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Schweizerisches Bundesblaft.

XXVI. Jahrgang. H.

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Nr. 40.

12. September 1874.

Signalordnung für

die schweizerischen Hauptbahnen.

(Bundesrathsbeschluß vom 7. September 1874.)

§ 1.

Eine einzeln fahrende Lokomotive ist in Bezug auf die Signale auf der freien Bahn und auf den Stationen einem Zuge gleich zu achten.

§ 2.

Jede Station soll mit einem elektrischen Telegraphen versehen sein, sei es zur Korrespondenz, sei es zum bloßen Signalisiren.

l. Signale auf der freien Bahn und auf den Stationen.

§ 3.

Auf der Bahn sollen folgende Signale gegeben werden können : a) der Zug setzt sich von einer Station nach einer bestimmten andern in Bewegung; b) die Bahn ist ohne Hinderniß fahrbar; c) der Zug soll mit besonderer Vorsicht und langsam fahren; d) der Zug soll schnell zum Halten gebracht werden; e) es wird eine Hilfsmaschine verlangt; Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. II.

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f) g) h) i)

Orientirungssignal an den Stationen für den Lokomotivführer; der Zug soll vor der Station halten; der Zug kann in die Station einfahren; Zeichen für die Geleiserichtung beim Einfahren in die Stationen.

§ 4.

Der Zug sezt sich von einer Station nach einer bestimmten andern in Bewegung, Der Zugführer bedient sich der Mundpfeife in der Nähe der Maschine, oder er verständigt sich auf Kreuzstationen mündlich mit dem Lokomotivführer durch den Ruf: ,,Zug x fährt ab", worauf der Lokomotivführer die Ingangsezung der Maschine durch einen langen Ton vermittelst der Dampfpfeife angibt. Der Bahnwärter theilt die Richtung und die Annäherung des Zuges seinem nächsten Collegen durch drei kurze Töne mit dem Rufhorn mit, nachdem er vorher das Zeichen mit einem langen Tone in der Richtung, woher er dasselbe erhalten, zurükgegeben hat. Die drei kurzen Töne sind so lange zu wiederholen, bis der nächstfolgende Wärter das Zeichen abgenommen. Außerdem wird die Abfahrt des Zuges der nächsten Station durch den elektrischen Telegraphen angezeigt. Auch wenn das regelmäßige Geleise unfahrbar ist und bei Kreuzungsverlegungen (§ 15) sollen die Stationen hievon rechtzeitig telegraphisch benachrichtigt werden.

§ 5.

Die Bahn ist ohne Hinderniss fahrbar.

Der Bahnwärter befindet sich bei Tag auf seinem Posten, resp. auf der ihm angewiesenen Streke, und bei Nacht hält er dem Zug das weiße Licht entgegen.

Anmerkung. Zu optischen Signalen sind die Farben weiß, grün und roth, resp. weißes, grünes und rothes Licht zu verwenden, und zwar in folgender Bedeutung: weiß = freie Fahrt, grün = langsam fahren, roth = sofort halten.

§ 6.

Der Zug soll mit besonderer Vorsicht und langsam fahren.

Mindestens 500 Meter von den Enden der langsam zu befahrenden Streke sollen bei Tage grüne Signalscheiben und bei Nacht

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das grüne Licht angebracht werden. Der Bahnwärter zeigt bei Tag dem Zuge die grüne Flagge oder bei schnellem Handeln seine Dienstmüze, bei Nacht das grüne Licht.

§ 7.

Der Zug sott schnell zum Halten gebracht werden.

Der Bahnwärter läuft dem Zuge, der halten soll, circa 500 Meter entgegen und schwingt bei Tag gegen denselben die rotlie Flagge über dem Kopf, oder bewegt bei schnellem Handeln beide Arme auf und ab; bei Nacht zeigt er dem Zuge das rothe Licht und bewegt dasselbe hin- und her. -- Bei durch Nebel oder Schnee getrübter Luft hat der Bahnwärter etc. auf mindestens 500 Meter Distanz von der Haltstelle Knallkapseln auf den Schienen zu befestigen.

Es wird eine Hiifsmaschine verlangt.

Ein Expresser macht Meldung bei der nächsten Telegraphenstation, von wo aus das geeignete elektrische Signal gegeben wird.

§ 9.

Orientirungssignale an den Stationen für die Lokomotivführer.

Mindestens 500 Meter von je der lezten Weiche einer Station .

soll in einem Winkel von 45° zum Geleise eine Orientirungsscheibe von grüner Farbe aufgestellt werden, auf welcher bei Nacht eine Laterne mit grünem Licht anzubringen ist.

Bei Stationen, welche mit Wendescheiben versehen sind, können diese Signale als überflüssig weggelassen werden.

§ 10.

Der Zug soll vor der Station halten.

Die Wendescheibe steht senkrecht oder quer auf das Geleise, bei Tage mit rother Scheibe und bei Nacht mit rothem Licht gegen den Zug.

Wo wegen zu großer Entfernung oder zu starken Krümmungen die gewöhnlichen Wendescheiben schwer zu handhaben sind, sollen elektrische Scheibensignale verwendet werden.

Auf kleinern Stationen, wo keine Wendescheiben bestehen, kann bei Nacht das Orientirungssignal mit rothem Licht versehen werden; bei Tage gelten die Vorschriften der §§ 5, 6 und 7.

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§ 11.

Der Zug kann in die Station einfahren.

Die Wendescheibe steht parallel mit dem einfahrenden Zuge, bei Nacht mit weißem Licht.

§ 12.

Zeichen für die Geleiserichlung beim Einfahren in die Stationen.

