondern Bundesbeschluß bezeichnet.

Dieser Amtssiz hat die für das Gericht und seine Abtheilungen, für die Kanzlei und das Archiv jeweilen erforderlichen zwekentsprechenden Räumlichkeiten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, zu möbliren und zu unterhalten. Die hiefür erforderlichen Anordnungen unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes.

Art. 12. Die Mitglieder des Bundesgerichtes und die; Gerichtsschreiber sind verpflichtet, in dem bezeichneten Amtssize zu wohnen.

Die Bestimmungen des Bundesgesezes vom 23. Dezember 1851 (III, 33) über die politischen und polizeilichen Garantien (Art. 1--(>), betreffend die personlichen Verhältnisse der Mitglieder des Bundesrathes und des Kanzlers, finden analoge Anwendung auf die Mitglieder des Bundesgerichtes und auf die Gerichtsschreiber.

Art. 13. Die Bestimmungen der Art. 3 (Lemma 2), 4und 12 finden keine Anwendung auf die E r s a z m a n n er des Bundesgerichts.

Art. 14. Die Bundesrichter beziehen einen Jahrgehalt von Fr. 10,001), der Präsident einen solchen von Fr. 11,000, die Ge· richtsschreiber Fr. 6-8000. Die Ersazmänner und die übrigen Justizbeamten werden durch Taggelder entschädigt, deren Betrag durch besondere Beschlüsse geregelt wird.

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Art. 15. Sofern der Stand der Geschäfte es erlaubt, ist das Bundesgericht befugt, alljährlich ein- oder zweimal F erien anzuordnen, während welcher sich sämmtliche Mitglieder, mit Ausnahme des Präsidenten oder Vicepräsidenten, vom Amtssize entfernen dürfen.

Die Dauer dieser Ferien darf jedoch vier Wochen im Jahre nicht übersteigen.

Daneben kann das Bundesgericht, wenn genügende Gründe dafür vorliegen, einzelnen seiner Mitglieder, sowie den Gerich tsschreibern, U r l a u b ertheilen.

Art. 16. Ein Bundesrichter oder ein Ersazmann des Bundesgerichtes darf das Richteramt n i c h t a u s ü b e n : 1) in allen Angelegenheiten, in welchen er, seine Frau, seine Verlobte, seine Verwandten und Verschwägerten, in der geraden Linie unbeschränkt und in der Seitenlinie bis und mit dem Grad von Geschwisterkindern, oder in welchen der Ehemann der Schwester seiner Frau in dem Ausgange des Streites ein mittel- oder unmittelbares Interesse haben ; 2) in Sachen einer Person, deren Vormund er ist ; 3) in einer Angelegenheit, mit Beziehung auf welche er bereits in anderer Stellung, sei es als Mitglied einer administrativen oder richterliehen Behörde des Bundes, oder eines Kantons, oder als Justizbeamter, oder als Schiedsrichter, oder als Bevollmächtigter oder Sachwalter einer Partei, oder als Sachverständiger oder als Zeuge gehandelt hat; 4) in Angelegenheiten einer juristischen Person, deren Mitglied er ist, in Streitfällen, bei welchen sein Heimatkanton oder seine Gemeinde als Prozeß partei erscheint, und bei Beschwerden, welche gegen die gesezgebende Behörde oder die Regierung seines Heimatkantons gerichtet sind.

Trifft bei einem Bundesrichter oder Ersazmann eine Bestimmung dieses Artikels zu, so hat er dieß rechtzeitig dem Präsidenten des Bundesgerichtes oder der betreffenden Abtheilung anzuzeigen.

Art. 17. Ein Bundesrichter oder Ersazmann kann von den Parteien a b g e l e h n t w e r d e n oder seinerseits den Ausstand ver l a n g e n : 1) wenn er in ei lern persönlichen Feindschafts- oder Abhängigkeitsverhältniß zu einer der streitenden Parteien steht; 2) wenn er über den zu beurtheilenden Fall seit dessen Auhängigmachung beim ï undesgericht seine Mciuung ausgesprochen h» t.

429 Ablehnungsgesuche, sowohl von Seite eines Richters als der Parteien, sind rechtzeitig dem Präsidenten des Bundesgerichtes, beziehungsweise seinem Stellvertreter einzureichen. Rührt das Gesuch von einer Partei her, BÖ theilt der Präsident dasselbe dem betreffenden Mitgliede und der Gegenpartei zur Beantwortung mit. Tu streitigen Fällen entscheidet über ein solches Gesuch das Bundesgericht.

