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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 3. Juli 1874.)

Infolge gepflogener Unterhandlungen mit der königlich italienischen Gesandtschaft bei der Schweiz. Eidgenossenschaft iii Betreff der Ausführung des Art. 10 im Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Italien hat der Bundesrath beschlossen, an stimmtliche eidgenössische Stände, mit Ausnahme von Graubünden und Tessin, nachstehendes Kreisschrei ben zu erlassen.

,,Getreue, liebe Eidgenossen !

,,Veranlaßt durch Verhandlungen mit der italienischen Gesandtschaft, betreffend die Ausführung des Art. 10 des zwischen der Schweiz und Italien am 22. Juli 1868 abgeschlossenen Auslieferungsvertrags *), beehren wir uns, Ihnen (in Original und Uebersezung) das Circular zur Kenntniß zu bringen, welches von der italienischen Regierung unterm 7. Juni 1874 in derselben Angelegenheit an die Generalanwälte bei den königliehen Appellationshöfen gerichtet worden ist.

,,Indem wir Sie einladen, den Inhalt des Circulais den kompetenten Gerichten und richterlichen Beamten ebenfalls mitzutheilen, um danach eventuell zu verfahren, bemerken wir, daß wir die zumeist betheiligten Kantone Graubünden und Tessin auf die Beobachtung des genannten Art. 10 noch speziell aufmerksam gemacht haben."

*) Siehe eidg. Gesezsammlung, Band IX, Seite 732.

536 (Uebersezung)

Königreich Italien.

Ministerium der Gnade und Justiz und der Calte.

D i v i s i o n 2."

Strafsachen, 4691 der Division.

w .

477 der Section.

Gegenstand: Vorläufige Verhaftung in die Schweiz geflüchteter Verbrecher.

Kreisschreiben.

R o m , den 7. Juni 1874.

Der Art. 10 des mit königlichem Dekrete vom 5. Mai 1869 Nr. 5054 veröffentlichten Auslieferungsvertrages mit der Schweiz vom 22. Juli 1868 bestimmt: ,,Dans les cas urgents, et surtout lorsqu'il y a lieu de craindre la fuite, chacun des deux Gouvernements, s'appuyant sur l'existence d'un arrêt de condamnation ou d'un mandat d'arrêt, pourra par le moyen le plus prompt, et môme par le télégramme, demander et obtenir l'arrestation du condamné ou du prévenu, à condition de présenter, dans le plus court délai, le document dont on a indiqué l'existence.

In Folge des Umstandes, daß das italienische Gebiet an das schweizerische angrenzt, ist es für die Verbrecher, welche von der Justiz gesucht werden, leicht, von dem einen dieser Staaten in den andern hinüber zu treten. Es hat sich daher das Bedürfniß geltend gemacht, in diesen Fällen den Verzögerungen vorzubeugen, welche zuweilen aus der diplomatischen Korrespondenz entspringen. Aus diesem Grunde hat neulich die Regierung der Republik, auf den Wunsch der Regierung des Königs, an die kantonalen Behörden ein Kreisschreiben erlassen, worin sie den leztern die Befugniß ertheilte, auf einfaches Gesuch der kompetenten italienischen Behörden, das direkt, sei es auch durch den Telegraphen, mitgetheilt wird, die provisorische Verhaftung von solchen Verbrechern anzuordnen, deren Auslieferung von Italien verlangt werden kann.

Damit nun die italienischen Behörden von diesen, einer prompten Justiz zugestandenen Erleichterungen Gebrauch machen können, und damit sie zu gleicher Zeit in der Lage sind, den schweizerischen

537 Behörden das schuldige Gegenrecht zu halten, so gebe ich Ihnen hievon mit dem Ersuchen Kenntniß, an die Ihnen unterstellten königl. Anwälte und an die Prätoren bezügliche Mittheilung zu machen. Dieser Kenntnißgabe fiige ich, um Schwierigkeiten und Verstößen in der praktischen Ausführung vorzubeugen, folgende Weiiungen bei: 1. ' Der provisorische · Verhaft in den im zitirten Art. 10 des Vertrages von 1868 vorgesehenen Fällen kann bei der gerichtlichen oder bei der politischen Behörde des Kantons, wohin der Schuldige sich geflüchtet hat, nachgesucht werden, und zwar je nach dem Stande des Prozesses, von dem G-eneralan walte oder von dem königlichen Anwalte oder dem Prätor.

2. Bevor der provisorische Haft verlangt wird, ist es wichtig, mit der größten Sorgfalt sich zu vergewissern, ob die Bedingungen, welche in den mit der schweizerischen Eidgenossenschaft bestehenden vertraglichen Bestimmungen vorgesehen sind, bestehen, insbesondere : a. ob die strafbare Handlung unter den Begriff eines der Delikte falle, welche im Art. 2 des erwähnten Vertrages von 1868, oder in der Erklärung vom 1. Juli 1873 publizirt mit königl.

