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# S T #

Bericht des

Bundesrathes an den Nationalrath über die ausstehenden Postentschädigungen an die Kantone.

(Vom 19. Januar 1874.)

Tit. !

Es sind im Nationalräthe anläßlich der Berathang der Uebergangsbestimmungen für den Entwurf der revidirten Bundesverfassung folgende Postulate gestellt worden : Den 6. Dezember 1873: Die Kommission für Revision der Bundesverfassung wird eingeladen, die Frage zu untersuchen, in welcher Weise die ausstehenden Postentschädigungen an die Kantone liquidirt werden sollen, und eine entsprechende Vervollständigung des Art. l der Uebergangsbestimmungen vorzulegen.

Den 10. Dezember 1873: Als Zusaz zu Art. l der Uebergangsbestimmungen : Die von Postertragsausfällen früherer Jahre herrührenden Guthaben der Kantone von Fr. 1,649,290. 25 sind denselben noch auszurichten.

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Um in dieser Sache uns auszusprechen, werden wir vorerst die Verhältnisse ins Auge fassen, welche zur Formation der damaligen Rükstandsberechnung geführt haben und erwähnen, daß vor dem Jahr 1860 der Bund den Kantonen bei jährlichem Abschluß der Postrechnung den reinen Ertrag bis auf den Belauf der Scalasumme verabfolgt und den Betrag eines Ausfalls weder gutgeschrieben noch vergütet hat.

Die Kantone erachteten diesen Modus für sie nachtheilig und veranlagten nach längeren in den Räthen ergangenen Diskussionen einen Bundesbeschluß vom 20. Jänner 1860, dahin gehend : ,,Wenn der Reinertrag der Postverwaltung zur vollständigen ,,Entschädigung der Kantone nicht ausreicht, so ist der Ausfall ,,beim Rechnungsabschlüsse zu Gunsten derselben vorzumerken. tt ,,Uebersteigt in einem folgenden Jahre der Reinertrag die den ,,Kantonen zukommende Entschädigungssumme, so wird der Ueber,,schuß zur Nach Vergütung an die Kantone verwendet, bis die,,selben für alle Ausfälle der früheren Jahre, jedoch ohne Hinzu,,rechnung der Zinse, gedekt sind.tt An der Hand dieser Norm sind die beiderseitigen Ansprüche des Bundes und der Kantone für die Periode von 1849 bis 1. Jänner 1860 in der Weise liquidirt worden, daß der Bund den Kantonen die Ertragsausfälle und Inventar m e h r werthe gutgeschrieben, dagegen die In ventar min derwerthe denselben belastet hat. Der betreffende Abschluß erzeigte für den 1. Jänner 1860 ein Guthaben der Kantone von Fr. 886,128. 19, welches der Bund denselben sofort ausbezahlt hat.

Wir werden auf die Diskussionen nicht tiefer eingehen, welche über den von 1849 bis 1859 ursprünglich bestandenen Abrechnungsmodus sich entsponnen und einen formellen Abschluß in der erwähnten Bestimmung vom 20. Jänner 1860 gefunden haben ; jedoch wollen wir erwähnen, daß auch seither die Ansicht stark vertreten geblieben, es habe nicht im Sinne der Berathungsbehörde für die Bundesverfassung von 1848 gelegen und entspreche auch nicht der Redaktion des Art. 33, Ziff. 4, Litt, a der Bundesverfassung, daß irgend eine Uebertragung der Ausfälle des einten Jahres auf die Rechnungen der folgenden Jahre zuhanden der Kantone zu geschehen habe, indem dieser Artikel im I.Alinea den j ä h r l i c h e n A b s c h l u ß der Postertragsrechnung und der Postentschädigungen anordnet und im 2. Alinea die Erläuterung beifügt,, daß bei
nicht zureichendem Postertrag das M a n g ein de den Kantonen in A b z u'g zu bringen sei. Irgend eine Bestimmung, daß das Mangelnde den Kantonen g u t z u s c h r e i b e n sei, liegt hingegen in keiner Weise