Art. 18. Das Bundesgericht in seiner Gesammtheit kann nicht abgelehnt werden.

Sollten in einem einzelneu Falle so viele Mitglieder und Ersazmänner rekusirt werden, daß keine giltige Verhandlung stattfinden könnte, so bezeichnet der Vorsizende des Bundesgerichtes durch das Loos, aus der Zahl der Obergerichtspräsidenten der Kantone, so viele a u ß e r o r d e n t l i c h e E r s a z männer, als erforderlich sind, um die Rekusationsfrage und nöthigenfalls auch die Hauptsache selbst beurtheilen zu können.

Art. 19. Die Justizbeamten des Bundes sollen, bevor sie ihre Funktionen antreten, auf getreue Pflichterfüllung beeidigt, werden.

Das Bundesgericht wird durch die Bundesversammlung beeidigt ; diejenigen Mitglieder uud Ersazmänner, welche bei dieser Feierlichkeit nicht anwesend sind, leisten den Eid in der ersten Gerichtssizung, welcher sie beiwohnen.

Die Gerichtsschreiber und deren Stellvertreter, die Untersuchungsrichter und deren Schriftführer, werden durch den Präsidenten oder ein von ihm zu bezeichnendes Mitglied des Bundesgerichtes beeidigt. Die Bundesanwalte hingegen leisten den Eid vor dem Bundesrathe.

Ueber die Beeidigung wird jeweilen ein Protokoll aufgenommen.

Diejenigen Gerichtspersonen, denen ihre Ueberzeugung die; Leistung eines Eides nicht gestattet, können an Stelle desselben ein Handgelübde ablegen.

Art. 20. Die Berathungen und Abstimmungen des Bundesgerichts und seiner Abtheilungen sind ö f f e n t l i c h .

Diese Bestimmung findet jedoch auf die Verhandlungen der Geschwornen und der Anklagekammer keine Anwendung.

Art. 21. Die P r ä s i d e n t e n des Bundesgerichtes und seiner verschiedenen Abteilungen nehmen die bei jeder Gerichtsstelle einlaufenden Akten in Empfang und führen über deren Eingang, sowie über die von ihnen getroffenen Verfügungen fortlaufende Protokolle.

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Art. 22. Der Präsident ordnet je nach dem Stande der Geschäfte die Gerichtssizungen an und trifft die dafür nöthigen Vorbereitungen. Er kniet die gerichtlichen Verhandlungen und sorgt für Ruhe und Ordnung. Personen, welche sieh seinen Weisungen nicht unterziehen, kann er aus dem Sizungssale abtreten und nöthigenfalls bis auf 24 Stunden in Haft sezen lassen.

Art. 23. Der P räsident überwacht die Thätigkeit der Instruktionsrichter, der Gerichtsschreiber und der unteren Angestellten.

Art. 24. Alljährlich erstattet das Bundesgericht der Bundesversammlung einen einläßlichen B e r i c h t über die Bundesrechtspflege nach ihren verschiedenen Richtungen.

Art. 25. Die iur die Bundesrechtspflege aufgestellten Behörden und einzelnen Beamten können alle Amtshandlungen, für welche sie zuständig sind, i n j e d e m K a n t o n vornehmen, ohne vorher die Einwilligung der Kantonsbehörden nachzusuchen.

O O Den im Interesse der Rechtspflege gestellten Begehren der eidgenössischen Justiz bea inten sollen die kantonalen Behörden in ihrem Amtskreise entsprechen.

Art. 26. Der Bi ndesrath macht der Kasse des Bundesgerichtes die erforderlichen V o r s c h ü s s e . Die Gerichtskauzlei führt über alle Einnahmen und Ausgaben genaue Rechnung.

II. Civilrechtspflege.

Art. 27. Das Bu ndesgericht beurtheilt civilrechtliche Streitigkeiten : 1) zwischen dem B u n d e und einem oder mehreren K a n t on e n; 2) zwischen K o r p o r a t i o n e n oder P r i v a t e n als Klägern und dem B u n d e als Beklagten, soferne der Streitgegenstand einen Hauptwerth von wenigstens Fr. 3000 hat; 3) zwischen den K a n t o ne u unter sich ; 4) zwischen den K a n t o n e n einerseits und K o r p o r a t i o n e n oder P r i v a t e n anderseits, wenn der Streitgegenstand einen Hauptwerth von wenigstens Fr. 3000 hat und die eine oder andere Partei es verlaugt.