Für Hauptgeleise, also bei direkter Durchfahrt, steht die Signalscheibe, welche mit der Weichenzunge verbunden ist, parallel mit dem Geleise, bei Nacht- mit weißem Licht. Für Abzweigungen steht die Signalscheibe senkrecht oder quer auf das Geleise und zeigt grüne Farbe, bei Nacht grünes Licht. -- Die Weichensignale sollen an Haupteinfahrtsweicheii bei Stationen, sowie bei Weichen, gegen deren Spizc gefahren wird, deren Stellung anzeigen.

II. Signale auf den Zügen.

§ 13.

Vom Zuge aus sind folgende Signale zu geben: A. An den Lokomotiven.

a) Zur Kennzeichnung des Zuges; b) bei Doppelspurbahnen, wenn das regelmäßige Geleise uufahrbar ist und bei Kreuzungsverlegungen.

B. An den Wagen.

a) Bei gewöhnlichen Zügen; b) wenn ein Extrazug in gleicher Richtung folgt; c) wenn ein Extrazug in entgegengesezter Richtung kommt.

C. Achtungssignal des Lokomotivführers.

D. Wenn gebremst wenden soll.

E. Zum Losbremsen.

F. Haltsignal des Zugführers.

A. Signalvorrichtungen an den Lokomotiven.

§ 14.

Bei gewöhnlichen Zügen.

Bei Nacht werden vorn rechts und links und iu der Mitte obenan der Rauchkammer 3 weiße Lichter und hinten am Tender rechts ein rothes Licht angebracht.

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§ 15 Bei Doppelspurbuhnen, wenn das regelmüssige Geleise unfahrbar ist und bei Kreuzungsverlegungen.

Bei Tage wird eine rothe Signalscheibc vorn in der Mitte oben an der Rauchkammer aufgestellt, bei Nach!, das rothe, Licht.

B. Signalvorrichtungen an den Wagen.

§ 16.

Bei gewöhnlichen Zügen.

Bei Tage (ragen die Züge, wenn dieselben regelmäßig und in Ordnung sind, keine Signale. Bei Nacht hat der hinterste /ugwagen hinten auf Stoßbalkenhöhe wenigstens G0cln von der Mitte des Wagens nach rechts ein rothes Licht. Es bleibt den Bahnverwaltungen anheimgestellt, an jeder obern hintern Eke auch eine Laterne (Seitensignal) anzubringen.

§ 17

Wenn ein Extrazug in gleicher Richtung folgt.

Bei Tag wird eine grüne Scheibe am hintersten Zugwagen hinten von der Mitte nach links in der Richtung des Zuges und bei Nachts wenigstens 60em von der Mitte des Wagens nach links ein grünes Licht angebracht.

8 18.

Wenn ein E.itrazug in cntgegcngescztcr Richtung kommt.

Bei Tag wird am hintersten Zugwagen hinten in der Richtung des Zuges von der Mitte nach links die rothe Scheibe angebracht, welche bei Nacht durch ein wenigstens 60cm von der Mitte des Wagens nach links angebrachtes rotlies Licht zu ersezen ist.

§ 19.

C. Achtungssignal des Lokomotivführers.

Ein langer Ton mit der Dampfpfeife.

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§ 20.

D. Wenn gebremst werden soll.

Drei kurze Töne mit der Dampfpfeife; wenn Gefahr vorhanden ist, werden diese Töne einige Male wiederholt.

§ 21.

E. Zum Losbremsen.

Zwei kurze Töne mit der Dampfpfeife.

§ 22.

F. Haltsignale des Zugführers.

Der Zugführer gibt mit der Mundpfeife mehrere aufeinanderfolgende Töne und bewegt bei Tage die Dienstmüze oder die rothe Flage auf und ab auf der rechten Seite des Zuges (Stellung des Lokomotivführers). Bei Nacht sind die gleichen Bewegungen mit dein rothen Licht, gegen den Lokomotivführer gekehrt, zu machen. Das Zugspersonal hat das Pfeifensignal des Zugführers zu wiederholen und die Bremsen anzuziehen.

III. Signale für das Publikum.

§ 23.

Auf den Stationen müssen folgende Signale gegeben werden: a) zum Einsteigen; b) zur Abfahrt; c) bei Verspätung von Zügen.

§ 24.

Zeichen zum Einsteigen.

Glokënsignal und wiederholtes deutliches Rufen (Einsteigen nach welcher, Richtung) in den Wartsälen und Bahnhofrestaurationen.

§ 25.

Zeichen zur Abfahrt.

Glokënsignal: drei Doppelschläge.

Die übrigen Signale bleiben den Gesellschaften überlassen.

781 § 26.

Bei Verspätungen von Zügen.

Verspätungen von mehr als 15 Minuten sollen den Reisenden durch Anschlag in den Wartsälen oder durch Ausrufen: ,,Zug x hat x Minuten Verspätung11 angezeigt werden.

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IV. Signale beim Manövriren in den Bahnhöfen.

§ 27.

Der Manovrisi, resp. Zugführer gibt dem Lokomotivführer mit der Mundpfeife oder mündlich folgende Signale, welche dieser mit der Dampfpfeife wiederholt: a) zum Vorwärtsfahren : Ein kurzer Ton ; b) zum Rükwärtsfahren : Zwei kurze Töne; c) zum Halten: Drei kurze Töne.

§ 28.

Die §§ l, 3--8, 10--11, 13--23, 26 und 27 treten 6 Monate nach Veröffentlichung der Verordnung in Kraft. Bezüglich des Zeitpunktes des Inkrafttretens der übrigen §§ (2, 9, 12, 24 und 25) hat sich das Departement mit den Bahngesellsehafteu zu verständigen.

B e r n , den 7. September

1874.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess.

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Signalordnung für die schweizerischen Hauptbahnen. (Bundesrathsbeschluß vom 7.

September 1874.)

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12.09.1874

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