129 vor, und es konnte daher eine derartige Gutschreibung nicht wohl als richtige Auslegung der Bundesverfassungsbestimmungen aufgestellt werden. Dieser Standpunkt wird auch durch den Wortlaut des Art. 39, Litt, c, verstärkt, welcher dem Bunde den Ertrag der Posten als eigentliche Einnahmsquelle zuweist, so daß eine Interpretation des Art. 33, Ziff. 4 nur in einem die Ansprüche der Kantone beschränkenden Sinne zu geben war.

Ohne nun den Bestand des Bundesrathsbeschlusses vom 20.

Jänner 1860 weiter anzufechten, bezeichnen wir denselben doch immerhin als eine bloß administrative Norm, deren "Wirkung spätem konstitutiven Bestimmungen weichen muß, die den wohlberechneten und notwendigen Zwek haben, den Bund mit ausreichenden finanziellen Hilfsmitteln auszustatten, deren Ergiebigkeit durch keine aus früheren Verhältnissen übertragenen traditionellen Vorbehalte geschmälert werden darf.

Die Ergebnisse der Abrechnungen über den Postertrag nach dem Modus des Bundesbeschlusses vom 20. Jänner 1860 bis und mit 1872 sind im Einzelnen in der Beilage nachgewiesen, und deren Schlußresultat faßt sich dahin zusammen, daß den Kantonen weniger entrichtet werden konnte, als nach der vollen Scala betragen würde bis 31. Dezember 1872 Fr. 1,649,290. 25, welche Summe die Kantone nun als rükständige Postentschädigung ansprechen.

Wenn man für das Jahr 1873 den nämliehen Vergütuugsmodus in Anwendung bringt, so würde dieser Rükstand vermuthlich auf etwa Fr. 2,290,000 anwachsen, weil als Folge der außerordentlichen Mehrausgaben für die allgemeine Besoldungsrevision und der erhöhten Kurszahlungen, sowie anderer Rubriken, der Reinertrag für 1873 vielleicht auf Fr. 800,000 zurükgehen dürfte.

Zu weiterer Erklärung dieses außerordentlichen ungünstigen finanziellen Ergebnisses von 1873 erwähnen wir, daß die Mehrausgaben für 1873 gegenüber 1872 sich auf etwa Fr. 2,400,000 belaufen, während die Einnahmen von 1872 auf 1873 um etwa Fr.

1,400,000 gestiegen sind, welche Ertragszunahme indessen sehr beträchtlich und normal erscheint und bei gewöhnlichen Ausgabsverhältnisscn einen ungünstigen Abschluß ganz verhütet haben würde.

Da der Besoldungselat in den nächsten Jahren voraussichtlich nicht sehr erheblich zunehmen wird und wir die weitere Vermehrung der Einnahmen im bisherigen Verhältniß präsumiren dürfen, so ist die Aussicht gegeben,
der Postertrag werde sich später wieder auf einen günstigen Stand zu heben vermögen.

Die Frage einer eventuellen Rükstandsvergütung an die Kantone hat nun für die Bundesflnanzen eine sehr weitgehende Bedeu-

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tung, und es ist leicht nachzuweisen, daß die von den unmittelbaren Bedürfnissen des Bundes ganz in Anspruch genommene Bundeskasse diese Vergütung aus den laufenden Einnahmen nicht zu leisten vermag: Uebrigens aber erscheint es nicht rationell, den Bund für Vergütung einer Summe in Anspruch zu nehmen, die er niemals empfangen hat und deren künftigen Eingang überhaupt nicht gesichert ist, oder doch nur aus Einnahmen zu schöpfen wäre, die dem eidgenossischen Fiskus in direkter Weise als ordentliche Bundeseinnahme verfassungsgemäß zugewiesen ist. Bereits hat der Bund, wie oben angeführt, im Jahr 1860 in günstigerer Zeitlage nicht nur deh Kantonen Fr. 886,128. 19 Postentschädigungsrükstände ausbezahlt, sondern noch Fr. 378,848. 10 Minderwerth des Inventars als Verlust auf eigene Rechnung genommen, zu dessen Ersaz nach Maßgabe des Bundesbeschlusses vom 20. Januar 1860 der Bund · die Kantone mit vollstem Rechte hätte in Anspruch nehmen können.