Das Bundesgericht urtheilt ferner über Anstände betreffend H e i m a t l o s i g k e i t , nach Anleitung des Bundesgesezes vom 3.Dezember 1850 (II, 138), sowie über B ü r g e r ree ht s Streitigkeiten zwischen Gemeinden verschiedener Kantone (Art. 110 der Bundesverfassung.)

431 Art. 28. Weiterhin hat das Bundesgericht zu entscheiden in allen denjenigen Fällen, welche die Bundesgesezgebung mittels Spezialgesezen der Beurtheilung des Bundesgerichts unterstellt ( Art.

114 der Bundesverf.)

Insbesondere- urtheilt das Bundesgericht infolge bisher erlassener Bundesgeseze : a) über Expropriationsstreitigkeiten bei Eisenbahnen und andern öffentlichen Werken, auf welche das Bundesgesez vom l. Mai 1850 (I, 319) von der Bundesversammlung anwendbar erklärt wird, nach Anleitung dieses Gesezes, beziehungsweise der Novelle, zu demselben vom 18. Juli 1857 (V. 568); b) über die S c h e i d u n g g e m i s c h t e r E h e n , nach Anleitung das Bundesgesezes vom 3. Februar 18(52 (VII, 126); c) über alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen dem B u n d e und einer E i s e n b a h n gesellschaft, gemäß Art. 3l) des Bundesgesezes über die Eisenbahnen vom 23. Dezember 1872 (XI, 1), insbesondere über die in den Artikeln 14, 19, 24 und 33 dieses Gesezes vorgesehenen Entschädigungsfragen ; d) über Entschädigungsforderungen der Ei se n bah n Verw a l t u n g e n an P r i v a t e , in den im Artikel 15, Lemma 2 des nämlichen Gesezes vorgesehenen Fällen : e) über Entschädigungsforderungen einer Eis e n b a h n Verw a l t u n g an die a n d e r e , in den Fällen des Art. 30, Lemma 3 des nämlichen Gesezes; f) über alle bei der Z w a n g sl i qui d a t i o n von E i s e n b a h n e n entstehenden Fragen, nach Anleitung des Bundesgesezes vom 24. Juni 1874 über diesen Gegenstand.

Art. 20. In Rechtsstreitigkeiten, die von kantonalen Gerichten nach eidgenössischen Gesezen zu entscheiden sind und deren Gegenstand einen Hauptwerth von wenigstens Fr. 3000 hat oder seiner Natur nach einer Schäzung nicht unterliegt, ist jeder Partei das Recht geöffnet, bei dem Bundesgerichte die A b ä n d e r u n g des leztinstanzlichen kantonalen Haupturtheiles nachzusuchen.

Für die Werthbestimmung ist der Betrag maßgebend, welcher bei dem lezten Entscheide der kantonalen Gerichte, noch streitig war.

Im Einverständnisse beider Parteien können in solchen Recht sstreitigkeiten auch erstinstanzliche kantonale, Haupturtheile, mit Umgehung einer zweiten Instanz in den Kantonen, sofort an das Bundesgericht gezogen werden.

Art. 30. Für dieses Rechtsmittel besteht eine peremtorische Frist von 20 Tagen, von der Mittheilung des angefochtenen Urtheils an

432 gerechnet. Die Prozeßpartei, welche davon Gebrauch machen will, hat sich darüber binnen dieser Frist bei der kantonalen Gerichtsstelle, die das Urtheil erlassen hat, zu erklären. Geschieht dieß, so hat die betreffende Gerichtsstelle das Urtheil sammt den Akten beider Parteien binnen einer Frist von 14 Tagen, von der abgegebenen Erklärung an gerechnet, dem Präsideuten des Bundesgerichts einzusenden.

Nach Empfang der Akten sezt der Präsident den Tag fest, an welchem das Geschäft bei dem Bundesgericht zur Verhandlung kommen soll, und läßt den Parteien davon Kenntniß geben.

Die Parteien haben das Recht, an dem festgesezten Tag vor dem Bundesgericht zu erscheinen und das Streitverhältniss mündlich vorzutragen oder durch Bevollmächtigte vortragen zu lassen.

Das Bundesgericht hat seinem Urtheile den von den kantonalen Gerichten festgestellten Thatbestand zu Grunde zu legen. Sollte aber über bestrittene Thatsachen, welche von entscheidendem Einflüsse auf die Urtheilsfällung sind, durch die kantonalen Instanzen ein Beweis überhaupt nicht zugelassen worden sein, so kann das Bundesgericht eine Aktenvervollständigung durch die nämliche Instanz, welche das Urtheil gefällt hat, anordnen und hierauf ohne weitere Parteivorträge das Endurtheil erlassen.

