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Bericht des

Schweiz. Konsuls in Montevideo (Hrn. Konrad Menet, von Gais) für das Jahr 1873.

(Vom 9. Juni 1874.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Handel und Landwirthschaft.

Unser Handel hat irn Laufe des letzten Jahres wesentlich gelitten und hauptsächlich der Import. Durch enorme Agglomeration von Waaren jeglicher Art haben dieselben sehr an Werth verloren, und es mußten große Opfer jeder Art gebracht werden. Die natürliche Folge davon, Fallimente mehrerer Häuser und forcirte Liquidation anderer, blieben nicht aus, so daß M'ir uns heute in einer Art Krisis befinden, die übrigens einem baldigen Ende entgegen zu gehen scheint. Der Import hat ganz wesentlich abgenommen, und es kann heute die Lage für gesunder und besser erklärt werden, als vor einigen Monaten, indem die verschiedenen Branchen des Exports, die durchschnittlich an Werth zugenommen, die finanzielle Lage des Landes verbessert haben.

Statistik jeder Art fehlt uns zur Zeit, und es läßt sich nur im Allgemeinen urtheilen. Unläugbar ist, daß die Agricultur immer

603 mehr überhand nimmt, besonders da die Einwanderung große Dimensionen erreicht hat. Es kommen monatlich Tausende von Einwanderern an, die aus Mangel an anderer Arbeit das Land bebauen. Durch diesen Umstand hat sich auch die Schweizer-Colonie Neu Helvetia sehr vergrößert. Das Land hat an Werth zugenommen und ist in Zeit von 10 Jahren ungefähr um das Doppelte gestiegen, trotzdem die Preise der Erzeugnisse derselben gewichen sind.

Waizen werthet heute $ 4. -- bis 4. 50 per Fanega von 200 U.

Mais ,, ,, ,, 1. 50 ,, 1. 60 ,, ,, ,, ,, ,,

Communicationsmittel.

Wir befinden uns in vollständiger politischer Ruhe, und es gibt dieser Umstand zu größeren Unternehmungen Muth; daher sind verschiedene große Eisenbahnlinien in's Innere des Landes in Arbeit, wobei eine große Anzahl Arbeiter ihr Brod verdienen. Die Arbeiten schreiten rasch vorwärts, und es ist zu erwarten, daß unser Land binnen wenigen Jahren von Eisenbahnen durchkreuzt sein wird.

Verbindung mit dem Innern schaffen die regelmäßigen Posten, alles Privatunternehmungen, wovon nur eine vom Staate subventionirt ist, ferner ist eine Eisenbahnlinie circa 30 Meilen ins Innere hinein im Betrieb mit einem regelmäßigen Verkehr.

Das Bankwesen hat sich in jüngster Zeit etwas consolidirt.

Es existiren heute an Bankinstituten mit Emission : a) Banco de Londres und Rio de la Piata, b) Banco Commercial, e) Banco Navia und d) Banco mercantil.

Ferner wurde eine deutsch-belgische Bank vor circa einem Jahre errichtet, die ebenfalls das Recht der Emission besitzt, aber davon noch wenig Gebrauch gemacht hat.

Der Zinsfuß variirt zwischen 15 und 18°/o per Jahr; selbst zu diesen Zinsen ist nur schwer Geld erhältlich und nicht die geringste Aussieht vorhanden, daß der Disconto weichen werde.

Auch das Versicherungswesen hat sich durch den bedeutenderen Handel wesentlich vervollkommnet; doch beharren die sämmtHchen Gesellschaften stets noch auf der Bestimmung, daß sie nur an den Orten versichern, wo mit Eisenbahn oder Steamer leicht zuzukommen ist. Alle abgelegenen Orte sind ausgeschlossen.

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Einwanderung und Gesellschaften.

Wie bereits oben erwähnt, hat die Einwanderung nach dem La Piata im Allgemeinen große Dimensionen angenommen, und ist auch die Schweizer-Colonie bedeutend zahlreicher geworden. Aus dem Kanton Wallis sind in jüngster Zeit am meisten Einwanderer angekommen.

Durch die Krisis, die wir nicht nur hier, sondern ziemlich am ganzen ,,La Plataa durchmachen mußten, sind Arbeitgeber etwas zurückhaltender geworden; für Neuangekommene hielt es zuweilen schwer, sofort passende Arbeit zu finden. Das hiesige Einwariderungsbüreau arbeitet aber rastlos, und es werden täglich Arbeitsuchende placirt. Derjenige, welcher arbeiten will, findet hier stets ein sicheres Auskommen, und es werden besonders Taglöhner, Professionisten und Dienstboten bei leichter Arbeit gut bezahlt.

Der Gesundheitszustand läßt nichts zu wünschen übrig; das Klima ist ausgezeichnet.

An Schweizer-Gesellschaften existiren : Club Suisse; besteht aus circa 50 Mitgliedern und wurde vor circa 11 Monaten gegründet.

Société de Tir suisse; hat ebenfalls circa 50 Mitglieder; doch sind dieselben nicht sehr stabil, da es meistens nur Aufenthalter sind, und es erhält sich diese Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten.

Société de Secours mutuels; besitzt ein Kapital von circa Fr. 8 -- 9000. Diese Gesellschaft blüht, da die Unkosten bis jetzt unbedeutend gewesen sind; die Zahl der Mitglieder beträgt circa 60, größtentheils aus dem Kaufmannsstande, und es steht zu erwarten, daß das Vermögen dieser Gesellschaft sich alljährlich vergrößere.

Diese Gesellschaft ist es, die mich in der Hülfeleistung an bedürftige Landsleute getreulich unterstützt, obschon die Statuten es nur im Ausnahmsfalle erlauben.

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Bericht des schweiz. Konsuls in Montevideo (Hrn. Konrad Menet, von Gais) für das Jahr 1873. (Vom 9. Juni 1874.)

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1874

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01.08.1874

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602-604

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