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Bericht der

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ständeräthlichen Eisenbahnkommission, betreffend Zerlegung der Konzession der B r o y e t h a l e i s e n b a h n und Verschmelzung der verschiedenen Sektionen mit andern Eisenbahnunternehmungen..

(Vom 12. Dezember 1873.)

Tit.!

Nachdem der Widerstand, den der Kanton Freiburg dem Zustandekommen der Broyethalbahn längere Zeit hindurch entgegengesezt hatte, durch den Zwangskonzessionsbeschluß der Bundesversammlung vom 18. Juli 1871 beseitigt worden war, gelangte die Unternehmung ziemlich rasch zu vollständiger Organisation und ökonomischer Sicherstellimg, so daß sowohl von den Regierungen von Waadt und Freiburg, als auch vomBundesrathh der Ausweis über die ökonomische Sicherstellung gutgeheißen und die Arbeiten begonnen werden konnten. Gegen Ende des Jahres 1872 aber machte sich sowohl im Kanton Freiburg, als im Kanton Waadt, wie es scheint hauptsächlich von den Regierungen dieser beiden Kantone ausgehend, die Intention bemerkbar, diese Unternehmung mit derjenigen der Gesellschaft der westschweizerischen Eisenbahnen zu verschmelzen.

. Der energische Widerstand, den die Verwaltung des ersten Unternehmens diesem Plane ursprünglich entgegensezte, wurde von einflußreichster Hand paralysirt und, nachdem in Folge dieser Agitationen, die Sektion Fräschels-Lyß (Bernergebiet) sich von dem Unternehmen.

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losgetrennt hatte und die subventionirenden Gemeinden des Murtengebietes hinsichtlich der Sektion Faoug-Fräschels ein Gleiches thun zu wollen angekündigt hatten, fand diese Operation ihren vorläufigen Abschluß in dem am 31. März zwischen der Direktion der Broyethalbahngesellschaft (de Crousaz, Burnand, Brun) und der in Konstituirung begriffenen Eisenbahngesellschaft der westschweizerischen Bahnen (Aubert, Vonderweid und Philippin) abgeschlossenen Fusionsvertrag, dessen hauptsächlicher Inhalt in Folgendem besteht: Die Broyethalbahngesellschaft verpflichtet sich, die Longitudinallinie Palezieux-Lyß für den Betrag von 9,400,000 Franken herzustellen ; dagegen wird das Betriebsmaterial von der Gesellschaft der westschweizerischen Eisenbahnen geliefert (Art. 2).

Dieses Baukapital wird folgendermaßen beschafft: Aktien des Kantons Waadt Fr. 1,900,000. -- ., der Gemeinden des Kantons Waadt . ,, 900,000. -- ,, " ,, ,, Bezirks Murten und des freiburgischen Broyethals . . . ., 700,000. -- ., des Kantons Bern (incl. Gemeinden) . ,, 700,000. -- Privataktien ,, 150,000. -- Verschiedenes ,, 450,000. -- Fr/4,700,000. -- Der Rest im Betrag von 5 Millionen soll von dem Banksyndikat d. d. 15. November 1871, Eidgenössische Bank in Bern, Kantonalbank Bern, Bank in Winterthur, Bank in Solothurn und Waadt (Kantonalbank) geliefert werden (Art. 3). Wenn in Folge des Fusionsvertrages dieser Darleihensvertrag aufgehoben wird, so verpflichtet sich die Gesellschaft der westschweizerischen Eisenbahnen, in die Rechtsstellung jenes Syndikats einzutreten (Art. 4).

Für den Fall, daß die Sektionen Lyß-Fräschels und FräschelsFaoug sich von dem Unternehmen lossagen, ist die Bahn für Fr. 7,900,000, beziehungsweise Fr. 6,300,000 herzustellen, wobei die Darlehenspflicht der Gesellschaft der westschweizerischen Bahnen sich in gleichem Verhältniß vermindert (Art. 5).

In der Generalversammlung der Aktionäre vom 12. April wurde dieser Vertrag genehmigt, jedoch mit der Abänderung, daß die Sektion Fräschels-Lyß definitiv dem Kanton Bern oder einer von ihm zu bezeichnenden Gesellschaft abgetreten würde, während die Abtretung der Sektion Faoug-Fräschels dem Ermessen des Verwaltungsrathes anheimgestellt wurde. Auf Grundlage dieser Vollmacht beschloß derselbe am 6. Juli die leztere Sektion gleichfalls mit dem Nez der west schweizerischen Bahnen zu verschmelzen,

75 worauf am 7. August die Generalversammlung des leztern Unternehmens den Fusionsvertrag ratißzirte.