Art. 31. Das Bundesgericht ist verpflichtet, die Beurtheilung auch anderer, als der in den Artikeln 27--29 genannten Rechtsfalle zu übernehmen: 1) wenn durch die V e r f a s s u n g oder die G e s e z g e b u n g eines Kantons bestimmte Rechtsstreitigkeiten an das Bundesgericht gewiesen werden, wozu jedoch die Genehmigung der Bundesversammlung erforderlich ist; 2) wenn dasselbe von b e i d e n P a r t e i e n angerufen wird und der Streitgegenstand einen Hauptwerth von wenigstens Fr. 3000 hat (Art. 111 der Bundesverf.)

III. Strafrechtspflege.

Art. 32. Das Bundesgericht urtheilt mit Zuziehung von Geschwornen, welche über die Thatfrage absprechen, in Straffällen : 1) über H o c h v e r r a t h gegen die Eidgenossenschaft, A u f r u h r und G e w a l t t hat gegen die Bundesbehörden ;

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2) über Verbrechen und Vergehen gegen das V ö l k e r r e c h t ; 3) über politische Verbrechen und Vergehen, die Ursache oder Folge derjenigen Unruhen sind, durch welche eine bewaffnete eidgenössische I n t e r v e n t i o n veranlaßt wird; 4) in Fällen, wo von einer Bundesbehörde die von ihr ernannten B e a m t e n dem Bundesgerichte zur strafrechtlichen Beurtheilung überwiesen werden (Artikel 112 der Bundesverfassung).

Weitere Bestimmungen über die Kompetenz der Bundesassisen sind in den Artikeln 73 bis 77 des Bundesstrafrechtes vom 4. Februar 1853 ("III, 404) enthalten.

Art. 33. Das Bundesgericht ist verpflichtet, die Beurtheilung auch anderer als der im Art. 32 genannten Straffälle zu übernehmen, wenn solche durch die Verfassung oder die Gesezgebung eines Kantons ihm zugewiesen werden und die Bundesversammlung hiezu ihre Zustimmung ertheilt.

Art. 34. Für die Verwaltung der Strafrechtspflege (heilt sich das Bundesgericht in eine Anklagekammer, eine Kriminalkammer und ein Kassationsgericht. Im Anfange eines jeden Jahres werden diese drei Kammern für die Dauer desselben neu gewählt.

Kein Richter kann in einer und derselben Sache in mehreren.

Abheilungen des Bundesgerichtes sizen.

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Art. 35. Die An k lag e k a m m e r besteht aus drei Mitgliedern und aus eben so vielen Ersazmännern, welche in Fällen von Verhinderung der Mitglieder einberufen werden. Das erstgewählte Mitglied ist Präsident.

Art. 36. Unter der Leitung und Aufsicht der Anklagekammer stehen zwei U n t e r s u c h u n g s r i c h t e r , welche das Bundesgericht fui eine Amtsdauer von sechs Jahren ernennt. Sie bezeichnen selbst ihre Schriftführer ; jedoch ist diese Wahl dem Präsidenten der Anklagekammer zur Genehmigung vorzulegen.

In Verhinderungsfällen der ordentlichen Untersuchungsrichter können durch das Bundesgericht oder, wenn dasselbe nicht gerade versammelt ist, durch den Präsidenten des Gerichtes außerordentliche Untersuchungsrichter ernannt und einberufen werden.

Art. 37. Der Bundesrath bezeichnet in jedem einzelnen Falle den B u n d e s a 11 w a l t .

Art. 38. Die K r i m i n a l k a m m e r, welche au allen Sizungen der Bundesassisen Theil zu nehmen hat, besteht aus drei Mitgliedern. Für Verhinderungsfälle werden ihr drei Ersazmänner bei-

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gegeben. Es sollen in dieser Kammer alle drei Nationalsprachen vertreten sein. Der Präsident wird für jede einzelne Sizung vom Bundesgericht bezeichnet.

Sollte ein Mitglied oder Ersazmann der Kriminalkammer durch unvorhergesehene Umstände verhindert sein, an einer Assisensizung Theil zu nehmen, so kann der Präsident derselben ein Mitglied einer kantonalen Gerichtsstelle zum außerordentlichen Ersazmann ernennen und einberufen.

Art. 39. Die Bundesassisen bestehen aus der Kriminalkammer und aus zwölf G e sch wo r n e u , welche in den Kantonen vom Volke gewählt und sodann aus der Liste jedes Bezirkes herausgeloost werden.