Dekret vom 20. August gl. Js. Nr. 1547 aufgezählt sind, und ob die Handlung in keiner Weise als mit einem politischen Vergehen in Verbindung stehend erscheine; b. ob der Angeschuldigte oder Verurtheilte nicht Schweizerbürger sei; c. ob für das Delikt, für welches der Verhaft verlangt werden will, ein Verhaftsbefehl oder ein Strafurtheil bestehe.

3. In dem bezüglichen Begehren müssen die Personalia des verfolgten Individuums, soweit sie bekannt sind, angegeben und das Signalement, sowie alle diejenigen Notizen beigefügt werden, welche geeignet sind, den Verhaft zu erleichtern. Ferner muß erwähnt werden, daß die in der vorhergehenden Nummer erwähnten Urkunden bestehen ; es. muß deren Datum angegeben und endlich die Anbringung des förmlichen Auslieferungsbegehrens auf dein diplomatischen Wege vorbehalten werden.

4. Zu gleicher Zeit, wie das Gesuch um provisorische Verhaftung gestellt wird, haben die hievor in Nr. l bezeichneten Beamten hievon dem unterzeichneten Ministerium Kenntniß zu geben, unter Beobachtung der Korrespondenzformen, wie sie in den Art. 61 uno 62 des allgemeinen gerichtlichen Réglementes vorgeschrieben sind. Zugleich sind dem Ministerium authentische Abschriften derjenigen Aktenstüke einzuschiken, welche in dem betreffenden Begehren angeführt werden.

Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. II.

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5. Entstehen Bedenken, sei es mir, Rüksicht auf die Zuläßigkeit des Begehrens, sei es mit Bezug auf die Dringlichkeit, so haben sich die Prätoren und königl. Anwälte jeder Verfügung zu enthalten und dem Generalanwalte zu berichten.

6, Im Falle den, oben bezeichneten Beamten von Seite der gerichtlichen oder politischen Behörden aus der Schweiz ein Begehren um provisorischen Verhaft zukommt, 90. haben, sie sofort zu prüfen, ob der Verfolgte nicht etwa Italienerbürger sei, ob die Identität feststehe, und ob auch die andern. Bedingungen, welche in, den Nummern 2 und 3 oben festgestellt sind, vorhanden, seien.

Im bejahenden Falle schreiten, sie , im Einverständniß. mit de» politischen Behörden, zum Verhafte.

· 7. Sobald die Verhaftung vollzöge» ist, geben, sie dem unterzeichneten Ministerium hievon Kenntniß. Inzwischen wird der Verhaftete, je nach dem gegebenen Falle, von dem Prätor oder von einem Untersuchungsrichter, im Namen (per delegazione), des.

königl. Anwaltes oder des Generalanwaltes, über seine Personalia, insbesondere über seine Nationalität und über das Delikt, das ihm zur Last gelegt wird, einvernommen. Er wird sodann im, Gefangnisse behalten, so lange nicht, von dem unterzeichneten Ministerium anderweitige Weisungen gegeben werden.

8. In Fällen, wo Zweifel über die- Zuläßigkeit eines von den schweizerischen Behörden gestellten Verhaftungsbegehrens bestehen, ißt das in Nr. 15 hievor festgesezte Verfahren zu beobachten.

Ich empfehle Ihnen, darüber zu wachen, daß die vorstehenden Weisungen genau beobachtet werden, und ersuche Sie, den Empfang des Gegenwärtigen mir zu bescheinigen.

Für den Minister: G. Costa.

(Vom 10. Juli 1874.)

Veranlaßt durch die unterm 6. dies in Berlin geschehene Auswechslung der Ratifikationen zu dem zwischen der Schweiz und dem deutschen Reiche am 24. Januar 1874 abgeschlossenen Ablieferungsvertrage, erließ der Bundesrath an sämmtliche Kantonsregierungen folgendes Kreisschreiben:

539 -Getreue, liebe Eidgenossen!

,,Wir haben die Ehre, Ihnen zur Kenntniß zu bringen, daß zwischen der Schweiz und dem deutschen Reiche unterm Januar 1874 abgeschlossene Auslieferungsvertrag am 6. laufenMonats zu Berlin ausgewechselt worden und daß der Vertrag*) dem genannten 6. Juli d. J. in Vollziehung getreten ist.

,,Dabei erlauben wir uns noch besonders aufmerksam zu machen, einmal, daß nach Art 16 dieses neuen Vertrages mit dem deutschen Reiche die zwischen der Schweiz und dem Großherzogthum Baden und mit dem Königreich Bayern bishin bestandenen Auslieferungsvertrage, sowie der Nachtrag zu lezterem**) künftig keine Geltung mehr haben, indem auch Baden und Bayern gegenüber bedinglich der Vertrag mit dem Gesammtreiche zur Anwendung kommen muß.

,,Nach Art. 15 des lezten Vertrages sollen sodann künftig alle rechtskräftigen Strafurtheile gegen Angehörige des deutschen Reiches der heimatlichen Regierung auf diplomatischem Wege zugestellt werden. Wir laden Sie demnach ein, diejenigen Anordnungen zu treffen, um in Ausführung dieser Bestimmung derartige Urtheile uns übermitteln zu können."

der 24.

den mit

(Vom 14. Juli 1874.)