Von Seite der Direktionen der Broyethalbahngesellschaft und der Gesellschaft der westschweizerischen Eisenbahnen wird nun beim Bunde die Genehmigung dieses Vertrages nachgesucht und von den Regierungen der Kantone Waadt und Freiburg empfohlen, wahrend Herr Fürsprecher Hafner in Murten Namens der Stadt und der Gemeinden des Murtengebietes und der Minorität des Verwaltungsrathes der Broyethalbahngesellschaft Ablehnung dieser Gutheißung beantragt, nachdem er in erster Linie die Vermittlung des Bundesrathes in dieser Streitfrage nachgesucht hatte. Der Grund warum diese nicht gewährt worden ist, ist aus den Akten nicht ersichtlich, und da bis anhin solchen Vcvmittl ungsgesuchen wenigstens wenn sie von größern Eisenbahngesellschaften ausgegangen, jederzeit bereitwillig entsprochen worden ist, so ist es schwer zu erklären, warum in diesem Fall, in welchem der Versuch einer Vermittlung in hohem Maße indicirt war, dem diesfälligen Begehren keine Folge gegeben worden ist. In zweiter Linie beantragt Herr Hafner die Gutheißung des am 29. März zwischen der Eisenbahngesellschaft des Berner Jura und dem Bezirkskomite Murten über die Sektion Faoug-Fräschels abgeschlossenen Fusionsvertrags.

Für die Entscheidung sind folgende Betrachtungen maßgebend: Laut Art. 10 des Bundesgesezes vom 23. Dezember 1872 soll die Bundesversammlung bei Gutheißung solcher Konzessionsübertragungen nach Anhörung der Kantonsregierungen auf Grundlage der Prüfung aller hiebei in Betracht kommenden Verhältnisse entscheiden. Es liegt also in ihrer Pflicht, nicht nur die im nämlichen Gesez ausdrüklich als maßgebend bezeichneten Gesichtspunkte z. B. den militärischen zu wahren, sondern sie hat gemäß ihrer staatshoheitlichen und auf diesem Gebiet auch administrativen Competenz auch die national-politischen und commerziellen Folgen solcher Verträge ins Auge zu fassen und sie ist auch befugt, aus Rüksichten der Billigkeit und- wegen verlezter Interessen die Gutheißung solcher Verträge zu verweigern, dagegen wird sie gemäß ihrer constitutionellen Stellung, nicht aus Gründen verlezter Rechtsformen einschreiten können und ebenso werden Rüksichten der Billigkeit in der Regel nicht unter Hintansezung formell gültiger Verträge zur Geltung gebracht
werden können, während dies aus den oben erwähnten politischen, militärischen und administrativen Gesichtspunkten unbedenklich geschehen kann. Die Gutheißung des vorliegenden Fusionsvertrages ist lediglich aus dem Grunde verlezter Interessen beanstandet und zwar von Seite des weitaus größten Theils der Gemeinden des

76 Murtengebietes mit Einschluß der Stadt Murten, indem die nachträgliche Anullirung der Prozeßvollmacht seitens des Generalrathes von Murten gegenüber den aktengemäßen Kundgebungen des Gemeinderathes und des größten Theils der Bürger und Niedergelassenen dieser Stadt als irrelevant erscheint. Diese Verlezung besteht darin, d a ß durch d e n Beschluß d e s Verwaltungsrathes d e r weise auch der Zwek des Unternehmens verändert und gefährdet worden sind, ein Vorgehen, bei welchem noch die Gesezgebung vieler Kantone (z. B. Zürich privatrechtl.Gesezbuchh §§ 39 und 43) der Minorität die Anrufung des Schuzes des Civilrichters ausdrüklich gewährleistet ist, während dies im Kanton Waadt nicht der Fall ist. Wenn nun auch sehr begreiflich ist, daß die Gemeinden des Murtengebietes es als Verlezung ihrer Interessen und der Billigkeit empfinden, daß sie gezwungen werden sollen, ihre dem selbstständigen und unzerstükelten Unternehmen der Broyethalbahngesellschaft zugesagten Subventionen, wenn völlig verschieden organisirten und in seiner Ausdehnung beschränkten Unternehmen nun einer andern Gesellschaft zuzuwenden, so kann hierin ein zureichender Grund, die Gutheißung des Vertrags zu verweigern, nicht gefunden werden, weil der Vertrag in formell gültiger Form abgeschlossen worden ist und die Verweigerung der Gutheißung i. e. Aufhebung desselben in dem jezigen vorgerükten Stadium der Angelegenheit Gefährdung anderwärtiger Interessen in vielleicht noch größerm Umfange zur Folge haben könnte. Dabei mag es immerhin den Gemeinden des Murtengebietes anheimgestellt bleiben, die Gültigkeit des Vertrages selbst oder wenigstensihre 5 Einzahlungspflicht aus allgemeinen Rechtsgründen auf civilrechtlichem Wege zu bestreiten.

Die Uebertragung der Sektion Fräschels-Lyß an die Gesellschaft der Berner Jurabahnen ist von keiner Seite beanstandet und ebenso wenig ist in staatlichem Interesse etwas dagegen einzuwenden.

A n t r a g:

Zustimmung zum Antrag des Bundesrathes vom 1. Dezember 1873.

B e r n , den 12. Dezember

1873.

Namens der ständeräthlichen Eisenbahnkommission, Der Berichterstatter:

Sulzer.

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Bericht der ständeräthlichen Eisenbahnkommission, betreffend Zerlegung der Konzession der Broyethaleisenbahn und Verschmelzung der verschiedenen Sektionen mit andern Eisenbahnunternehmungen.(Vom 12. Dezember 1873.)

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