Art. 40. Das Gebiet der Eidgenossenschaft wird in folgende fünf Assisenbezirke eingetheilt: Der erste Bezirk umfaßt die Kantone Genf, Waadt, Freiburg (mit Ausnahme der Gemeinden, in denen die deutsche Sprache vorherrscht), Neuenburg und diejenigen Gemeinden der Kantone Bern und Wallis, in denen die französische Sprache das Uebergewicht hat.

Der zweite Bezirk besteht aus den Kantonen Bern (mit Ausnahme des, dem ersten Bezirke zugewiesenen Landestheils), Solothurn, Basel und Luzern, sowie aus den deutschsprechenden Gemeinden der Kantone Freiburg und Wallis.

Der dritte Bezirk enthält die Kantone Aargau, Zürich, Schaffhausen, Thurgau, Zug, Schwyz und Unterwaiden.

Der vierte Bezirk begreift in sich die Kantone Uri, Glarus, Appenzell, St. Gallen und Graubünden (mit Ausnahme der Gemeinden, iu denen die italienische Sprache vorherrscht).

Der fünfte Bezirk endlich besteht aus dem Kanton Tessin und den italienisch redenden Gemeinden des Kautons Graubünden.

In deu vier ersten Bezirken wird auf je 1000 Einwohner, im fünften Bezirke auf je 500 Einwohner ein Geschworner gewählt und in die Liste des Bezirks eingetragen.

ö O Art. 41. Jeder nach Art. 74 der Bundesverfassung stimmberechtigte Schweizer k a n n zum Geschwornen e r n a n n t w e r d e n . Ausgenommen sind jedoch : 1) Die Mitglieder der obersten kantonalen Gerichtsbehörden, sämmtliche Gerichtspräsidenten, Verhörrichter und Staatsanwalte, sowie alle eidgenössischen und kantonalen Vollziehungsbeamten, mit Ausnahme der Gemeindebeamten:

2) Die Geistlichen; 3) Die Angestellten in den Verhalts- und Strafanstalten ; 4) Die Polizeiangestellten.

Art. 42. Jeder, der zum Geschwornen ernannt wird, ist verp f l i c h t e t , dem an ihn gerichteten Rufe Folge, zu l e i s t e n .

Ausgenommen sind : 1) Alle, welche das 60. Altersjahr zurükgelegt haben; 2) Jeder, der auf der lezten Geschwornenliste sich befunden hat; 3) Diejenigen, welche wegen Krankheit oder in Folge irgend eines Gebrechens außer Staude sind, die Pflichten eines Geschwornen zu erfüllen.

Art. 43. Der Entscheid der Frage, ob Jemand fähig oder verpflichtet sei, sich auf die Geschwornenlisten sezen zu lassen, sieht don Kantonsregierungen zu.

Dieselben Übersenden die kantonalen Gesell wornenlist en dem Bundesgerichte, welches daraus die Bezirkslisten (Art. 40) zusammensezt und veröffentlicht.

Wenn Geschworne aus irgend einem Grunde diese Eigenschaft verlieren oder mit Tod abgehen, so hui die Kantonsregierung hie von demBundesgerichtee Anzeige zu machen, damit sie aus der Liste gestrichenwerden..

Art. 44. Die E r n e u e r u n g der Gesch worn enlist eu erfolgt je von sechs zu sechs Jahren. Der Bundesrath sorgt dafür, dass die neuen Listen rechtzeitig angefertigt werden.

O O Art. 45. Vor jedem Zusammentritt der Bundesassisen laut die Kriminalkammer in öffentlicher Sizung die Namen der Geschworncn des Bezirkes, in welchem die Verhandlung stattfinden soll, in eins Urne einwerfen und sodann vierundfünfzig derselben herausziehen, verlesen und protokolliren.

Abschriften der so gebildeten engem Liste werden unverzögert dem vom Bundesrathe bezeichneten Staatsanwalte, sowie, dem Angeklagten oder seinem Vertheidiger zugestellt.

Art. 46. In jedem an die Assisen gewiesenen Falle kann der Bundesanwalt zwanzig Geschworene v e r w e r f e n , und ebensoviele, der Angeklagte.

Sind in einem Falle mehrere Angeklagte, so können sie sich über die Ausübung des Verwerfungsrechtes vereinigen, od1er es kann

436 jeder von ihnen sein Recht für sich besonders ausüben. In beiden Fällen dürfen sie aber die Anzahl der Rekusationen, die einem einzelnen Angeklagten erlaubt sind, nicht überschreiten. Verständigen sich die Angeklagten nicht über die Ausübung des Verwerfungsrechtes, so bestimmt unter ihnen das Loos, in welcher Ordnung jeder seine Rekusationen vorzubringen hat. Die Geschwornen, welche auf diese Weise von einem Angeklagten rekusirt wurden, sind es dann für alle, bis die Anzahl der gestatteten Rekusationen erschöpft ist.