Herr Joh. Ha g n a u er, welcher unterm 10. April d. J. vom Präsidenten der Republik Chile zum dortseitigen Konsul in Zürich ernannt wurde, hat in dieser Eigenschaft das Exequatur vom Bundesrathe erhalten.

Der Bundesrath hat die von ihm am 20. Januar 1873 für die B i s c h o f s zell er b a h n festgesezte Frist für den Beginn der Erdarbeiten um einen Monat verlängert, nemlich bis zum 20. August dieses Jahres.

*) Siehe Bundesblatt vom Jahr 1874, Band I, Seite 230.

**) Siebe eidg. Gesezsammlung, Band VIII, Seite 183 und 206, Bd. III Seite 219, Band IX, Seite 649 und 660.

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Das Post- und Telegraphendepartement ist vom Bundesrathe ermächtigt worden, mit den Regierungen der Kantone Aargau und Waadt über Errichtung eidg. Telegraphenbüreaux in B r i t t n a u und M o n t r e u x - P l a n c h e s Verträge abzuschließen.

Der Bundesrath hat beschlossen, es sei versuchsweise eia Sommer-Postkurs von Solothurn nach S c h n o t t w y l einzurichten.

(Vom 17. Juli 1874.)

Der Bundesrath hat für die Liebesgaben, welche den Wasserbeschädigten in der Gemeinde an der Lenk zugesandt werden möchten, die Portofreiheit unter dem üblichen Vorbehalt bewilligt.

Das Post- und Telegraphendepartement hat vom Bundesrathe die Ermächtigung erhalten y mit den Regierungen der Kantone Zürich und Bern wegen Errichtung eidg. Telegraphenbüreaux in E n g e , T ä u f f e l e n und N e u e n e c k Verträge abzuschließen.

Der Bundesrath ernannte zum Major des Scharfschüzenbataillons Nr. 9: Hrn. Richard C h a l l a n d e , in Frauenfeld, Scharfschüzenhauptmann seit dem 2. Februar 1870.

Vom Bundesrathe sind gewählt worden: (am 14. Juli 1874) als Adjunkt der Kreispostdirektion Lausanne : Hr. Ludwig S c h a f f r o t h , von Röthenbach (Bern), gegenwärtig Postkommis in Lausanne;

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als Postkommis in Bern : ,, Posthalter in Oftringen:

Jgfr. Elise P r ê t r e , Postaspirantin, von Corgémont (Bern), in Bern; Hr. J. J. K ü n z l i - B r a u n , von und in Strengelbach (Aargau), Posthalter daselbst;

,, Chef für das Telegraphenbureau Schaffhausen: ,, Ferdinand Küttel, von Weggis (Luzern), bisher I. Telegraphist auf dem Telegraphenbüreau in Schaffhausen ; (am 15. Juli 1874) als Postkommis in Freiburg: Jgfr. Emma R o u l l i e r , Postaspirantin, von Sommentier (Freiburg), in Yverdon ; ,, ,, ,, ,, ,, Françoise F r ö l i c h e r, Postaspirantin, von und in Freiburg; n Telegraphist in Chauxdefonds: Hr. Adolf Bau m a n n , Telegraphenaspirant, von Hirzel (Aünch), in Chauxdefonds: ,, Kaspar S t e f f e n, PostablageDlirrenroth halter, von und in Dürrenroth (Bern); Telegraphist in Heimenschwand : ,, Christian Dällenbach, Uhrenmacher, von Signau, in Heimensehwand (Bern); Telegraphistin in Herdern: Jgfr. Louise K ö p p , von und in Herdern (Thurgau); ,, Christine J a n e 11, Postablage« ZUlis: halterin, von und in Zillis (Graubünden) ; ReucheLouise R en f e r , Privattelegranette : phistin, von Lengnau (Bern), in Reuchenette (Bern); .Hüttweilen: Bertha W a t t i n g e r , von und in Hüttweilen (Thurgau), Posthalterin daselbst; (am 17. Juli 1874) als Contrôle-Ingénieur des eidg.

Eisenbahnbüreau: Hr. J. T s c h i e m e r , von Unterseen (Bern), derzeit SeWionsingenieur der Bödelibahn ;

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als Postkommis in Basel; ,, fl

,, ,, ,, ,,

Hr. J. J. F u r t e r , von Dottikon (Aargau), provisorischer Postkommis in Basel; ,, ·» -n àgfr. Emma D ö b e l i, von Meisterschwanden (Aargau), gegenwärtig Postkommis in Zürich; Telegraphist in Montreux : Hr. Friedrich Amport, Telegraphenaspirant, von Thunstetten (Bern), in Lausanne; ,, j, Lausanne: ,, Louis Vaunaize, Telegraphenaspirant, von Penthaz (Waadt), in Lausanne; ,, ,, Grenf: ,, Joseph Du b u i s, Telegraphenaspirant, von Savièze (Wallis), in Genf; Telegraphistin in Näfels: Jgfr. Josephine G al l a ti, von und in Näfels (Glarus); ^ ,, Reckingen : ,, Mathilde von Courten, von und in Reckingen (Wallis).

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