.Untersuchen wir nun die Beschaffenheit der seit 1860 entstandenen Postertragsrükstände etwas näher, so liegt es auf der Hand, daß dieselben lediglich nur in nüzlichen, dem Postverkehr dienenden, folglicli allen Kantonen zur Wohlfahrt gereichenden Ausgaben ihren Grund haben, und wir führen als Beispiel hier an, daß seit dem Jahr 1860 über 500 neue Poststellen errichtet und über 1100 Postbeamte und Bedienstete mehr angestellt worden; daß die Zahl der Postkurse von 224 auf 542 gestiegen sind, deren Transportkosten Fr.' 5,137,000 betragen, und daß unter diesen Kursen sich 229 befinden, die einen Ausfall von jährlich 40 bis 90°,o aufweisen, dessen Betrag eine halbe Million Franken jährlich übersteigt. ' ' " ' !

Haben wir nachgewiesen, daß aus den bisherigen Bestimmungen und Zuständen eine Verpflichtung des Bundes zu Leistung der fraglichen Vergütung nicht abzuleiten ist,i so werden wir nun noch beO O rühren, wie sich diese Vergütungsfrage unter den. Bestimmungen der revidirten Bundesverfassung gestaltet. Der Art. 34 der revidirten Bundesverfassung bestimmt, ganz, entschieden, daß der. Ertrag der Posten in die Bundeskasse,zu fallen habe, und in Verstärkung und Ergänzung dieser Norm wird durch Art. 4l der Ertrag der Posten dem Bunde als wesentliche Finanzquelle nebst den Zöllen etc. zugeschieden. Es kann nun anfälligen Uebergangsbestimmungen nicht zustehen, Dispositionen
zu treffen, durch welche bereits von der Bundesversammlung festgestellte Bestimmungen angegriffen und wesentlich alterirt werden. Die finanziellen Dotationen des Bundes sind im revidirten Bundesverfassungsentwurfe mit wohlerwogener Voraussicht auf richtige Vertheilung der Leistungen und Lasten des

131 Bundes einerseits und der Kantone andererseits ermittelt worden, und es erscheint äußerst mißlich, diesen Ausmittlungen durch nachträgliche Uebergangsbestimmungen einen Theil ihres Fundaments zu entziehen, zumal bekanntlich die dem Bunde überlassenen Einuahmszweige großenteils dazu bestimmt sind, demselben die Mittel zu verleihen, die Lasten von bisher durch die Kantone getragenen Ausgaben auf die Schultern des Bundes zu legen. Auch dürften die Ausgaben, welche von den Kantonen auf den Bund übergehen, voraussichtlich später höhere Summen in Anspruch nehmen, so da.ß es vollständig begründet ist, wenn der Bundeskasse allfällige künftige Mehrerträge ihrer Einnahmsquellen ebenfalls ungeschmälert zufließen.

Wir erinnern auch noch daran, wie gleich den Posteinrichtungen auch die Posterträgnisse allen Kantonen zum Genüsse gereichen sollen, und daß die Verwendung des Ertrages zu allgemeinen, die Kantone zunächst berührenden Bundeszwecken dem gemeinen Wohle besser entspricht, als die Leistung der in Frage stehenden Nachvergütung und Repartition nach einer seit 1848 bestandenen Scala, die auf ganz irrationalen Faktoren und fremd gewordenen Zuständen beruht, welcher eine weitere Geltung nicht mehr gebührt.