Art. 47. Innerhalb 14 Tagen, vom Empfange der in Art. 45 erwähnten Abschrift an gerechnet, sind die Rekusationen mündlich oder schriftlich dem Präsidenten der Kriminalkammer anzumelden.

Wer dieses unterläßt, wird angesehen, als habe er auf sein Recht verzichtet.

Art. 48. Sind 40 Geschworne rekusirt worden, so werden die übrig gebliebenen v i e r z e h n zu den Assisen e i n b e r u f e n .

Haben nicht so viele Rekusationen stattgefunden, so bezeichnet die Kriminalkammer unter den nicht verworfenen Geschwornen die einzuberufenden vierzehn durch das Loos.

In beiden Fällen wird ebenfalls durch das Loos ausgemittelt, welche zwei von den 14 Geschwornen als E r s a z m ä n n e r der Jury beizugeben seien.

Art. 49. Dem Präsidenten der Kriminalkammer steht es frei, zu einer Assisensizung, bei welcher eine beträchtliche Anzahl von Anklagen zu beurtheilen ist, oder aus andern gewichtigen Gründen a l l e auf der engern Liste befindlichen 54 Geschwornen einzuberufen und das Rekusationsrecht erst beim B e g i n n der V e r h a n d l u n g e n ausüben zu lassen.

Art. 50. Die Einladungen zu den Assisen sollen den Geschwornen wenigstens sechs Tage vor der Sizung zugestellt werden.

Art. 51. Die Kriminalkammer bezeichnet jeweilen den O r t , wo die Assisen gehalten werden.

In der Regel soll jedes Verbrechen oder Vergehen in demjenigen Assisenbezirke beurtheilt werden, in welchem es verübt worden ist. Im Interesse einer unbefangenen Rechtspflege oder der öffentlichen Sicherheit kann jedoch hievon eine Ausnahme gemacht werden.

Art. 52. Für jede Sizung der Bundesassisen soll die Kantoneregierung des Ortes, wo sie gehalten wird, ein angemessenes L o k a l

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zur Verfügung stellen. Barauslagen für notwendige Einrichtungen werden aus der Gerichtskasse vergütet. Dagegen dürfen keine Miethzinse berechnet worden.

Art. 53. Wachen, Bedekungen und Gefangenwärter werden auf Ansuchen des Assisenpräsidenten oder des Untersuchungsrichters durch die, Behörden des Kantons, in welchem das Verfahren vor sich geht, einberufen. Die Kosten trägt die Gerichtskasse.

Art. 54. Die V e r h a f t e t e n werden in den Kantonalgefängnissen untergebracht. Ihre Verpflegung wird nach dem gesezlichen Tarif des Kantons aus der Gerichtskasse vergütet. Mit Bezug auf ihre Ueberwachung und Behandlung hat jedoch der Gefangenwärter die Befehle des eidgenössischen Untersuchungsrichters, beziehungsweise des Assisenpräsidenten zu befolgen.

Art. 55. Das K a s s a t i o n s g e r i c h t hat theils über Kassations-, Revisions- und Rehabilitationsgesuche in Kriminalfällen (.Art. 135 bis 168, 175 bis 182 des eidg. Strafprozessgesezes, II, 743), theils über Beschwerden gegen Urtheile kantonaler Gerichte, welche sich aufUebertretungenu fiskalischer Bundesgeseze beziehen (Art. 18 des Bundesgesezes vom 30. Juni 1849, I, 65), zu entscheiden.

Es besteht aus dein Präsidenten dos Bundesgerichts, welcher von Amts wegen den Vorsiz führt, vier Mitgliedern und drei Ersazmännern. Um giltige Beschlüsse fassen zu können, muß das Kassationsgericht immer vollzählig, d. h. mit fünf Richtern besezt sein. Nöthigenfalls wird es hiefür aus den übrigeil, nach Art. 34 stimmberechtigten Mitgliedern und Ersazmännern des Bundesgerichts nach ihrer Reihenfolge ergänzt, und wenn auch diese nicht ausreichen, so wird nach Art. 18 verfahren.

IV. Staatsrechtliche Entscheidungen.

Art. 56. Das Bundesgericht entscheidet über Kom p e t e n z k o n f l i k t e zwischen Bundesbehörden einerseits und Kantonalbehörden anderseits (Art. 113, Ziff. l der Bundesverfassung).

Wird in irgend einem Rechtsfalle, welcher bei dem Bundesgerichte anhängig gemacht worden ist, von einer Partei behauptet, dass derselbe ausschließlich in die, Kompetenzkantonalerr Behörden falle, oder daß er durch auswärtige Behörden, oder durch ein Schiedsgericht zu erledigen sei, so entscheidet dasBundesgerichtt selbst über seine,Zuständigkeit..

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Ist dagegen zwischen Bundesrath und Bundesgericht streitig, ob ein Fall durch die eine oder die andere dieser Behörden zu beurtheilen sei, so entscheidet hierüber die Bundesversammlung (Art.

85, Ziff. 13 der Bundesverfassung).

Art. 57. Das Bundesgericht urtheilt ferner über Streitigkeiten staatsrechtlicher Natur z w i s c h e n K a n t o n e n .

Hieher gehören insbesondere Grenzstreitigkeiten zwischen zwei Kantonen, Fragen der Anwendung interkantonaler Verträge und Kompetenzfragen zwischen den Behörden verschiedener Kantone, bei welchen eine Kantonsregierung selbst den Gegenstand bei dem Bundesgerichte anhängig macht.

Art. 58. Das Bundesgericht entscheidet über A u s l i e f e r u n g e n , welche kraft bestehender Staatsverträge verlangt werden, sofern die Anwendbarkeit des betreffenden Staatsvertrags bestritten wird. Die vorläufigen Verfügungen bleiben in der Kompetenz des Bundesrathes.

Art. 59. Endlich beurtheilt das Bundesgericht B e s c h w e r d e n von Privaten und Korporationen, betreffend : a. Verlezung derjenigen Rechte, welche ihnen entweder durch die B u n d e s v e r f a s s u n g und die in Ausführung derselben erlassenen Bundesgeseze oder durch die V e r f a s s u n g i h r e s K a n t o n s gewährleistet sind, b. Verlezung von K o n k o r d a t e n und Verkommnissen unter den Kantonen, sowie von S t a a t s v e r t r ä g e n mit dein Auslande, vorausgesezt, daß im einen oder andern Falle diese Beschwerden gegen Verfügungen kantonaler Behörden gerichtet sind und innerhalb sechszig Tagen, von Eröffnung der leztern an gerechnet, eingereicht werden.

Vorbehalten sind nach Art. 113, Absaz 2 der Bundesverfassung Administrati v s t r e i t i g k e i t e n , welche sich auf folgende Bestimmungen der Bundesverfassung beziehen und deren Erledigung nach Maßgabe der Art. 85, Ziffer 12, und 102, Ziffer 2 derselben dem Bundesrath, beziehungsweise der Bundesversammlung, zusteht: 1) Art. 18, Saz 3, betreffend unentgeltliche Ausrüstung der Wehrmänner; 2) Art. 27, Saz 2 und 3, betreffend das Schulwesen der Kantone; 3) Art. 31, betreffend die Handels- und Gewerbefreiheit;

439 4) Art. 31 und 32, betreffend die noch anerkannten Verbrauchssteuern und die Eingangsgebühren von Wein und andern geistigen Getränken ; 5) Art. 43, 45 und 47, betreffend Rechte der Niedergelassenen; 6) Art. 49, 50 und 51, betreffend Glaubens- und Gewissensfreiheit und freie Ausübung gottesdienstlicher Handlungen etc.; immerhin bleiben jedoch der Kompetenz des Bundesgerichts vorbehalten Steueranstände (Art. 49, Alinea 6) und Anstände aus dem Privatrecht, welche über die Bildung oder Trennung von Religionsgesellschaften entstehen (Art. 50, Alinea 3); 7) Art. 53, betreffend Civilstand und Begräbnißpläze, insoweit sie durch die Gesezgebung den vollziehenden Behörden zugewiesen wird.

Gleichermaßen sind dem Entscheide des Bundesrathes, beziehungsweise der Bundesversammlung unterstellt: 8) Beschwerden über die Anwendung der in den Art. 25, 33, 34, 39, 40 und 69 der Bundesverfassung vorgesehenen Bundesgeseze; 9) Beschwerden gegen die Giltigkeit kantonaler Wahlen und Abstimmungen ; 10) Anstände herrührend aus denjenigen Bestimmungen der Staatsverträge mit dem Auslande, welche sieh auf Handels- und Zollverhältnisse, Patentgebühren, Niederlassung, Befreiung vom Militärpflichtersaze und Freizügigkeit beziehen.