Der Bundesrath stellt daher bezüglich der beiden in Rede stehenden Postulate den Antrag: Es seien irgend welche spezielle Vorschriften im Art. l der Uebergangsbestimmungen zur revidirten Bundesverfassung, betreffend Nachvergütung des Betrages der dermaligen Postertragsausfälle an die Kantone, als nicht begründet und mit deii einschlägigen Bestimmungen der Bundesverfassung, sowie mit der finanziellen Lage des Bundes unvereinbar, nicht aufzunehmen, und es sei daher auf die in den eidgenössischen Räthen gestellten Anträge (Postulate) nicht einzutreten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versieherimg unserer vollkommensten Hochachtung.

Bern, am 19. Januar 1874.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

Finanzsituation der Postverwaltimg gegenüber den Kantonen am 31. Dezember 1872.

e^^nsn-ar^K jjjm n ijMMt»itijijmnM.jg

Jahre.

AversalZahlungen entschädigung. an die Kantone.

Fr.

1860 1861 1862 1863 1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870 1871 1872 iM CO

*

1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,486,560

RP.

92 92 92 92 92 92 92 92 92 92 92 92 92

Fr.

1,166,422 1,304,290 1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,486,560 1,203,760 1,116,843 929,100 1,306,901 1,121,325 1,486,560 1,486,560

BP.

98 09 92 92 92 92 96 83 23 23 33 92 92

17,068,010

17

Auf Recnung Für die Kantone Total der der Rükstände sich ergebender den Kantonen bezahlte schuldigen RükSaldo.

Summen.

stände.

Ausfall.

Fr.

320,137 182,270

-- -- --.

-- 282,799 369,717 557,460 179,659 365,235 · ----

ßp.

94 83 -- -- -- -- 96 09 69 69 59 -- t

Fr.

--

502,408 502,408 498,346 375,999 359,258 637,752 1,007,469 1,564,930 1,744,589 2,109,825 2,109,825 1,901,250

Bp.

-- 77 77 67 89 36 52 61 30 99 58 58 94

Fr.

Bp.

--.

-- 4,062 122,346 16,741 4,305

-- -- 10 78 53 80 _

-- -- -- -- -- 208,574 251,960

-- -- -- --

64 69

607,991 54

Fr.

320,137 502,408 498,346 375,999 359,258 - 354,952 637,752 1,007,469 1,564,930 1,744,589 2,109,825 1,901,250 1,649,290

Ep.

90 77 67 89 36 56 52 61 30 99 58 94 25

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für Erstellung der Lukmanierstrasse.

(Vom 28. Januar 1874.)

Tit. !

Durch den Bundesbeschluß vom 17/25. Juli 1873, betreffend Bewilligung eines Bundesbeitrages für die Lukmanierstraße, ist dem Kanton Tessin laut Art. 8 eine Frist bis 31. Dezember 1873 für die V o r l e g u n g der A u s w e i s e über die Sicherung der Ausführung des fraglichen Unternehmens, sowie dann laut Art. 2 für dessen Vollendung ein T e r m i n von 3 Jahren vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesbeschlusses gesezt worden.

Mit Zuschrift vom 3. Dezember übermittelt nunmehr die Regierung von Tessin abschriftlich einen Beschluß des Großen Rathes vom 28. November 1873 gemäß welchem sie das Ansuchen stellt: 1) daß der Termin für die Vorlage der Ausweise über die Sicherung der Ausführung des Unternehmens (Art. 7 und 8 des citirten Bundesbeschlusses) bis 31. Mai 1874 und 2) derjenige für die Vollendung von 3 auf 5 Jahre verlängert werden möchte.

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Bericht des Bundesrathes an den Nationalrath über die ausstehenden Postentschädigungen an die Kantone. (Vom 19. Januar 1874.)

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1874

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

31.01.1874

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127-133

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