Art. GO. Das Bundesgericht hai bei den in den Artikeln 56, 57, 58 und 59 vorgesehenen Entscheidungen sich an die von der Bundesversammlung erlassenen Geseze und allgemein verbindlichen Beschlüsse, sowie an die von ihr angenommenen Staatsverträge zu halten (Art. 113 der Bundesverfassung").

Art. 61. Die staatsrechtlichen Entscheidungen des Bundesgerichtes erfolgen in der Regel bloß auf Grundlage eines s c h r i f t lichen Verfahrens.

Die einlangenden Beschwerden werden der Gegenpartei oder, wenn keine solche vorhanden ist. der Behörde, gegen welche .sie gerichtet sind, zur Vernehmlassung mitgetheilt. Nach empfangener Antwort kann der Instruktionsrichter, sofern er es für nöthig erachtet, Replik und Duplik anordnen. Er sorgt zugleich für Erhebung der nöthigen Beweismittel.

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Ausnahmsweise kann, wenn eine Partei es verlangt und besondere Gründe dafür vorliegen, das Bundesgericht eine m ü n d l i c h e Schlußverhandlung anordnen.

Art. 62. Für die Entscheidung staatsrechtlicher Streitigkeiten sollen der Regel nach weder Gerichtsgebühren bezogen, noch Parteientschädigungen zugesprochen werden.

Doch kann das Gericht Ausnahmen machen in Fällen, wo die Anhebung oder Veranlaßung des Streites, oder die Art der Prozeßführung es rechtfertigen sollte.

Art. 63. Der Präsident des Bandesgerichtes ist befugt, auf Ansuchen einer Partei diejenigen Anfügungen zu. treffen, welche die Festhaltung des bestehenden Zuststandes erfordert.

Diese Verfügungen sind dem Gerichte bei seiner nächsten Sizung zur Genehmigung vorzulegen.

Schlussbestimmungen.

Art. 64. Durch dieses Gesez ireten außer Kraft : 1) Das Bundesgesez über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 5. Juni 1849 (I, 65); 2) Das Bundesgesez über den Geschäftskreis und die Besoldung des Generalanwaltes vom 20. Dezember 1850 (II, 167); 3) das Bundesgesez betreffend Abänderung des Art. 30 der Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Juli 1862 (VII, 302); und alle damit im Widerspruch stehenden Bestimmungen anderer Bundesgeseze.

Art. 65. Gegenwärtiges Gesez tritt unter Vorbehalt der Volksabstimmung gemäß Art. 89 der Bundesverfassung nach Abfluß von 90 Tagen nach Veröffentlichung desselben in Wirksamkeit.

Der Bundesrath wird mit der Veröffentlichung und Vollziehung beauftragt.

Also beschlossen vom Nationalrathe, B e r n , den 26. Juni 1874.

Der Präsident: Feer-Herzog.

Der Protokollführer : Schiess.

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Also beschlossen vom Ständerathe, B e r n , den 27. Juni 1874.

Der Präsident: Köchlin.

Der Protokollführer : J. L. Lutscher.

Der schweizerische B u n d e s r ath b e s c h l i e ß t : Veröffentlichung des vorstehenden Bundesgesezes im Buudesblatt.

B e r n , den 1. Juli 1874.

Der Bundespräsident : Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. II.

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# S T #

Bundesbeschluss betreffend

den Amtssiz des Bundesgerichts.

(Vom 26. Juni 1874.)

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Ausführung der Bestimmungen der Art. 106 und 107 der Bundesverfassung und des Art. 11 des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege, -

:

beschließt:.

1. Die Stadt Lausanne wird -- vorbehalten die Annahme des neuen Gesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege -- als Amtssiz des Bundesgerichts erklärt.

2. Die zuständigen Behörden des Kantons Waadt, beziehungsweise der Stadt Lausanne haben inner Monatsfrist, von dem Tage an gerechnet, an welchem das Bundesgesez über die Organisation der Bundesrechtspflege in Kraft erwachsen sein wird, dem Bundesrathe die nöthigen Vorlagen zu machen, daß sie im Falle seien, die durch Art. 11 genannten Gesezes auferlegten Verbindlichkeiten definitiv zu übernehmen.

Also beschlossen vom Nationalrathe, B e r n , den 26. Juni 1874.

Der Präsident: Teer-Herzog.

Der Protokollführer: Schiess.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesez über die Organisation der Bundesrechtspflege. (Vom 27. Juni 1874.)

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1874

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30

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09.07.1874

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425-442

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